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Leidenschaft für das Erzählen

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Die Zauberflöte

Die Zauberflöte

Herr Homoki, das Opernhaus hat die Saison 2023/24 veröffentlicht. Unter welcher Überschrift lässt sich die Spielzeit denn zusammenfassen? Unser Programm ist so vielfältig, dass es schwerfällt, eine einzige Überschrift zu finden. Wir folgen in unserer Spielplankonzeption ja immer unterschiedlichen Programmlinien. Das ist bei unserer hohen Produktivität von neun neuen Opern und drei neuen Ballettabenden pro Saison ja geradezu eine Verpflichtung. Wer sich etwa für Opern im italienischen Repertoire des 19. Jahrhunderts interessiert, wird bei uns immer etwas Neues finden, genauso wie die Fans des Barockrepertoires oder diejenigen, die sich gerne von etwas Ausgefallenem überraschen lassen. Es gibt allerdings zwei Themen, die 2023/24 herausragen: Unsere neue Ballettdirektorin Cathy Marston beginnt ihre Arbeit in Zürich und zeigt ihre erste Spielzeit. Ausserdem schliessen wir unser Grossprojekt, die Neuinszenierung von Richard Wagners Ring des Nibelungen, mit der Götterdämmerung ab und führen den kompletten Ring dann im Mai 2024 zweimal als Zyklus auf.

Was waren die Kriterien, nach denen Sie eine Nachfolgerin für Christian Spuck gesucht haben?

Wir wollten eine starke Künstlerin, und wir wollten, dass sich die Compagnie auf ihrem unter Christian eingeschlagenen Weg weiterentwickelt. Das Ballett Zürich steht für die grosse Form, für Emotionalität und Vielfalt der choreografischen Handschriften. Und Cathy teilt mit mir die Leidenschaft für das Erzählen von Geschichten. Sie wird neue künstlerische Akzente setzen, das kann man an den Stücken ihrer ersten Spielzeit schon sehr gut ablesen. Sie lädt neue Choreografinnen und Choreografen nach Zürich ein, sie bringt beispielsweise mit Strawinskys Les Noces einen Ballettklassiker in einer Rekonstruktion von Bronislawa Nijinska, der Schwester von Vaslav Nijinsky, auf die Bühne, und sie selbst stellt sich mit einer abendfüllenden Uraufführung vor, die auf dem erfolgreichen Gegenwartsroman Abbitte des irischen Schriftstellers Ian McEwan basiert. Cathy hat nämlich ein grosses Faible für literarische Stoffe. Ich freue mich auf die neuen Impulse, die sie unserer Compagnie geben wird.

Sie haben den Ring, den Sie als Regisseur gemeinsam mit dem Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda schmieden, als einen weiteren SaisonHöhepunkt genannt. Wie sehr beeinflusst er die Gesamtplanungen? Muss da anderes zurückstecken? Nein, weil wir die vier Teile auf drei Spielzeiten verteilt haben. Man spürt, dass der Ring eigentlich nicht für ein Repertoiretheater gedacht ist. Wagner hat die Einzigartigkeit dieses Werks ja immer betont, etwa mit seiner ver rückten Fantasie, man möge das Theater nach der Ring­Uraufführung abreissen. Von daher wird es immer eine knifflige Aufgabe bleiben, die Tetralogie in einen Repertoirebetrieb zu integrieren. Andererseits habe ich im Moment das Gefühl, nur mit ausreichend Probenzeit und Vorstellungsserien für jedes einzelne Werk, so wie wir es hier in Zürich haben, kommt man zu der musikalischdramatischen Qualität, die ein Ring verdient. Die anderen Neuproduktionen werden in der Saison 2023/24 aber auf keinen Fall hinter Wagner zurückstehen. Immerhin präsentieren wir eine neue Carmen, haben mit Jean­Philippe Rameaus Platée und Orfeo von Claudio Monteverdi gleich zwei Barockwerke im Programm, zeigen mit La rondine eine selten gespielte Puccini­Oper und leisten uns mit der Oper Amerika von Roman Haubenstock­Ramati die Aufführung einer Gegenwartsoper, die den konventionellen Rahmen von Musiktheater vollkommen aus den Angeln hebt.

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