INNOVATOR by The Red Bulletin DE 2019 #1

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Sie hat den Hunger satt

Zockst du genug?

Wie Gaming dich schlau, gesund und erfolgreich macht

THE RED BULLETIN INNOVATOR 01/2019

Mit welchen Ideen Nina Schröder die Menschheit ernähren will

18 Tipps gegen Ablenkung im Alltag und im Büro

AUSGABE DEUTSCHLAND

DAS SIND DEUTSCHLANDS NEUE AUTOBAUER Wie die Gründer von Sono Motors unsere Mobilität neu erfinden

INNOVATION UNLOCKED

Volle Konzentration

Laurin Hahn, Jona Christians und Navina Pernsteiner mit dem Solar-Elektroauto Sion

01/19 EURO 2,50




EDITORIAL

I N N O V AT O R

Die treiben uns an

Nach dem Termin bei Sono Motors in München kam Moorstedt („SZ“, „Wired“) erst mal nicht vom Fleck. Das nächste Carsharing-Auto? 3,9 Kilometer entfernt. Der Bus? Verspätet. Für ihn kann die Zukunft der Mobilität gern kommen. Seine Story dazu ab S EIT E 30

Urban Zintel Er fotografiert Personen der Zeitgeschichte wie Angela Merkel, ­Roger Waters oder Lukas Podolski. Für uns lichtete er Nina Schröder ab, die auf ihre Art einen Unterschied machen will: indem sie den Welthunger mit Innovationen bekämpft. S EIT E 24

Auch Computerspiele wollen uns zunehmend fit für die Zukunft machen. Gaming bedeutet längst mehr als Ballern – und wie sehr wir davon bereits im Alltag profitieren können, erklären wir in unserem Gaming-Dossier ab Seite 70 – das eindrucksvoll aufzeigt, wie du durch Zocken gesünder, schlauer und glücklicher wirst. Und damit du bei all den Möglichkeiten nicht den Blick fürs Wesentliche verlierst, erklärt Produktivitäts-Experte Chris Bailey ab Seite 64, wie du im digitalen Alltag deinen Fokus schärfst. Viel Spaß beim Lesen! Die Redaktion

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INNOVATOR

ROBERT WUNSCH (COVER)

Tobias Moorstedt

Als Jugendliche war ihnen ein eigenes Smartphone wichtiger als ein eigenes Auto – heute erfinden sie den Pkw neu. Die Gründer von Sono Motors stehen für eine neue Bewegung deutscher Mobilitäts-Vordenker, die schaffen wollen, woran Generationen vor ihnen scheiterten: eine nachhaltige Verkehrswende. Ab Seite 30 schauen wir uns das Münchner Start-up ganz genau an und stellen sechs weitere junge Unternehmen vor, die uns schon heute vorwärts bringen.


WWW.RADON-BIKES.COM

THE MOBILITY SOLUTION FROM 1817 TILL INFINITY.


INHALT Lift ohne Grenzen Senkrecht, waagrecht, kein Problem: So fährt der Aufzug von morgen.

Gläsernes Insekt

Ein Forscher macht Fliegen transparent und Alzheimer-­ Patienten Hoffnung.

Meditation to go Diese App schärft deine Wahrnehmung.

Robo-Retter

Ein Hightech-Held aus Titan geht für dich durchs Feuer.

GUIDE 88 92

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S AV E T H E DAT E

Dein Eventplan Die innovativsten Termine der nächsten Monate. LABORBEFUND

Die Datenlampe So übertragen wir in Zukunft Informationen. TA L E N T S C H M I E D E

Campus Upgrade

Ein Riesenrochen gegen Plastikmüll Der spektakuläre Plan einer Architektin für saubere Ozeane.

Was dein Atem bewegen kann Diese Liege steuerst du mit deiner Lunge.

Nummer 6 lebt Eine Forscherin arbeitet an einem neuen Finger.

Aroma-Revolution Wie wir unser Essen länger genießen können.

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Neues Personal

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Land unter in Amsterdam

KO L U M N E

Gründer Rubin Lind, 19, erklärt, was Talente von einem Job erwarten. T EC H H I G H L I G H T

Wieso ein holländischer Künstler den Museumsplatz mit Licht flutet.

Die besten Ideen aus dem Programm Red Bull Basement University.

INNOVATOR

ZITA LUITEN

BULLEVARD 16 10 12 18 14 20 15 22


52 REPORTAGE

Volle Sonnenkraft voraus

Mit dem Solarauto zum Südpol – ein ExtremAbenteuer im Zeichen der Nachhaltigkeit.

INNOVATOR

I N N O V AT O R

FEATURES

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S O CI A L EN T R EP R EN EU RS H I P

Innovationen satt UN-Expertin Nina Schröder erklärt, mit welchen Ideen wir den Hunger besiegen.

C OV ERS TO RY

Kollektiver Antrieb Wie eine neue Generation deutscher Mobilitätsdenker das Auto und unseren Verkehr revolutioniert.

P RO D U K T-T I P P S

Geniale Garten-Gadgets Pflanzenkapseln, smartes Gießen, Lautsprecher am Karabinerhaken und mehr Hightech fürs Grüne.

I N T ERV I E W

„Du brauchst keine Likes“ YouTube-Heimwerker-Star Fynn Kliemann verrät sein Erfolgsrezept.

H OW TO

So bleibst du konzentriert Produktivitäts-Experte Chris Bailey gibt Tipps, wie du trotz E-Mails, Push-Nachrichten und Co deinen Fokus schärfst.

GAMING

Zockst du genug? Schlauer, gesünder, motivierter: Diese neuen Computerspiele machen dich fit fürs Berufsleben und den Alltag.

E S SAY

Die neuen Alten Von wegen Jugendwahn: warum Senioren die High Potentials der Zukunft sind – und weshalb uns das freuen sollte.

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I N N O V AT O R

Meditation zum Mitnehmen, rettende Roboter und durchsichtige Fliegen für die Hirnforschung – bahnbrechende wissenschaftliche Er­rungenschaften aus aller Welt.

BULLEVARD

JOHANNES LANG

IDEEN FÜR EINE BESSERE WELT

INNOVATOR

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B U L L E VA R D

TRANSPORT

BITTE ALLE AUFSTEIGEN

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INNOVATOR

JOHANNES KORNACHER THYSSENKRUPP ELEVATOR

Die Zukunft der Städte, ebenso bekannt wie ­logisch, liegt im Himmel. Der Platz auf dem Boden ist ­limitiert, intelligente Orga­ nisation nach oben öffnet ­jedoch neue Räume – und ­beinahe unbegrenzte urbane ­Lebensmöglichkeiten. Voraus­ setzung dafür sind flexible Transportsysteme. Schritt eins wurde bereits vor 160 Jahren gesetzt: Man begann Kabinen in riesigen Schächten an Seilen auf- und abzuziehen. Seither ist das Aufzugsprinzip unverändert. Aber ist es noch zeitgemäß? Allein 2010 verbrachten New Yorks Büromenschen 16,6 Jah­ re Wartezeit vor Aufzügen (um damit dann 5,6 Jahre zu fahren). Schritt zwei der Er­

JOHANNES LANG

U-Bahn in 3D: Der Aufzug von morgen fährt senkrecht und waagrecht. Vernetzt Gebäude und Menschen. Spart Platz und Zeit.


I N N O V AT O R

oberung der dritten städti­ schen Dimension soll jetzt ­folgen: Der „Multi“ verbindet Vertikale und Horizontale, fährt hoch wie ein Aufzug, vernetzt aber auch benach­ barte Gebäude miteinander. Die 8-Personen-Kabinen des „Multi“ (laut „Time“-Ma­ gazin eine der 25 besten Ideen des Jahres 2017) verkehren in ­einer Endlosschleife seillos auf Magnetfeldern wie eine dreidimensionale U-Bahn. „Wir reduzieren Wartezeiten erheblich, weil wir viele ­Kabinen zirkulieren lassen“, sagt Thyssenkrupp-Projekt­ manager Benjamin Brandes.

„Multi“ in Aktion: keine Seile oder Gegengewichte, dafür Carbonwerkstoffe und Linearmotoren.

Gar nicht mal so ferne Zukunftsstudie: Der „Multi“ soll schon ab 2020 unser urbanes Leben revolutionieren.

INNOVATOR

„Passagiere können alle 15 bis 30 Sekunden einsteigen.“ Die Förderleistung des Auf­ zugs der Zukunft soll um rund 50 Prozent höher liegen als die seines amtierenden ein­ dimensionalen Vorgängers. Carbonwerkstoffe, der Wegfall von Seilen und Gegengewich­ ten sowie reduzierter Platz­ bedarf geben dem Projekt öko­ logisch und ökonomisch Sinn. Der erste kommerzielle „Multi“ im Berliner East Side Tower soll schon 2020 fertig sein. multi.thyssenkruppelevator.com   11


B U L L E VA R D

MARKO PENDE PHD -STUDENT

Pende forscht im Zuge einer Kooperation des Instituts für Festkörper­ elektronik der TU Wien mit dem Center for Brain Research der MedUni Wien.

FORSCHUNG

DIE ­GLÄSERNE FLIEGE

Wie es einem jungen Forscher ­ elang, Fliegen durchsichtig zu g ­machen, und warum das Hoffnung für Alzheimer-Patienten bringt.

Fruchtfliegen nerven. Vor allem im Obstkorb. Wer das nächste Mal die zwei bis vier Millimeter kleinen ­Insekten zu verscheuchen geneigt ist, sollte bedenken: Die Tiere haben einen enormen Nutzwert für uns Menschen. Sie teilen 60 Prozent der DNA mit uns – und für rund 75 Prozent der menschlichen Gene, die für Krankheiten verantwortlich sind, findet sich ein Äquivalent in der Fliege. Genau darum ist ein unlängst geglückter Coup der TU Wien so bemerkenswert: Ein Team rund um Doktorand Marko Pende konnte erstmals Fruchtfliegen durchsichtig 12

Transparente Fliege: Ein neues Verfahren macht das Nerven­ gewebe (in Grün) des Insekts von außen sichtbar.

INNOVATOR


I N N O V AT O R

„WENN JEMAND MIR SAGT, DASS MEINE METHODE SEHR EINFACH IST, SEHE ICH DAS ALS KOMPLIMENT.“

TU WIEN

KATHARINA KROPSHOFER

JOHANNES LANG

machen – und zwar mittels Lichtbrechung und Lichtband­ mikroskop. „Wird das Licht ­immer im gleichen Winkel ­gebrochen, kann etwas durch­ sichtig gemacht werden“, er­ klärt Pende. „So wie ein Trop­ fen Öl, der ein Blatt Papier transparent erscheinen lässt.“ Anhand fluoreszierender Moleküle werden dann gewisse Bereiche im Gewebe, etwa das Nervensystem, markiert, womit sie unter dem Mikro­ skop (siehe Foto) erkennbar sind. Diese Methode ermög­ licht eine Gewebsanalyse mit unversehrten Strukturen. Und das ist einzigartig. Denn bis­ her musste man das Gewebe Schicht für Schicht zerschnei­ den – mit einer Schnittbreite von rund fünf Mikrometern (1000 µm = 1 mm). Pendes Weg hingegen ist nichtinvasiv: Er legt die präparierte Fliege in ein Chemikaliengemisch ein – und macht sie so trans­ parent. „Wenn mir jemand sagt, dass meine Methode sehr einfach ist, sehe ich das als Kompliment. Wir glauben, dass man das Verfahren auch bei anderen Organismen an­ wenden kann.“ Forscher wollen nun die Verschaltungen im Nerven­ system, also den „elektrischen Schaltplan“, der Fruchtfliege entschlüsseln. Und in weiterer Folge wichtige Erkenntnisse über neurodegenerative Er­ krankungen wie Alzheimer und Parkinson gewinnen. tuwien.ac.at

INNOVATOR

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B U L L E VA R D Megan Jones Bell: In ihrer Jugend selbst ­depressiv, heute trägt sie zum Wohlbefinden von Menschen auf der ganzen Welt bei.

LEBEN

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Verspieltes Design, Gamification-Ansatz, für iOS und Android optimiert. Ausprobieren kostet nichts, das „Headspace“-­ Monatsabo gibt’s um 9,99 Euro.

INNOVATOR

STEPHANIE FUCHS

28 Millionen Downloads: Da scheint jemand etwas nicht ganz falsch gemacht zu haben. Das britisch-amerika­ nische Unternehmen Head­ space bringt den globalen Meditations­trend als App aufs Handy und macht es damit zu einem digitalen Fitnessstudio für den Geist. Die Klinische Psychologin Megan Jones Bell ist Chief ­Science Officer von Head­ space, sie untersucht die ­Wirkung von Achtsamkeits­ meditation. Und die ist ver­ blüffend: Bereits zehn täg­ liche Minuten konzentriertes Gefühlsmanagement reichen,

um Stress, Aggression oder Selbstzweifel in den Griff zu bekommen und die körper­ liche und geistige Gesundheit zu stärken – und dabei ist die Meditation mittels App ebenso wirkungsvoll wie jene unter persönlicher Anleitung. Dabei liegt das Ziel der drei- bis sechzigminütigen Headspace-Meditationen gar nicht darin, einfach nur den Kopf frei zu bekommen. „Es geht vielmehr darum, die ­eigene Wahrnehmung zu schärfen“, sagt Jones Bell. In den geführten Sessions lernen die User, Emotionen zur Kenntnis zu nehmen, ohne sie zu bewerten. „Wer zulässt, dass sich Gefühle wie auf einer weißen Lein­ wand vor einem ausbreiten, verändert auf lange Sicht seine Beziehung zu ihnen und kann sich von ihnen ­befreien.“ headspace.com

DAVID VISNJIC

Das Unternehmen Headspace macht Meditation zu einem massentaug­lichen Ritual – und die Welt damit gesünder: Wie? Mit einer App, die uns beibringt, aufmerksamer zu leben.

JOHANNES LANG

ZEN TO GO


I N N O V AT O R

ERSTE HILFE

ROBORETTER

IIT-ISTITUTO ITALIANO DI TECNOLOGIA

WOLFGANG WIESER

Dieser Roboter geht für dich durchs Feuer – als Helfer bei Bränden und Erdbeben. Seinen ersten Härtetest? Hat er bereits bestanden.

Titan-Feuerwehrmann: Der „WalkMan“ sieht aus wie ein Terminator, ­unterstützt aber die Rettungskräfte.

1,85 Meter groß, 62 Zentimeter breite Schultern, 102 Kilo schwer – das ist „Walk-Man“, der FeuerwehrRoboter, der Rettungskräfte im Einsatz unterstützt. Sein Körper besteht zu 60 Prozent aus Ergal, einer Aluminium­ legierung, speziellen Magne­ siumlegierungen, Titan und Eisen. Erschaffen wurde er am Istituto Italiano di Tecnologia in Genua. Wenn Menschen am Einsatzort aufgeben müssen, dringt der Walk-Man weiter vor. Eine erste Mission absolvierte er nach dem Erdbeben in Amatrice, Italien, er ist aber auch für Nuklear- und Chemieunfälle gewappnet. Gesteuert wird der WalkMan von einem Operator, ­Kameras und Sensoren liefern permanent Informationen. Dank ­einer neuen 1-kWh-Batterie reicht seine Kraft mittlerweile für zwei Stunden.  www.iit.it INNOVATOR

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FILTERN WIR DIE MEERE!

Weltproblem Plastikmüll: Eine deutsche Architektin hat einen neuen Ansatz zu dessen Lösung entwickelt. Ehrenamtlich.

MARCELLA HANSCH ARCHITEKTIN

arbeitet neben ihrem Vollzeitjob für die Rettung der Meere. Ein 34-köpfiges Team aus Ehrenamtlichen unterstützt sie.

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namens Pyrolyse in Wasserstoff und Kohlendioxid umgewandelt werden. An deren Umsetzbarkeit arbeitet ein 34-köpfiges internationales Team von Ehrenamtlichen – wie Hansch selbst. Sie investiert neben ihrem Vollzeitjob als Architektin jede freie ­Minute in ihre Erfindung. ­Aktuelles Projekt: ein Prototyp, der Kunststoff schon an Flussmündungen abfängt, bevor er ins Meer gelangt. In fünf Jahren soll er fertig sein. pacific-garbage-screening.de

INNOVATOR

PACIFIC GARBAGE SCREENING E.V. JOHANNES LANG

U M W E LT

Das Problem wird sich erstens nicht von selbst lösen: 450 Jahre dauert es durchschnittlich, bis sich Plastik­müll im Meer zersetzt. Zweitens wiegt es zunehmend schwerer: 13 Millionen Tonnen davon geraten Jahr für Jahr in die Meere. Drittens wird das Problem immer größer, je ­kleiner die Müllteile werden: Denn Plastik wird zu Mikroplastik, sinkt bis zu 50 Meter in die Tiefe und wird von ­Fischen und anderen Meerestieren gefressen – bevor es beim Menschen auf dem ­Teller landet. Marcella Hansch, 32, ist hauptberuflich Architektin. Doch ihre Berufung fand die Aachenerin im Kampf gegen den Kunststoff. „In meiner Umgebung traut sich niemand mehr, Einweg-Trinkhalme zu verwenden.“ Ihr Schlüssel­ moment: „Als ich beim Tauchen vor den Kanaren mehr Plastiktüten als Fische sah – da wusste ich, ich muss etwas unternehmen.“ Hansch ent­ wickelte „Pacific Garbage Screening“, eine schwimmende Plattform, die direkt in einem Strudel treibenden Mülls verankert wird. Sie ­beruhigt den Strudel und ­ermöglicht es so, dass die leichten Mikropartikel im Wasser aufsteigen. An der Oberfläche können sie ab­ geschöpft und entfernt werden. Da die Maschine ohne Netze und Filter auskommt, können Fische unbehelligt durchschwimmen. Auch zur Beantwortung der Frage, was mit dem aus dem Meerwasser gefilterten Müll geschehen soll, gibt es bereits eine erste Idee: Die Teilchen könnten mittels ­eines chemischen Vorgangs

SASKIA JUNGNIKL

B U L L E VA R D


I N N O V AT O R Pacific Garbage Screening sieht wie ein 400 × 400 Meter großer Rochen aus. ­Innen mit Räumen für Crew, Maschinen und Material versehen, ist es mit Drahtseilen am Meeres­boden verankert.

QUERSCHNITT

Plastik ist leichter als Wasser – diese Erkenntnis macht sich das PGS zu­ nutze. Die unter dem Wasser liegenden Kämme beruhigen die Meeresströmung punktuell so, dass Plastikteilchen an die Oberfläche steigen und abgeschöpft werden können.

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B U L L E VA R D

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JOHANNES LANG

Der österreichische Mentalcoach Roland Bachstein hat eine Liege erfunden, die durch den eigenen Atem betrieben wird – und deine psychische und physische Power stärkt.

WOLFGANG WIESER

BESCHWINGT ZU NEUEN KRÄFTEN

LOUNGE8/UDO MITTELBERGER

B O D Y  A N D M I N D

Keine Batterie. Kein ­Stecker. Kein Motor: ­Angetrieben wird die lounge8Schwingliege von einem verblüffend simplen Prinzip: dem eigenen Atem. Genauer: Wer auf der lounge8 Platz nimmt und dabei ganz normal einund ausatmet, versetzt das Möbel in sanfte Schwingung. Und zwar in eine, die bei ruhiger Atmung eine verstärkte Gehirnaktivität im 8-HertzBereich auslöst. Dieser Wert markiert die den Übergang vom Bewusstsein zum Unterbewusstsein. Oder wie Roland, Erfinder der lounge8, sagt: „Das ist eine satte Entspannung. Da bist du noch nicht weg, fühlst dich aber ­gelöst und ruhst in dir. Allein mittels der Frequenz der e­ igenen Atmung gelangst du in einen quasi-meditativen Zustand, entspannst dein ­Gehirn und steigerst letztlich deine Leistungsfähigkeit.“ Die Idee zur lounge8 kam dem Mentalcoach, Jahrgang 1964, bei einer Zugfahrt von Feldkirch in Vorarlberg nach Wien. Dabei bemerkte er, dass ihn das gleichmäßige Ruckeln der Bahn so entspannte, dass er gar nicht anders konnte, als seinen Laptop wieder zuzuklappen. Bis zur Serienreife der Schwingliege sollte es allerdings dauern. Versuch Nr. 1 führte Bachstein in einen Baumarkt. Dort erstand er eine simple Liege und ließ sich von einem Schlosser Flacheisen anschweißen. „Das Material war viel zu hart“, erinnert er

sich. Versuch Nr. 2 scheiterte, weil sich die Edelstahlkufen unter dem Gewicht eines 120-Kilo-Testers verformten. Es folgten Nr. 3, 4 und 5 … Konstrukteur Gerald Possarnig und Industriedesigner Lukas Vonarburg brachten schließlich den Durchbruch: Heute besteht lounge8 (Maße: 190 × 64 × 88 Zentimeter) aus einem Alu-Rahmen, einer Polsterung mit integriertem Lattenrost und einem patentierten Unterbau mit zwei Cförmigen Kufen. Erste Exem­ plare sind seit dem Vorjahr in Kliniken und Suchtzentren in Betrieb, vereinzelt stehen sie auch in den Praxen von Psychotherapeuten. Mit der zweiten Serie will Bachstein auch international reüssieren. Info: lounge8.com

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I N N O V AT O R

„DIE SCHWINGLIEGE ENTSPANNT DEIN GEHIRN UND STEIGERT DEINE LEISTUNGSFÄHIGKEIT.“ Mentalcoach Roland Bachstein auf seiner ­Erfindung, der Schwing­ liege lounge8, die dich in einen quasi-meditativen ­Zustand versetzt

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B U L L E VA R D

Der zusätzliche Daumen ist ein Spiegelbild seines Gegenübers. Gesteuert wird er über Sensoren in den Schuhen.

ROBOTICS

EXTRADAUMEN HOCH!

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DANI CLODE P R O D U K T­ DESIGNERIN

Dani Clode stammt aus Neuseeland. Im Rahmen ihrer Masterarbeit entwickelte sie in London diese besondere Prothese.

sensoren eingebaut, die gleich unter den großen Zehen liegen. Diese Sensoren übertragen das Signal an den Finger per Bluetooth. Vereinfacht lässt sich sagen: Übt die Zehe Druck aus, beugt sich der zu­ sätzliche Daumen. Das Ganze funktioniert wie ein Zug­ system, ähnlich dem einer Fahrradbremse. Aktuell arbeitet die Pro­ duktdesignerin mit Neurowis­ senschaftlern des University College London zusammen. Die Frage, die geklärt werden soll: Was verändert sich in ­unserem Gehirn, wenn wir plötzlich über ein Körperteil mehr verfügen können? daniclodedesign.com

INNOVATOR

WOLFGANG WIESER

reagieren alle Probanden erst verblüfft, lachen, scheinen Un­ sicherheiten aber rasch abzu­ legen: „Es ist eine einzigartige Erfahrung“, sagt Dani Clode. Entwickelt hat die Neusee­ länderin die Prothese für ihre Masterarbeit in Produktdesign am Royal College of Art in London. Und ihr System kann sich sehen lassen: Der Finger selbst besteht aus Kunststoff und wird mithilfe eines 3DDruckers hergestellt. Er ist mit einem Handaufsatz aus Harz verbunden. Gesteuert werden die Bewegungen der Prothese mittels zweier winziger Moto­ ren und der Bewegungen des Fußes. In den Schuhen des Trägers sind dafür Druck­

DANI CLODE

Nein, es gehe nicht ­darum, fehlende oder amputierte Körperteile zu ­ersetzen. Produktdesignerin Dani Clode will mit ihrer Idee eines sechsten Fingers dem Menschen zu mehr Fertig­ keiten verhelfen. „Wir testen gerade, wie sehr die Prothese den Menschen im Alltag und im Beruf nützt – vom Uhr­ macher über den Musiker bis hin zum Tätowierer oder Kleinkind. Die Ergebnisse sind wirklich erstaunlich.“ Erste Versuchsreihen sind in einem inzwischen millionen­ fach geklickten YouTube-Video zu sehen. Hier wird mit dem Extra-Daumen zum Beispiel ein Kaktus gestreichelt oder Gitarre gespielt. Tatsächlich

JOHANNES LANG

Sechs Finger an einer Hand – Produktdesignerin Dani Clode hegt Ausbaupläne für den menschlichen Körper.


Bereit für den Campus

Thule Lithos

Schlank, strapazierfähig und funktional: Die Thule Lithos Kollektion verbindet robustes Ripstop-Material mit einer Fülle von Ablageoptionen und wird dadurch.


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GENUSS-IDEE

WIR STARTEN DIE AROMAREVOLUTION

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DR. PASCAL GUILLET, DR. LEA POKORNY GRÜNDER MICROPOW

Die beiden ­Experten haben entdeckt, dass Aromen mittels Fett geschützt werden können.

Lagerfähigkeit und macht ein kontrolliertes Freisetzen der enthaltenen Wirkstoffe möglich. Das spart Kosten, erhöht Qualität und Haltbarkeit. „Und es ist kalorienneutral“, verspricht Guillet. Seit März 2018 wird microPow über das Pioneer Fellowship der ETH Zürich unterstützt. Außerdem gibt es erste Partnerfirmen, die Interesse an der Aroma-Revolution haben. Noch kann microPow nur in geringen Mengen – im Kilogramm-Bereich – produziert werden. Das soll sich aber demnächst ändern. micropow.net, ethz.ch

INNOVATOR

JOHANNES LANG

Hüter des Ge­ schmacks: Eine ­Fettzelle umhüllt schützend Aroma­ stoffe (dunkel).

WOLFGANG WIESER

Es sind Aromen, die Kaffee nach Kaffee duften lassen oder dafür sorgen, dass Erdbeer-Kaugummi nach Erdbeeren schmeckt. Allerdings haben Aromen einen entscheidenden Nachteil: die Neigung, sich während Herstellung, ­Lagerung und Konsum allzu schnell zu verflüchtigen. Und sind sie erst mal weg, fehlt es auch an Geschmack. Ein Umstand, der Lea ­Pokorny und Pascal Guillet wissenschaftlich faszinierte. Für ihr Doktoratsprojekt an der ETH Zürich im Studienzweig Lebensmittelverfahrens­ technik beschäftigten sie sich folglich mit der Frage: Wie

kann man Aromen so ver­ packen, dass sie ihre Wirkung erst entfalten, wenn es an der Zeit ist, und diese dann möglichst lang bewahren? Die beiden fanden auch schnell eine Lösung. Und die hat mit Fett zu tun. Vereinfacht erklärt werden dabei die Aromen – also chemisch definierte Stoffe – in Fett ­verpackt, weil genau das sie weniger flüchtig macht als bisher. „Der genaue Aufbau des Prozesses ist allerdings unser Geheimnis“, sagt Guillet. Nur so viel will das Duo verraten: Das Fett wird per Zerstäuber versprüht und dabei so stark abgekühlt, dass ein Pulver entsteht, das als Träger für die Aromen dient. „Dieses Pulver sieht ähnlich aus wie Haushaltsmehl“, ­verrät Guillet. Sein Name: ­microPow. Es verbessert die

MICRO POW

Alles eine Sache des guten Geschmacks – zwei Forscher der ETH Zürich sorgen dafür, dass wir unser Essen länger genießen können.


NATÜRLICH ERFRISCHEND – KEINE ENERGY D R I N K S


Fotos U rban Zintel St yling D ore en Regel H air & M ake U p An dreas Be rnh ar t

Exit im Guten: Für ihren Kampf gegen den Welthunger ließ Nina Schröder ihr Start-up Tea­ Tales hinter sich.

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INNOVATOR


NIE WIEDER HUNGER! Tex t M a ximilian Gaub

Spinat in der Wüste anbauen, Brot per Iris-Scan kaufen, mit Drohnen Nahrungsengpässe erkennen – die Expertin des UN-Welternährungsprogamms, Nina Schröder, fördert besondere Ideen. IHRE MISSION: DEN HUNGER VON 821 MILLIONEN MENSCHEN MIT INNOVATIONEN STILLEN.

INNOVATOR

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„Ich heiße Nina, und ich liebe Salat.“ So beginnt Nina Schröder ihren ­Vortrag im Schein­werfer­ licht auf der Bühne der Münchner Kammerspiele. Hier findet an diesem Sonntag im November die Ideenkonferenz TEDx statt, und Schröder stellt die Mission ihres Lebens vor. Das mit dem Salat ist aber eine Falle ...

D

enn was zunächst harmlos­ klingt, entpuppt sich als Überleitung zu einem der drängendsten Probleme der Menschheit. Vom HipsterSandwich mit Avocado-Rührei-Salat kommt Schröder auf die Lebensmittelproduktion zu sprechen. „2½ Avocados benötigen in der Produktion­ 1000 Liter Wasser“, führt Nina Schröder aus. „Oft fehlt dieses saubere Wasser Menschen, die es zum Überleben bräuchten.“ Im Publikum herrscht nun absolute Stille. Schröder­hat in wenigen Sätzen auf den Punkt gebracht, weshalb gerade viele der ach so gesunden Food-Trends den Welthunger verschärfen. Genau diese Erkenntnis bewegte sie zu ihrer Mission: den Welthunger zu besiegen. Was wie ein verklärtes Hippieprojekt erscheint, meint sie völlig ernst. Dass sie die Welt verbessern will, merkt Nina Schröder, als sie genau das am allerwenigsten tut. Gleich nach dem Studium schlägt sie eine klassische Businesskarriere ein, sitzt als Managerin im Büro eines Konzerns für Unterhaltungselektronik. Bald fehlt ihr ein tieferer Sinn in ihrer Arbeit, sie will etwas bewegen. 26

Also gründet sie 2014 Tea Tales, ein Start-up, das Teemischungen verkauft und darauf achtet, dass das enthaltene­­Guaraná unter fairen Bedingungen für die Bauern produziert wurde. So macht Schröder die Welt ein kleines bisschen besser – und sich selbst glücklicher. Gleichzeitig taucht sie immer tiefer in den Food-Kosmos ein und merkt bald, dass auch ihre neue Branche eher Teil des Problems ist (Stichwort: Avocado), als zu dessen Lösung beizutragen. Mehr als 820 Millionen Menschen leiden an Hunger. „Diese Zahl raubt mir noch heute den Schlaf“, erzählt sie auf der Bühne. Schröder beschließt, mehr zu tun, als Fair-Trade-Tee zu verkaufen. 2016 hört sie zum ersten Mal vom Innovation­ Accelerator des Welternährungsprogramms und ist gleich Feuer und Flamme. Die Initiative will Ideen unterstützen, die den Welthunger ­bekämpfen. Motto: Wenn innovative Start-ups die Fortbewegung, das Einkaufen und die Liebe revolutionieren, müssen wir sie dann nicht auch im Kampf gegen Probleme wie den Welthunger einsetzen? Als Nina Schröder erfährt, dass die ­Initiative Mitarbeiter mit Start-up- und Ernährungserfahrung sucht, schickt sie sofort ihre Bewerbung los. Drei Monate hört sie nichts, dann klingelt das Telefon: „Kannst du in zwei Wochen in Peru sein?“ Seither begleitet die 37-Jährige weltweit Projekte, die den Hunger mit Innovationen ­bekämpfen. Entscheidend: Es soll sich nicht um rein lokale Lösungen handeln, sondern um ­„skalierbare“, also solche, die sich auf nahezu jede notleidende Region übertragen lassen.

EIN BEISPIEL FÜR DIE KEHRSEITE ­G ESUNDER FOOD-TRENDS: DIE PRO­ DUKTION VON 2½ AVOCADOS VERBRAUCHT 1000 LITER TRINKWASSER. Dabei sollen die Betroffenen nicht nur dringend benötigtes Essen bekommen, sondern lernen, wie sie sich mithilfe von Technik selbst ernähren­ können. Was Schröder daran begeistert: wie selbst kleine Ideen verzweifelten Menschen Mut schenken, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Zehn dieser Beispiele, mit denen sie den Welthunger besiegen will, erklärt sie hier:

INNOVATOR


1 _ BLÜHENDE WÜSTEN „Wer in der Wüste lebt, kann selten Spinat anbauen. Viele Menschen hungern, weil in ihren Böden keine Pflanzen wachsen. Hier können Hydrokulturen helfen. Die brauchen 90 Prozent weniger Wasser und sind leicht zu bauen. Eine Nährlösung, ein Holzbecken und ein Müllsack zum Isolieren reichen – oder ein Regalsystem mit aufgeschnittenen Wasserkanistern. Mit solchen Ansätzen hilft das Projekt H²grOw etwa Betroffenen in der Sahara und im Tschad. Dort bauen die Menschen dann oft Gerstengras an, das ihre Ziegen oder Schafe ernährt, deren Milch und Fleisch lebenswichtige Proteine und Vitamine liefern. Manche Anwender ernten so viel, dass sie einen Anteil verkaufen können.“

2 _ Z AHLEN PER IRIS-SCAN „Oft das Zahlsystem die Essensversorgung. In Flüchtlingslagern können die Menschen Nahrung mit Gutscheinen oder Bargeld bezahlen, das sie vom World Food Programme (WFP) erhalten. Bargeld jedoch kommt abhanden, und Gutscheine müssen gedruckt werden. Deswegen setzen wir in Lagern in Jordanien seit 2018 virtuelles Geld ein. Jeder Flüchtling erhält ein digitales Konto, auf das wir per BlockchainTechnologie Geld überweisen und so 90 Prozent der Transaktionskosten sparen. Um das Zahlen so einfach wie möglich zu gestalten, ordnen wir die Konten per Iris-Scan zu und buchen das Geld beim Kauf im Supermarkt automatisch ab – natürlich unter strenger Einhaltung des Datenschutzes. Für die rund 106.000 Bewohner der Camps in al-Azraq und in Zaatari ist diese Zahlmethode – genannt: Building Blocks – heute schon Alltag.“

Prüfperson: Ob eine Idee den Hunger wirklich bekämpft, testet Schröder, indem sie die Projekte vor Ort besucht.

werden oder auf dem Weg in die Zentrale verloren­gehen. Daher setzt das WFP im Süd­sudan oder in Uganda nun auf den Chip in einer Gesundheitskarte namens Scope Coda. Dort lesen und speichern die Helfer die letzten Maßnahmen, die letzten Entwicklungen von mittlerweile 15.000 Patienten – und laden die Daten in eine Cloud-Datenbank hoch. Die Technologie wurde eigens so entwickelt, dass sie auch bei schwachem mobilen Datennetz und lückenhafter Energieversorgung funktioniert. Durch die zentrale Speicherung lassen sich zudem Gefahren wie DurchfallEpidemien früh erkennen und stoppen.“

3 _CHIP GEGEN MANGEL 4 _ PERSÖNLICHSTE SPENDEN „Viele durch Mangelernährung ver­ ursachte Krankheiten wären vermeidbar, würde nur die Kommunikation zwischen Helfern und zentralen Stellen besser funktionieren. Welche Vitamine, Proteine oder Medikamente ein betroffenes Kind braucht, notieren Ärzte in afrikanischen Krankenhäusern bislang meist handschriftlich auf Zetteln – die schnell nass INNOVATOR

„‚Wo landet mein Geld?‘ Weil viele Hilfs­ organisationen diese Frage noch immer nicht ausreichend transparent beant­ worten können, spenden gerade junge Menschen nur zögerlich Geld für Betroffene. Dabei hängt der Kampf gegen den Hunger nach wie vor auch von Geldgaben jener Menschen ab, denen es besser geht.  27


Deshalb unterstützen wir Plattformen wie die hinter der App ShareTheMeal. Über diese können Nutzer mit einfachem Klick 40 Cent für eine Mahlzeit spenden und auswählen, in welche Region das Geld fließt. Rund 32 Millionen Mahl­zeiten kamen bereits zusammen. Bald soll die App Spenden ermöglichen, bei denen der Spender entscheiden kann, welcher Familie er helfen möchte. So bleiben ­keine Fragen offen.“

INNOVATIONEN HABEN DIE MOBI­ LITÄT, DAS EINKAUFEN UND DIE LIEBE REVOLUTIONIERT. WAS LIEGT ALSO NÄHER, ALS SIE AUCH GEGEN DEN HUNGER EINZUSETZEN?

5 _ DEN SACK ZUMACHEN „Viele Kleinbauern in der Dritten Welt müssen selbst hungern, weil ein Großteil ihrer erwirtschafteten Nahrung bereits kurz nach der Ernte unbrauchbar wird. Das Problem: Ihnen fehlen das Wissen und die Ausrüstung, um Mais, Gerste, Weizen so zu lagern, dass weder Ungeziefer noch Feuchtigkeit eine Chance haben. Unsere Lösung: 1. Vermittlung von Know-how. 2. Schützende Silo-Tonnen oder Säcke inklusive Innensack. Im Sudan zum Beispiel überzeugen wir lokale Händler davon zu überzeugen, die Beutel an die Bauern zu verkaufen. So profitieren die Händler von der Nachfrage eines neuen Produkts. Und die Landwirte kaufen diese von dem Geld, das sie mit bald überschüssiger Ernte verdient haben. Kurz: Wir stärken einen neuen Wirtschaftskreislauf, bei dem wirklich alle gewinnen. 335.000 Bauern in acht Ländern setzen die von uns in Umlauf gebrachten Silos oder Säcke bereits ein und haben ihre Ernteverluste um bis zu 98 Prozent gesenkt.“

sich in diesem Prozess das Interpretieren der Aufnahmen selbst beibringen. Doch der Aufwand wird sich lohnen. Im Einsatz können die Drohnen fast jedes Ziel innerhalb der entscheidenden 72 Stunden unmittelbar nach einer Katastrophe erreichen und etwa prüfen, wo bedürftige Menschen erreicht werden müssen.“

7_ BRUTK ÄSTEN FÜR BÄUME „Wer Nahrung anbauen will, braucht Wasser, zu dem der Zugang aber oft mühsam ist, weil es sich tief unter der Erde befindet. Natürliche Helfer in diesem Fall sind B ­ äume, die das Nass über ihre Wurzeln in das obere Erdreich trans­ portieren – und so das Land bewässern und unter Umständen wieder fruchtbar machen. Wie aber pflanzt man einen Wald in unwirtlichen Gebieten? Und wie hilft man Bäumen, die vor allem in den ersten beiden Jahren regelmäßige Bewässerung brauchen, ihre Wurzeln tief in die Erde zu graben? Eine Lösung ist eine Box namens ‚Groasis‘, eine Art Hydrokultur-Brut­ kasten speziell für Setzlinge – mit Platz für Gemüse um den Stamm herum. In mehr als 40 Ländern konnten Menschen so schon über 200.000 Bäume pflanzen.“

6 _ SPÄHENDE DROHNEN „Wasser, Nahrung, Medikamente: Je schneller wir nach einer Katastrophe wissen, was die Betroffenen brauchen, desto schneller können wir helfen. Einfacher gesagt als getan, wenn es um abgelegene­ Bergregionen geht. Um uns auch in schwer zugänglichen Gebieten schnellstmöglich einen Überblick verschaffen zu können, testen wir aktuell gemeinsam mit Google­ smarte Drohnen, die die Situation mit Kameras und entsprechender Software sofort erfassen und dank künstlicher ­Intelligenz sogar eigenständig auswerten können. Der Weg dahin mag mühsam klingen – um das automatische Auswerten­ zu lernen, müssen die Drohnen erst tausende Bilder eines Gebiets aufnehmen und 28

Du hast eine Idee, den Welthunger zu stillen? Dann bewirb dich jetzt bei Schröder und ihrem Team unter: innovation.wfp. org/apply

8 _ FAIRE , TR ANSPARENTE MÄRK TE SCHAFFEN „Wenig sichert eine Nahrungsversorgung so nachhaltig wie ein funktionierender Wirtschaftskreislauf. Der scheitert in unter­ entwickelten Regionen, etwa in Sambia, schon allein daran, dass die Bauern nicht einmal die Nachfrage im Nachbardorf

INNOVATOR


kennen – und daher auch nicht bedienen können. Ebenso wenig bekommen sie aktuelle Preisentwicklungen mit, auf die sie schnell reagieren könnten. Um ihnen ebendiese entscheidenden Informationen zu liefern, unterstützen wir die App Maa­no, einen virtuellen Online-Marktplatz für Bauern. Hier können sie die ­aktuelle Marktsituation einsehen und nachhaltig entscheiden, welche Investitionen ihr G ­ e­schäft erweitern würden. Zum Beispiel ein Kredit, um mehr Getreide­ samen zu kaufen. Oder eine Maschine, die den Ernteprozess beschleunigt.“

9_ DIGITALE JOBS FÜR ALLE „Apropos Wirtschaftskreislauf: Damit Menschen sich Nahrung kaufen können, brauchen sie Jobs – schließlich kann nicht jeder sein Gemüse selbst anbauen.­Doch gerade in der Dritten Welt ist be­zahlte Arbeit oft wenig mehr als ein frommer Wunsch. Eine Lösung dazu verfolgen wir mit dem Programm ‚Empact‘. Die Idee: Wir ermöglichen Menschen unabhängig von ihrer Heimatregion Zugang zum digitalen Arbeitsmarkt. Seit 2016 vermittelt das Projekt in 2000 Seminaren im Libanon und dem Irak Grundlagen digitaler Kompetenzen: Wie funktionieren Computer, Windows, Photoshop? Mit dem Welternährungsprogramm stellen wir Seminarleiter zur Verfügung und vermitteln Jobs – zum Beispiel, wenn Zalando den Bedarf hat, viele Bilder einheitlich zu bearbeiten.“

NINA SCHRÖDER IN ZAHLEN 3

821.000.000

368.000

Jahre lang nannte sich Nina Schröder offiziell „Queen of TeaTales“ – eine Anspielung auf ihr Start-up für Tee.

Menschen hungern weltweit. Eine Zahl, die Schröder auf ihrer Mission noch heute täglich motiviert.

Betroffene haben bereits von den durch das WFP ­geförderten Inno­ vationen profitiert.

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139

2030

Projekte hat Schröder bereits für das WFP getestet und für den weltweiten Einsatz als tauglich bewertet.

Mitarbeiter arbeiten wie Schröder aktuell im Team des WFP oder direkt für die ­einzelnen Projekte.

Bis dahin will das WFP den Welthunger besiegt haben. Ein ambitioniertes Ziel, an das Schröder fest glaubt.

10_WET TBEWERB BEFEUERN „Was passierte bislang, wenn der einzige­ Supermarkt eines Flüchtlingslagers seine Position ausnutzte und die Preise anhob? Nichts, wenn niemand wusste, dass der Anbieter im nächsten Viertel womöglich günstiger verkauft. Die App Dalili will das ändern, indem sie bislang 113.000 Nutzern das aktuelle Angebot von 440 Märkten im Libanon, in Jordanien und Kenia anzeigt – inklusive Option, diese zu bewerten. Auf diese Weise geben wir den Konsumenten etwas Einfluss zurück – auf die Preis­gestaltung und ihr positives Selbstbild: Wer sein Leben wieder aktiver bestimmt, ist eher geneigt, von neuem zu glauben: Ja , ich schaf fe das!

INNOVATOR

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EINMAL „WIR“ TANKEN , BITTE!

TE X T   Tobias M o ors te dt

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INNOVATOR


Von Auto zu Auto: Bei Bedarf funk­ tioniert der Sion als ­Ladestation für ­andere Fahrzeuge.

SONO MOTORS

Das E-Auto Sion w urde von drei jungen Mün chn ern ent wickelt , die nicht m ehr an Pk w glaub en . Sie setzen mit ihrem Protot y p auf die Kraf t der Gemeinschaf t: Man lä dt zus ammen auf, fähr t gemeins am un d definier t so Mobilität neu . Ein Blick hinter die Kulissen .

INNOVATOR

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Visionäre mit Bodenkontakt (v. li.): die Sono-Gründer Laurin Hahn, Jona Christians und Navina Pernsteiner

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INNOVATOR


D D e r Weg ins H ea d qu a r te r vo n So n o M oto r s gle icht e in e r a uto m o b ile n Zeit re is e: Da s te ht e in V W Bully a us de n 1970 e r-J a h re n , do r t e in Po r s ch e aus de n 9 0 e rn , d a n n e in G olf VI , ein Sm a r t un d s og a r e in Te sla . U n d ganz a m En de de s Pa rkp latze s: de r Sion - Protot y p . Ein E-Auto mit Sola r ze lle n un d Pa r tike lfilte r a us e chte m M o os , d as 2019 a uf de n M a rk t ko m m e n s oll . Das Kurios e d ab e i: E s w ird vo n M e ns ch e n ge b a ut , die nicht m e h r a n de n Pk w gla ub e n . D ER SIO N IS T EIN KK W – EIN KO LLEK TIVKR AF TFAH R ZEU G . L aurin H ah n , J o n a Ch ris tia ns un d N av in a Pe rns te in e r, die G rün de r von Son o M oto r s , s etze n nicht n ur auf e missio ns fre ie s Fa h re n un d d as Auto als m o bile L a de s ä ule . Sie wolle n mit ein e r integrie r te n Ap p au ch d as Pro b le m lös e n , dass Pk w in D e ut s chlan d im Sch nit t 2 3 Stun de n am Ta g s tills te h e n . Wir ze ige n ih re wichtigs te n acht D e n ka ns ät ze .

SONOS STRATEGIEN FÜR INNOVATION Liebe deine Arbeit (und deine Mitarbeiter)

1. Auf die Frage, was 2019 für sie zu einem guten Jahr machen würde, antwortet Navina Pernsteiner: „Dass unser Teamspirit immer so stark bleibt wie heute.“ Die Dreißigjährige, bei Sono für Design und Branding zuständig, weiß, dass der Markteintritt eine neue Stufe des Projekts darstellt. Trotzdem spricht sie nicht über harte Zahlen. Sie spricht über das rasant wachsende Team. „Ohne Zusammenhalt gibt es keine gute ­Zusammenarbeit“, betont auch Jona, 24 Jahre alt. Und wie er das sagt, klingt es nicht wie eine hohle Phrase. Alle bei Sono Motors wirken auf fast surreale Art und Weise freundlich. Es wird viel gelacht, man schaut dem Gegenüber lange, wirklich sehr lange direkt in die Augen und scheut auch kleine Gesten und Berührungen nicht. Das soziale Konstrukt ist den Gründern fast genauso wichtig wie der Bauplan der Fahrzeuge. Vielleicht muss das auch so sein, wenn man mit einem hetero­genen, schnell ­wachsenden Team ein solches Abenteuer beginnt.

Große Ziele, kleine Schritte

2. Die Ziele von Sono Motors sind hoch gesteckt. Man will „ein ganzheitliches und nachhaltiges Mobilitätskonzept“ entwickeln. Ein derart komplexes Projekt, dass viele sich erst mal einen Kaffee machen und ein paar Jahre Mails checken würden. Woher nimmt das Trio das Selbstbewusstsein, eine derartige Aufgabe anzugehen? „Wir brechen ein komplexes Problem stets in kleine Teile herunter, die dann plötzlich nicht mehr unüberwindbar wirken“, erklärt Navina pragmatisch.

FOTO Rob e r t Wunsch  S T Y LI N G Ch antal D r y wa INNOVATOR

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„Es gibt selten eine geniale Idee, die alle Probleme sofort löst.“ Weiters treibt das Team die Alternativlosigkeit an. 20 Prozent der CO²-Emissionen in Deutschland entstehen durch den Verkehr. „Wir wissen, dass wir so nicht weitermachen können“, sagt Sono-CEO Laurin Hahn, der Dritte im Bunde und wie Jona 24 Jahre alt. „Wir haben gemerkt, dass wir uns nicht auf andere verlassen können. Ich möchte mich später nicht fragen lassen müssen, warum ich nichts gegen den Klimawandel unternommen habe.“ Dass sie nun ein Auto bauen, wundert das Sono-Trio in diesem Zusammenhang oft selbst. „Aber das Auto von heute ist nicht mehr das Auto von gestern“, so Navina.

EINE MISSION NIMMT FAHRT AUF Am Anfang war ein Telefonat: Die Jugendfreunde Jona und Laurin sprachen über die Ölabhängigkeit unserer Autos und beschlossen zu handeln. Was seither geschah:

Abschluss einer Batterienkoopera­ tion mit dem deutschen Hersteller ElringKlinger.

2018

3.

201 5

In Jonas Garage tüfteln die beiden Jungs an einem PräPrototyp. Großer Jubel im Dezember: Der Wagen fährt!

Vo m e r s t e n E n t w u r f z u m e r s t e n G e l d

In Storys über Sono Motors wird gern auf die Gründungsgeschichte des ­Unternehmens verwiesen, die da lautet: Jona und Laurin statteten einen alten Kleinwagen in der Garage­ von Jonas Eltern mit Solarzellen aus – und der Rest ist Geschichte. Die ­Medien lieben solche Anekdoten mit mythischem Potenzial, weil alle sofort an Microsoft / Apple / Amazon denken, die tatsächlich oder angeb­lich in einer Garage gegründet wurden. Jona ist aber wichtig, klarzustellen: „Wir ­haben damals in der Garage kein neues Produkt erfunden. Es war nur notwendig, überall reinzuschauen und zu ver­stehen, welche Elemente da zusammenwirken.“ Denn nur wer begreift, wie etwas funktioniert, hat auch genügend Zuversicht, ein Experiment zu starten. Laurin ergänzt: „Nie werde ich das Gefühl vergessen, als der Prototyp losfuhr.“ Aus einer Idee wurde ein Objekt, ein Produkt, das man anfassen kann – und mit etwas Glück kann man das Ding eines Tages an der Ampel wiedertreffen.

2016

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Bau des Prototyps in nur acht Monaten. Crowdinvestments in Höhe von fast 2,3 Millionen Euro.

Vo m P r o t o t y p z u m E n e r g i e s c h u b

Mach dir die Hände schmutzig

2017

Designerin Navina kommt an Bord. Per Crowdfunding sammeln die Gründer über 800.000 Euro.

INNOVATOR


Erkenne deine Grenzen

4.

2018 Schon 5000 Vorbestellungen aus dreißig Ländern.

Vo n d e r Re s e r v i e r u n g z u r A u s l i e f e r u n g

2019

Die ersten SionModelle sollen vom Band rollen und an Kunden ausgeliefert werden.

DAS AUTO IST KEIN STATUSSYMBOL , SONDERN MITTEL ZUM ZWECK INNOVATOR

Die Eckdaten des Prototyps von Sono Motors klingen erst mal nicht spektakulär: Der Prototyp Sion wiegt 1400 Kilo, hat 80 Kilowatt Leistung und fünf Sitze. Man hat auf Altbewährtes gesetzt – und das aus g ­ utem Grund. „In der Chassis-Entwicklung oder beim Safety-Konzept kann man viel falsch machen“, sagt Laurin. „War­ um sollten wir auf die Vorarbeit, die geleistet wurde, verzichten und alles selbst ent­wickeln?“ Deshalb arbeiten bei Sono Motors nicht nur Millennials, sondern auch erfahrene Autobauer wie COO Thomas Hausch, der schon bei Mercedes und Nissan unter Vertrag stand. Hundert Partner beliefern die Münchner mit Chassis, Batterien, Bildschirm­systemen, Türgriffen. Die Innovation von Sono Motors ist eher die „Projektsteuerung“, wie ­Laurin sagt – alle vorhandenen Teile so zusammenzufügen, dass sie etwas Neues ergeben und der Vision entsprechen: ein Elektroauto, das dank aus Solarzellen gewonnener Energie bis zu dreißig Kilometer pro Tag fahren kann und zu einem Preis von 16.000 Euro (ohne Batterie) erhältlich sein soll. Das Elektroauto mutiert so von einem Luxusobjekt zu einem Werkzeug. Und mit einem Werkzeug kann man Probleme lösen.

Sorge für Details , die im Kopf bleiben

5. Der Sion hat einen Partikelfilter mit natürlichem Moos. Ein äußerst kluger Schachzug, vergleichbar mit der inte­ grierten Blumenvase im VW Käfer. Wahrscheinlich hat in der Geschichte von Volkswagen genau dreimal tatsächlich jemand eine Blume rein­ gestellt, aber das Auto war plötzlich nicht mehr bloß ein Fahrzeug – das zweckmäßige Ding, mit dem man zur Arbeit fährt –, sondern ein Raum für Freiheit und Liebe.

Die Crowd hat immer recht

6. 56 Prozent zu 44 Prozent: So knapp ging die Entscheidung innerhalb der Sono-Community aus, ob der Sion in Schwarz oder in Weiß ausgeliefert werden soll. Welche Farbe die Gründer selbst präferiert hätten? Auf diese Frage gibt das Trio keine Antwort. Weil es für sie keine Rolle spielt. „Wir bauen die Autos ja nicht für uns selbst“, sagt Laurin. Auf der Homepage von Sono ist ein Zähler integriert, der Ende Januar „9231“ anzeigte – die Zahl der getätigten Reservierungen. Und sie zeigt nur einen Bruchteil der Unter­ stützer von Sono: Insgesamt hält das Trio mit gut 100.000 Menschen über Social Media und per Newsletter Kontakt. Das Auto ist nach dem Verständnis der Follower kein persönliches Statussymbol, sondern Mittel zum Zweck. Und dafür lässt man auch was springen: Mit zwei Crowdfunding-Runden hat Sono Motors über zwei Millionen Euro eingenommen. Und weil es wichtig ist, dass „die Leute nicht nur eine virtuelle Darstellung sehen, sondern das Auto auch erleben können“, wie Navina sagt, tourten sie bereits mehrmals durch Europa. Die Community konnte den Sion Probe fahren und Tipps zu Lenkradhöhe und Sitzbezug geben. „Wir haben auch viel über ­unterschiedliche Mobilitätskulturen in Europa gelernt“, sagt Navina. „In den Niederlanden etwa geht man viel selbstverständlicher und offener mit Elektromobilität um.“

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GEFÄHRT(E) MIT EXTRAS: WAS DER SION ALLES KANN – UND ERLAUBT

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Sieht von außen wie ein normales Auto aus, funktioniert aber in vielerlei Hinsicht anders: sechs Beispiele, wie der Erstling von Sono Motors Hightech mit ­Alltagstauglichkeit verbindet.

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GREENKEEPER Ein organischer ­Innenraumfilter aus behandeltem Moos soll ein Fünftel des Feinstaubs einfangen und so für saubere Luft sorgen.

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EXTRA-ENERGIE Die 35-kWh-LithiumIonen-Batterien muss man zusätzlich zum Auto kaufen oder mieten. Sie bieten bis 250 Kilometer Reichweite.

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Ö f fne die Systeme

7. Sono Motors ist wohl der einzige Pkw-Hersteller, der nicht mehr an den Pkw glaubt. Zumindest nicht im klassischen Sinn: „Wichtiger als der Fahrzeugabsatz ist für uns die Optimierung der Nutzungseffizienz“, sagt Laurin. Der Sono Sion fährt nicht nur emissionsfrei, sondern soll auch ein anderes Mobilitätsproblem lösen: dass Pkw in Deutschland im Schnitt 23 Stunden am Tag stillstehen. „Wir sind Autohersteller und Mobili­tätsdienstleister zugleich“, sagt Laurin. Sion-Fahrer haben die Möglichkeit, per App Passagiere mitzu-

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nehmen oder ihr Auto zum Carsharing anzubieten. Die Entwicklung von App und Backend ist für Sono Motors „mindestens so wichtig wie die Entwicklung des Fahrzeugs selbst“. Wenn die Autos aufgeladen sind und keine weitere Energie über die Solarzellen aufnehmen, können sie auch anderen Elektroautos als mobile Ladesäule dienen. „Wir kooperieren mit Carsharing und Ladestation-Such­ maschinen“, sagt Laurin. Jona ergänzt: „Es gibt zwei Möglichkeiten, mit der komplexen Gegenwart umzugehen: Mauern bauen. Oder sich öffnen.“

16.000 Euro kostet der Sion ohne Batterie. Der Preis Letzterer richtet sich nach dem Kurs der Batteriezellen zum Verkaufsstart. Aktuell schätzen ihn die Gründer auf etwa 9500 Euro. Und hier entlang geht’s zur ­Reservierung:

sonomotors.com

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OFFEN FÜR ALLE Dank offenem Werkstattbuch können neben den Vertragswerkstätten auch die Besitzer selbst Ersatzteile bestellen und austauschen.

3 4

IM SCHLEPPTAU Mit der optionalen Anhängerkupplung kann man eine Last von 750 Kilogramm ziehen – zum Beispiel einen kleinen Wohnwagen.

4

5

DATES ZUM LADEN Mit der App goSono können Sion-Be­ sitzer ihren Wagen zum Car-, Rideund Powersharing freischalten.

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MOBILES KRAFTWERK 330 Solarzellen auf 7,5 Quadratmetern Fläche erzeugen an sonnigen Tagen Energie für dreißig Kilometer.

Nur wer drei Schrit te vorausdenk t , hat in der Zukunf t einen Platz

SONO MOTORS

8. Flugtaxis, Robotaxis, Elektroroller: Am Mobilitätsmarkt wird enorm viel entwickelt (einzig aufs Beamen werden wir wohl weiter warten müssen). „Was viele nicht verstehen, ist, dass diese Innovationen nicht gegeneinander wirken, sondern miteinander“, sagt Laurin. „Wir werden uns in Zukunft für jeden Weg das passende Fahrzeug aussuchen. In zehn Jahren werde ich mir per App ein autonomes Fahrzeug bestellen, das mich ans Ziel oder zum ICE-Bahnhof bringt.“ Wie passt nun der Sion in diese vielen Mobilitätsoptionen?

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„Wir brauchen noch einen weiteren Entwicklungsschritt, aber dann wird der Sion auto­nome Fahrfunktionen haben“, sagt Laurin selbstbewusst. Man brauche sich nicht zu sorgen, bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz mit Waymo, Tesla und Mercedes-Benz nicht mithalten zu können. Dazu bringt Laurin ganz abgeklärt ein Beispiel aus der Technikgeschichte: In den 1990ern lieferten sich Mercedes und Audi einen milliardenschweren „Rüstungswettkampf“ um die Einführung von ESP (den

Mercedes knapp gewann). „Nur drei Jahre später war das Elektronische Stabilitätsprogramm Standard im Premiumsegment, und 2005 wurde es bereits in ein Gesetz gegossen.“ Er könnte auch sagen: Wird schon. „Viel wichtiger ist aber: Wie gehen wir als Gesellschaft damit um, dass 900.000 Lkw-Fahrer bald arbeitslos sein werden?“ Dabei klingt er jedoch keines­wegs verzagt oder gar besorgt. Vielleicht ist das einfach die nächste globale Veränderung, die man mit dem Sono-Mindset angehen sollte.

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Vernetz te Rolle r, Autos im Ab o, Klap pflugze uge: se chs Ide en , mit den en junge Mach er jetz t unsere Mobilität revolutionieren .

Am Anfang ist der Roller   U N U M OTO RS Elias Atahi, 29

„Wir sind kein Roller-Unternehmen“, sagt Elias Atahi, 29. Der Satz überrascht, zumal seine Firma unu motors ausschließlich – nun ja – Elektroroller verkauft. Und Atahi legt gleich nach: „Rollerfahren hat mich nie gereizt.“ Das klingt, als ob unu motors keine große Leidenschaft für das Produkt hätte, aber das stimmt natürlich nicht. Es ist vielmehr so, dass Roller längst nicht alles sind, was sich Elias Atahi und sein Mitgründer Pascal Blum im Jahr 2012 vorgenommen haben. „Unsere Vision ist es, den Leuten das bestmögliche Fahrzeug für die Stadt zu bauen“, sagt Atahi. Am Beginn dieser Vision steht eine nüchterne Marktanalyse. „Beim Thema Mobilität gibt es drei große Trends“, so Atahi, „Elektromobilität, digitale Vernetzung und autonomes Fahren. Viele Firmen kochten im jeweiligen Bereich ihr eigenes Süppchen; keiner sah, wie die Trends zusam­ menkommen.“ Und ebendas ist das Ziel: ein elektronisch betriebenes, von mehre­ren Menschen geteiltes, sich selbst steuerndes Fahrzeug. Eine umweltfreundliche und dank Carsharing günstige Fortbewegung, bei der man keine Zeit am Steuer verliert. Drei Produktgenerationen soll es geben, die je einen dieser Trends meistern. Der erfolgreiche Elektroroller von unu motors war also nur der erste Schritt. Den bauten die beiden ehemaligen Schulfreunde ohne technische Vorkenntnisse mit gerade einmal 23 Jahren und bloß 100.000 Euro Startkapital, „was für Hardware echt nichts ist“, erinnert sich Atahi. Gerade weil der Weg so hart war, glauben sie an sich. Stufe 2 beginnt jetzt, es geht um Bikesharing, so viel verrät er schon, und es wird wieder groß. „Das Projekt ist erneut ein moon start, wieder eine absurd große Aufgabe.“ Ihm gefällt so etwas. unumotors.com

TE X T  M arc Baumann

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UNU

DIE WOLLEN UNS BEWEGEN

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Schritt eins auf zwei Rädern: Noch baut unu motors Elektroroller, Ziel ist aber eine selbstfahrende, mietbare Flotte.

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Kick für die letzte Meile   TIER M O B ILIT Y

Eines kann man Jürgen Blessin ganz sicher nicht vorwerfen: dass er trödelt. Im Juli 2018 gründete er die Firma Tier Mobility, im Oktober – also bloß siebzig Tage später – rollten die ersten Leih-Elektro­ scooter durch Wien. Da blieb ganz wenig Zeit, um Standorte zu finden, Mitarbeiter an Bord zu holen, die Wartung der Roller zu organisieren, die Website zu bauen … „Ist alles kein Hexenwerk“, wiegelt Blessin ab. „Die App ähnelt von der Grundfunktionalität jener von anderen Sharing-Anbietern.“ Außerdem ist Blessin, 38, nicht gerade ein Branchenneuling. Vor Tier hatte er bereits das Start-up Coup in den Markt gebracht: Elektroroller zum sich Draufsetzen. Die E-Scooter von Tier könnten Kinder fahren, gedacht sind sie aber für Erwachsene: für die kurze Fahrt durch die Stadt, „die letzte Meile“, wie es so schön heißt. Vom Büro zum nahen Hauptbahnhof, für eine Besorgung in der City, als Sightseeing-Begleiter für Touristen. Die Roller sind flexibler als die U-Bahn, billiger als ein Taxi und bequemer als weite Wege zu Fuß. Obendrein macht eine Fahrt auf den flotten Flitzern Spaß.

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Kleine Roller für Große (v. li.): Jürgen Blessin mit seinen Co-Gründern Matthias Laug und Lawrence Leuschner

Nach Erreichen ihres Ziels können die Nutzer den Scooter einfach wieder abstellen. Einzige Bedingung: Er darf keinen Weg blockieren. „Ich war früher ein Autonarr, hab ein Praktikum bei BMW gemacht“, erzählt Blessin, aber mittlerweile habe sich in seinem gesamten Umfeld die Einstellung zur Mobilität geändert. „Heute empfinden es viele eher als Last, ein eigenes Auto zu besitzen.“ In Kombination mit Car­ sharing, Bikesharing und Motorbikesharing ist dank Blessins grünen E-Scootern jeder Weg innerhalb einer Stadt von der Lang- bis zur Kurzstrecke mit modernen

Leihangeboten abgedeckt. Theoretisch zumindest. Praktisch gibt’s noch ein paar Hürden. Denn der elektrische Tretroller ist der deutschen Straßenverkehrsordnung noch unbekannt, somit nicht zugelassen. In Österreich, Spanien und Portugal kann man die E-Scooter mit der Tier-­ App schon mieten, da haben die Behörden unkomplizierter entschieden. In absehbarer Zeit wird es in Deutschland eine Führerscheinpflicht für die maximal 20 Stundenkilometer schnellen Roller geben, und einen Versicherungs­ aufkleber brauchen sie auch. Der Entwurf liegt beim Verkehrs­ministerium. tier.app

INNOVATOR

TIER, FLÜGELAERONAUTICS

J ürgen Blessin , 3 8


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Fliegengewicht: Auch dank seiner Leichtbautechnologie soll der X-1 etwa 600 Kilo­meter weit schweben können.

Flugzeug zum Falten   F LÜ G EL­  A ERO N AU TI C S Diego Schierle, 30

PRAKTISCHER ALS U-BAHN , BILLIGER ALS TAXI , ANGENEHMER , ALS WEIT ZU LAUFEN. INNOVATOR

Er könnte einen gut bezahlten Job bei Unternehmen wie dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt haben, wo er promoviert hat. Aber Diego Schierle, 30, hat den riskanteren Weg genommen – dabei kommt er aus Schwäbisch Hall, der Heimat der bodenständigen Bausparer. Er hat den X-1 entwickelt, seine Vision eines zweisitzigen, mit

fünf Propellern ausgestatteten Kleinflugzeugs, das senkrechte Starts und Landungen erlaubt und somit keinen Flugplatz zum Abheben braucht. Möglich wird das durch eine Kombination aus Elektro- und Benzinmotor sowie Flügel, die erst im Schwebezustand ausgefaltet werden. Anschließend überfliegt man mit 180 km/h und einer Reichweite von 600 Kilometern locker jeden Stau. „Wir verbringen viel zu viel Zeit auf vollen Straßen“, sagt Schierle. „Der Himmel ist aber noch frei.“ Angesichts der Fahrkünste so mancher Verkehrsteilnehmer möchte man sich diese zwar lieber nicht in der Luft vorstellen, aber Schierle weiß, wovon er spricht. Für sein Projekt hat er eigens einen Flugschein gemacht. In den ersten Prototyp wird er trotzdem noch nicht einsteigen können, denn der entsteht gerade erst – im Maßstab eins zu fünf. fluegelaeronautics.com   41


Abo-Händler der ­Zukunft (v. li.): ClunoGründer Christina ­Polleti, Andreas ­Schuierer, Nico Polleti

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Nie wieder Fahrplan   B ERL KÖ N I G Valerie von der Tann, 32

„Ich hab mal ausgerechnet, dass ich mindestens ein Jahr meines Lebens in öffentlichen Bussen verbracht habe“, sagt Valerie von der Tann, und sie ist erst 32 Jahre alt. „Früher bin ich jeden Tag eine Stunde zur Schule hin- und eine Stunde zurückgefahren.“ Und in den Urlaub fuhr die siebenköpfige Familie mit dem Zug. Von der Tann weiß also, wovon sie spricht, wenn sie meint, öffentliche Verkehrsmittel könnten effizienter sein – vorausgesetzt, man stellt eines ihrer Prinzipien auf den Kopf: den fixen Fahrplan, der das Leben vieler Pendler erbarmungslos taktet. Bislang richtet sich der Mensch nach dem Bus.

Künftig soll sich der Bus nach dem Zeitplan des Menschen richten – ermöglicht durch das Projekt „BerlKönig“, ein On-Demand-RidesharingShuttle-System, das die Berliner Verkehrsbetriebe mit dem Mercedes-Benz-Joint-Venture ViaVan 2017 angestoßen haben. Die Idee: Der Computer berechnet aus allen Fahrtanfragen die ideale Route, die Haltestellen gibt es nur virtuell und am jeweils für alle Mitfahrer best­geeigneten Ort. Das klappt nicht nur in Berlin. BerlKönig würde auch in ihrem 4000 Einwohner kleinen Geburtsort in Hessen ein Erfolg werden, „wo das Leben ohne Auto schon beschwerlich war“, sagt von der Tann, General Manager Berlin von ViaVan. Sammeltaxis gab es damals nicht, heute steigt man bei BerlKönig in schicke neue Mercedes-Vans mit Handy-­ Ladestation an jedem Sitz. Bei ihrem Studium in der Schweiz und in Singapur war von der Tann davon fasziniert, wie schlau dort der Verkehr gesteuert wird, jetzt versucht sie es selbst. Das nächste Ziel: In den kommenden drei bis fünf Jahren soll die BerlKönigFahrzeugflotte ausschließlich elektrisch fahren. berlkoenig.de

BISLANG ­R ICHTET SICH DER MENSCH NACH DEM BUS. DAS ÄNDERT SICH GERADE. 42

Auf optimaler Route: Valerie von der Tann sorgt dafür, dass Kleinbusse Berlins Verkehr optimieren.

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Autos im Abonnement  C LU N O Christina Polleti, 36

„Weil ich mich berufsbedingt sehr gut mit Autos auskenne, stellen mir Freunde und Bekannte seit zwanzig Jahren immer wieder die Frage, welches Auto sie sich denn kaufen sollen“, erzählt Christina Polleti. Ihr Lebenslauf enthält Stationen bei Porsche, Autoland, easyautosale und AutoScout24.

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Beim Nachbarn einsteigen  G E TAWAY Edgar Scholler, 32

BVG/OLIVER LANG, CLUNO, WWW.GETAWAY.APP

„GTA“: Mit diesen drei Buchstaben erklärt Edgar Scholler sein Start-up. „Get­away muss man sich vorstellen wie das Videospiel ‚Grand Theft Auto‘, man läuft durch die Stadt und kann sich jedes Auto nehmen, das man möchte.“ Gamer könnten jetzt erschrecken, denn in „GTA“ holt man sich die Autos gewaltsam mit Einsatz der Fäuste oder von Schusswaffen. Aber keine Sorge, Scholler möchte, dass die Besitzer ihr Auto freiwillig verleihen – gegen Geld.

Aus den vielen Fragen im Freundeskreis wurde mittlerweile ein eigenes Start-up: Mit ihrem Mann gründete sie die Firma Cluno. Die verkauft Autos, allerdings für sehr kurze Zeiträume. Mindestlaufzeit sind sechs Monate, mit einer Frist von drei Monaten kann man jeder­zeit das Modell wechseln, ob SUV, Cabrio, Kleinwagen oder Limousine. Außer dem Treibstoff ist im monatlichen Paketpreis alles enthalten, von der Anmeldung bis zum saisonalen Reifenwechsel. Einer Studie zufolge haben solche AutoAbos das Potenzial, in den nächsten Jahren bis zu zehn Prozent des Marktes auszu­ machen. „Klassischer Auto­

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besitz wird und muss sich ver­ändern“, sagt Christina Polleti. Markentreue und Status treten in den Hintergrund, die Umweltfreundlichkeit wird umso wichtiger. Dabei kann Cluno ein Türöffner für moderne Antriebe sein: „Der Anteil an Fahrzeugen mit Elektro- und Hybridantrieb ist in der Cluno-Fahrzeugflotte signifikant höher als im Gesamtmarkt“, sagt Polleti. Die Firma nehme einem die Angst vor dem Kauf­risiko: „Bei Elektroautos muss der Käufer davon ausgehen, dass sich die Reichweite alle zwei Jahre verdoppeln wird. Dank Cluno hat man einen risikofreien Zugang zu den neuesten Technologien“, sagt Polleti. cluno.com

Im Schnitt verbringt ein Privatwagen 95 Prozent seiner Produktlebensdauer auf dem Parkplatz. Als Edgar Scholler auf dem Weg zum Flughafen einmal kilometerweit an geparkten Autos vorbeilaufen musste, fragte er sich, warum so viel Blech ungenutzt herumsteht. Carsharing ist für ihn die Zukunft, aber er möchte keine Flotte an Neuwagen aufstellen, die unsere Straßen weiter verstopfen. Wer sich das Auto des Nachbarn leiht, nutzt bestehende Ressourcen, erhöht die Zahl der Fahrer pro Auto. Statt aktuell 44 Millionen Autos würden in Deutschland bei effizienter Nutzung schon sechs Millionen reichen. Schöner Nebeneffekt: Der Kunde zahlt weniger als für einen Mietwagen und geht mit dem Auto deutlich pfleglicher um. Man könnte dem Besitzer ja jederzeit beim Bäcker begegnen. get-a-way.com

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T H E

R E D

B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

G A D G E T S F Ü R D E I N

G A R T E N U P G R A D E

Vom Indoor-Pflanzenbeet mit NASA-Technologie über einen resoluten Mäh-Roboter bis hin zum fliegenden Wachhund: acht Hightech-Hilfen für Selbstversorger und Hobbygärtner.

TEXT CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO

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INNOVATOR


(D)EIN W E LTA L LGARTEN Er ist so klein wie ein Toaster und fasst drei Saatgutkapseln, die ähnlich wie Kaf­ feekapseln funktio­ nieren und mit Erde und Samen gefüllt sind. Das Beste: Der Elektrogarten von Click & Grow lässt Pflanzen auch bei miserablen Licht­ verhältnissen und gärtnerischer Talent­ freiheit sprießen – dank LED-Wachs­ tumsleuchten und einem Tank zur selb­ ständigen Bewässe­ rung. Firmengründer Mattias Lepp hat sich dafür von NASATechnologie für MarsMissionen inspirieren lassen. Insgesamt gibt’s 45 kompri­ mierte Saatgutarten (3 Stück ab € 9,95), Mini-Garten ab € 99,95. ER H Ä LT LI C H U N T ER C LI C K A N D G ROW.C O M

CLICK & GROW


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B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

4×4-MÄHROBOTER Steigungen bis zu 70 Prozent, unebene Rasenflächen und Regen sind kein Problem für den neuesten Mäh-Roboter von Husqvarna. Der 435X AWD (Preis: € 4999) verfügt über Allradantrieb und einen Timer, der den Mähbedarf anhand des Graswachstums – dieses ist vor allem nach Regen stark – bestimmt. Der ObjektErkennungssensor Ultrasonic misst dabei durch Aussenden unhörbarer Signale, ähnlich einer Fleder­ maus, Distanzen und verhindert so Kollisionen mit Gartenzwerg und Co. ER H Ä LT LI C H U N T ER H US QVA R N A .C O M

Die LED-Scheinwer fer sind vor allem Design-­ Element. Der 4 35X AWD (hier in Grau) kann aber tatsächlich nachts aktiv werden.

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Der Trick mit dem Knick: Wegen des ­G elenks zwischen den Achsen kann der Roboter engere Kurven fahren und behält auch bei Uneben­ heiten seinen Grip.


PFLANZENLEXIKON SAMT EXPERTEN-CHECK

HUSQVARNA, HARMAN INTERNATIONAL INC, GARDENANSWERS

DIESER SOUND H AT EINEN H A KEN Der Wind in den Bäumen, das Zwitschern der Vögel – schon klar, wer im Garten arbeitet, genießt die Klänge der Natur. Ein bisschen Abwechslung kann aber auch hier nicht schaden, etwa Heavy Metal für das Extra-Quantum Motivation beim Unkrautjäten. Dafür einfach den Lautsprecher JBL Clip 3 per Karabinerhaken an der Gürtellasche befestigen und sich

die Musik (oder das Bundesligaspiel) via Bluetooth vom Smartphone übertragen lassen. Der Akku hält zehn Stunden, Regengüsse können dem Gummigehäuse nichts anhaben, ein integriertes Mikro ermöglicht Telefonate. Preis: ca. 50 Euro. ER H Ä LT LI C H U N T ER J B L .C O M

Beginnt im eigenen Garten etwas zu blühen, ist die Freude groß. Was aber, wenn man nicht genau weiß, was da eigentlich blüht? Hier hilft die App Garden Answers, das „Shazam für Pflanzen“. Einfach ein Foto von der Blüte bzw. den Blättern machen und mit einem der Bilder aus der Datenbank vergleichen lassen. Findet sich

keine Übereinstimmung, bleibt dir die Option, einen Experten zu fragen. Die App liefert Namen sowie Informationen zu Herkunft und Pflege. Gratis für Android und iPhone, „Ask the Expert“-Service für € 1,99 pro Anfrage. ER H Ä LT LI C H I M G O O G L E P L AY S TO R E O D ER iS TO R E


DER GARTEN DENKT MIT Das Smart-HomePrinzip in den Garten zu verlegen war die Grundidee des Wieners Roland Grösslich. Seine ­L ösung ist eine dreiteilige Hardware namens Miyo. Der Sensor (Bild) misst Bodenfeuchtigkeit, Lufttemperatur und Helligkeit und sendet die Daten an den Cube. Dieser entscheidet, ob und, wenn ja, wie lange das an der Wasserleitung angebrachte Ventil zur Bewässerung geöffnet wird. Einzig die Schläuche musst du zuvor selbst verlegen.

ERDBEEREN ZÜCHTEN MIT STIL Wer wenig Platz hat, muss in die Höhe denken. Nach diesem Wolkenkratzer-Prinzip agiert das Kärntner Startup Gusta Garden. Sissi Strawberry heißt das verti­ kale Pflanzsystem, bei dem ErdbeerLiebhaber Module kombinieren und so Höhe und Aussehen ihres „Baums“ indi­ viduell gestalten können. Gegossen wird nur die oberste Etage, die speziell geformten Kunststoffbehälter verteilen das Wasser gleichmäßig. ER H Ä LT LI C H U N T ER G US TAG A R D EN .C O M

ER H Ä LT LI C H U N T ER M I YO.G A R D EN

PROFI-GÄRTNER AM SMARTPHONE Wie tief muss ich Tomaten setzen? Wo wächst Lavendel am besten? Wie viel Abstand sollte ein Spargel zum nächsten haben? Und vor allem: Wann kann ich ihn endlich essen? Diese und zahlreiche weitere Fragen beantwortet die App Gardroid. Darüber hinaus gibt es eine Kalenderfunktion sowie einen Alarmservice, der dich an Säen, Gießen und

Ernten erinnert. Und weil man ja motiviert bleiben sollte, verfügt das Ganze auch über ein „Notizbuch“, in dem man seine Fortschritte bildlich festhalten kann. Die Gardroid-Basisversion ist gratis, Gardroid Premium kostet € 2,99. ER H Ä LT LI C H I M G O O G L E P L AY S TO R E


T H E

R E D

B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

Bee ist ein Quad­ copter mit eingebau­ ten Kameras . Ein Über wachungsflug dauer t 2 bis 3 Minuten, der Akku reicht für 1 5 Minuten.

MARIO PAMPEL-POSTPRODUCTION, GUSTA GARDEN GMBH, 2019 GARDROID, SUNFLOWER LABS

DIESE DROHNE IST DEIN FLIEGENDER WACHHUND Erdacht im Silicon Valley, entwickelt in der Schweiz wurde diese Grundstücksüberwachung vom Feinsten: Schlagen im Garten oder in der Einfahrt installierte Leuchten mit Be­wegungs- und Vibrationssensoren Alarm, dann hebt eine tellergroße Drohne namens Bee ab und macht ein Live-Video für deine App. Mittels Machine­ INNOVATOR

Learning werden Bewegungsmuster er­ kannt und Fehlalarme minimiert. Eine wetterfeste Ladestation gewährleistet stete Flugbereitschaft. Kurz: Einbrecher (oder Waschbären, die an dein Gemüse wollen) bleiben nicht unerkannt.

Die Basisstation Hive (= Bienenstock) ist so groß wie eine ­Hundehüt te. Sie schütz t und lädt die Drohne Bee.

R E S ERV I ERU N G U N T ER SU N F LOW ER- L A B S .C O M

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VO M BA U AUF D I E BÜ HNE So zimmerst du deinen Online-Auftritt: Im Frühjahr erklärt Fynn Kliemann sein Erfolgsrezept für YouTube und Co in Hamburg auf dem OMR, Europas größtem Digital Marketing Festival (7. und 8. Mai). Alle Infos ­unter: omr.com

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INTERVIEW

„DU BRAUCHST KEINE LIKES“ Mach, was du willst – aber mach’s! Fynn Kliemann begeistert Millionen mit seinen Heimwerkervideos. Hier erklärt er, warum der Schlüssel zu seinem Erfolg im „Verkacken“ liegt. the red bulletin innovator: Fynn, du bist Musiker, du hast eine Agentur und einen eigenen Web-Shop. Vor allem aber sehen dir auf YouTube Millionen beim Heimwerken zu. Wie kamst du auf die Idee, dass Leute sehen wollen, wie du einen Teich ­aushebst? fynn kliemann: Blanker Zufall. Einige meiner Kumpels sind Werbe­filmer. 2015 kauften die für tausende Euro Steadycams, diese Schwebestative zum Stabi­ lisieren der Kamera. Ich wollte zeigen, dass ich das für ein paar Cents selber bauen kann. Ein Gag – den ich bei YouTube ­hochgeladen hab, damit meine Freunde sich das angucken. Es kamen ein paar mehr dazu. Nach zwei Tagen hatte das Video 100.000 Views. Keine Ahnung, warum das so eingeschlagen hat.

NIKITA TERYOSHIN

Eine Vermutung? Ich drehe meine Videos nie für die Likes, und das merken die Leute, glaube ich. Meistens ist es ja so: Ich brauche irgendwas für unser Haus, das baue ich dann und ­mache dabei ein Video – aus Spaß an der Sache. Daran wollen die Leute anscheinend gerne teil­ haben. Wenn dir das Drehen wie Arbeit vorkommt – lass es!

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So einfach ist das? Sechs Tage Pflaster verlegen – da bin ich auch nicht durchgehend happy mit meinem Leben. Aber so ist der Schaffensprozess. Haupt­ sache, du machst es aus freien Stücken. Wenn das Video floppt, egal! Weil ich meine schöne ­Terrasse ja dann trotzdem habe. Deine Heimwerkervideos zeigen­ erstaunlich oft, wie etwas schiefgeht oder du dich selbst versehentlich verletzt. Es gibt kein Drehbuch, kein Dut­ zend Takes, wie ich in die Garage laufe. Wenn ich fünfmal zu bräsig war, um etwas ordentlich hinzu­ kriegen, kommt das ins Video. Es wirkt echt, weil es echt ist. Das ist der Schlüssel. Einer deiner Songs heißt: „Verkacken gehört dazu“. Ist das auch dein Business-Motto? In einzelnen Zwischenschritten von Projekten geht so oft etwas schief, eigentlich ständig. Aber man muss dranbleiben, bis es klappt. Eigentlich ganz simpel: Man schafft alles, wenn man nicht aufhört, bis man es geschafft hat. Deine Musik verkauft sich ­hunderttausendfach. Du hast mit dem „Kliemannsland“ deinen eigenen Abenteuer­ spielplatz. Und du bist noch nicht mal dreißig! Das Leben ist wie Ableton, das Programm, mit dem ich Musik aufnehme. Du arbeitest damit

zehn Jahre und hast dabei gerade mal zwei Prozent der Möglich­ keiten angekratzt. Du kannst dein Leben lang Dinge probieren und hast trotzdem nur einen Bruchteil deiner Chancen genutzt. Deshalb lautet meine wichtigste Regel: Nichts zweimal machen. Du arbeitest immer noch in deiner Agentur herrlich media. Genau, da baue ich Shops und Websites, ich löse Probleme für andere. Das ist eine schöne Ab­ wechslung zu eigenen Projekten beim Heimwerken. Und du bist abgesichert. Kommt daher deine Unbeschwertheit? Natürlich hilft das, aber ich bin auch nicht ohne Angst. Als wir die Agentur gründeten, beschlossen wir, freiwillig in die Arbeitslosen­ versicherung zu zahlen – für den Fall, dass wir scheitern. Dann haben wir unsere zehn zentralen Ideen auf einen Zettel geschrieben. Wenn wir fünf davon hätten auf­ geben müssen, hätte uns der Mut verlassen. Aber nach einem Jahr funktionierte es, und wir stoppten die Zahlungen für die Versiche­ rung. Wir dachten: Was soll uns noch passieren? Was du offenbar bist, kann kein Gründer in einem Seminar lernen: Du bist ein Glückskind. Zumindest sagt das meine Freun­ din immer. Ich hab auch Pech, aber irgendwie ist es so, dass ich danach doppelt so viel Glück habe. Wenn du viel machst, funk­ tionieren auch mehrere Sachen. Wenn du eine einzige Sache machst und scheiterst, bist du zu hundert Prozent gescheitert. Wenn du zehn Sachen machst und bei einer scheiterst, bist du zu zehn Prozent gescheitert. Na und? Gemischtwarenhändler: Auf seiner Website zeigt Fynn Kliemann Heimwerkervideos, verkauft Equipment und berichtet von Musikprojekten. Vorbeischauen unter: oderso.cool

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MIT SONNENKR AF T

Die „Solar Voyager“ auf dem Weg durch die Antarktis. Das E-Mobil trotzt im Betrieb Temperaturen bis zu minus 30 Grad.

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DIE SOLAR REISENDEN

T E X T   M a t t h i a s L a u e r e r, A r e k P i a t e k F O T O S   E d o L a n d w e h r, Z i t a L u i t e n

Im November 2018 macht sich ein niederländisches Ehepaar auf den Weg zum Südpol – in einem Solarauto aus Plastik. Ein Extremabenteuer im Zeichen globaler Nachhaltigkeit.

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VORBEREITUNG Edwin ter Velde (re.) fixiert mit Kollegen die Sonnenzellen auf den Anhängern der „Solar Voyager“. Eine davon wird auch am Mobil angebracht.

W Wie sehr belastet Plastikmüll die Welt? Und wie kann man dieses Problem ­l ösen? Und: Wo lässt sich Altplastik sinnvoll ver werten? Diese Fragen beschäftigen das Ehepaar ter Velde schon jahrelang – bis sich daraus ein un­g ewöhn­l iches Projekt ent­w ickelt, das die Nieder­l änder bis in die Antarktis ­f ühren wird: das Clean2Antarctica.

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2015 war der spektakuläre Plan fertig. Und ab da wussten Edwin und Liesbeth ter Velde, ein WissenschaftlerEhepaar aus den Niederlanden: Sie werden etwas bauen, was noch keiner gebaut hat, und etwas wagen, was noch keiner gewagt hat – und damit ein Zeichen für die Umwelt setzen. Das konkrete Vorhaben: ein Gefährt aus Altplastik 3D-drucken, es mit Solarzellen bestücken – und damit eine Reise zum Südpol antreten. 1200 Kilo­ meter. Nur mit der Kraft der Sonne. Durch die lebensfeindliche Eiswüste der Antarktis. Bei Schneestürmen und Temperaturen bis zu minus 30 Grad. „Wir wollen zeigen, dass wir bereits heute über alle Technologien für eine nachhaltige Welt verfügen“, sagt Liesbeth ter Velde, „deswegen bauten wir die ‚Voyager‘ aus alten Plastik­ flaschen. Dies soll bewusst machen, wie man die Welt durch global an­ gelegte Wiederverwertung verändern könnte.“ Es dauerte – mit Sponsorenhilfe – drei Jahre, bis das AltplastikVehikel bereit war für den antarktischen Härtetest: „Wir wählten die Antarktis als Route, um auch auf den antarktischen Vertrag hinzuweisen, der 2048 ausläuft“, so Liesbeth, „dann könnte die Jagd nach den dortigen Rohstoffen beginnen.“ Ende 2018 sollte ihr Vorhaben umgesetzt werde: Ein Transportflugzeug bringt die „Solar Voyager“ samt Team zum Union-Gletscher, dem letzten bewohnten Basecamp vor dem Südpol. Die Reise kann beginnen.

FLU GHAFEN ANTARK TIS

Entladung der „Solar Voyager“ aus einem russischen Frachtflugzeug. Eine Verschiffung wäre wegen der ­Eisschollen im Meer zu riskant gewesen.

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DIE ANKUNFT INNOVATOR

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DAS TE A M

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TE AMLE ADER

Links: Liesbeth ter Velde. Rechts: ihr Mann Edwin, Abenteurer und Kapitän der Clean2­Ant­arcticaMission. Er sagt: „Um die Welt zu ­verbessern, musst du Dinge a ­ ußerhalb deiner Komfort­ zone ­machen. Und am b ­ esten, du machst sie gleich als Allererster.“

DOKU - CRE W

Clean2AntarcticaTeam-Members: Links: Zita Luiten, 28, die Fotografin der Expedition. Rechts: Edo Landwehr, 32, Filmer. Aufgabe: mittels Kameradrohne die Expedition filmen – und im Voraus Terrain erkunden.

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DIE EXPEDITION Tag 1 . Edwin: „Das Wetter überrascht uns bei der Ankunft im Basecamp – es ist schlecht, windig, fast stürmisch. Nebenbei erleben wir gleich, was ein Whiteout ist: Es ist im Schnee ­d iffus reflektiertes Licht – sodass einem weiß vor Augen wird. Du siehst die Menschen nicht mehr, die wenige Meter vor dir stehen. An Aufbruch ist nicht zu denken. Wir verlieren zwei Tage im Basecamp –

doch dann starten wir endlich. Bei ­g utem Wetter! Und ­h olen auf. Wir schaffen rasch die ersten 100 Kilometer. Die Sonne scheint hier 24 Stunden. Doch für uns ist das kein Nachteil: Wir fahren Tag und Nacht.“ EISIGER WEG

Die Route vom Gletscher-­Base­ camp zum Südpol ist 1200 Kilometer lang. Zudem muss die „Solar Voyager“ über 2000 Höhenmeter bewältigen.

Südpol (2 8 3 5 m)   U nion - Gletscher ( 70 0 m)

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DIE „SOLAR VOYAGER“ Mit Sonnenpower über arktisches Eis. Wasser gewinnt die Truppe mittels sechs Solar-Vakuum­ röhren, die den Schnee schmelzen. So entfällt der Transport der schweren Wasserlast.

ENERGIESPENDER 1 Ze h n S o l a r p a n e e l e. Ih re ge sp e i c h e rte E n e rg i e k a n n d a s E- C a r f ü n f Stu nd e n o h n e S o n n e in B etr i e b h a l te n .

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ENERGIESPENDER 2 Zwe i P l a s ti k t r a i l e r. I n h a l t : N a h r u n g f ü r v i e r Pe r s o n e n – u n d f ü r 3 0 Ta ge .

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REIFEN M i t N e t ze n b e zo ge n – u m b e i k n i e t i efe m S c h n e e d a s G ew i c h t d e s Ve h i ke l s g l e i c h m ä ß i g zu ve r te i l e n .

SONNENSCHUTZ M i t S p e zi a l k u n s t s tof f b e k l e b te Fe n s te r. S i e a b s o r b i e re n I n f r a rotstrahlen und wärmen die Kabine.

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DAS WETTER Tag 12. ­L iesbeth nach 500 Kilo­m etern: „Das Auto kam bei Sonnen­ schein gut vor­a n. Doch nun spielt das Wetter nicht mit. Wir hatten für die Expedition zwei Schlecht­w ettertage kalkuliert, aber hier toben jetzt täglich ­S chnee­s türme. Statt zu fahren, schla­f en wir in ­Z elten – und schaufeln die ­‚Voyager‘ ständig von Schnee frei. Der Pro­ viant wird weniger, und ohne Sonne kom­ men wir nicht voran. Aber 600 Kilometer wollen wir schaffen.“

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„Wir haben bei der ‚Solar Voyager‘ 2000 Kilo Plastikflaschen eingeschmolzen und daraus 5000 sechs­eckige Platten gedruckt“, sagt ­Edwin, „die verbanden wir zum Chassis des Autos.“ Es ist nicht nur robust und kälte­beständig, sondern auch ultraleicht: Das 16 Meter lange Gespann wiegt nur 1485 Kilo.

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DIE K Ä LTE

SETBACK

Die Crew säubert nach dem Sturm die Leitungen der Paneele, um rasch die Fahrt mit der „Voyager“ (High­ INNOVATOR

speed: 8 km/h) fortzusetzen. Übri­ gens: Im Rover sind keine Heizelemente, die Sonnenenergie wird nur zur Fort­ bewegung genutzt.

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Z WANGSPAUSE Bei Schlechtwetter ist Geduld gefragt: Nach starkem Schneefall wartet die Crew – bis die Solar­ zellen erneut auf­ geladen sind und die Reise weitergeht.

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VORREITER Liesbeth ter Velde in der „Voyager“: „Für Nachhaltigkeit brauchen wir keine neue Technologie. Einzig eine Neu­ definition der alten.“

DER ENTSCHLUSS Tag 18. Nach 680 Ki­l o­m etern, also der Hälfte der Strecke zum Südpol, muss die Crew mangels Sonne umkehren. Edwin: „Wir haben den Süd­ pol nicht erreicht, aber dafür unser wichtigstes Ziel: zu zeigen, was mit der Technologie möglich ist – 18 Tage unter­ wegs durch Schnee und Eis, allein mit Sonnenkraft. Im Re­ cyc­l ingauto, das die Zukunft ändern kann.“

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IN N OVATO R

WIS SEN

HOW TO FOCUS

AUFGEZEICHNET VON ALARD VON KITTLITZ

E IN E A N L E I T U N G IN 18 S C H R I T T E N 64

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ARDYN NORDSTROM

Lärmende Kollegen, aufblinkende Push-Nachrichten, Mails im Minuten­ takt: Im Büro hoch konzen­t riert sein ist eine aussterbende Disziplin. Produktivitäts-Experte Chris Bailey erklärt, wie du sie bewahren kannst.


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Trenn dich endlich

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Kenne den Feind Studien ergeben, dass ein Mensch, der vor dem Rechner arbeitet und ein Smartphone neben sich liegen hat, alle 40 Sekunden von dem abgelenkt wird, was gerade zu tun ist. Das ist sehr oft – und das ist nicht gut. Wir brauchen nämlich in der Regel 25 Minuten, bis wir überhaupt so richtig in eine Aufgabe vertieft sind. Sei dir dessen bewusst. Du wirst ab­ gelenkt werden. Es ist nicht deine Schuld, dass du abgelenkt wirst. Aber du kannst ein paar Dinge tun, die dir dabei helfen, konzentriert zu bleiben. Denn tief in dir drin willst du natür­ lich vorwärtskommen – statt zum fünften Mal in einer Stunde deine ­Instagram-App zu checken.

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Mach’s wie die Mönche Das Arbeitsgedächtnis ist der Teil un­ seres Geistes, der aktiv Informationen prozessiert. Wenn du diesen Satz zu verstehen versuchst, dann tust du das mit dem Arbeitsgedächtnis. Es gibt kaum Möglichkeiten, den Speicher dieses Arbeitsgedächtnisses zu erwei­ tern – Meditation ist erwiesenermaßen eine davon. Sie kann die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses um bis zu 30 Prozent steigern – sodass du irgend­ wann Aufgaben bewältigen kannst, die deutlich komplexer sind. Ein gutes Arbeitsgedächtnis ist im Übrigen im­ stande, zu bemerken, wenn es abge­ lenkt ist – und folglich auch in der Lage, sich wieder schneller zu fokus­ sieren. Mein Tipp für Einsteiger: ge­ führte Meditationen. Gibt es auf You­ Tube oder als App (siehe Seite 67). Fünf Minuten täglich reichen. INNOVATOR

Die allereinfachste und allerbeste Art, nicht abgelenkt zu sein, ist – du ahnst es bereits –, dich von deinem Handy zu trennen. Leg das Smartphone in ein anderes Zimmer. Lass es zu Hause. Es gibt nichts, was effektiver wäre.

DER EXPERTE

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Bändige die Apps Wenn dir das zu krass oder schier unmöglich erscheint, geh durch die Nachrichten-Einstellungen in deinem Telefon. Welche Apps müssen als Push-Nachrichten auf deinem Display erscheinen? Brauchst du wirklich Nachrichten von Snapchat? Überleg dir, was deine Aufmerksamkeit tat­ sächlich verdient.

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Alles auf Grau Stell dein Smartphone-Display auf Graustufen. Dadurch habe ich meine Bildschirmzeit halbiert. Wenn die ganze Farbe aus den Apps gewichen ist, wird alles auf dem Handy sofort weniger interessant. Dann ist die echte Welt bunter und spannender. Firmen wie Facebook testen dutzende Farb­ töne an Probanden, um das optimale Rot für den Hinweis auf neue Nach­ richten hinzukriegen. Farbpsycho­ logen wissen genau, wie sie deine Aufmerksamkeit erregen können.

Chris Bailey Autor

296 TED Talks in ­e iner Woche schauen, in Einsamkeit leben, täglich um 5.30 Uhr aufstehen: Chris ­B ailey ist besessen von der Frage, wie wir unsere Zeit am besten nutzen können – und er erprobt jede Stra­ tegie am eigenen Leib. 2016 kam sein Buch „The Produc­t ivity ­P roject“ heraus. Sein aktu­e lles Werk „Hyper­ focus“ erscheint Ende März auf Deutsch (Redline, 19,99 €).

➔ alifeofproductivity.com

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dass uns das Projekt irgendwie einschüchtert. Mein Rat: Denk nach, was die nächsten konkreten Schritte sind, um dein Projekt voranzubringen. Wen musst du anrufen? Wer muss eine E‑Mail kriegen? Was muss da drin­ stehen? Welche konkreten Informatio­ nen brauchst du? In der Regel muss man bloß – step by step – regelmäßig die nächsten Schritte tun, damit ein Projekt vorwärtskommt.

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Kenne dein Dopamin Unser Gehirn mag Neues. Jedes Mal, wenn wir etwas Neues sehen – einen neuen Post, ein Nachrichten-Update, eine neue E-Mail –, kriegen wir einen kleinen Dopamin-Kick. Man kann richtig süchtig danach werden (und das nutzen die Social-Media-Konzerne nach allen Regeln der Kunst). Die Benachrichtigung von Twitter ist leider neuer als der Bericht, den dein Chef nächste Woche auf dem Schreibtisch haben will. Schon fängst du an zu prokrastinieren, du kriegst nicht hin, was du erledigen wolltest. Versuch, deine Umwelt so zu gestalten, dass möglichst wenig Neues an dich herankommt, wenn du dich gerade fokussieren willst.

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Gönn dir einen Bonus Die allerwenigsten Menschen machen gern ihre Steuererklärung. Wenn du eine Aufgabe vor dir herschiebst, weil sie, siehe oben, nichts Neues – und ergo kein Dopamin – verspricht, versüß sie dir. Lass dein Telefon zu Hause und setz dich in dein Lieblingscafé. Gönn dir deinen liebsten Drink. Oder bezahl dich: 50 Cent für jede Minute, die du an der Steuererklärung ar­ beitest – davon darfst du dir dann am Ende etwas wunderbar Unsinniges kaufen.

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Plane die nächsten Schritte Manchmal prokrastinieren wir sogar bei Projekten, auf die wir eigentlich Lust haben. Meist ist der Grund dafür, 66

Bring alles auf ein Blatt Papier Ein Problem an Smartphones und PCs ist, dass sie so viele verschiedene Dinge können. Mit Stift und Papier ist das anders: Die dienen zum Notieren, zu sonst nichts. Man kann auf dem Schreibblock nicht schnell zu Twitter springen. Wenn du dich auf eine Aufgabe konzentrieren musst, versuch es mit Stift und Papier. Oft schaffst du dann in 20 Minuten, was dich sonst eine Stunde gekostet hätte.

S T E L L D E IN S M A R T P H O N E-­ D I S P L AY AU F G R AU S T U F E N. DA D U R C H H A B E I C H M E INE BIL D S C HIR M Z E I T H A L BIE R T.

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Führe Attraktivitäts-Tabellen Betrachte deine Arbeit. Was machst du gewöhnlich an einem Arbeitstag? Sortier deine Aufgaben in ein Koordinatensystem ein: Auf der einen Achse steht unwichtig/wichtig, auf der anderen ­attraktiv/unattraktiv. Die besten Aufgaben sind natürlich die wichtigen und attraktiven. Für die machen wir in der Regel den Job. Die wichtigen und unattraktiven sind Dinge, die notwendig sind. Die unattraktiven und unwichtigen können hintan­stehen. Deine „Gegner“ sind aber die unwichtigen und attraktiven: die Gespräche mit den Kollegen, die Rauchpause, der Facebook-Account. Das sind die Sachen, die dich ablenken.

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Die Liste ist dein Freund Die gute alte To-do-Liste: Mein Kollege David Allen sagt, unser Kopf ist dazu gedacht, Ideen zu generieren, nicht, sie festzuhalten. Du willst in deinem

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DIE APPS

MI T S T IF T U N D PA P IE R S C H A F F S T D U IN 2 0 MIN U T E N, WA S D I C H A M P C E INE S T U ND E G E KO S T E T H ÄT T E .

In Sachen Kon­ zentration ist unser Smar tphone ein Problem. So machst du’s zur Lösung:

Kopf nicht ständig wiederholen, was du noch erledigen musst. Du brauchst deine Aufmerksamkeit für die Auf­ gabe, die du jetzt erledigen willst. Mach jeden Morgen eine Liste mit den Dingen, die du tun musst.

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Freedom Freedom macht dein Smartphone (oder deinen Computer) weniger interessant. Die App filtert Werbung und blockiert Websites, die dich ablenken. Immer, wenn ich einen Text schreibe, aktiviere ich als Erstes Freedom.

Mach den Morgen zum Abend Ich glaube an die Top 3. Ich stelle mir morgens vor, dass es schon Abend ist, und frage mich: Welche drei Dinge muss ich heute Abend erledigt haben, damit ich das Gefühl haben kann, dass der Tag mich weitergebracht hat? Auf meiner To-do-Liste steht auch Pflanzengießen. Aber das ist kein Top-3-Ding. Mach dir bewusst, was dir heute wichtig ist.

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Things Es gibt unendlich viele Apps für To-do-Listen. Meine liebste heißt Things. Sie ist einfach, intuitiv – und wurde, glaube ich, maßgeblich in Deutschland entwickelt!

Fixiere den Impuls

FREEDOM, THINGS, HEADSPACE

Wenn du dich gerade auf eine be­ stimmte Aufgabe konzentrieren willst, was wird passieren? Richtig, du wirst abgelenkt werden. Alle 40 Sekunden. Leg dir einen Zettel neben deine eigentliche Arbeit, auf den du notierst, was dich ge­ rade ­ablenkt. SMS beantworten, auf ­Amazon nach einem Beamer ­schauen, Mama anrufen – statt dem Impuls zu folgen, schreibst du ihn auf. Wenn du mit der Aufgabe fertig bist oder eine Pause machen darfst, check die Ablenkungs-Liste und mach, ­worauf du Lust hast. INNOVATOR

Headspace Für alle, die meditieren lernen wollen und nicht wissen, wie sie damit anfangen sollen. Meditation muss nichts Spirituelles sein. Sie ist einfach gut für unseren Kopf. Wir sollten alle meditieren.

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DIE BÜCHER

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Optimier dein Multitasking „Getting Things Done“

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Musik ist Trumpf Es gibt für deine Konzentration nichts Besseres als einen ruhigen Ort. Wenn du in einer stillen Bibliothek arbeiten kannst, hör keine Musik: Die lenkt dich ab. An einem lauten Ort aber ist Musik dein Freund. Sie lenkt deutlich weniger ab als Gespräche und über­ tönt den Hintergrund. Am besten ist einfache, leise Musik, die du kennst. Ich selbst höre gern Klaviermusik. Manchmal aber auch stundenlang ­dasselbe Lied auf Repeat 1.

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Raus mit dir Sitzt du im Office an einem Schreib­ tisch, an dem es dir für deine Aufgabe ­eigentlich zu laut ist, geh woandershin. Setz dich in einen Meeting Room, der gerade nicht belegt ist. Geh heim oder in ein ruhiges Café. Das ist besser, als dich von den Ablenkungen des Um­ felds entnerven zu lassen. Wenn das nicht geht: Geräuschreduzierende Kopfhörer sind eine gute Investition.

von David Allen erklärt dir, wie du deine Ziele wirklich erreichbar gestalten kannst. Allen hat eine Methode ent­ wickelt, wie man effizienter und belastungsfreier – also produktiver – arbeiten kann.

„How Not to Die“ von Michael Greger bringt einem bei, wie man den Körper vernünftig ernährt – und da­ durch besser hinkriegen kann, was man hinkriegen will. Wenn dein Körper vernünftig ver­ sorgt ist, kannst du viel eher Leistung abrufen, als wenn es an Nährstoffen mangelt.

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Knips das Licht an Überleg gemeinsam mit deinem Chef, wie man auch im Großraum Möglich­ keiten fokussierter Arbeit schaffen kann – zum Beispiel Lampen auf dem Schreibtisch, die den Kollegen signa­ lisieren, dass man sich gerade auf ­etwas konzentrieren muss und nicht gestört werden will. 68

„Happiness Advantage“ Ein Buch, das sehr konkrete, belegbare Anweisungen gibt, wie man ein bisschen glück­ licher werden kann im Leben. Und glückliche Menschen per­ formen meist besser und sind produktiver und erfolgreicher.

Alles, was eine reine Routine und ­Gewohnheit ist – der Weg zum Café, das Wäschefalten, die Hausarbeit, die Fahrt ins Büro –, also alles, was du im Autopilot-Modus erledigen kannst, ist eine gute Gelegenheit, um nebenbei noch etwas anderes zu tun. Voraus­ gesetzt natürlich, es erfordert nicht die gleichen Sinne. Du kannst im Auto wunderbar den Podcast hören, auf dem Weg ins Café ein wichtiges Tele­ fonat erledigen, beim Wäsche­falten die Nachrichten sehen. Aber mach nie gleichzeitig zwei Sachen, die deine Aufmerksamkeit erfordern. Wenn du E-Mails abarbeitest und zugleich einen Podcast hörst, werden die E-Mails länger dauern und schlechter verfasst sein, und vom Podcast wirst du wenig bis nichts mitkriegen.

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Lass den Fokus von der Leine Am Schluss folgt der fast wichtigste Rat, den ich geben kann: Lerne, den Fokus loszulassen. Entspann dich. Sei nicht den ganzen Tag auf irgendwelche Sachen fokussiert. Geh lieber einmal ­laufen. Geh ohne Handy spazieren. Nimm ein Bad (ohne Radio, Fernseher oder Buch). Strick einen Schal. Lass deinen Verstand jedenfalls täglich ein wenig auf Wanderschaft gehen. Die besten Ideen, die wichtigsten Einfälle haben wir kaum je, wenn wir uns ge­ rade auf etwas zu konzentrieren ver­ suchen. Wenn wir uns auf nichts kon­ zentrieren, denken wir in der Regel 14-mal häufiger an unsere Ziele, als wenn wir uns konzentrieren. Wir den­ ken dann fast die Hälfte der Zeit an die Zukunft – wenn wir konzentriert sind, tun wir das so gut wie gar nicht. Ab und zu den Fokus zu verlieren be­ deutet nicht nur, dem Verstand eine Pause zu gönnen, sondern auch den Blick fürs große Ganze zu gewinnen. Und eins noch: Netflix ist auch Fokus. Mach täglich auch einmal nichts.

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Innovation unlocked

Das Magazin fĂźr Zukunftsmacher & Entrepreneure mit Start-Ups, Pionieren und genialen Erfindungen. Dein Abo mit 2 Ausgaben kostenfrei bestellen: theredbulletininnovator.com


TEXT: REINER KAPELLER

FOTOS: KLAUS PICHLER

HAIR & MAKE-UP: JULIA HRDINA

ZO C KST DU GENUG? 70

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BODY: WOLFORD

Du glaubst immer noch, digitale Spiele sind Kinderkram? Dann vergiss alles, was du darüber gehört hast. Mit dem prägenden Medium des 21. Jahrhunderts kannst du Pilot werden, eine Firma führen und den inneren Schweine­h und besiegen. Und wenn du willst, verändern deine Klicks sogar die Welt: Hier sind fünf Gaming-­ Kategorien, die dich im Leben voranbringen.


Zocken für Gleich­ berechtigung: Die Österreicherin Marlies „Maestra“ Brunnhofer spielt professionell ­„League of Legends“ und motiviert so Frauen zu einer eSport-Karriere.


INT RO

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Um 22.17 Uhr in der Notauf­nahme: Jungmedizinerin Andrea H. be­ reitet sich im Zuge des klinischpraktischen Jahres auf ihre Visite vor. Plötzlich entsteht im Nacht­ dienst binnen Sekunden eine Stresssituation, als drei Patienten in die Notaufnahme kommen: ein stark betrunkener Partygast mit Platzwunde, ein 65-jähriger ­Rentner, der über heftige Brust­ schmerzen klagt, eine junge Frau, die dunkles Blut erbricht. Andrea kümmert sich um die verängstigte Frau, bittet die anderen Patienten, Platz zu nehmen. Was sie zu ­diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Ihre Fehleinschätzung wird wenige Stunden später einem ­Patienten das Leben kosten.

echt. Sie sind nur ein Beispiel aus der virtuellen 3D-Simulation „EMERGE“, die angehende Medi­ ziner auf den hektischen A ­ lltag in der Notaufnahme vor­bereitet. Das Spiel mit 50 realen medizinischen Fällen wurde von Tobias Raupach (Universitäts­medizin Göttingen) und Kollegen vom Universitäts­ klinikum Hamburg-Eppendorf konzipiert und von ­PatientZero Games ent­wickelt. Es trainiert Medizin­studenten, hilft beim Stel­ len von D ­ iagnosen und Setzen von Prioritäten. Gaming macht nicht nur unsere Ärzte besser. Digitale Spiele ­haben das Zeug dazu, sämtliche Berufsbereiche und den komplet­ ten Alltag zu verändern. Du willst ­Pilot werden, eine Firma führen, dich mehr bewegen? Spiel ein­ fach. Denn Games können Dinge, die kein Lehrer kann: Sie werten nicht, haben keinen schlechten Tag oder geben ein Minus in Be­ tragen, weil man mit dem Bank­ nachbarn schwätzt. Sie machen

GA ME S L A DEN EIN, DINGE SPIELERIS CH ZU PROB IEREN, SIE L AS SEN D ICH IM GES CHÜT ZTEN R A HMEN S CHEITERN . B IS DEIN PROBLEM GELÖST IST.

keine Witze über falsch aus­ gesprochene Englisch-Vokabeln. Sie würden nie sagen, dass aus dir nichts wird. Stattdessen ­mo­tivieren sie. Sie laden dazu ein, Dinge spielerisch noch einmal zu probieren, sie lassen dich im geschützten Rahmen scheitern. So lange, bis du dein Problem ­gelöst hast. Und dann belohnen sie dich mit Punkten, einem Level­ aufstieg, einem „Gut gemacht!“.

Obwohl Andrea falsch gehandelt hat, wird sie heute Nacht gut schlafen können. Der Rentner und seine unentdeckte, letztlich töd­ liche Aortendissektion waren nicht

Das Spiel „League of Legends“ wurde 2009 veröffentlicht. 2016 spielten es rund 100 Millionen Menschen – monatlich. Bild: die Spielfigur Illaoi

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INNOVATOR


GAMES DOMINIEREN DIE UNTERHALTUNGS INDUSTRIE Das sind die globalen Zahlen aus dem Jahr 2017. Das wirtschaft­ liche Potenzial der Games ist noch lange nicht ausgeschöpft: 2022 wird der Branchenleader laut Experten 200 Milliarden Euro ­Umsatz generieren.

RIOT GAMES

Der durchschnittliche Spieler ist nicht vierzehn, und er hat in ­seinen Nächten Besseres zu tun, als vor dem Monitor zu sitzen. Er ist Mitte dreißig, zu 53 Prozent männlich und zockt gut zehn Stunden pro Woche, am liebsten am Smartphone. Er ist einer von weltweit 2,3 Milliarden Menschen, die spielen, und damit Teil einer 121 Milliarden Dollar schweren Videospielindustrie. Zum Vergleich: 2017 erwirtschaftete das Kino weltweit 40 Milliarden, die Musikindustrie 17,3 Milliarden, der Streaming-Riese Netflix vergleichsweise mickrige 3,3 Milliarden. Die Zahlen sind umso beeindruckender, als das recht junge Medium (der erste kommerzielle Erfolg war das Tischtennis-Game „Pong“ 1972) erst ansatzweise zeigt, wozu es imstande ist. Die ­finanzielle Vorherrschaft in der EntertainmentIndustrie hat G ­ aming bereits ­heute inne, im nächsten Schritt folgt die kulturelle.

INNOVATOR

Der Game-Historiker und Filmwissenschaftler Selim Krichane, 32, von der Universität Lausanne sagt: „Games sind die bestim­ mende Kulturform des 21. Jahrhunderts.“ Ihre Interaktivität macht sie zum idealen Medium, um die digitale Welt um uns herum zu ­reflektieren. 2006 hat Frankreich Games als Kunstform anerkannt, 2012 nahm das Museum of ­Modern Art in New York 14 Video­ spiel-Klassiker in seine Sammlung auf, und 2013 wurde mit dem ­Adventure „Journey“ erstmalig in der Geschichte ein Spiel für den Grammy nominiert. Auf die Frage, wie lange es noch dauern wird, bis wir eSportler, Streamer und Game-Designer so verehren wie Film- und Popstars, muss Selim Krichane lächeln und antwortet mit einem Vergleich: „Neue Me­di­ en werden stets unterschätzt. Bis in die 1940er bezeichneten viele angesehene Menschen das Kino als Zeitvertreib für Idioten.“ Das sagen heute noch viele über Gaming. Aber sie werden ihre Meinung schon bald überdenken müssen.

Netflix

3,3 Mrd. Euro

Musik

17,3 Mrd. Euro

Kino

40 Mrd. Euro

Games

121 Mrd. Euro

2017, Hamburg, Barclaycard Arena: 10.000 Fans feuern beim Finale der „League of Legends“Meisterschaft Europas Top-Gamer an.

D IGITA LE S PIE LE H A BE N DAS Z E U G DAZ U, SÄ MT­ LICH E BE RU FS BE RE ICH E UND D E N   KO MPLE TT E N A LLTAG Z U V E RÄ N D E RN .

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Pyke, grimmiger Rächer bei „League of ­Legends“

LEAGUE O F   ­L E G E N D S #ESPORT

DIESE GAMES MACHEN DICH SCHL AU Gaming als Leistungssport trainiert blitzschnelle Reaktionen, genauso wie strategisches und taktisches Verständnis. Der intensive Wettbewerb im eSport fördert auch laterales Denken, also die Fähigkeit, immer wieder überraschende und unkonventionelle Lösungen zu entwickeln. Ange­n ehmer Benefit: Richtig gute eSportler können mit Gaming auch reich werden, denn mittlerweile werden bis zu 100 Millionen Dollar an Preisgeldern aufgeboten. 74

STRATEGIE-PLATZHIRSCH Der eSport-Klassiker ist ein MOBA (Multiplayer Online Battle Arena, Anm.) mit zwei Teams à fünf Spielern. „LoL“ verbessert neben Fingerfertigkeit und Koordination vor allem die Kommunikation und Entscheidungsfindung in kleinen Gruppen. Denn nur wer zusammenarbeitet, hat in diesem Strategiespiel eine Chance.  leagueoflegends.com

FIFA

DIE SPORT-REFERENZ Die meistverkaufte SportspielSerie der Gaming-Geschichte (über 260 Millionen Exemplare) verbessert analytische Fähigkeiten, indem Spielzüge und Zusammenhänge erkannt werden. Und sie hilft, die Nervenstärke zu trainieren, denn die Pässe und Laufwege von ner­vösen Spielern lassen sich leicht vorhersehen. easports.com

OVERWATCH

DER TAKTIK-SHOOTER In diesem Team-Shooter treten zwei Teams zu je sechs Spielern gegeneinander an. „Overwatch“ schult nicht nur die Hand-Augen-Koordination, sondern auch die Reaktionsgeschwindigkeit der Spieler. Zusätzlich verbessern die verwinkelten 3D-Welten das räum­ liche Vorstellungsvermögen und generell die Orientierung.  playoverwatch.com

HEARTHSTONE

CHALLENGE: ANTIZIPATION Das Online-Sammelkartenspiel mit über 1100 Spielkarten ist ­einfach zu erlernen, aber tricky zu meistern. Hearthstone trainiert die Merkfähigkeit der Spieler und förder t Flexibilität im Denken. Denn nur wer mehrere Züge vorausdenkt und seine Taktik an­ passen kann, hat auch eine Chance auf die vorderen Ränge.  playhearthstone.com

INNOVATOR


Mehr als ordentlich: Laut der Website ­„Wasted on LoL“ hat Marlies Brunnhofer in den letzten sechs Jahren 3116 Stunden gespielt.

INTERVIEW

GA MING STEHT FÜR CH A NCEN GLEICHHEIT RIOT GAMES, BLIZZARD ENTERTAINMENT

Marlies „Maestra“ Brunnhofer, 22, ist Captain des eSports-Frauenteams „Zombie Unicorns“. Die PsychologieStudentin tötet im Strategiespiel „League of Legends“ nicht nur professionell Monster. Mit jeder Stunde, die sie spielt, setzt sie sich auch dafür ein, dass mehr Frauen ihren Weg in den eSport finden.

INNOVATOR

THE RED BULLETIN INNOVATOR: Mit Verlaub, was hat ein Fantasy-­ Strategiespiel wie „League of ­Legends“ mit Chancengleichheit zu tun? MARLIES BRUNNHOFER: Eine Menge. Ich gehöre zur ersten ­eSportlerinnen-Generation. Und ich möchte ein Vorbild für andere ­Gamerinnen sein und sie ermutigen, es auch zu versuchen. Fast die ­Hälfte der Gamer ist weiblich, aber nur drei Prozent der eSportler sind Frauen. Wir möchten dieses Ungleichgewicht ändern, indem wir andere Spielerinnen motivieren. Und wie wollt ihr das anstellen? Indem wir zeigen, dass wir die Skills haben, die im eSport nötig sind. Wir sind seit drei Jahren im Ge-

schäft, werden von Movistar Riders (einem der führenden spanischen eSport-Clubs; Anm.) gesponsert und haben 2018 in Portugal und Schweden die beiden größten ­euro­päischen Female-Turniere gewonnen. Wir trainieren dreimal die ­Woche je vier Stunden und spielen jedes Wochenende Online-Turniere. Mit jedem Spiel sagen wir den ­Mädels da draußen: Lasst euch von niemandem einschüchtern. Spielt online, holt euch die Sicherheit und findet euren Platz bei Frauen- oder Mixed-Turnieren. Allein durchs Spielen setzen wir den Grundstein für zukünftige Generationen. Und vielleicht werden Männer wie Frauen in zehn Jahren auf uns zurück­ blicken und sehen, wie alles begann. Aber das muss doch richtig hart sein, wenn man um sich nur ­Männer hat, die ständig blöde Kommentare schieben? Bei O≠line-Turnieren ist das kein Thema, da sind alle supernett. Wenn die Leute mitbekommen, dass wir zwei Wochen im Bootcamp acht Stunden pro Tag trainieren, dass wir uns auf Fernsehern Replays ansehen, mit dem Coach Strategien entwickeln und auf einer „LoL“-Map Spielzüge wie beim Football einzeichnen, dann gibt’s dafür Respekt von allen Seiten. Die „LoL“-Online-Commu­nity ist da ­anders, da werden Topleistungen oft nicht anerkannt oder ernst ­genommen, und manchmal wird’s auch richtig tief. Was denkst du dir dann? Ich versuche, das nicht an mich rankommen zu lassen. Durch Gaming habe ich gelernt, mit Frustrationen umzugehen, mich besser zu konzentrieren und mich nur auf wirklich wichtige Dinge zu fokussieren. Wir arbeiten im Team mit einem Sportpsychologen zusammen, meditieren vor Turnieren und Übungsblöcken im Kreis oder über Headset. Mir hilft das im Leben genauso wie im Spiel, wenn mein Held gestorben ist. Drei Sekunden Augen schließen, kurz durchatmen, mich neu fokussieren und wieder von vorn beginnen. Marlies auf Twitter: @maaarlys  75


#GAMIFICATION

DIESE GAMES MOTIVIEREN DICH IM ALLTAG

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FOREST

WACHSENDE AUFMERKSAMKEIT Probleme beim Konzentrieren? In „Forest“ wird mittels Timer ein virtueller (und gegen Geld s ­ ogar ein echter) Baum gepflanzt. Der wächst, ­solange man das Handy in Ruhe lässt. Wer dennoch soziale Netzwerke checkt, tötet das zarte Bäumchen. Wer widersteht, hat bald einen schönen Wald. forestapp.cc

ZOMBIES, RUN!

SPANNENDE LAUF-EINHEITEN Wer nach Abwechslung beim ­Joggen sucht, findet in „Zombies, Run!“ ein gefundenes Fressen. Die Lauf-App ist ein interaktives Hörbuch, das den Spieler in eine post­ apokalyptische Zombie-Umgebung versetzt. Lebend entkommt nur, wer regelmäßig zum Sprint- und ­Intervalltraining ansetzt.  zombiesrungame.com

INNOVATOR

WWW.FORESTAPP.CC

Von Gamification spricht man immer dann, wenn es für reale Aufgaben eine virtuelle Belohnung gibt. Was genau die Belohnung ist, definiert die App oder das Spiel, und das kann von einem neuen Highscore über einen Level­ aufstieg bis hin zu einer virtuellen Auszeichnung reichen. Gamification fördert die Moti­v ation, erhöht den Lernerfolg, steigert die Produktivität und kann in Unternehmen sogar bessere Brainstorming-Ideen hervorbringen.


#SERIOUSGAMES

HABITICA

MOTIVIERENDE AUFGABEN Wer seine Aufgaben in diese To-do-App einträgt und sie erfolgreich abhakt, bekommt für seinen Avatar digitale Rüstungen, Waffen oder Zaubersprüche. Und wer möchte, kann Aufgaben im Team erledigen und sich zusammen mit seinen Freunden (positiver Gruppendruck) immer wieder aufs Neue motivieren.  habitica.com

DIESE GAMES SIND SUPER LEHRER

Serious Games vermitteln Informationen auf kurzweilige Art. Das Genre umfasst einfache Lernspiele, aber auch beinharte Simula­t ionen, die ­h ohes Grundwissen und Einarbeitung voraussetzen. Damit schließen die Spiele die Lücke zwischen ­B ildung und der Anwendung von Wissen, was sie besonders für Auszubildende attraktiv macht.

EMERGE

MENSCHEN RETTEN Junge Ärzte sind nach dem ­Studium im medizinischen Alltag oftmals überfordert. Mit der Notaufnahme-­ Simulation „EMERGE“ können Akut­situationen am Laptop trainiert und stressbedingte Fehler im Alltag reduziert werden. Das klappt so gut, dass „EMERGE“ bereits an der Universitäts­medizin Göttingen ein­ gesetzt wird.  emerge-game.com

VR-MOTION

FLUGGERÄTE STEUERN Die Kombination aus VR-Brille und Bewegungsplattform macht den Flugsimulator aus der Schweiz zum realistischsten digitalen Flugerlebnis auf dem Markt. Wirklich beeindruckend: Die Plattform erzeugt jene Kräfte, die der Körper er­wartet, und verhindert so die bei VR typische Motion Sickness (Übelkeit, Anm.).  vrmotion.ch

PACIFIC

SIXTOSTART, HABITICA, GAME-LEARN

FIRMEN FÜHREN Das Serious Game zum Thema Leadership setzt den Spieler und sein Team nach einem Flugzeugabsturz auf ­einer ­einsamen Insel aus. Wer mit dem selbst gebauten Heißluftballon in die Zivilisation zurückkehren möchte, muss Konflikte lösen, Stärken und Schwächen seines Teams analysieren – und lernen, wie man eine Firma führt.  game-learn.com

Bringt der Spieler seine Gruppe heil nach Hause? Bei „Pacific“ sind Leadership-Skills gefragt.

INNOVATOR

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Online reales Gemüse anbauen – und sich liefern lassen: „myAcker“ macht es möglich.

MYACKER

NACHHALTIG LEBEN Wer in seinem virtuellen Garten von „myAcker“ online Gemüse ­anpflanzt und gießt, tut dies auch auf echtem Acker – dank Mitarbeitern des Start-ups. Die versenden die Ernte dann auf ­Online-Befehl CO²-neutral nach Hause. Man zahlt Ackermiete und Versand.  myacker.com

QUANTUM MOVES

TECHNOLOGIE VORANTREIBEN Mit „Quantum“ unterstützt man ­dänische Forscher beim Bau eines Quantencomputers. Wer spielt, nimmt den For­ schern komplizierte Rechenaufgaben ab, die nicht einmal komplexe Computeralgorithmen auf die Reihe kriegen.  scienceathome.org

DIESE GAMES VERÄNDERN DIE WELT Eine neue Generation von Games ermöglicht den Eingriff ins reale Leben. Mit weitreichenden Folgen für einen selbst, aber auch für Menschen weltweit. Die Auswirkungen dieser Spiele reichen von Veränderungen im Konsumverhalten bis hin zur Beschleunigung der Forschung mittels Big-DataAnalysen. Sie alle haben gemein: Egal wie klein ihr individueller Einfluss ist, in der Masse leisten sie einen spürbaren Beitrag zu einer lebenswerteren Welt. 78

STALL CATCHERS

ALZHEIMER BESIEGEN Wer in den Gehirnscans von „Stall Catchers“ verstopfte Blut­ gefäße aufspürt, sammelt Punkte – sowie Daten für die Alzheimer-Forschung. Mit diesen Daten können Forscher s ­ agen, wie es zu Gefäßblockaden und damit zu reduzierter Hirndurchblutung (vermuteter Auslöser von Alzheimer) kommt.  stallcatchers.com

EYEWIRE

FORSCHUNG BESCHLEUNIGEN Bei diesem Puzzle verknüpft man Nervenzellen in der Netzhaut. Was an drei­ dimensionales Malen erinnert, motiviert durch Highscore-Ranglisten und hilft der Wissen­ schaft: Denn mit einer 3D-Karte aller Nerven­ zellen verstehen Forscher besser, wie die Netz­ haut Bewegungen erfasst.  eyewire.org

Zockend forschen: Bei „EyeWire“ wird spielend der Verlauf von Nervenzellen kartiert.

GERRY FRANK, EYEWIRE

#REALCHANGE


#EXERGAMING

DIESE GAMES MACHEN DICH FIT Die meisten kennen die ­K ategorie der Fitnessspiele noch von der Nintendo Wii, bei der sich der Controller je nach Spiel in einen virtuellen Schläger, Boxhandschuh oder eine Bowlingkugel ver­ wan­d elte. Heutige Exer­g ames (von „Exercise“ für Übung) ver­b inden Fitnessgeräte mit VR‑ oder AR-Technologie und sind damit auch für Leistungs­ sportler interessant. Wie gut die Bewegung vor dem Bild­ schirm tut, haben Studien an übergewichtigen Kindern und Menschen mit neurologischen Beschwerden gezeigt.

Klettern auf der Augmented Videowall: AR-Elemente erhöhen Spaß – und Leistung.

VALO CLIMB

DYNAMISCHER KLETTERN Auf dieser Boulderwand werden Kletterer mittels Tiefensensor und Videokamera getrackt. Das ermög­ licht interaktive Kletter-Aufgaben unter Zeit­ druck, die vor allem Schnellkraft und Dy­namik trainieren. Fünf Games stehen zur Auswahl, etwa sich ständig ändernde Routen oder ein „Pong“-Klon für zwei Spieler.  valomotion.com

VIR ZOOM

LÄNGER RADELN „VIRZoom“ macht einen gewöhn­ lichen Hometrainer zum Home­ trainer der Zukunft, auf dem man nicht nur mit Freunden in einer VR-Umgebung um die Wette radelt, sondern auch als fliegendes Pferd Pegasus oder im Kajak auf Reisen geht. Das wirkt so echt, dass sich laut Hersteller die Workout-Dauer verdoppelt.  virzoom.com

VALOMOTION

INNOVATOR

BEAT SABER

SCHNELLER REAGIEREN Wer „Beat Saber“ ausprobiert, muss unweigerlich an Luke Sky­ walker im Club denken. Bei dem Virtual-Reality-Rhythmusspiel zerschneidet man mit zwei Lichtschwertern Blöcke, die ­musikalische Beats darstellen. Die hohe Spiel­ geschwindigkeit macht das körperlich und ko­ ordinativ richtig anspruchsvoll.  beatsaber.com

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GALLERY STOCK

DIE

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INNOVATOR


J e älte r w ir we r d e n , d e s to jü n ge r we r d e n w ir.

D e s to zu ku nf t s f ä hige r.

D e s to w ic h tige r fü r s c h la u e U n te rn e h m e n .

NEUEN

D e r Ka m p f u m die b e s te n  Fü nf zig-, S e c hzig-, Sie bzig jä h rige n

h at s c h o n b e go n n e n . TEXT

INNOVATOR

S T E FA N WAG N E R

A LT E N

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e n f o l g e n d e n Te x t z u l e s e n dauert eine knappe Viertelstunde. Diese Viertelstunde wird Ihr L e b e n ve r ä n d e r n .

Am Ende dieses Textes werden Sie grundsätzlich anders übers Altern denken als jetzt, über Ihr eigenes und über das unserer Gesellschaft. Sie werden den Begriff „Über­ alterung“ aus Ihrem Wortschatz gestrichen haben. Sie werden keine Angst mehr haben. Um Ihren Job nicht, um Ihre Zukunft nicht, um Ihren Erfolg nicht, um unsere Gesellschaft nicht. Sie werden sich (als Mitarbeiterin und Mitarbeiter), im Gegenteil, darauf freuen, alt zu werden. Sie werden (als Unternehmerin und Unternehmer) Ältere als Talent erkannt haben, als wertvolle unternehmerische Ressource, als Zukunftshoffnung, als sehr bald schon zentralen Erfolgsfaktor. Alles beginnt mit der Demografie.

Niemals in der Menschheitsgeschichte waren wir als Gesellschaft so alt wie jetzt, nämlich jede und jeder von uns im Schnitt 47,1 Jahre. Und wir altern rasend schnell. Derzeit sind 21 Prozent der Be­ völkerung 65plus. 2030 werden es 28 Prozent sein. 2060 sind es dann bereits 33 Prozent: Jede und jeder Dritte wird dann 65 Jahre und älter sein.

U N S E R E

Wie stellen Sie sich so eine Gesellschaft vor? Als riesenhafte geriatrische Anstalt, in der es sich die ­Alten auf Kosten der Jungen gutgehen lassen? Oder in der die Alten verarmen, weil die Jungen die hoffnungslos überlasteten Gesundheits-, Pflege- und Pensionssysteme nicht mehr erhalten können? (Oder, noch gruseligere Vorstellung, nicht mehr wollen?) In der die Generationen einander hassen, weil sie sich gegenseitig das Leben kaputtmachen? In der wir alle bis achtzig arbeiten müssen, als ­wären wir vierzig, egal wie krank oder erschöpft wir sind? Haben Sie keine Angst. Das Gegenteil wird passieren. Der Grund dafür ist, dass die Alten unser Bild vom Alter immer älter aussehen lassen. Sechzig jährige von heute sind so gesund wie Vierzig jährige vor hundert Jahren.

Und sie sind geistig fit wie 52-Jährige vor zehn Jahren. (Was nichts anderes heißt als: In den letzten zehn Jahren sind die heute Sechzigjährigen um gerade einmal zwei Jahre gealtert.) Das gefühlte Alter heute 65- bis 85-Jähriger liegt im Schnitt um sieben bis acht Jahre unter ihrem tatsächlichen Alter. Auch dieser Trend wird sich dramatisch weiter verstärken, nicht nur in der Subjektivität, sondern auch objektiv. Auch das ist logisch. Die medizinische Versorgung verbessert sich, das Bewusstsein für die Bedeutung des eigenen Lebensstils für die Gesundheit – Ernährung, Mindset, Bewegung – steigt. Unsere Gesellschaft wird an Lebensjahren älter, wir werden zugleich geistig jugendlicher und körperlich fitter. Wir werden insgesamt nicht nur leistungsfähiger, sondern auch leistungsbereiter. Wir werden immer älter, und wir werden immer jünger. An der Spitze dieser Entwicklung stehen d i e s o ­g e n a n n t e n Fo r e ve r Yo u n g s t e r s .

Sie sind ein neues, einigermaßen exotisches Phänomen, eine noch kleine – wenn auch stark wachsende – Minderheit. Forever Youngsters werden wohl immer Minderheit bleiben, aber sie zeigen die Möglich­ keiten des Alters der Zukunft in ziemlich r­ adikaler Verdichtung: Forever Youngsters ergeben sich ihrem Geburts­ datum nicht. Sie sehen Gesundheit als fortlaufenden

G E S E L L S C H A F T W I R D A N L E B E N S J A H R E N Ä LT E R ,

die Alte n we r d e n zugle ic h le is t u n g s f ä hige r u n d le is t u n g s b e re ite r,

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un d d as m a c h t

DIE GESELLSCHAFT IMMER JÜNGER.

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33 %

Anteil der üb er 6 4 -Jährigen an der B evölker ung im Jahr 20 6 0. Das sin d um 1 2 Prozentp unk te m ehr als ak tuell.

74 %

Q u ote b ei M ä n n e r n im A l te r vo n 6 0 b is 69, die sich jü n ge r f ü h l e n , a ls sie sin d . B ei Fra u e n is t d e r A n teil 69 P roze n t.

Optimierungsprozess, betreiben akribisch die Ent­ wicklung ihrer Lebensqualität, ihrer Fitness, Vitalität und Gesundheit. Sie verstehen Gesundheit als Eigen­ verantwortlichkeit, medizinische Angebote als Dienstleistung. Sie verwenden Apps und Wearables, die Ruhepuls, Blutdruck, Körperfettanteil und Herz­ ratenvariablität messen, tagsüber ihre Schritte und nachts ihre Schlafqualität tracken. Sie schlucken Nahrungsergänzungsmittel, führen Dankbarkeitstagebücher, meditieren. Sie quälen sich in der CrossFit-Box, gönnen sich Wellness-Wochen­ enden und genießen Dinner in Haubenrestaurants. Sie sind ehrgeizig und zielstrebig, haben Erfolg im ­Beruf und Spaß am Leben, beides sogar mehr denn je. Sie haben Spaß daran, mit sechzig fitter und ­leistungsfähiger zu sein als der durchschnittliche Dreißig­jährige. Und fitter und leistungsfähiger zu sein, als sie selbst es vor fünfzehn Jahren waren. An Ruhestand denken sie nicht einmal in den phantasievollsten REM-Phasen ihres Schlafs. Nebenbei befeuern sie dadurch, dass sie die Opti­ mierung ihrer Gesundheit selbst in die Hand nehmen, einen der großen globalen Trends: Während Ärzte und medizinisches Personal im Zeitalter der Auto­ matisierung sogar schon in Diagnose und Behandlung auf Algorithmen und Big Data vertrauen (und zum Teil sogar dadurch ersetzt werden), hat sich der Be­ reich Digital Health – also alles in der Schnittmenge von Gesundheit und Technologie – von 1,2 Milliarden Dollar im Jahr 2010 auf 11,5 Milliarden Dollar im Jahr 2017 vergrößert.

IZA HEGEDÜS

I

n Wien funktioniert die Jugend des Alters bereits. Hier hat Klaudia Bachinger vor rund zwei Jahren ein Unternehmen ge­ gründet. Es heißt WisR (growwisr.com) und beschäftigt sich damit, ältere Men­ schen und Unternehmen zu matchen. ­Bachinger, 32 (tatsächlich!), schlägt mit ihrem Startup die Brücke zwischen demografischer Realität, ge­ sellschaftlicher Vision (sie spricht von ihrem Ärger über die „Diskriminierung des Alters“) und betriebs­ wirtschaftlicher Praxis. „Immer mehr Unternehmen,

INNOVATOR

958 %

Ans tieg des Inves titions­ volum ens welt weit im B ereich Digit al H ealth in den Jahren 2010 bis 2017.

vor allem erfolgreiche Unternehmen, vor allem solche in wirtschaftlich starken Regionen, haben ganz banale Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden“, sagt sie. „Aber es gibt diese Mitarbeiter. Sie sind halt nicht 20 oder 25, sondern 50, 60 oder noch älter.“ Bachingers Erfahrungen der ersten beiden Jahre: • Ihren Stärken entsprechend ein­ gesetzte ältere Mitarbeiter bringen Unternehmen jeder Art, jeder Größe und jeder Altersstruktur einen klaren Mehrwert, egal ob Start-up oder ­globaler Konzern. (Einer der ersten Kunden von WisR waren die Österrei­ chischen Bundesbahnen, die ausge­ rechnet für ihre Innovationsabteilung Ältere in Bachingers Kartei fanden.) • Am offensten und motiviertesten sind zwei Arten von Unternehmen: erstens wenig überraschend jene, die mit ihren Produkten und Dienst­ leistungen ältere Zielgruppen an­ sprechen wollen. „Da machen sich ­ältere Mit­arbeiter vor allem in Produkt­ entwicklung, Marketing und Sales ganz unmittelbar bezahlt.“ Und zwei­ tens familiengeführte Unternehmen, sogenannte „hidden champions“ wie der Grazer Hochtechnologie-Welt­ marktführer AVL List. AVL List stellt nicht nur gezielt ältere Mitarbeiter ein, s­ ondern holt sogar pensionierte ­Mit­arbeiter zurück. Bachinger: „Bei solchen Unternehmen ist generatio­ nenübergreifendes Denken selbst­ verständlicher Teil der Kultur. Da ­arbeiten mehrere Generationen der Eigentümerfamilie mit, da wird lang­

K L AU D I A B AC H I N G E R M i t i h r e m S t a r tup WisR zeig t die 3 2- j ä h r i g e J u n gunternehmerin, wie man mit ­ä l t e r e n A r b e i tn e h m e r n e r f o l greich ist.

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T O P S K I L L S 2 0 2 0 We lc h e Fä higke ite n in d e r Be ruf s we lt gefr a g t s e in we r d e n : LÖSEN KO M PLE XER PRO BLEM E M ENSCH EN F Ü H REN INTELLI G ENZ

KRITISCH E S D EN KEN

KRE ATIVITÄT

SI CH MIT AN D EREN KO O RD INIEREN

EM OTI O NALE

U RTEIL SFÄHI G KEIT U N D ENTSCH EID U N GSFÄHI G KEIT

SERVI CEO RIENTIERU N G

VERHAN D LU N GSG E SCHI CK

G EIS TI G E FLE XIBILITÄT

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fristig und nachhaltig geplant, da wer­ den Wissen und Erfahrung der Mit­ arbeiter automatisch höher geschätzt als in herkömmlichen Betrieben.“ • Im Gegensatz dazu stecken erstaun­ lich viele HR-Abteilungen in alten, ­jugendzentrierten Mustern fest. „Ich war verwundert, wie konservativ ­gerade Personalchefs denken“, sagt Bachinger. „Viele arbeiten immer noch stur nach denselben Methoden wie vor fünfzig Jahren.“ • „Erfolgreich ist man immer dann“, sagt Bachinger, „wenn man ganz be­ wusst die Stärken der Älteren einsetzt. Ein Sechzigjähriger ist nicht mehr so schnell wie ein Dreißigjähriger, körper­ lich nicht mehr so belastbar. Aber er hat ganz andere Social Skills, er ist Jüngeren in Empathie, in Kommuni­ kation überlegen. Extrem wertvoll, wenn es zum Beispiel um Team­ führung geht, ums Vorbereiten und Treffen von Entscheidungen, um ­Verhandlungen, ums Einschätzen von Situationen, von Risiken und Konsequenzen.“ • Die praktische Zusammenarbeit mit Älteren – naturgemäß sind nicht alle bei WisR dreißig – ist für die jugend­ liche Jungunternehmerin mittlerweile unverzichtbar. „Susanne, unser Head of Sales, könnte in einem Jahr in ­Pension gehen. Ihre Erfahrung ist ein ­Mega-Mehrwert für uns, gerade als Start-up. Sie bringt Ruhe ins Team.

D

as World Economic Forum ist längst ein Fan der Alten. Technologisierung, Auto­ matisierung, in der Praxis des Alltags ­immer intelligenter, schneller und ge­ schickter werdende Roboter verändern nicht nur den Arbeitsalltag, sondern auch das Anforderungsprofil an den beruflichen ­Erfolg der Zukunft. Das World Economic Forum hat 2016 eine Liste der wichtigsten zehn Fähigkeiten erstellt, die im Jahr 2020 darüber entscheiden, wer im Job Erfolg hat und wer nicht. An der Spitze des Rankings: komplexe ­Pro­blemlösung, kritisches Denken, Kreativität. Auf den folgenden sieben Plätzen ausschließlich so­ genannte Soft Skills, also Kompetenzen, die im Kern den ­zwischenmenschlichen Umgang regeln. Man muss kein besonders talentierter Prophet sein, um zu wissen: Roboter werden alle standardisierbaren körper­ lichen und geistigen Fähigkeiten eher früher als später übernehmen. (Nur um zu zeigen, wie flexibel sich der Begriff „standardisierbar“ versteht: In Japan ­werden Roboter bereits jetzt in der Krankenpflege ein­gesetzt, inklusive digital gesteuerter Mimik.)

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PHILIPP SCHÖNAUER

Fa k t i s c h e u n d statistische An­ gaben in diesem Te x t s i n d i m We s e n t l i c h e n d e r D o k u m e n t a­t i o n „Megatrend Silver Society“ der Zukunf tsinstitut G m b H , Fr a n k f u r t a m M a i n , e n t­ n o m m e n (w w w. zukunf tsinstitut. d e) . S i e b e z i e h e n sich, wenn nicht anders angegeben, auf Deutschland, sind aber im Ke r n   a u c h a u f die Schweiz u n d ­Ö s t e r r e i c h ü b e r t r a g b a r.

Wenn es einen Rückschlag gibt, bleibt sie cool. ‚Kenn ich schon, hab ich schon gesehen, ist kein Drama‘, ­allein diese Gelassenheit ist Goldes wert.“ WisR startete mit 100.000 Euro Unterstützung der Stadt Wien, dazu kamen 250.000 Euro von Business Angels, die Kartei umfasst aktuell rund 2000 Arbeit­ suchende und 150 Unternehmen – im ganzen deut­ schen Sprachraum, obwohl die Marketingmittel bis­ her nur für den Raum Wien reichten. Aktuell dreht Bachinger die zweite Finanzierungs­ runde. Business Angels aus Deutschland, Frank­ reich und den USA sind konkret interessiert, es gibt Ex­pansionspläne nach Deutschland, Ungarn, Groß­ bri­tan­nien, Polen und Rumänien – die meisten da­ von, weil WisR von Unternehmen kontaktiert wurde. „Die Leute fragen uns, wann wir endlich auch in ihr Land kommen.“


Woran sie aber immer scheitern werden, ist das Zwischenmenschliche. Genau dort, in diesem nicht automatisierbaren, nicht technologisierbaren, nicht standardisierbaren Bereich wird sich wirtschaftlicher Erfolg in Zukunft entscheiden. Der entscheidende Konkurrenzvorteil der Zukunft liegt genau dort, wo Ältere Jüngeren dank ihrer ­Lebenserfahrung überlegen sind. D ie G l e i c hze itigke it vo n A lte rn u n d Ve r ­ j ü n g u n g h at e in e n N a m e n : D ow n a gin g.

Das deutsche Zukunftsinstitut hat die verschiedenen Lebensstile der jugendlichen Alten sortiert. Neben den genannten Forever Youngsters formiert sich die Gruppe der Free Agers (Zukunfts­institut: „Gelassenheit, Harmonie, Menschlichkeit, eine gesun­ de Umwelt und ein soziales Miteinander liegen ihnen am Herzen“, „möchten im Gegensatz zu den Forever Youngsters nicht um jeden Preis jung bleiben“) und jene der Golden Mentors („wollen ein Leben lang ak­ tiv bleiben und andere an ihren gesammelten Erfah­ rungen teilhaben lassen“, „arbeiten immer noch und bringen sich aktiv in Wirtschaft und Gesellschaft ein“). Alle drei Gruppen werden in den nächsten Jahren stark wachsen. Sie werden die Zukunft unserer Gesellschaft prägen. Es wird eine ruhigere, gelassenere, bewusstere, gescheitere, empathischere Gesellschaft sein.

HELGA ROBNIK, 75, wird im Fr ü h j a h r 2 0 2 0 nach fünfzig Dienstjahren ihre a k t i v e B e r u f s­ la u f b a h n b e e n d e n . An Ruhestand denkt sie nicht.

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in klassischer Vertreter der Golden Men­ tors ist Helga Robnik, 75. Die älteste und längstdienende Mit­ arbeiterin der Erste Bank wird ihre beruf­ liche Laufbahn im März 2020 pünktlich zum 50-Jahr-Jubiläum beenden, „aber eventuell arbeite ich nachher noch ehrenamtlich in der Zweiten Sparkasse mit“, sagt sie. (Das ist eine sozial ausgerichtete Bank für Menschen ohne Bank; Anm.) In ihrer Freizeit leitet sie Seniorengruppen bei Wanderausflügen oder Gedächtnistrainings. Robnik hat sich schon als Fünfzigjährige für die Anliegen Älterer ein­gesetzt („Die Alten haben ja ­keine Lobby!“), ist seit 25 Jahren als spezialisierte

­ eniorenbetreuerin in der Bank tätig, S kennt die Fähigkeiten und Defizite des Alterns also im Detail. Und ver­ körpert sie selbst mittlerweile ideal­ typisch: „Die Anforderungen im beruf­ lichen Alltag haben sich verändert. Da braucht man nichts schönzureden: Mit der Entwicklung von EDV, Tech­ nik, Administrativem, mit den ständig nötigen Weiterbildungen komme ich, kommen wir irgendwann einfach nicht mehr mit. Das wird uns zu viel, zu schnell, zu hektisch. Aber meine Persönlichkeit hat sich entwickelt. Mich kann keine Situation mehr be­ eindrucken. Ob ein Kunde aggressiv wird, ob der Bundespräsident rein­ kommt oder ein armer Schlucker, ich kann mit allem umgehen. Das weiß ich. Ich bin gelassener, ruhiger.“ Robnik sieht ihre Aufgabe als ­„Zusatzjoker“, als jemand, der Unter­ nehmen und Kunden verbindet, der eine solide Basis aus Verständnis und Vertrauen schafft – die Voraussetzung für erfolgreiches Business, gerade in dieser Branche. „Das hätte ich als Junge so nicht zusammengebracht.“ „Die Zukunft“, sagt Helga Robnik, „das ist die Kombination der Jüngeren und der Älteren.“

Ko m p lexe Pr o b le m lös u n g, kritis c h e s D e n ke n , K reati v it ät :

G e n a u in d e n

INNOVATOR

K E R N KO M P E T E N Z E N D E R Ä LT E R E N e nt s c h e i d e t sic h d e r

E R F O L G D E R Z U K U N F T.

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GUIDE

I N N O V AT O R

Insides und Events: Konferenzen, nach denen du die Welt mit neuen Augen siehst // Prototyp im Check: eine Lampe zur Datenübertragung // Die besten Ideen aus der Talentschmiede Red Bull Basement University // Kolumne: Was Talente heute von ihrem Job erwarten // Wieso ein Künstler Amsterdam mit Licht flutet //

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DO IT

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Über 400 Aussteller, darunter Facebook, Google & Co, 5000 Brands und die Top-Stars der internationalen Szene als Keynote Speaker: Im Mai wird Hamburg für zwei Tage zu Europas Marketing-Hotspot. Zum OMR-Festival (im Bild der Networking-Bereich) kommen u. a. Headspace-Erfinder Andy Puddicombe und Nike-Guru Erin Patton. Messe, Hamburg; omr.com

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JULIAN HUKE PHOTOGRAPHY

und 8. Mai Gipfeltreffen der Marketing-Stars


S A V E T H E D AT E

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bis 8. Mai Im Herzen der digitalen Welt So tief wie nie zuvor will die 13. re:publica-Ausgabe auf ihrer dreitägigen Konferenz in die ­digitale Welt eintauchen. Weil die komplex und kompliziert ist und ihr Vereinfachung nicht gerecht wird, „widmen wir uns jetzt dem Klein­gedruckten und den Fußnoten“. Station, Berlin; re-publica.com

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und 7. Juni Paradies für Entwickler Mit dem WeAreDevelopers World Congress wird Berlin erstmals zum Epizentrum der IT-Entwickler. Mit 10.000 Teilnehmern wird ein Rekord-­ Andrang an den zwei Tagen ­erwartet. Unter den Speakern: CSS-Pionier Håkon Wium Lie und IT-Ikone Leah Culver. CityCube, Berlin; wearedevelopers.com

bis 13. September Auf der Suche nach der besten Lösung

Auf der Fashiontech erklären Experten, wie die Digitalisierung die Mode verändert.

Der Name ist Programm: Bei der ­solutions.hamburg geht es darum, „echte Lösungen“, wie die Organisa­ toren betonen, für unser Leben in der ­digitalen Welt zu finden. Zuletzt kamen mehr als 6000 Besucher, um gemein­ sam mit 500 Speakern genau das zu tun – in Vorträgen, Workshops und ­Gesprächsrunden. Angesichts der ­Rednerliste des Vorjahrs (mit StarBlogger Sascha Lobo oder Wissen­ schaftsjournalist Ranga Yogeshwar) darf man schon jetzt gespannt sein. Kulturfabrik, Hamburg; solutions.hamburg

SILPION, JOHANNES NEMECKY

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bis 4. Juli Was die Zukunft aus der Mode macht Klar: Die Digitalisierung macht auch vor der Mode­ industrie nicht halt, aber wie wirkt sie sich konkret dar­auf aus? Fragen wie diese werden bei der Fashion­ tech diskutiert. Die Organisatoren sehen sich als Ent­ wicklungshelfer an der Schnittstelle von Mode und Technologie. Das Festival findet während der Fashion Week statt (zwischen 2. und 4. Juli; der genaue Termin stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest). Kraftwerk, Berlin; fashiontech.berlin

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DO IT

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Juni Digital Age im Fokus Wie soll man leben im digitalen Zeitalter? Das ist die zentrale ­Frage, die bei der DLD Campus Konferenz in Bayreuth dis­ kutiert wird – von Menschen, deren Ziel es ist, die Welt zu verändern. Und zwar auf ihre Art: durch Kreativität, als ­Forscher oder Geschäftsleute. Universität, Bayreuth; dld-conference.com

14 Mai Im Netzwerk der Visionäre

Macher, Pioniere und ihre innovativen Ideen werden beim Rocketeer Festival nach eigener Aussage „gefeiert“. Einer der Sprecher der diesjährigen Aus­ gabe: Jeremy Tai Abbett (Bild), früher ­„Creative Evangelist“ bei Google, heute freier Kreativ-Prediger.

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Juni Neue Ideen kosten Junge Gründer mit potenziellen Kapital­ gebern zu vernetzen ist das Ziel der Heureka Founders Conference. Auf die Besucher war­ tet außerdem eine Hardware Area, in der die neuesten Techniktrends vorgestellt werden, und ein Food-Start-up-Bereich. Aus dieser Szene kommen auch die Speaker Daniel und Denis Gibisch: Das Brüderpaar ist als Suppen­ lieferant mit Little Lunch erfolgreich. Malzfabrik, Berlin; heureka-conference.com

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CHRISTIAN MARXEN, STILVORLAGEN/ESS HAR

Kongress am Park, Augsburg; rocketeer-festival.de


S A V E T H E D AT E

2 STEFAN WIELAND

bis 5. Juli Zukunft verstehen Das Tech Open Air (TOA) steht in diesem Jahr auf fünf Themensäulen: Diskutiert wird über New Communities und Pioneering Business, Deep Tech und Emotional Innovation sowie – und das ist wörtlich gemeint – Zukunftsmusik. Als Speaker u. a. mit dabei: Sam Parr, der mit „The Hustle“ die am schnellsten wachsende Media-Brand in den USA betreibt, und Avid Larizadeh-Duggan, COO der Kobalt Music Group. The Haus of Tech, Berlin; toa.berlin

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LABORBEFUND

DIESE LAMPE DENKT FÜR DICH Das Innovations-Labor Red Bull Media House Wingslab testet die draht­ lose Übertragung von ­Informationen – per Licht.

Die von Gall getesteten Lampen stammen vom französischen ­Unternehmen Oledcomm, das sich auf optischen Datentransfer, kurz LiFi (Light Fidelity), spezialisiert hat. „Sie können auf kurze Distanz schnell große Informations­ mengen übertragen.“ Konkret: 100 Megabit pro Sekunde – dreimal so viel wie mit dem gängigen Funk-WLAN-Netz. Und auch ­Uploads sind an der (vernetzten) Lampe möglich. Dafür wird am Laptop ein Adapter an­ge­bracht, der infrarotes, also für unsere Augen unsichtbares Licht zur Lampe ­sendet. Gall: „Und das Beste ist, man kann alle LED-Leuchten für LiFi-Technik nachrüsten.“

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DREI EINSATZGEBIETE FÜR DIE DATENLEUCHTE 1 S ICHERE BÜROT R ANSF ERS Highspeed-Übertragung ohne Elektrosmog und gut verschlüsselt: Nur wer sein Gerät ins Lichtfeld hält, kann die Daten empfangen. Gall: „Für Arbeits­plätze, an denen Datensicherheit eine große Rolle spielt, könnte LiFi eine Lösung sein.“

2 N EWS IM NOTFALL In der Pariser Métro läuft bereits ein Pilotprojekt. Direkt betroffene Passagiere werden in den Sta­tions­ beleuchtungen via LiFi über Störungen, Ausfälle oder Terror­warnungen informiert – auch wenn in der U-Bahn kein WLAN funktioniert.

3 S MAR T E AU TO S Der nächste Schritt Richtung „autonomes Fahren“ liegt für Gall auf der Hand: Abblend­ licht, Bremslicht und Co wer­ den nachgerüstet und über­ tragen so zwischen den Autos Informationen. „Alle Fahrer in einer Kolonne können so miteinander kommunizieren.“

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KLAUS PICHLER

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ampen leuchten. Das ist ihre Hauptaufgabe. Doch wie wäre es, wenn sie dir auch vertrauliche Nachrichten ­sicher aufs Handy schicken oder dich mit Infos ver­sorgen, falls in der U-Bahn das WLAN ausfällt? „LED-Technologie macht es möglich, mit Lampen auch Daten zu übertragen“, sagt Andi Gall, Chief Innovation Officer des Red Bull Media House und Chef des Wingslab. Wie? Indem sie mittels einer Abfolge von Licht und Dunkelheit in Sekundenbruchteilen einen binären Code generiert. „Im Prinzip Morse­zeichen, nur so schnell, dass unser Auge sie nicht mitbekommt, nicht mal ein Flackern.“ Emp­ fangen werden die Nachrichten über deine Handykamera. Sie kann die Daten lesen, sofern zuvor ein Software-Update installiert wurde.


I N N O V AT O R RED BUL L ­M EDIA HOUSE WINGSL AB

„DIE LAMPE FLACKERT IM PRINZIP STÄNDIG, WIE EIN ULTRA­ SCHNELLER MORSECODE, DEN UNSER AUGE NICHT WA HRNIMMT.“

Andi Gall, Chief In­no­ vation Officer des Red Bull Media House, prüft mit seinem Team neue Gadgets und sucht gemeinsam mit den Entwicklern nach Einsatzmöglich­ keiten. Ab sofort stellt er hier je einen Prototyp genauer vor.

DER SENDER Die Lampe sendet in Leuchtfrequenz codierte, ultraschnell generierte Daten. Eine Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger ist dabei Voraussetzung.

DER EMPFÄNGER Smartphone, Tablet oder Laptop (ausgestattet mit passender Software) verwandeln das hochfrequente Licht zurück in Daten.

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JOIN IT Mit ihrer App ­„Vacant“ holten Occus autendi que Anna und ­Temirlan nullenimilla sequi 2018 den Sieg bei dolupidelit miliqui te Red Bull Basement volorem facimus et ex University.

Red Bull Basement University

Facebook, Dropbox, Snapchat: Viele Big Player starteten als Uni-Projekt. Auch diese drei Studenten-Teams wollen ihren Campus verbessern – und danach vielleicht die Welt.

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rag nicht, was deine Uni für dich tun kann, frag, was du für deine Uni tun kannst. Nach diesem Motto besuchen Hochschulstudenten heute nicht nur Seminare und haken Multiple-Choice-Tests ab, sondern packen auch an, wenn es darum geht, das Leben auf ihrem Campus besser zu machen – mit Engagement, Kreativität und Unter­ nehmergeist. Mehr denn je wollen junge Menschen heute schon

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während des Studiums etwas bewegen – und genau dabei unterstützt sie die Red Bull Basement University. In drei Qualifikationsrunden (Ablauf: siehe Spalte rechts) wetteifern die Studenten um die Auszeichnung für die besten Ideen, bei deren Umsetzung Innovations-Experten sie beraten und ihnen Tipps geben, etwa zum professionellen Storytelling oder zum Coden. 2018 bewarben sich Studenten aus aller Welt mit rund 800 Vorschlägen für das Finale in Berlin. Hier erklären wir, wie drei der 16 Gewinner-Teams das Leben auf ihrem Campus revolutionieren wollen – und wie sogar die Welt davon profitieren könnte (klein angefangen haben ja alle mal):

1. Smarte Platzwahl

Die Idee: auf Anhieb einen Lerntisch finden. Ein bescheidener Traum, aber bei Kanadas Studenten sorgt er für leuchtende Augen. An der Uni Toronto etwa platzt die Bibliothek aus allen Nähten. Entnervt vom Platzkampf, ent­ wickelten Anna Pogossyan und Temirlan Toktabek das Konzept zu „Vacant“, einer App, die mit Sensoren in Echtzeit freie Tische anzeigt. Das Potenzial: Auch auf der Stehtribüne im Stadion oder bei Konzerten mit freier Platzwahl wäre „Vacant“ ein Segen.

2. Einmischen per Klick

Die Idee: Theoretisch sind Wahlen an Unis eine wirkungsvolle Art der Einflussnahme, praktisch nimmt fast niemand teil – allein schon der Zettelwirtschaft wegen. Darum entwickelten Mark Dinkel

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MICHAEL KROSNY/RED BULL CONTENT POOL

WO IDEEN (HOCH)SCHULE MACHEN


RED BULL BASEMENT UNIVERSITY

Waldemar Zeiler, ­Gründer von Einhorn (nachhaltig produzierte Kondome), gibt den Studenten Tipps.

Mark (li.) und Leonard (Uni Leipzig) wollen eine App entwickeln, die den Studierenden schnelle Wahlen per Klick ermöglicht.

und Leonard Kracik von der Uni Leipzig eine App zum Abstimmen per Klick – nicht nur bei Vertreterwahlen, sondern auch um Ideen einzubringen und Unterstützer zu sammeln, etwa für verlängerte Öffnungszeiten der Cafeteria. Das Potenzial: Betriebe, Sportvereine, Hausgemeinschaften – auch hier könnte eine App wie UniVote zum Mitgestalten ermuntern.

3. Gemüsevermittlung

Die Idee: Studenten fehlt häufig das Geld für frisches Gemüse, während Restaurants oft welches entsorgen müssen. Per App wollen Marion Obert und Marion Dillemann (Neoma Business School) beide vernetzen. Das Potenzial: Abseits der Unis sammeln Initiativen überschüssige Lebensmittel. Diese App könnte auch Einzelpersonen direkten Zugang ermöglichen. Bei Red Bull Basement ­University geht es um den Austausch: Gründer fragen, Speaker antworten.

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Microsoft Hackathons

SO FUNKTIONIERT’S: Die Bewerbung

Studenten stellen ihre Ideen online vor. Kommilitonen und Juroren küren die besten davon.

Die Entwicklung

Unterstützt von Profis, feilen die Teilnehmer 30 Tage lang an ihren Konzepten.

Das Global Meeting

Zum Finale treffen sich die besten 16 Teams – für Workshops und den Pitch um den Gesamtsieg. Im Spätsommer 2019 geht es wieder los. Infos: redbull.com

ZUSATZKURS ZUKUNFT

Wie kann ich das Leben an meiner Uni mittels künstlicher Intelligenz verbessern? Wie mit Studenten auf der ganzen Welt kollaborieren? Und wie organisiere ich mein Studium so, dass mir auch noch Freizeit bleibt? Solche Fragen werden auf den Hackathons von Microsoft und der Red Bull Basement University beantwortet. Zwei Tage lang zeigen Experten den Teilnehmern, wie sie ihre ­Ideen mit Tools wie der Cloud-Lösung Azure vorantreiben können, und geben den Studenten Ge­legenheit, sich zu vernetzen. Nächste Termine:

12. und 13. April in Dresden und Berlin Anmelden unter: aka.ms/msfthackathon

Red Bull Amaphiko

GRÜNDER -GIPFEL

Ein 400 Jahre alter Bauernhof wird zum Rückzugsort für Entrepreneure aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, wenn Red Bull Amaphiko aus­ gewählte Gründer junger sozialer Start-ups nach Tirol einlädt. Bei „Connect the Alps“, einem drei­ tägigen Camp (12. bis 14. April), können sie ihr Netzwerk ausbauen, neue Tools testen und Insights von Social-Innovation-Größen wie Leonhard Nima bekommen, der mit seiner Firma Universitäten und soziale Unternehmen berät. Plus: Die besten Projekte werden in ein weiterführendes Fellowship-­ Programm inklusive sechsmonatiger Förderung aufgenommen.

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READ IT

Festanstellung? Nein, danke! Mehr Geld? Lieber mehr Sinn! Gründer Rubin Lind, 19, weiß, was Talente heute wollen. Hier ­erklärt er, wie Unternehmen die Steve Jobs der Zukunft gewinnen.

Rubin Lind 19, gründete während der Schulzeit seine Firma „Skills4School“. Die gleichnamige App unterstützt Schüler bei der Prüfungsvorbereitung. Im vergangenen Jahr kam die Firma „YZ-People“ dazu, deren Ziel es ist, die Generationen Y & Z und Arbeitgeber zusammenzubringen. Infos: yz-people.com

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D

er Schlüsselaspekt des ­Recruitings war schwarzweiß und rechteckig, als meine Eltern ins Berufs­ leben einstiegen. Nicht im übertragenen Sinne, nein, ich meine eine Stellenanzeige in der Tages­ zeitung: „Wir suchen …“ Und dann sollten die fertig ausgebildeten Fachkräfte bitte schön Schlange stehen. Wenn ich heute einen Mitarbeiter für meine Firma oder die eines Kunden suche, käme ich nicht auf die Idee, eine Stellenanzeige zu schalten. Auch nicht im Internet. Denn die Leute, die ich brauche – jung, kreativ, in ihrem Fachgebiet absolut fit, heiß auf sinnstiftende Projekte, flexibel –, kämen ebenso wenig auf die Idee, innerhalb eines schwarz-weißen Rechtecks nach einem Job zu suchen. Kürzlich wollte ich einen extrem talentierten, „guten“ ­Hacker, ungefähr in meinem Alter – gerade mit der Schule fertig, auf dem Weg ins Auslandsjahr. So einer liest keine Stellenanzeigen. Wie finde ich diese Leute also? Über Netzwerke. Ich höre mich um, ob meine Kontakte jemanden mit den entsprechenden Fähigkeiten kennen. Gar nicht so revolutionär, ich weiß, aber ­immer noch am erfolgversprechendsten. Für viele aus den Generationen Y und Z kommt beim Thema Jobbindung am ehesten noch ein Start-up in Frage: kurze Wege, dynamische Entwicklung und andere junge Leute mit derselben Arbeits-

1. Talente ziehen Talente an.

Mag sein, dass der CEO ein ganz toller Typ ist. Aber der gehört nun mal nicht zur Zielgruppe der zukünftigen Mitarbeiter. Wenn’s um Recruiting der Generationen Y und Z geht, also bitte eine Reihe zurücktreten. Zeigen Sie vielmehr, dass richtig gute, junge Leute in Ihrem Unternehmen arbeiten. Lassen Sie die zu Wort kommen in O-Tönen, in Filmen.

2. Emotionen wecken.

Junge Menschen suchen heute vor ­ llem Sinn in ihrer Arbeit. Kaum einer a wechselt noch wegen 500 Euro mehr den Job. Machen Sie also klar, dass die Stelle wichtig ist – im Unternehmen und für die Gesellschaft. Das drückt von Anfang an Wertschätzung aus. Aber tun Sie das auf emotionale Weise; soziale Medien sind dafür ideal, genauso wie die persönliche Kommunikation. Die Fakten zum Job ­findet man ohnehin auf Ihrer Website. Die Deutsche Bahn und die Bundeswehr haben das zum Teil ganz gut gemacht, vor allem in ihren Social-Media-Videos. Aber die lassen Sie dann bitte nicht von der Agentur drehen, mit der Sie schon seit 25 Jahren so gut zusammenarbeiten …

3. Persönlichen Kontakt suchen.

Gehen Sie dahin, wo sich Ihre potenziellen Mitarbeiter aufhalten. Das heißt bei den YZ-Leuten naturgemäß nicht mehr Tageszeitung, auch nicht Online-Jobportal, ja nicht mal Facebook, sondern eher Insta­ gram und YouTube. Und: Nehmen Sie’s persönlich. Stellen Sie sich auf Jobmessen vor, bringen Sie auch dorthin wieder Ihre richtig guten Talente mit. Natürlich sind Online-Bewerbungen für alle Seiten sehr praktisch, aber auch junge Leute sprechen lieber mit echten Menschen über den Job und das Unternehmen.

4. Offen und ehrlich.

Eigenwerbung in einem Bewerbungsverfahren ist okay, auf beiden Seiten. Aber: Es wird nicht funktionieren, wenn Sie so tun, als sei ein traditionell auf­ gestellter Mittelständler plötzlich ein total cooles Start-up. Machen Sie von Anfang an ehrlich klar, was Bewerber erwartet, welche Arbeit zu tun ist, wie die äußeren Bedingungen sind. Und setzen Sie diese

INNOVATOR

FRAUKE SCHUMANN FOTOGRAFIE

SO KRIEGST DU DIE BESTEN

weise. Was aber tun größere Firmen, die diese jungen YZ-Talente brauchen? Fangen wir damit an, was sie nicht tun sollten: ­einen Kicker kaufen und in rechteckigen Anzeigen mit Start-up-Vokabular um sich werfen. Stattdessen fünf Tipps:


KOLUMNE

VERANTWORTUNG BEDEUTET, DASS ICH TALENTEN DAS MAXIMUM ZUTRAUE.

IMPRESSUM

THE RED BULLETIN INNOVATOR Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion David Mayer Chefredakteur Alexander Macheck Stv. Chefredakteur Arek Piatek Art Director Kasimir Reimann Photo Director Eva Kerschbaum Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza

transparente Kommunikation später im Arbeitsalltag unbedingt fort! Signalisieren Sie, dass Sie zuhören wollen und einen unvoreingenommenen Blick von außen zu schätzen wissen.

5. Freiheit und Verantwortung.

Redakteure Marc Baumann, Jakob Hübner, Alexander Lisetz, Reiner Kapeller, Johannes Kornacher, Simon Schreyer, Stefan Wagner, Wolfgang Wieser

THE RED BULLETIN INNOVATOR Österreich, ISSN 1995-8838

Illustrationen Johannes Lang

Country Project Management Melissa Stutz

Und abschließend eine dringende Bitte: Widerstehen Sie dem beliebten Irrweg, mit Ihrem coolen, hippen Büro zu werben. Klar, kein Mensch möchte in einer Abstellkammer arbeiten, aber ein angenehmes Ambiente ist heute eine Selbstverständlichkeit, die man nicht extra betonen muss. Und daher auch nicht sollte. In unserem Büro steht übrigens eine Couch. Da sitze ich nur ganz selten, aber ihr Anblick ist so beruhigend für mich, dass ich sie auf keinen Fall missen möchte. Ach ja, einen Kicker haben wir auch.

Herstellung Veronika Felder

INNOVATOR

Anzeigenverkauf Matej Anusic, matej.anusic@redbull.com Thomas Keihl, thomas.keihl@redbull.com

Länderredaktion Christian Eberle-Abasolo

Das sind neben der Wertschätzung vielleicht die beiden wichtigsten Punkte. Programmierer ist nicht Lokführer. Es kommt zwar immer auf den Job an, aber der junge Wissensarbeiter erwartet heute, dass er weitgehend selbstbestimmt arbeiten kann, wann und wo er möchte. Freiheit bedeutet aber auch die Möglichkeit, weiterhin für andere Auftrag- oder Arbeitgeber tätig zu sein. Vielleicht möchte deshalb ein Experte nur 30 Prozent bei mir arbeiten. Warum nicht? Die anderen Aufträge tragen zu seinem Erfahrungsschatz bei, inspirieren ihn. Meine Firma sitzt in Hamm in Westfalen – nicht gerade die ­angesagteste Metropole. Richtig gute ­Mit­arbeiter bekomme ich also nur, wenn ich ihnen – neben anderem – ein Höchstmaß an Flexibilität biete. Verantwortung bedeutet, dass ich den Mitarbeiter ernst nehme, ihm das Maximum zutraue und er in seiner Arbeit Handlungsspielraum hat, also nicht nur Aufträge abarbeitet.

2017 gewann Rubin Lind den Bundeswettbewerb Startup Teens. Neben der Auszeichnung fördert die Initiative den Unternehmergeist von Schülern zwischen 14 und 19 Jahren mit Events, Mentoren und Online-Aktionen. Infos: startupteens.de

Country Project Management Natascha Djodat

Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz, Antonia Uhlig

Fotoredaktion Marion Batty, Ellen Haas

Gründer von morgen

Global Project Management Melissa Stutz Global Head of Media Sales Gerhard Riedler Head of Media Sales International Peter Strutz Head of Publishing Development und Product Management Stefan Ebner Publishing Management Sara Varming (Ltg.), Melissa Stutz, Mia Wienerberger Head of Creative Markus Kietreiber Commercial Design Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch, Simone Fischer, Martina Maier Creative Solutions Eva Locker (Ltg.), Verena Schörkhuber, Edith Zöchling-Marchart Anzeigendisposition Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Produktion Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailovic, Maximilian Kment, Josef Mühlbacher

Office Management Yvonne Tremmel (Ltg.), Alexander Peham

Sales Director Alfred Vrej Minassian Sales Project Management Stefanie Krallinger Digital Sales Bernhard Schmied Media Sales Gerald Daum, Vanessa Elwitschger, Franz Fellner, Mario Filipovic, Thomas Hutterer, Franz Kaiser, Alexander Kopellos, Christopher Miesbauer, Nicole Okasek-Lang, Valentina Pierer, Jennifer Sabejew, Phillip Schleussner, Elisabeth Staber, Johannes Wahrmann-Schär anzeigen@at.redbulletin.com Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz Informationen zum Medieninhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Web-Adresse auffindbar: www.redbulletin.at/impressum Redaktionsadresse Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800  Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com

MIT Experte Michael Thaler Abo und Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser ­( Vertrieb), Yoldaş Yarar, Victoria Schwärzler (Abo)

THE RED BULLETIN INNOVATOR Schweiz, ISSN 2308-5886

General Manager und Publisher Andreas Kornhofer

Länderredaktion Arek Piatek

Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Web www.redbulletin.com

Country Project Management Melissa Stutz

Medieninhaber, Verlag und Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700

Abo- und Leserservice abo@ch.redbulletin.com

Anzeigenverkauf Marcel Bannwart, marcel.bannwart@redbull.com

Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Gerrit Meier, Dietmar Otti, Christopher Reindl

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TECH-HIGHLIGHT

„WENN WIR NICHT MEHR IN DIE ZUKUNFT INVESTIEREN, GEHEN WIR UNTER.“

Daan Roosegaarde

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Amsterdam unter Wasser Was auf den ersten Blick so schön wirkt, ist ein Mahnmal gegen politische Untätig­ keit in Zeiten globaler Erwärmung. Die ­Installation „Waterlicht“ des holländischen Künstlers Daan Roosegaarde zeigt, welche Folgen der steigende Wasserpegel der Weltmeere haben kann. Realisiert wurde die künstliche Flut mit motorgesteuerten blauen Leuchtdioden, Linsen zur Licht­ bündelung und Kunstnebel. Startpunkt des tourenden Kunstwerks war Amsterdam, das an manchen Stellen bis zu sechs Meter unter dem Meeresspiegel liegt – und nur durch künstliche Deiche und Dämme vor Überschwemmungen geschützt wird. Mehr Infos: studioroosegaarde.net

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WATERLICHT BY STUDIO ROOSEGAARDE

Land unter: Die LightShow vor dem Amster­ damer Rijksmuseum symbolisiert ein Hochwasser und mahnt vor den Folgen globaler Erwärmung.


PIONEERS.IO/PIONEERS19

M A Y 9 - 10 | H O F B U R G V I E N N A

WALK THE TALKS Wir verzichten auf Buzzwords. Wir sehen uns bei Pioneers '19. Get Your Ticket: pioneers.io/pioneers19


Der neue Ford Edge

AndersStatement.

Seine Technologien: auffallend innovativ. Sein Design: auffällig anders. Der neue Ford Edge überzeugt nicht nur mit neuester Technik. Dank seiner eindrucksvollen Präsenz sorgt er auch für einen unverwechselbaren Auftritt.

Abbildung zeigt Wunschausstattung gegen Mehrpreis. Kraftstoffverbrauch (in l/100 km nach § 2 Nrn. 5, 6, 6a Pkw-EnVKV in der jeweils geltenden Fassung): 7,2–6,0 (kombiniert). CO2-Emissionen: 187–156 g/km (kombiniert).


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