Spirit 5-6-2013

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DAS MAGAZIN FÜRS WESENTLICHE 05–06/2013 29. Jg. B 6128

Erwachendes Bewusstsein

www.connection.de

Schweiz 16,80 sfr, übrige EU-Länder 9,40 €

Erwachendes Bewusstsein

Mit Beiträgen von Eli Jaxon Bear, Daniel Odier, Mayonah Bliss, Werner Ablass, Torsten Brügge und anderen

9€


Lebensfreude Messe

MAI–JUNI 5–6/2013

gesund · nachhaltig · spirituell

Erwachendes Bewusstsein Was bisher noch selten war, eine Erfahrung Einzelner, scheint sich nun weltweit auszubreiten wie eine Welle: Immer mehr Menschen sagen, dass sie erwacht sind und das Ich als psychosoziale Konstruktion durchschaut haben. Sie sind nicht »zu Jesus« erwacht oder zu sonst einer Person oder speziellen Erkenntnis, sondern einfach wach, frei.

S. 14 – 41 Humor kann man lernen

13. – 15. Sept. ’13 Sparkassen Arena

Im Vorfeld des Kongresses »Bewusstseins-Erheiterung« stellen sich Clowns und Humortrainer vor. Hier die beiden Leiter und Gründer des Tamala-Centers in Konstanz, der ältesten Clown-Schule Deutschlands. Sie bilden Clowns und Führungskräfte aus und bestehen darauf: Humor ist erlernbar!

18. – 20. Okt. ’13 Alte Kongresshalle

22. – 24. Nov. ’13 Messehalle Schnelsen

S. 44 – 47 6. – 8. Dez. ’13 Jahrhunderthalle

Freuen Sie sich auf viele Aussteller, Vorträge & Events und unser großes Kongressprogramm:

04502 / 788 90 40

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Geht es weiter? Die Zeitschrift Connection Spirit steht an einem kritischen Punkt ihrer Geschichte und fragt sich, wie es weitergehen soll. Die von ihr mitinitiierten Themen sind nun groß geworden und bewegen die Massen. Ist das gut? Für die Massen? Und für uns?

S. 58 – 61

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Ausgabe: 3.2013 E R O S · L I E B E M E D I T A T I O N

I N H A LT Regina König und Hellwig Schinko

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Editorial

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Weisheit: Faouzi Skali über das Zeitschiff

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Hier & Jetzt: Die Kurzmeldungen

OFFENE SEMINARE

ARUNA-TANTRA 9. – 12.5.13 im Waldviertel/Österreich

12 Verrückter Tanz. Ein Bild von Christina von Puttkamer illustriert ein Gedicht von Rumi

Schwerpunkt: Erwachendes Bewusstsein

FEUER, HERZ UND STILLE 19. – 25.5.13 Tantra-Pfingstgruppe b. Ulm

SYSTEMISCHES FAMILIENSTELLEN 4. – 7.7.13 mit Claudia Haarmann bei Ulm

DAS LEBEN, DIE LIEBE & ICH 14 Die spirituelle Revolution. Wolf Schneider über die Tücken eines Erwachens, das zum Massenphänomen wird 18 Der Mensch erwacht. Eli Jaxon Bear erzählt die Geschichte der Menschheit von der Entdeckung des Feuers bis zur heutigen spirituellen Revolution 23 Die Anthroposphäre. Doris Lessing betrachtet den dünnen Film auf der Erdoberfläche, wo Menschen leben und über sich selbst hinauswachsen 24 Absolutes & relatives Bewusstsein. Daniel Odier erläutert den Weg des kaschmirischen Tantra 26 Weibliches Erwachen. Mayonah Bliss setzt auf die Heilung des Schoßes 28 Der natürliche Zustand. Über den stülpt sich die Ich-Illusion, erklärt Werner Ablass 30 Leben & Verwirklichung sind eins. Alles ist erleuchtet, sagt Renate Busam. Es scheint durch uns durch 32 Erwachen und Erlösung. Martina Gallmetzer erklärt den Unterschied

1. – 4.8.13 Tantra-Workshop für junge Menschen von 16-26, mit Antje Uffmann und Christian Kirchmair, bei Ulm

DAS LEBEN, DIE LIEBE, ICH… UND DU! 29.8. – 1.9.13 Tantra-Workshop Teil II für junge Menschen von 16-26, mit A. Uffmann und C. Kirchmair, bei Ulm

TANTRA-BODY 6. – 8.9.13 mit Antje Uffmann, bei Ulm

LIEBE – DAS GROSSE TOR 29.9. – 6.10.13 Tantra-Paargruppe im Odenwald Infos & Programm: ARUNA-Institut St. Nepomukstr.13 · 74673 Mulfingen Tel. 07936/6 21 · Fax 079 36/6 46 aruna.info@t-online.de www.aruna-tantra.de

34 Der Träumer und der Traum. Edgar Hofer beschreibt, wie der Ozean in den Tropfen hineinfällt 36 Es gibt nichts zu erreichen. Gaia spricht über das Erwachen und die Rückfälle aus dem Erwachtsein Ausgabe: 9.2013

38 Erleuchtet – ganz oder gar nicht? Torsten Brügge begründet, inwiefern wir auf verschiedenen Entwicklungslinien unterschiedlich weit erwacht sein können 42 WerWasWo 44 Mit Humor begeistern. Udo Berenbrinker und Jenny Karpawitz zeigen, dass sich eine humorvolle Haltung zum Leben erlernen lässt 48 Absichtsvoll leben. Wolf Schneider über ein neues Buch von Harry Palmer, den Gründer der Avatar-Trainings 52 Maike. Gabriele Palm erzählt die Geschichte einer Frau auf der Suche nach Liebe und Sinn

Die Seite für den erwachten Leser! E

Gefüllt mit eBooks von:

58 Wie es weitergeht … Wolf Schneider zur aktuellen Situation von Connection Spirit – und ein Aufruf 62 Promotion: Erwachen im Open Sky House (bei Premananda) 64 Promotion: Die Alpha-Synapsen-Programmierung (von Lissy Götz) 68 Filme: Der Spielfilm Verliebte Feinde zeigt im Kino eine Ehe auf Emanzipationskurs. Die dokumentarische DVD Satori zeigt die Metamorphose eines Erwachens 70 Bücher: von Peter Russell, Torsten Brügge und anderen 74 Leserbriefe 78 Marktplatz 80 Veranstaltungskalender und Inserentenverzeichnis 82 Vorschau/Impressum

www.eBook-Spirit.de , Zeitschrift für Lebenskunst, Weisheit, Humor und ein integrales Verständnis des menschlichen Lebens. Erscheint alle zwei Monate mit einem starken Schwerpunkt. Gegründet 1985, ist Connection Spirit die älteste transkonfessionelle spirituelle Zeitschrift auf deutsch. Fachmagazine über Tantra und Schamanismus aus demselben Verlag ergänzen sie.

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ERWACHENDES BEWUSSTSEIN

Absolutes relatives Der Weg des Bewusstsein kaschmirischen Tantra D Daniel Odier, ein Meister des Chan sowie des kaschmirischen Tantra, erklärt hier das Erwachen des absoluten Bewusstseins durch das Spiel mit den relativen Arten des Bewusstseins, wie es der kaschmirische Shivaismus propagiert, insbesondere in den 112 Meditationstechniken des Vigyana Bhairava Tantra VON DANIEL ODIER

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Die Mikro-Praktiken Auf dem Spanda-Weg haben wir verschiedene Praktiken, die uns zum Gewahrsein führen. Zunächst gibt es da die »Mikro-Praktiken«, die auf der Idee einer Vielzahl von kurzen Konzentrationen basieren, die nur fünfzehn oder zwanzig Sekunden lang dauern. Die gewöhnen uns schneller an das Gewahrsein, das Bewusstsein der Dinge, als ein langes Bemühen um Konzentration es kann. Wir tauchen damit ohne Anstrengung für sehr kurze Zeit in das Gewahrsein der Sinnesempfindungen ein, der Gefühle und Gedanken, bis zu dem Moment, an dem unser Körper entdeckt, dass er beim Gewahrsein mehr Lust empfindet als bei der automatisch ablaufenden Aktivität. Nach einigen Monaten täglicher Übung führt uns der Körper so von selbst zum Bewusstsein. »Der Blick gehe hinaus, ohne sich auf ein Objekt zu richten. Indem du dem Denken jede Unterstützung entziehst, erreichst du schnell die Shivanatur.« (Sutra 79)

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as Vigyana Bhairava Tantra, ein Text, der aus 112 Sutren besteht, ist die gemeinsame Basis aller kaschmirischen Tantra-Schulen und insbesondere der des Spanda, der Schule der Schwingung und des Zitterns. Dieser Text legt nahe, dass man unter dem Begriff »Bewusstsein« zwei sich ergänzende Sachen verstehen kann. Es gibt das Bewusstsein, das sich mit dem Raum verbindet, mit Shiva/Shakti. Dieses Bewusstsein ist eines und unteilbar. Geteilt wird es von der Materie und den Wesen, dem ganzen Kosmos. Und dann gibt es auch das Bewusstsein »von etwas«. Das Vigyana sagt sehr klar, dass die 112 Praktiken, die dort vorgestellt werden, die das Gewahrsein von alledem zusammenfassen, was ein menschliches Wesen durchmachen kann, das absolute Bewusstsein öffnen. Es gibt eine Askese, einen klaren Weg, der uns zeigt, wie wir unser Gewahrsein den Phänomenen, Sinnesempfindungen, Gefühlen und Gedanken gegenüber steigern können, um zur mystischen Ekstase zu gelangen.


ERWACHENDES BEWUSSTSEIN

Der Moment, in dem unser Körper entdeckt, dass er beim Gewahrsein

Matsyendranath, ein Meister aus Assam, lebte wahrscheinlich zwischen dem 8. und 9. Jahrhundert. Seine Visualisierungen bringen uns durch ihre leuchtenden und bunten Praktiken eine Expansion des Raums, eine erhöhtes Gewahrsein der Empfindungen, der Haut und der Organe. Diese Praktiken stimulieren das Vorstellungsvermögen und die Sinne, und sie offenbaren die innere Stille.

mehr Lust empfindet als

Glückseligkeit

bei der automatisch

FICKR.COM © PARREERICA

Der Tanz des Tandava Dann haben wir den Tanz des Tandava oder Tanz der Totalität. Dessen Bewegungen sind sehr langsam. Es sind Bewegungen ohne Muskelspannung, in gedanklicher Stille, bei körperlicher Präsenz, die dem Körpergefühl erlauben, sich im Raum auszubreiten, den Gefühlen zu fließen, der Gedankenbewegung sich zu beruhigen. »Wenn man dem Körper erlaubt, sich langsam zu bewegen, kann es passieren, oh Göttin, dass die Natur des Geistes sich beruhigt und das Göttliche dich überflutet.« (Sutra 82). Ähnlich dem ursprünglichen Taiji harmonisiert diese Übung und gibt unserem Körper seine ganze Feinfühligkeit zurück. Sie zeigt die Fähigkeit des Körpers, sich mit dem Ganzen zu vereinen und damit aufzuhören, unsere Handlungen und Strebungen ständig zu kommentieren. »Durch die Gnade eines plötzlichen Fallens zu Boden, nach einem langen Tanz, ist die Macht der Störungen gebrochen, und der höchste Zustand verwirklicht sich.« (Sutra 109)

DAS ELIXIER DES SEINS Es gibt eine Liebe, die sich aus dem Elixier des Seins bildet und gewisse Himmel, die von tausenden von Blitzen durchquert werden. Mein Körper existiert in einem Ozean, der zu seinem Ruhm gebildet wurde: Die ganze Schöpfung, das ganze Universum, alle Galaxien sind in ihm verloren. Rumi

Vermittels dieser vier Übungen verlässt der Yogi die Isolierung des Körpers. Seine Partikel beginnen mit den Partikeln des Universums zu tanzen, und die Dualität schmilzt. Der Yogi fühlt sich mit der Totalität vereint, die das Bewusstsein ist und Spanda. Alles lebt. »Das Selbst kann weder ein Bewusstsein haben, noch Aktivität«. (Sutra 132) Aus dieser Stille wird eine Freude geboren, die von keiner Ursache abhängt. Das ist die Glückseligkeit. Sie wird durch ein geschärftes Bewusstsein der Welt erreicht und eine nicht nachlassende Präsenz. Es ist eine Art mystischer Materialismus, weit entfernt von der spirituellen Abstraktion. Ein erregender, vibrierender Weg. »Wenn du den Weg verstanden hast, kann dir sogar ein Stein den Dharma lehren« sagte ein Chan-Meister.

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ablaufenden Aktivität ...

wegungen sind also der Ausdruck des Atems. Sie zeigen die Schwingung, das Spanda. »Man meditiert also über seinen eigenen Körper und über das Universum, so als trüge man dessen Essenz im Bewusstsein, während sich dank eines Denkens ohne unterscheidende Darstellungen sich das höchste Erwachen realisiert.« (Sutra 62)

Yoga der Berührung

DANIEL ODIER, geb. 1945 in Genf, ist ein Chan Meister der chinesischen Xu Yun and Zhao Zhou Linie. Außerdem unterrichtet er die SpandaLinie des kaschmirischen Shivaismus und den mystischen Tanz Tandava, die er beide von der Yogini Lalita Devi übertragen bekam. www.danielodier.com

Schließlich gelingt es dem Yoga der Berührung, der kaschmirischen Massage, über den direkten Kontakt mit dem anderen Körper, uns im Geist des Tandava zu zeigen, wie sehr die dem Körper zugedachten Grenzen konzeptionelle, soziale und kulturelle sind. Auch dort hilft uns die Erfahrung der Langsamkeit und der Kontinuität, dem Atem mehr Raum zu geben. Die Be-

A Deeper Light -

Live in Germany May 8 • Hamburg May 9 • Berlin Jun 2 • Frankfurt Jun 5 • Bonn Jun 17 • Nürnberg/Fürth Jun 19 • München

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ERWACHENDES BEWUSSTSEIN

Weibliches Erwachen die Heilung des Schoßes Mayonah A. Bliss geht das Thema des Erwachens auf sehr weibliche Art an. Sie erklärt nicht, welchen Illusionen wir aufgesessen sind, sondern erzählt die Geschichte des Patriarchats und der Verletzung des weiblichen Schoßes. Den gilt es zu heilen, dann können die Frauen erwachen, denn der Schoß ist der Ort, an dem sie mit der Erde und dem ganzen Kosmos verbunden sind

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FLICKR.COM © PRAIRIEKITTIN

A

ls junge Frau auf der Suche nach weiblichem Erwachen schaute ich mir oft die Darstellungen von Göttinnen an. Diese Frauen strahlten Würde aus, eine weibliche Kraft, die voller Weisheit und Liebe in sich ruhte. Sie schienen mit etwas verbunden zu sein, das ich damals nur als »Mysterium« umschreiben konnte. Was machte diese Frauen zu den Göttinnen, als die sie dargestellt wurden? Warum findet sich diese Kraft nicht mehr in den meisten Frauen der heutigen Zeit? Und wie konnte ich dieses Potential in mir erwecken? Ich machte mich auf die Suche. Studierte alte Mythen, forschte im Wissen matriarchaler Zeiten verschiedener Kulturen und entdeckte, dass die weibliche Sexualität, die tiefe Verbindung zum Schoßraum, dabei eine zentrale Rolle spielt. Diese Göttinnen waren mit der Tiefe ihres Schoßraumes verbunden. Aus ihm schöpften sie ihr Wissen. Aus ihm strahlte ihr Frieden, ihr weibliches Leuchten, ihr Ruhen im zeitlosen Sein. In ihrem wachen Schoß lag der Raum des weiblichen Mysteriums!

FLICKR.COM © CHRIS H. CONNELLY, COLLAGE C. V. PUTTKAMER

VON MAYONAH BLISS


ERWACHENDES BEWUSSTSEIN

Beispiele aus den keltischen, indianischen und indischen Kulturräumen zeigen, wie hoch das weibliche Zentrum dort einst geehrt und wertgeschätzt wurde und wie viel Bewusstsein um den Schoßraum bestand – den Raum des weiblichen Mysteriums. Dies war eine Offenbarung für mich. Doch ich selbst fühlte mich damals als junge Frau in meinem Schoß noch weit davon entfernt. Mein Schoß fühlte sich dunkel und unbewusst an, ich war nicht sehr verbunden mit ihm. Meine Suche wandte sich nun der Erforschung von mir selbst zu. Ich entdeckte, dass ich in meinem Schoß noch viel alten Ballast mit mir trug, sowohl aus meiner persönlichen Geschichte als auch aus dem weiblichen Kollektiv. Je tiefer ich ging, desto mehr erschloß sich mir die Tiefe der Verletzung, die das weibliche Kollektiv dort in sich trägt.

Kollektive Verletzung des Schoßraumes Verschiedene Kulturen erfanden die Genitalverstümmelung und verkauften sie als Initiationsritual des Mädchens, das dadurch zur Frau wird. Weltweit leben mehr als 140 Millionen Mädchen und Frauen, die an ihren Genitalien verstümmelt wurden! Noch immer werden Tag für Tag 8000 Mädchen beschnitten! Weibliche Sexualität wurde in die Ehe gepackt und als Besitz des Mannes angesehen. Im Mittelalter wurden gar Keuschheitsgürtel angefertigt, Frauen darin eingeschnürt und abgeschlossen. Weise Frauen jener Zeit wurden sexuell misshandelt, vergewaltigt, verbrannt oder erhängt. Bis vor wenigen Jahren noch war Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland erlaubt – in vielen Ländern der Erde ist sie immer noch legal. Das alles sitzt in unseren Zellen. Wir sind ein Körper. Alle Frauen sind Teil dieses einen kollektiven weiblichen Körpers. Wenn wir uns das vor Augen halten, wundert es nicht, dass Frauen ihren Schoß verschlossen und sich von ihm getrennt haben. Sie wollen all diesen Schmerz nicht mehr spüren. Der Schoß ist der Ort, der im weiblichen Kollektiv am stärksten verletzt wurde.

Auswirkungen der kollektiven Verletzung Die Auswirkung der kollektiven Verletzung zeigt sich in Form verschiedener Unterleibsbeschwerden, unter denen viele Frauen leiden: Vaginalinfektionen wie Pilze, Clamydien und Trichomonaden sind weit verbreitet. Gebärmutterhalskrebs ist nach Brustkrebs die zweithäufigste Krebserkrankung von Frauen. In vielen Gebärmüttern wuchern Myome, und die Gebärmutterentfernung zählt in der westlichen Welt zu den am häufigsten

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durchgeführten Operationen – obwohl sie zu 90 Prozent zu vermeiden wäre! Viele Frauen leiden unter starken Menstruationsbeschwerden und dem sogenannten prämenstruellen Syndrom. Das zeigt, wieviel alter Ballast sich über die Jahrhunderte, Jahrtausende in unseren Schößen angesammelt hat und von Mutter zu Tochter unbewusst weitergegeben wurde. Es zeigt, dass Frauen im eigenen Schoß nicht zuhause sind und das weibliche kreative Potential nicht frei in die Welt fließen kann.

Eine Frau, die in ihrem Schoß erwacht, erstrahlt in ihrer Weiblichkeit. Sie fühlt sich tief verbunden zu Mutter Erde, zum Leben, zur Quelle allen Seins

Auch auf subtilerer Ebene macht sich ein verletzter Schoß im Erleben der Frau bemerkbar: diffuses Selbstwertgefühl, Identifikation mit Opfer-Sein, Gefühl des getrennt Seins, wenig Kenntnis der eigenen (sexuellen) Wünsche und Sehnsüchte, Unfähigkeit, klare Grenzen zu setzen, in der Sexualität fehlt es an spiritueller Tiefe. Für viele Frauen ist das ihre Lebenswirklichkeit. So war es auch für mich. Doch es gab eine Sehnsucht in mir, die mich nicht ruhen ließ, eine Sehnsucht nach Erlösung, nach Erwachen in meinem Schoß. Und ich fand Wege der Heilung. Je mehr ich den alten Ballast loslassen konnte, je mehr Bewusstsein ich in meinen Schoßraum bringen konnte, desto wacher, lichter und lebendiger wurde er. Es war ein Prozess des langsamen Erwachens aus einem über tausendjährigen Dornröschenschlaf.

Der Schlaf des Schoßes Ich möchte behaupten, dass die Schöße der meisten Frauen schlafen. Es ist uns nicht einmal bewusst, weil wir es nicht anders kennen. Erst im Augenblick, in dem ein Erwachen stattfindet, merken wir, dass wir zuvor geschlafen haben. Ich glaube, dass dieser »Schlaf« die Nebel der patriarchalen Vergangenheit sind, in der das Weibliche und insbesondere die weibliche Sexualität unterdrückt und der Schoßraum massiv verletzt wurde. Der innere Tempel, der Raum des Mysteriums verschloß sich uns mit jeder Gewalt, die der weibliche Schoßraum in unserer Ge-

schichte erfuhr. Heute ist es Zeit, dass sich diese Nebel wieder lüften und Heilung stattfindet. Frauen können die Schatten der Vergangenheit durchlichten und in ihrem Schoß wieder erwachen.

Wenn der Schoß einer Frau erwacht ... Eine Frau, die in ihrem Schoß erwacht, erstrahlt in ihrer Weiblichkeit. Sie fühlt sich tief verbunden zu Mutter Erde, zum Leben, zur Quelle allen Seins. Weibliches Wissen wird fühlbar. Ihr Selbstwert beginnt von innen her zu leuchten. Weibliche Würde breitet sich in ihr aus. Die Sexualität gewinnt an spiritueller Tiefe. Das Lachen geht in ihr auf. Sie wird zu einem wärmenden Pol in der Welt, zu einer Quelle der Liebe.

Das Mysterium des Schoßraumes Der Schoß der Frau ist das Zentrum weiblichen Kraft, Weisheit und Kreativität. Der Schoß ist der heilige Ort, in dem weiblich und männlich sich vereinen und in dem Schöpfung stattfindet. Im Schoß ist ein Tor zu anderen Raum-Zeit-Dimensionen, er ist ein Traum-Raum, in dem sich Leben neu träumt. Der Schoß empfängt neues Leben, lässt es wachsen und nährt es. Alles Leben wird aus dem Schoß geboren. Der Schoß ist der Ort, an dem Frauen mit der Erde und dem ganzen Kosmos verbunden sind. Alles Frauenwissen, das Erbe der Ahninnen ist im Schoß gespeichert. Im Schoß ist der Quell der Fülle, aus ihm entspringt der Strom von Lust, das Prinzip des sich Verschenkens, sich Verströmens, das tiefe weibliche Lachen. Möge dieser Ort wieder zutiefst geehrt und geheiligt sein! Ich wünsche jeder Frau, dass sie in ihrem Schoß erwachen kann und ihr weibliches Potential in ihr Leben und in die Welt fließt.

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Der Schoß als Zentrum weiblicher Kraft

Mehr zum Thema der Heilung des Schoßes in Connection Tantra Special Nr. 92 »Sexual Healing« und den anderen Tantra-Heften von Connection.

MAYONAH A. BLISS beschäftigt sich seit 15 Jahren mit der Heilung des weiblichen Schoßraumes und der Weiblichkeit. Der Weg ihrer Selbstheilung wurde zu ihrem Beruf. 2011 initiierte sie gemeinsam mit Tatjana Bach den ersten Frauenkongress »Erwachen einer neuen Weiblichkeit«. 2012 initiierte sie im Anschluss daran den ersten Frauen-Männer-Kongress »Symposium einer neuen Liebeskultur«, mit Dieter Halbach als Mitinitiator. www.weiblichkeit-erwacht.de, www.frauen-kongress.com, www.frauen-maenner-kongress.de

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FLICKR.COM @ESCHIPUL

IN EIGENER SACHE

Wie es weitergeht ... Connection Spirit braucht Unterstützung von außen, um weitermachen zu können Wenn eine gesellschaftliche Entwicklung sich verstärkt, sind die Pioniere, die sie angestoßen haben, manchmal nicht mehr dabei. Für die Zeitschrift Connection Spirit stellt sich heute die Frage, ob sie nach den 28 Jahren der Vorbereitung des heutigen spirituellen Trends in der Gesellschaft noch dabei sein will – und dabei sein kann. Ganz im Sinne der Verbindung (connection), die sie immer war, richtet Connection die Frage, ob sie noch gebraucht wird, nun an ihre Leser

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VON WOLF SCHNEIDER

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IN EIGENER SACHE

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iese Zeitschrift gibt es jetzt seit 28 Jahren. Mehr als zwei Millionen Exemplare sind von ihr in die Welt hinaus geflogen und haben dort viele Leser gefunden. Aber alles, was entstanden ist, kann auch wieder vergehen. So stehe ich nun diesen Sommer vor der Entscheidung, ob ich diese Zeitschrift als Printorgan weiterführen soll, ob ich es überhaupt kann oder sie einstellen muss. Einiges spricht für das Beenden, anderes für das Weitermachen. Und da ich damit ja nicht allein bin und diese Zeitschrift zudem »Connection« heißt, verbinde ich mich in dieser Sache mit euch, den Lesern: Sollen wir weitermachen? Ich werde die Resonanz auf diesen Aufruf ernst nehmen und dann entscheiden. Zunächst ein bisschen was zur Geschichte. Ich habe diese Zeitschrift 1985 spielerisch begonnen. Es war ein Experiment zusammen mit Freunden, ob so was geht. Wir hatten kein Geld und keine Erfahrung, aber wir trauten uns.

Das Schicksal der Pioniere Und wie das oft so ist bei gesellschaftlichen Entwicklungen: Diejenigen, die sie angestoßen haben, sind dann, wenn die Ideen groß werden und anfangen, Massenwirkung zu erzielen, nicht mehr dabei. Manchmal liegt das an den Pionieren selbst, an ihrem Selbstverständnis, Vorläufer zu sein, Wegbereiter, Avantgarde. Es gibt aber auch Eigenschaften großer Märkte und Kollektive (Gesellschaften), die dazu führen, dass die frühen Vögel keinen Wurm mehr fangen, geschweige denn die Ernte einfahren können. So wie die Pioniere der Naturkostbewegung

Die Massenwirkung handelt man sich ein mit einem Verlust

FLICKR.COM @ LAENULFEAN

Katalysator von Entwicklungen Inzwischen habe ich eine Menge Erfahrung (in dieser Sache, und auch in anderen), aber immer noch kein Geld. Die Zeitschrift ist klein geblieben, aber auf ihre Art an ihrer Stelle wirksam. Sie hat über die Jahre viele Themen im deutschen Sprachraum als erste in weiteren Kreisen bekannt gemacht, dazu gehören Tantra, die systemischen Aufstellungen, die Satsang-Bewegung, die Tiefenökologie. Sie hat als Katalysator gewirkt für Entwicklungen in Tausenden, vielleicht Zigtausenden von Individuen und in einigen gesellschaftlich wichtigen Subkulturen. Sie hat ein paar tausend ernsthaft Suchende – nach sich selbst und nach Auswegen aus diversen inneren und äußeren Krisen – auf ihrer Suche begleitet, so wie ein guter Freund einen begleitet, mal mehr lehrend, mal mehr lernend. Sie ist dabei gereift, sieht vieles jetzt nüchterner als in der Zeit des Enthusiasmus’ der Anfänge und ist trotzdem noch begeisterungsfähig – und begeistert. Und auch das: Der Markt hat sich verändert. Der Markt der angebotenen Seminare, Selbsterfahrungsmethoden, spirituellen Praktiken und Lehrer, und natürlich auch der Markt der Medien: der Zeitschriften, Bücher, Filme und Webseiten – und schließlich der Markt der Accessoires für einen spirituellen Lebensstil. Man spricht heute anders über diese Themen; die Jargons und Schlüsselwörter haben sich geändert. Was damals noch eine soziale Randgruppe war, ist es heute nicht mehr, oder viel weniger. Die Ideen, die Meme und Paradigmen, die damals noch etwas Besonderes waren, haben ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft angetreten.

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an Substanz

aber ihre Themen bewegen inzwischen den Mainstream. Mit der Zeitschrift Happinez hat nun auch einer der großen Verlage sich dieser Zielgruppe angenommen und verkauft dort – fast ausschließlich an Frauen – mehr als 100.000 Stück pro Ausgabe. Und wie bei Landlust und seinen Nachfolgern zeigt sich auch hier nun ein me-too-Produkt: Happy Way. Damit will nun auch die Mediengruppe Klambt an dem Geschäft teilhaben. Weitere werden folgen.

Alte Hasen auf der Wiese Das ist keine schlechte Entwicklung, wie ich in meinem Verlagsrundbrief Nr. 110 von Ende März schon geschrieben habe. Zeitschriften wie Happinez präsentieren der dafür aufgeschlossenen weiblichen Leserschaft spirituelle Themen in einer Weise, wie eine kleine Zeitschrift das nicht könnte: aufwändig layoutet, mit schönen Bildstrecken, in jeder Hinsicht grafisch und technisch professionell gemacht und mit berühmten Namen unter den Autoren – und höchst professionell vermarktet. Auch wenn solche Zeitschriften vielleicht nicht so viel Tiefgang haben und nicht so viel spezifische Kompetenz wie die alten Hasen auf der Wiese – die schweizerischen Spuren, die österreichischen Wege, Tattva Viveka, EnlightenNext, Integrale Perspektiven und andere. Dafür haben sie Qualitäten, die es Neueinsteigern leicht machen, sich zum Kauf zu entscheiden, wozu gewiss auch das Preis-Leistungsverhältnis gehört: ein schönes, umfangreiches Heft für einen recht günstigen Preis. Massentauglich. Und genau das wollten wir doch, wir Pioniere des Wassermannzeitalters: die Massen bewegen.

Verlust an Substanz

heute nicht beim Aldi unter den Einkaufsleitern der Bioware zu finden sind, sondern ihre Läden zumachen mussten, weil sie mit den Großen nicht mithalten konnten. Aus ganz verschiedenen Gründen konnten sie das nicht: mangelndes wirtschaftliches Knowhow, mangelnde Gewissenlosigkeit im Durchdrücken zweifelhafter Produkte, persönliche Ressentiments gegen »die Großen« oder die Unfähigkeit, sich selbst weiterzuentwickeln.

Spiritualität im Mainstream So ähnlich ist das auch im spirituellen Bereich. Es ist zwar noch kein Spiri Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes geworden, so wie Kretschmann von den Grünen jetzt in Baden-Württemberg regiert,

Allerdings erhandelt man sich die Massenwirkung normalerweise mit einem Verlust an Substanz. Das gilt für die spirituellen Produkte wohl noch mehr als für die Naturkostprodukte und die Meme der Öko-Bewegung. Die Themen verflachen dabei. Man will ja sehr viele damit erreichen und dabei auch keine Anzeigenkunden brüskieren. Im Falle von Happinez zielt der Verlag aus Gründen der Profilschärfe ausschließlich auf Frauen und aus Gründen der Anzeigenkundschaft auf Frauen, die sich die dort angebotenen Accessoires auch leisten können. Die Frage, ob eine Zeitschrift wie Connection Spirit auf einem solchen Markt noch einen Platz hat, ist in der Diskussion auf unserer Webseite connection.de schon angerissen worden. Dort hatte ich den Abonnenten unseres kostenlosen Verlagsrundbriefs mitgeteilt, dass wir bei mangelnder Resonanz unser Printmedium einstellen müssen: Wir brauchen 150 Abonnenten mehr, um als Printorgan weiterexistieren zu können.

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IN EIGENER SACHE

Gibt es für diese Zeitschrift auf dem heutigen Markt noch einen Platz?

ganda genügt, es bekannt zu machen. Dazu ist der Markt jedoch zu sehr überflutet, von zu vielem. Immerhin hat sich Connection 28 Jahre halten können, das ist eigentlich schon erstaunlich für ein Produkt, das ohne Werbung geboren wurde, ohne Kapital und ohne Know-how.

Stur wie Luther?

Nun wird »mit den Füßen abgestimmt« – oder vielmehr mit den Händen, die jetzt abonnieren oder darauf verzichten

Die Rolle der Marktmacht Warum hat Connection nicht den Markterfolg erreicht, den Happinez jetzt offenbar erreicht hat? Connection hat doch mehr Zielgruppenkenntnis, mehr inhaltliche Tiefe und hatte viele Jahre Zeit, ihre Leserschaft auszuweiten. Der Hauptgrund scheint mir zu sein, dass ein großer Verlag eine solche Zeitschrift durch seine größere Marktmacht viel leichter bis zur wirtschaftlichen Reife, zum break even (Kostendeckung) bringen kann. Also ein ähnliches Argument wie das, warum die Naturkostläden gegen die BioProdukte bei Aldi, Lidl und Penny nicht gegenhalten können.

Und noch einen Grund möchte ich nennen. Obwohl ich Luthers berühmten Auftritt 1521 auf dem Reichstag zu Worms (»Hier stehe ich, ich kann nicht anders« soll er dort gesagt haben) stur und kompromisslos finde, gibt es Dinge, die ich nicht tun kann und Positionen, die ich nicht vertreten kann. Ich könnte keine Zeitschrift machen, die aus Gefälligkeit oder aufgrund einer vermuteten Marktgängigkeit Positionen bezieht, die ich nicht zutiefst für richtig halte. Das macht es natürlich schwierig, mit einer Zeitschrift Erfolg zu haben, die nicht subventioniert ist, keine Mitgliederzeitschrift ist von einem Verein oder Verband und auch nicht von einem Kapital leben kann, das ich oder sonst wer geerbt hat. Connection ist ausschließlich vom Markt abhängig. Wenn sie nicht gekauft wird, wird es sie nicht mehr geben.

Wozu ich stehen kann Ich leide an vielem, aber nicht an der Schamanenkrankheit, und ich kann auch nicht sagen, dass sie mich einholen würde, wenn ich ein Produkt machen würde, das statt Spiritualität »Popspiritualität« verkauft – so wie

einst aus echtem Jazz und echtem Rock »Popmusik« wurde, aus Gründen, die ebenfalls mit der Größe des Marktes zu tun haben. Und doch würde es mir das Herz brechen, eine Zeitschrift machen zu müssen, wie Happinez eine ist (obwohl: die ginge vielleicht noch), Happy Way, New(s)Age oder manch andere – ich würde dabei krank. Dabei bin auch ich ein unsicheres, sich bewegendes Wesen, immer und in allem, was ich tue und denke. Und ich habe mich entwickelt. Connection ist erst über die Jahre zu »meiner« Zeitschrift geworden. Zu Anfang dachte ich bei den diversen Inhalten meist: Vielleicht hat der oder die oder die oder der recht, warum sollte ausgerechnet ich richtig liegen. Dabei habe ich viele Menschen und Standpunkte kennengelernt, es war eine unendlich reichhaltige Zeit der Lehre, die mich weit hinaus geführt hat über meine ersten Lehrer Buddha und Osho. Und auch jetzt lerne ich noch gerne von anderen, bin aber nicht mehr, so wie damals, erschütterbar durch Menschen, die selbstsicherer auftreten als ich.

Kritisch beobachten Connection stand über die Jahre immer zwischen zwei Seiten. Einerseits war da der Mainstream, der dachte, dass ich da was sehr Abseitiges mache, etwas Esoterisches, und dass man sich (hahaha) mit Esoterik »eine goldene Nase« verdient (weil die ja so blöd sind, so leichtgläubig). Auf der anderen Seite standen die Esoteriker selbst, die mir verübelten, dass ich nicht an Magie glaube, esoterische Devotionalien inklusive Herzkitsch 28 Jahre mit ihr – und jetzt allein weiter?

Ressourcen fürs Produkt

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FLICKR.COM @ QUINN ANYA

Es gibt aber noch andere Gründe. Dazu gehört, dass es mir immer schwer fiel zu akzeptieren, dass unser Wirtschaftssystem den größten Anteil der Ressourcen für ein neu erscheinendes Produkt fürs Marketing vorsieht, nicht für das Produkt selbst. In meiner entzückenden Naivität glaubte ich viele Jahre lang, dass man nur eine gute Zeitschrift machen müsse, dann würde man vom Leser schon entdeckt. Das kann ich heute eine Jugendtorheit nennen. Aber es war so: Ich habe wirklich geglaubt, dass ein gutes Produkt schon irgendwie gefunden wird, und dass Mundpropa-

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IN EIGENER SACHE

FLICKR.COM @ MUSCHELSUCHER

… und bewerten Einige meiner Leser haben mir vorgeworfen, dass ich Mainstreamprodukte wie Happinez und Happy Way kritisch bewerte. Diese Kritik kommt mir vor wie die der damaligen Psychologie am frühen Freud, an seiner Libido-Theorie und der starken Rolle, die er der Sexualität gab im Rahmen der Triebe und Motive der menschlichen Seele. Für die damalige bürgerliche Psychologie war Sex einfach pfui, so wie das Bewerten für die Spiris von heute pfui ist: Das tut man einfach nicht, das ist unspirituell! Die spirituell korrekten Esos von heute sehen alles wertfrei, so wie das viktorianische Zeitalter die Welt sexfrei gesehen hat, obwohl man doch wusste, dass es ›noch‹ Kulturen gibt – niedere –, die Sex so praktizieren wie die Tiere. Und so gibt es auch heute noch unspirituelle Menschen so wie mich, die werten, und die sogar, in unbedachten Momenten, auch mal abwerten. Obwohl auch die Spiris Eier aus Hühner-KZs verabscheuen, MacDonalds-Essen und Priester, die sich an Kindern vergreifen. Das eben Genannte ist ja auch tatsächlich nicht gut, und anderes wiederum ist sehr, sehr gut. Deshalb Leute, lasst uns mit dem Abwerten des Bewertens aufhören. Es ist gut, werten zu können! Wir sollten diese Fähigkeit schätzen und sie in uns fortbilden und dabei darauf achten, wo wir sie einsetzen und wo nicht – wir brauchen also auch eine Meta-Bewertung, eine Bewertung der Bewertung. Möge auch diese gut sein, intelligent eingesetzt, durch Erfahrung gereift – und möge sie kritisierbar sein, bewertbar. Und möge es Räume geben, die wir lieben, schätzen und pflegen, in denen wir nicht werten: in der Meditation, im Akt der Liebe, oft

www.connection.de · Mai-Juni 5-6/2013

auch im Helfen und in vielem von dem, wie wir mit Kindern sind.

gos Idee, dass nichts so stark ist wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.

Wie man erfolgreich wird

Verpasste Chance

Unter den erfolgreichen spirituellen Autoren und spirituellen Lehrern sind erstaunlich viele Leute aus dem Marketing oder dem Fernsehgeschäft, die im Lauf ihrer Karrieren dort gelernt haben, wie man die Massen bewegt. Das zu können ist wertvoll. Dazu muss

Hätte ich in diesen 28 Jahren vor allem Geld verdienen wollen, dann hätte ich mich als Existenzgründungsberater für spirituelle Lehrer selbstständig gemacht, oder als Coach für angehende Heilpraktiker und Lebensberater, weil ich genau die ja vor meinen Augen zu Hunderten habe scheitern sehen. Kaum 10 % von ihnen kann man nach normalen ökonomischen Kriterien als erfolgreich bezeichnen. Was aber noch nichts über die Qualität des Lebens der 90 % aussagt und nichts über die Qualität ihrer Wirkung, die kann durchaus höher sein als die der 10 % »Erfolgreichen«.

Connection ist ausschließlich vom Markt abhängig. Wenn sie nicht gekauft wird,

Massenartikel mit Tiefgang

wird sie nicht

Es gibt ein paar Produkte, die Tiefgang haben und trotzdem Massenartikel geworden sind: die Songs der Beatles, die Gedichte von Rumi, das Gedicht »Stufen« von Hermann Hesse und seine Geschichte von »Siddharta«. Ebenso auch viele der Rilke-Gedichte (keineswegs alle), »Der Prophet« von Kahlil Gibran, das Daodejing und einige der Klassiker der Nationen und Kulturen. Zweifellos ist auch das Herzsutra von Buddha mit dabei, das millionenfach zitierte – wie so vieles Heilige wird es von den meisten seiner Fans einfach heruntergebetet, ohne ernst genommen zu werden, geschweige denn verstanden zu sein.

mehr erscheinen

Vertriebsleiter gesucht

man sich zwar in den meisten Fällen ein bisschen selbst verleugnen – was auch wieder eine Kunst ist, die man kaum hoch genug einschätzen kann. Und man muss bereit sein, mit den Moden des Zeitgeistes mitzugehen, egal wie dumm, widersinnig, naturschädigend, Tiere verachtend oder ressourcenvergeudend die sind. Das Bejubeln der aktuellen Sau, die gerade durchs Dorf getrieben wird, wird ja auch in den Spiri- und PsychoSzenen hoch geschätzt – die Frühjahrs- und Herbstmoden im Bereich von Diäten, Ernährungsweisen, Therapieformen und Psychotypenkategorisierungen. Man bekommt dabei das gute Gefühl, mit dazu zu gehören, als Teil einer großen Bewegung, und außerdem stark zu sein – so stark wie Victor Hu-

Die eben schon erwähnte Abo-Aktion von uns ist gut angelaufen. Ich denke, dass die jetzt, bei Abgabe dieses Textes, noch fehlenden gut hundert Abos noch zusammenkommen werden. Eines aber brauchen wir außerdem noch: einen Menschen, der bei uns mit Herzblut und Kompetenz die Vertriebsaktivitäten in die Hand nimmt und das koordiniert, was wir bisher hierzu schon jetzt tun – und es erweitert. Ein Jobangebot hier im redaktionellen Text versteckt??? Ja, weil die »Gemeinde« der Connection-Fans im engeren Sinne nicht so groß ist, und es muss wohl jemand aus diesen Kreisen sein. Ein kreativer Mensch mit Vertriebstalent, der für ein bescheidenes Honorar oder Gehalt bei uns diese anspruchsvolle Aufgabe übernimmt. Vielleicht »will« diese Zeitschrift ja wirklich weiterhin existieren. Vielleicht soll sie es. Und nicht nur als E-Reader (das kommt sowieso), sondern auch als Printobjekt: edel, anspruchsvoll, teuer (9 € , das behalten wir bei) und für die wirklich an solcher Tiefe und Wahrhaftigkeit Interessierten ein unentbehrlicher Begleiter auf dem spirituellen Weg.

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nicht mag und alle diese Engel- und Wünschdir-was Philosophien mich nicht antörnen, und dass ich bei aller Hingabe an das Wesentliche ein doch kritischer Beobachter der verschiedenen spirituellen Subkulturen geblieben bin. Trotz meiner prinzipiellen Skepsis und meines wissenschaftlichen Denkens habe ich immerhin dieses unter den esoterischen Prinzipien wirklich ausprobiert: Wer mit vollen Händen und aus vollem Herzen gibt, wird ein Vielfaches davon zurück erhalten. Das stimmt so nicht. Es ist ein bisschen komplizierter. Wahrscheinlich sollte man besser Marketing studiert haben anstatt Philosophie, damit sich das realisiert, und dann muss man bereit sein, 80% aller Ressourcen ins Marketing zu stecken und höchstens 20% ins Produkt, und nicht, so wie ich, es umgekehrt machen. Wer einfach nur ein gutes Produkt macht und erwartet, dass es gefunden und gekauft wird, ist in unserem heutigen Wirtschaftssystem verloren.

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