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Biodiversitätsmonitoring: Die Artenvielfalt in den Wiesen und Weiden des Pustertals
von Julia Strobl
Seit 2019 erheben Forscherinnen und Wissenschaftler von Eurac Research die Artenvielfalt in den wichtigsten Lebensräumen in Südtirol. Im Morgengrauen erheben sie das Vorkommen der Vögel, tagsüber hechten sie Tagfaltern nach oder keschern den das Gras und Hecken mit einem Netz ab, um das Vorkommen von Heuschrecken zu untersuchen. Sie bestimmen die Gefäßpflanzen bis zum kleinsten Grashalm und montieren Ultraschallaufnahmegeräte, sogenannte Batlogger, welche über Nacht das Treiben der Fledermäuse dokumentieren. Das Team des Biodiversitätsmonitorings Südtirol, welches diese Erhebungen vornimmt, war 2022 vermehrt im Pustertal unterwegs und hat hier ganze 16 Erhebungspunkte an Land untersucht. Derzeit sind die Forscherinnen und Forscher damit beschäftigt, die im Sommer gesammelten Daten auszuwerten. Einige vorläufige Ergebnisse können sie jedoch bereits präsentieren.
WIESEN UND WEIDEN
Die Landschaft Südtirols ist durch eine jahrtausendealte Nutzungsgeschichte geprägt. Um Kühe, Schafe und Ziegen zu füttern, schuf der Mensch großflächig Weiden und Wiesen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Landwirtschaft stark verändert. Wiesen werden vielfach früher und öfter gemäht und auch stärker gedüngt. Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Biodiversität. Das Forscherteam untersucht, wie sehr sich die Änderung der Landnutzung und der Klimawandel auf den Artenreichtum in den Wiesen und Weiden auswirken. 2022 hat das Team im Pustertal eine Weide bei Issing, zwei Wiesen in Gsies, sowie eine oberhalb von Toblach, eine extensive Wiese oberhalb von Sexten und eine weitere oberhalb von Innichen untersucht.
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DIE WELTWEIT ARTENREICHSTEN LEBENSRÄUME
Vom Menschen genutztes extensives Grasland ist weltweit der Lebensraum mit den meis-
ten Pflanzenarten auf kleinem Maß-
stab. Dementsprechend konnte die Botanikerin Lisa Angelini am Erhebungspunkt auf den Gsellwiesen in Sexten ganze 58 Pflanzenarten auf 100 m2 erheben. Fast genauso viele Arten kamen auf den weiteren extensiven Wiesen bei Toblach und Innichen vor, nämlich 57 an der Zahl. Auf der Innichner Wiese kamen zudem drei Besonderheiten vor: Die Hartmann-Segge, der Große Wiesenkopf und das Echte Mädesüß. Alle drei haben außerdem einen besonderen Anspruch an ihren Lebensraum: Sie können nur in feuchten und extensiv genutzten Lebensräumen überleben. Auf den intensiver bewirtschafteten Wiesen kamen im Vergleich dazu nur 17 bzw. 28 Pflanzenarten vor, darunter hauptsächlich Arten, die robust sind und keine besonderen Ansprüche an ihren Lebensraum haben.
Der gefährdete Neuntöter ist auf Randstrukturen wie Hecken und Büsche angewiesen, da er dort seinen Nistplatz einrichtet. Außerdem fängt er hauptsächlich große Insekten und Mäuse und spießt diese dann an den Dornsträuchern auf. Heute fehlen diese Strukturen oft. Adobe Stock
VÖGEL IN WIESEN UND WEIDEN
In Bezug auf die Vögel war die Weide bei Issing am artenreichsten: Ganze 19 Vogelarten konnte der Ornithologe Matteo Anderle hier in erster Linie anhand ihres Gesangs bestimmen. Darunter auch der seltene und gefährdete Neuntöter. Diese Vogelart ist auf extensive Wiesen und Weiden angewiesen, da sie nur hier eine mögliche Nahrungsgrundlage, sowie die Büsche und Hecken findet, in denen sie brütet. Zwei weitere interessante Arten konnte Anderle im Pustertal erheben: Das Birkhuhn auf der extensiven Wiese oberhalb von Innichen, wo der
Elia Guariento konnte das schöne Tagpfauenauge in einer extensiven Wiese bei Sexten erheben. Eurac Research/Michael Steinwandter Der Ornithologe Matteo Anderle erspähte das Auerhuhn auf den Außergsellwiesen. Eurac Research/ Jarek Scanferla
Ornithologe insgesamt 16 Arten bestimmen konnte, und das Auerhuhn auf den Gsellwiesen, wo der Vogelexperte insgesamt 11 Arten ausmachen konnte. Beides sind Arten, die nur noch selten in Südtirol vorkommen, da auch ihr Lebensraum in den letzten Jahrzehnten zusehends verschwunden ist. Eine weitere gefährdete Art, den Bluthänfling, konnte der Ornithologe in der Wiese im Gsieser Karbachtal erheben. Hierbei handelt es sich um einen Heckenbrüter, er benötigt Randstrukturen wie Büsche und Hecken, um seine Brut aufziehen zu können. Er profitiert von der reich strukturierten Landschaft mit Wiesen, Gebüsch und großen Nadelbäumen an der Waldgrenze.
TAGFALTER IN DEN PUSTERER GRASLÄNDERN
Auch was die Tagfalter angeht, zeigten sich die 2022 untersuchten Wiesen und Weiden des Pustertals artenreich: In der extensiven Wiese oberhalb von Sexten konnte der Tagfalterexperte Elia Guariento sogar 20 Schmetterlinge erheben. Darunter das schöne Tagpfauenauge, dessen Raupen auf Brennnesseln fressen. In der extensiven Wiese bei Innichen kamen 18 Tagfalterarten vor. Darunter die beiden seltenen Arten Wachtelweizen-Scheckenfalter und Baldrian-Scheckenfalter. Überrascht hat Guariento auch
Extensive Wiesen und Weiden sind ein äußerst wichtiger Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Eurac Research
die Weide bei Issing. Hier kamen 16 Tagfalterarten vor. Aber das besondere hier war die schiere Anzahl an Schmetterlingen insgesamt: Ganze 186 Tagfalterindividuen hat er gezählt. Im Vergleich dazu kamen auf den extensiven Wiesen 50 (Wiese bei Sexten) und 57 (Wiese bei Innichen) vor, auf den weiteren Wiesen waren zwischen 43 und 54 Individuen unterwegs.
DAS BIODIVERSITÄTSMONITORING
Seit 2019 wird das Biodiversitätsmonitoring Südtirol von Eurac Research in Zusammenarbeit mit dem Naturmuseum Südtirol, den Abteilungen Landwirtschaft, sowie Natur, Landschaft und Raumentwicklung durchgeführt und von der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol finanziert. Untersucht werden die wichtigsten Lebensräume Südtirols, verteilt über das ganze Land: Wälder, Feuchtlebensräume, Siedlungsgebiete, alpine Lebensräume, Fließgewässer, Äcker und Dauerkulturen, sowie Wiesen und Weiden. 360 Standorte an Land und 120 Fließgewässerstandorte werden in einem Zeitraum von fünf bzw. vier Jahren untersucht. Danach wird der Erhebungszyklus wiederholt, um Veränderungen und Tendenzen feststellen zu können. Das Langzeitprojekt dient einerseits der Grundlagenforschung, andererseits will es die Basis für wissenschaftliche Entscheidungen in Punkto Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung liefern. // js
DER AUSBLICK
Im Jahr 2023 werden die Wissenschaftlerinnen und Forscher den Zyklus von fünf Erhebungsjahren abschließen. Daraufhin kehren sie an die untersuchten Gebiete zurück und können so Veränderungen in der Landnutzung und in der Artenvielfalt feststellen. Die Ergebnisse werden kontinuierlich kommuniziert und auch der Landesregierung zur Verfügung gestellt. //
Wir suchen MITARBEITER
Tel.: 0472 86 90 29 www.gruber-steinmetz.it