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PAINKILLER PARTY

Foto: J. Grawonski

SEX VS. GEWALT. Die Mindener Band um Sängerin Josefine polarisiert auch auf dem zweiten Album „It’s Never Too Late To Have A

Happy Childhood“. Pornografische Texte, von einer Frau, und dann auch ausschließlich als tiefe Growls? Über feministische Fortschritte und Doppelmoral.

V

or dem Hintergrund wie Bands SPIRITBOX oder JINJER, wird es da mittlerweile normaler, wenn Frauen in Bands nicht nur singen, sondern eben auch schreien? Ich glaube, dass die Leute Screams weniger über­ raschen als Growls, denn diese Tiefe wird von Frauen weniger erwartet als die Höhe. Ich finde, es ist aber auch ein schwieriges Thema. Denn dass es da mehr Frauen gibt, die das machen, liegt auch an einem gewissen Bild, welches da transportiert wird. Da sehe ich auch ein Problem. JINJER haben ja in den ersten Jahren nicht wirklich viel Anerkennung bekommen, sondern erst seit kurzem. Und es wird immer betont: Die kann krasse Growls, aber die kann auch klar sin­ gen! Wenn man aber eben nur den gutturalen Gesang macht und nicht noch klar singt, dann hat man es wie­ der schwerer. Es wird zwar gefördert, dass Frauen das auch machen und können, aber es wird ein bestimm­ tes Bild bevorzugt. Es sind immer Frauen, die konven­ tionell aussehen, lange Haare, geschminkt, Korsage. Es ist immer das gleiche Bild, die machen auch immer noch Klargesang. Da wird ja immer noch das bedient, was auch als weiblich wahrgenommen wird. Wenn man dann aber in allen Belangen nicht diesem Bild ent­ spricht, nur gutturalen Gesang macht, wenn man da auch nicht dem äußerlichen Bild folgt, dann ist man in der Kategorie „Mann“ und dann ist es auch nicht so interessant, dass man eine Frau ist, die das macht. Es spielt nicht wirklich das Geschlecht eine Rolle, sondern das, was man damit verbindet.

In Reaction-Videos von JINJER oder SPIRITBOX wird auch häufig erwähnt, wie gut diese Frauen aussehen. Bei ARCH ENEMY ist das ja auch ein Thema. Als Angela damals noch dort gesungen hat, hat das schon viel Anerkennung bekommen, aber sie wurde auch oft als sehr männlich wahrgenommen. Was ich jetzt gar nicht finde. Und bei ihrer Nachfolgerin heißt es auch immer, wie gut die aussieht. Alissa bekommt damit mehr Aufmerksamkeit, obwohl, wie ich finde, Angela da die bessere Sängerin war. Das ist bestimmt auch eine Geschmacksfrage, aber Angela war die kompetentere Sängerin. Trotzdem wird Alissa stärker zelebriert, weil sie konventioneller aussieht. Sexualität ist ein Thema, das bei euch in der Band offen behandelt wird, was ja auch nicht jeder so nachvollziehen kann, wenn man sich die Kommentare bei euch so ansieht. Das hatten wir tatsächlich ziemlich unterschätzt. Für mich war immer klar, dass das Satire und Spaß ist, aber qualitativ gute Musik. Das bringen aber nicht alle zusammen. Wenn du keine schwergewichtigen The­ men hast, dann ist auch die Musik nicht komplex und überzeugend. Ich wusste auch, dass wir mit dem Thema polarisieren, es gab bisher viel positives und negatives Feedback, aber nichts dazwischen. Immerhin haben wir jetzt mit dem zweiten Album doch Leute, die das cool finden, und hoffentlich geht das in dieser Richtung jetzt auch weiter.

Wird das anders wahrgenommen, weil du eine Frau bist, die diese Texte singt? Das liegt auch wieder an dem, was ich eben sagte: Ich sehe eben nicht aus, wie die typische Frau. Wenn da Bands wie BUTCHER BABIES auf der Bühne stehen, wo die Sängerinnen aussehen wie Pornostars, dann fin­ den das alle toll. Ich entspreche dem Bild aber nicht, dafür sieht unser Drummer recht feminin aus, das passt alles nicht. Da gibt es keinen prototypischen Porno­ star am Mikro und der Rest sind so Kerle. Das bedie­ nen wir nicht, und damit ecken wir auch ziemlich an. Da wird nicht biologisch, sondern soziokulturell zwischen Mann und Frau unterschieden, was damit eben kon­ notiert ist. Ich weiß ja, wie Menschen auf mich reagie­ ren, ich weiß ja, wie ich aussehe. Mit dem krassen Maß an Hass habe ich jetzt nicht gerechnet, aber dass das polarisiert, war mir schon klar, gerade in Sachen Porno. Da leiste ich aber einfach Aufklärungsarbeit. Gewalt ist dagegen völlig normalisiert, gerade auch in der harten Musik. Es ist völlig okay, wenn jemand singt, wie er seine Ex-Freundin abschlachtet, das wird gar nicht hinter­ fragt, das ist das Genre, das ist so. Aber wenn ich dann singe, wie das Sperma von dem einen in den ande­ ren geht, und wie alle Spaß haben, das ist dann ver­ pönt. „Wie kann man über so was singen?“ Das eine ist was Natürliches, was wir alle machen, und das andere sind explizite Gewaltvorstellungen. Die sind okay, aber meine Kunst ist nicht okay? Da sehe ich einen Fehler in der Gesellschaft. Dennis Müller

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