Spirit 3/4-2014: Earthships

Page 1

DAS MAGAZIN FÜRS WESENTLICHE 3–4/2014 30. Jg. B 6128

Earthships

www.connection.de

Schweiz 16,80 sfr, EU-Länder außer Deutschland 9,40 €

Earthships Nullenergiehäuser und andere rettende Initiativen

Mit Texten von und über Mike Reynolds, Konstantin Wecker, Christina Kessler, Daniel Barron, Annette Kaiser und anderen

9€


Lebensfreude Messen bewegen Mit i Vegg g! Livin

MÄRZ-APRIL 3-4/2014

Heilung der Erde Die wichtigste Aufgabe unserer Zeit ist, den Biotop zu erhalten, der unser Menschenleben auf der Erde trägt. Hierzu müssen wir neu denken, neu fühlen und entsprechend handeln. Zum Beispiel in Sachen Hausbau. Die Earthships von Mike Reynolds überzeugen dabei auf Anhieb: Sie werden von der Sonne geheizt, recyceln ihr Brauchwasser, sind aus Abfall und lokalen Rohstoffen gebaut, und man wohnt in ihnen wie in einem Gewächshaus.

S. 18 – 51 Wildes Denken

Lübeck übeck

Die Anthropologin und Philosophin Christina Kessler traf auf das »wilde Denken« bei ihren langjährigen Studien der Huichol-Indiander in Mittelamerika. Nun weitet sie die Ergebnisse aus zu einer Theorie des Geistes, in der beide Seiten ihren Platz haben: das rationale und das wilde Denken.

7. – 9. März ’14

Musik- & Kongresshalle

Hamburg

11. – 13. April ’14

Congress Center Hamburg

S. 14 – 17 Ausstellung, Vorträge, Mitmach-Yoga, Workshops, Filmvorführungen, Kabarett 200 Aussteller, 200 Vorträge & Events

04502/788 90 40

Das gescholtene Ego Daniel Barron ist ein Rebell, der gegen die Verunglimpfung des Egos und der Gefühle zu Felde zieht. Insbesondere im Buddhismus und Advaita sieht er Irrwege, denn sie würden das transzendieren wollen, was doch – seiner Theorie nach, die er »Theohumanity« nennt – die Beziehung zum Ganzen erst herstellt: das fühlende Ich.

S. 62 – 65

4

März-April 3-4/2014 · www.connection.de


I N H A LT 3

Editorial

7

Hier & Jetzt: die Kurzmeldungen

E R O S · L I E B E M E D I T A T I O N

Regina König und Hellwig Schinko OFFENE SEMINARE

TANTRA-BODY

12 Rilke über den Weltinnenraum 14 Denke wild! Christina Kessler feiert die Hochzeit von Intuition und Intellekt

7. – 9.3.14 mit Beatrix Rettenbacher und Jens Hartwig, bei Ulm

FEUER, HERZ UND STILLE 14. – 20.4.14 Tantra-Ostergruppe bei Ulm

Schwerpunkt: Heilung der Erde

DER KREIS DER FRAUEN 30.4. – 4.5.14 im Odenwald

18 Was können wir tun? fragt Wolf Schneider angesichts einer verletzten Erde 22 Mein Haus soll leben! ruft Shanti Petschel und erzählt, wie er auf Mike Reynolds

DER KREIS DER MÄNNER I 30.4. – 4.5.14 bei Ulm

FEUER, HERZ UND STILLE

und die Earthships stieß

8. – 14.6.14 Tantra-Pfingstgruppe b. Ulm

30 »Ich will was richtig Gutes machen« sagt Daniel Petschel, der Sohn von Shanti, und entscheidet sich für die Earthships 34 Ein Earthship in Tschechien hat Bhagat Zeilhofer gebaut 36 Um natürlich zu wohnen hat sich Alex Beckmann eine altes Fachwerkhaus saniert 40 Transition Town Witzenhausen ist für Peer Barcelona eine Initiative für eine bessere Welt 44 Neue Heimat Erde – wir dürfen nicht aufgeben, sagte Gerd Soballa, denn etwas Neues ist am Entstehen 51 Ken Wilber über das eigentliche Problem: die Verständigung

ELTERN SEIN – IN CHAOS, LIEBE & ENTSPANNUNG 27. – 29.6.14 Coaching für Mütter und Väter, mit Antje Uffmann & Team, bei Ulm

TANTRA-BODY 18. – 20.7.14 mit Beatrix Rettenbacher & Jens Hartwig, bei Ulm Infos & Programm: ARUNA-Institut St. Nepomukstr.13 · 74673 Mulfingen Tel. 07936/6 21 · Fax 079 36/6 46 info@aruna-tantra.de www.aruna-tantra.de

52 »Ich möchte Teil sein von einer neuen Intelligenz« sagt Konstantin Wecker Ausgabe: 7.2014

im Connection-Interview 57 WerWasWo

E

54 Handeln aus dem Zustand des puren Seins ist das Motto von Annette Kaiser. Marcelle De Michiel hat sie interviewt 58 Das gute Ego und der Weg der spirituellen Reifung – Daniel Barron erschüttert ein paar Konzepte über das Ego 62 Larry Dossey über die Teilnahme am Universum 66 Promotion: MannsBILDung – Shanti Petschel begleitet Männer auf der Reise

Die Seite für den erwachten Leser! Gefüllt mit eBooks von:

zu sich selbst 68 Filme: eine Doku über einen kurdischen Imker aus der Türkei (von Mano Khalil) und eine über die Suche nach der verlorenen Zeit (Speed – von Florian Opitz) 70 Bücher: über die Kirchen, Achtsamkeit, einen Satsanglehrer, Yoga und anderes 74 Leserbriefe: u.a. über die Frage, ob Spiris mehrheitlich links-alternativ sind 79 Marktplatz 80 Veranstaltungskalender und Inserentenverzeichnis 82 Vorschau/Impressum

, Zeitschrift für Lebenskunst, Weisheit, Humor und ein integrales Verständnis des menschlichen Lebens. Erscheint alle zwei Monate mit einem starken Schwerpunkt. Gegründet 1985, ist Connection Spirit die älteste transkonfessionelle spirituelle Zeitschrift auf deutsch. Fachmagazine über Tantra und Schamanismus aus demselben Verlag ergänzen sie.

www.connection.de · März-April 3-4/2014

www.eBook-Spirit.de

5


BILDKOMPOSITION: CHRISTINA V. PUTTKAMER, WWW.INNERGARDENS.DE

VISUELLE POESIE

Durch alle Wesen reicht der eine Raum: Weltinnenraum. Die Vögel fliegen still durch mich hindurch. Oh, der ich wachsen will, ich seh hinaus, und in mir wächst der Baum Rainer Maria Rilke

12

März-April 3-4/2014 · www.connection.de


VISUELLE POESIE

www.connection.de 路 M盲rz-April 3-4/2014

13


PHILOSOPHIE

Denke wild! Das wilde Denken ist die Hochzeit von Intuition und Intellekt

Es gibt zwei elementar verschiedene Arten des Denkens: das rationale und das wilde, sagt die Kulturanthropologin Christina Kessler. Die Naturvölker praktizieren eher das wilde Denken, das mit sehr wenig Grundannahmen beliebig viele, auffallend treffsichere Kombinationen herstellt. Es ergänzt unser rationales, dualistisches Denken in wunderbarer Weise und ist mit ihm unlösbar verbunden

14

VON CHRISTINA KESSLER

März-April 3-4/2014 · www.connection.de


PHILOSOPHIE

FLICKR.COM @ ALICE POPKORN

E

s war der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss, der in den 60er Jahren den Ausdruck »Wildes Denken« prägte. Er hatte nach universellen Strukturen des Denkens gesucht und war auf zwei elementare Formen gestoßen. Die erste ist das »Denken in binären Oppositionen«, das auf der ganzen Welt und in allen Kulturen vorkommt. Es funktioniert über die Bildung von Gegensatzpaaren – heiß/kalt, oben/ unten, Ich/Du, Subjekt/Objekt, Geist/Materie – und bildet die Struktur des rationalen Denkvorgangs. Man könnte hier auch von dualem Denken sprechen. Die zweite ist das »Wilde Denken«. Diese Denk art traf er vorwiegend bei Naturvölkern an, daher der Begriff »wild«. Charakteristisch am Wilden Denken ist, dass es erstens alles als Teil eines großen, unsichtbaren Zusammenhangs betrachtet, der rational nicht erklärbar ist. Zweitens stellt dieses Denken mit sehr wenig Grundannahmen beliebig viele, auffallend treffsichere Kombinationen her und lässt unendlich viele Rückschlüsse zu, die rational jedoch nicht nachvollziehbar sind. Lévi-Straus charakterisierte es deshalb als »Bastelei« (bricolage) und ordnete es der Magie zu. Zwar bescheinigte Lévi-Strauss dem Wilden Denken, dass es dem rationalen in nichts nachstehe. Doch ließ auch er, wie so viele vor und nach ihm, das Wilde in den zweiten Rang rutschen, einfach deshalb, weil er sich selbst nicht verleugnen konnte. Er war durch und durch Wissenschaftler und lehnte in seinem eigenen Leben alles Irrationale ab und damit alles, was mit Religion, »Magie« und Spiritualität zu tun hatte. »Irrational« aber ist seit der Antike gleichbedeutend mit »unvernünftig«. Nicht nur, dass mich Lévi-Strauss während meiner Studienzeit als Theoretiker faszinierte, auf meinen Feldforschungen konnte ich das Wilde Denken und seine Auswirkungen am eigenen Leib kennenlernen. Vor allem in meiner zwölfjährigen Arbeit bei den Huichol-Indianern in Mexiko, die weltweit wohl am exemplarischsten sind, was Wildes Denken angeht. Hier hatte ich ein echtes Aha-Erlebnis, weshalb ich mir erlaubte, an Lévi-Strauss’ Entwurf weiterzuspinnen.

Innen- und Außenwelt Die Huichol-Indianer sind Experten des Weltinnenraums. Hauptsächlich wohl aufgrund des Peyote-Kaktus, der im Zentrum ihrer Kultur steht. Der meskalinhaltige Peyote gehört zu den bewusstseinserweiternden psychoaktiven Pflanzen. Für die Huichol ist Peyote jedoch kein Rauschmittel. Der profane Genuss ist verpönt. Seine Einnahme unterliegt einem strengen Ritual. Peyote gilt als sakrales »Sehwerkzeug«, das den Peyotero in die Welt hinter den Erscheinungen reisen lässt, wo er »das Leben sehen« kann.

www.connection.de · März-April 3-4/2014

Während die Außenwelt als eine mehr oder weniger statische Anordnung von Dingen erscheint, ist das Dahinter bunt, lebendig und kreativ – ein unaufhörliches Werden und Vergehen, in dem sich alles gegenseitig bedingt. Die Innenwelt ist Tanz, Klang, Farbe. Alles pulsiert. Alles atmet. Alle Formen sind in einem ständigen Wandel begriffen – sie lösen sich auf und setzen sich neu zusammen. Alles fließt – panta rhei. Nach vielen Peyote-Reisen erkennt man, dass der Tanz nicht einfach im Freestyle verläuft, sondern einen ganz bestimmten Rhythmus hat, der wiederum bestimmten Gesetzen folgt. Wer immer diesen Tanz in sich wahrnimmt, erlebt die untrügliche Sicherheit der Erkenntnis, dass sich durch die Befolgung seiner Spielregeln alle Lebensprozesse in die richtige Richtung lenken lassen. In solchen fühlbaren Bildern erleben die Peyoteros den Innenraum. Jeder auf seine Weise. Dennoch gibt es ein fragloses Verständnis dessen, was ein anderer erlebt, sowie die tiefe Gewissheit, dass alle Arten des Innensehens zur selben Einsicht führen: Ich sehe andere Bilder als du, aber wir betrachten beide das gleiche!

flächen in leuchtender Unschärfe durchdringt, findet man in der Tiefe eine gemeinsame, unverwechselbare Struktur.

Selbstregulation und Selbsttranszendenz Diese Struktur ist eine genaue Entsprechung des kosmischen Tanzes und seiner Gesetze. Sie ist angelegt nach dem Vorbild des schöpferischen Ur-Prozesses, jenes Prinzips, welches bewirkt, dass das Ganze ein Ganzes bleibt, dass es in Bewegung bleibt, dass Wachstum und Wandel gewährleistet sind. Dafür bedarf es erstens der Fähigkeit zur Selbstregulation und zweitens zur Selbsttrans-

Alle Weisheitslehren sind in mythischer Form verfasst und drücken sich durch symbolische Handlungen aus

Alles ist mit allem verbunden Vor genau vierzig Jahren begann meine Suche nach der gemeinsamen Essenz der Weisheitstraditionen dieser Welt. Ein wildes Unterfangen. Lange Zeit wusste ich nicht, ob ich fündig werden würde. Aber heute kann ich mit tiefer Überzeugung sagen: Das Herz aller Religionen ist eins. Die spirituellen Lehren aller Kulturen und Epochen treffen sich in einer Maha-Erkenntnis (sanskrit: maha – groß), die ebenso einfach wie fundamental ist: Alles ist mit allem verbunden. Verbunden durch die Teilhabe an einer den gesamten Kosmos durchdringenden geistigen Ordnungsdimension. Die Achtung dieser inneren Ordnung entscheidet über Wohl und Wehe des Menschen. Gott, Brahman, Dao wurde sie genannt; ihre Prinzipien wurden von Göttern und mythischen Wesen personifiziert. Der Clou wird perfekt, wenn wir die Ergebnisse der neuen Wissenschaften betrachten, namentlich der Physik, die ja die Grundlage aller Naturwissenschaften darstellt. Ausgerechnet auf der Suche nach den kleinsten Bausteinen der Materie fand sie heraus, dass Materie gar nicht aus Materie aufgebaut ist. Im Bereich des Kleinsten ist das Ganze beziehungshaft. Sein Wesen ist lebendige Allverbundenheit, und diese Verbundenheit bleibt bei aller Dynamik bewahrt. Jede Kultur hat ihren eigenen unverwechselbaren Symbol-, Mythen- und Ritualcodex, doch kreist dieser stets um dieselbe essen tielle Erkenntnis. Jede Religion ist einmalig. Wenn man jedoch all diese Codices »über einanderlegt«, wie ich es in jahrzehntelanger Arbeit getan habe, und dann die Bildober-

zendenz, die als Ur-Information in allem Seienden gespeichert ist. Wie die inneren Traditionen erkennen lassen, geschehen Selbstregulation und Selbsttranszendenz zum einen durch ständiges Bereinigen, Loslassen, »Läutern« von Elementen, Positionen, Situationen und Beziehungen, die dem Prozess nicht mehr dienen bzw. ihren Sinn erfüllt haben. Zum anderen geschehen Selbstregulation und Selbsttranszendenz durch unterbrochene Herstellung von neuen Verbindungen. »Solve et coagula – löse und verbinde«, hier kommt die alte alchemistische Formel zum Tragen. Analog können wir diese Formel auf jeden Lebensbereich und jede Lebenssituation anwenden. Stirb und werde. Oder: Lass los, was dem Leben nicht (mehr) taugt! Erschaffe, was dem Leben dient! Und zwar hier und jetzt.

Rational oder wild? Das ist einfach, radikal einfach. Es ist eine Lebenshaltung. Eine Haltung, die typisch ist für naturnah lebende Gesellschaften. Doch konnte ich mich mit dieser Aufteilung nicht zufrieden geben: die »Zivilisierten« als rational Denkende, die indigenen Kulturen als wilde Denker. Ich konnte es deshalb nicht, weil ich mich selbst dabei beobachtete, wie ich auf meinen langen Feldforschungsaufenthalten bei Naturvölkern regelmäßig vom Intellektuellen ins »Wilde« geglitten war, ohne jedoch das Gefühl zu haben, ich würde dabei etwas verlieren. Ganz im Gegenteil erlebte ich dabei eine enorme

15


PHILOSOPHIE

Mythos, Kult und Poesie

Erkunden der a-dualen inneren Wirklichkeit. So bedarf auch echte Spiritualität unbedingt des wilden Denkens. Andernfalls wird sie nicht zur Erfahrung und bleibt außen stehen, als gedachte, verkopfte Spiritualität, die entweder in die Götzenanbetung abdriftet oder sich in Ideologie und Dogmatik verkehrt. Das Stellvertretende wird dabei für das Eigentliche gehalten, egal, ob es sich um einen anthropomorphen Gott oder um ein wissenschaftliches Modell handelt. Bei dieser Verwechslung wird der innere Lebensfunke der äußeren Form geopfert. In der Rückverbindung mit den inneren Räumen (religio) geht es jedoch um die Weitergabe des Feuers und nicht um die Anbetung der Asche.

Weder die Innenwelt selbst noch das Wilde Denken sind objektivierbar. Beide entziehen sich den Imperativen des Faktischen. Sie sind immateriell. Aus diesem Grund ist es unmöglich, sie in exakte Sprache zu pressen. Innenwelt und Innendenken bedürfen der Symbolsprache. Das Wilde denkt in Bildern. Seine Sprache ist der Mythos, die Poesie. Alle Weisheitslehren sind in mythischer Form verfasst und drücken sich durch symbolische Handlungen, durch Rituale aus.

Die Präsenz des Unvergänglichen

Wollen wir die Aussagen von Mythos und Kult verstehen, dürfen wir diese nicht zu genau nehmen. Symbolsprache will in leuchtender Unschärfe betrachtet werden, man darf sie keinesfalls wortwörtlich nehmen. Ist da von Göttern, Geistern, Dämonen, Engeln und deren Geschichten die Rede, so stehen diese stellvertretend für immaterielle Kräfte und Prozesse, die anders nicht zu erklären sind. Es handelt sich nicht um personale Entitäten. Der rationale Verstand oder Intellekt ist folglich nicht das geeignete Medium für das

tung auf die innere Wahrheit ist der einzige Weg, ihn zu vermeiden. Und: Wildes Denken. Das Wilde Denken überschreitet die Modalitäten des rationalen Denkens, wie Begrün dung, Argument, Beweis. Ihm geht es darum, im Ungewissen und Veränderlichen die zeitlosen Prinzipien zu berühren und dieser Berührung Ausdruck zu verleihen. Das Wilde Denken ist Wahrheitsberührung. »Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt obdachlos die Unvergänglichkeit« – schöner als Rilke es sagte, kann man es nicht ausdrücken.

16

Zu allen Zeiten und in allen Kulturen ist dem Menschen dieser Kardinalirrtum unterlaufen. Die Möglichkeit, diesen Fehler wieder und wieder zu begehen, bleibt für immer bestehen, solange wir Menschen sind. Ihn zu überwinden ist nicht Sache der Evolution, sondern der Achtsamkeit im Hier und jetzt. Constant Remembrance, ständige Ausrich-

In der Rückverbindung mit den inneren Räumen (religio) geht es um die Weitergabe des Feuers und nicht um die Anbetung der Asche

Sich der Präsenz des Unvergänglichen bewusst zu werden, es in sich tanzen zu spüren, seinem Rhythmus zu folgen, zu ihm zurückzufinden, wenn man einmal vom Kurs abgekommen ist, darum geht es dem Wilden Denken.

Es und ich sind eins Das Wilde setzt jede Lebenssituation in Bezug zur lebendigen Essenz des universellen Prozesses. Es tut dies auf analoge Weise: wie innen, so außen. Wie oben, so unten. Wie hier, so dort. Wie im Kleinen, so im Großen. Wie im Makrokosmos, so im Mikrokosmos. Wie in der Vergangenheit, so in der Gegenwart und auch in Zukunft. Wie im Individuellen, so im Kollektiven. Wie bei mir, so bei dir. Wildes Denken ist ein fluides Denken und bringt eine fluide, kreative, luzide Intelligenz hervor. Seine Struktur vollzieht den universellen Prozess der Selbstregulation und Selbsttranszendenz nach. Ähnlich einem Mandala stellt dieses Denken von jedem Punkt der Außenwelt aus eine Verbindung zur Mitte her, der es entspringt und zu der es immer wieder zurückkehrt. Das Wilde Denken nimmt das Persönliche zurück und öffnet sich dadurch für das Transpersonale. Es gibt sich dem kosmische Bewusstsein hin und lässt dieses durch sich denken. Die höchste Form der Kreativität ist die Folge: Medialität. Aber nicht als Channeling, sondern als eine sehr transparente Medialität, losgelöst von der Identifikation mit der Bildwelt, losgelöst von der Vorstellung eines höheren Gegenüber. Diese Medialität ist pure Inspiration. Es atmet mich! Es denkt mich! Es wirkt durch mich! Es führt mich! Es und ich sind eins. Ich bin es.

Aufhebung der Gegensätze Heute ist es das Hauptanliegen meiner Arbeit, diese Erkenntnis zu vermitteln und vor allem, sie erfahrbar zu machen: Wildes Denken ist die natürliche Ergänzung zum dualen Denken. Eine lebensnotwendige Ergän-

März-April 3-4/2014 · www.connection.de

FLICKR.COM @ NOTSUCHE

Bewusstseinserweiterung. Ich lernte, mich in Prozesse einzufühlen. Ich lernte, das Undenkbare zu denken; dort zu denken, wo es nicht geht, wo man nicht denken kann. Und so fuhr ich mit der Bastelei fort: Allem Anschein nach lässt sich der menschliche Geist (the mind) in zwei Richtungen lenken: Erstens nach außen, in die materielle, sinnlich erfassbare Realität, die aufgrund der Sinneswahrnehmung außerhalb von uns selbst erscheint. Zweitens nach innen, in die Welt des Geistes (spirit). Und sehr wahrscheinlich, so dachte ich mir, stehen die beiden von Lévi-Strauss belegten Denkstrukturen damit in unlösbarem Zusammenhang.


PHILOSOPHIE

Die Hochzeit von Intuition und Intellekt Mit dieser Erkenntnis kommt es zu einer na türlichen – und nicht konstruierten! – Trans-

zendierung der Gegensätze. Wir erkennen, wie wichtig es ist, regelmäßig zum immateriellen Nullpunkt der Mitte zurückzukehren, um alle Bilder über uns selbst und die Welt zu vergessen und uns an das Wesentliche zu erinnern. Wir sehen ein, dass Mythologie und Weisheitslehren diese Wahrheit zu allen Zeiten erkannt und vermittelt haben, wenn auch auf äußerst unterschiedliche Weise. Wir können die Schätze immerwährender Weisheit

Wildes Denken ist der Kompass, während der Intellekt die Landkarte hervorbringt

chen sie in der richtigen Anordnung, in der richtigen Reihenfolge!

Zuerst innen, dann außen Auch über diese Richtung sind sich die Weisheitslehren verblüffend einig: Zuerst nach innen, heißt es da, dann nach außen; nicht umgekehrt, wie bei uns im Westen. Besonders in Entscheidungssituationen, bei Krisen und Konflikten, wann immer Unordnung und Chaos herrschen, niemals nach außen blicken, um dort nach vorgefertigten Lösungen zu suchen. Sondern innehalten, sich mit der Mitte verbinden und Inspiration empfangen. Dann erst kommt der Intellekt an die Reihe, der »aufliest, einsammelt, erfasst und weiterverarbeitet« (lat. intellegere), was die Intuition (lat. intuieri) ihm zuspielt. Nur auf diese Weise wird der Sinn für Verbundenheit auch in die duale Welt des Unterschiedlichen gelenkt: die Einheit in der Verschiedenheit, in der Vielfalt.

[

zung, ohne die wir sehr leicht auf den falschen Kurs geraten; ohne die unsere Entscheidungen, unser Verhalten und Handeln sehr schnell trennend, lebensfeindlich, egoistisch oder rechthaberisch werden; ohne die wir unsere Lebenskraft einbüßen, weil wir dabei unsere Freude am Spiel mit dem Anderen verlieren und uns stattdessen zu Konkurrenten machen. Mit seinem lassenden, öffnenden, verbindenden, unscharfen Charakter besitzt das Wilde weibliche Qualität: Yin. Dass dem wirklich so ist, bestätigt auch eine weitere Analogie. Ganz offensichtlich sind die beiden Denkformen nämlich auch an die Funktionen der beiden Gehirnhälften gekoppelt. Rechte Hemisphäre: wild, analog, geistige Innenwelt, Gleichheit, Einheit/Ganzheit, prozesshafte Wahrnehmung, Symbolsprache/ Mythos, Orientierungswissen, subjektiv, Kom pass, Spiritualität, Universalität, weiblich (Yin). Linke Hemisphäre: rational, dual, materielle Außenwelt, Unterschiedlichkeit, Trennung, dinglich konkrete Wahrnehmung, Sprache, Faktenwissen, objektiv, Landkarte, Wissenschaft, Individualität, männlich (Yang). Das bedeutet auch: Ein Jenseits im alten Sinne gibt es nicht mehr. Geist und Materie sind nicht länger getrennt. Sie sind eins. Es ist nur der Mind, der diese Bereiche zu trennen vermag, um nach innen und außen denken zu können. Der Unterschied von Geist und Materie ist das Produkt der menschlichen Denk- und Sinnes-Einrichtung, Produkt des Denkens in binären Oppositionen.

als vereinendes Weltkulturerbe entgegennehmen und pflegen. Weisheit, das ist Einsicht in die unsichtbaren Zusammenhänge der Wirklichkeit und daraus folgende außerordentliche Entscheidungs- und Handlungskompetenz. Wildes Denken gibt dem rationalen Verstand eine goldene Richtschnur an die Hand. Eine Orientierung. Wildes Denken navigiert uns selbst durch die stürmischsten Zeiten. Es ist der Kompass, während der Intellekt die Landkarte hervorbringt. In einer zersplitterten und lebensfeindlich gewordenen, von Informationen überfluteten und aufs Äußerste beschleunigten Welt brauchen wir unbedingt beide Denkarten. Mehr noch, wir brau-

Bücher von Christina Kessler: • Amo, ergo sum – Ich liebe, also bin ich, Arbor 2002. • Herzensqualitäten – die Intelligenz der Liebe, Integral 2005, edition amo ergo sum 2014 • Wilder Geist, Wildes Herz, Kamphausen 2011

DR. PHIL. CHRISTINA KESSLER, Jg. 55, studierte Kulturanthropologie, Religionswissenschaft und Philosophie. www.christinakessler.com

MYSTIK ÜBERALL Symposion in der Toscana

© Toprural

In der Villa Le Guadalupe findet vom 10. Mai bis zum 16. Mai ein Symposion zum Thema „Perspektiven der Mystik von Ost nach West“ statt. Die Mystik wird hier als universal menschliches Phänomen anerkannt, das in seinen unterschiedlichen nationalen und kulturellen Ausprägungen wie ein vielkantiger Diamant das Licht des Lebens reflektiert. Im Symposion werden diese Reflexionen an den Werken von Han Shan und Dschuan Dse aus der Zen- bzw. daoistischen Tradition vollzogen. Rumi und Al-Hakim al-Tirmidhi stehen im Mittelpunkt der islamischen Mystik, während Juda ben Samuel und Issac Luria für den Chassidismus das Licht des mystischen Diamanten reflektieren. Die Begegnung mit der christlichen Mystik findet durch Francesco d’Assisi, Bonaventura, Dante, sowie Meister Eckhart und Jacob Böhme und auf russischer Seite durch Florenskij, Skrjabin, Malewitsch statt. In Lesungen, Diskussionen, Filmen kommen aber auch moderne Mystiker und Mystikerinnen wie Simone Weil, Andrej Tarkovski oder Marc Rothko zur Wort bzw. Bild.

www.connection.de · März-April 3-4/2014

V

Info: www.villa-le-guadalupe.com Anmeldung bis 10. April Kontakt: Villa Le Guadalupe, Volterra, Pisa, Italy Tel: +39 0588 86541 (oder auf der Homepage)

17


Entschuldigen Sie … entschuldigen Sie ... entsch ...

18

März-April 3-4/2014 · www.connection.de


HEILUNG DER ERDE

Permakulturgarten der Autarca-Gemeinschaft auf La Palma

Was können wir

tun? FOTOS © AUTRACA-GEMEINSCHAFT

Kompostklos liefern Schwarzerde

I Der kleine Einzelne und das große Ganze Wer bin ich überhaupt, und was kann ich als solcher bewirken angesichts unserer verwundeten Erde? Im Stamm oder Dorf von einst war das noch keine so brennende Frage. Da waren unsere Rollen und Wirkungskreise vorgegeben, und die Antwort war damals leichter selbst zu finden. Heute schwankt unser Selbstwertgefühl zwischen Verzweiflung und Größenwahn – und muss sich doch konkret entscheiden VON WOLF SCHNEIDER

www.connection.de · März-April 3-4/2014

ch schreibe dies auf La Palma, einer kleinen Insel im Atlantik, die geografisch zu Afrika gehört, politisch zu Spanien und damit zur EU. Sie ist erst vor circa zwei Millionen Jahren hier aufgetaucht, deshalb gab es hier keine Säugetiere, ehe Menschen hierher kamen, was etwa 2000 Jahre her ist. Vor gut 500 Jahren kamen die Spanier, eroberten alle sieben kanarischen Inseln, eine nach der anderen, töteten oder versklavten die Einwohner (die Benahoaritas), vermischten sich mit dem Rest und eroberten dann in ähnlich brutaler Weise von hier aus den südlichen Teil der Neuen Welt, den Kolumbus erst für die Ostseite von Indien hielt – deshalb der Name »Indianer« für deren Ureinwohner. La Palma ist kaum so groß wie der deutsche Landkreis, aus dem ich komme – Mühldorf am Inn. Der hat 800 qkm Fläche, La Palma 700, und auch die Bevölkerungszahlen sind von ähnlicher Größe (dort 107.000, auf La Palma 86.000). Hier spricht man Spanisch, dort Deutsch. Beides sind EU-Regionen. Seit ein paar Jahren bin ich im Winter gerne hier,

19


HEILUNG DER ERDE

und immer mehr stecke ich meine Nase auch in die Ökologie, Ökonomie und Politik dieser kleinen Insel. Und staune.

Der schwarze Lemming Weil diese Insel so überschaubar klein ist und ich hier auf den Straßen immer wieder dieselben Leute treffe, denke ich: Wir können doch etwas tun! Eine kleine Gemeinschaft kann man vielleicht noch gestalten, aber das Erdschiff? Was kann ein einzelner denn tun? In einer kleinen Gruppe Einigkeit zu erzielen ist schon schwierig genug, wie viel mehr unter sieben Milliarden. Ich kann mich vegan ernähren, meinen Müll trennen, die Suchmaschine ecosia.com nutzen statt Google und mit dem Fahrrad statt Auto meine lokalen Erledigungen machen. Ich kann Plastikverpackungen meiden und Bio-Produkte einkaufen, die möglichst auch noch fair gehandelt sein sollten. Und sonst? In meiner nahen Umgebung kann ich – und kann jeder von euch – für eine andere Lebensweise werben. Mit einer Zeitschrift wie dieser hier kann ich noch ein bisschen mehr bewirken – und ihr ebenso, wenn ihr mir gute Artikel und Leserbriefe hierzu schickt – wir erreichen damit vielleicht 10.000 Menschen. Und dann? Bleibt immer noch das Gefühl, so wie das schwarze Schaf auf dem Bild auf S. 18, als ein Einzelner (oder kleine Gruppe) in einer sehr großen Menge von Lemmingen sehr wenig ausrichten zu können.

Apokalyptische Befürchtungen Dabei bin ich kein Apokalyptiker. Der Rummel um 2012 und die Prophezeiungen des Maya-Kalenders reizten bei mir eher die Lachmuskeln als Endzeitgefühle. Der Hang zur Apokalypse ist eine psychische Disposition, die Individuen, Gruppen, ganze Kulturen erfassen kann. Jesu Zeiten waren Hochzeiten für Endzeitprediger, er war einer von ihnen. Die in solchen Prophezeiungen geäußerten Befürchtungen haben meist mehr mit dem Inneren der Befürchter zu tun als mit den Umständen der Außenwelt. Auch wenn die römische Herrschaft durchaus eine reale Bedrohung war für die damaligen Juden von Jerusalem. Heute ist es jedoch tatsächlich so, dass die Welt von sehr vielen Menschen bevölkert wird, die auf der Suche nach Nahrungsmitteln und Energiequellen Raubbau an der Natur betreiben. So ist es, auch für NichtApokalyptiker. Sieben Milliarden, das ist ziemlich viel. Deshalb gibt es immer mehr Historiker, die unsere Zeit »Anthropozän« nennen. Ein Erdzeitalter, das vom Menschen bestimmt wird, der dabei Tiere und Pflanzen ausrottet und die Erdoberfläche gewaltig verändert, neuerdings sogar das Klima und die Weltmeere.

20

Wir wissen schon genug Wir können aber auch anders. Das Wissen, wie das gehen soll, ist zum größten Teil schon da. Das beste Beispiel dafür sind die von Mike Reynolds erfundenen, »Earthship« genannten Nullenergiehäuser, die überwiegend aus Abfall wie etwa Autoreifen und regionalem Material wie Lehm gebaut sind. In allen von Menschen bewohnbaren Klimazonen kann man sie bauen. Sie brauchen kein Öl und kein Brennholz, sie produzieren ihren Strom selbst, ihr Warmwasser und sogar einen Teil ihrer Nahrungsmittel. Gibt’s das? Ja, das gibt’s. Und weil das so ermutigend ist, haben wir den Schwerpunkt dieses Connection-Heftes hauptsächlich den Earthships gewidmet.

Erstmal regional probieren Zurück zu La Palma und dem Landkreis Mühldorf am Inn. Ehe man weltweit eine Veränderung der Gesellschaft zu initiieren

Kluft wähnen, haben ja auch deutlich mehr Möglichkeiten für solche Initiativen. Und bei einer weltweiten Katastrophe, wie etwa einem Zusammenbruch der Nahrungsmittelversorgung oder einer Verknappung des Wassers, würden auch sie mit in den Strudel gezogen. Gated Communities (von Sicherheitsdiensten geschützte Wohnbereiche der Reichen)? Das funktioniert auf Dauer nicht, von den psychischen Schäden auf beiden Seiten mal abgesehen.

Die Autarca-Gemeinschaft Anfang Januar habe ich hier auf La Palma die Autarca-Gemeinschaft besucht. Dort leben sechs Menschen von zusammen 450 € pro Monat auf einem Stück Land, das sie gerade auf zweieinhalb Hektar vergrößert haben. Den älteren Teil haben sie vor sechs Jahren begonnen nach den Prinzipien der Permakultur zu renaturieren, der neuere Teil ist noch fast in dem desolaten Zustand wie große Teile der Höhenlagen der Insel (die

Immer mehr Historiker nennen unsere Zeit »Anthropozän«, denn der Mensch verändert die Erdoberfläche gewaltig; die Fauna und Flora, neuerdings sogar das Klima und die Weltmeere

versucht, so wie die Sozialisten es gut 100 Jahre lang mit Reformen oder Revolutionen versucht haben, könnte man ja mal in einer Region etwas Neues ausprobieren: Biolandwirtschaft, Permakultur, Freiwirtschaft nach Silvio Gesell oder ein bedingungsloses Grundeinkommen. So wie damals die Gemeinde Wörgl in Tirol das fließende Geld eingeführt hat, später als »Wunder von Wörgl« bekannt, weil es so gut funktioniert hat. So gut, dass der Außenminister von Frankreich anreiste, um das mit eigenen Augen zu sehen. So gut, dass die Vermögensinhaber in der Hauptstadt Wien um ihre Rendite fürchteten und das Experiment unter Androhung des Einmarschs der Reichswehr verboten.

Initiativen von der Gewinnerseite Heute hat sich das Bewusstsein ein bisschen weiter entwickelt. Vor allem ist das Gefühl für die Bedrohung der gesamten menschlichen Existenz auf der Erde gestiegen. Deshalb könnte heute auch diejenigen, die bei einer radikalen Veränderung von Gesellschaft und Wirtschaft etwas zu verlieren scheinen, initiativ werden, um in einer Region von der Größe der Gemeinde Wörgl, des Landkreises Mühldorf oder der Insel La Palma etwas auszuprobieren. Die sich jetzt noch auf der guten Seite der großen

niederen Lagen werden für die Bananenwirtschaft monokulturell genutzt), deren Böden nach den Prinzipien der bisherigen Landwirtschaft rücksichtslos ausgebeutet und dann brach liegen gelassen wurden; die einstigen Bewohner sind in die Städte abgewandert und tragen dort zur Arbeitslosigkeit bei. Die Autarca-Leute ziehen ihr eigenes Gemüse, recyceln ihr Brauchwasser, Kochhitze und Warmwasser kommen von der Sonne. Zwei Kompostklos geben nach dem Terra Preta Prinzip beste Schwarzerde – ein Mensch kann so mit seinen Fäkalien Erde produzieren, die für die Ernährung von zwei Menschen ausreicht. Die Gemeinschaft hat also keine Abwässer und auch sonst fast keine Abfälle. Falls die Sonne mal tagelang nicht scheinen sollte, heißt das nicht, dass man nicht kochen kann oder elektrisch kochen müsste, denn inzwischen hat Autarca eine Methangasanlage nach einem indischen Prinzip. Die wird mit Gemüseabfällen gefüttert und produziert Gas für den Herd.

Lokal und global Die Methangasanlage, die Sonnenkochkisten und -backöfen, alles kann man sich mit Materialien, die man im Baumarkt bekommt, selbst bauen. Barbara und Erich, die Betreiber der Finca, legen großen Wert darauf, möglichst unabhängig leben zu können. Die

März-April 3-4/2014 · www.connection.de


Auf La Palma (hier die Nordküste) sieht man viele renaturierbare Brachflächen

Sonne ist der Energielieferant, auf der Erde wächst das Essen. Mit Führungen durch ihr Gelände verdienen sie sich für die noch nötigen Einkäufe ein bisschen Geld dazu. Erich betreibt die eigene Webseite (www. matricultura.org) und betreut noch eine weitere als kleinen Zuverdienst (die von Bern Senf, www.berndsenf.de). Übers Web sind sie weltweit vernetzt, ansonsten wirtschaften sie vor allem lokal. Ein paar Tage nach dem Besuch der Autarca-Gemeinschaft, beim Anblick der hässlichen Bananenmonokulturen hier überall in Küstennähe, kam mir die Idee: La Palma als Öko-Modellregion, das wär’s! Nach dem »Wunder von Wörgl« jetzt ein Wunder von La Palma? So viel fehlt da ja nicht. Unser Autor Gerd Soballa saß vor ein paar Jahren als Architekt in einem Kreis lokaler Autoritäten, die verbindlich entschieden, die ganze Insel auf nachhaltige Energien umzustellen. Kurz darauf aber war die Entscheidung wieder vom Tisch. Anscheinend hatten sich die alten Seilschaften hier wieder durchgesetzt, die am Status quo verdienen. Die Arbeitslosigkeit hier ist jedoch hoch, und die Bananensubventionierung hält vielleicht nicht ewig. Wenn der regierende Inselrat entscheiden würde, hier nur noch Bio-Landwirtschaftsbetriebe zu erlauben, und möglichst nach Permakultur-Richtlinien, könnte La Palma zu einer weltweit beachteten Pilot-Region werden.

BIP oder Glück? Von Robert F. Kennedy ist der Satz überliefert: »Das Bruttoinlandsprodukt misst alles – außer dem, was das Leben lebenswert macht.« Die Leute von Autarca leben gut. Ihre Nahrung ist um Welten besser als die des Durchschnittsbürgers. Sie leben auf ihrem eigenen Land, naturnah, sie brauchen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen nicht zu fürchten – nach den üblichen Messlatten der Wirtschaft aber sind sie arm und brauchen das, was der Neoliberalismus seit Jahr-

www.connection.de · März-April 3-4/2014

zehnten unablässig predigt: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Dabei wächst auf ihrer Finca die Natur nun wieder, sie kann sich erholen. Es kommen wieder Vögel, Schmetterlinge und Bienen, es ist eine Freude, dort spazieren zu gehen. Während die Wachs tumsmaschinen der Welt per Fracking mit Giften Öl aus der Erde pressen, den Rest des Urwaldes von Borneo für Palmölplantagen roden, mit Schleppnetzen, die den Meeresboden zerstören, Fische fangen und so noch eine Weile in ihren Tabellen Wirtschaftswachstum vorweisen können. Das Himalayaland Bhutan hat der Welt den Begriff des »nationalen Glücksindex« gebracht, der das inzwischen für die Messung von Fortschritt weitgehend nutzlose BIP ablösen soll. Ein »armes und rückständiges« buddhistisches Land hat damit angefangen, aber die Idee breitet sich aus. Inzwischen sind führende Sozialforscher davon überzeugt, dass der noch überall herrschen-

zung überflüssig machten, werteten die Behörden das als »illegale Abfallentsorgung«. Anstatt ihm um den Hals zu fallen, dass er damit zugleich von den Müllkippen diesen schwierigen Stoff entfernt hatte, auf gesunde Weise, und auch noch für ein Wohnhaus ein Stückchen mehr Freiheit von Öl importen schuf.

Nein, nicht aufgeben Auch wenn einen angesichts von Massenbewegungen (S. 18) manchmal schier die Verzweiflung packt. Es ist doch ganz einfach! Man braucht nur das Ego zu verstehen (S. 60 – 63 in diesem Heft). Jeden Tag ein bisschen meditieren – nun weiß ja auch die Wissenschaft (und die deutschen Massenmedien wissen es), dass Meditation gesund ist und die Intelligenz und Kreativität verbessert. Das kleine Ich darf werten, trotz Eso-Schelte, es muss sogar werten und sich entscheiden, sich gut entscheiden, jeden Tag. Und es darf und sollte aus dem Wissen um das Ganze, die Eingebundenheit jedes Einzelnen lokal handeln. Und wenn man dabei zu verbiestert wird, hilft Humor: Auch gut zu sein ist ja nur eine Rolle. Und es braucht ein neues Verständnis der Evolution von Darwin & Co. Und ab und zu braucht es einen Aufschrei von Einzelnen. Vielleicht auch

Es ist doch ganz einfach! Man braucht nur das Ego zu verstehen, zu meditieren, und aus der Allverbundenheit heraus lokal zu handeln de BIP-Kult sehr schädliche Wirkungen hat. Sobald die Grundbedürfnisse gedeckt sind, wächst das subjektive Glücksempfinden des einzelnen Menschen mit zunehmendem Reichtum nämlich nicht mehr. Aber die Schäden, die das Streben nach immer mehr Macht, Geld und Reichtum auf der Welt anrichtet, sind immens.

Bitte noch ein paar mehr Verrückte! Slow Food, Slow Sex, Entschleunigung, Konsumverweigerung, Lokalismus, das sind schon ein paar recht gute Bewegungen gegen den Wahnsinn unserer Zeit. Sie müssen nun noch ein bisschen mehr werden als nur Modewellen. Es braucht noch ein paar mehr Verrückte vom Typ Mike Reynolds, dem Erfinder der Earthships. Menschen, die auch angesichts von Widerständen nicht den Mut verlieren und die Hoffnung nicht aufgeben. Als Mike Reynolds mit dem Bau der Earthships begann, wurde er aus der US-amerikanischen Architektenvereinigung ausgestoßen. Als er in Mexiko aus weggeworfenen Autoreifen Hauswände baute, die eine Hei-

deinen Aufschrei. Oder sowas wie das Buch »Empört euch« von Stéphane Hessel. Oder die Provokationen von Osho. Oder die Genialität und das Durchhaltevermögen von einem wie Mike Reynolds. Es braucht spirituelle Rebellion, eine schäfische Spiritualität können wir nicht brauchen.

[

© WOLF SCHNEIDER

HEILUNG DER ERDE

Die britische Wissenschaftszeitschrift Nature veröffentlichte im Januar einen exzellenten Artikel über den Unsinn des BIP (engl. GDP) als Indikator von Fortschritt: http://www.nature.com/news/developmenttime-to-leave-gdp-behind-1.14499 Mehr über die matriarchal-permakulturell orientierte Gemeinschaft von Barbara und Erich auf La Palma findet ihr auf: www.matricultura.org

WOLF SCHNEIDER, Jg. 1952. Autor, Redakteur, Kursleiter. Studium der Naturwissenschaften und Philosophie (1971-75) in München. 1975-77 in Asien. 1985 Gründung der Zeitschrift Connection. Seit 2008 Theaterspiel & Kabarett. Kontakt: schneider@connection.de. Blogs auf connection.de und auf schreibkunst.com

21


HEILUNG DER ERDE

»Ich will was richtig Gutes machen«

Earthship »The Tower« in der Greater World Community, Taos, New Mexico

Ein enttäuschter Aussteiger wird zum Einsteiger in die Earthship-Projekte Nach frustrierenden Bildungserfahrungen in Deutschland entdeckte Daniel Petschel im Alter von 34 Jahren endlich die Earthships von Mike Reynolds. Nun reist er um die Welt und hilft in den verschiedensten Kulturen und Klimazonen beim Bau dieser so enorm anpassungsfähigen und komfortablen Nullenergiehäuser VON DANIEL PETSCHEL

30

D

ie Earthship Academy, in der man lernen kann, wie man Earthships baut, ist für mich eine Lebensschule, die eine klare Ausrichtung hat. Es geht ums Tun. Den Kopf und das Herz freimachen für frischen Wind! Hier in der Academy kommen Menschen aus der ganzen Welt zusammen, packen an und machen miteinander was komplett Verrücktes, Unerhörtes, Gewagtes: Sie denken ungebunden von Konventionen, zukunftsorieniert und haben Mut! Diese Gruppe gibt es nun schon seit 35 Jahren, und sie wächst ständig. Es sind Menschen, die wirklich gelernt haben, frei zu denken. Das interessierte mich vom ersten Augenblick an: Endlich mal Leute, die praktisch und zum Draufklopfen ihren Traum von einem friedlichen Leben in Realität umsetzen und etwas zusammen machen. Ich kann hier

sehen, wie etwas wächst und Gestalt gewinnt, das in der Vorstellung eines einzigen Menschen wurzelt. Das ist sehr inspirierend für alle, die damit in Berührung kommen. Hier haben die Leute die Möglichkeit, unendlich viele Fehler zu sehen, die man machen kann, wenn man sich dafür entscheidet, seinem Traum zu folgen. Es ist alles sichtbar, zum Anfassen; und alles, was hier entsteht, erzählt eine interessante Geschichte.

Mike Reynolds als Vorbild Man kann sagen, dass Mike Reynolds wirklich ein cooler Typ ist. Er ist ganz normal, menschlich und – unglaublich fit. Er ist bald siebzig, und wenn er da ist, rennt er fast jeden Tag in den Bergen herum. Keine Baustelle lässt er aus, und er nimmt – wie jeder

März-April 3-4/2014 · www.connection.de


HEILUNG DER ERDE

andere auch – den Hammer selber in die Hand und haut drauf. Er ist ein Mann, der sich seinen Traum von einem unabhängigen, selbstverantworteten Leben erfüllt, und in allem, was er angefangen hat, hat er eine un glaubliche Zähigkeit entwickelt. Es kommt mir vor, als hätte der Spaß daran, alle möglichen Anstrengungen und Herausforderungen anzunehmen. Er hat aus seinen Fehlern immer etwas gelernt und war sich

Das Weite suchen Aber das war alles andere als leicht. Ich habe damit viele, viele Jahre sehr zu kämpfen gehabt. Ich bin vorzeitig aus der Schule rausgeflogen. Dann bin nicht mehr hingegangen; Schule war mir zu blöd, weil da alles viel zu langsam ging, mich meistens nicht wirklich interessiert hat und ich auch nicht immer so viel rumsitzen wollte. Ich hatte das Gefühl,

Mike Reynolds ist bald siebzig und rennt fast jeden Tag in den Bergen herum. Keine Baustelle lässt er aus und nimmt,

nie zu schade, immer wieder neue, verbesserte Versionen zu bauen. Mich hat er damit sehr, sehr neugierig gemacht. Jetzt, wo ich ihn und die Academy selber kennengelernt habe, bin ich so hoch motiviert, endlich auch mein eigenes Leben in die Hand zu nehmen und mir – jetzt endlich, mit 35 Jahren – etwas Eigenes zu bauen. Wo ich aufgewachsen bin, in Niederbayern, da gibt es für alles feste Vorschriften. Die Möglichkeiten, wie, wo und warum man etwas machen kann, sind sehr eingeschränkt. Obwohl ich sagen muss, dass meine Eltern und die Gruppe von Freunden um sie herum schon in meiner Kindheit mich sehr ermutigt haben, vom Allgemeinen abzuweichen und mein Eigenes zu finden.

© EARTHSHIP-BIOTECTURE, TAOS NEW MEXICO

© EARTHSHIP-BIOTECTURE, TAOS NEW MEXICO

wie hier jeder andere auch, den Hammer selber in die Hand dort geistige Verstopfung zu kriegen. Ich suchte dann nur noch das Weite. Erst in den letzten Jahren habe ich wieder die Erfahrung machen müssen, dass unser Schulsystem kaum Offenheit gegenüber Menschen hat, die besonders schnell begreifen, was es ist, das es gerade »zu lernen« gibt. Ich habe meine Schulbildung an einer Abendschule abgeschlossen. Meine Prüfungsergebnisse waren 1,0. Trotzdem habe ich während dieser Jahre gelitten wie ein Hund. Man hatte mir die Anwesenheitspflicht im Unterricht nicht erlassen, obwohl ich durch beste Prüfungsnoten und Abfragen immer beweisen konnte, dass ich bereits wusste und vollständig verstand, was im Unterricht vermittelt wurde.

Ich habe es satt, immer wieder diesem Gelabere zuzuhören, wenn sich Leute über alles Mögliche aufregen, das heute überall schlecht ist und insbesondere in ihrem Leben. Dabei verpassen sie ihre besten Chancen, denn sie schauen meistens bei den anderen auf das, was die nicht können, nicht wollen oder nicht schaffen. Ich finde diese Blockade der Resignierten wirklich schwach, super traurig und echt beschissen.

Erstarrtes System Es ist doch längst klar, dass wir innerhalb dieses verknöcherten, erstarrten Systems als junge Leute keine Chance haben. Wir, die jetzt die nächste Generation von Kindern großziehen. Wir, die wir uns ein eigenständiges, freies Leben aufbauen wollen. Mir geht alles immer noch viel zu langsam, viel zu zögerlich. Die meisten sind super ängstlich und trauen sich kaum aus der Box ihrer quadratischen Gedanken. Sie leben in der Gefangenschaft ihrer von anderen vorgedachten, begrenzten und impotenten Handlungen. Jeden Tag das gleiche und in gleicher Weise. Bloß nicht gegen den Strom schwimmen oder auffallen! In der Idee der Earthships und bei den Menschen, die dafür ihr Herz und ihren Verstand geöffnet haben, finde ich fast alles wieder, was mir selber so wichtig ist. Ich kann an der Earthship Academy so schnell und so handfest lernen, wie es meinem Naturell entspricht. Dafür spricht schon die geniale

Auch in 2.600 m Meereshöhe funktioniert das Earthship-Prinzip (hier: Reach Community, Taos, NM)

www.connection.de · März-April 3-4/2014

31


HEILUNG DER ERDE

Einfachheit aller ins Feld geführten Gedankengänge.

Verantwortung tragen Die sechs Prinzipien, nach denen Earthships gebaut werden, geben mir die Garantie, dass ich für alles, was ich in meinem Wohnumfeld zukünftig tue, die volle Verantwortung tragen werde – und das auch kann. Denn ich beziehe mich dabei direkt auf den Haushalt der Natur und nehme nur, was ich brauche. Mein Bedarf wird immer aus der näheren Umgebung genährt und gedeckt. Mike Reynolds’ durchdachte und mit Leben gefüllte Idee war und ist, von der Natur als einer großen Lehrerin aufmerksam zu lernen. Er sieht sein Lebenswerk als eine Abbildung der Lebensprinzipien, wie sie zum Beispiel in einem Baum zu erkennen sind: Austausch und Durchdringung aller Ebenen der elementaren Prozesse von Wasser, Luft, Mineralien und Energie. Ich bin von der Philosophie, die darin steckt, schon lange überzeugt: Zero Carbon, durch eigene Energie-Erzeugung; lokale Ressourcen; Nutzung durch Gemeinschaftsbildung; geschlossene, kleine Kreisläufe für Wasser und Nahrung, also schonendste, integrierte dadurch sinnvolle Nutzung; wer in einem

Es ist doch längst klar, dass wir innerhalb dieses verknöcherten, erstarrten Systems als junge Leute keine Chance haben Earthship leben kann, braucht eigentlich keine weiten Wege mehr zu fahren, um das Lebensnotwendige einzusammeln oder einzukaufen; damit wird nicht nur das Haus selbst energiesparsam, sondern auch noch das Verhalten außerhalb davon.

Praktikum im Earthship-Bau Eine ganz besonders interessante Sache am Vorgehen der Academy sind die vielen Gelegenheiten, an allen möglichen Plätzen der Erde die Earthship Bio-Tecture handfest und praktisch kennen zu lernen. Als ich mich entschloss, mit der Ausbildung anzufangen, entschied ich mich, als Praktikant beim Bau eines Earthship in Guatemala dabei zu sein. Dieses Praktikum ist Voraussetzung, um an der Academy in Taos die zwei Monate Intensiv-Unterricht mitmachen zu können. Das Praktikum war für mich eine unglaubliche Erfahrung! Es kamen 70 Praktikanten aus 22 verschiedenen Ländern dorthin. Al-

le hochmotiviert, wache Leute mit Saft und Kraft, frohe Stimmung, Begeisterung für die gemeinsame Sache, voller Einsatz jeden Tag. Wir bauten dort in zwanzig Tagen eine komplette Drei-Zimmer-Wohnung für eine indianische Witwe mit drei Kindern. Mit allem drum und dran: Dusche (das kannten die gar nicht), Wassersystem, Planter im Gewächshaus-Teil, fertig bepflanzt mit Aloe vera, Bananen, Tomaten und schönen Basilikum-Büschen. Die Familie kochte für uns, es gab am Ende ein riesiges Fest. Mike tanzte mit dem Kaziken, die schöne Villa konnte schlüsselfertig übergeben werden … und der ganze Stadtteil feierte mit.

Aktion Mensch und Bewusstsein Die Kern-Crew aus Taos und die von Long Way Home, einer NGO in Guatemala, die sich um Earthships für Bedürftige und für Gemeindezentren, Schulen und kleine Kli-

DIE SECHS PRINZIPIEN JEDES EARTHSHIP DESIGNS … … DIE IN ALLEN TYPEN ANWENDUNG FINDEN 1. Thermo- oder Solar-Heizung bzw. -Kühlung Earthships können angenehme Temperaturen stetig halten, unabhängig vom Klima. Der Planet Erde selbst ist eine Masse, die Temperatur stabil zu halten vermag. Diese Masse liefert Temperatur allerorten, ohne Drähte oder Rohre. Die Sonne ist ein Kernkraftwerk, das stets und unbegrenzt liefert. 2. Solar- und Wind-Elektrizität Earthships produzieren ihren eigenen Strom durch ein vorgefertigtes Photovoltaik- oder WindenergieSystem. Diese Energie wird in Batterien gespeichert und versorgt die elektrischen Anschlüsse. 3. Integrierte Abwasser-Aufbereitung Earthships behalten alles Brauch- und Abwasser aus dem Haushalt im System. Sie klären es in Aufbereitungszellen im Haus und außerhalb. Es wird zur Nah rungsmittelproduktion und für die InnenraumBegrünung verwendet sowie für die geruchsneutrale Toilettenspülung, ohne das Grundwasser zu belasten.

32

4. Bauen mit natürlichen und recycelten Materialien Earthships sind Häuser, die aus Nebenprodukten komponiert sind – ein nachhaltiges Heim sollte Gebrauch machen von einheimischen, leicht erreichbaren und lokal verfügbaren Materialien. 5. Wasser-Ernte Earthships fangen alles Regenwasser auf dem Dach und verwenden es vierfach. Zum Verbrauch als Heißwasser wird es solar oder durch selbst erzeugtes Biogas, Bio-Diesel oder anderes natürliches Gas erwärmt. Earthships tragen nicht zur Verschmutzung oder Verschwendung des Grundwassers bei. 6. Nahrungsproduktion Earthships haben erdgefüllte, integrierte Pflanztröge, die an das Wassersystem angeschlossen sind und so immer feucht bleiben. Hunderte von Litern aus Badewanne, Wasch- und Spülbecken machen den »Planter« zum eigenen Garten im Haus. Die dort

selbst gezogenen Pflanzen sind von bester Qualität und jahraus, jahrein zu genießen. Earthships können an alle überhaupt bewohnbaren Klimazonen der Erde angepasst werden. Sie sind in verschiedenen Modulen bezüglich Ausstattung, Gestalt und regionaler Anpassung darstellbar. Zur Zeit gibt es circa 2000 originale Earthships auf der Erde, in den USA in jedem Bundesstaat mindesten eins davon. Die Entwicklung verschiedener Typen ermöglicht eine angemessene Anpassung an jedes Klima, ohne dabei auch nur eines der sechs Prinzipien aufzugeben. Mike Reynolds kommt dieses Jahr für zwei Tagesseminare nach Deutschland (14.05. Freiburg, 24.05. Berlin), außerdem nach Rumänien, Schweden und Italien. Nähere Informationen und Buchung sowie auch für Interessenten, die Earthship-Bauer werden wollen, auf folgenden Webseiten: Earthship.com, earthship.de und www.creavista.org.

März-April 3-4/2014 · www.connection.de


HEILUNG DER ERDE

Sie hatte sich in einem viele Quadratkilometer und vier Dörfer umfassenden Permakultur-Projekt dieses bereits vor zwei Jahren in Sierra Leone gebaute multifunktionale Gebäude gewünscht. Mittelpunkt für die kreativen Kleinbauern, medizinische An-

rende Kühlung ohne konventionelles AirConditioning. Ein Koala-Bär schaute uns einen ganzen Tag lang beim Arbeiten zu. Von hier geht es für mich weiter auf die Philippinen, mitten ins vom Mega-Taifun vor kurzem verwüstete Krisengebiet, wo Mike

Plastikflasche, die mit Kleinteilen von Müll vollgestopft war. So wurde über Wochen in dieser kleinen Stadt der Müll eingesammelt. Eine Aktion Mensch und Bewusstsein mit dem Ergebnis, dass Berge von gefüllten Flaschen bereitlagen, die wir in den zwei Wochen des Bauens bei allem Möglichen kostensparend verwenden konnten, zum Beispiel dekorativ in die Wände eingearbeitet, als »Licht- und Dekor-Bricks«. Ein erstaunlich massiver Zaun an der Grundstücksgrenze, der die streunenden Hunde abhalten sollte, schluckte etwa fünftausend solcher Flaschen und hinderte sie daran, sich weiterhin flächendeckend über das Land auszubreiten. Abgefahrene Reifen wurden uns nachgeschmissen. Es gab kein ordentliches Recycling dafür, sie kamen von überall her. Mich beeindruckte die Kraft, die entfaltet wurde, wenn es darum ging, die Erde in die Reifen zu hauen. Ja hauen! Mit fetten Vorschlaghammern verdichteten wir die rote Erde in hunderten von Reifen. Die Erde bebte, es ging ganz schön zur Sache. Aber auch in Guatemala gibt es Erdbeben, und so war die dauer-elastische Stabilität dieser Art Mauern eine gute Medizin für das Haus. Von der Baustelle aus sahen wir am Horizont deutlich die Silhouette des großen Vulkans.

laufstelle und soziale Interaktions-Insel sollte es werden. Und genau das war es sofort und von Anfang an: Die Zusammenarbeit mit den Menschen aus wiederum 17 Ländern

mit seinem Team einen ganz neuen Typ Earthship bauen wird: das »Biotecture Windship«. Es ist für mich unglaublich motivierend, zu sehen, wie genau sich das Prinzip Earthship

© EARTHSHIP-BIOTECTURE, TAOS NEW MEXICO

niken kümmert, waren schon vorher recht aktiv gewesen. Sie hatten mit dem Bau einer Schule ganz in der Nähe begonnen. Die Kinder gingen mit Begeisterung auf die Pirsch nach allen möglichen Plastik-Abfällen. Sie bekamen ein paar Münzen für jede

Empower Malawi! Im Spätherbst 2013 beteiligte ich mich am Hilfsprojekt »Empower Malawi«, wo die Academy wieder mit über siebzig Freiwilligen (Volunteers) und Internen ein Community-Center in Blütenform erstellte. Auch Empower M ist eine dort recht aktive NGO.

www.connection.de · März-April 3-4/2014

Die Erde ist so empfindlich! Sie ist wie eine Seifenblase im Maul eines Terriers an regionale oder klimatische Bedingungen anpassen lässt und wie elegant am Ende die praktischen, sehr preiswerten und wirklich lebensfördernden Lösungen sind. Nicht nur auf den Philippinen, wo es jetzt schon Pläne gibt, ganze Siedlungen im Zusammenhang miteinander als Biotecture Windships zu bauen, die sich so in ihre Erdhügel ducken, dass sie sturmfest sind, ist Mikes gereifte Vision gefragt. Auch in Haiti, Guatemala, Sierra Leone, Südafrika und Argentinien sind die begonnenen Projekte von Earthship-Siedlungen längst zur Se rienreife gediehen und können in kurzer Zeit für viele Menschen neue realisierbare Perspektiven eines naturnahen und wirklich nachhaltigen Lebens liefern.

[

war von einem enormen Gefühl von Gemeinschaft und positivem Schwung getragen. Die Ansässigen brauchten ein paar Tage, bis sie sich an die vielen unbekannten Gesichter aus allen Kontinenten gewöhnt hatten, aber bereits am fünften Tag ging alles Hand in Hand. Sie lernten schnell und brachten sich immer mehr ein, sangen mit uns Lieder und erzählten Geschichten. Es war umwerfend, wie rasch sich da etwas Sichtbares zeigte und das schöne Gebäude zwischen den Waldbäumen aus dem Boden wuchs. Viele Freundschaften entstanden dabei oder wurden vertieft, weil man sich schon andernorts gemeinsam erprobt hatte. Und so gelang es, in der vorgesehenen Bauzeit von 24 Tagen doppelt soviel auf die Füße zu stellen wie geplant.

Australien, Philippinen … Im Augenblick beende ich gerade einen Earthship-Bau mit einem australischen Team, wo es um die Anpassung an ein sehr heißes Klima geht. Adelaide, da sind im Sommer sehr trockene 40° C im Tagesdurchschnitt. Also geht es bei diesem Bau vorrangig um die sinnvolle Nutzung des Wassers, das dort extrem wertvoll ist, und um eine energie-spa-

ADAM DANIEL PETSCHEL, Jg. 79, Biotecture- und EarthshipSpezialist, Weltbürger, Vater einer zwölfjährigen Tochter. Visionquestleiter in Ausbildung, Natur- und Menschenfreund. Allrounder. daniel.petschel@ earthshipgermany.com

33


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.