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DIE LEINWAND ALS BÜHNE

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GRID GROWTH

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Anna Valentiny im Gespräch mit Titus Schade.

Titus Schades Bilder sprechen von menschenleeren Kulissenlandschaften. Es sind tief romantische Tableaus, die eine parallele Realität rahmen, in der die Platte dem Fachwerk das Archetyphafte unterm harten Schlagschatten des Neonlichts abluchst.

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Es war gemalter deutscher Metal, klar und erstaunlich sanft, der den Meisterschüler Neo Rauchs in die Feuilletons brachte. Es waren Miniaturtypologien im musealen Setzkasten, die ADATO bewog Titus in seinem Atelier in der Alten Spinnerei zu besuchen. Leipzig haben wir nicht gesehen, dafür aber weiße Wände und leere Regale auf beiden Seiten des Videoanrufs.

Titus Schade (geb. 1984 in Leipzig, lebt und arbeitet in Leipzig) studierte von 2004-2009 Malerei und Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. 2009 machte er sein Diplom bei Prof. Neo Rauch, dessen Meisterschüler er von 2011-2013 war. Schade setzt sich in seinen Arbeiten mit Bild und Bildraum auseinander. In kulissenartigen Szenerien entwickelt er Orte, die zwischen Modell- und Bühnensituation changieren. Dabei imaginiert er ein breites Spektrum verschiedenster Architekturen und Requisiten, die den Betrachter seiner Leinwände in einen Privatkosmos einladen. Er verhandelt in seinen Arbeiten nicht die Realität, sondern bedient sich ihrer Versatzstücke und ordnet sie neu zu einer in sich geschlossenen Welt. Dabei unterliegen die meist architektonischen Formen und Strukturen einer barocken Lichtregie. In Schades Schaffen treffen klassische Landschaftsbilder auf geometrische Formen, die in ihrer Zeitlosigkeit universell lesbar sind. Titus Schade hat seine Arbeiten in zahlreichen Ausstellungen über die Grenzen Europas hinweg gezeigt und wird in Deutschland von der Galerie Eigen+Art gehandelt.

Bildrechte in diesem Artikel sofern nicht anders angegeben: Copyright the artist and courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin & VG Bild-Kunst, Bonn 2019 – Titus Bilder wurden von Uwe Walter fotografiert. @Titus Schade › https://www.titus-schade.de

Anna: Kulisse oder Architektur?

Titus: Kulisse

Anna: Warm oder kalt?

Titus: Gemäßigt

Anna: Maler oder Modellbauer?

Titus: Beides

Anna: Wann und wie arbeitest du?

Titus: Bei mir ist der Tagesrhythmus etwas nach hinten verlagert – nicht selten bis in den späten Abend oder in die Nacht hinein. Vormittags versuche ich Büroangelegenheiten – den Schreibkram zu klären, dann geht es mit der Atelierarbeit meist am Nachmittag los. Ich arbeite gern spät abends oder nachts – es passiert dann draußen vor der Ateliertür nichts mehr und die Konzentration liegt im Arbeitsraum. Man kann sich den Dingen in Ruhe zuwenden und die Zeit vergeht anders, weil man fokussierter und konzentrierter ist. Man schafft so mehr…

Ansonsten erstreckt sich die Arbeitswoche von Montag bis Freitag – das freie Wochenende ist mir wichtig, um immer wieder Abstand zur eigenen Arbeit gewinnen zu können. Aus dem gleichen Grund ist es für mich wichtig, Wohn- und Arbeitsräume zu trennen. Denn in meinem Berufsfeld ist man ja eh schon nahezu 24 Stunden am Tag von der eigenen Bildwelt oder den Bildgedanken umgeben. Nicht selten überlegt man auf dem Weg ins Atelier, wie das nächste Bild aussehen oder wie Problemstellen in aktuellen Arbeiten gelöst werden könnten.

Anna: Wie entstehen deine Bilder?

Titus: Ich werde oft gefragt, wann die Inspiration kommt. Sie dosiert sich meist über Tage, oder nicht selten über Wochen hinweg. Ich sehe das Bild als eine Art Fenster oder Tor, durch das man in eine Parallelwelt schaut, in der alles möglich ist und die sich aus einem Baukastensystem an möglichen Elementen zusammensetzt. Das Spielerische ist auf jeden Fall wichtig, also, dass die Malerei sowohl für mich, also den der sie herstellt, als auch für denjenigen, der sie betrachtet, etwas Spielerisches haben kann.

Anna: Kannst du dieses Spiel etwas näher beschreiben?

Titus: Es sind Arbeitsschritte in meiner Malerei, die gewissermaßen auf das Zusammensetzen einzelner Module angelegt sind - Arbeitsschritte, die aufeinander aufbauen, sich gegenseitig bedingen und sich auch über mehrere Leinwände erstrecken, die gerade im Prozess sind. So sind täglich immer gewisse Abschnitte im Bild „abzuarbeiten“, bis dann irgendwann der Schlussstein oder das letzte Element gesetzt wird und das Bild gleichsam wie ein Mosaik fertiggestellt ist. Diese Arbeitsweise führt dazu, dass einzelne Bildelemente immer wieder in neuen Kontexten auftauchen. Das Baukastenprinzip kennt man ja auch aus dem Modellbau, der Spielwarenindustrie oder eben auch aus Bereichen des Bauwesens. Dadurch schaffe ich mir eine in sich geschlossene Welt mit Wiedererkennungswert. Die einzelnen malerischen Zwischenschritte sind dabei manchmal gar nicht so spannend – ergeben dann aber hoffentlich das in sich funktionierende Gesamtgefüge.

Anna: Wo arbeitest du?

Titus: Mein Atelier befindet sich auf dem Werksgelände der Spinnerei in Leipzig. Unter der Woche bietet die Spinnerei den hier Lebenden und Arbeitenden ausreichend Ruhe und Konzentration, vielleicht aber auch Inspiration. Sie ist eine Art Stadt in der Stadt – wie eine Burg oder Festung. Andererseits kommen täglich viele Menschen auf das Gelände um sich in den hier ansässigen Galerien die Dinge anzuschauen, die hier entstanden sind – daneben werden auch viele internationale Positionen gezeigt. So findet ein ständiger künstlerischer Austausch statt.

Bei den Galerierundgängen herrscht volksfestartiges Gedränge – ein nahezu gegenteiliger Zustand, zu den Verhältnissen unter den normalen Bedingungen hier.

Anna: Du bist in Leipzig geboren, hast dort studiert, lebst und arbeitest bis heute dort – Warum kann keine andere Stadt mit Leipzig mithalten und hattest du nie das Bedürfnis wegzugehen?

Titus: Ich glaube, es gibt ganz wenige Orte, an denen ich mir vorstellen könnte, längerfristig zu sein oder sogar dauerhaft zu leben. Hier in Leipzig herrscht eine gewisse Entschleunigung – was man von einer Stadt dieser Größe vielleicht nicht erwarten würde. In jedem Fall ist dies meiner Malerei sehr zuträglich. Die vielen unterschiedlichen, aufwendigen und präzisen Arbeitsprozesse verlangen nach einem konzentrierten Fokus. Ich denke andere, größere Städte, würden mich zu sehr aus diesem Alltag und diesen Abfolgen herausziehen oder davon ablenken.

Anna: Dein liebster Platz in Leipzig mit 10 Jahren, 20 Jahren und 30 Jahren.

Titus: Also, mit 10 Jahren, da muss ich überlegen, …

Anna: Wir können auch sagen, als kleiner Junge.

Titus: Als Kind war ich gern auf den Sport- und Spielplätzen im Stadtpark gegenüber unterwegs... die Schule mochte ich nicht und sie war Belastung! In meinen 20ern, zu Zeiten des Studiums war die HGB (Hochschule für Grafik und Buchkunst) das Zentrum des Ganzen. Ein Studium mit großer Leidenschaft und Hingabe. Gerade gegen Ende zum Diplom hin, hatten wir eine gute - sich gegenseitig inspirierende Ateliergemeinschaft unter dem Dach der Akademie. Man war schon früh morgens vor Ort und dann oft bis in die Nacht hinein am Arbeiten. Ab dem Meisterschülerstudium genoss ich es aber sehr, meine eigenen vier Atelierwände zu haben. Heute ist es nicht anders – Ruhe und Fokus während der Arbeit sind sehr wichtig für mich. Ein meditativer Zustand, wenn nichts von außen stört. Ansonsten bin ich aber auch sehr gerne und viel temporär unterwegs. Heutzutage hat man ja die Möglichkeit, innerhalb weniger Stunden überall auf der Erde zu sein. Eine Reise nach China war zum Beispiel sehr eindrucksvoll…

Anna: Wo stehen die Gebäude, die du malst? Gibt es sie eigentlich in der Welt draußen oder hast du sie entworfen? Und was bedeuten sie dir?

Titus: Die Gebäude auf meinen Leinwänden sind meistens erdacht oder in Anlehnung an Häuser, die ich gesehen habe und die mich in erster Linie in irgendeiner Weise interessieren oder faszinieren – weil sie beispielsweise merkwürdiger Erscheinung sind. Die Architekturen begegnen einem in der Realität, auf alten Abbildungen oder in Filmen. Meist gebe ich sie aus der Erinnerung wieder – so werden sie im Bild noch prägnanter. Manchmal taucht ein Gebäude, das ich erfahren habe, erst Jahre später auf der Leinwand auf. Ich finde es spannend, Plätze aus dem Gedächtnis zu heben oder gänzlich neu entstehen zu lassen.

Die dargestellten Schauplätze und Szenerien in meinen Arbeiten sollen auch nicht genau zu verorten sein – mir geht es in meinen Bildern um Allgemeingültigkeit, sowohl zeitlich als auch lokal.

In meinen Bildern finden Verschiebungen in den Proportionen und Maßstäben statt – plötzlich ist eine alte Windmühle größer als ein postmoderner Plattenbau. Auf der Leinwand geht es auch um Hierarchien zwischen den einzelnen Bildgegenständen. Vielleicht sind die Architekturen ja auch Sinnbilder oder Platzhalter für andere Dinge. Das soll aber letztendlich der Betrachter entscheiden – ihm überlasse ich einen Teil der Deutungshoheit. In einer gegenständlichen Malerei kann es ja häufig zu mehreren Lesarten kommen, wenn verschiedene Zeiten und Orte kollidieren – außerdem wirkt ein Bild auf jeden Betrachter unterschiedlich… Ich empfinde durch Fremdbetrachtung eingebrachte Leserichtungen als willkommen und oft sehr spannend.

Anna: Warum sind deine Arbeiten menschenleer und war das schon immer so?

Titus: Der Betrachter soll gewissermaßen selbst zum „Handelnden“ in den gemalten Szenerien werden. Ich hoffe, die Orte haben genug Potenzial um die Fantasie des Rezipienten anzuregen. Sicher habe ich zu den Orten viele Gedanken – welche möglichen Handlungen dort stattfinden könnten, aber in erster Linie bereite ich die Bühne.

Das war nicht immer so. In den ersten beiden Jahren des Grundstudiums an der HGB ist man „gezwungenermaßen“ fast ausschließlich im Rahmen des Naturstudiums damit beschäftigt, Figuren zeichnerisch oder malerisch vorzutragen. Die Malerei kam dabei rückblickend ein wenig zu kurz – da man vom klassischen Aufbau ausgegangen ist, bei dem sich unter jedem Gemälde ein zeichnerischer Unterbau befindet. In der ersten Zeit des Hauptstudiums wollte man dann natürlich die neu erlangten Fähigkeiten endlich anwenden – so tauchte zu jener Zeit auch Bildpersonal auf meinen Leinwänden auf. In Kombination mit der Bildwelt und dem zu dieser Zeit noch malerischeren Duktus ergaben sich heikle Parallelen zu meinem Lehrer – sodass ich mich einige Zeit später dazu entschied, die Figur zu verdrängen - zugunsten des Bildraumes und der Bildtiefe – die ich von nun an anderweitig aufladen musste. In jedem Falle tat dieser Wechsel meiner Malerei und meiner Bildwelt sehr gut – da ich nun den Fokus auf andere malerische Gesichtspunkte lenkte.

Anna: Dass die Räume menschenleer sind, das hat sich geändert, als dein Bild Der Kiosk (2012) Vorlage für eine Szenografie wurde. In Zusammenarbeit mit der Bühnenbildnerin Marialena Lapata hast du 2017 am Schauspiel Leipzig, Kulissen für Elfriede Jelineks Wolken.Heim entworfen.

Titus: Meinen ersten Kontakt mit dem Thema Bühnenbild hatte ich schon zu Schulzeiten, im Rahmen eines Projektes – damals dachte ich, dies könnte der ideale Beruf für mich sein. Den Wunsch, eine meiner gemalten bühnenartigen oder kulissenhaften Szenerien Realität werden zu lassen, hab ich, ganz unter uns gesagt (lacht), natürlich auch schon länger gehegt. Als die Anfrage von Enrico Lübbe, dem Intendanten des Leipziger Schauspiels kam, war ich natürlich sehr erfreut und habe mich geehrt gefühlt, ein solches umfangreiches Projekt auch schon in meinen jungen Jahren realisieren zu können und zu dürfen. Für den nicht einfachen Collagen-Text von Jelinek wählten wir mein Bild Der Kiosk aus, welches als Bühnenbild umgesetzt werden sollte und prädestiniert für diese Angelegenheit ist. Die dort abgebildeten Architekturen decken bestens die unterschiedlichen Zeiträume der Textzitate ab. Das Pendel schlägt sehr weit aus, wir sprechen ja von Textpassagen aus der deutschen Romantik, in der eher der Fachwerkbau anzutreffen war, bis hin zur Neuzeit wo man Mehrfamilienhäuser und jene Kioskflachbauten vorfindet.

Bühnen- oder kulissenhafte Szenerien haben mich schon immer fasziniert. Ich finde vor allem den weichen und unmerklichen Übergang von Kulisse zu Realität als interessanten Betrachtungspunkt. Manchmal begegnen einem im Alltag Orte wo man sich nicht

sicher sein kann, ob es sich nun um eine reale Szenerie handelt oder eine installierte Fassade. So ist es letztendlich ja auch mit historisierender Architektur, wenn man z.B. an das wiederaufgebaute Braunschweiger Stadtschloss denkt, hinter dessen Mauern sich nun ein Einkaufszentrum befindet.

Auch in meinen Bildern soll der Übergang von der Kulisse zur „realen“ Szenerie bestenfalls sanft und subtil geschehen. Es soll dem Betrachter ausreichend Raum geboten werden, den gemalten Ort mit seiner eigenen Imagination zu bespielen.

Eine Herausforderung bei dieser Angelegenheit war für mich auch, so viele Entscheidungen und andere Dinge – bis hin zur eigentlichen bildnerisch praktischen Umsetzung des Bühnenbildes – aus den Händen zu geben. Normalerweise bin ich es ja gewohnt jeden einzelnen Arbeitsschritt bis hin zur Fertigstellung selbst zu tätigen. Marialena Lapata hat mir dabei unglaublich geholfen und natürlich auch die Leipziger Opern- und Theaterwerkstätten. Allen voran der Malsaal, dessen Mitarbeiter sich in meine Art der Malerei bestens eingearbeitet hatten.

LINKS:

Foto:

Titus Atelier Marie Pietruschka

UNTEN:

Titus Schade, Modelltisch Lieferung, 2016, Öl und Acryl auf Leinwand, 100x170 cm

Anna: Was bedeutet der Prozess, wenn die eigene Arbeit in die dritte Dimension klappt und wie geht es dir damit, wenn a priori menschenleer gedachte Räume von Schauspielern und Geschichten bevölkert werden?

Titus: Für mich trat dieser Gedanke erst am Ende des Schaffensprozesses in den Vordergrund. Jelineks Sprache ist ja zum Teil sehr derb und ungestüm… was man meinen Bildern meines Erachtens nicht vorwerfen kann. Und der Text zu Wolken.Heim ist ja wie gesagt ein Konglomerat aus Zitaten, die aus der Feder deutscher Dichter und Denker zu Zeiten der Romantik entsprangen, bis hin zu Textpassagen dem Dritten Reich und der RAF entliehen. So hatte ich anfangs auch die Befürchtung, dass sich diese durch die Schauspieler vorgetragenen Textbilder auf meine Kulisse abfärben könnten. Wir haben es ja hier mit keinem einfachen Themenfeld zu tun. Aber nach wie vor finde ich dieses Bühnenbild, wie auch meine Bilder an sich, losgelöst und für sich stehend – frei auch von jeder politischen Konnotation.

Dies hat sich im letzten Jahr dann auch bestätigt, als das Bühnenbild als Teil einer Ausstellung in einer Rauminstallation im Museum der bildenden Künste in Leipzig für sich und unbespielt gezeigt wurde. Präsentiert wurden neben der Theaterkulisse, das Gemälde Der Kiosk, der die ursprüngliche Vorlage bot, und andere Leinwände auf denen Szenerien mit ähnlichem bühnenhaften Charakter zu sehen sind. Die Wände im Museumsraum wurden über ihre komplette Raumhöhe mit einem Theatervorhang umsäumt und das Bühnenbild war von außen und innen zugänglich. Die dämmrige düstere Lichtregie im Ausstellungsraum tat dann den Rest. So wurde meine in sich geschlossene Welt für den Ausstellungsbesucher betretbar.

RECHTS:

Titus Schade, Das Regal, 2011, Öl auf Leinwand, 150x200 cm

Anna: Letzten Sommer gab es eine Kritik über deine Leipzig Ausstellung in der ZEIT. So habe ich irgendwo am Mittelmeer zum ersten Mal von deiner Arbeit erfahren. Ich weiß nicht ob du die gelesen hast? Wenn man in der ZEIT ist, sollte man es gelesen haben. (lacht) Auf jeden Fall wird beschrieben: „Begibt man sich in die Kulissen und weiß, dass Schades imaginäre Stücke und Filme nicht im netten Vorabendprogramm laufen, sondern spät in der Nacht, dort wo man sich gruselt", - so hat auch die Überschrift geheißen - und weiter: "man verlässt die Ausstellung mit dem Gefühl des Unbehagens, … vielleicht brennen hier auf den Straßen bald wirklich die Scheiterhaufen…“ Ist Malerei allgemein politisch oder ist deine Malerei politisch?

Titus: Malerei kann natürlich politisch sein und bestimmte Bilder, die ohne politische Absicht entstanden sind, können trotzdem auch in eine politische Richtung gelesen werden. Ich sehe meine Bildwelt jedoch als etwas Losgelöstes von unserer Welt und verfolge mit meiner Malerei auch keine politischen Ziele. Kunst sollte meines Erachtens nicht mit der Tagespolitik wetteifern. Ein gutes Kunstwerk ist autark und funktioniert weit über die Zeit hinaus in der es entstanden ist.

Bei meiner Arbeit handelt es sich auch nicht um Vorabendunterhaltung – sodass es sicher den ein oder anderen geben wird, der Abbilder politischer Situationen in meinen Bildern sieht. Dagegen kann man sich nicht wehren, wenn man einen Teil der Deutungshoheit auch dem Betrachter überlässt. Wenn ich Filmemacher wäre, würde ich es vorziehen, eher dunkle Stoffe zu behandeln, als mich mit Klamauk zu befassen. Wie ich es beobachtet habe, können meine Malereien beim Betrachter bestimmte Grundstimmungen beeinflussen – so war es ja auch im Fall des ZEIT Journalisten Tobias Timm, der die Ausstellung mit Unbehagen verließ. Es sind ja zum Teil auch schwermütige oder düster romantisch anmutende Szenerien und Atmosphären. Ich fühle mich eher zu diesen (Licht-)Stimmungen hingezogen.

Anna: Die Relation zwischen Konzept und Ausführung?

Titus: Das kannst du einen Konzeptkünstler fragen! (lacht)

Anna: Ok, dann die Relation zwischen Handwerk und Malerei? (lacht)

Titus: Ich betreibe gegenständliche Malerei, da liegt es auf der Hand, dass es viel um handwerkliche Angelegenheiten geht. Ich möchte auf der Leinwand Dinge entstehen lassen, die es vorher nicht gab. Farbe wird in Form umgewandelt und suggeriert, im besten Fall, dem Betrachter der zweidimensionalen Fläche Tiefe und Greifbarkeit. Das ist auch der Grund dafür, warum die Kontraste in meinen Bildern relativ hoch sind, dadurch werden die Bildgegenstände noch plastischer.

Manchmal liefert eine Skizze das erste Grundgerüst, ansonsten entsteht alles direkt und ohne Vorplanungen auf der Leinwand. Ein gutes Bild geht natürlich über die handwerklichen Gesichtspunkte hinaus, die Malerei verselbstständigt sich dann.

Anna: In einigen Bildern suggerierst du die Petersburger Hängung. In welcher Relation stehen deine Bilder zueinander?

Titus: Bei diesen Petersburger Hängungen treffen auf einer Leinwand mehrere gemalte Einzelbilder aufeinander. Diese Bilder können dabei völlig unterschiedlich gemalt sein und treten dann auf dem gemeinsamen Bildträger im Dialog zueinander. Ein abstraktes Bild trifft auf eine Landschaft, oder ein Porträt auf eine geometrische Konstruktion. Diese Darstellungen erlauben mir malerische Freiheiten, die ich

Titus Schade, Der Kiosk, 2012, Öl und Acryl auf Leinweind, 100x170 cm

Wolken.Heim von Elfriede Jelinek (Regie: Enrico Lübbe) im Bühnen bild von Titus Schade und Mariale - na Lapata am Schauspiel Leipzig, 2017, Fotos: Rolf Arnold

Aber nach wie vor finde ich dieses Bühnenbild, wie auch meine Bilder an sich losgelöst und für sich stehend – frei auch von jeder politischen Konnotation.

Dies hat sich im letzten Jahr dann auch bestätigt, als das Bühnenbild als Teil einer Ausstellung in einer Rauminstallation im

Museum der bildenden Künste in Leipzig für sich und unbespielt gezeigt wurde. Präsentiert wurden neben der Theaterkulisse, das Gemälde „Der Kiosk“, der die ursprüngliche Vorlage bot, und andere Leinwände auf denen Szenerien mit ähnlichem bühnenhaften Charakter zu sehen sind. Die Wände im Museumsraum wurden über ihre komplette

Raumhöhe mit einem Theatervorhang umsäumt und das Bühnenbild war von außen und innen zugänglich. Die dämmrige düstere Lichtregie im Ausstellungsraum tat dann den Rest. So wurde meine in sich geschlossene Welt für den Ausstellungsbesucher betretbar.

Titus Schade

Titus in seiner Ausstellung im Museum der Bildenden Künste in Leipzig, Foto: Enrico Meyer

SEHEN SIE DEN TRAILER ZU Wolken.Heim (2017)

https://vimeo. com/247070883

RECHTS:

Titus Schade, Der Schacht, 2011, Öl und Acryl auf Leinwand, 60x80 cm

mir in Einzelbildern nur ganz selten gönne.

Durch das Wiederkehren bestimmter Bildgegenstände auf verschiedenen Leinwänden, entsteht auch eine Geschlossenheit und Verbundenheit unter den Bildern. Gelegentlich tauchen auch ganze Orte wiederholt auf, ich suche sie malerisch heim, weil ich mich wohl an ihnen fühlte und sie als noch nicht abgeschlossen empfand…

In meiner Malerei versuche ich zudem, verschiedene Wege zu gehen. Da gibt es die bühnenartigen Stadtlandschaften oder kulissenhaften Szenerien, über die wir sprachen. Die eben erwähnten Petersburger Hängungen ermöglichen mir die ganze Bandbreite der Malerei aufeinandertreffen zu lassen. Des Weiteren gibt es Regalbilder – die es mir ermöglichen, auf einer Leinwand verschiedenste Architekturen en miniature aufzureihen. Auf den gemalten Modelltischen oder Marmorblöcken, arrangiere ich unterschiedliche Dinge. Außerdem versuche ich, die eher konstruktive Malerei durch die Serie der Wolkenlandschaften aufzubrechen.

Anna: Die ideale Ausstellung?

Titus: Da denke ich natürlich sofort an die Präsentation im Museum der bildenden Künste, die in ihrer Verwirklichung meine im Vorfeld der Planung gehegten Erwartungen bei Weitem übertroffen hatte. Natürlich sieht man die eigenen Arbeiten am liebsten in einem solchen Rahmen und mit viel Platz an einem derartigen Ort präsentiert. Letztendlich muss ein Bild aber auch in einem privaten Wohnraum als Einzelbild funktionieren können.

Anna: Reihst du dein Werk in die Strömung der Leipziger Schule? Gibt es außerhalb von Leipzig Künstler oder Maler der Vergangenheit oder der Gegenwart, die die beeinflusst haben?

Titus: Vorbilder oder Geschwister im Geiste gibt es einige, natürlich durch die gesamte Kunstgeschichte und über ihre einzelnen Gattungen hinweg. Mit der Leipziger Kunsthochschule bin ich gewissermaßen aufgewachsen, da mein Vater schon dort studierte und ich als Kind von meinen Eltern mit auf Eröffnungen und Rundgänge genommen wurde. Zudem war ich bei meiner Bewerbung auch einer der wenigen gebürtigen Leipziger. Von Anfang an zog es mich zu dieser Hochschule, um diese Art der gegenständlichen Malerei zu erlernen, die mich schon als Kind faszinierte. So könnte man von außen betrachte sagen, dass ich ein Teil der Leipziger Schule bin.

Aber natürlich sollte der Fokus der Betrachtung auf der rein künstlerischen Arbeit liegen und diese sollte immer auch im internationalen Kontext wahrgenommen werden. Ich denke meine Art der Malerei ist mittlerweile so eigenständig, dass sie eben auch für sich steht und nicht mehr im Kontext des Ganzen wahrgenommen wird. Sie hat das Elternhaus der Leipziger Schule verlassen. Ich habe meine Herkunft jedoch nie negiert – weil es auch nie einen Grund dafür gab. Vor 10 bis 15 Jahren waren die Begriffe Leipziger Schule und Neue Leipziger Schule Labels die gut funktionierten – Leipzig war in diesem Zeitraum plötzlich das Zentrum der Kunstwelt und alle kamen hierher. Die Menschen waren fasziniert von der modernen Gegenständlichkeit der Bilder in Verbindung mit dem klassischen Handwerk. Eine Linie malerischer Qualität, die sich bis heute fortsetzt. Nach wie vor ist Leipzig ein guter Ort für die Malerei… •

Titus Schade, Petersburger Haengung - Rot, 2012, Öl und Acryl auf Leinwand, 150x200 cm

Titus Ausstellung im Museum der Bildenden Künste in Leipzig Foto: Uwe Walter

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