Connection Spirit 1/2-2015

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DAS MAGAZIN FÜRS WESENTLICHE

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1–2/2015 31. Jg. B 6128

Im Körper ankommen

www.connection.de

Schweiz 16,80 sfr, EU-Länder außer Deutschland 9,40 €

Im

Körper ankommen

Mit Texten von Barbara Rütting Konstantin Wecker Helge Timmerberg Johannes Galli Wolf Schneider und anderen


Die Connection Sonderhefte connection Tantra LIEBE · EROS · WEISHEIT

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Connection AG · Hauptstraße 5 · D-84494 Niedertaufkirchen · Fon: 08639-9834-14 · www.connection.de · vertrieb@connection.de

12.02.2015 | 20:00 Uhr Stadthalle A – SCHREMS 13.02.2015 | 20:00 Uhr Auditorium A – GRAFENEGG 14.02.2015 | 20:30 Uhr Konzerthaus, Großer Saal A – WIEN 15.02.2015 | 19:30 Uhr Stefaniensaal A – GRAZ 17.02.2015 | 20:00 Uhr Palmenhaus Gärtnerei Sandner A – ST. FLORIAN 18.02.2015 | 20:00 Uhr CONGRESS - Saal Tirol A – INNSBRUCK 19.02.2015 | 20:00 Uhr Festspiel- und Kongresshaus A – BREGENZ 20.02.2015 | 20:00 Uhr Stadtsaal A – V CKLABRUCK

WEITERE INFOS UNTER WWW.WECKER.DE

40Jahre ahnsinn W

21.02.2015 | 20:00 Uhr Kultur- und Kongresszentrum KuKo ROSENHEIM

06.03.2015 | 20:00 Uhr Bürgerzentrum – Rechbergsaal BRUCHSAL 07.03.2015 | 20:00 Uhr Kongresshaus Stadthalle HEIDELBERG 08.03.2015 | 20:00 Uhr Saalbau Neustadt NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE 10.03.2015 | 20:00 Uhr Conservatoire de la Ville de Luxembourg L – LUXEMBOURG 11.03.2015 | 19:30 Uhr Stadttheater F RTH 12.03.2015 | 20:00 Uhr Stadthalle G PPINGEN 13.03.2015 | 20:00 Uhr Festsaal der Waldorfschule WANGEN 18.03.2015 | 20:00 Uhr Stadthalle AHLEN

22.03.2015 | 20:00 Uhr Rheingoldhalle MAINZ

29.04.2015 | 20:30 Uhr Theatre Palace CH – BIEL / BIENNE

24.03.2015 | 20:00 Uhr Schützenhalle am Loh L DENSCHEID

30.04.2015 | 20:30 Uhr KKThun Schadausaal CH – THUN

25.03.2015 | 20:00 Uhr Rhein-Mosel-Halle KOBLENZ 26.03.2015 | 20:00 Uhr Theater - Großes Haus TRIER 27.03.2015 | 20:00 Uhr Sport- und Kulturhalle Garbenteich POHLHEIM 28.03.2015 | 20:00 Uhr Orangerie FULDA 20.04.2015 | 20:00 Uhr Volkshaus CH – Z RICH 21.04.2015 | 20:00 Uhr Theatersaal National CH – BERN 23.04.2015 | 20:00 Uhr Tonhalle CH – ST. GALLEN

22.06.2015 | 20:00 Uhr Kulturzelt WOLFHAGEN 26.06.2015 | 18:30 Uhr Tollwood Sommerfestival Musik Arena M NCHEN 16.07.2015 | 20:00 Uhr Burggarten Dreieichenhain DREIEICH 17.07.2015 | 20:00 Uhr Freilichtbühne Zwickau ZWICKAU 20.07.2015 | 19:30 Uhr Sparkassen-Kulturzelt DEGGENDORF 24.07.2015 | 20:00 Uhr Bergwaldtheater WEISSENBURG I. BAY. 27.07.2015 | 20:30 Uhr Luisenburg-Festspiele WUNSIEDEL

02.03.2015 | 20:00 Uhr Bamberger Konzert- und Kongresshalle BAMBERG

19.03.2015 | 19:30 Uhr Kulturhaus SALZWEDEL

25.04.2015 | 20:00 Uhr Audimax REGENSBURG

20.03.2015 | 20:00 Uhr Großer Sendesaal im NDR HANNOVER

26.04.2015 | 19:00 Uhr Stadt-Casino CH – BASEL

28.07.2015 | 20:00 Uhr Hof der Burg Brattenstein RöTTINGEN

04.03.2015 | 20:00 Uhr Kölner Philharmonie K ln

21.03.2015 | 20:00 Uhr Kulturetage Oldenburg OLDENBURG

28.04.2015 | 20:00 Uhr SAL - Großer Saal LI – SCHAAN

03.08.2015 | 19:30 Uhr Amphitheater HANAU


Unser Körper ist nun nicht ein Ort, wo immer alles ruhig ist. Aber wir haben ihn immer bei uns, wenn wir zur Ruhe kommen wollen, deshalb ist er der beste Platz, um bei sich selbst anzukommen. Die Achtsamkeit auf den eigenen Körper zu lenken, speziell auf den eigenen Atem, ist seit Jahrtausenden über Kontinente hinweg der Königsweg zur Meditation. Mit erheblichen gesundheitlichen Nebenwirkungen: Wir entspannen dabei, der Stress lässt nach, wir verdrängen weniger und entdecken Stellen eines Unwohlseins im Körper, bevor sich das etwa zu einer Krankheit ausgewachsen hat. Wir werden sensibler und damit auch mitfühlender. Auf diese Weise gut zu sich selbst zu sein, hat also auch zur Folge, dann mit den Mitmenschen besser umzugehen, mit den Tieren und der Umwelt.

Alles fängt beim Körper an. Wer seinen eigenen Körper liebt und achtet, wer ihn nicht durch Leistungssport oder Leistungsyoga vergewaltigt und ihm auch nicht mit Aufputschmitteln verborgene Reserven zu entlocken versucht, wird durch die gesundheitlichen Folgen belohnt. Die Chancen sind gut, dass dann auch das Fleischessen allmählich aufhört (die Tiere und das Klima werden es uns danken), ebenso ein Essen, das nur die Seele tröstet (comfort food), das maßlose Essen und das Essen oder Trinken von Rauschmitteln aus Langeweile oder zum Zeitvertreib. Gibt es Fundamentalisten mit einem ausgeprägten, hoch entwickelten Körperbewusstsein? Irgendwie scheinen sich eine sensible, wertschätzende Beziehung zum eigenen Körper und der Glaube an eine allem anderen überlegene Ideologie auszuschließen – egal, ob es nun der Glaube an eine bestimmte heilige Schrift ist, an einen allerletzten Propheten, ein bestimmtes Channelmedium oder die Marx-Engels-Gesamtausgabe.

Die Praxis eines solchen Gasteditorials setzen wir hiermit nun fort: Diesmal mit Barbara Rütting, die sich auf den Seiten 16 bis 19 dieses Heftes im Connection-Interview vorstellt. Barbara Rüttings langjähriger Einsatz für Tierrechte, Naturschutz und gute Ernährung passt zur Philosophie von Connection – und diesmal beim Thema des Ankommens im Körper sogar ganz besonders gut. Und die Philosophie von Connection passt zu den Werten, für die sich Barbara Rütting ihr Leben lang eingesetzt hat. Mit einem herzlichem Gruß von Barbara Rütting und Wolf Schneider

Gasteditorial Die letzten beiden Editorials von Connection waren nicht mehr nur von Wolf Schneider unterzeichnet, sondern auch von Konstantin Wecker, der seit Sommer 2014 bei uns in der Redaktion mitarbeitet.

www.connection.de · Januar-Februar 1-2/2015

Barbara Rütting barbararuetting@freenet.de

FOTO: ANIELA ADAMS

Der Königsweg

Glaube versus Körperbewusstsein

FOTO: MANUELA LIEBLER

A

nkommen? Ja, gerne, aber wo denn? Es ist doch alles in Bewegung. Unruhig suchen wir und wünschen uns irgendwann anzukommen, an einem Ort, wo es ruhiger ist und alles gut. Aber wo ist dieser Ort? Ist er da draußen irgendwo in der Welt, oder hier bei mir? Im Märchen vom Hasen und dem Igel gewinnt der Igel den Wettlauf, weil er schon da ist, während der viel schnellere Hase noch rennt. Und der Clou ist: Seine Frau ist schon da! Die weibliche Seite des Igels ist angekommen, während der Hase noch rennt. Das mag auch bedeuten, dass wir heute auf der Erde ankommen müssen, nachdem Jahrtausende lang die Kulturen des Patriarchats nach oben strebten, zum Himmel.

im Körper, dem Tempel der Seele

Editorial

Bei sich selbst ankommen

Wolf Schneider schneider@connection.de

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JANUAR-FEBRUAR 1-2/2015

2015

Sexual Massage Practitioner Tantramassageausbildung, Berlin Kursbeginn am 17.-19.04.

Wings of Love

Tantrajahrestraining, bei Hamburg Kursbeginn am 24.-26.04.

Im FluĂ&#x; der Liebe

Dir selbst (wieder) begegnen .- . Februar, Berlin

Schon der Buddha hat es gesagt: Lenke deine Achtsamkeit auf den KĂśrper! Jede Ideenreise endet irgendwann wieder hier: beim Atem, der Verdauung, der Bewegung von FĂźĂ&#x;en und Händen. Wie wir mit diesem heiligen Tempel unserer Seele und Wohnort unserer GefĂźhle, LĂźste und Schmerzen umgehen, entscheidet, was fĂźr ein Leben wir fĂźhren und wie lange. Unser Portraitteil stellt Menschen vor, fĂźr die der KĂśrper das Tor ist zu Entspannung, Weisheit, GlĂźck, Ekstase, Genuss und Gesundheit.

Liebe Leben

Tantrische Heilmassagen

Im KĂśrper ankommen

Hamburg, Berlin & Hannover Fßr Männer und Frauen

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S. 14 – 49 Mystik und Widerstand

Loslassen, EntrĂźmpeln und Abnehmen

FĂźr Dorothee SĂślle, Konstantin Wecker und Roland RottenfuĂ&#x;er ist klar, dass Mystik nur vorĂźbergehend, in einem sogenannten ÂťRetreatÂŤ etwas Weltabgewandtes sein kann. Echte Mystik isoliert sich nicht, sondern verbindet sich mit der Welt, fĂźhlt mit und handelt als Teil des groĂ&#x;en Ganzen. Das kann auch Widerstand gegen ein midleidloses politisches System zur Folge haben – vielleicht muss es das sogar.

Halten Sie vĂśllig mĂźhelos Ihr Gewicht oder verlieren Sie ĂźberflĂźssige Pfunde! Jeder Mensch hat EFO ,ĂšSQFS EFS TFJ OFN 8FTFO VOE TFJ OFO %FOLXFJTFO FOU TQSJDIU #PEZ 'FOH 4IVJ CFGBTTU TJDI NJU EFO FOFSHFUJTDIFO ;VTBNNFOIĂŠOHFO [XJ TDIFO ,ĂšSQFS (FJTU VOE 6NGFME %BCFJ TQJFMU EJF /BISVOH FJOF HSP•F 3PMMF %JF JO EJFTFN #VDI FNQGPIMFOF CBTJTDI WFHBOF &SOĂŠI SVOHTMJOJF CFTUFIU BVTTDIMJF•MJDI BVT OBUVSCF MBTTFOFO Qø BO[MJDIFO 1SPEVLUFO Irmgard Brottrager zeigt ihnen wie dies geht! 4 LBSU Bd. 1: 220 S., m.Abb., kart. Bd. 2:

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S. 50 – 53

Wie es weitergeht Wie es weitergehen kann mit einer Zeitschrift fĂźr Mystik, wenn Wellness-Spiritualität den Markt Ăźberschwemmt und jeder alles – Gutes, Wirres, IrrefĂźhrendes, alles durcheinander – auch im Internet findet, entwirft hier ihr jetziger Herausgeber, der nun nur noch Autor und Redakteur, nicht mehr Verleger sein will.

S. 58 – 59

Januar-Februar 1-2/2015 ¡ www.connection.de


I N H A LT 3

Editorial

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Robert Musil über Das Geheimnis der Mystik

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Wie es ist: Nachrichten von heute

10 Wie es sein könnte: Nachrichten aus einer Welt von morgen 12 Bildkomposition von Christina v. Puttkamer mit einem Gedicht von Rilke

S. 12

Schwerpunkt: Im Körper ankommen 14 Zuerst kommt der Körper, findet Wolf Schneider – Schluss mit »mind over matter« 16 Hat meine Seele Lust, in diesem Körper zu wohnen? fragt sich Barbara Rütting im Connection-Interview 20 Therapie, die berührt: das Focusing – Marianne Gallen praktiziert es 22 Somatic Experience – der Satsanglehrer Gaia Michael Zipf arbeitet damit 24 Verkörperte Spiritualität – für Christina Salmen ist der Körper der Weg 26 Der Tod ist ein sanfter Bruder, sagte Andy, der Helfer der Sterbenden, zu Helge Timmerberg in Mutter Teresas Haus in Kalkutta

S. 16

30 »Du hast den Kampf verloren«, sagt ein Clown zu Johannes Galli, und der ergibt sich 34 »Können Sie sich identifizieren?« – Tom de Toys kann es nicht und lebt ganz gut damit 37 Kontrast – Gabriele Rossbach lenkt das Bewusstsein auf den lebenden Körper 38 Zwölf Portraits von Körpertherapeuten 38 Christina Salmen, 39 Hedda Janssen, 40 Sylvia Glatzer, 41 Yoni-Massage (Dagmar Thiemann), 42 Michael Bauer, 43 Sibylle Schütz, 46 Elisabeth Müller-Schwefe, 47 Bernd Scharwies, 48 Gabriele Vasana Spengler, 49 Catalixx Cuna und Renu Li 50 Mystik & Widerstand – Konstantin Wecker ist fasziniert von Dorothee Sölles Hauptwerk 52 Hinter den Schlagzeilen – Roland Rottenfußer hat für Konstantins Webseite ein Mission Statement verfasst

S. 24

56 Den rebellischen Geist der Mystiker beschreibt Wolf Schneider anhand eines Artikels in der New York Times 58 Wie es weitergeht mit dieser Zeitschrift 60 WerWasWo 61 Die soziologische Psychologie der Löcher erläuterte Kurt Tucholsky schon 1931, lange bevor es bei uns eine Philosophie der Leere gab 62 Spüren wir das Ego? fragt sich Tom de Toys in seiner zweiten Annäherung an Alan Watts 66 Promotion: Das Erleuchten geht weiter, erklären Torsten Brügge und Padma Wolff von der Bodhisattva-Schule 68 Promotion: Es gibt kein Tun, nur sehen, sagt Loretta Locke und stellt ihre spirituelle Lehrerin Gurpreet vor

S. 34

70 Filme: über Stephen Hawking und Henri Cartier-Bresson 72 Bücher über Achtsamkeit, Religion & Gewalt, Bindungsangst, Märchen und anderes 76 Leserbriefe über den Archetyp des Ausbrechers und die Seichtigkeit des Seins 78 Steht es schon in der Zeitung? Wilhelm Reich mokiert sich über die Leichtgläubigkeit des kleinen Mannes 79 Marktplatz 80 Veranstaltungskalender und Inserentenverzeichnis 82 Vorschau/Impressum , Zeitschrift für Spiritualität & Politik, Mystik & Widerstand, Ökologie, Lebenskunst und Humor. Erscheint alle zwei Monate mit einem starken Schwerpunkt. Gegründet 1985, ist Connection Spirit die älteste transkonfessionelle spirituelle Zeitschrift auf deutsch. Fachmagazine über Tantra und Schamanismus aus demselben Verlag ergänzen sie.

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S. 56

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IM KÖRPER ANKOMMEN

Zuerst kommt

der Körper Sensibilität gegenüber dem Körper ist auch das Beste für den Geist VON WOLF SCHNEIDER

»Mind over matter« sagt man im Englischen. »Primat des Geistes« oder »der Geist hat Vorrang« heißt es im Deutschen. Kaum ein philosophisches Konzept hat über die Zeiten und Kontinente für so viel Verwirrung gesorgt wie dieses – und für Leiden. Denn der Weg zur geistigen und emotionalen Reife, zur Gesundheit und Weisheit führt über den Körper, über das bewusste Sein im Körper, hier und jetzt

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eltsam, wie man in unserer Kultur Körper und Geist versteht. Traditionell ungefähr so: Die Tiere haben einen Körper, aber keinen Geist. Wir Menschen haben Geist, das zeichnet uns aus, aber irgendwie hängt da noch was dran, das uns leider auch ein bisschen zu Tieren macht – der Körper. Unsere noble Aufgabe als Menschen ist nun, dieses Animalische in uns zu überwinden und ganz Mensch, also ganz Geist zu werden. Dann und nur dann errei-

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IM KÖRPER ANKOMMEN

weilt nach außen beim Körper (anderer) in Betrachtung des Körpers; oder er weilt nach innen und außen (abwechselnd) beim (eigenen und fremden) Körper in Betrachtung des Körpers.« Das klingt uns Heutigen antiquiert, auch wegen der Wiederholungen, die man damals pflegte, weil man noch keine Aufnahmegeräte hatte und auch die Schrift, die es längst gab, für sowas noch kaum verwendet wurde – die bevorzugte Methode des Lehrens und Lernens war das (oft rhythmische) Sprechen und das gute Zuhören. Trotz der fremden Sprechweise kommt die Botschaft klar rüber: Die achtsame Betrachtung des Körpers, das Verweilen darin, ist der allem anderen zu bevorzugende Zugang zum Geistigen, zu Stille und Frieden, zur Leidensfreiheit und Erleuchtung (nibbana).

Der Königsweg zum Geistigen Und das sagte einer, für den das Männliche mehr galt als das Weibliche, das Aufstrebende mehr als das Niedergehende, und von dem

Die Betrachtung des Körpers, das meditative FLICKR.COM © FRANCIS CHUNG

Versinken darin, ist auch heute noch der Königsweg unter den Meditationen

seine Hingabe gerühmt, nicht so sehr für seine Weisheit. Von diesem größten bekannten Weisen aller Zeiten (von den unbekannten wissen wir ja nichts) beginnt die wichtigste seiner Lehrreden mit den folgenden Worten:

Eifrig, wissensklar, achtsam »Der einzige Weg ist dies, o Mönche, zur Läuterung der Wesen, zur Überwindung von Kummer und Klage, zum Schwinden von Schmerz und Trübsal, zur Gewinnung der rechten Methode, zur Verwirklichung des Nibbana: die vier Grundlagen der Achtsamkeit. Welche vier sind das? Da weilt, o Mönche, der Mönch beim Körper in Betrachtung des Körpers, eifrig, wissensklar und achtsam« (und dann folgen die Gefühle, der Geist und die Geistesobjekte, auch alles das verlangt Achtsamkeit.) »Wie nun, o Mönche, weilt der Mönch beim Körper in Betrachtung des Körpers? Da ist hier, o Mönche, der Mönch in den Wald gegangen, an den Fuß eines Baumes oder in eine leere Behausung. Er setzt sich nieder, mit verschränkten Beinen, den Körper gerade aufgerichtet, die Achtsamkeit vor sich gegenwärtig haltend, und achtsam atmet er ein, achtsam atmet er aus.« »So weilt er nach innen beim (eigenen Atem-) Körper in Betrachtung des Körpers; oder er

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sich die Kulturen nach ihm eine Himmelfahrt ausdachten, ähnlich wie bei Jesus. Einer, in dessen Kultur die Körper nicht beerdigt wurden, sondern verbrannt, so dass dabei nicht nur die Seele, sondern auch der Körper mit dem Feuer zum Himmel aufsteigen würde – für die indische Kultur ebenso wie die europäische galt die Erde damals doch als das, was uns unten hält, niederhält und im Körper gefangen. Die Betrachtung des Körpers aber, das meditative Versinken darin, ist auch heute der Königsweg unter den Meditationen; heute, da endlich die Erde, der Boden und das Weibliche wieder geschätzt werden als das unerlässliche Gegenüber zu allem Aufstrebenden. Es lässt sich eben nicht trennen. Wenn ich Leistungssport betreibe, Tänzer bin, Schauspieler, Sänger oder Akrobat, setze ich mir Ziele – etwas Geistiges! –, denen der Körper dann folgen soll. Und auch dann, wenn ich nur meinen eigenen Atem betrachte, ist diese Betrachtung etwas Geistiges; das Objekt aber, das Atmen, ist etwas Körperliches. Ebenso wie bei der Betrachtung des Werdens und Vergehens in der Natur, in der Abfolge der Jahreszeiten, im Aufwachsen von Kindern und dem Verfall des eigenen, alternden Körpers. Idiotie (von altgriech. idiotes – Privatperson) ist, wenn der Geist denkt, er sei einzeln, losgelöst, frei vom Körper und auch sonst je-

dem Kontext. So entstehen alle diese schrecklichen geistigen Krankheiten: Extremismus, Fanatismus, Fundamentalismus, Rassismus, kulturelle Arroganz, erstarrte Ideologien, Rechthaberei, Besserwisserei. Nur wenige der von diesen Idiotien Gepeinigten werden als solche erkannt und in die Psychiatrie eingewiesen. Die meisten von ihnen laufen frei herum, und die Erfolgreichsten von ihnen bestimmen unsere Weltkultur.

Das Lustprinzip Auch im Privaten, Kleinen passiert das. Wir machen eine extreme Diät so lange, bis wir rückfällig werden. Wir betreiben Leistungssport, bis wir schon in jungen Jahren nicht mehr können. Diese Fixierungen auf den Körper sind immer eine Art geistiger Besessenheit, es sind Kämpfe gegen sich selbst. Besser, man folgt in Maßen und weise vorausschauend dem Lustprinzip, isst in Maßen Gutes und bewegt sich so, dass es gut tut. Gute Ernährung und ausreichend Bewegung sind die besten Mittel gegen die heutigen Zivilisationskrankheiten. Wenn sich das eine oder andere davon nicht schon im Moment des Tuns gut anfühlt, fehlt dafür wahrscheinlich eine spezifische Sensibilität, das Einfühlen oder Lauschen nach innen. Bei der Auswahl eines Essens, das guttut, ohne auf irgendwas Leckeres verzichten zu müssen, kann folgende Faustregel helfen: Folge nicht dem, was dir zuwinkt, sondern dem, was in dir summt. Was dir von außen zuwinkt, wie die vielen, verlockenden Waren im Supermarkt auf dem Weg zur Kasse, ist meist nicht das, was du brauchst. Das gilt übrigens auch für unser ethisches Verhalten gegenüber anderen: Tu Gutes, aber so, dass es sich schon im Tun gut anfühlt – körperlich und geistig (vom Gewissen her). Andernfalls ist die Gefahr groß, dass du dich durch ein Tun, mit dem du nur einer Maxime folgst, für was Besseres hältst als andere. Dann hat vermutlich deine soziale Umgebung, dein soziales »System«, auf das du dann projizierst, die Schattenseiten dieser inneren Spaltung zu tragen. Auch dabei kann der Körper ein guter Sensor sein: Fühlt es sich körperlich gut an, was du da tust? Für den Aussteiger Andy, den Helge Timmerberg auf den Seiten 26 bis 29 in diesem Heft beschreibt, ist das offenbar der Fall.

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chen wir das Ewige, Göttliche, den Himmel, den Geist, das Höhere Selbst oder Nirvana. Wer etwas genauer hinsieht, merkt, wie absurd diese Idee ist. Nicht erst wir Heutigen, schon Buddha und seine Zeitgenossen wussten, dass der Weg zu den sogenannten höheren geistigen Ebenen menschlicher Verwirklichung über den Körper führt. Über einen guten Umgang mit dem Körper! Nicht über seine Ablehnung. Deshalb möchte ich hier die einleitenden Worte aus der Satipatthana Sutta anführen, der Lehrrede über die Verankerung des »Mönchs« (heute würden wir sagen: des spirituell Strebenden) in der Achtsamkeit. Von Buddha haben wir immerhin Wörtliches überliefert bekommen, von Jesus, der anderen großen Figur der spirituellen Weltgeschichte, leider kaum. Niemand wird heute kulturübergreifend so sehr als weiser, emotional und geistig bestmöglich gereifter, selbst verwirklichter Mensch verehrt wie jener Gautama Buddha, der ca. 560 bis 480 vuZ in Nordindien lebte – der nicht minder populäre Jesus wird eher für sein Mitgefühl und

WOLF SCHNEIDER, Jg. 1952. Autor, Redakteur, Kursleiter. Studium der Naturwissenschaften und Philosophie (1971–75) in München. 1975–77 in Asien. 1985 Gründung der Zeitschrift Connection. Seit 2007 Theaterspiel & Kabarett. Kontakt: schneider@connection.de

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IM KÖRPER ANKOMMEN

Verkörperte Spiritualität

Der Körper als Weg, um sich an das Große Ganze anzubinden Die Paartherapeutin Christina Salmen hört von ihren Klienten oft die Aussage »Ich spür dich einfach nicht mehr«. Ihr Rat: Nimm deinen Körper wahr! Erst wenn du in deinem eigenen Körper angekommen bist, kannst du auch von anderen Menschen gesehen, gespürt und angenommen werden

VON CHRISTINA SALMEN

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eit Jahren arbeite ich als Familien- & Paartherapeutin mit Menschen, die sich in ihrem Körper nicht wirklich spüren können oder unbewusst nicht wollen. 4/5 unseres Bewusstseins sind im und durch den Körper wahrnehmbar. Freud verdeutlichte es bereits mit seinem Eisbergmodell: 1/5 des Eisbergs ist sichtbar, der Rest liegt im Unterbewussten. Für mich ist das der Ansatzpunkt, um mit dem Unbewussten in Verbindung zu kommen: der Körper. Oft vernehme ich Ausdrücke wie »Ich komm nicht an ihn/sie dran« oder »Ich will das Gefühl haben, wahrgenommen und angenommen zu werden« oder »Ich spür dich einfach nicht mehr«. Die meisten versuchen erstmal, etwas im Kopf zu verändern, aber das hilft nur teilweise. Denn die tiefen Inprints unserer Prägung sind in dem Teil des Körpers gespeichert, der so nicht erreicht werden kann. Und wenn du dich nicht wahrnehmen kannst auf körperlicher Ebene, wie soll das dann einem anderen gelingen?

S

Selbstannahme Sich selbst anzunehmen ist deshalb der erste Schritt. Nimm dich wahr, so wie du dich in deinem Körper spürst. Wie fühlt sich der Zeh an? Das Knie, der Po, der Bauch, die Brust, der Nacken, die Haarspitzen … nimm es an, wie es ist. Ich nenne das Tracking. Es ist ein Beobachten, so als würdest du dich selbst beobachten. Dich erforschen, wie der Status quo in diesem Moment ist. In der Regel gelingt dies nur mit viel Aufmerksamkeit und Übung. Oft sagen meine Klienten, dass sie sich nicht spüren, dass sie nicht wissen, wie etwas sich anfühlt, oder dass es sich taub anfühlt oder sie mit bestimmten Bereichen – meistens sind das die Genitalien oder die Füße – keinen Kontakt haben.

Ankommen im Körper Das Ankommen im Körper ist essentiell, denn wenn wir unseren eigenen Körper nicht

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IM KÖRPER ANKOMMEN

ser Tempel eine heilige Stätte des Geistes ist. Der Geist erfährt sich selbst als verkörperter Mensch. Ich nenne dies »verkörperte Spiritualität«.

Verkörperte Spiritualität Wir dürfen hier auf Erden Erfahrungen machen, das ist die Essenz und der finale Schritt. Um uns vollkommen dem Leben hinzugeben, sind wir eingeladen, alles loszulassen, womit wir uns identifizieren. Wir werden dann immer noch unsere Identifizierungen wahrnehmen, aber dann sind wir davon unabhängig. Wir erfahren den Körper nun aus einer anderen Perspektive und werden ehr-

Es geht darum, dem eigenen Körper zuzuhören und seine Signale wahrzunehmen: Schmerzen, Blockaden, Krankheiten, Angst, Trauer,

FLICKR.COM © ZACH DISCHNER

Freude, Stille, Glückseligkeit

keit, uns selbst zu spüren und zu fühlen, behindert – und dann kann auch ein Gegenüber uns nicht mehr wahrnehmen.

Selbstliebe Nach dem Annehmen kommt das Lieben, das Annehmen und Lieben, was ist. Ohne zu beurteilen oder zu bewerten, was wir da spüren oder wahrnehmen. Im Englischen bedeutet das Wort Selfpleasure, welches wir im Deutschen mit Selbstbefriedigung übersetzen, nicht nur für die Erfüllung des sexuellen Verlangens durch sich selber, sondern es bedeutet in einem viel weiteren Sinne, sich selber Freude zu bereiten. Ich finde, dass im Deutschen sehr schön der Sinn zu erkennen ist: sich selbst zu be-frieden! Frieden finden mit sich und dem Gefühl in sich. Und das auf der körperlichen Ebene. Wenn wir mit einem Teil in uns nicht im Frieden sind und den nicht integrieren, wir uns dessen schämen oder davor Angst haben, dann sind wir nicht wirklich präsent und verbunden mit unserem Körper. Der Körper ist unser Zuhause. Nur durch ihn kann die Seele diese menschliche Erfahrung des Lebens machen. Der Mensch ist eine außergewöhnliche Ausdrucksform des Lebens an sich. Es ist ein Wunder der Schöpfung, dass wir fähig sind, unserer selbst bewusst zu sein, und mit der Gabe des freien Willens versorgt sind. Deshalb sehe ich den Körper als einen Tempel, dem wir in Achtsamkeit, Liebe und Respekt begegnen sollten. Und wir sollten niemandem je Eintritt erlauben, der nicht erkennen kann, dass die-

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fürchtig gegenüber der Kreation des Lebens. Wir erforschen die Erfahrung des Menschseins und lauschen durch den Körper dieser Anbindung an das Große Ganze und folgen der Evolution. Dies ist allerdings nur möglich, wenn wir dem eigenen Körper zuhören. Wenn wir wahrneh men, was für Signale er uns sendet: Schmerzen, Blockaden, Krankheiten, Gefühle wie Angst, Trauer, Freude, Stille und Glückseligkeit. Falls wir dem Lebendigen, in welcher Form auch immer, nicht Aufmerksamkeit schenken oder zu viel Angst davor haben, das, was wir da spüren, nicht kontrollieren zu können, weil es uns übermächtig erscheint, dann ist das der Zeitpunkt, sich mit Mut zur Liebe wirklich dem Leben hinzugeben! Die Menschheit ist bereit für den nächsten Evolutionsschritt. Hierzu müssen wir unserem Instrument, dem Körper, vertrauen. Ihm erlauben, gestimmt zu werden und uns auszurichten – das Fein-Tuning – an den Ton des Universums. Unser Körper ist hierfür das geeignete Medium. Jeder einzelne Klangkörper auf diesem Planeten schwingt sich ein auf die magische Melodie des Lebens. Meiner Erfahrung nach eignen sich zur Zeit folgende Hilfsmittel, den Körper bewusster wahrzunehmen: Yoga, Tanz, Bodywork, Wa tsu und Meditation.

Einstiege Yoga, ChiGong und Ähnliches sind wunderbare Einstiege, solange dabei die Wahrnehmung von sich selbst und des eigenen Körpers im Vordergrund steht. Solange Leis-

tungsdruck oder der Versuch, es richtig oder perfekt zu machen, nicht der Hauptaspekt der Ausführung ist, sondern eher die Verehrung, das bewusste Erforschen und Studium des Körpers. Auch der Tanz ist dafür geeignet, um die Wahr nehmung zu schulen. Ein Tanz, der durch das Lauschen entsteht und durch den wir einen Raum betreten, in dem wir nur noch staunen können, zu was dieser, unser eigener Körper fähig ist, und wie spürbar er geführt wird, wenn wir ihm den Raum geben, sich zu erfahren und ihm zu folgen. Körperarbeit hilft, in Form von Berührung, Massagen, um die Teile, die wir nicht alleine öffnen oder spüren können, mit Hilfe eines anderen Menschen zu entfalten. Wenn der Behandelnde bereits die Verkörperung in jeder Zelle trägt, genug geläutert ist – sprich: Wenn der Geist sich nur durch ihn/sie hindurch zur Verfügung stellt –, dann spürt der Körper des Klienten dieses unbewusst und lernt, dass es in Ordnung ist wahrzunehmen, was sich gerade zeigen will, und nimmt es an. Durch bedingungslose Berührung, die nichts will, dennoch vollkommen präsent ist, kann derjenige sich wieder spüren, entwickeln, entfalten, transformieren und loslassen.

Im Leben ankommen Um in die Beobachtung zu gelangen, hilft auch Meditation. Wir können die Fähigkeit der Selbstwahrnehmung immer mehr verinnerlichen, so dass sich diese Haltung als Grundsatz des bewussten Seins in uns verankert. Dann sind wir losgelöst von dem Drang, uns mit etwas zu identifizieren, und erkennen schneller, wenn der eine oder andere Mechanismus oder Reflex automatisch abläuft. Auch das bewusste Atmen hilft uns, wieder ins Hier & Jetzt zu kommen – es ist eine körperliche Aktivität, die wir jederzeit zur Verfügung haben und die uns in Verbindung mit unserer Körperwahrnehmung bringt. Insofern ist der Körper der ideale Weg, sich an das Große Ganze anzubinden. Er kann uns ein Barometer sein, welches uns leitet. Durch ihn kommen wir nicht nur im Körper an, der unser Zuhause ist, sondern im Leben. [

wahrhaftig bewohnen, sind wir nicht wirklich da. Das Nicht-wahr-Nehmen entsteht normalerweise aus einem Überlebensmechanismus. Im Lauf des Leben haben wir Situationen erlebt, die uns als zu schmerzhaft erschienen, nicht aushaltbar, zu bedrohlich, wir glauben »abhauen« zu müssen. Dann sind wir aus dem Gefühl, in diesem Körper zu Hause zu sein, rausgegangen. Wir taten das, um zu überleben, denn wir glaubten, sonst sterben zu müssen. Ein sehr verletzlicher Teil von uns wollte nicht spüren, was da geschah, hat sich abgeschottet, es war ihm zu viel, er wollte sich schützen und hat sich dann hinter einem Schleier verborgen, einer Wand, einer Schutzmauer. Damit war unsere Fähig-

CHRISTINA SALMEN, Jg. 71, Dipl. Soziologin, systemische Paar- und Familientherapeutin, mit Fokus auf Beziehungen, Partnerschaft, Sexualität, Liebe, Wahrheit und wahrhaftigen Kontakt mit Körper, Seele und Geist. Sie gibt Seminare und arbeitet mit Klienten in Einzel- oder Paarsitzungen in Starnberg. www.soulandlife.com

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CONNECTION INTERN

Wie es

weitergeht

Es gibt Übergänge im Leben. Mindestens drei- oder viermal im Leben jedes Menschen endet eine solche, ihn prägende Phase, und es beginnt eine neue. Für den Gründer und Blattmacher der Connection ist das nun, nach 30 Jahren, der Fall – und es hat den Anschein, als wäre das gut für diese Zeitschrift VON WOLF SCHNEIDER m April wird Connection 30 Jahre alt. Im Alter von 32 habe ich diese Zeitschrift begonnen, sie hat einen so großen Teil meines Lebens so stark geprägt, dass manche sie »mein Lebenswerk« nennen. Und nun ist es Zeit, diese Zeitschrift, und mit ihr den Verlag, in dem sie erscheint, in neue Hände zu geben. Die redaktionelle Erstellung der Inhalte mache ich gerne weiter, wenn das von dem oder denen erwünscht ist, die sie übernehmen, aber dann nicht mehr den Verlag, das Geschäftliche. Ich glaube nämlich, dass der Verlag, und damit auch die Zeitschrift, in neuen Händen besser gedeihen werden.

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Hans im Glück Bevor ich für Connection verantwortlich war, führte ich ein buntes, bewegtes Leben. In den darauffolgenden 30 Jahren war es immer noch bunt und bewegt, aber nun gab es für mich kaum äußere Bewegung mehr, denn ich hatte mich mit Haut und Haaren, mit Herz und Seele, diesem Projekt verschrieben. Was in dieser Zeit an Materiellem mir zuflog, habe ich wieder verloren. Auf einer anderen Ebene, die mehr mit Erkenntnis und seelischem Reichtum zu tun hat, habe ich unendlich viel gewonnen, so ähnlich wie Hans im Glück im Grimmschen Märchen. Auch das Haus, das ich 1991 kaufte und umbaute – der Verlag braucht es heute, in Zeiten des Internets, nicht mehr, es wird einen neuen Besitzer finden.

Mauern, die erzählen Das Connection-Haus hat ungefähr 20 Jahre lang eine Gemeinschaft beherbergt. Bis zu 20 »Aussteiger« wohnten hier zugleich. Mehr als 500 Seminare fanden hier statt, berühmte spirituelle Lehrer und Therapeuten gingen hier aus und ein, während die Redakteure und Grafiker von Connection Hunderte von Ausgaben dieser Zeitschrift gestalteten. Menschen verliebten sich hier oder erlebten geistige Durchbrüche (»Aufwachen« nennt man das heute). Kinder wurden

hier gezeugt, Paarbeziehungen entstanden, die bis heute andauern … wenn ich durch diese Räume gehe, kommt es mir vor, als könnten die Mauern dieses alten Hauses von alledem erzählen – es würde Bücher füllen mit Tausenden von Seiten.

Die Marke In diesen Jahren ist auch außerhalb des Hauses und des die Connection erschaffenden Teams, das längst nicht mehr hier wohnt und zum größten Teil auch nicht mehr hier arbeitet, etwas entstanden, das dieses Projekt erzeugt hat. Ungefähr zehntausend Leser hat jedes unserer Hefte (die nur flüchtig Blätternden und die hochselektiven Leser rechne ich hier mit dazu), und sicherlich mehr als 100.000 wissen, dass es uns gibt, und schauen gelegentlich mal auf unsere Webseite. Was wird aus diesem Gewebe, wenn ich mal nicht mehr der wirtschaftliche Entscheider bin, sondern nur noch (erst) der verantwortliche Redakteur, dann einer der Redakteure, dann ein Kolumnist? In mir kommt Jubel auf – »Wer widerruft Jubel?« schrieb Rilke im September 1914 in einem seiner schönsten Gedichte –, wenn ich daran denke. Loslassen? Connection loszulassen und sie in gute neue Hände zu übergeben, erfüllt mich mit unbändiger Freude. Ich will schreiben und publizieren, mehr denn je, aber die Feinheiten des Internet-

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CONNECTION INTERN

marketing und der Promotion von Produkten und Profilen in den heutigen sozialen Netzwerken, die möchte ich mir nicht mehr beibringen. Das sollen Jüngere machen, die damit aufgewachsen sind und denen eine vom Marketing dominierte Welt nicht so zuwider ist wie mir.

Das Internet

Lebensfreude Messen k Glüc ! en erleb

In was für einer spannenden Zeit leben wir doch! Ich hab’ große Lust, da mitzumischen, als Redakteur und Autor, aber nun nicht mehr als Verleger

mitzumischen, als Autor da mitzumischen. Um den Datenschutz sieht es nicht gut aus; das einst so liberal scheinende Netz wird heute von Kraken dominiert, die sich an unseren persönlichen Daten mästen. Andererseits fasziniert mich die Möglichkeit, heute weltweit publizistisch präsent zu sein, ohne Druckkosten und ohne Porto, ebenso wie die Zugänglichkeit von Daten über z.B. die Wikipedia und die Suchmaschinen. Im Internet gibt es das globale Dorf schon. Im Bewusstsein der Menschen ist das allerdings noch nicht angekommen, das haben auch Google und Facebook noch nicht bewirken können. Das Monster der Religionskriege ist wiederauferstanden, weil unsere Weltkultur in vieler Hinsicht noch genauso dumm ist wie vor 2.500 Jahren. Noch immer stehen wir vor den Phänomenen des Religiösen wie Kaninchen vor einer Schlange. Kopfschüttelnd sehen wir die Unterschiede zwischen einem Abu Bakr al Baghdadi (dem Kalifen von IS) und einem Dalai Lama – beides hochreligiös motivierte Menschen –, aber warum gerät der eine so, der andere so? Deshalb muss es Connection weiterhin geben!

Mehr als nur Trost Gerade las ich im economist, dass in unseren Gesellschaften ab einem gewissen Lebensstandard das subjektiv empfundene Glück nicht mehr zunimmt, sondern nur noch der Umsatz an Antidepressiva. Das freut die Phar maindustrie, aber auch mehr dem Geis tigen zugewandte Industrien können davon profitieren, und dazu gehört die WellnessSpiritualität, die in unserer Zeit phänomenal boomt – auf dem Büchermarkt schon lan-

www.connection.de · Januar-Februar 1-2/2015

Psychologen das wohl »kognitive Dissonanz« nennen. Es gibt allerdings noch eine tiefere, echtere Variante von Religiosität. Davon spricht zum Beispiel der Wiener Arzt Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie, der das KZ nicht nur physisch, sondern auch psychisch überlebt hat. Um angesichts einer deprimierenden Umgebung einen Sinn im Leben zu finden, und darin Glück, muss man kein Theist sein.

bewusst, gesund & glücklich

Lübeck

27. Feb. – 1. März 2015

Hamburg

17. – 19. April 2014

Der Generationswechsel Es gibt zurzeit drei ›Parteien‹, die sich für die Übernahme von Connection interessieren, aber noch keinen Vertrag. Wer noch mitbieten oder eine Schlüsselkompetenz für das neue Team anbieten will, ist willkommen, das zu tun. Den alten Lesern, die zu mir großes Vertrauen haben – wir haben eine phänomenal hohe Bleibedauer der Abonnenten von durchschnittlich mehr als 10 Jahren –, sage ich: Sehr wahrscheinlich werde ich weiterhin vorerst der Gestalter der Inhalte sein, obwohl ich das nicht zur Bedingung der Übergabe mache und auch im Redaktionellen ein Generationswechsel ansteht. Jedenfalls bricht dann für mich eine Zeit an, in der ich noch viel mehr das tun kann, was ich wirklich will: Menschen und Projekte kennenlernen, die einen positiven Beitrag zum Weltganzen leisten; hierüber als Redakteur Berichte anderer veröffentlichen und auch selbst schreiben; weiterhin die condition humaine erforschen und insbesondere das: wie man als im Mystischen, in der Meditation verankerter Mensch nicht nur nach innen, sondern auch nach außen hin Gutes tun kann.

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FLICKR.COM © JIM LUKACH / C. V. PUTTKAMER

Neulich fiel mir die aus der Internetkultur hervorgegangene Zeitschrift »Wired« in die Hände, die es ja gedruckt gibt (!); das Thema ihrer Novemberausgabe ist »Die Zukunft des Ich«, über u.a. die fiktiven Identitäten, die wir uns heute im Internet so leicht zulegen können. In was für einer spannenden Zeit leben wir doch! Ich hab’ große Lust, da

ge, nun auch auf dem Zeitschriftenmarkt. Trotz Titeln wie happinez und happy way hält das Glücksgefühl nach dem Lesen einer solchen Zeitschrift jedoch nicht länger an als nach der Einnahme eines Antidepressivums. Und wie bei anderen Drogen auch, muss nach einer Weile die Dosis erhöht werden, um noch dieselbe Wirkung zu erzielen, da beginnt man dann auch extremeren Thesen zuzustimmen, wie etwa: Die Wirklichkeit, die du erlebst, hast du dir selbst erschaffen! Kann Religion überhaupt je mehr leisten als nur zu trösten? Kann sie mehr sein als nur »Opium fürs Volk«? Wenn wir angesichts von Kriegen, verhungernden Kindern, folternden Geheimdiensten und der naturvernichtenden Tendenz der heutigen Weltwirtschaft von einem »lieben Gott« sprechen, würden

Mitmachen beim großen Eventprogramm!

Yoga

Klanglounge

Neu: 1. Lebensfreude Festival in Travemünde

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