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Funkenflug in der Schmiede

Vor der Schmiedeszene in Siegfried hatte ich tatsächlich ein wenig Angst: In dieser Szene wird zunächst ein gebrochenes Schwert in Späne geraspelt, dann eingeschmolzen, in eine neue Form gegossen, aus der Form genommen und im Wasserbecken gehärtet, dann wieder erhitzt und schliesslich geschmiedet. Wieso ich vor so etwas Angst hatte? Weil unser Regisseur Andreas Homoki dort, wo er einen Drachen wollte, einen Drachen bekommen hat, den selbst Experten als veritablen Drachen durchgehen lassen. Weil Andreas dort, wo er einen glühenden Felsen brauchte, auch diesen bekommen hat... Und weil, wenn ich Andreas ein rot leuchtendes Plexiglasschwert zum Schmieden gebe, dieses beim ersten Hammerschlag zerspringt.

Alle, die es schon mal gemacht haben, wissen: Ein Schwert zu raspeln, ist nicht trivial. Das muss nach Metall klingen, da müssen Späne fliegen. Wenn Sie aber ein Schwert über eine Raspel ziehen, passiert gar nichts. Zumindest nichts, was für das Publikum aus zwanzig Metern Entfernung sichtbar wäre.

Unsere Requisite fand die Lösung: Unter die Stahlklinge des Schwerts wird ein Streifen Magnesium befestigt. Der Effekt ist gross: Siegfried reibt das Magnesium über die Raspel, und die Funken fliegen wie bei einer riesigen Wunderkerze. Das sieht man sogar aus hundert Metern Entfernung!

Siegfried raspelt das Schwert in einen Gusskessel. Diesen stellt er auf die Glut: Im Takt wird der Blasebalg betätigt, und Feuerstösse kommen aus der rot leuchtenden Glut. Rot zu leuchten ist einfach: mit eingebautem LED-Licht. Die Feuerstösse erzeugt ein Requisiteur, der hinter der Esse versteckt ist und Blütenstaub in eine kleine Flamme bläst. Das gibt jedes Mal eine zwei Meter hohe Stichflamme. Der Kessel wird mit der Zeit rotglühend und dann von Siegfried mit einer langen Zange von der Esse genommen. Das ist auch wieder einfach: Das Gussgefäss ist aus einem transparenten Material gebaut, und mittels Akku und LED leuchtet das Gefäss rotglühend. Dazu noch Nebel aus einer kleinen eingebauten Nebelmaschine und ein paar blitzende LED im Inneren. Das sieht so echt und heiss aus, dass selbst ich Abstand halte von dem Teil. Da wir kein glühendes Metall haben, hat Andreas den Gussvorgang so inszeniert, dass Siegfried den Kessel direkt an die Gussform setzt und man das nicht vorhandene flüssige Metall nicht sieht. Es scheint aufgrund des glühenden Kessels und des Nebels dennoch absolut echt.

Danach wird die Gussform zerschlagen, und der Rohling aus Metall kommt heraus. Die Gussform ist tatsächlich aus Gips hergestellt und wird für jede Vorstellung neu gegossen; der Rohling aus Stahl ist immer der Gleiche. Der Rohling wird von Siegfried in eine Wanne geworfen, und viel Nebel aus einer Nebelmaschine in dieser Wanne vermittelt das Abschrecken im Wasser. Nun wird der Rohling in die Esse geschoben: Feuerstösse und Glut vermitteln grosse Hitze. Und wenn Siegfried mit dicken Lederhandschuhen den Rohling zum Schmieden herauszieht, glüht dieser hellrot. Dies ist die Meisterleistung der Requisite! Sie hat einen zweiten Rohling mit einer nachleuchtenden roten Farbe überzogen. Nachleuchten bedeutet: Wenn man diese Farbe hellem Licht aussetzt, leuchtet sie im Dunkeln eine Zeitlang nach. Dieser zweite Rohling liegt während der ganzen Schmiedeszene in der Esse in einem extrem hellen Lichtkanal und wartet auf seinen Auftritt: Wenn Siegfried ihn dann rauszieht, leuchtet er rotglühend. Auf diesen Rohling hämmert er dann ein. Da brauche ich für einmal keine Angst zu haben: Die Farbe hält, es sieht richtig echt aus und klingt auch so. Eine Riesenlob an unsere Requisiteurinnen und Requisiteure!

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