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PASTA! MACHT ERBSENEINTOPF
WAS STECKT IN DEM DEUTSCHEN KLASSIKER?
Erbseneintopf ist ein urdeutsches Gericht, ja ein Paradebeispiel für die bürgerliche Hausmannskost. Ein Stück Heimat eben. Obgleich der Mensch schon vor zehntausenden Jahren seine Mahlzeiten mehr oder weniger grundsätzlich als Eintopf zubereitete –und mit Sicherheit auch schon vor vielen Jahrhunderten eine Art von Erbseneintopf über mancher Herdstelle brodelte –handelt es sich bei dem, was sich heute unter dem Oberbegriff Eintopf versammelt, tatsächlich um eine deutsche Erfindung. Denn der Eintopf ist ein Kriegskind, das während des Ersten Weltkriegs das Licht der Welt erblickte. Seinerzeit mussten nicht nur an der Front, sondern ebenso in den notleidenden Städten die Lebensmittel aufgrund zunehmender Versorgungsschwierigkeiten rationiert werden. Und so waren es vor allem die Hauswirtschafterinnen und Praktiker der Ernährungspolitik, die das Wort Eintopf prägten und der rationellen Idee eines in einem einzigen Kochgeschirr hergestellten Gerichtes Vorschub leisteten. Vor allem im Norden Deutschlands fungierten Eintöpfe als unverzichtbare Alltagsspeise; es fehlte allerdings noch der passende Sammelbegriff. Das änderte sich rapide, als die Ernährungspolitik den Mehrwert dieser Art der Volksküche erkannte. Die Agrarwissenschaftlerin Gertrud Dyhrenfurth konstatierte 1916 in ihrer Broschüre „Das Vaterland und die deutschen Hausfrauen“: „Die sogenannten Eintopfgerichte haben soviele Vorzüge, daß sie unbedingt überall bekannt und eingeführt werden sollen.“
Im Schwäbischen Kriegskochbuch von Luise Hainlen hieß es 1916 entsprechend: „Die Eintopf- oder Mischgerichte, unter Verwendung von wenig Fleisch und Fisch, die in Norddeutschland schon lange heimisch sind, verdienen in Kriegszeiten besondere Beachtung. Erhebliche Ersparnis an Kochgeschirren erleichtert die Küchenarbeit, die Möglichkeit, die Gerichte in der Kochkiste oder auf der Grude zuzubereiten ermöglicht der Hausfrau manche Morgenstunde zu anderer gewinnbringender Arbeit.“ Es zeigte sich jedoch rasch, dass die Vorzüge dieser Gerichte der Bevölkerung besonders im Süden Deutschlands nur schwer zu vermitteln waren. Dessen ungeachtet konnten die im gesamten Deutschen Reich aus dem Boden schießenden Kriegsküchen und Massenspeisungseinrichtungen gar nicht anders, als den Empfehlungen der Hauswirtschafterinnen Folge zu leisten: Eintöpfe waren einfach und günstig in der Zubereitung, ließen sich in riesigen Mengen herstellen und machten satt. Was wollte man mehr? Höhere Ansprüche hatte niemand zu stellen.
IM EINTOPF MANIFESTIERTE SICH DER SOZIALE ZUSAMMENHALT.
Allem Widerstreben zum Trotz setzte sich der Eintopf in den 20er Jahren daher auch südlich der Mainlinie durch – nicht zuletzt infolge der Massenarbeitslosigkeit während der Weltwirtschaftskrise, als öffentliche Armenküchen und sogenannte Notstandsspeisungen abermals Hochkonjunktur hatten. Das Gebot der Stunde hieß Solidarität – und der Zusammenhalt manifestierte sich in dieser erneuten Notlage in den Eintöpfen, die landauf, landab an alle Schichten der Bevölkerung ausgegeben wurden. Gleichzeitig etablierte sich der Eintopf in den studentischen Mensen als Grundnahrungsmittel – kokettierte man doch mit der Idee, die temporäre Not des Studentendaseins sei nach erfolgreichem Abschluss ohnehin überwunden. Doch nicht nur die Studentenküche avancierte mehr und mehr zum Synonym für Eintopf; auch auf Ferienschiffen und bei Schulspeisungen galt dieser als solides Mahl und traf auf zunehmende Akzeptanz.
So war es kein Zufall, dass die propagandistische Besetzung des Begriffs Eintopf durch die Nazis nicht lange auf sich warten ließ. Bereits kurz nach der Macht- ergreifung 1933 stieg die Verwendung des Wortes Eintopf in der NS-Propaganda rapide an. Man muss allerdings festhalten, dass das Wort Eintopf kein Naziwort war, sondern schon wesentlich früher in die deutsche Kochgeschichte Eingang fand. Die Nazis missbrauchten die Idee dieses Gerichtes aber für Ihre propagandistischen Zwecke. Der Eintopf wurde von ihnen als Sinnbild für Zusammenhalt und Solidarität symbolisch aufgeladen, was schließlich in der Einführung der sogenannten Eintopfsonntage gipfelte.
ZWIEBELN IN BUTTER ANGESCHWITZT, BIS SIE LEICHT FARBE ANNEHMEN.
STANGENSELLERIE UND KAROTTEN WERDEN EBENFALLS KURZ ANGESCHWITZT, DANN FOLGEND DIE KLEINGESCHNITTENEN KARTOFFELN.
WER EINEN BESONDERS HERZHAFTEN UND WÜRZIGEN GESCHMACK ERZIELEN MÖCHTE, KANN DIE GESCHNITTENE WURSTEINLAGE GLEICH ZU ANFANG MIT IN DEN TOPF GEBEN UND BIS ZUM ENDE MITGAREN.
Der Eintopfsonntag
BRACHTE DEN EINTOPF IN ALLE DEUTSCHEN HAUSHALTE.
Deren Sinn lag dabei in der finanziellen Unterstützung des eben zuvor gegründeten Winterhilfswerks des Deutschen Volkes (WHW): einer Stiftung, die für die Wohlfahrt bedürftiger Volksgenossen zuständig war und auch Armen- und Massenspeisungen durchführte. Die Bevölkerung sowie die Restaurants waren auf Anordnung der Reichsregierung angewiesen, jeweils am ersten Sonntag des Monats zwischen Oktober und März nur einfache Eintopfgerichte zu verzehren bzw. anzubieten, deren Preis pro Kopf eine halbe Reichsmark nicht überschreiten sollte. Der Differenzbetrag zum höheren Preis einer sonst üblichen Sonntagsmahlzeit (Sonntagsbraten), die von der Obrigkeit mit rund 50 Pfennigen veranschlagt war (de facto aber oft höher lag), sollte dem WHW gespendet werden. Um der Forderung nach Solidarität mit den Bedürftigen Nachdruck zu verleihen, kassierten von Tür zu Tür gehende Blockwarte der NSDAP und Mitarbeiter der NSVolkswohlfahrt (NSV) den Differenzbetrag – sodass kaum jemand wagte, diese Spende zu verweigern. Auf diese Weise kamen im Winter 1935/36 knapp 31 Millionen Reichsmark zusammen, die vor allem auch den Sozialhaushalt des Regimes entlasteten. Gleichzeitig fanden an den Eintopfsonntagen in größeren Städten von der NSV organisierte Gemeinschaftsessen auf öffentlichen Plätzen statt. Diese dienten nicht allein dazu, ärmeren Bevölkerungsschichten zu einer billigen warmen Mahlzeit zu verhelfen – es nahmen stets auch Repräsentanten der NSDAP teil. Die solidari- sche Volksgemeinschaft sollte im Sinne eines Sozialismus der Tat gefördert werden. Sogar Adolf Hitler persönlich nutzte die Volkstümlichkeit der Hausmannskost, um durch öffentliches Eintopfessen eine scheinbare Gleichsetzung von Volk und Führer zu demonstrieren. Parallel dazu erschienen in den Zeitungen regelmäßig neue Eintopfrezepte, flankiert vom Debüt des ersten deutschen Eintopf-Kochbuchs der ebenso umtriebigen wie fleißigen Köchin und Hauswirtschafterin Erna Horn. 1904 in München geboren, avancierte sie später, in den 50er und 60er Jahren, zu einer der bekanntesten Kochbuchautorinnen Deutschlands. Wie es der Zufall will, unterhielt sie ihre Versuchsküche und ihren Verlag aber nicht etwa in einer deutschen Metropole, sondern in dem kleinen, verschlafenen Dorf Buchenau im Bayerischen Wald, wo sie 1942 zusammen mit ihrem Mann das gleichnamige Schloss erwarb.
Von hier aus veröffentlichte Erna Horn zahllose Kochbücher sowie Ratgeber für die deutsche Hausfrau – und wurde sogar die erste Sprecherin des Bayerischen Rundfunks. Für ihre Leistungen erhielt sie 1978 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Ihre riesige, mehr als 2.700 Bände umfassende Kochbuchsammlung übernahm nach ihrem Tod übrigens der niederbayerische Reiseunternehmer Georg Höltl (Hotel Wilder Mann Passau/ Rotel Tours). Wer hätte gedacht, dass die Geschichte der Autorin des ersten Eintopf-Kochbuches trotz der nordischen Herkunft dieses Gerichts so eng mit unserer Region verbunden ist?
Doch nun zurück zu unserem Erbseneintopf, dessen Verbreitung vor allem den Maßnahmen zur Hungerbekämpfung während des 1. und 2. Weltkriegs sowie den wirtschaftlich unsicheren Zeiten während der Weltwirtschaftskrise zu verdanken ist. Dieses einfache, aber nahrhafte Gericht hat es in den Olymp der deutschen Hausmannskost geschafft – vollkommen zu Recht, wie wir meinen. Denn beim Verzehr desselben stellt sich schnell eine gewisse Heimeligkeit ein, das gute Gefühl, zu Hause zu sein. Letzteres stellt sich übrigens auch dann ein, wenn man nie Bundeswehrsoldat war (der Erbseneintopf soll für viele ehemalige Rekruten die schönste Erinnerung an ihren Dienst sein), keinen großväterlichen Geschichten von den Entbehrungen der Kriegsjahre gelauscht und auch generell nicht viel mit Vergangenheitsverklärung am Hut hat.
EINTOPF SCHMECKT EINFACH GROSSARTIG.
Denn Erbseneintopf schmeckt einfach großartig, weil er so solide, rustikal und unaufgeregt ist und wunderbar satt macht. Schließlich hat er ja auch alles intus, was der Mensch braucht: Gemüse, Fleisch, Gewürze und Wasser. Das Wasser stellt hierbei genaugenommen die Hauptzutat dar, ohne die das Ganze nicht zusammenhalten würde (danke, Michael Pollan!). Brühe braucht man nämlich gar nicht, weil der Erbseneintopf bereits über genügend geschmacksgebende Komponenten verfügt. Viel wichtiger sind Zwiebeln, Stangensellerie, Karotten und Kartoffeln – zumal sich die richtige Sämigkeit ohne die Stärke aus Erdäpfeln kaum erreichen lässt. Lauch kann, muss aber nicht mit rein. Von Pastinaken oder Petersilienwurzeln würde ich abstand nehmen. Die richtige Würze erreicht man mit Lorbeerblättern und Majoran. Zwar kann man den Eintopf, wenn er bereits in tiefen Tellern auf dem Tisch steht, leicht pfeffern – mitkochen würde ich ihn allerdings nicht, da er zu viel Schärfe in das Gericht bringt. Was die Einlage betrifft, bieten sich Lyoner in Scheiben an, aber auch Debrecziner, Wiener oder Rohpolnische. In Österreich mag man Extra-Kranzl – die kann man wie die Lyoner auch vorher scharf anbraten und gleich nach dem Anschwitzen der Zwiebeln hinzugeben, um das maximale Aroma herauszuholen. Mehr Wissen braucht es nicht, um einen hervorragenden Erbseneintopf zu zaubern. Also ran an die Töpfe!
Erbseneintopf
ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN
• 500 g junge Erbsen
• 500 g Kartoffeln, festkochend
• 400 g Wursteinlage
• 200 g Karotten
• 150 g Zwiebeln
1. 2. 3. 4. 5.
• 150 g Stangensellerie
• 4 Lorbeerblätter
• Majoran (frisch oder getrocknet)
• Butter zum Braten
• Salz/Pfeffer
ZUBEREITUNG (DAUER ETWA 75 MIN.)
Zwiebeln, Karotten, Sellerie und Kartoffeln kleinschneiden. Die Butter in einem großen Topf zum Schnmelzen bringen.
Zunächst die Zwiebeln in der Butter glasig dünsten, bis sie etwas Farbe annehmen. Dann nacheinander Karotten, Sellerie und Kartoffeln zugeben, ggf. auch die kleingeschnittene Wurst. Alles ca. 5-10 Minuten dünsten.
Die frischen oder gefrorenen jungen Erbsen und die Lorbeerblätter sowie den Majoran und das Salz zugeben und mit kochendem Wasser so aufgießen, dass alle Zutaten bedeckt sind.
Alles ca. 40 Minuten weiterkochen, dabei stets die Flüssigkeitsmenge im Auge behalten. Bei Bedarf Wasser nachgießen.
Sobald die Kartoffeln und Karotten weich sind und die Erbsen anfangen, zu zerfallen, ist der Eintopf fertig. Er sollte nun eine sämige Konsistenz haben.
Zum Schluss den Eintopf mit Salz abschmecken, in tiefen Tellern anrichten und ggf. etwas pfeffern. Mit frischen Majoran-Blättchen bestreuen, sofern vorrätig.
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