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Der große Rückblick: Die Menschen des Jahres 2022
DER GROSSE RÜCKBLICK Die Menschen des Jahres 2022
Die Geigenbauerin, der Wegbereiter, die Buchautorin. Der Skifahrer, die Goldschmiedin, der BonsaiZüchter – die Rubrik Menschen im Porträt der Pustertaler Zeitung rückt Menschen in den Mittelpunkt, die Berge erklimmen, Kochlöffel schwingen, Viren untersuchen, Filz verarbeiten – kurzum jene, die für das brennen, was sie tun. Es sind Geschichten direkt aus dem Leben, vielleicht sind sie deshalb bei den Leserinnen und Lesern so beliebt? Im großen Jahresrückblick öffnen wir noch einmal den Blick zurück auf 24 Porträts – von a wie abenteuerlustig bis z wie zubereitet.
von Verena Duregger 1) RAINER KAUSCHKE
Das Leben von Reiner Kauschke lässt sich in seinem gemütlichen Wohnzimmer in Toblach auch an den Gegenständen lesen. Da sind zum einen die filigranen Figuren aus Porzellan, die der gebürtige Sachse in der weltberühmten Porzellanmanufaktur Meissen gefertigt hat. Und dann die Auszeichnungen, die an der Wand hängen und den heute 84-Jährigen unter anderem zum Ehrenbürger der Gemeinde ernennen und die vielen Bergfotos überall. Vor 59 Jahren wagte der begeisterte Kletterer mit zwei Freunden eine Tour, die zum damaligen Zeitpunkt getrost als kühn bezeichnet werden durfte: In 17 Tagen arbeiteten sich die „drei Sachsen” in direkter Falllinie die Nordwand der Großen Zinne hinauf. Schlechte Ausrüstung, Temperaturen bis zu 30 Grad minus, kein leichtes Unterfangen. Im Gespräch mit der PZ erinnerte sich Kauschke nach 59 Jahren noch einmal zurück. „Aufgeben kam einfach nicht in Frage”, sagte er.
2) MIRKO MAIR
Die Sichelburg in Pfalzen war für Mirko Mair Liebe auf den ersten Blick. Schon lange träumte der Koch davon, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Erfahrung brachte er reichlich mit. Er kochte in Deutschland, Russland, der Schweiz, Holland, Amerika. Und als er die Möglichkeit bekam, den alten Ansitz zu pachten, ergriff er seine Chance. Seither entwickelt er seine Küche (traditionell mit exotischen Einflüssen) kontinuierlich weiter. Als die Coronapandemie den Herd von einem Tag auf den anderen abstellt, findet er die Zeit, einen weiteren Traum umzusetzen: ein eigenes Kochbuch. Mair trommelt dafür zehn befreundete Köche aus dem ganzen Land zusammen. Im Jänner ist „Genussregion Südtirol“ erschienen. So viele Köche unter einem Buchdeckel vereint? „Ich finde es viel interessanter, wenn verschiedene Köche ihren Küchenstil zeigen, unterschiedliche Charaktere aufeinandertreffen, und nicht nur eine Person im Mittelpunkt steht”, sagt Mirko Mair.
3) KAROLA OBOJES-WAHLER
Als Karola Obojes-Wahler als Jugendliche im Fernsehen eine Reportage über US-Virologe Robert Gallo, den Entdecker der ersten menschlichen Retroviren sieht, ist sie dermaßen fasziniert, dass sie beschließt, Virologin zu werden. Am Anfang von manchen als Spinnerei abgetan, folgt sie konsequent ihrem Weg. Seit ihrem Studium beschäftigt sie sich mit Viren und staunt bis heute, wozu sie in der Lage sind. Erst durch Ausbruch der Coronapandemie sind die infektiösen Partikel so richtig ins öffentliche Interesse gerückt. Eine Pandemie hätte die Wissenschaftlerin, die in St. Vigil aufgewachsen ist, in diesem Ausmaß nicht erwartet. „Auch wenn neuartige Viren und Endemien immer wieder auftauchen werden”, wie sie im Interview sagte. Seit 2008 arbeitet Obojes-Wahler bei einer Pharmafirma als Referentin für biologische Sicherheit. Sie lebt seit über 20 Jahren im Ausland, ihrer Heimat Südtirol bleibt sie verbunden. „Ich würde mir wünschen, dass sich die Südtiroler mehr auf Regionalität besinnen und sich glücklich schätzen, in so einer Gegend zu leben und zu arbeiten.“
4) SIMON MAURBERGER
ungewöhnlich. Normalerweise stehen in dieser Zeit für einen Profiskirennfahrer Rennen an. Doch der gebürtige Ahrntaler war nicht für die Winterspiele nominiert, trotz zwei Top-Ten-Platzierungen. Eine Enttäuschung. Im Gespräch erzählte er, wie er zum Skifahren gekommen ist („Ich erinnere mich eigentlich immer schon ans Skifahren, so, als hätte es nie eine Zeit ohne gegeben”) und sich nach mehreren schweren Verletzungen wieder zurückgekämpft hat („Ich hatte zu knabbern, ganz klar”). Dem Sport ordnete Maurberger, dessen größter Erfolg bisher die Bronzemedaille im Teamwettbewerb bei der Weltmeisterschaft in Åre ist, schon in der Jugend alles unter. Für diese Saison stehen die Zeichen gut: Beim Weltcup-Riesentorlauf von Val d’Isere hat er mit einem 13. Platz aufhorchen lassen.
5) CHRISTINA ZACHER
Herkunft verleiht Zukunft, das weiß Christina Zacher genau. Zusammen mit vier Geschwistern führt die 45-Jährige die Geschicke in der Filzmanufaktur Zacher. In der Werkstatt dampft und rattert es, wenn Pantoffeln geformt, Sohlen zugeschnitten und Sitzkissen hergestellt werden. Die Produkte tragen den Namen Haunold. Das liegt nahe, schließlich ragt hinter dem Haus der Familie Zacher, das seit dem 12. Jahrhundert das Dorfbild von Innichen prägt, der Hausberg auf. Wenn Wolle zu Filz wird, dann braucht es Gefühl, Geduld und Wissen – und eine Hammerwalke von 1901. Handarbeit ist in der Manufaktur kein bloßes Wort. „Als wir Kinder waren, kam uns das alles altmodisch vor. Aber heute finden wir unser Produkt fast modern. Denn es ist nachhaltig und damit kann man in die Zukunft gehen”, sagt Zacher.
6) LORENZ SCHINER
Als Lorenz Schiner zum Gespräch auf sein Feld einlud, stand der Frühling gerade in den Startlöchern. Etwas mehr als fünf Hektar stehen ihm für die Verwirklichung seiner Idee von Landwirtschaft, dem Projekt Terra Vitae, zwischen Gais und Uttenheim zur Verfügung. Was er sät, weiß er am Anfang der Ackersaison selbst oft noch nicht genau. Dinkel zum Beispiel, Buchweizen oder Einkorn, Lein und Mohn. Am Ende sind es verschiedene Kulturpflanzen, die sich ergänzen und nach biodynamischen Prinzipien wachsen. Sein Wissen teilt er gerne: Auf dem Weg zu seinem Acker hat er einen kleinen Aussichtspunkt errichtet. Er hofft, dass ihm möglichst viele Menschen bei der Arbeit zusehen und es irgendwann machen wie er. Und damit auch das Klima schützen. „Wenn wir vom CO2-Problem sprechen, dann reden alle von Autos und Fabriken. Das größte Problem ist aber der Acker. Wenn du es da anders machst, dann hast du innerhalb von zehn Jahren die größten Fortschritte gemacht, um das Klima zu retten.“
7) GIOVANNI RINDLER
Er ist ein Menschenforscher: Der menschliche Körper steht im Mittelpunkt von Giovanni Rindlers Kunst. Der gebürtige Gadertaler lebt seit Langem in Wien, wo er als Bildhauer, Gießer und Restaurator arbeitet. Mit fünf Jahren fing er an, erste Figuren zu schnitzen, seine Technik wurde schnell besser. Diese Fertigkeit half auch in der Schule – als Legastheniker hatte er es ansonsten schwer. Sein Zeichenlehrer war der Bruder von Gilbert Prousch vom berühmten Künstlerduo Gilbert & George. „Er glaubte an mich.” Wenn er heute Köpfe, Körper und Torsi entstehen lässt, arbeitet er am liebsten mit Ton. „Mit Ton arbeiten ist ein bisschen wie >>
Trockengymnastik und Wassergymnastik unter Leitung erfahrener Therapeuten in Bruneck, Reischach, Luttach und Toblach
Da die wirkungsvollste Vorsorge in der Heilgymnastik liegt, bietet die RheumaLiga Südtirol auch im neuen Jahr wieder Therapiekurse im Pustertal an:
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Wo?
Wann?
Wassergymnastik Cron 4 Reischach Montag, 14.00 – 15.00 Uhr Mittwoch, 13.30 – 14.30 Uhr
Für Informationen und Anmeldungen der Kurse in Bruneck, Reischach und Luttach, wenden Sie sich an Frau Tasser Renate unter Tel. Nr.: 348 775 0411. Für Informationen und Anmeldungen des Kurses in Toblach, wenden Sie sich an Frau Colleselli Lucia unter Tel. Nr.: 348 147 4887 (ab 16:00 Uhr).
eine schnelle Skizze zu zeichnen.” Für seine Ausstellung Corpora Humana im Brunecker Stadtmuseum kehrte Giovanni Rindler in seine Heimat zurück. Auf seine Kunst hat Südtirol keinen Einfluss, sagt er. Damit Kunst gelingt, braucht er vor allem eines: „Zeit”.
8) SIMONE WASSERER
Sie hat einen Spendenskandal im Europäischen Parlament mit aufgedeckt, für die Rechte der Frauen gekämpft und sich politisch in der Gemeindepolitik von Innichen engagiert. Heute führt sie zusammen mit ihrem Mann ein Hotel in Vierschach und beweist, dass im Leben immer wieder neue Türen aufgehen. Dabei hätte sie eigentlich etwas ganz anderes machen sollen, wenn es nach der Mutter gegangen wäre (Frisörin) oder ihrer eigenen Idee für die Zukunft (Kindergärtnerin). Ein Oberschullehrer veränderte dann alles: Sein Ansatz: Wer Vorgänge verstehen will, muss viel wissen. „Das Ringen um Gerechtigkeit und Gleichberechtigung wuchs in mir. Ich beschloss, Jus zu studieren.” Ihr Weg führte sie zunächst nach Brüssel, später wurde sie Gleichstellungsrätin der Autonomen Provinz Bozen. Auch in der Gemeindepolitik engagierte sie sich. Mit Rosmarie Pamer bildete Wasserer das erste Frauen-Duo an der Spitze einer Gemeinde. Nach drei Jahren zerbrach die Koalition. „Mein Herz schmerzt immer noch, wenn ich daran denke. Ich habe wirklich daran geglaubt, dass wir frauentechnisch etwas bewegen können.”
9) MARIA CRAFFONARA
Wenn Maria Craffonara über Musik spricht, dann ist der ganze Mensch in Bewegung. Alles fließt, alles geht ineinander über. So wie ihre Entwicklung als Künstlerin, die sich nicht so leicht einordnen lässt. Oper, Gospel, Jazz. Solo, Quartett, Ensemble – so vielseitig ist die 45-Jährige. Ihre Liebe zur Violine entdeckt sie mit neun Jahren, ihre Pubertät verbringt sie nach eigenen Worten an der Musikschule, mit 18 fängt sie eine Stimmausbildung an. Längst ist klar: Musik ist ihr Weg. Ihre Entwicklung? Nicht linear. Am Anfang des Studiums ist sie auf Klassik fokussiert, sie will Opern singen. Mit der Zeit versteht sie, dass sie nicht reproduzieren will, sondern eigene Texte schreiben und singen. Kreativer sein. Da kommt die Einladung, mit Hubert von Goisern auf der „Linz Europa Tour“ aufzutreten gerade recht. „Das war einschneidend. Ich merkte, dass ich Violine und Gesang kombinieren kann.” Was für einen coolen Sound Craffonara mit ihrer Formation Donauwellenreiter draufhat, davon konnten sich die Zuhörer:innen im Euregio Kulturzentrum Toblach überzeugen. „Wir haben unseren Sound gefunden.” Vielen Bruneckern dürfte mittlerweile auch das VokalEnsemble 2000 ein Begriff sein, dem Craffonara seit 2018 vorsteht. „Dass ich ein Ensemble mit dieser Qualität einmal in Bruneck leiten werde, hätte ich nicht gedacht.“
10) OSWALD AUER
Der Weg ist sein Ziel – im wahrsten Sinne: Seit zwei Jahren ist Oswald Auer in seiner Freizeit unterwegs, um Wanderwege wie jene nach Amaten, Tesselberg, Mühlbach oder Kofl an Kofl im Auftrag der AVS Ortsstelle Bruneck in Schuss zu halten. Die Arbeit mit schwerem Gerät ist nicht nur sein persönliches Fitnessstudio, sondern seine Art, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Ein Glück, dass die Natur ohnehin ein fester Anker in seinem Leben ist. Während die sogenannten Wegepaten auf einzelnen Wegen eingeteilt sind und dort Markierarbeiten erledigen, ist Auer der Mann fürs Grobe, der mit Motorsäge, Pickel, Schaufel und anderen Geräten die schweren Arbeiten verrichtet. Die meisten Schäden, die der Vaia-Sturm angerichtet hat, sind mittlerweile aufgearbeitet, aber jetzt ist ja der Borkenkäfer am Zug. „Es gibt also genug zu tun.” Wenn es um Hans Unterfrauners Leidenschaft geht, ist schon die Anfahrt zu seinem Haus Programm: Der 79-Jährige wohnt in der Gebirgsjägerstraße. Überall in der Wohnung hängen große Tafeln mit hunderten Abzeichen. Über 6000 hat der Ehrenhauptmann der Brunecker Schützenkompanie von Schützentreffen, Fahnenweihen und Jubiläen gesammelt, dazu noch Anhänger und Anstecknadeln aus Kriegszeiten. Fein säuberlich geordnet auf großen Tafeln – präsentiert wie ein kleiner Schatz. Ein Hobby, das mehr ist als eine Leidenschaft, wie der 80-Jährige im Interview erzählte. Erst im April reiste Unterfrauner mit seiner Frau nach Madeira und besuchte anlässlich des 100. Todestages von Kaiser Karl I. dessen Grab. Dessen Abzeichen bedeuten ihm besonders viel. Seine Initialzündung? „Mein Großvater war immer begeistert von Geschichte, das hat mich in der Kindheit geprägt.”
12) MARIA ANTONIETTA MANCIAVILLANO
Eine der größten Herausforderung für Menschen, die aus einer anderen Region ins Pustertal ziehen? Der Dialekt. Da hilft es oft nicht einmal, wenn jemand bereits etwas Hochdeutsch kann… Der Verein FCS hat den Bedarf erkannt und bietet Dialektkurse an. Aber nicht nur: Auch Sport und andere Aktivitäten stehen auf dem Programm. „Am Ende geht es dabei vor allem um Integration”, sagt Präsidentin Maria Antonietta Manciavillano. Sie ist in Sizilien aufgewachsen und lebt seit 2004 in Bruneck. Somit weiß sie aus eigener Erfahrung, was für ein Türöffner der Dialekt im Pustertal ist. „Wer hier leben will,
tut gut daran, wenn er Dialekt wenigstens versteht. Das erleichtert vieles.“
13) PEPI FAUSTER
Die Musik begleitet Pepi Fauster schon ein ganzes Leben lang. In seiner Arbeit als Grundschullehrer, als Musikant und Kapellmeister oder im Beirat des Bereichs Musikschulen: Immer ging es darum, die richtigen Töne zu treffen. Nach 15 Jahren als Obmann hat der Niederdorfer 2022 den Verband der Musikkapellen verlassen – der Musik bleibt er weiterhin verbunden. Wie soll es auch anders sein, ist er doch seit seiner frühen Kindheit durch sie geprägt. Klarinette, Trompete, Posaune, Horn, Kontrabass, über die Jahre marschierte er förmlich „durch verschiedene Instrumente hindurch”. Neugier treibt ihn an. „Ich scheue die Abwechslung nicht.” Besonders freut ihn, dass die Blasmusik ihre negatives Image immer mehr ablegen kann. „Die Ausbildung in den Musikschulen mit den qualifizierten Lehrern hat uns einen echten Niveausprung verschafft. Wie manche Musikkapellen heute spielen, ist fantastisch. Das kann man teilweise mit dem Profibereich vergleichen.” Kann einer wie er die Stille aushalten? Ja, natürlich. „In der Stille entsteht viel. Die Gedanken brauchen Platz sich zu entwickeln.”
14) ANDREA IRSARA
Viele Wege führen zum Kochen. Der von Andrea Irsara begann am väterlichen Herd, ging über die Toskana quer durch Europa und wieder zurück in die Heimat: Abtei. Hier führt er zusammen mit seiner Frau das Hotel Gran Ander (das ist Ladinisch und heißt große Höhle, wie die Höhle auf dem Berg Gardenacia, der sich hinter dem Hotel erhebt). Für seine Kochkunst ist Irsara weitum bekannt. Stüa dla Lâ, Omas Stube, heißt das kleine Restaurant, das er im Hotel führt. Drei Tische, mehr gibt es hier nicht. Was aussieht wie ein abgerissenes Blatt einer Einkaufsliste, ist das handgeschriebene Menü. Eine Erinnerung an die Zettel, mit den ihn seine Mutter damals zum Dorfbäcker zum Einkaufen schickte. Seine Wurzeln prägen Irsara – außerhalb und in seiner Küche. Viele Rezepte sind aus Großmutters Zeiten überliefert. Neues aus Altbekanntem machen und seine Gäste überraschen, das reizt ihn. „Innereien mag eigentlich keiner.” Er verfeinert Bries, Nieren, Milz und Leber, dass sie jedem schmecken. Seine Milzschnittensuppe: ein Renner. „Wenn ich irgendwo essen gehe, will ich ja schließlich auch was erleben.”
15) ANNA MIRIBUNG
Geduld, Präzision, Hingabe, Gefühl. Das und noch viel mehr braucht Anna Miribung, um einem ganz besonderen Handwerk nachzugehen: dem Geigenbau. Die 26-Jährige hat in Frankreich und Italien bei den Besten ihres Fachs gelernt und baut nun Instrumente, die ihre Heimat widerspiegeln. Im Sommer lädt sie zum Gespräch in ihre Werkstatt in Wengen. Es ist ein besonderes Atelier. Kein auf alt getrimmter Ort, der mit den Wurzeln >>
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der ladinischen Heimat spielt. Kein Betonblock, der in die Zukunft weist. Bordeauxrot – ein Container in Signalfarbe zwischen Industrie- und Handelsbetrieben. In der Mitte des Raums hatte sie eine Geige platziert. Unzählige Stunden Handarbeit und mehr als 70 einzelne Teile stecken darin. Drei bis vier Monate dauert es, bis eine Geige fertig ist. Miribung fertigt ihre nach dem metodo classico cremonese an, es ist die Methode, nach der Geigenbauer im 17. Jahrhundert ihre Instrumente gefertigt haben. Wenn es beim Bau einer Geige dem Ende zugeht, freut sich Miribung darauf, das fertige Instrument endlich in den Händen zu halten. „Ich spüre auch einen Moment der Leere”, sagt sie. Und dann fängt sie wieder von Neuem an.
16) NOAH ENNEMOSER
Wenn eine Krebsdiagnose das Leben von einem auf den anderen Tag verändert, ist die ganze Familie betroffen. Noah Ennemoser war als Oberschüler damit konfrontiert. Seine Gefühle und Erlebnisse verarbeitet er seit jeher in Texten. Auch bei der Sommerausgabe der Brunecker Krebsgespräche brachte er einen Poetry Slam über seine Erfahrungen auf die Bühne. Ein bewegender Moment, beschreibt Ennemoser darin das, was er in seiner Arbeit als Sozialbetreuer auf der Palliativstation erlebt hat, jenem Ort, an dem seine Mama gestorben ist. Seine Arbeit dort hat er nicht aufgenommen, weil er etwas aufzuarbeiten hatte. „Ich habe einfach gemerkt, dass ich in dem Bereich helfen kann, weil ich die Sicht der Betroffenen kenne.” Mit Trauernden, so seine Erfahrung, weiß unsere Gesellschaft oft nicht richtig umzugehen. „In der Akutsituation wird man aufgefangen. Dann lässt es oft nach.” Der Verlust hat ihn selbst verändert. „Ich bin sehr viel weniger materiell geworden. Lieber verbringe ich Zeit mit Menschen als ein Geschenk oder einen Gutschein zu bekommen. Das ist alles austauschbar, gemeinsame Zeit nicht.”
17) MANUEL NIEDERKOFLER
Er schaut den Bäumen sprichwörtlich beim Wachsen zu: Da ist die kleine Azalee. Die Fichte, der Ahornbaum, die Kiefer, die Lärche, der Wacholder. Ihre Wurzeln stecken in kleinen Schalen und werden jahrelang aufgezogen. Über 150 solcher Bonsai-Bäumchen stehen im Garten von Manuel Niederkofler in Sand in Taufers. Seit 2016 ist der Oberschullehrer begeisterter Anhänger der Bonsai-Zucht (und Mitglied im gleichnamigen Club in Brixen). Bei dieser Zuchtart werden Pflanzen und Sträucher, die in der Natur vorkommen, in Miniaturform in kleinen Schalen nachgebaut. „Es handelt sich um das Gegenteil von perfekten Bäumen, wie sie im Gewächshaus stehen. In der Natur ist bei einem Baum zum Beispiel ein Ast abgebrochen oder ein Tier hat sich an der Rinde gerieben. Durch Schneiden, Entrinden oder Abreißen von Ästen oder Modellierung mittels Drähten versuchen wir, diese Ästhetik auf die Bäume zu übertragen.” Das braucht vor allem Geduld und Zeit. Um einen Ast an der Stelle zu haben, wo er sein soll, können schon mal locker zwanzig Jahre vergehen.
18) MARION FEICHTER
Sie ist im Jazz und Pop zuhause, sie kann die lauten und die leisen Töne: Wenn Marion Feichter singt, dann wird sie zum Klangkörper und berührt mit ihrer Stimme. Die setzt die gebürtige Bruneckerin seit jeher in unterschiedlichen Genres und Formationen ein. Im September folgte ein weiterer Meilenstein ihrer Karriere: die Präsentation von „The Age of Unease”, ihr erstes Album. „Die Stücke gehen zurück in meine Kindheit, in Schul- und Studienzeit und alle Phasen danach. Ich gehe da durch, alles wird in dem Prozess behandelt, von allen Zeiten gibt es irgendwo eine Textzeile, einen Sound, ein Gefühl.” Feichter, die als freischaffende Musikerin mit ihrem Mann in Hamburg lebt, hat eine gute Balance gefunden zwischen festen Jobs (zwei Tage in der Woche unterrichtet sie an der Uni) und ihren freien Arbeiten (Coachings für Bands, Privatschüler und die vielen unterschiedlichen Formationen). Ihre kreative Seite zeigt sie auch in der Gestaltung: Cover und Flyer designt sie selbst. „Im Kindergarten habe ich am liebsten gezeichnet. Und irgendwie komme ich da gerade zurück.“
19) ANITA MANCINI
Wenn es um das Thema Wasser geht, ist Anita Mancini in ihrem Element. Stundenlang könnte sie über dessen Eigenschaften reden. Schweres und leichtes gibt es, süßes, salzarmes, salzreiches und bitteres – nur Gedanken darüber machen sich die wenigsten in einem wasserreichen Land wie Südtirol. Mancini liebt es seit jeher, den Dingen auf den Grund zu gehen. Schon ihr Großvater, der als Selbstversorger in einem Nationalpark im Alto Lazio lebte, erzählte ihr viel über das Lebenselixier Wasser. Doch zunächst führt ihr Weg zum Wein und sie macht die Ausbildung zur Sommelière. Als sie nach einem schweren Motorradunfall im Krankenhaus liegt, will sie ihrem Körper Gutes tun und trinkt viel Wasser. Sie fragt sich, warum manches Mineralwasser den Durst löscht, anderes nicht? Eine Auszeit als Naturparkbetreuerin in Prettau bestärkt sie, noch mehr über Wasser zu lernen. In vielen Jahren eignet sie sich ihr großes Wissen an. Sie macht die Ausbildung zur Idrosommelier© und hält in ganz Europa Wasserseminare. Wer ihr zuhört, wird beim nächsten Restaurantbesuch garantiert die Etikette der Mineralwasserflasche studieren. „Wasser ist die Basis von allem”, sagt sie.
Reinhold Stoll bewegt sich in zwei Welten. Wer ihn an seinem Arbeitsplatz in Taisten besucht, kann beide erleben. Da ist die Werkstatt, in der er aus Holz das schafft, was man von einem Tischler kennt: Küchen, Wohnzimmermöbel, Tische, Stühle. Im Raum oberhalb der Werkstatt ist es, als schlendere man durch eine Galerie, in der ganz ungewöhnliche Stücke ausgestellt sind. Gemeinsam ist den beiden Bereichen der verwendete Rohstoff: Holz. Diesen Rohstoff kennt Stoll in- und auswendig, er beherrscht den Umgang damit so gut, dass er für seine Handwerkskunst mehrfach ausgezeichnet wurde. Zuletzt erhielt er für einen Tisch den Bayerischen Staatspreis für Gestaltung. Ein Ritterschlag. Im Gespräch erzählte er, wie er entdeckt hat, dass ihm die moderne Form entspricht und warum er sich immer wieder selbst Aufgaben stellt. „Sie sind frei von Zweck und Maßvorgaben, müssen also keinen Ansprüchen anderer gerecht werden.”
21) MARA IRSARA
Als Architektin denkt Mara Irsara die Innenräume vor allem aus der Sicht der Menschen. Als Schmuckdesignerin kreiert sie individuelle Stücke. Wer genauer hinschaut, entdeckt dabei eine Formensprache, die zwischen beiden Bereichen fließend verläuft und immer wieder Kunst aufblitzen lässt. In ihrer Wahlheimat London bringt die Bruneckerin beides unter einen Hut. Ihre Arbeit bei AB Rogers Design zielt darauf ab, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. „Es geht um die Frage, wie die Architektur helfen kann, dass Menschen sich wohlfühlen, dass ein Gebäude einen Sinn ergibt”, sagt sie. Freitags ist ihr Werkstatt-Tag. Dann taucht sie ein ins Goldschmiedehandwerk und fertigt Stücke, die auch ihren architektonischen Background widerspiegeln. Die Liebe zum Schmuck hat ihre Wurzeln schon in der Kindheit. „Mit sieben Jahren habe ich meine Mama gefragt, ob sie mich zum Gabrielli in der Brunecker Stadtgasse bringen kann, weil ich Goldschmuck machen wollte.” Am Ende fing sie mit dem Handwerk auch an, weil sie den Wunsch hatte, „wieder mehr mit den Händen zu machen”.
22) VERONIKA OBERBICHLER
Es ist kein leichtes Thema, mit dem sich Veronika Oberbichler auseinandergesetzt hat. Wut, Trauer, Unverständnis – wer ihr Buch in den Händen hält, wird all das fühlen. Darin hat die Psychotherapeutin die Gespräche festgehalten, die sie mit Missbrauchsopfern geführt hat. Sie heißen Elena, Barbara, Lisa, Markus. Sie wurden von Familienangehörigen, vom Nachbarn, dem Dorfpfarrer, dem ersten Freund, von Fremden missbraucht. Sie erzählen ihre Geschichte auch, um Kontrolle über das, was ihnen widerfahren ist, zurückzubekommen. Und um andere zu schützen, dass ihnen nicht Ähnliches passiert. Viele Publikationen zum Thema Missbrauch gibt es hierzulande nicht. Warum das Buch gerade jetzt? „Es ist ein guter Moment, weil wir alle durch Corona mit der eigenen Verletzlichkeit in Berührung gekommen sind. Wir sind sensibler geworden für menschliche Belange”, so Oberbichler. Die große Resonanz auch in den Medien zeigt: Es ist höchste Zeit, darüber zu reden.
23) SIEGFRIED KLAMMER
Er hat ein Bauunternehmen, eine Tischlerwerkstatt und ein Schotterwerk geführt, er hat sich für ein hiesiges E-Werk und eine Industrie- und Handwerkszone eingesetzt, er hat Politik gemacht und das Ahrntal geprägt. Siegfried Klammer, 92 Jahre, hat Arbeit nach der Überzeugung gelebt, dass vieles möglich ist. Ende November erschien das Porträt über einen, der im Leben nie „stille sein konnte”. Zum Gespräch über sein Leben lud er in den Ahrntalerhof ein. Das Hotel steht an den Ausläufern von St. Johann und hat erst vor Kurzem seine Tore geschlossen. Klammer hatte das Hotel für seine Frau errichtet, weil sie gerne ein Hotel führen wollte. Er selbst dirigierte indes seine Baufirma weiter. Den Betrieb hatte er einst nach dem frühen Tod des Vaters mit gerade einmal 22 Jahren übernommen und stetig weiterentwickelt. Auch die Ahrntaler Bauindustrie, die auf Fassaden und Balkone spezialisiert ist und heute nur noch unter Ahrntaler firmiert, baute er auf. Mit seinen über 90 Jahren ist er noch jeden Tag in seiner Tischlerei unterwegs, die er sich im Nebengebäude eingerichtet hat. Hier fertigt er Kreuze und Glockentürme. „Im Tun fühlt man sich weniger krank”, sagt er.
24) BIRGIT MAIR AM TINKHOF
Eigentlich ist Birgit Mair am Tinkhof gelernte Kindergärtnerin. Aber als sie mit ihrem ersten Sohn in Mutterschaft ist, beschließt sie, eine Kochausbildung zu machen. Die Liebe zum Kochen hat sie von ihrer Mama. Schon als kleines Mädchen sitzt sie neben dem Herd und schaut dabei zu, wie die Mutter, inspiriert von Zeitungen und Kochbüchern, immer neue Rezepte ausprobiert und köstliche Gerichte auf den Tisch bringt. Als Mair am Tinkhof bei einer Bekannten die Vorführung einer Küchenmaschine besucht, ist sie hin und weg. Sie kauft die sogenannte „Bimby” und kocht und kocht. Irgendwann fängt sie an, ihre Kreationen auf einem Blog vorzustellen. Als sie das Angebot bekommt, als Vertreterin der Küchenmaschine zu arbeiten, sagt sie zu. Innerhalb kürzester Zeit wird sie Teamleiterin und ist nun für 50 Mitarbeiter:innen zuständig. Jetzt in der Weihnachtszeit teilt sie auf ihrem Instagram-Account mit einer ebenfalls kochbegeisterten Freundin jede Woche ein Porridge-Rezept. „Vielleicht bringen wir irgendwann ein Rezeptbuch heraus.” //