WHITECHAPEL
Foto: Karo Schäfer (cateyephotography.com)
DIESELBE GESCHICHTE, NEUES KAPTIEL. WHITECHAPEL, die mit ihrem unvergleichlichen Stil seit jeher das Genre des
Death Metal prägen, schlugen mit ihrem letzten Album „The Valley“ einen noch düstereren und tiefgründigeren Weg ein. Während Sänger Phil sein Kindheitstrauma in textlicher Form aufarbeitete, trauten sich die sechs Musiker aus Knoxville auch musikalisch, neue Pfade zu beschreiten. Ihr kommendes Album „Kin“ trägt dies weiter und führt Hörerinnen und Hörer tiefer in ein semi-fiktionales Narrativ aus Depression, Trauma und Dunkelheit, aber auch Hoffnung und Neuanfang, wie uns Phil Bozeman erzählt.
E
uer neues Album trägt den Titel „Kin“. Das vorherige Werk „The Valley“ handelte ebenfalls von Verwandtschaft und war stark von Kindheitserinnerungen geprägt. Ist „Kin“ eine Art Fortsetzung? Ja, es ist quasi „The Valley“ Teil zwei. Im Schreibprozess haben wir das Album sogar oft so genannt, weil die Songs eine ähnliche Stimmung bei uns erzeugten. Dementsprechend sollte man „Kin“ definitiv als eine Fortsetzung ansehen. Es ist dieselbe Geschichte, nur ein anderes Kapitel. „The Valley“ war eine fiktionale Erzählung, inspiriert von realen Ereignissen. Ich nehme an, bei „Kin“ ist es ähnlich? Genau. Die Inhalte basieren auf non-fiktionalen Dingen, wobei wir daraus eine fiktionale Geschichte konstruiert haben. „Kin“ ist genauso wie „The Valley“ eine Art Storytelling-Album, das sich trotz der realen Hintergründe natürlich hier und da eine gewisse künstlerische Freiheit nimmt, um die Dramaturgie zu erhöhen. Alle Songs sind aber in einer festen Reihenfolge und bauen inhaltlich aufeinander auf. Auf dem Cover von „Kin“ sieht man zwei Köpfe, die sich symmetrisch gespiegelt ansehen. Wie fügt sich das in die Bedeutung des Albums ein? Die inhaltliche Prämisse des Albums ist, dass mir mein böses Ich in das nächste Kapitel meines Lebens gefolgt ist. Die beiden Gestalten auf dem Cover sollen im Grunde mich
selbst repräsentieren. Sie zeigen das Gute und das Böse in mir und wie beide Seiten irgendwie gleich und doch komplett entgegengesetzt zueinander sind. Aber eigentlich möchte ich die Thematik und das Album nicht nur auf mich beziehen; es gibt ganz bestimmt viele Menschen, die die Lyrics auf ihr eigenes Lebens übertragen können und sich darin wiedererkennen. Meine Vergangenheit eignet sich dabei einfach als gute Grundlage, um die Botschaft zu vermitteln. Du hast ja bereits auf „The Valley“ Clean Vocals genutzt und das rückt auf „Kin“ sogar noch mehr in den Vordergrund. Was hat dich veranlasst, solch eine WHITECHAPEL-untypische Komponente zu nutzen? Wir wollten einfach mehr Melodie auf „The Valley“ und „Kin“ haben, um diese sehr spezielle Atmosphäre so gut wie möglich rüberbringen. Als wir es auf dem vorherigen Album dann letztendlich so sehr genossen haben, nahmen wir uns vor, es nun einen Schritt weiterzuführen und manche Songs sogar fast ausschließlich clean zu singen. Trotzdem wollten wir dieses zugegebenermaßen sehr neue Element langsam in unsere Musik integrieren und nicht direkt eine stilistische Kehrtwende vollführen. Also würdest du sagen, dass Clean Vocals ein besseres Instrument sind, um die Botschaft des Albums zu transportieren?
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