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Heini, Ada und die „Pusterer Buben“: Streng geheim Hure oder Heilige: Silber beim deutschen
HEINI, ADA UND DIE „PUSTERER BUBEN“ Streng geheim
„Segretissimo – steng geheim!“ steht nicht nur auf vielen Geheimdienstdokumenten, sondern so lautet auch der Titel des neuen Buches von Christoph Franceschini (Edition Raetia, 400 Seiten, 24,90 Euro). Es sind vor allem die Südtiroler Bombenjahre, die ausländische Dienste nach Südtirol lockten. Neben CIA, Mossad und BND sind es vor allem aber die italienischen Nachrichtendienste, die in Südtirol aktiv sind und die Attentätergruppen zu unterwandern versuchen. Das zeigt sich auch am Beispiel der „Puschtra Buibm“. Wir bringen exklusiv einen Vorabdruck.
Im „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) kennt eigentlich fast jeder jeden. Das ist auch einer der Gründe, warum die italienischen Sicherheitsbehörden im Juli 1961 innerhalb von zehn Tagen die gesamte Attentäter-Gruppe um Sepp Kerschbaumer verhaften können. Nach der sogenannten Feuernacht gelang es den Carabinieri zuerst, einzelne Attentäter zu verhaften. Durch Folter und Misshandlungen der Häftlinge wurden dann weitere Namen bekannt und es erfolgten weitere Festnahmen. Doch eine BASZelle im Ahrntal agierte abgeschottet und deutlich konspirativer: Es ist die Gruppe um Siegfried Steger, Josef Forer, Heinrich Oberleiter und Heinrich Oberlechner, die als sogenannte „Puschtra Buibm“ in die Geschichte eingehen werden. Die vier Burschen, allesamt um die 20 Jahre alt, isolieren sich ganz bewusst und haben Mitkämpfer und Unterstützer, die lange nicht aktenkundig werden. Schon Anfang der 1960erJahre planen und bereiten sie den Guerillakrieg vor. Dazu bunkern sie Waffen und Sprengstoff und bauen im unwegsamen Gelände Verstecke aus. Anders als die meisten BASAttentäter fliehen Siegfried Steger, Josef Forer und Heinrich Oberlechner kurz nach der Feuernacht über die grüne Grenze nach Österreich. Heinrich Oberleiter, der damals noch nicht aktenkundig ist, bleibt im Ahrntal. In den Jahren darauf kehren Steger, Forer und Oberlechner immer wieder im Sommer für mehrere Wochen ins Ahrntal zurück. Sie führen Anschläge durch und verstecken sich im Wald und in den Bergen.
DIE AHRNTALER BAS-ZELLE
Diese konspirativabgeschottete Ahrntaler BASZelle ist von Anfang an eine besondere Herausforderung für den „Servizio Informazioni Forze Armate“ (SIFAR). Der italienische Geheimdienst versucht immer wieder, an die vier „Pusterer Buben“ heranzukommen. Man setzt mehrere Agenten, die in diesen Jahren vom SIFAR geführt werden, auf das Quartett an. Weil die „Pusterer Buben“ aber misstrauisch sind und darauf achten, auch in Österreich unter sich zu bleiben, kommen die italienischen Behörden diesem Ziel kaum näher. Erst im Spätsommer 1963 zeichnet sich erstmals ein Erfolg ab. Dem SIFAR gelingt es, 1963 einen jungen Mann anzuwerben: Hermann Volgger. Der Bauernsohn und landwirtschaftliche Arbeiter aus Ahornach ist nur um wenige Jahre jünger als die vier Ahrntaler BASMitglieder. Wie es üblich ist, wird Hermann Volgger im Tal nach dem Namen seines Heimathofes genannt: „Kröpfl“. Geführt wird Hermann Volgger vom Chef des SIFARBüros Verona Renzo Monico. Der Agent erhält den Decknamen „Heini“. Hermann Volgger macht sich im Sommer 1963 an Heinrich Oberleiter und dessen Bruder David heran und bietet ihnen seine Mitarbeit an. Beim ersten Treffen mit Heinrich Oberleiter erklärt Volgger, dass er
Das Cover des neuen Buches von Christoph Franceschini. sich nicht direkt an Anschlägen beteiligen möchte, aber für den BAS Transportarbeiten übernehmen und logistische Hilfe leisten möchte.
EINE NEUE OFFENSIVE
Im Sommer/Herbst 1963 plant der BAS dann eine neue Offensive. Es soll eine breit angelegte Aktion in ganz Südtirol durchgeführt werden. Jörg Klotz geht illegal über die Grenze ins Passeiertal, Luis Amplatz soll in der Bozner Gegend einige Anschläge durchführen und die vier „Pusterer Buben“ sollen im Ahrntal zuschlagen. Der Beginn der Aktion wird auf die Nacht vom 3. auf den 4. August festgelegt. In dieser Nacht sprengt die Ahrntaler BASZelle zuerst mehrere Masten und dann mit einer durch den Kamin hinabgelas-
„Pusterer Buben“, SIFAR-Bericht: „Heini überzeugen, dass er das Gebiet für eine Woche verlässt“. Siegfried Steger
senen Sprengladung die CarabinieriKaserne in Mühlen in Taufers. Nur durch viel Glück gibt es dabei weder Verletzte noch Tote. In den Monaten danach verstecken sich die drei flüchtigen BASLeute in vorbereiteten Lagern in den Bergen und kehren mehrmals ins Tal zurück, um weitere Aktionen durchzuführen.
DER ITALIENISCHE AGENT
Ab Oktober 1963 ist auch Hermann Volgger dabei, meist an der Seite von Heinrich Oberleiter. Der SIFARAgent „Heini“ nimmt so mehrmals aktiv an illegalen BASAktionen teil. Siegfried Steger erinnert sich im Gespräch mit dem Autor fast 40 Jahre später: „Der Kröpfl ist mit dem Heinrich 1963 ein paar Mal Masten sprengen gegangen. Aber der Heinrich hat sich gleich gewundert, weil der während der Aktion die absolute Ruhe ausgestrahlt hat. Jeder ist nervös, vor allem beim ersten Mal. Aber der war total ruhig. Das war einfach nicht normal.“ Doch wie kommt es, dass der SIFAR seinen Spitzel selbst bei illegalen Handlungen mitmachen lässt? Hermann Volgger alias „Heini“ hat einen zentralen Auftrag: Er soll seine
Auftraggeber dann informieren, wenn alle vier „Pusterer Buben“ im Ahrntal beisammen sind, denn dann will der SIFAR zuschlagen und die gesamte BAS-Zelle endlich verhaften lassen. Bei der „Aktion Heini“ des SIFAR spielt eine Frau eine geSIFAR-Aktion „Heini“: Südtiroler Agent in die Pusterer Zelle eingeschleust. wichtige Rolle, die Landesgericht Bozen bis heute kaum der breiten Öffentlichkeit bekannt ist: Ada Reden (1920−2002), verheiratete Forer aus Sand in Taufers. Ada Reden heiratet Anton Forer, den jüngsten Bruder des späteren Weihbischofs der Diözese BozenBrixen Heinrich Forer (1913–1997). Während Gargitter wegen seiner energischen Haltung gegen die SüdtirolAttentate vom BAS offen angefeindet wird, gilt Forer als weit bodenständiger und patriotischer. Schaut man sich die streng geheimen Berichte des italienischen Innenministeriums zu Südtirol aus den 1950er und 60erJahren an, so wird sehr oft Forers Meinung darin zitiert. Heute weiß man, warum: Heinrich Forers Schwägerin hat einen direkten Draht zu höchsten Stellen im Innenministerium.
DIE ROLLE VON ADA FORER
Ada Forer betreibt in Sand in Taufers eine Gastwirtschaft. „Die Frau ist im Dorf allein schon wegen ihrer Kleidung und ihrem bürgerlichen Benehmen aufgefallen“, erinnert sich die Historikerin und langjährige SVPPolitikerin Martha Stocker an Ada Forer. Die Gastwirtin ist im gesamten Tal als besonders italienfreundlich bekannt. Vor allem aber gilt „die Ada“, wie sie genannt wurde, als eine Art Vermittlerin zu den italienischen Behörden. So kümmert sie sich immer wieder um die Freistellung von jungen Bauernsöhnen vom Militär. „Alle im Tal haben vermutet, dass die Ada mit den Italienern zusammenarbeitet“, sagt auch Siegfried Steger. Am Fall Hermann Volgger lässt sich nachzeichnen, wie diese Zusammenarbeit ausgesehen hat. Es ist Ada Forer, die „Heini“ an den SIFAR herangeführt hat. Das geht auch aus dem Dienstbericht Renzo Monicos hervor: „Quelle Heini wurde im vergangenen September über eine gewisse Forer Ada Reden aus Sand in Taufers angeworben, die in der Gegend wegen ihrer pro-italienischen Haltung und ihrer Beziehungen zu den italienischen Behörden bekannt ist.“ Aus den SIFARAkten geht aber auch hervor, dass man Ada Forer misstraut. Nach dem Umfallen des Agenten „Heini“ und der Flucht Oberleiters im Dezember 1963 geht der SIFAR davon aus, dass die Frau ein Doppelspiel betreibt und sowohl für die Polizei wie auch für den BAS arbeitet. Deshalb lässt der SIFAR ab Dezember 1963 Forers Telefon abhören und die Frau eine Zeit lang beschatten. // Thomas Kager
DAS BUCH
Was bei der Beschattung Ada Forers zutage kommt und warum der Informant Hermann Volgger „umfiel“ kann nachgelesen werden in:
Segretissimo — Streng geheim! Südtirol im Fadenkreuz fremder Mächte.
Christoph Franceschini Broschur 16,5 × 24 cm, 400 Seiten Euro 24,90 [I]; 27,50 [D/A] ISBN 978-88-7283-763-4