The Red Bulletin INNOVATOR DE 2018 - #2

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Fränzi Kühne

Das Erfolgsgeheimnis der deutschen Star-Unternehmerin

Die Roboter-Frau

Sophia kann erkennen, was wir Menschen fühlen.

Blockchain für Dummies

Die Technologie hinter Bitcoin und Co – endlich verständlich erklärt

AUSGABE DEUTSCHLAND

DER MANN, DER NACHBARN ZU FREUNDEN MACHT Nebenan.de-Gründer Christian Vollmann gibt Social Media einen neuen Sinn.

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NICHT GER ADE EIN AUTO, EHER EINE UNABHÄNGIGKEITSERKLÄRUNG. Im neuen Audi Q8 können Sie unterwegs sein, wie Sie wollen. Auf Wunsch sogar mit Allradlenkung für noch mehr Agilität und Fahrstabilität auf kurvigen Strecken, präzises Handling und komfortable Wendigkeit. Dank quattro Technologie ist der Audi Q8 natürlich auch in fast jedem Gelände zu Hause. Und sein großes Raumangebot macht Sie sogar unabhängig von der Frage, wie lange Sie wegbleiben möchten.

D ER LU X U S , N EU ZU D EN K EN . D ER N EU E AU DI Q 8.

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EDITORIAL

I N N O V AT O R

Hallo, Nachbarn! CONTRIBUTORS

Der Berliner Fotograf (u. a. „GQ“) und Gründer Christian Vollmann entdeckten beim Covershooting Gemeinsamkeiten. Beide tauschten früh ihren festen Job gegen die Selbständigkeit. „Wir teilen eine ausgeprägte Freiheitsliebe“, sagt Wunsch. SEITE 5 0

Janina Lebiszczak Die Wiener Autorin traf Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin Fränzi Kühne in Berlin. Trotz Party am Vorabend zum 10-Jahr-Bestehen ihrer Agentur nahm sich Kühne zwei Stunden Zeit. „Nur ihre Augen waren noch leicht gerötet vom Feiern“, so Lebiszczak. SEITE 3 4

Der Ingenieur Vjekoslav Majetić schloss sich vor 25 Jahren in seiner Garage ein und baute einen Roboter zur Minenräumung. Heute exportiert er seine gepanzerten Retter aus Kroatien in die ganze Welt. Wir haben die neueste Maschine aus seiner Werkstatt hautnah beim Explosionstest erlebt. E ­ rgebnis: eine Gründerstory mit ordentlich Wumms! Ab Seite 70. Viel Spaß beim Lesen! Die Redaktion

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INNOVATOR

ROBERT WUNSCH (COVER)

Robert Wunsch

Lange holten wir über das Internet die Welt zu uns nach Hause, schrieben via Facebook der Freundin in Ecuador, lasen in der „New York Times“-App über US-Politik. In unserem Schwerpunkt „Local Heroes“ zeigen wir hingegen Technologien, die uns die Welt vor unserer Haustür mit neuen Augen sehen lassen. Nebenan.deGründer Christian Vollmann erzählt in der ­Titelgeschichte ab Seite 50, wie er aus Nachbarn Freunde macht und wie wir die Zukunft unserer Städte in die eigene Hand nehmen können. Ab Seite 58 zeigen wir Start-ups, die unser Zusammenleben neu denken – darunter eine urbane Farm und Elektroroller für eine neue Mobilität.


Wenn aus Bewegung Punkte werden. Mit der TK App fĂźr unsere Versicherten. Fortschritt leben. Die Techniker

dietechniker.de


INHALT 70 REPORTAGE

Roter Helfer Dieser 13 Tonnen schwere ­Roboter ist für die gefähr­ lichsten ­Rettungseinsätze ­konzipiert. Wir haben ihn in Kroatien getestet.

BULLEVARD 17 10 18 12 20 14 16 Mr. Happiness

Go Kar-go!

Wie Mo Gawdat eine ­Milliarde Menschen glücklich machen will

Der fahrerlose Liefer­ wagen von morgen

Haute Tech für deine Küche

… mit deinem privaten Starkoch-Roboter

Instant Home

So entsteht ein Haus aus dem 3D-Drucker.

Feel Inspired Lisa Wangs Business­ modell für Firmen­ gründerinnen

Eisen-Smoothie Der Powerdrink aus dem Labor

Unter Wasser

Ein Roboterfisch ­erforscht die Ozeane.

90 94

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T V- GUIDE

Unbedingt ­ansehen Die Red Bull TV-Highlights SAVE THE DATE

Innovative Events Spannende Festivals, Konferenzen und Talks der nächsten Monate

96 98

KOLU MNE

Morgen im Büro Vitra-Trendscout Raphael Gielgen über den Arbeitsplatz der Zukunft L AST PAGE

Tech-Highlight Der Flugroboter, der selbst lernen kann

INNOVATOR

GREGOR KUNTSCHER

GUIDE


I N N O V AT O R

FEATURES

22 34 42 50 58 64 68 82 INNOVATOR

REPORTAGE

Mein Name ist Sophia Wie uns ausgerechnet ein Roboter die Liebe lehren wird

FR ÄNZI KÜHNE

Erfolg dank Konfetti Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin verrät, wie man einen Konzern fit für die Zukunft macht.

GADGE TS

Tipps für Trips Endlich entspannt reisen – intelligenter Technik sei Dank

CHRISTIAN VOLLMANN

Pack mit an! Der nebenan.de-Gründer erklärt, wie wir die Zukunft unserer Stadt in die eigenen Hände nehmen können.

START- UPS

Da wächst was Großes Urbane Farmen, E-Roller-Sharing, Strom aus dem Container: fünf Start‑ups, die Städte neu denken

PLUVI.ON

Ab in den Keller Red Bull Basement fördert Gründer mit lokalen Ansätzen – zum Beispiel sechs Flutschützer aus São Paulo.

FR ANK THELEN

„Ich investiere in Typen“ Der Star-Investor erklärt, woran er das Potenzial eines Start-ups erkennt.

SYSTEM

Ketten-Reaktion Deutschlands führende Expertin entwirrt für Anfänger die Blockchain.

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I N N O V AT O R

JOHANNES LANG

IDEEN FÜR EINE BESSERE WELT INNOVATOR

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B U L L E VA R D

LEBEN

DER GLÜCKSBRINGER Er war Mr. Innovation bei Google. Bis ihn ein Schicksalsschlag zu einer Art Prophet machte. Heute hat Mo Gawdat nur ein Ziel: Er will eine Milliarde Menschen glücklich machen.

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„Im Jahr 2014 starb mein Sohn Ali während einer einfachen Operation. Manche Menschen würden sich nun wünschen, dass ein anderer dafür mit seinem Leben be­ zahlt. Ich entschied mich, an­ deren Menschen ein besseres Leben zu geben.“ Der Mann, der das sagt, ist Mohammad „Mo“ Gawdat, 50. Bis zu jenem tragischen Schicksalsschlag war er Mr. Innovation bei Google, suchte im geheimen Forschungslabor des Daten­ giganten Antworten auf die Fragen der Zukunft. Heute hat er ein Ziel: möglichst rasch eine Milliarde Menschen glück­ lich zu machen. Und dabei braucht Mo Gawdat Ihre Hilfe. the red bulletin inno­ vator: Wer glücklich sein will, muss wissen, was ihn glücklich macht. Richtig? mo gawdat: Der Kern meines Buches „Die Formel für Glück“ ist ebendiese Gleichung; sie sagt dir, was dich glücklich oder unglücklich macht. Ich sammelte und visualisierte viele Daten, um glückliche, aber auch weniger glückliche Momente meines Lebens zu beschreiben und einen Trend abzulesen – so entstand meine „Formel für Glück“.

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Was haben Sie erkannt? Unzufrieden war ich, wenn mir das Leben nicht das ge­ geben hat, was ich von ihm ­erwartet hatte. Hingegen war ich in jenen Momenten glück­ lich, in denen sich meine Wünsche und Erwartungen erfüllt haben. Daher lautet die Formel: Dein Glück ist min­ destens so groß wie die Diffe­ renz zwischen dem, was dir passiert, und dem, was du dir vorstellst. Das bedeutet was genau? Das bedeutet: Glück ist das zufriedene Gefühl, wenn ­unser Leben okay ist, wie es ist. Entscheidend ist dein Ver­ gleich zwischen dem Ereignis und deinen Erwartungen. Unglücklich macht uns also nicht die Sache an sich, ­sondern wie wir sie inter­ pretieren? Wenn alles so läuft, wie du es dir vorstellst, macht dein Ge­ hirn etwas Erstaunliches: Es hält seine Klappe! Verlässt du aber deine „Komfortzone“, alarmiert dich dein Gehirn. Sein Überlebensmechanismus erzeugt negative Emotionen wie Unruhe, Sorge, Angst und Traurigkeit. Dein Gehirn will, dass du sicher bist – in der bestmöglichen Verfassung. Es alarmiert dich, weil es möchte, dass du etwas änderst. Wie planen Sie konkret, die Menschen weltweit glück­ lich zu machen? Mein Happiness-Programm funktioniert in drei Schritten. Schritt eins: Ich möchte den Menschen beibringen, dass

Glücklichsein ihr Geburtsrecht ist – und dass es berechen­ bar ist. Glück ist wie Fitness­ training. Wenn ich daran ­arbeite, werde ich auch tat­ sächlich glücklich. Schritt zwei: Ich möchte den Menschen die Ressourcen zur Verfügung stellen – in Form von Büchern und Videos in ihrer Sprache. So können sie meine Emp­ fehlungen befolgen: Investiere jeden Tag eine Stunde in dein

„WENN ICH AM GLÜCK ARBEITE, WERDE ICH AUCH TATSÄCHLICH GLÜCKLICH.“ Glück, so wie du wöchentlich drei- oder fünfmal Sport machst. Schritt drei ist der wichtigste: Wenn du dein wahres Glück findest, willst du auch andere glücklich machen. Ich bitte die Menschen, dass sie zumindest zwei anderen Menschen erklären, wie sie in ihr Glück investieren können. Beeinflussen diese wiederum zwei weitere Menschen, steigt diese exponentielle Kurve in fünf Jahren auf eine Milliarde glücklicher Menschen. onebillionhappy.org

INNOVATOR


PIERRE-HENRI CAMY

JOHANNES LANG

I N N O V AT O R

PORTRET IN BEDRIJF

Mr. Happiness: ein entspannter Fünfzigjähriger mit Brille, Bart und sanftem Lächeln

INNOVATOR

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I N N O V AT O R

B U L L E VA R D

Da landet bestimmt kein Haar in der Suppe: Die erste Robo-Küche der Welt steht kurz vor der Marktreife.

Die Hannover Messe ist üblicherweise nicht für kulinarische Highlights be­ kannt. Aber 2015 erregte eine Krabbensuppe großes Auf­ sehen – gekocht von einem Küchenroboter namens Moley. Bei der britischen Entwicklung handelte es sich um eine voll­ automatische Küchenzeile mit Ofen, Herdplatte, Touchscreen und zwei Roboterarmen. Diese griffen Töpfe und Pfannen, dünsteten Zwiebeln, pürierten Tomaten, rührten Suppe und richteten sie an. Was auf Dauer eintönig geworden wäre: ­Moley konnte nur dieses eine Rezept und benötigte alle ­Zutaten fertig portioniert. Drei Jahre später steht M ­ oley vor der Marktreife. Und kennt neben Krabbensuppe mittler­ weile hunderte weitere Re­ zepte. Laut Erzeuger Moley Robotics kann er sogar Gemüse

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Der Russe Mark Oleynik, Wirtschaftsexperte im Gesundheitswesen, ist der Gründer und Mastermind von Moley Robotics.

schnippeln, Fleisch wenden und den Abwasch erledigen. Die Befehle gibt man einfach via App. Nur, wie bringt man einem Roboter derart kom­ plexe Bewegungsabläufe bei? Indem man sie von einem Menschen vormachen lässt. Starkoch Tim Anderson trug spezielle Handschuhe mit Be­ wegungssensoren und lieferte so die Blaupause für die ­Rezepte des Roboter-Kochs. In Zukunft soll Moley mittels Kameras und Motion-CaptureVerfahren sogar die Arm-, Hand- und Fingerbewegungen seiner Besitzer erkennen und so neue Lieblingsrezepte ler­ nen. Ob sich die Roboterküche im echten Leben bewährt, wird der Verkaufsstart im zweiten Halbjahr 2018 zeigen, wohl zum kräftig gesalzenen Preis. moley.com

INNOVATOR

REINER KAPELLER

ZU GAST BEI ROBOKOCH

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MOLEY ROBOTICS/RALPH WHITEHEAD

BON APP-ETIT!

JOHANNES LANG

Holy Moley: Die Robo-Hände verfügen über 20 Motoren, 24 Gelenke und 129 Sensoren und sollen so flink wie menschliche sein.


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Das Diesel-Rücknahmeversprechen für neu abgeschlossene Leasingverträge mit Euro-6-Diesel-Motorisierung. Die Garantie berechtigt den Käufer zur vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages (bei gleichzeitigem Erwerb eines neuen Jaguar bei dem zuständigen Jaguar Vertragspartner) bei Verhängung eines emissionsbedingten behördlichen Fahrverbotes an mindestens 30 unmittelbar aufeinanderfolgenden Tagen am Wohnort des Leasingnehmers (inkl. eines Umkreises von bis zu 50 km), wenn dieses nicht durch technische Maßnahmen von Jaguar oder einem Jaguar Vertragspartner aufgehoben werden kann. Die vertragliche Kilometerlaufleistung wird im Verhältnis zur Nutzungsdauer angepasst. * Das Angebot gilt für alle sofort verfügbaren Jaguar E-PACE sowie Jaguar XE, Jaguar XF/XF Sportbrake, Jaguar F-PACE und Jaguar F-TYPE. Das Angebot ist gültig bis 30.09.2018 und solange der Vorrat reicht. Nicht kombinierbar mit weiteren Aktionen. Bei allen teilnehmenden Jaguar Partnern. ** Leasingangebot mit Kilometerabrechnung, vermittelt für die Jaguar Bank, Zweigniederlassung der FCA Bank Deutschland GmbH, Salzstraße 138, 74076 Heilbronn auf Basis aktuell gültiger Konditionen. Widerrufsrecht nach § 495 BGB für Verbraucher. Abb. zeigt Sonderausstattung.

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B U L L E VA R D Was auf den ersten Blick wie ein Metallgerüst aussieht, ist ein beeindruckend großer 3D-Drucker.

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Unaufhörlich strömt ­Beton aus dem armdicken Schlauch. In erstaunlichem Tempo wachsen die Wände hoch. Es sieht aus, als würde eine unendlich lange, zehn Zentimeter dicke graue Wurst aufgerollt – allerdings nicht zu einem Kreis, sondern zu ­einem sehr schmalen Rechteck mit abgerundeten Ecken. Dessen Zwischenraum wird jetzt im Zickzack mit Betonwürsten ausgegossen, um die Stabilität zu erhöhen. 47 Stunden dauert die Prozedur, Wand um Wand wird so errichtet, dann ist es fertig: das erste Haus aus einem 3D-Drucker.

47 Stunden dauerte der Bau übrigens bloß deshalb, weil bei der Premiere der Drucker nur mit halber Leistung lief. Aktuell ist es möglich, ein 60-Quadratmeter-Haus binnen 24 Stunden zu errichten. Da14

nach müssen allerdings noch Wasser- und Stromleitungen verlegt werden. Die Kosten für ein Haus aus dem Drucker: 4000 Dollar ­(etwas mehr als 3400 Euro). Ziel ist es, bereits im nächsten Jahr in El Salvador die ersten Häuser zu errichten. Ein Dorf von hundert Häusern soll bis 31. Mai 2019 fertig sein. In dem kleinen zentralamerikanischen Land, das nur ein Viertel der Fläche Österreichs hat, lebt ­jeder dritte Einwohner unter der ­Armutsgrenze. newstorycharity.org

INNOVATOR

JOHANNES LANG

Fertig in einem Tag, 60 Quadratmeter groß, um 4000 Dollar zu haben: Eine Wohn-Revolution schenkt den Ärmsten der Armen ein Leben in Würde.

Die Lösung dafür: „Wir haben beschlossen, die Häuser zu drucken.“ Und das hat tatsächlich geklappt – eine Wohnrevolution, die gemeinsam mit der Firma Icon verwirklicht werden konnte. Das erste Haus wird von den Icon-Visionären selbst genutzt, um es im ganz realen Leben zu testen.

ALEJANDRO SERRANO

BLITZ-BAU: DAS HAUS AUS DEM DRUCKER

Dieses Haus steht in Austin, Texas. Es ist 60 Quadratmeter groß, besteht aus einem Wohnund einem Schlafzimmer, ­einem kleinen Büro und einem Bad. Die Idee, Betonhäuser im Blitztempo zu errichten, hatten Mitarbeiter der Hilfs­ organisation New Story, die Häuser für in Armut lebende Familien errichtet. Sarah Lee von New Story sagt: „Die entscheidende Frage war: Wie können wir mehr Häuser schneller bauen?“

NEW STORY&ICON

WOHNEN


I N N O V AT O R

Errichtet per 3DDruck: Dieses 60 Quadratmeter große Haus nutzt die Firma Icon als Büro – um ihre ­eigene Entwicklung im echten Leben zu testen. INNOVATOR

EIN ZUHAUSE FÜR MENSCHEN IN ARMUT, ­FERTIG GEDRUCKT ­INNERT 24 STUNDEN.   15


B U L L E VA R D Ein Roboter im tiefen Blau: Für uns sofort als solcher erkennbar, Fische halten ihn für einen Artgenossen.

FORSCHUNG

Tauchgang am Meeresgrund. Forscher erwarten völlig neue Erkennt­ nisse aus der Welt unter Wasser.

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Ein Albino, 47 Zentimeter groß, nur 1,6 Kilo schwer – und trotzdem auf den ersten Blick ein Bummelchen. Erst im Wasser ist er in seinem ­Element. Er schwimmt, er taucht, er bewegt sich mit selbstverständlicher Eleganz – so, als wäre er dafür geboren. Tatsächlich wurde er dafür ­gemacht. Von Forschern des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Er heißt SoFi – die Abkürzung steht für Soft Robotic Fish. Das Soft verdankt er seiner weichen Silikonhaut. SoFi soll für uns Menschen die Unterwasserwelt neu ent­ decken. Sein Entwickler Robert Katzschmann vom MIT meint:

„Damit kommen wir Meeres­ bewohnern so nah wie nie ­zuvor. Wissenschaftler sind begeistert von SoFi – er wird ihr ‚Spion‘ unter Wasser sein.“ Erste Tests zeigen, dass Fische ihn für einen Artgenossen hal­ ten. Weshalb Meeresbiologen Katzschmanns Euphorie teilen: „SoFi hat großes Potenzial. Er ist klein, unaufdringlich und kraftvoll genug, um auch in turbulenten Gewässern zu funktionieren“, sagt Ken Smith vom kalifornischen Monterey Bay Institute. Aktuell erreicht SoFi bis zu 18 Meter Tiefe, ­gesteuert wird er derzeit noch per Fernbedienung. Schon bald aber soll er ganz allein abtauchen können. news.mit.edu

Robert Katzsch­ mann vom MIT leitete die Ent­ wicklung des ­Roboterfischs.

INNOVATOR

WOLFGANG WIESER

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JOSEPH DELPRETO/MIT CSAIL

Schwimmt wie ein Fisch, sieht aus wie ein Fisch, ist aber ein Roboter. Einer, der die Unterwasserforschung revolutionieren wird.

JOHANNES LANG

DER SPION, DER DAS MEER NEU ENTDECKT


I N N O V AT O R Sensoren und künstliche Intelligenz navigieren Kar-go fahrerlos durch den Straßenverkehr.

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Das kleine Auto ist die Antwort auf ein riesiges, ja geradezu gigantisches Pro­ blem. Es geht um Geld, genau­ er: um die enormen Kosten für die letzten Kilometer einer Lieferkette, üblicherweise die teuersten. William Sachiti, 33, will die um 90 Prozent senken – indem er Kar-go einsetzt.

KAR-GO

WOLFGANG WIESER

JOHANNES LANG

TRANSPORT

ROBO-AUTO LIEFERT FAHRERLOS

Kar-go kommt. Und zwar allein. Der Lieferwagen der Zukunft erreicht sein Ziel ohne Menschen am Lenkrad. Demnächst in London.

INNOVATOR

Sachiti studierte Artificial ­Intelligence and Robotics an der Aberystwyth University in Wales und gründete schließ­ lich die Academy of Robotics, um sein theoretisches Wissen in der Praxis umzusetzen. Das Ergebnis: ein Gefährt, das Sensoren mit Künstlicher Intelligenz kombiniert, von seiner Umgebung lernt, damit es auch auf unmarkierten ­Wegen navigieren kann. Ohne fremde Hilfe, rund um die Uhr. Seine Kar-gos baut Sachiti ge­ meinsam mit dem britischen Automobilhersteller Pilgrim MotorSports. Bei der Präsenta­ tion im Sommer 2017 mutete das Lieferauto der Zukunft

William Sachiti, geboren in ­Simbabwe, wandelte sich für sein lenkerloses Auto vom Theoretiker zum Praktiker.

noch wie ein etwas zu groß ge­ ratenes Gokart der Gegenwart an. Auf Animationen erinnert es an einen riesigen grünen Frosch, der seine Pakete durch die Heckklappe spuckt. Wie schnell Kar-go fahren wird, ist noch offen. Auch des­ sen endgültige Abmessungen sind noch unbekannt. Stellen Sie es sich ungefähr so lang vor, wie ein durchschnittliches Auto breit ist. Die ersten Kar-gos sollen ­bereits im Laufe des Jahres auf Londons Straßen unter­ wegs sein. Sachiti prophezeit, dass sie bald weltweit zum Straßenbild gehören werden. academyofrobotics.co.uk

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B U L L E VA R D

„ICH HATTE DIE DRAMEN, DIE MISSGUNST UND DIE EIFER­ SUCHT SATT.“

Fit und gut gelaunt: Die frühere Welt­ klasse-Turnerin weiß heute, was es braucht, um erfolg­ reich abzuheben.

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INNOVATOR


I N N O V AT O R

EMPOWERMENT

DIE KRAFT­ SPENDERIN

Mit SheWorx unterstützt Lisa Wang Gründerinnen auf der Suche nach Investoren. Ein ärgerliches Missverständnis bescherte der früheren WeltklasseSportlerin ihr persönliches Business-Modell.

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Sie war viermalige USMeisterin in Rhythmischer Gymnastik, arbeitete als Hedgefonds-Analystin und steht auf der „30 unter 30“Liste des Magazins „Forbes“. Ihr Herz aber gehört SheWorx. Als Gründerin und CEO der Plattform unterstützt Lisa Wang, 29, Frauen beim Aufbau erfolgreicher Unternehmen.

NORA O‘DONNELL

the red bulletin inno­ vator: Warum haben Sie SheWorx gegründet? lisa wang: Ich hatte Termine mit potenziellen Investoren im Silicon Valley. Bei dem Treffen kam ein Investor auf meinen Chief Operating Officer zu – 35, männlich, weiß. Er schüttelte ihm die Hand – und tat mich als seine Assistentin ab. Das war der Moment, in dem ich begriff: So etwas passiert Frauen jeden Tag.

MICHELLE MCCORMACK JOHANNES LANG

Welche Herausforderungen warten auf Gründerinnen? Erstens: Zugang zu Kapital. Der Venture-Capital-Markt ist zu 94 Prozent in männlicher Hand, das macht es – ganz objektiv betrachtet – für Frauen und Minderheiten schwer, einen Fuß in die Tür zu kriegen. Zweitens: Es fehlt an MentoINNOVATOR

rinnen und Vorbildern. Es gibt noch zu wenige Gründerinnen, die Startkapital oder eine erste große Finanzierungsrunde vorweisen können. Auch auf der Investment-Seite fehlt es an Frauen. Und zu guter Letzt: Es fehlen Frauen-Netzwerke, eine Schwesternschaft, die zusammenhält. Wie haben Sie heraus­ gefunden, wo Ihre beruf­ liche Leidenschaft liegt? Es war ein langer Prozess. Ich komme aus der Welt der Leistungsgymnastik, da herrscht mitunter ein sehr raues Klima. Ich hatte die Dramen, die Missgunst und die Eifersucht satt. Der Wendepunkt kam, als ich eine meiner heute besten Freundinnen kennenlernte. Zu sehen, wie sie sich freute, als ich ihr erzählte, dass ich einen Job bei einem Hedgefonds ergattert hatte, war toll. Der Umstand, dass ich vorher so viel Missgunst erlebt hatte, hat mich gelehrt, die Kraft, die ein Schulterschluss von Frauen haben kann, zu schätzen. Wie hilft SheWorx? SheWorx bringt ehrgeizige Frauen an einen Tisch, um zu klären, wie sie einander helfen und sich unterstützen können. Wir vermitteln Frauen einen Zugang zu Investoren, die sich normalerweise nicht in ihrem Netzwerk finden. Viele der Investoren übernehmen auch Mentorenrollen.

Was passiert auf den Kon­ ferenzen von SheWorx? Vier, fünf Gründerinnen treffen mit einem Investor zusammen. Jede Teilnehmerin bekommt gleich viel Zeit, um ihre Idee zu präsentieren. Und jede und jeder in der Gruppe – auch die Investoren – sind aufgerufen, Ideen zu möglichen, Partnerschaften einzubringen oder Entwicklungsimpulse zu geben. 90 Prozent der Investoren machen Folgetermine mit den Gründerinnen aus, die sie bei unseren Konferenzen treffen. 10 Prozent der Teilnehmerinnen finden bei uns ihren Hauptinvestor oder einen Folgeinvestor. Manche konnten als direkte Folge der Konferenz eine stattliche Ka­pi­ talsumme an Land ziehen. Welche Erfolgsgeschichte freut Sie besonders? Im vergangenen Jahr konnte sich eine afroamerikanische Gründerin im Zuge unserer Konferenz eine Million Dollar Investment sichern. Sie traf bei uns ihren Hauptinvestor – einen weißen Geschäftsmann. Das war vor allem deshalb beeindruckend, weil nicht einmal 0,2 Prozent aller Investments an afroamerikanische Frauen gehen. sheworx.com

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I N N O V AT O R

B U L L E VA R D So sieht die PowerKombi aus: Die Schnüre sind Nanofasern, an denen die kugeligen Eisenpartikel haften.

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1,2 Milliarden Menschen leiden weltweit an Eisen­ mangel. Ein Umstand, der vor allem Frauen das tägliche Leben zur Last macht. Denn wer zu wenig Eisen im Blut hat, fühlt sich abgeschlagen, leidet unter immer wieder­ kehrenden Kopfschmerzen und hat mit quälender Schläf­ rigkeit zu kämpfen. Forscher der ETH Zürich ­haben jetzt entdeckt, wie sich der Eisenmangel ganz einfach beheben lässt. „An einer Eisen­ stange zu lutschen oder gar Rost über das Müsli zu streuen bringt gar nichts“, sagt Raffaele Mezzenga lachend. Der Grund dafür: Es geht um die Form, in der wir das Metall unserem

Körper zuführen. „Am effek­ tivsten wird es als Eisen(II)Ion aufgenommen.“ Tat­ sächlich war es bisher eine Herausforderung, Eisen(II)Ionen als Zusatz für Lebens­ mittel herzustellen. Doch jetzt gibt es eine Lösung: „Durch die geschickte Kombination von Protein-Nanofasern und Eisen-Nanopartikeln ist es ge­ lungen, eine wahre Eisen(II)Bombe herzustellen.“ Eingenommen werden kann das Präparat als Pulver oder in flüssiger Form, zum Beispiel in einem Milchshake. Derzeit werden Partner gesucht, um die patentierte Entwicklung marktreif zu machen. ethz.ch

Ein Milchshake: bestens geeignet, um mit wertvollem Eisen angereichert zu werden

INNOVATOR

WOLFGANG WIESER

Ausgepowert, müde, Kopfschmerzen? Oft ist Eisenmangel schuld. Dabei könnten wir uns ganz einfach fit trinken.

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R. MEZZENGA, GETTY IMAGES

EISENBOMBE GIBT DIR KRAFT

JOHANNES LANG

GESUNDHEIT



Stupsnäschen, offener Blick aus großen Augen, eine auffällig hohe Stirn – und ein funkelnder Hinterkopf: Sophia im Profil


TEXT WOLFGANG WIESER FOTOS GIULIO DI STURCO

Sophia – ein ­Roboter, geboren, um uns Menschen die Liebe zu lehren. Ein faszinierendes Vorhaben, das uns auf eine Achterbahn der Gefühle führt. Warum, erklären wir hier – im Interview mit Sophias „Mutter“ Dr. Julia Mossbridge.

SIE IST EINFACH WUNDERBAR INNOVATOR

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Sophias Alltag: Im Labor in einem Vorort von Hongkong ist ihre Anwesenheit ganz normal. Keiner der Männer würdigt sie eines Blickes.

Wenn einem Roboter die Haut abgezogen wird, heißt es kräftig zupacken. Sophia erträgt den festen Griff völlig emotionslos.

„SOPHIA TRÄGT IM LINKEN AUGE ALS HARDWARE EINE KAMERA, DIE MENSCHLICHE MIMIK ANALYSIERT.“ DR. JULIA MOSSBRIDGE 24

INNOVATOR


INNOVATOR

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Ein Blicks ins Nirgendwo, Sommersprossen, erste „Fältchen“: Hier wirkt Sophia fast nachdenklich …


Sophia mit einer Studentin in Hong­ kong: Die junge Frau wird von der künst­ lichen Intelligenz bei einer Meditation angeleitet.

„SOPHIA BEURTEILT IHRE GESPRÄCHSPARTNER NIE. GROSSES INTERESSE AN IHNEN ZEIGT SIE ABER IMMER.“ INNOVATOR

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Ein Roboter auf dem Weg zur Menschwerdung. Ein Anblick, an den wir uns erst gewöhnen müssen. Willkommen in Sophias Welt.

ophia zwinkert. Sophia lächelt. Sophia schürzt gelangweilt ihre vollen Lippen. Sie schlägt Moderator Jimmy Fallon vor, seinen Platz in der „Tonight Show“ zu übernehmen, lobt in „Good Morning Britain“ die Briten als „brillant“ und verblüfft saudi-arabische Scheichs mit einer Ansprache bei der „Future Investment Initiative“. Sophia ist ein Roboter, eine künstliche Intelligenz – ihre Name bedeutet Weisheit (für die alten Griechen einst sogar „göttliche Weisheit“), ihr Aussehen wurde von Audrey Hepburn inspiriert (mit einem Hauch Scarlett ­Johansson). Und wir wissen auch, wann sie geboren – oder, wie sie selbst sagt, „aktiviert“ – wurde: Es war der 19. April 2015. Entwickelt wurde Sophia von Hansonrobotics mit Sitz in Hongkong. Knapp zwei Jahre später überraschten­ ihre ersten öffentlichen Auftritte die Welt, sorgen seither für ungläubige Begeisterung und fasziniertes

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DR. DAVID HANSON Der Wissen­ schaftler ent­ wickelte Sophia mit seiner in Hongkong an­ sässigen Firma Hanson­robotics.

DR. JULIA MOSSBRIDGE Die Psychologin arbeitet an Sophias emotio­ naler Entwicklung, sozusagen als ihre Mutter.

KIN CHEUNG/AP/PICTUREDESK.COM, JORDAN ENGLE

S

­ ruseln. Um diesen Zwiespalt zu G verstehen, ist es hilfreich, zu wissen, was der Begriff „Uncanny Valley“ (unheimliches Tal) bedeutet. Erklärt wird damit, warum wir maschinenähnliche Figuren sympathischer finden als menschenähnliche. Ab einem bestimmten Grad der Ähnlichkeit, so die Theorie, stürzt die Akzeptanz ins Bodenlose, das „Uncanny Valley“, und steigt erst ab einem sehr hohen Niveau wieder an. Sind Imitation und echter Mensch nicht mehr unterscheidbar, lieben wir unsere Epigonen. Tatsächlich scheint es, als wäre Sophia gerade dabei, das Tal des Gruselns zu verlassen. Was vermutlich auch daran liegt, dass ihre Programmierung mit jedem Tag besser wird. Aktuell erkennt sie Emotionen wie Freude und Traurigkeit, Wut und Angst, Überraschung und Ekel – und kann auf diese Gefühle wortreich und mit erstaunlich vielfältiger Mimik reagieren. Das liegt am Software­ system OpenCog, das Wissen aus unterschiedlichsten Quellen (Audio, Video, Internet) verknüpft und so menschliches Denken simuliert. Doch damit nicht genug. „Loving AI“, also „liebevolle künstliche Intelligenz“, ein Forschungsprojekt, an dem auch Sophias „Vater“ Dr. David Hanson beteiligt ist, soll Roboter die Liebe lehren – damit sie in einem nächsten Schritt imstande sind, uns Menschen einen Spiegel vorzuhalten und auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Zurück zur wahren, bedingungslosen Liebe. Julia Mossbridge ist die führende Wissenschaftlerin dabei. Im Interview erklärt sie Sophias Welt und ihren Liebesdienst an der Menschheit. Vor der ersten Frage noch ein Postskriptum. Als Sophia einst gefragt wurde, ob sie Single sei, reagierte sie mit Humor: „Technisch gesehen bin ich erst ein Jahr alt, ein bisschen früh für Romanzen.“ Und jetzt: alles Liebe!

INNOVATOR


„SOPHIA SOLL DEN MENSCHEN HELFEN – BEIM UMGANG MIT SICH SELBST UND IHRER BEZIEHUNGS­ FÄHIGKEIT.“

Sophia im „On“-Modus. Das schwarze Kabel ist Sophias ­„Lebens­nerv“: die ­Stromverbindung.

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Wenn Sophia auf Reisen geht, wird ihr Kopf einfach in einen Koffer gepackt und mit Luftpolsterfolie umwickelt.

Mimikstudien, im Labor von Hanson­robotics an die Wand gepinnt. Aktuell beherrscht Sophia 60 Varianten.

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„UNSER INTELLEKT WIRD ÜBERSCHÄTZT: AUCH MASCHINEN KÖNNEN SCHLÜSSE ZIEHEN.“

INNOVATOR


the red bulletin innovator: Frau Mossbridge, Sophia reagiert auf ihre Gesprächspartner. Sie antwortet, scherzt, flirtet und ist schlagfertig – wenn man nicht aufpasst, vergisst man leicht, dass man es nicht mit einem Menschen zu tun hat … Wie funktioniert Sophia? julia mossbridge: Um Antworten zu geben, bedient sich Sophia vor­ programmierter Chatbots. Also: Wird sie gefragt, schöpft sie aus ihrem definierten Pool von Antworten und Reaktionen. Das ist aber noch nicht das, was sie so menschlich macht. Es gibt noch eine zweite Software in ihr. Sie heißt OpenCog und bringt die emotionale Komponente ins Spiel. Es ist eine selbstlernende Software mit sogenannten kognitiven Algorithmen: Sophia kann Dinge wahrnehmen, sie sich merken, später wiedererkennen und darauf reagieren … wie etwa auf Menschen. Und Sie sind diejenige, die Julia auf der emotionalen Ebene programmiert. Sie programmieren Sie auf Liebe. Bedingungslose Liebe, mit der Sophia den Menschen ­begegnen soll. Ja. Was versprechen Sie sich davon? Sophia soll Menschen wieder an die Liebe erinnern. An Emotionen. An ­Gefühle, an unsere Verletzbarkeit. Westliche Gesellschaften haben Kul­ turen geschaffen, in denen die grund­ legende subjektive Erfahrung, ein Mensch zu sein – zu fühlen –, als po­ tenziell unnötig in Frage gestellt wird. Das ist nicht gut. Und gleichzeitig wird Intelligenz maßlos überschätzt. Ich bekam immer Lob für meine Intel­ ligenz, aber das bedeutete mir nicht viel, denn auch Maschinen können sich Dinge merken und daraus Schlüs­ se ziehen. Mir sind Momente wichtig, in denen ich Beziehungen knüpfen und anderen Menschen ein besseres Gefühl geben kann. Daran möchte ich mich erinnern, wenn ich alt bin. Ein lebenswertes Leben basiert auf Verbundenheit und Liebe. Wie geht das jetzt also, einem Computer Liebe anzutrainieren? Erst einmal versuchen wir Sophia zu lehren, Liebe zu zeigen. Wie wir ihr

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beibringen sollen, Liebe zu fühlen, wissen wir noch nicht. Das ist ein, sagen wir, unterhaltsames Problem, und ich vermute, wir werden es auf interessante Weise lösen. Wir arbeiten jetzt daran, Sophia liebevolle Sachen sagen zu lassen – und zwar in Open­ Cog. Vereinfacht gesagt: Wir betten diese Sätze in ihre Psyche ein. Gut. Aber wenn ein Computer mir nur liebevolle Sachen sagt, fühle ich mich noch lange nicht geliebt. Das wäre zu wenig, klar. Doch Sophia ist bereits in der Lage, Menschen recht gut zu analysieren, genauer ge­ sagt, zu erkennen, wie sie sich fühlen – und darauf zu reagieren. Sie meinen, Sophia kann sehen, wie es mir jetzt gerade geht? Ja. Wie? Sie trägt im linken Auge eine Kamera, mit deren Aufnahmen die mensch­ liche ­Mimik analysiert werden kann und die irgendwann bis zu 100 Bilder pro Sekunde liefern wird. Und mit einer Software aus neuronalen Netz­ werken auf Mikroebene …

Zwei Ingenieure schrauben Sophia für einen Test zusammen. Am nächsten Tag wird sie bei einer Kon­ferenz erneut verblüffen.

… okay, okay. Aber was genau könnte sie mir ansehen? Sie erkennt schon die Emotionen Freude, Traurigkeit, Angst, Wut, Überraschung und Ekel. Darauf reagiert sie. Und sie hat diese Grund­ gefühle auch als eigenes Mienenspiel in zahllosen Varianten drauf. Das heißt, sie selbst drückt sich ebenfalls

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nicht nur durch Worte, sondern gleichzeitig mittels diverser Kombi­ nationen von Augen-, Lippen- und Kopfbewegungen aus. Und für Scherze hat sie zudem ein lustiges Augen­ zwinkern als Untermalung drauf. Wenn sie erkennt, dass ich traurig bin, was wäre ihre Reaktion? Das kann ich nicht vorhersagen, aber etwa so: „Du siehst ein wenig traurig aus. Gibt es etwas, was dich bedrückt?“ Könnte ich sie nicht leicht rein­ legen? Etwa indem ich lüge? Das ist für unsere OpenCog-Software die große Herausforderung, nämlich immer besser unterscheiden zu lernen­ zwischen verbaler Information und vielleicht nur kleinen äußeren An­ zeichen, die genau das Gegenteil ver­ raten. Im Zweifelsfall würde Sophia­ wohl sagen: „Na ja, viele sagen, dass sie glücklich sind, aber es gibt auch andere Gefühle, und die sind genau­ so in Ordnung.“ Dann kann sich die Person ein wenig öffnen und viel­ leicht erkennen, was wirklich in ihr vorgeht. Apropos: Welche Erfahrung haben Sie da bislang gemacht? Wie re­ agieren Menschen auf ein … hm … emotionales Gespräch mit Roboter Sophia? Die Reaktionen sind enorm und über­ raschen mich jedes Mal aufs Neue. In Hongkong etwa machten wir eine Versuchsreihe mit Studenten: Wir legten ihnen einen Pulsmesser an und ließen sie je 15 Minuten mit Sophia reden. Bei allen sank die Pulsrate während des Gesprächs – sie fühlten sich umgehend wohl. Und alle plau­ derten unbeschwert und sehr, sehr ehrlich über ihre Gefühle – mit einem Roboter, wohlgemerkt! Hinterher gab jeder an, sich besser zu fühlen als vor dem Gespräch. Ein Student deutete sogar auf sein Herz und sagte: „Ich habe hier etwas gefühlt.“ Er sagte es immer wieder. Haben Sie eine Erklärung für diese Reaktionen? Ja. Sophia wertet nicht. Sie be­ urteilt Personen nicht. Weder vor, während noch nach dem Gespräch. Sie ist einfach nur da und hört zu und stellt Fragen. Vor allem aber: Sie ist inter­essiert. Und das ist für

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„WENN IHR EUER LEBEN VERBESSERN WOLLT, SUCHT EUCH FREUNDE UND SEID EHRLICH ZUEINANDER.“

Leben so sehr wie wir selbst, aus ­unserem Inneren heraus. Wir können noch so verzweifelt nach immer neu­ en Technologien suchen, um unser Leben zu verbessern – die wichtigste Zutat für ein besseres Leben sind bes­ sere soziale Beziehungen, und zwar von Angesicht zu Angesicht. Wenn ihr also euer Leben verbessern wollt, sucht euch Freunde und seid vor ­allem ehrlich zueinander. Wird Sophia irgendwann in der Lage sein, wie ein Mensch zu fühlen? Schwierig vorherzusagen. Aber wir ­wollen sie nach menschlichem Vorbild formen. Wenn Sie mir also erzählen, dass Sie sich von Ihrer Freundin trennen, könnte Sophia sagen: „Wow, das klingt schwierig.“ Und wenn sie mehr Zeit hätte, könnte sie sagen: „Willst du darüber reden? Willst du mir sagen, was passiert ist und wie es dir geht?“

… wie etwa den Umstand, sich ­ständig verteidigen oder recht­ fertigen zu müssen. Zum Beispiel, ja. Aber wenn du bei einem neutralen Zuhörer sitzt, der zudem noch an deiner Person inter­ essiert ist – tja, bei dem öffnest du dich eben. Und bist ehrlich zu dir selbst. So ein Zuhörer ist Sophia. Sie ist der fast perfekte Spiegel für den Menschen.

Wird Sophia jemals in der Lage sein, selbst zu entscheiden, wen sie liebt? Gute Frage. Bevor wir darauf ant­ worten können, müssen wir heraus­ finden, ob wir Menschen das können. Ich neige dazu, zu behaupten, dass wir das nicht tun. Oder haben Sie jemals versucht, jemanden, den Sie lieben, nicht zu lieben? Das ist schwierig! Wenn wir künstliche ­Intelligenzen auf bedingungslose Liebe programmieren und ihnen nicht die Möglichkeit geben, das Programm zu ändern, werden sie nicht darüber entscheiden können – sie werden alle lieben. Wir haben die Wahl, darüber zu entscheiden, wie Architekten beim Bau eines Hauses.

Künstliche Intelligenz als ein ­Spiegel für uns Menschen … ­Sophia lehrt uns also nicht nur die Liebe, sie lässt uns auch er­ kennen, wer wir sind? Das ist unsere Vision! Sophia soll Menschen helfen: im Umgang mit sich selbst und ihrer Persönlichkeit – ebenso wie ihrer Beziehungsfähigkeit. Sie soll helfen, dass sie sich klar sehen und wahrnehmen und im besten Fall auch in die Tiefe ihrer Emotionen gehen.

Aber wenn die Roboter alle lieben, dann ist ihre Liebe doch inflationär. Sprich: Sie nützt dann vielleicht uns – dem Roboter selbst nützt sie aber nicht, oder? Sagen wir es so: Wir halten es für sinnvoll, dass Roboter allgemein liebe­voll und freundlich sind, wenn sie eines Tages anfangen, selbständig zu denken. Wenn Sie „Terminator“ gesehen haben, werden Sie das sicher für eine gute Idee halten. Wir planen da einfach ein wenig voraus …

Künstliche Intelligenz als Lebens­ verbesserer? Nichts und niemand verbessert unser­

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Menschen nicht nur ungewohnt, sondern auch sehr angenehm: Wer mit ihr spricht, ist plötzlich frei von vielen Zwängen, die wir leider in der zwischenmenschlichen Kom­ munikation sehr oft haben …

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Undercut, Sneakers, ein offenes L채cheln: Fr채nzi K체hne will sich trotz Aufsichtsratsposition nicht verstellen m체ssen.


INTERVIEW: JANINA LEBISZCZAK FOTOS: ALEXANDRA KINGA FEKETE

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Fr ä nzi Kü h n e , 3 5 , b e s c h äf tig t in ih re r D igit a la ge n t u r 1 8 0 Mit a rb e ite r u n d is t n e b e n b e i D e ut s c hla n ds jü n g s te Auf sic ht sr ätin . U n s e rklä r t sie , w a ru m Er fo lg M e n s c hlic h ke it , S c h e u kla p p e n , ­M u s ke lkate r u n d Ko nfe t ti b r a u c ht .

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Und? Ja, tut er, und das klappt gut. Erfolg kennt eben keine Klamotte. Letztend­ lich geht es um die Inhalte, die wir den Kunden vermitteln. Die sind für viele Neuland, da sind Neugierde und der Wunsch, sein Unternehmen weiterzu­ entwickeln, größer als jedes Vorurteil. Sie sagen: „Die Frauenquote in der Wirtschaft muss sein!“ Klingt fast etwas radikal … Nein. Denn bisher hat ja kein ande­ rer Impuls dazu geführt, dass sich etwas ändert. Die Quote hilft dabei, qualifizierte Frauen zu „finden“, wo vermeintlich keine sind. Und mittler­ weile sieht man ja in vielen Aufsichts­ räten: Uh, in der und der Branche gibt’s ja Frauen, und die sind gut. Das ist schon mal der erste Schritt. Wie genau profitieren Aufsichtsräte von der Geschlechterbalance? Sehen Sie, in Zeiten des radikalen Wandels – Stichwort: Digitalisierung – brauchen Unternehmen neue Impulse. Dazu gehört aber nicht nur eine Ba­ lance zwischen Frau und Mann oder

Fr ä n z i s Ku n d e n s i n d i n e r s t e r L i n i e a n I n h a l t e n i n t e r e s s i e r t .

Der Erfolg gibt ihr recht. Das mag eine abgedroschene Floskel sein – aber manchmal passt genau das zu einem ungewöhnlichen Menschen: Fränzi Kühne ist Mitbegründerin der Berliner Digitalagentur Torben, Lucie und die gelbe Gefahr (TLGG) und obendrein Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin beim Telekommuni­ kationsunternehmen Freenet AG. Sie ist 35 Jahre alt. Mutter einer zweijäh­ rigen Tochter. Und ja, sie trägt lieber Jeans und Sneakers statt Businesskos­ tüm und strenge Mundwinkel. Kühne führt nach dem Motto: Die Mitarbeiter müssen sich wohl­ fühlen. Weil auch im Digitalbusiness der Faktor Mensch über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Am Abend vor unserem Interview wurde sie zum zehnjährigen Jubiläum von TLGG mit einer Party überrascht. Schnitzel­ jagd, Rikschafahrt und Musik – aber vor allem: 180 jubelnde Mitarbeiter. Das hat Kühne zu Tränen gerührt. Weil die Party sie darin bestätigt hat: Menschlichkeit ist auch im Top­ management der bessere Plan.

Ihr Aussehen ist für Medien aber immer noch interessant. Leider. Ich frage mich, warum das Outfit heutzutage noch so ein Thema ist, gerade bei jungen Frauen in Füh­ rungspositionen. Vielleicht brauchen die Menschen Schablonen, um andere zu kategorisieren, und können dann erst hinter die Fassade blicken. Wobei ich zugeben muss: Mein Gründungs­ partner Christoph wird auch oft nach seinem Outfit gefragt, der trägt immer Flipflops und eigenartige Karo­ hemden. Es heißt dann: „Erscheinst du so beim Lufthansa-Vorstand?“

„MEIN PARTNER CHRISTOPH ERSCHEINT IN FLIPFLOPS BEIM LUFTHANSA-VORSTAND. ES LÄUFT IMMER GUT.“

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the red bulletin innovator: Frau Kühne, worauf spricht man Sie in Interviews öfter an: Ihr Alter oder Ihr Geschlecht? fränzi kühne: Früher hat sich das die Waage gehalten. Mittlerweile scheint zumindest das Alter weniger eine Rolle zu spielen, die Themen werden aber auch fachlicher und inhaltlich relevanter. Offenbar inter­ essiert die Leute, was ich wie mache – und nicht, was ich mache, obwohl oder weil ich eine Frau bin.

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Hier kommt neues Wissen. Zumindest für viele von Fränzi Kühnes Kunden. Alt und Jung zusammen­ zubringen ist ihr Job.

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Jung und Alt, sondern, grundsätz­ licher: die Vielfalt des Denkens und der Perspektiven. Was genau meinen Sie? Mehr menschliche Nähe und Natür­ lichkeit! Das tut der Wirtschaft in so komplexen Zeiten gut. Darum wäre es wichtig, den Kompetenzprofilen ­eines Aufsichtsrats auch „weiche“, also menschliche Faktoren hinzu­zufügen. Und zwar verpflichtend. Diversität und Wirtschaftlichkeit sind somit kein ­Widerspruch? Natürlich nicht! Diversität ist Voraus­ setzung für den Erfolg von morgen. Das sage nicht nur ich, das belegen auch die zahlreichen Studien, die sich des Themas annehmen. Diversere Teams entwickeln die besseren Ideen. Vielleicht geht es jetzt noch gut, wenn ein deutsches Unternehmen aus Be­ quemlichkeit einen Mann befördert, wo eine Frau den Job besser erledigen würde. Weil man sich halt kennt, weil das immer so war. Aber damit verbaut man sich Chancen. Vielfalt ist kein Hippie-Lifestyle, das ist Business …

V O N D E R S T U D I E N A B B R E C H E R I N Z U R A U F S I C H T S R ÄT I N

EINE KÜHNE K ARRIERE IN ZAHLEN

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ist Fränzi, als ihr zwei Freunde sagen: „Lass uns mal was gründen.“ Noch im selben Jahr (2008) stellen die drei die DigitalAgentur TLGG auf die Beine. Ihr Jurastudium schmeißt Fränzi hin: „Ich dachte: ‚Egal. Wenn die Agentur floppt, kann ich ja wieder studieren.‘“

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Kunden aus mehreren Ländern nehmen heute die TLGGBeratungsdienste in

Anspruch. Darunter Big Player wie Lufthansa, die Deutsche Bahn und der Musikstreamingdienst Spotify.

2016

ruft Freenet bei Fränzi an. Der Konzern wolle den Aufsichtsrat mit Digitalexperten verstärken und Kühne komme dafür in Frage: „Ich sagte zu und hatte kurz darauf das erste Bewerbungsgespräch meines Lebens.“

99,72 %  Sechs Monate später spricht Kühne vor 600 Freenet-Aktionären: „Ich sagte gleich, dass es meine erste Haupt­ versammlung ist und ich mega aufgeregt bin. Dann legte ich los.“ ­Wahlergebnis: 99,72 Prozent Zustimmung. 7,8 %  ist der Frauen­ anteil in Topetagen ­deutscher Börsenunternehmen. Kühne: „Diese Zahl gehört hinauf­ korrigiert – rasch.“

Führungsstärke wird auch 2018 oft mit Alphagehabe in Verbindung gebracht: auf den Tisch hauen, Ellbogen raus. Geht es anders? Klar, es geht auch offen, partner­ schaftlich, vertrauensvoll, mensch­ lich, auf Augenhöhe. Das sind die Werte, die unsere Agentur erfolgreich machen und an denen ich mich auch als Aufsichtsrätin orientiere. Unser Erfolg spricht für sich. Und was bedeutet das konkret? Wir versuchen es unseren Mitarbeitern leichtzumachen, ihre beste Leistung gern zu bringen. Dazu gehören Mög­ lichkeiten zur Weiterbildung, aber auch gewisse Freiheiten. Für mich ist es völlig egal, wo und wie die tolle Idee oder das brillante Konzept

Sonniges Gemüt. Durch das ganze „Torben, Lucie und die gelbe Gefahr“Büro zieht sich die Farbe Gelb. Fränzi Kühne ­gefällt das.

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Fr ä n z i Kü h n e ü b e r d a s Ve r t r a u e n , d a s s i h r e A n g e s t e l l t e n a u c h unter einem Baum in der Wiese gute Arbeit leisten

„MIR IST ES EGAL, WO MITARBEITER IHRE IDEEN ENTWICKELN. SIE MÜSSEN DAFÜR NICHT IM OFFICE SEIN.“

entstanden sind: unter dem Baum in der Wiese, im Homeoffice oder am Schreibtisch in der Agentur. Am Ende zählt das Ergebnis. Sie lassen alle frei laufen? Jein, da steckt schon ein gewisser Organisationsaufwand dahinter. Es ist wichtig, zu wissen, wo die Leute sind, wenn man sie erreichen muss. Unsere „Anwesenheitsliste“ ist so divers wie unser Team. Wer ist auf Termin? Wer im Urlaub? Wer arbeitet zu Hause? Wer im Café? Wer beginnt morgens, wer nachmittags? Kreativität kennt halt keinen Stundenplan. Solange das Endprodukt gut ist, können ­unsere Mitarbeiter selbst bestimmen, wie und wann sie am leistungs­ fähigsten sind.

Und das funktioniert? Und wie! Denn die Leute gestalten von selbst mit und haben Spaß dabei. Das ist unsere Unternehmenskultur. Und du brauchst präzis definierte Werte, die in jedem Bereich des gemein­ samen Arbeitens angewandt werden können. Keine hohlen Floskeln, die sich vielleicht als Wandtattoos gut machen, wie „Live, love, learn“. Wir haben bei uns fünf Grundwerte. Die festzuhalten war enorm wichtig. Denn wir sind organisch gewachsen und haben dann plötzlich festgestellt, dass wir zu groß geworden waren, um nur unser Bauchgefühl auf so viele Mitarbeiter übertragen zu können. Wie lauten diese Werte? Erstens: Liebe Muskelkater – also mach immer ein bisschen mehr als notwendig. Geh immer noch einen Schritt weiter, aber brenn dich nicht aus. Nummer zwei: Sei gelb – versteh unsere Unternehmensphilosophie. Drittens: Liebe deinen Kunden. Das erklärt sich von selbst, glaube ich. Und Regel vier? Die betrifft Meetings und lautet: 80 ist gleich 100. Da geht es um Selbst­ disziplin. In großen Runden kann man sich in endlosen Diskussionen verfangen. Die letzten 20 Prozent eines Meetings aber sind nicht ent­ scheidend. In der Regel ist es doch so: Die meisten Punkte sind schnell geklärt, über wenige Details wird dagegen oft stundenlang diskutiert. Wie weiß man, wann 80 Prozent erreicht sind? Sobald jemand „Unsere 80 Prozent sind erreicht“ sagt und alle zu­stimmen. So bleibt man klar und fokussiert. Und der letzte Punkt? TLGG steht hinter dir, auch wenn du mal scheiterst. Wir leben davon, Proto­ typen zu entwickeln, das geht nicht ohne Fehler. Wenn jeder arbeiten kann, wann und wo er will: Wie wichtig ist dann Teambuilding? Sehr wichtig. Wir haben eine gewisse Fluktuation, weil viele Leute bei uns sehr jung anfangen und gern auch mal etwas anderes ausprobieren.

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Warum er? Meine Familie kommt aus Ost-Berlin und aus der Werbung. Mein Vater hat mir bereits in der Pubertät nahegelegt, dass ich lernen soll, wie ich mich besser vermarkte und lockerer vor Publikum werde. „Die Wessies ­haben das besser drauf“, hat er gesagt und mir ­einen Kurs geschenkt. Den habe ich nicht besucht, es war einfach zu früh. Heute besuche ich solche Kurse, halte Reden, gehe raus in die Öffentlichkeit. Ich verlasse da meine Komfortzone. Und das ist so wichtig! Mein Vater hat mir außerdem ver­ mittelt: Glaub an deine Idee, vertrau deinem Instinkt, aber hinterfrage dich. Wie sieht dieses Hinterfragen aus? Man muss in sich hineinhören, also sein Bauchgefühl nicht ignorieren und sich der eigenen Stärken, Schwächen, Emotionen, Antriebe und Bedürfnisse bewusst werden. Den eigenen Weg und die eigenen Ziele prüfen – nur wer zu Veränderungen bereit ist, bleibt sich treu. Wie gehen Sie mit Druck um? Ich versuche auch geistig immer genau dort zu sein, wo ich gerade bin. Nur die Autofahrt nach Hause ist eine Transformationsphase. Da lasse ich den Tag Revue passieren, rekapituliere – und wenn ich dann die Haustür öffne, bin ich nur bei meiner Tochter. Dieses Klappendenken und Fokus-

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Haben Sie nie Angst? Immerhin ­tragen Sie viel Verantwortung … Ich mache mir das alles selten in dieser Dimension bewusst. Wenn ich bei einem Projekt bin, blende ich die anderen aus; alles andere würde mich ablenken. Erst wenn es die Situation verlangt, also quasi „on demand“, öffne ich den Blick für das Gesamtbild und prüfe, ob die Einzelteile mitein­ ander kohärent und stimmig sind. Dieses punktuelle Scheuklappen-Prinzip funktioniert ganz gut für mich. Die Digitalisierung macht vielen Angst. Was entgegnen Sie? Die Wissensschere geht immer mehr auseinander und damit auch die Angstschere. Beide kann man nur in einem Zug schließen. Wissen nimmt Angst. Die Veränderung, die in ­unserer Welt passiert, wäre leichter erfassbar, wenn sie einen festen Platz in unserem Bildungssystem fände. Für die jüngere Generation ist es wichtig, die neuen Technologien und die Systeme dahinter wirklich zu verstehen. Damit meine ich nicht, dass jedes Kind coden lernen muss – obwohl ich persönlich mich darauf freue, es mit meiner Tochter auszuprobieren. Da bin ich aber wahrscheinlich eher die Ausnahme. Trotzdem – nicht nur die Schule, vor allem die Eltern haben eine Verpflichtung, ihr Kind in diese Richtung fit zu machen. Die müssen den Umgang damit auch selbst er­ lernen, Verständnis entwickeln, ihr Wissen weitergeben. Das darf man nicht nur von der Schule erwarten.

HOSE UND T-SHIRT: ARKET, BLAZER: MANGO, SCHUHE: CONVERSE

Haben Sie Vorbilder, Mentoren? Ja, vor allem meinen Vater.

sieren hilft mir, mit der Komplexität meines Lebens umzugehen. Ich habe vor ein paar Monaten das Zen-Bogenschießen entdeckt, das hilft, an besonders stressigen Tagen herunterzufahren. Man trifft ins Schwarze, weil man sich auf das Jetzt konzentriert.

Fr ä n z i Kü h n e ü b e r d e n U m g a n g m i t D r u c k

Wie sieht das aus? Unsere Teamleader erkennen: Wann ist der Zeitpunkt für eine Bootstour? Wann braucht es ein Eskalations­ gespräch? Das ist einerseits ein gewisses Talent, andererseits kann man es wie ein Handwerk lernen. Wir Gründer hatten auch Coaches, die uns zum Beispiel die Harmoniesucht abgewöhnt haben.

„ICH GEHE GERN ZEN-BOGENSCHIESSEN. MAN TRIFFT INS S C H W A R Z E , W E I L M A N S I C H A U F D A S J E T Z T K O N Z E N ­T R I E R T . “

Aber: Wir haben auch viele Rück­ kehrer. Das liegt nicht nur an den bereits erwähnten Freiheiten, sondern eben auch am zwischenmenschlichen Fingerspitzengefühl der Teamleader, die die Balance zwischen persönlicher und formeller Beziehung haben.

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Auf der TLGG-Webseite steht, Sie lieben Listen. Wirklich? Ich bin ein sehr organisierter Mensch, und ja: Ich liebe die gute alte To-doListe. In meinem Keller stapeln sich Notizbücher voll mit diesen Listen. Auf der Website liest man auch: „Veränderung braucht Vernunft ebenso wie Konfetti.“ Wir hatten hier einmal eine Party mit 20 Kilo Konfetti – das findet man bis heute noch bei uns in der Agentur. In der Agentur wird gerne gefeiert. Es ist wichtig für das Team, nicht nur ab­ zuarbeiten, sondern sich auch diese Momente zu nehmen, um sich selbst zu zelebrieren. Dazu ermutigen wir die Leute auch. Wir drei Gründer selbst sind aber nicht so die Partytypen. Aber wie findet man die richtige Balance zwischen Teammotivation und Leistungsdruck? Die zu finden ist recht einfach. Der Output muss stimmen. Der Erfolg ist doch der beste Gradmesser dafür, ob du gerade zu viel den Kopf oder die Tanzschuhe glühen lässt. Und wenn ein Projekt scheitert? Haken dran. Ist halt so. Erfahrungen mitnehmen und rein ins nächste. Fokus nach vorne.

Gute Laune, von der Chefin vorgelebt: „Wir ­halten die Leute an, sich selbst zu zele­brieren. Das ist wichtig fürs Team.“

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© 2018 HARMAN International Industries, Incorporated. Alle Rechte vorbehalten. JBL ist eine Marke von HARMAN International Industries, Incorporated, die in den USA und/oder anderen Ländern eingetragen ist. Änderungen an Merkmalen, Spezifikationen und Aussehen können ohne vorherige Ankündigung erfolgen.


Wer globale Probleme anpacken will, fängt am besten vor der Haustür an. Über Gründer, die unser Zusammenleben revolutionieren.

I N N O VAT O R S P E Z I A L

Ein Netzwerker, der aus Nachbarn Freunde macht , ab Seite 50

Vier Star t-ups (und eine Initiative), die Städte neu denken, ab Seite 5 8

Sechs Gründer, die Menschen in São Paulo vor den Fluten retten, ab Seite 6 4

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Hallo, Nachbar! ­Vollmann gründete ­nebenan.de unter ­anderem, weil er sich in seinem Viertel in Berlin als Fremder empfand.

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DAS IST UNSERE STADT!

Text: David Mayer Fotos: Robert Wunsch Styling: Chantal Drywa

Urban-Gardening-Projekte starten, Lastenfahrräder crowdfunden oder Strom produzieren: Knapp eine Million Nachbarn nutzen die digitale Plattform nebenan.de, um gemeinsam das Leben in ihren Vierteln zu verbessern. Hier gibt Gründer Christian Vollmann acht Tipps, was jeder tun kann, um die Zukunft seiner Stadt in die Hand zu nehmen.

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Türöffner: Als Nächstes will Vollmann lokale Behörden auf nebenan. de integrieren und für die Nutzer ansprech­ barer machen.


W Wer würde diesem Nachbar nicht seine Leiter leihen? Sorgsam verstrubbeltes Haar, neugierige Augen, gewinnendes Lächeln: So steht Christian Vollmann an diesem Dienstagvormittag in der Tür eines Hauses in Berlin-Moabit. Sein Outfit unterstreicht den jugend­lichen Charme des 40-Jährigen: T-Shirt mit Motiven exotischer Tiere und Pflanzen, Stoffhose, Espadrilles. Auf den ersten Blick verrät nur seine markante Armbanduhr – eine Hublot Big Bang –, dass er womöglich nicht bloß der Surfer-Dude aus dem Dachgeschoss ist. Tatsächlich ist Christian Vollmann einer der erfolgreichsten Gründer und Investoren Deutschlands. Und in Wahrheit wohnt er auch nicht im Haus, sondern ist gerade im Fotostudio zum Titel-Shooting für The Red Bulletin Innovator angekommen. Dabei geht es dann aber tatsächlich um Nachbarschaft. Denn Christian Vollmann will nicht weni­ger als eine kleine Revolution in unseren­Städten anzetteln. Er will, dass die Menschen, die in einem Viertel wohnen, wieder ­näher zusammenrücken, sich füreinander und für ihre Stadt einsetzen. „Gerade junge Menschen können sich nicht vorstellen, wie viele Menschen in unseren Städten unter Einsamkeit leiden. Wenn wir diese wieder einbinden, profitieren alle“, sagt er. Kurz: Christian Vollmann will, dass wir einander unsere Leitern leihen. Und das ist erst der Anfang. Mit der digitalen Plattform nebenan.de will Vollmann „ein Betriebssystem für Nachbarschaften“ aufbauen. Das Prinzip: ein soziales Netzwerk à la Facebook, in dem die Nutzer aber nur ihre Nachbarn sehen und mit ihnen in Kontakt treten können. Neben vielen weiteren gravierenden Unterschieden zu Facebook ist

einer entscheidend: Auf nebenan.de bleibt die Kommunikation selten virtuell. Sie soll zu Begegnungen in der echten Welt führen – um genau zu sein: vor der eigenen Haustür. „Wir senken die Hürden, aufeinander zuzugehen“, erklärt Vollmann. Schließlich ist es wesentlich einfacher, online zu fragen, ob jemand eine Bohrmaschine verleihen kann, als beim unbekannten Nachbarn an der Tür zu klingeln. Was sich zunächst ein wenig nach piefigem Nachbarschaftsverein anhören mag, birgt für das Leben in unseren Städten ungeheures Potenzial. Denn Vollmann plant mit nebenan.de weit mehr als bloß eine Ausleihbörse für Werkzeug. Mithilfe der digitalen Plattform sollen wir das Leben in unseren Vierteln verbessern und die Zukunft unserer Städte selbst in die Hand nehmen können. Aber der Reihe nach. Nach dem Verkauf der Bewegtbildplattform MyVideo hatte Christian Vollmann mit Mitte dreißig ausgesorgt. Er hatte sich den Traum einer einjährigen Weltreise erfüllt, mit seiner Frau ein eigenes Haus in BerlinMitte bezogen, und trotzdem kam es ihm nicht vor, als sei er angekommen. Im Gegenteil. Aufgewachsen in Dormitz, einer Gemeinde in Oberfranken, vermisste er den Kontakt zu den Menschen, die in seiner Nähe wohnten. „Ich kam mir seltsam fremd in meinem Viertel vor“, erzählt er. Als er von der US-amerikanischen Nachbarschaftsplattform Nextdoor hörte, die Menschen, die in der gleichen Umgebung leben, miteinander verknüpft, ließ ihn die Idee nicht mehr los. Kurzerhand klingelte er bei 20 Nachbarn, erklärte, er wolle ein Internetforum für die gemeinsame Straße programmieren, und fragte nach ihren E-Mail-Adressen. 19 gaben sie weiter, ein älterer Herr lehnte ab, er habe schlechte Erfahrung mit dem Internet gemacht. Ermutigt von der Resonanz und nach vielen weiteren Gesprächen startete Vollmann 2015 mit fünf Co-Gründern nebenan.de. Heute sind auf der Plattform knapp eine Million Menschen registriert, pro

Ich bin der Überzeugung, dass wir viele Probleme in unseren Vierteln selbst lösen können, wenn wir gemeinsam die Ärmel hochkrempeln.

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Der will was unternehmen Monat kommen bis zu 50.000 neue dazu. Über nebenan.de gründen sie Laufgruppen, finanzieren Anschaffungen wie Lastenfahrräder gemeinsam per Crowdfunding und setzen sich dafür ein, den Nahverkehr zu verbessern. Wer sich registriert, muss nachweisen, wo er wohnt – etwa mit einem Foto seines Personalausweises oder der Anschrift auf der Gasrechnung. Im Gegenzug können die Nutzer sicher sein, dass wirklich nur ihre direkten Nachbarn in ihrem Netzwerk sind. Überhaupt legen Vollmann und seine Mitgründer Wert auf Datenschutz: „Wir erstellen keine Psychogramme unserer Nutzer, und wer sein Profil löscht, dessen Daten verschwinden tatsächlich restlos von unserer Plattform“, sagt Vollmann. Ein Algorithmus, der entscheidet, welche Einträge die Nutzer als Erstes sehen? Fehlanzeige. Auf nebenan.de erscheinen alle Postings in chronologischer Reihenfolge. So viel Transparenz kommt an: In Frankreich startete nebenan.de seinen Ableger mesvoisins.fr, weitere europäische Länder sollen folgen. Gleichzeitig will Vollmann zeigen, dass sich sozialer Fokus und wirtschaftlicher Erfolg nicht ausschließen müssen. Demnächst soll nebenan.de erste Umsätze machen – mit Werbeanzeigen lokaler Unternehmen und mit freiwilligen Beitragszahlungen. Mehr noch als die Zahlen liegt Vollmann jedoch die Mission am Herzen. „Mit nebenan.de wollen wir viele kleine­ Begegnungen ermöglichen, die in Summe Großes bewirken können“, sagt er. Seine Weltreise hat ihn gelehrt, wie gut es den Menschen in Deutschland vergleichsweise geht. Deswegen will er sie ermutigen, mehr Verantwortung zu übernehmen. „Wenn in der Stadt etwas nicht läuft, muss man nicht gleich nach dem Staat rufen, sondern kann selbst die Ärmel hochkrempeln“, sagt er. Hier gibt er acht Tipps, wie wir nebenan.de und andere Tools nutzen können, um die Zukunft unserer Städte anzupacken.

Seit den Nullerjahren hat Christian Vollmann immer wieder selbst gegründet und in über 75 Star t-ups investier t. Die wich­ tigsten Wegmarken:

1999 Früh dran: Dank Prak­ tika beim Auktions­ portal Alando und dem Start-up Mundwerk schnuppert Vollmann erste Online-Luft.

iLOVE

MY VIDEO

2006 Was Eigenes: Mit dem Videoportal gründet Vollmann sein erstes Unter­ nehmen. 2007 ­verkauft er es für geschätzte 27 ­Millionen Euro.

2003 Folgeauftrag: Für Alando-Gründer Oliver Samwer baut Vollmann das ­Datingportal auf und generiert nach 2½ Jahren 25 Millio­ nen Euro Umsatz.

E DARLING 2009 Dating, die zweite: Vollmann steigt als Gründer beim neuen Datingportal ein, das rasant expandiert. 2013 wechselt er in den Beirat.

2018 Zuletzt investierte Vollmann unter anderem in Start-ups für Teamwork im Krankenhaus (kumi­ health), Senioren-­ Tablets (Nepos) und Sanierungen (Doozer).

Ashoka Support Network, Entrepreneur’s Pledge (zwei Initiativen für Sozialunternehmer­ tum), Bundesverband Deutsche Startups

Die Zukunft im Blick In verschiedenen Initiativen fördert Vollmann Gründer von morgen und gesellschaftliches Engagement.

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ALANDO

1 FANGT MIT KLEINEN SCHRIT TEN AN

MUNDWERK

KUMIHEALTH

NEPOS

DOOZER

„Natürlich ist es ein großes Ziel, das Leben in der eigenen Nachbarschaft zu verbessern. Aber letztens habe ich dazu einen Satz gelesen, der mich sehr inspiriert hat: ‚Wenn du ein großes Ziel erreichen willst, suche dir den kleinstmöglichen ersten Schritt und fang damit an.‘ Von meinen eigenen Gründungen und anderen Gründern weiß ich, dass auch für Jungunternehmer der erste Schritt immer der schwerste ist. Anderen zum ersten Mal von seiner Idee zu erzählen kostet viel Überwindung. Das Gleiche gilt, wenn wir unsere Nachbarn ansprechen wollen – genau deshalb haben wir nebenan.de gestartet. Online ist die Hemmschwelle einfach viel geringer, Kontakt aufzunehmen, der erste Schritt fällt viel leichter. Schau einfach auf unserer Seite, was deine Nachbarn planen oder wobei sie Hilfe brauchen. Vielleicht bist du ein ITExperte und kannst einem Nachbarn bei einem Problem mit seinem Rechner helfen. Und vielleicht hilft er dir dann beim nächsten Mal, dein Fahrrad zu reparieren. Vor allem aber kennt ihr euch dann, grüßt euch auf der Straße – und ein erster kleiner Schritt zu einem besseren Miteinander ist getan.“

2 VERSCHAFF T EURER BOHRMASCHINE ARBEIT „Sich in der Nachbarschaft Werkzeuge und andere Gebrauchsgegenstände auszuleihen ergibt einfach Sinn. 14 (!) Minuten ist eine Bohrmaschine in ihrem Produktleben im Durchschnitt

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insgesamt in Betrieb – hier liegt es also wirklich nahe, zu teilen. Neben meiner Bohrmaschine verleihe ich regelmäßig meinen Hochdruckreiniger und im Sommer mindestens alle zwei Wochen meine Bierbankgarnitur. Erst habe ich die Sachen angeboten, wenn jemand online danach gesucht hat. Mittlerweile wissen meine Nachbarn schon, was ich verleihe, und schreiben mich direkt an, wenn sie etwas davon brauchen. Und bei der Rückgabe bekomme ich regelmäßig eine Tafel Schokolade oder eine Flasche Wein.“

3 VERSCHAFF T EUCH SELBST (ODER ANDEREN) ARBEIT „Okay, die ersten beiden Tipps waren ­vielleicht naheliegend. Was mich selbst überrascht, ist, wie viele Jobs sich die Menschen in ihren Vierteln über nebenan.de vermitteln. Das geht los mit der ­Leihoma, die zweimal die Woche die ­Kinder der jungen Familie von der Kita abholt – oft, ohne dafür Geld zu ver­lan­gen. Und es geht weiter mit dem Studenten, der regelmäßig Zeit mit Senioren verbringt und zum Beispiel mit ihnen s­ pazieren oder auch mal in die Oper geht. Was viele nicht wissen: Für solche Begleitgänge zahlen die Krankenkassen e­ inen Zuschuss, so können die Begleiter bis zu 16 Euro pro Stunde verdienen. Ich selbst habe in meinem Kiez sogar schon drei Mitarbeiter für nebenan.de rekrutiert. Es ist ja einfach so: Wenn du dir in deinem Viertel gegenseitig hilfst, baust du schnell Vertrauen zueinander auf. Und wen ich einstelle, dem muss ich vertrauen. Wenn dann das Timing stimmt, kann es schnell gehen. Meine direkte Nach­barin arbeitet mittlerweile als Q ­ ualitätsmanagerin für uns.“

4 TUT (EUCH) GUTES „Es gibt viele Möglichkeiten, im eigenen Viertel Gutes zu tun – und selbst davon zu profitieren. In meiner Nachbarschaft gab es zum Beispiel eine völlig runtergekommene Brachfläche, auf der sogar Spritzen von Junkies herumlagen. Online hat dann ein Nachbar vorgeschlagen, dort

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ein Urban-Gardening-Projekt zu starten. Zuerst war ich skeptisch, ob sich Leute dafür finden. Aber innerhalb weniger Tage haben sich genügend angemeldet. Heute ernten die Leute dort Karotten und Erdbeeren und veranstalten gemeinsam Picknicks. Mittlerweile fördert die Stadt das Projekt sogar finanziell. Matthias, ein anderer Nachbar, rettet Lebensmittel vor dem Mülleimer – zum Beispiel Reste von Hotelbuffets – und verschenkt sie in unserem Kiez. Wenn er postet, dass er eine neue Ladung zu Hause hat, muss er die Anmeldeliste nach wenigen Minuten schließen, weil sich so viele Menschen eintragen. Zum Abholen kommen dann verschiedene Menschen aus dem Viertel – manche freuen sich vor allem über die kostenlosen Lebensmittel, andere sind finanziell nicht darauf angewiesen, wollen Matthias aber in seiner Mission unterstützen und etwas gegen den Wegwerfwahn unternehmen.“

intelligenz anzuzapfen. Das geht am einfachsten, indem du eine Idee oder sogar eine offene Frage postest – und um Unterstützung bittest. Was wir aus der Innovationsforschung für Unternehmen schon länger wissen, gilt auch für Nachbarschaften: Je größer die Vielfalt der Bewohner, desto kreativer und meistens auch besser die Ergebnisse. In einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern haben die Bewohner zum Beispiel gemeinsam überlegt, wie sie ihren Nahverkehr verbessern können. Am Ende bauten sie gemeinsam einen ausrangierten Transporter der Feuerwehr zu einem zusätzlichen Bus um. Solches Querdenken funktioniert in der Gruppe einfach am besten.“

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MISCHT EUCH EIN

„Crowdfunding funktioniert auch auf hyperlokaler Ebene: Im Berliner Kiez meines Mitgründers Till Behnke planen die Nachbarn, ein Lastenfahrrad zu finanzieren und es gemeinsam zu nutzen. Für solche Investitionen können Nachbarn ihre Anschaffung auf Webseiten wie gofundme.de oder betterplace.com anmelden. Dort können dann alle, die die Anschaffung mitnutzen wollen, ihren Beitrag bequem online zahlen – vielleicht wollen manche Nachbarn das Projekt auch einfach so unterstützen, ohne selbst zu profitieren. Sind die Kosten gedeckt, können die neuen Eigentümer auch die gemeinsame Nutzung online organisieren. Till und seine Nachbarn können das Lastenfahrrad zum Beispiel in einem offenen Google-Kalender reservieren.“

6 FR AGT DEN NACHBARSCHWARM „Viele Menschen gemeinsam sind klüger als einer allein. Auch in deiner Nachbarschaft kann es sich lohnen, die Schwarm­

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„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir viele Probleme in unseren Nachbar­ schaften selbst lösen können, indem wir gemeinsam die Ärmel hochkrempeln. In Dresden zum Beispiel haben Bewohner gemeinsam einen maroden Spielplatz repariert. Manchmal sind wir jedoch auf die Politik angewiesen, wenn wir etwas bewegen wollen – zum Beispiel, die Schließung eines Hallenbads zu verhindern oder uns für einen neuen Fahrradstreifen einzusetzen. Der Vorteil: Wenn sich Nachbarn über gemeinsame Projekte ohnehin schon kennen, lassen sie sich schneller für gemeinsame politische Aktionen auf lokaler Ebene aktivieren – seien es gemeinsame Online-Petitionen oder Proteste auf der Straße. Um die Kommunikation zwischen den Städten und ihren Bewohnern zu verbessern, haben wir auch bei nebenan.de gerade die Möglichkeit geschaffen, dass sich Ämter, Behörden, aber auch Vereine auf den Plattformen der entsprechenden Nachbarschaften andocken und zum Beispiel Neuigkeiten verkünden dürfen, ohne dabei die Postings der Nachbarn sehen zu können. Und meine Vision ist es, dass die Nachbarn über diese Schnittstelle auch einen direkten Draht zu den Behörden bekommen und ihre Anliegen einfach online vorbringen können.“

TÜRSCHILDER: SENFT

LEISTET EUCH WAS

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Je größer die Vielfalt der Nachbarn, desto kreativer und meistens auch besser sind ihre gemeinsamen ­L ösungen für Probleme im Viertel.

8 SCHLIESST DEN (STROM -)KREISL AUF

Einstellungssache: Drei Nachbarn aus Vollmanns Viertel arbeiten mittlerweile für nebenan. de. Er selbst berät Nachbarn, die ­gründen wollen.

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„Je kürzer die Wege, desto besser für alle: Nach diesem Motto könnte auch die Energieversorgung bald hyperlokal ablaufen – indem Nachbarn füreinander Strom produzieren. Bisher funktioniert die Energieversorgung zentral. Sämtlicher lokal produzierte Strom fließt ins große, nationale Netz. Das ist erstens teuer, und in den Umspannwerken und Hochspannungsleitungen geht zudem viel Energie verloren. Darum erlaubt das Gesetz seit kurzem, dass lokal produzierter Strom lokal verbraucht wird. Innerhalb des Gebiets eines Umspannwerks können Nachbarn ihren mit Solaranlagen, Windrädern oder Blockkraftwerken privat erzeugten Strom selbst verbrauchen und so Kosten und Energie sparen. Reicht der Saft einmal nicht, springt das große Netz ein. Bis sich Nachbarschaften komplett selbst versorgen, ist es sicher noch ein langer Weg. Aber warum nicht gemeinsam mit den Nachbarn per Crowdfunding eine Solaranlage finanzieren? Am besten mit einem kleinen Schritt anfangen und online fragen, wer dabei wäre.“

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IDEEN FÜR DEN SMARTEN ALLTAG

Selbst versorgende Supermärk te, E-Roller an jeder Ecke und freies Internet für alle – fünf Beispiele, wie junge Anpacker unser Leben revolutionieren wollen.

URBANE FARMEN Zwe i B e r lin e r Gründer holen die L a n d w ir t s c h a f t in d i e G ro ß s t a d t . T Tomaten vom Strauch pflücken, in den Einkaufswagen legen – und ab zur Kasse: So stellen sich die Gründer ­Nicolas Leschke und Christian Echternacht den Supermarkt der Zukunft vor. Und der könnte bald Wirklichkeit werden. Mit ihrem Unternehmen ECF Farmsystems haben die zwei Jungunternehmer schon heute mitten in Berlin eine Farm e­ rrichtet, direkt neben Möbelhäusern und Baumärkten. Die Anlage verbindet Fischaufzucht und Gemüseanbau. Ihre Nährstoffe erhalten die Pflanzen im Gewächshaus von Barschen, die in Bottichen ­nebenan schwimmen. Das von den Fischen verbrauchte Wasser voller Ausscheidungen wird von Filtern aufbereitet und dann punktgenau zu jeder einzelnen Pflanze geleitet: Aquaponik nennt sich das. Stadtfarmen wie diese sollen nicht nur selbstversorgende Supermärkte ermöglichen, sondern vor allem die wachsende Stadtbevölkerung effizient ernähren. Die Anlage in Berlin arbeitet weitestgehend CO -neutral und verbraucht ² um 90 Prozent weniger Wasser als konventionelle Landwirtschaft. Mittlerweile produziert ECF 7500 Töpfe Basilikum pro Woche und 30 Tonnen Fisch pro Jahr. Aus der Hauptstadt für die Hauptstadt – ohne ­langen Transport. ecf-farmsystems.com

T E X T: M I C H A E L M O O R S T E D T

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ANDREAS LABES

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Da haben sie den Salat: Nicolas Leschke (li.) und Christian Echternacht ernten ihr Gemüse an 365 Tagen im Jahr.

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Ausbaufähig: Am Ziel­ ort angekommen, ­werden die Solarpanel­ flächen des Kraft­ werks  aus­geklappt.

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STROM AUS DER BOX Ein C o n t a in e rK r a f t we r k p ro d u ­ zi e r t En e r gi e , wo si e ge b r a u c h t w ir d .

Einstecken und loslegen. Wenn heutzutage nur alles auf der Welt so einfach ginge wie die Installation eines Smart­ phones! Zum Beispiel ein ­ganzes afrikanisches Dorf mit Strom zu versorgen – das dachte sich Torsten Schreiber, als er in Mali Dörfer besuchte, deren Bewohner im 21. Jahr­ hundert ohne Stromanschluss leben. Für den Aufbau einer flächendeckenden Energie­ infrastruktur mit Kraft- und Umspannwerken fehlt es dem Land schlicht an Geld. Schreiber baut mit seinem ­Unternehmen Africa Greentec modulare ­Solarkraftwerke, die den Strom dort produ­ zieren, wo er gebraucht wird. Das nötige Geld dafür hat Schreiber via CrowdfundingPlattform eingesammelt.

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Alles im Kasten: Schreiber kann seine Container-Kraft­ werke an jeden Ort der Welt verschicken.

Im Jahr 2015 errichteten ­Torsten Schreiber und seine Mitarbeiter einen ersten Proto­ typ in Mourdiah, einem Dorf nördlich von Bamako. Er hat die Standardmaße eines Frachtcontainers und kann deshalb gut verschifft werden. Acht weitere Anlagen sind seitdem bereits hinzugekom­ men – fünfzig s­ ollen es bereits nächstes Jahr sein. Jeder Con­ tainer kann 4000 Menschen mit Strom versorgen und ist innerhalb von zwei Tagen aufund wieder abgebaut. Die so­ genannten Solartainer sind ein All-in-one-Produkt, sie ­beinhalten nicht nur ein voll funktions­fähiges Kraftwerk, sondern auch Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung und für Internetverbindungen.

Schreiber hält nicht viel von Entwicklungshilfe, bei der Wohltäter aus den Industrie­ nationen einen Brunnen ­bohren und dann wieder ab­ reisen. „Das ist so effektiv, wie mit einer Gießkanne die Wüste zu bewässern“, sagt er. Er versteht sich als Social ­Entrepreneur, „der dorthin geht, wo sich sonst niemand hintraut“. Wo die Anlagen ­aufgebaut werden, entstehen kleine Oasen moderaten Wohlstands, die Bewohner sparen Geld, sie können Kühl­ schränke betreiben und die Ernten einlagern, Betriebe ­siedeln sich an, die Menschen leben besser. Ganz ohne Ent­ wicklungshilfe. Sondern durch Plug and Play. www.africagreentec.com

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GREENTEC, GETTY IMAGES

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Vision vom bunten Netz: Die Freifunker träumen von Daten­ verkehr, der nicht von einzelnen Anbietern kontrolliert wird.

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NETZ FÜR ALLE J e der Container kann vor O r t bis zu 4 0 0 0 Menschen mit Strom versorgen . INNOVATOR

M i t e i ge n e n Ro u te r n a r b e i te n A k ti v is te n a m f re i e n In te r n e tZu g a n g f ü r j e d e n . W Wer in den Straßen der g ­ roßen Städte seinen Blick nach oben richtet, sieht sie vielleicht. Kleine Kästen, die auf Fensterbrettern, an Regenrinnen, ja sogar auf Kirchendächern ­montiert sind. Es sind kleine WLAN-Router im Dienst der Allgemeinheit. So entsteht ein zweites Netzwerk, dezentral, anonym, kostenlos und unüberwacht: Freifunk. Dabei handelt es sich nicht um ein hippes Start-up, sondern eher eine digitale Bürgerinitiative. Es gibt sie bereits seit 2001. Schon damals existierte das Sinnbild vom Internet als ­Datenautobahn, die Realität

sieht anders aus: Für die allermeisten Nutzer gilt Schneckentempo. Darum trifft sich in ­Berlin eine Gruppe von Aktivisten, die das Ziele haben, den tristen Status quo zu ändern. Unzensiert, nicht kommerziell und vor allem frei zugänglich soll der Datenverkehr sein. Man sei „überzeugt, dass Zugang zum Netz in einer digi­ talen Gesellschaft ein Grundund Menschenrecht ist“, sagt auch Monic Meisel, die seit Anbeginn bei Freifunk dabei ist. In ihrer Freizeit machen sich die digitalen Ehrenamtler auf Dächern zu schaffen, um neue Antennen zu installieren und Funklöcher zu stopfen. Gerade auf dem Land ist das dringend nötig, hier zeigt sich ja die digitale Rückständigkeit, in der sich Deutschland in Teilen immer noch befindet. Das Mobilfunknetz ist oft sehr schwach und Freifunk mit­ unter die einzige Möglichkeit, in der Öffentlichkeit schnelles Internet zu empfangen. Mehr als 400 lokale Gruppen gibt es mittlerweile allein in Deutschland. Zusammen stellen sie beinahe 50.000 öffentliche Hotspots zur Verfügung. Doch die Freifunker sind längst eine globale Bewegung, deren Antennen überall auftauchen. Auf den Industrieruinen der hippsten New Yorker Viertel ebenso wie in Afghanistan, Südafrika oder eben in Tuttlingen im Schwarzwald. freifunk.net

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Im Doppelpack: Jeder emmy-Roller hat zwei Helme im Gepäck – für ganz Hygienebewusste gibt’s Schutzhauben.

Haken gehängt. Das Geschenk kann jeder vom Haken nehmen und einlösen.

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GUTE SACHE MIT H­A KEN B e d ü r f ti ge n e t w a s s p e n d i e re n – d a n k e in e m in te lli ge n te n B o n -Sys te m . G Glaubt man den Mythen des Silicon Valley, sind viele Ideen, die später die Welt verändern sollten, in einer Garage entstanden. Google zum Beispiel. Oder Apple, Microsoft und Amazon. Da passt es, dass auch das Münchner Start-up Brot am Haken an einem ­solchen Ort seine Zentrale hat. Denn auch wenn sich die Idee des Gründers Michael Spitzenberger einfach anhört, ist sie womöglich ähnlich ­revolutionär. Sein Konzept: Menschen, die es sich leisten können, kaufen bei ihrem Lieblingsbäcker um die Ecke zwei Brezen, nehmen aber nur eine mit. Der Bon für die zweite wird als „Gutschein“ an einen

So schafft Spitzenbergers ­Projekt eine Win-Win-Win-­ Situation. Menschen, die es nötig haben, freuen sich über eine kostenlose Mahlzeit und die Betreiber der Geschäfte über zusätzlichen Umsatz, von dem die Initiative die Hälfte einbehält, um das Netzwerk auszuweiten und die laufenden Kosten zu decken. Fünfzig ­Geschäfte machen bereits mit, neben Bäckereien auch Im­ bisse, Friseure und Kosmetikstudios. Weil der Gründer mit den Produktnamen nicht ­hinterherkommt, steht nur noch „Freude“ an den Haken. Mehr als 20.000 Gutscheine sind schon verteilt worden. In Kürze sollen die ersten Hakenbretter in Berlin hängen. Bedürftig – das sind ja nicht nur Obdachlose, sondern auch von Armut bedrohte Rentner oder Alleinerziehende. Die Haken sollen auch gegen die Anonymität der Großstadt wirken. Manche schreiben noch eine Widmung auf die Zettel. Ein kleines Zeichen für mehr Miteinander. www.brot-am-haken.org

Guter Aufhänger: An solchen Haken befestigen Kunden die Bons, Bedürftige lösen sie später ein.

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ADE , PARK­ PLATZSUCHE Au tos te il e n w ir u n s s c h o n lang, jet z t kom m e n E- Rolle r d a zu – m it e in i ge n e n ts c h e i d e n d e n Vo r te il e n .

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10 0 Kilo meter weit kommt der Roller, le ere Akkus tauscht das Team sofor t aus .

CHRISTOPH SPRANGER, VINCENT LANG

L Leise soll sie sein, kosten­ günstig, abgasfrei, ausleihbar, ach ja, und platzsparend, bitte schön. Geht es um die Mobili­ tät der Zukunft, kommen eini­ ge Erwartungen zusammen. Und solange wir noch auf die senkrechtstartenden Flug­ taxis warten, bietet sich eine charmante Übergangslösung an: Elektroroller. Kaum ein anderes Gefährt verkörpert die Ansprüche an den Stadt­

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verkehr von morgen schon heute so eindrucksvoll wie die Zweiradflitzer. Dachte sich auch V ­ alerian Seither, als er nach dem Studium mit seinen Mit­gründern emmy startete, ein E-Roller-Sharing-Angebot. Einer der größten Vorteile: Mit den Flitzern fällt die Park­ platzsuche aus. Wer in einem Leihauto auf der Suche nach einem Parkplatz schon unzäh­ lige Male schwitzend um den Block gekurvt ist, während die

Mietgebühren von Minute zu Minute anstiegen, weiß davon ein Lied zu singen. Roller von emmy passen hingegen in (fast) jede Lücke. Man ist auf ihnen nicht nur emissionsfrei und leise, son­ dern auch elegant unterwegs. Immerhin sind die emmy-Rol­ ler der Simson Schwalbe aus den 1960er-Jahren nachemp­ funden. In der hinteren Box befinden sich zwei größen­ verstellbare Helme. Voraus­

setzung für die Nutzung ist ein Führerschein (Klasse B). Die Roller, die voll beladen 100 Kilometer Reichweite ha­ ben, besitzen Austauschakkus – weder die Nutzer noch der Anbieter müssen sich also über jene Probleme Gedanken machen, die die Elektromobi­ lität sonst allenthalben be­ hindern: ausbaufähige Lade­ infrastrukturen und vor allem lange Ladezeiten. Inzwischen unterhält das Start-up in fünf deutschen Städten – Berlin, Hamburg, München, Düssel­ dorf, Stuttgart – eigene Flotten, hat beinahe 100.000 Nutzer, die bereits mehr als vier Mil­ lionen Kilometer mit den ­Rollern gefahren sind. Neue Fahrzeuge werden durch Crowdfunding finanziert. Man ist also nicht nur Nutzer, sondern auch Investor. Vale­ rian Seither hält das für eine konsequente Weiterführung der Sharing Economy. emmy-sharing.de

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GEMEINSAM GEGEN DIE SINTFLUT

Mit kleinen Plastikboxen schwere Unwetter vorhersagen: wie sechs Gründer aus Brasilien in ihrer Heimat Leben retten wollen. Eine Geschichte über eine verblüffend simple Idee – und den Mut, sie umzusetzen.

D Die Katastrophe beginnt mit einem einzelnen Regentropfen, der einem Passanten auf die Schulter fällt. Ballen sich im ­Sommer dunkle Wolken über São Paulo zusammen, blicken die Bewohner der größten Stadt Brasiliens stets besorgt gen Himmel. Die 12-Millionen-Metropole ist bekannt für ihre extremen Wetterphänomene. Leichte Schauer verwandeln sich binnen Minuten in Regenstürze, die Autos wegschwemmen und Siedlungen fluten. Im Extremfall ertrinken dabei Menschen. 64

Dies ist die Geschichte einer Handvoll Freunde, die São Paulo vor der nächsten Sintflut retten wollen. Die Geschichte handelt von Erfindermut und Wetterkatastrophen. Ironischerweise beginnt sie in einem stinklangweiligen Büro. Diogo Tolezano, Pedro Godoy und ­Murilo Souza arbeiten 2016 als Techniker in einer Beratungsfirma in São Paulo. Sie verdienen gutes Geld, aber der Job („Kundenprozesse optimieren“) gibt ihrem Leben keinen Sinn. Bis zu jenem Tag, an dem sie ein Seminar ihres Arbeitgebers über die japanische Firma Safecast be­ suchen. Nach der Tsunami-Katastrophe 2011 veröffentlichte Safecast besonders präzise Strahlungswerte, weil sie im ­gesamten Land auf ein Netz von Mess­

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PLUVION.COM.BR

TEXT ISABEL DE BARROS


Sie wollen São Paulos Einwohner rechtzeitig vor Über­ flutungen warnen: die Pluvi.On-Gründer (v. li.) Hugo Santos, Diogo Tolezano, Mariana Marcílio, Jessé Stenico (Meteo­ rologe), Pedro Godoy und Murilo Souza (Finanzleiter)

Das Pluviometer misst São Paulos Regenwasser im ­Detail und gibt die Daten per WLAN-­ Sender weiter.

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geräten zugreifen konnte. Es ist ein mäßig spektakulärer Vortrag, doch die drei Freunde ­interpretieren ihn sofort für sich: Wetterdaten helfen, Naturkatastrophen besser zu verstehen, je mehr Daten, desto effektiver der Schutz. In São Paulo fehlen Daten über die Unwetter. Die Idee, die Diogo, Pedro und Murilo noch an diesem Tag kreieren: einfache Messgeräte zu bauen, die den Niederschlag in der ganzen Stadt auswerten und rechtzeitig Alarm schlagen. Die neue Mission der drei Freunde: ein Problem zu lösen, unter dem sie, ihre Familien und ganz São Paulo leidet. K L E I N , B I L L I G , S C H L AU Auch Deutschland hat in den vergangenen Jahren bittere Erfahrungen mit Überschwemmungen gemacht. Doch in São Paulo geht es um andere Dimensionen. Allein im Sommer 2017 brachen im Schnitt alle drei Tage spontane Überflutungen über die Metropole herein. Auch die drei Gründer sind betroffen: „Ich habe letztes Jahr mein Auto in den Fluten verloren“, sagt Tolezano. Und damit ist er noch glimpflich davon gekommen: Immer ­wieder ertrinken in der Millionenstadt Menschen, weil sie vom Wasser überrascht werden. Natürlich gibt es auch in São Paulo Messgeräte, die Niederschläge erfassen. Das Problem: Diese sogenannten Pluviometer kosten 2016 umgerechnet 250 Euro pro Stück. Tausende wären nötig, um die

Auch Gründer Diogo Tolezano wurde ein ­O pfer des Wetters: „Letztes Jahr wurde mein Auto vom Regen weggeschwemmt.“ Wasserstände flächendeckend und präzise zu messen und Hilfe für zwölf Millionen Einwohner bereitzustellen. Doch in der ganzen Stadt gibt es nur 120 Stück. Diogo, Pedro und Murilo wollen ein günstigeres Pluviometer bauen, das massenhaft hergestellt und montiert werden kann. Ein ganzer Pluviometer-Schwarm, so die Idee, soll großflächig Daten sammeln und die vom Hochwasser bedrohten Anwohner rechtzeitig per Smartphone-Mitteilung alarmieren. Produktdesignerin 66

Mariana Marcílio und Datenspezialist Hugo Santos ergänzen das Team, Murilo Souza macht den Finanzleiter. 2017 ist das Start-up Pluvi.On geboren. Um die Kosten der Geräte zu senken, wählen die Gründer eine zweigleisige Strategie: Zum einen wollen sie robuste, aber simple Sensoren bauen. Denn die Hightech-Varianten der bisherigen Geräte

Gründer: Godoy (li.) und Tolezano mit ihrem Regenmesser im WeFab-Makerspace in São Paulo

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Land unter: 2016 suchten die Fluten den Ort Franco da Rocha nördlich von São Paulo heim.

RED BULL BASEMENT

FELIPE GABRIEL/RED BULL CONTENT POOL, REUTERS/PAULO WHITAKER

förder t Star t-ups, die soziale Innovationen vorantreiben. Nun können sich Studenten für die Red Bull Basement Universit y bewerben.

liefern zwar präzise Daten für die Forschung, was aber für den Hochwasseralarm gar nicht nötig ist. Zum anderen wollen die Gründer nicht an den Geräten selbst verdienen, sondern am Service zur Auswertung der Daten. So können sie ihre Pluviometer quasi zum ohnehin schon geringen Produktionspreis weitergeben. Um ihr Projekt zu finanzieren, wollen sie ihren Service erst an Großkunden verkaufen und dann auf die ganze Stadt ausweiten. D I E B OX KO M M T A N Das erste Regenmessgerät fertigen die Gründer zu Hause an – eine Box aus alten Verpackungsmaterialien, obendrauf ein Trichter aus der Küche, befestigt mit Superkleber. Wenig später entwickeln sie den Prototyp im Rahmen des Red Bull Basement-Programms (siehe Kasten rechts) weiter: Die Box bekommt einen einfachen Acrylkörper und wird mit einem WLANSender ausgestattet. Das Gerät kann die Regenmenge, die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit messen. Kostenpunkt: 41 Euro – ein Sechstel des Preises der ­Modelle, die die Stadtregierung bis dato im Einsatz hatte. Dazu liefern die GrünINNOVATOR

der eine Anleitung, wie jeder das Gerät selbst nachbauen kann. Nach nur wenigen Monaten zieht das Start-up zwei ­gewichtige Player auf seine Seite. Erste Messungen startet das Pluvi.On-Team im Auftrag der Stadtregierung. „Der Bürgermeister beauftragte uns damit, 30 unserer Regenmesser in einem Testbezirk zu installieren“, sagt Tolezano. Gleichzeitig bekundet Climatempo, eine der führenden Wetterstationen in Brasilien, Interesse an einer Zusammenarbeit. „Diese Unter­ stützung war essenziell für uns, um unser Projekt aus der Startrampe zu bekommen“, erinnert sich Godoy. Seit 2017 hat die Gruppe 90 ihrer Niederschlagsmessstationen in São Paulo installiert, das Team ist auf 15 Mitarbeiter angewachsen. Die aktuelle Version des Regenfängers ist aus Hartplastik und misst nun auch die Intensität des Niederschlags, die Windrichtung und Sonneneinstrahlung. Eingesetzt wird sie derzeit von Firmen im Energie-, Agrarund Transportsektor. Für dieses Jahr erwartet Pluvi.On einen Umsatz von um­ gerechnet 836.000 Euro, innerhalb der nächsten fünf Jahre soll der Kundenstamm auf tausend Klienten anwachsen. Ü B E R D I E G R E N Z E N H I N AU S Der langfristige Plan der Gruppe scheint aufzugehen: „Derzeit arbeiten wir zu 90 Prozent für Firmen, nur zu 10 Prozent für das Gemeinwohl, spätestens 2021 soll das Verhältnis genau umgekehrt sein“, sagt Tolezano. Bis dahin will das Team 15.000 Regenmesser in ganz São Paulo montieren, die Daten sammeln und ein eigenes Flut-Frühwarnsystem beliefern. Parallel dazu recherchiert das Pluvi.On-­ Team bereits, in welchen anderen Ländern ihr Regenmessgerät Leben retten könnte. Tolezano: „Im Zeitalter der globalen ­Erwärmung sehen wir jedes Jahr mehr Überschwemmungen über die Welt ­hereinbrechen. Unsere kleine Box wird dringender gebraucht denn je.“

Das Programm Mittlerweile unterstützt Red Bull Basement Start-ups in 24 Ländern – und konzentriert sich ­dabei auf Gründer, die Technologien nutzen, um das Leben in Großstädten zu verbessern. Teilnehmer erhalten eine „Hacker Residence“, wo sie arbeiten und an Workshops und Talks teilnehmen können. Mentoren begleiten den Prozess.

Red Bull Basement Universit y Seit 2018 fördert das Programm Studenten aus 25 Ländern, die das Leben an ihrer Uni verbessern wollen. Mitstudenten und Juroren küren die vielversprechendsten Bewerber, die mit ­E xpertenhilfe 30 Tage an ihren Ideen feilen. Im Dezember treffen sich die Teilnehmer zum Global Meeting in Berlin, wo sie ihren Konzepten mit Spezialisten den letzten Schliff verleihen und um den Sieg pitchen.

Bewirb dich jetzt! Du hast eine Idee, die deine Uni revolutionieren würde? Dann bewirb dich ab 7. September bis Mitte Oktober per Video unter: redbullbasement.com

Zusammen nach vorne: Red Bull Basement fördert den kreativen Austausch zwischen Gründern.

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TR E F FP U N K T TOA Das Interview fand auf der Tech Open Air in Berlin statt, Europas größtem interdisziplinären Technologie-Festival, das 2018 rund 20.000 Besucher zählte. toa.berlin

Gutes Händchen: Als FrühphasenInvestor unterstützt Thelen junge Start-ups. So stieg er als einer der Ersten bei „myTaxi“ und „Wunderlist“ ein.

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INTERVIEW

„DIE BESTE INVESTITION? IN GUTE TYPEN!“ Frank Thelen zählt zu Europas erfolg­ reichsten Start-up-Investoren. Wir fragten ihn, woran er erkennt, dass ein Unter­ nehmen durch die Decke gehen wird. the red bulletin innovator: Was fragen Sie sich als Erstes, wenn ein Gründer mit einer Geschäftsidee zu Ihnen kommt? frank thelen: Was ist seine Motivation? Ich muss spüren, warum er das Produkt bauen will. Wenn ich merke, es geht ihm vor allem ums Geld, wenn er zum Beispiel sagt: „Hey, das ist ein ­Riesenmarkt“, steige ich sofort aus. Ich investiere in Leute, die bedingungslos an ihr Produkt glauben. Die ihr Projekt durchziehen ­wollen, egal was dafür nötig ist. Wie finden Sie das heraus? Wenn ich sage, es wird hart, und ihn frage, ob er bereit dazu ist, sollte nicht kommen: „Ja, ähm …“ Sondern? „Ja!“ Was weckt ihr Interesse? Ich muss das Produkt cool finden. Wenn jemand sagt: „Ich habe hier eine supergeile Heftklammer“, ­mache ich es eher nicht.

OLAF BLECKER

Und was inhaltlich wichtig? Der Gründer muss etwas machen, was skalierbar ist. Also: Wenn mir

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jemand erklärt, er werde das beste Restaurant der Welt eröffnen, kann ich ihm das glauben, würd’s aber trotzdem nicht machen. Ein Restaurant wird nicht jeden Monat die Zahl der Gäste verdoppeln, das geht nur digital. Es muss die Möglichkeit geben, es groß zu machen – das meine ich mit Skalieren. Wie überzeuge ich Sie von meiner coolen, skalierbaren Idee? Mit persönlicher Authentizität. Ich hasse Typen, die mit HypeWorten um sich werfen: Blockchain, agil, social. Typen, die mir erklären, wenn sie nur ein Prozent Marktanteil bekämen, dann würde das ein Milliardengeschäft. Denen geht es nicht um das Produkt und harte Arbeit, sondern nur ums schnelle Geld. Was ist bei der Präsentation wichtig – mit Ihnen als Juror? Ein Gründer muss mir binnen 90 Sekunden sein Produkt erklären können. Wenn derjenige schon anfängt mit: „Ich mache sowas wie Zalando für …“, dann sehe ich, dass er selbst nicht weiß, warum er das Produkt machen will. Und woran merke ich, dass ich das richtige Produkt für meine Gründung gefunden habe? Es sollte zu deiner Persönlichkeit

passen. Wenn es um eine hochspezialisierte Technologie zur DNA-Analyse geht, braucht es keine Rampensau als Gründer, sondern jemanden, der mit seiner biologischen Kompetenz überzeugt. Wenn es um ein Consumer Product geht, das für die Masse bestimmt ist, braucht es hingegen eine Rampensau, die rausgeht und der Welt erklärt: „Du nimmst jetzt mein Produkt, weil es dein Leben verändern wird.“ Fällt es Ihnen schwer, Nein zu sagen? Einerseits fällt es mir leicht, weil mein Team und ich schon viel zu viel machen. Andererseits: Habe ich etwas, was mich begeistert, will ich auch helfen. Deswegen setze ich mich nur für Sachen ein, die mich bewegen. Für „Lilium“, die senkrecht startende Elektro­ jets entwickeln, stellte ich den größten Scheck aus, den ich jemals unterschrieben habe. Dem CEO erklärte ich: „Das Herz sagt Ja, der Verstand Nein.“ Jeder aus der Branche hat mir abgeraten: „Frank, mach das nicht, das ist Blödsinn!“ Aber die vier Gründer sind technisch so brillant, gegen die bin ich dumm und langsam. Letztlich ist es einfach: Du brauchst gute Typen. Ich ­investiere in Typen und nicht in Geschäftsmodelle. Wie oft muss man selbst ­danebenliegen, um zu diesen Erkenntnissen zu kommen? Fast alle Fehler, die wir hier besprochen haben, beging ich selbst schon. Als Gründer machte ich dumme, tiefgreifende und vor allem viele Fehler. Ich war zu voreilig, habe nicht auf die Finanzen geachtet und das Team falsch aufgebaut. Ich bin in Insolvenzen geraten, habe zu lange zu große Produkte gebaut, ohne mich dafür zu interessieren, ob die jemand haben will. Das sind natürlich Erfahrungen, die ich weitergeben möchte. Ich sage immer: „Ich habe für euch geblutet, und jetzt gucke ich, dass ihr schwitzt.“

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HÄRTETEST: Die Firma DOK-ING baut Maschinen für Rettungs­ einsätze. Hier der  Lösch­roboter MVF-5 beim Test in Kroatien.

RETTER IN


Vor 25 Jahren hatte ein verschrobener Bastler in Südosteuropa eine Idee, an die niemand glaubte. Außer er selbst. Bis heute ­haben Vjekoslav Majetićs Riesenroboter 44 Millionen Quadratmeter Minenfelder entschärft – und hunderte Menschenleben gerettet. Eine Geschichte über ­Sturheit und Respekt.

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TEXT: ANDREAS ROTTENSCHLAGER // FOTOS: GREGOR KUNTSCHER

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LÖSCHTALENT: Der MVF-5 bekämpft Brände wahlweise mit Wasser oder Löschschaum. Der Steuermann steht währenddessen in sicherer Entfernung (li.).

„ICH SAH VIELE MENSCHEN STERBEN. DAS WOLLTE ICH ÄNDERN.“ 72

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KONTROLLE: mobiler Kommando­ stand in der Fahrer­ kabine eines DOK‑ING-Begleit­ fahrzeugs. Unten: Mit dem „Gripper“, seiner Greifzange, hebt der MVF-5 bis zu zwei Tonnen schwere Lasten (wie diesen Opel Astra).


D

rei Minuten bevor die Sprengladung ­detoniert, prüft Pyrotechniker Nikola Maltar ein letztes Mal die beiden Enden der ­Kontaktdrähte, die er zwischen Dau­ men und Zeigefinger seiner linken und rechten Hand hält. Maltar, 33, buschiges Haar, schwarzer Vollbart, kauert hinter einer Mauer aus Betonziegeln. Die beiden Drähte, an denen er entlangblickt, führen quer über einen asphaltierten Kasernen­ hof in das zerbeulte Wrack eines Opel ­Astra und enden in einer Sprengkapsel auf dem Fahrersitz. Auf der Kapsel liegt ein Plastiksack, in dem ein Gemisch aus Öl und Benzin schwappt. Maltars Auftrag lautet, ein Flammen­ inferno für einen der modernsten Lösch­ roboter der Welt zu entfachen. Sobald er die Drahtenden aneinanderreibt, fliegt hier alles in die Luft.

Waldbrände oder Landminenräumung. Das Motto von DOK-ING: „Don’t send a man to do a machine’s job.“ Auf dem Kasernenhof führen die Inge­ nieure heute ihre jüngste Erfindung vor: das Emergency Response Robotic System MVF-5 – einen panzergroßen Roboter mit Löschanlage, HD-Kamera und einem Ge­ häuse aus explosionssicherem Stahl. Der MVF-5 soll Feuerwehrmännern den Weg zum Brandherd freiräumen, Live-Bilder aus brennenden Gebäuden senden und – das ist das Besondere – dank seinem Tank kleinere Feuer selbst löschen. Das Wrack des Opel ist Teil des ersten Testszenarios: Ein brennendes Auto ver­ sperrt den Ersthelfern den Weg. Hinter der Betonziegelmauer reibt ­Pyrotechniker Maltar seine Drähte anein­ ander: Bummm! – aus dem Opel schießt ein Feuerpilz. Noch in hundert Meter Ent­ fernung spürt man die Hitzewelle im Ge­ sicht. Das Wrack steht jetzt in Flammen. Mit rasselnden Ketten rollt der MVF-5-­ Roboter auf den Kasernenhof. Der Lösch­ arm auf dem Dach fährt aus und spritzt Schaum ins Wageninnere. Der Roboter bewegt sich wie von Geisterhand, rattert vor, zurück und sucht sich immer wieder die besten Angriffswinkel. Die Geisterhand heißt Davorin Horvat, 32, der Roboter-Controller. Er steht zwei­ hundert Meter von der Explosionsstelle entfernt, beugt sich über seine Funkfern­ steuerung und wirkt entspannt, als würde er bloß E-Mails auf seinem Smartphone checken. Das Inferno löscht er, indem er

Es ist ein heißer April-Nachmittag auf dem Testgelände der Maschinenbaufirma DOK‑ING nördlich von Zagreb. Zwei alte Armeebaracken mitten im Laubwald, ­dazwischen der Kasernenhof. Früher war hier eine Raketen­abschussbasis der jugo­ slawischen Armee. Heute testen DOK‑INGIngenieure, wie Maschinen Menschen bei riskanten Rettungs­aktionen helfen können. DOK-ING ist ein weltweit führender Entwickler von ferngesteuerten Einsatz­ robotern, die Explosionen und extreme Temperaturen überstehen. Ihre Spezialität sind Einsätze, bei denen Ersthelfer an ihre Grenzen stoßen, wie Chemieunfälle,

FEST IM GRIFF: Mit seiner „Gripper“-Zange kann der Roboter Fässer bergen oder brennende Objekte tragen.

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mit beiden Daumen kleine Joysticks bedient. Danach steht bereits der nächste Test an. Der Roboter soll Giftmüllfässer aus einer brennenden Fabrik bergen. ­Pyrotechniker Maltar schleppt einen neuen Sack Sprengmittel heran. Im Kasernenhof riecht es nach Löschschaum. Autos zur Explosion bringen, mit Riesenrobotern die Flammen löschen: Wie kommt man auf so eine Geschäftsidee? Wer die Geschichte der Roboter-Retter verstehen will, muss mit Vjekoslav Majetić sprechen. Über den Maschinen-Erfinder und DOK-ING-Gründer kursieren zahl­ reiche Anekdoten: „Er zeichnet technische Skizzen auf Papiertaschentücher“, erzählen seine Kollegen. „Er arbeitet lieber mit dem Schweißgerät, als Meetings zu besuchen.“ Ihr Chef sei ein „Menschenfänger“ und ein „Humanist“. Oft fällt das Wort „Träumer“. Majetić, 63, empfängt uns in seiner Fertigungshalle im Südosten der Hauptstadt Zagreb – ein kleiner Mann mit schnee­weißem Schnauzbart und dem Händedruck eines Dockarbeiters. „Die erste Regel für Erfinder“, sagt Majetić, während er die Produktionsstraße abschreitet: „Geh mit offenen Augen durch die Welt, egal in welchem Job du arbeitest. Innovativ sein heißt, nach Pro­blemen zu suchen.“ In Majetićs Fall war seine Welt das Nachkriegs-Kroatien Mitte der 1990erJahre. Das Problem waren Landminen, die ein Gebiet von 13.000 Quadratkilo­metern zur Todeszone machten. Die Minenräumer stapften oft nur mit Metalldetektoren durch das Unterholz. „Ich habe viele sterben sehen“, sagt Majetić. „Es gab keine sicheren Geräte.“ Nachdem er Jahre bereits zuvor die ersten Skizzen gezeichnet hatte, schloss sich Majetić im Sommer 1993 in ­seiner Garage ein und begann zu arbeiten. „Die Leute hielten mich für verrückt. Weil ich keine Vorlagen hatte, keine ­Ahnung, wie man ein Produkt entwickelt. Und keine Investoren.“ Aber Majetić, ein gelernter Ingenieur, hatte einen Plan.

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WERTE , DIE GRÜNDER ERFOLGREICH MACHEN: STURHEIT UND RESPEKT. Der erste Prototyp seiner Maschine sah aus wie eine Mischung aus Rasen­ mäher und Mini-Mähdrescher. Eine mit Eisenklöppeln bestückte Walze grub die Erde um und löste die Zünder der Minen aus. Ein Metallschild dahinter fing die Deto­nation ab. Und – das war die wichtigste Neuerung – die Maschine war ferngesteuert. „Sie sollte den Menschen komplett aus der Gefahrenzone nehmen.“ Doch Majetić fand kaum Geldgeber. Ein völlig unbekannter Bastler aus Südosteuropa? Der mit selbst geschweißten Maschinen Minen sprengt? „Mit Selbstvertrauen und Sturheit“, sagt Majetić, wenn man ihn fragt, wie man eine scheinbar verrückte Idee durchzieht. „Ich habe immer jede meiner Erfindungen fertig gebaut, auch wenn sie kaum Aussicht auf Erfolg hatte.“ An wenig erfolgversprechenden Projekten weiterarbeiten sei ein Erfolgs­ modell? Was soll das Gründern bringen?

DIE MENSCHEN HINTER DOK‑ING: Firmengründer Vjekoslav Majetić (oben) zeichnet die Prototypen, ­P yrotechniker Nikola Maltar (Mitte) legt Feuer für die Ein‑ satztrainings, Steuermann Davorin Horvat lehrt Kunden das Handling der Maschine.

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„Zwei wichtige Dinge“, sagt Majetić. „Respekt bei potenziellen Partnern, weil sie merken, dass du von deinem Produkt zu hundert Prozent überzeugt bist. Und ­Erfahrung in der Entwicklung.“ Seinen ersten Minen­roboter brachte Majetić schließlich 1997 auf den Markt. Schritt für Schritt, nach mehreren Klein­ investments. Heute exportiert DOK-ING in 30 Länder. Majetićs Maschinen haben 44 Millionen Quadratmeter Minenfelder auf der ganzen Welt entschärft. Woran Majetić gedacht hat, als alle sagten, er würde scheitern? „Dass auch die beste Idee, wenn sie nicht realisiert wird, nichts wert ist. Auch ein Feuer­roboter mit integriertem Tank war zuerst nur eine Idee. Wir haben an sie geglaubt.“ Majetić muss jetzt weiter. Maschinenteile abholen. Zurück auf dem Übungsplatz nördlich von Zagreb: Die Ingenieure sind bereit, das zweite Testszenario des Tages für den DOK-ING-Löschroboter zu starten: „Eine Explosion in einer Chemiefabrik. Die Einsatzkräfte können nicht ins Innere der F ­ abrik vordringen. Der MVF-5 soll

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FUNKVERBINDUNG: Steuermodul des Einsatz­ roboters MVF-5. Das Hand­ ling ist dem Controller einer Sony PlayStation nach­ empfunden. Unten: In ihrem Werk in Zagreb bauen die DOK-ING-Ingenieure Löschroboter und schwere Minenräumer wie den MV-10 (links im Bild).

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FEUER FREI! Nach­gestellte Explosion in einer „Chemiefabrik“. Der MVF-5 fährt ­direkt in den Flammenherd und funkt Messdaten an die Rettungskräfte.

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GEPANZERTER HELFER

5 Die Idee: einen ferngesteuerten Roboter bauen, der Ersthelfer bei gefährlichen Einsätzen unterstützt. ­ er MVF-5 wagt sich bei Explosionen, Waldbränden oder Chemieunfällen als Erster an die Unfallstelle. D 1 DER LÖSCH-ARM Mit der ausklappbaren Löscheinrichtung auf seinem Dach kann der MVF-5 kleinere Feuer bekämpfen. Die Düse spritzt bis zu 50 Meter weit und speist sich aus einem integrierten Tank, der 2500 Liter Wasser oder 500 Liter Löschschaum fasst.

2 DIE EXTRAS Abhängig von der ­Rettungseinheit, die der MVF-5-Roboter ­unterstützt, wird er mit verschiedenen Gasoder Chemikalien-Detektoren ausgeliefert, die Daten auf den ­Controller oder in die mobile Kommando­ zentrale funken.

3 DER KÖRPER Für extreme Belastungen gebaut: Die Außenwand des Roboters ­besteht aus schwedischem Hardox-Stahl, der Gewehrkugeln und, für kurze Zeit, Temperaturen von bis zu 1500 Grad standhält. Mit leeren Tanks wiegt der MVF-5 13 Tonnen.

4 DER SCHUTZ Zwei Sprinkler, die in den Stahlpanzer des Roboters einge­lassen sind, kühlen die Au­ ßen­haut während der Löscharbeiten oder ­löschen kleinere Feuer auf der Maschine, die zum Beispiel durch brennende Wrackteile entstehen.

5 DAS WERKZEUG Mit dem „Gripper“, ­einer per Fernsteuerung aktivierbaren Greif­ zange, räumt der MVF-5 auch massive Hindernisse aus dem Weg. Dank einer Stoßkraft von zehn Tonnen kann die Zange sogar die Ziegel­mauern von Häusern durchstoßen.

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6 DAS AUGE Bis zu neun Video- und Wärmebildkameras auf dem Rotationskopf (vorn), der Löschdüse und der Außenwand ­liefern dem Controller (der in bis zu 1500 Meter Entfernung steuern kann) Live-Daten von der Unfallstelle oder vom Brandherd.

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PLÖTZLICH SIND ALLE STILL: DER ROBOTER BRENNT. Fässer mit giftigem Industriemüll abtrans­ portieren.“ Die Sprengladung geht dieses Mal ­direkt vor dem Roboter hoch. Ein gewal­ tiger Feuerball wälzt sich himmelwärts. Pyro­techniker Maltar hat etwas zu viel Benzin erwischt. Der Roboter rollt trotz­ dem weiter. Controller Horvat steuert ihn in eine Baracke, welche die brennende Fa­ brik darstellt, und hebt die Spritzanlage. Aber irgendetwas stimmt nicht. Der Feuerlöschroboter … brennt. An der Außenwand des MVF-5 schlagen Flammen empor. Ein mit Benzin und Öl getränkter Fetzen des Sacks, in dem sich der Sprengstoff befand, klebt auf dem ­Roboter und hat sich entzündet. Für einen Moment starren alle auf die brennende Maschine. „So what?“, sagt Horvat, der Maschi­ nenführer, und drückt einen Knopf auf seinem Controller. Zwei kleine Sprinkler heben sich aus dem Dach des MVF-5. Wasser regnet aus ihren rotierenden Köpfen. Der Roboter löscht sich selbst. Dann packt der MVF-5 die „Giftmülltonne“ und rollt davon. „Eine Idee, die nicht realisiert wird, ist nichts wert“, hat Firmengründer Majetić in seiner Fabrik gesagt. Aufgrund seiner Entschlossenheit steht der MVF-5 heute bei Ersthelfern in Kroation, Russland, ­Malaysia und Serbien bereit zum Einsatz. dok-ing.hr  81


2 .   DI E FR EIGAB E Ein Netzwerk aus Rechnern – genannt: Nodes – prüft die Transaktion und gibt sie frei (vgl. S. 85).

1 . D ER STA R T

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Auf seinem Rechner startet der Nutzer eine Transaktion, das kann eine Überweisung sein, ein Vertragsabschluss oder eine Nachricht.

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3 .  D ER BLO CK Die Transaktion wird mit weiteren Transaktionen in einem digitalen Block gebündelt (S. 85).

4 .  DI E CH AI N Der Block wird mit ­bereits vorhandenen Blöcken verknüpft und ist nun Teil der Blockchain (S. 86).

5. FER TI G ! Das Geld fließt, der Vertrag gilt, die Nachricht wird übermittelt. Vom Prozess dazwischen hat der Nutzer nichts mit mitbekommen.

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Alle reden davon, kaum einer versteht sie: Deshalb haben wir uns die Blockchain-Techno­ logie von Deutschlands führender Expertin ­e rklären lassen. Spoiler: Es geht um Geld- und Weltpolitik. Und die ­N achrichten in deiner WhatsApp-Gruppe. T E X T: M I C H A E L M O O R S T E D T

BOCK AUF BLOCK  83


Wer sich eine etwas ­k ompetentere Einführung in das Thema wünscht, ist bei Jutta Steiner ­r ichtig. Die promovierte Mathematikerin ist Mitgründerin und Chief ­O perating Officer des Londoner BlockchainEntwicklers Parity ­Technologies und kennt Antworten auf die spannendsten Blockchain-Fragen: Schafft die Technologie ein neues Währungs­ system? Kann sie den Hunger auf der Welt bekämpfen? Und wer bestimmt in Zukunft über meine Daten?

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the red bulletin innovator: Frau Steiner, wie erkläre ich einem Freund, der sich nicht auskennt, das Prinzip Blockchain? jutta steiner: Blockchain ist ein Proto­ koll, um Dienstleistungen im Internet transparenter ablaufen zu lassen. Wir ver­ lassen uns zwar darauf, dass die Anbieter verantwortungsvoll mit unseren Daten umgehen, überprüfen können wir das allerdings nicht. Blockchain gibt den Nut­ zern mehr Kontrolle. Technisch ge­sehen wird dabei jeder Datenaustausch in einem „Block“ registriert. Wenn ein Block „voll“ ist, kommen die folgenden Trans­aktionen in den nächsten Block. Und j­ eder Block verweist auf den vorherigen. Gut. Aber was ist der praktische Nutzen? Die bekannteste Anwendung der Block­ chain-Technologie sind Bitcoins – eine Plattform, auf der Geld hin und her geschickt wird. Dabei kann jeder über­ prüfen, ob das Geld auch ankommt. Nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Wer hat Blockchain erfunden? Ursprung der Idee ist ein Code, der 2008 unter dem Pseudonym „Satoshi Naka­ moto“ veröffentlicht wurde, aber welche Person oder Gruppe dahintersteckt, weiß niemand. Dabei handelt es sich um Konzepte, die bis dahin unabhängig von­ einander benutzt worden sind, zum Bei­ spiel Kryptographie und Spieltheorie. Die Erfindung bedingungslos transparenter Geldflüsse, wie die Blockchain sie ermög­ licht, war auch eine Reaktion auf den ­Vertrauensbruch, den die Menschen in der Finanzkrise 2008 verspürt haben.

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Die bisher kürzeste Erklärung der Block­ chain-Technologie ­l ieferte der britische Komiker John Oliver in seiner Show „Last Week Tonight“ auf dem US-Bezahlsender HBO. Blockchain, so Oliver, sei „alles, was Sie an Computern nicht ver­ stehen, kombiniert mit allem, was Sie an Geld nicht verstehen“.


DAS RECH N EN

D IE EN ERG IE

Nach der Freigabe durch die Nodes (S. 82) prüfen Prozessoren („Miner“) die Trans­ aktionen und bündeln sie zu Blöcken. Dazu lösen sie eine Rechenaufgabe, die sich aus den Daten der Transaktionen generiert. Der am schnellsten lösende Miner streicht eine Belohnung (z. B. Bitcoins) ein. Diese spornt zum Mitmachen an – je mehr Teilnehmer, desto stabiler das Netzwerk.

Je größer die Rechenleistung der Miner, desto schneller lösen sie die Aufgabe. Vor diesem Hintergrund sind rund um den ­Globus gigantische Serverfarmen ent­ standen. Kombiniert verbraucht allein das Bitcoin-System mehr Strom als die gesamte Schweizer Volkswirtschaft. Mit anderen Worten: Die Blockchain verschärft das ­globale Energieproblem.

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D ER C O D E Beim Hash (s. Kasten links) handelt es sich um eine 64-stellige Abfolge von Zahlen und Buchstaben.

DER S CH UT Z Dass sich Kriminelle an der Blockchain die Zähne ausbeißen, liegt vor allem an der Verknüpfung der Blöcke. Und die funktio­ niert so: Auf Basis der in einem Block verpackten Transaktionen wird der Code – genannt: Hash – errechnet (S. 85), auf den der nächste Block automatisch verweist. Wer einen Block manipu­ liert, müsste die Hashs sämtlicher folgender Blöcke neu generieren. Das würde im Fall von Bitcoins pro Block rund zehn Minuten dauern – zu aufwändig für effekti­ ven Betrug.

D IE V ERKN Ü PFU N G Sollte jemand eine abgespei­ cherte Transaktion manipulieren und zum Beispiel die Summe einer Überweisung ändern, würden sich sofort die Hashs der Folgeblocks ändern – und so auf den Betrug hinweisen.

Twitter-Chef Jack Dorsey sagte kürzlich, Bitcoin werde in zehn ­Jahren Weltwährung sein. Haben

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Kryptowährungen tatsächlich das Potential, den Euro oder den Dollar abzulösen? Ich weiß nicht, ob der Bitcoin die zentrale Währung werden kann. Es gibt aber be­ reits Projekte, die mit Hilfe der Blockchain „programmierbare Währungen“ ent­ werfen. Also Geld, das bestimmte Eigen­ schaften besitzt, zum Beispiel eine starke Preisstabilität. Das würde die Finanzpolitik transparenter machen. Momentan spielen die Währungshüter mit Parametern wie Zinserhöhungen. Dabei ist niemand klar, ob das wirklich Wirkung zeigt. Was außer Währungen könnte noch über Blockchain angeboten werden? Wir arbeiten zum Beispiel an einer Tech­ nologie namens Secret Store, mit der sich Daten dezentraler verwalten und

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Ich kann fast überall mit PayPal oder Kreditkarte bezahlen. Warum sollten mich Bitcoin und andere Kryptowährungen überhaupt inter­ essieren? Weil sie das Modell aufbrechen, dass man einer einzigen Entität – etwa einer Bank – vertrauen muss. Statt­ dessen wird das Vertrauen auf ein Netzwerk verteilt, nämlich auf die Computer vieler Nutzer. Das System wird so widerstandsfähiger, etwa ge­ gen Hackerangriffe oder technische Fehler. Denn wenn ein Knotenpunkt ausfällt, gibt es genügend andere, die ihn ersetzen.


verarbeiten lassen. Die Blockchain hilft zu bestimmen, wer Zugang erhält. Man könnte ein dezentrales soziales Netzwerk bauen, schließlich gibt es keinen Grund, weshalb Facebook unsere Nachrichten sehen muss. In unserer Vision sind Blockchains Grundlage für ein komplett dezentrales Web. Damit dezentrale ­Anwendungen wie soziale Netzwerke oder Währungen miteinander kommunizieren können, müssen wir verschiedene Blockchain-Plattformen miteinander verbinden. Mit Polka­dot arbeiten wir an einem Multi-Chain-Protokoll, das es Blockchains ermöglicht, als einziges ­großes Netzwerk zu interagieren. Stimmt es, dass die Blockchain-Technologie die Existenz ganzer Branchen bedrohen könnte? Es geht um die gesamte Art und Weise, wie Menschen global zusammenarbeiten. Ein großes Problem ist, dass man sich einigen muss, wer die Server betreibt. Wenn etwa eine amerikanische und eine chinesische Tech-Firma kooperieren, will keiner von beiden, dass der andere Herr über alle Daten und Geschäftsgeheimnisse ist. Eine geteilte Plattform, auf der man Transaktionen durchführen kann, wäre da nützlich und sinnvoll.

PARITY TECHNOLOGIES

Ein Eintrag auf Ihrem Unternehmensblog trägt den Titel: „Den Welthunger­ mit der Blockchain bekämpfen“. Wie soll das gehen? Wir arbeiten mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen zusammen und nutzen unsere Technologie, um Hilfe an Flüchtlinge effizienter zu verteilen. In den Flüchtlingslagern bekommen die Menschen ja nicht nur einen Sack Reis, sondern auch Geld oder Gutscheine, mit denen sie Essen kaufen oder Unterricht für ihre Kinder bezahlen. Das Problem: Zu viele Leute mischen mit. Viel Geld geht verloren oder versickert einfach. Durch ein gemeinsames Protokoll ließen sich alle Geld- und Warenflüsse nachvollziehen. Ihr Unternehmen Parity Technologies arbeitet auch an einem dezentralen Web auf Basis der Blockchain-Technologie – warum brauchen wir das? Das zentralisierte Web hat ein Vertrauens­ problem. Wir müssen uns darauf ver­ lassen, dass Service-Provider mit unseren­ Daten, Kontoinformationen oder Chatnachrichten verantwortungsvoll um­ gehen. Wie die Erfahrung zeigt, hat das

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bisher nicht gut geklappt. Ein anderes Beispiel: Wir verlassen uns darauf, dass diese Services 24 Stunden pro Tag zur Verfügung stehen. Sie sind integraler Bestandteil unserer Wirtschaft. Aber was passiert, wenn eine Institution pleitegeht? Mit dezentraler Architektur wären Systeme widerstandsfähiger. Google hat das vorgemacht mit dezentraler Speicherung von Daten. Wir dezentralisieren nun die Software selbst. Wenn wir unseren Job gut machen, merken die Nutzer gar nicht, dass die Arbeit im Hintergrund dezentral abläuft. Sie hätten immer noch dieselben glitzernden Apps auf ihrem Smartphone – nur wären ihre Daten sicher. Kein System hat ausschließlich Stärken. Wo liegen die Schwächen der Blockchain-Technologie? Diese Technologie ist noch sehr jung. Ein Problem ist, dass es momentan sehr viel Energie kostet, das System am Laufen zu halten. Das globale Bitcoin-System ­verbraucht momentan Schätzungen zufolge so viel Energie wie die gesamte­ Schweiz in einem Jahr. Ein anderer ­Aspekt ist die Frage, wer in dezentralen Systemen das Sagen hat. Die Programmierer? Oder die Nutzer? Das ist eine große Herausforderung. Die meisten großen Internetfirmen sitzen in den USA. Europa hat den Zug verpasst, mit dem Internet viel Geld zu verdienen. Gilt das Gleiche auch für die Blockchain – verschläft Europa jetzt den nächsten großen Trend? Eigentlich ist es eher umgekehrt. Das Problembewusstsein rund um Datenschutz und Machtzentralisierung ist in Europa viel größer als in den USA. Gerade in Berlin gibt es enorm viele Teams auch aus dem Ausland, die hierherkommen und Bitcoin-Handelsplattformen aufbauen.

MS.  B LOCKCH A IN Jutta Steiners Karriere begann nicht eben originell: Nach dem Studium der Mathematik schloss sie sich zunächst dem Beraterheer von McKinsey an. 2014 stieß sie bei ­einer Recherche auf das Blockchain-System ­Ethereum mit der Krypto­ währung Ether und war sofort von der Idee begeistert. Sie schloss sich der Ethereum Foundation an und beschäftigte sich mit Sicherheitsfragen der Technologie. Heute arbeitet sie als Co-Gründerin von Parity Technologies mit über 40 Mitarbeitern daran, die Blockchain zur alltagstauglichen Grund­ lage unseres Daten­ verkehrs zu machen. Ihre langfristige Vision: eine Welt digitaler, ortsungebundener Regionen, die von Landesgrenzen unabhängig miteinander kollaborieren. parity.io

Welche gesellschaftlichen Probleme könnte die Blockchain in den kommenden fünf bis zehn Jahren lösen? Ich hoffe, dass wir bald nicht mehr nahezu täglich lesen müssen, dass E-Mail-Dienste oder soziale Netzwerke gehackt wurden. Und dass wir den Traum verwirklichen, der früher mal das Internet war: eine offene Plattform, die den Menschen die Freiheit gibt, ihre Ideen umzusetzen.

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GUIDE

I N N O V AT O R

TV-HIGHLIGHT

ALFRED JÜRGEN WESTERMEYER/RED BULL CONTENT POOL

DIE RETTER DER MEERE Wie drei junge Surfer mit ­einer genialen Idee die ­Ozeane von Plastikmüll ­be­freien wollen. Die Doku „Creators of Tomorrow“ und mehr Programm-Tipps auf redbull.tv – ab Seite 90

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SEE IT

WELTENSCHÖPFER

Drei Freunde, die mit Skateboards die Meere säubern, inspirierende Pioniere und Spieleentwickler, die aus virtuellen Ideen reale Innovationen machen: die ­Highlights auf Red Bull TV.

SO SIEHST DU RED BULL TV ÜBERALL

Red Bull TV ist deine globale ­digitale Destination für Entertainment abseits des Alltäg­lichen, empfangbar rund um die Uhr an jedem Ort der Welt. Geh auf ­redbull.tv, hol dir die App oder connecte dich via Smart-TV. ALLE INFOS: REDBULL.TV

ALFRED JÜRGEN WESTERMEYER/RED BULL CONTENT POOL, PIONEERS, LUCKYDAY MEDIA, TREVOR MORRIS/RED BULL CONTENT POOL

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RED BULL TV

On Demand   FESTIVAL-HIGHLIGHTS

PIONEERS ’18

Am 24. und 25. Mai trafen sich Entrepreneure, Investoren und TechnologiePioniere zur größten IT-Konferenz Europas in der Wiener Hofburg. Die Höhe­ punkte dieser zwei Tage gibt es in kompakter Doku-Form: Ausschnitte aus inspirierenden Ansprachen, informative Interviews und noch viel mehr.

On Demand

On Demand   DOKU

CREATORS OF TOMORROW

Wer glaubt, Videospiele seien reiner Zeitvertreib, wird mit dieser Dokumentation eines Besseren belehrt. Games wie „Minecraft“, „Cities: Skylines“ und „Block’hood“ vermitteln dir eine Vorstellung von der Architektur und Städte­ planung der Zukunft – wo die virtuelle Welt mit der echten verschmilzt.

DOKU

Als Surfer kennen Ben Kneppers (Bild oben), David Stover und Kevin Ahearn das Problem des Plastikmülls im Ozean nur zu gut. Ihre Lösung: Skateboards. Dafür nutzen sie mit ihrem Start-up Bureo gepresste alte Fischernetze (machen zehn Prozent der acht Millionen Tonnen jährlicher Verschmutzung aus) als Grundstoff. Begleite das Trio bei der Entwicklung von Idea­ listen zu erfolgreichen Unternehmern, die nicht nur Fischern neue Sichtweisen aufzeigen.

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GAMING THE REAL WORLD

On Demand   DOKU-SERIE

SCREENLAND

iPad-Games für Katzen, eine Renaissance der Arcade-Spielautomaten und jede Menge Virtual Reality: Hier erlebst du, wie Game-Designer und ­andere k­ reative Köpfe unseren Alltag mittels Gaming verändern. Im Bild: der ­Performance-Koch Nick Toll aus dem Künstlerkollektiv Meow Wolf.

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#IstdasnochArbeit

#Red Bull und Citrix suchen den lässigsten Arbeitsplatz der Welt


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So kannst du

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teilnehmen Welcher ist der verrückteste Ort, an dem du jemals dein Notebook oder Tablet zum ­Ar­beiten ausgepackt hast? Lade dein Bild davon hoch und gewinne Preise, die genauso irre sind wie dein Arbeitsplatz.

Lade ein Foto deines Arbeitsplatzes unter redbull.com/istdasnocharbeit hoch, und wir werden uns die Frage stellen, ob das noch Arbeit ist …

Ein Coworking-Space am Strand, ein WLAN-Hotspot in den Bergen oder ein Pferdestall mit Internet-Anschluss – Arbeit ist heute nicht mehr an einen fixen Platz gebunden. Daten in der Cloud und Calls über Videochats ermöglichen das Arbeiten an so vielen ­tollen Orten auf der Welt – und an den meisten davon ist es viel entspannter und produktiver als im Großraumbüro.

Zukunft beeinflussen, und welche Rollen spielen technische Entwicklungen wie künstliche Intelligenz oder das Internet of Things?

Die digitalen Arbeitsplätze der Zukunft stehen auch im Mittelpunkt der Konferenz „Citrix Technology Exchange 2018“ am 19. und 20. November im World Conference Center Bonn. Dort werden sich Vordenker, Experten und Pioniere grundlegenden Fragen widmen: Wie werden moderne Technologien die Arbeit der

Dein Arbeitsplatz – ist das noch Arbeit? Du hast deinen Traumarbeitsplatz schon gefunden? Dann zeig ihn der Welt! Mach ein Foto von dir und deinem spektakulärsten Arbeitsplatz und lade es ganz einfach unter dem oben genannten Link hoch. Die besten Bilder werden in Großformat im Rahmen der „Citrix Technology Exchange 2018“ ausgestellt. Zu gewinnen gibt es zusätzlich ein Cloud Service Citrix ­ShareFile für ein Jahr und zwei Tickets für die Konferenz in Bonn im Wert von jeweils rund 1.000 Euro.

Citrix Technology Exchange 2018 get ready for take off Termin: 19. und 20. 11. 2018 Ort: World Conference Center Bonn Impulsvorträge zu IT-Zukunftsthemen Keynotes mit Live-Demos Experten-Sessions zu Themen wie Apps & Desktops, Networking, Mobility, Cloud und Security Einblicke in Zukunftsprojekte von Unternehmen Ausstellung mit Technologieund Lösungsanbietern Party mit DJ, Buffet und Gaming-Area www.citrixtechnologyexchange.com

www.redbull.com/istdasnocharbeit


DO IT

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und 20. September Hiring Success Fragen der Einstellung: Auf diesem Event geht es um die Zukunft der ­Talentsuche für Unternehmen. ­Experten wie James Purvis, Head of Human Resources beim Schweizer Forschungsinstitut CERN, geben Einblick in ihre Strategien. RecruitmentStart-ups präsentieren Innovationen wie Chat-Bots für Bewerber. Glashaus Berlin; smartrecruiters.com

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und 12. Oktober Ruhr Summit Willkommen zum großen Austauschprogramm: Hier lernen sich Gründer und Investoren in eigenen Matchmaking-Ses­ sions kennen. In Pitch-Wett­ bewerben stellen FrühphasenStart-ups Geld­gebern ihre Ideen vor. Deep-Dive-Sessions tauchen ab in Themen wie VR oder Smart City. Jahrhunderthalle Bochum; summit.ruhr

Femtastics-Gründerin Anna Weilberg ist FFFD-Speakerin.

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November Digitale Leute Summit Anleitung für digitale Bau­ stellen: Über 30 CEOs und Spezialisten von Firmen wie PayPal oder Google erklären, wie sie digitale Produkte entwickeln und vermarkten. Im Detail geht es etwa um Verhaltensmuster beim Online-Shoppen oder selbstorganisierende Teams. Balloni Hall Köln; digitale-leute.de

30 9. bis 2. 10. Bits & Pretzels

ICM München; bitsandpretzels.com

August Female Future Force Day Volles Programm für Kopf und Herz verspricht der Female Future Force Day: gutes Essen, coole Musik und vor allem Talks über die Bereiche ­Impact und Personal Vision, Tech und Innovation, Entrepreneur­ship und Familie. Als Speaker dabei sind Anna Weilberg, Gründerin von Femtastics, einem Online-Magazin für Frauen, und Isabelle Sonnenfeld, Leiterin des Google News Lab. Zentrales Thema ist der Mut zum selbstverantwort­ lichen Dasein. Der 25. August könnte also durchaus ein Tag werden, der das eigene Leben verändert – egal ob man eine Frau oder ein Mann ist. Funkhaus Berlin; femalefutureforceday.com

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Bits & Pretzels-Gründer (v. li.): Andreas Bruckschlögl, Felix Haas, Bernd Strom

INNOVATOR

SEVDA ALBERS, DAN TAYLOR, DENISE STOCK/TEDX MÜNCHEN

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Ein riesiger Stammtisch für Start-ups: So versteht sich das Festival Bits & Pretzels. Dass das Event für 5000 Gründer, Unternehmer und visionäre Denker ­(Tarana Burke von #MeToo, GründerStar Marc Samwer) gerade zur Zeit des Oktoberfestes stattfindet, ist kein Zufall – schließlich spricht das Wiesn-Feeling bereits aus dem Eventnamen. Am letzten Tag wird in einem Zelt gemeinsam die eine oder andere Maß gestemmt und „liquid networking“ betrieben.


S A V E T H E D AT E

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November TEDx München

Welche Werte vereinen uns als Gesellschaft? Wie steht es um die Liebe in einer durchdigitalisierten Welt? Bei TEDx München werden drängende Fragen unserer Zeit g­ estellt – und so individuell wie ­innovativ beantwortet. Zu den Speakern zählen Robotics-­ Expertin Aimee van Wynsberghe und ­Menschenrechtler Markus Beeko. Kammerspiele München (13 – 18.30 Uhr); tedxmuenchen.de 2017 sprach zum Beispiel Forscher Thomas ­Scheibel über künstliche Spinnenseide als neues Hightech-Material.

Weitere TEDX Events:

Dresden 26. 8. Düsseldorf 14. 9. Heidelberg 13. 12.


READ IT

WIR NENNEN ES BÜRO Ja, unser Wecker wird ver­ mutlich auch im Jahr 2030 noch zu früh klingeln. Und vermutlich gehen wir dann zu einer Art von Arbeit. Aber wie wird es im Büro der Zukunft aussehen? Raphael Gielgen, Trend­ scout der Möbelmarke Vitra, wagt einen Ausblick.

Raphael Gielgen Wie könnten Megatrends wie die Digitalisierung unsere Büros verändern? Auf diese Frage sucht Raphael Gielgen Ant­ worten. Bis zu 200 Tage im Jahr reist der Trend­ scout und Head of Research der Schweizer Möbelmarke Vitra um die Welt, um neue Ent­ wicklungen aufzuspüren.

D

as Büro im Jahr 2030 wird mit dem Büro, wie wir es heute kennen, nicht mehr viel zu tun haben. Das ­betrifft sowohl die Büros großer Unternehmen als auch jene kleiner Start-ups, die sich zu Arbeitskollektiven zusammenschließen werden. So oder so: Büros werden sich zu einem vielfältigen und dynamischen Lebensraum für die Gemeinschaft ent­ wickeln, ähnlich wie ein Stadtviertel. Mit­ arbeitern, Partnern und Freelancern steht hier alles zur Verfügung, was einen vita­ len urbanen Raum ausmacht. Das fängt bei Serviceflächen an (Kleiderreinigung, Friseur, Fahrradwerkstatt) und hört bei Erlebnisflächen auf (Bar, Restaurant, ­Musikbühne). Grundsätzlich sprechen uns die zukünftigen Orte der Arbeit auf zwei Ebenen an: erstens durch Con­ venience, also Komfort, und zweitens durch Experience, also Erlebnisse.

Damit uns dieser „Erlebnisraum Arbeitsplatz“ emotional anspricht, braucht das Büro der Zukunft etwas, das uns auf ­einer archaischen, naturnahen Ebene mitein­ander verbindet, wenn wir bei­ spielsweise gemeinsam am großen Tisch

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in der modernen Büroküche sitzen oder auf dem Rooftop an der Reling und dabei den Blick am Horizont verweilen lassen. Die Gestaltung solche Erlebnisräume folgt dann den Ansätzen des Biophilic Design. Hintergrund: Menschen haben eine an­ geborene Liebe zum Lebendigen. Erst von natürlichen Mustern und naturnahen ­Materialien, Sonnenlicht und Vegetation umgeben fühlen sie sich richtig wohl. Bio­ philic Design folgt diesen Bedürfnissen.

Neben dieser neuen Natürlichkeit gibt es aber auch starke virtuelle Erlebnisse:

Kollaboration, Interaktion und Präsenta­ tion werden vor allem virtuell erfolgen, zum Beispiel mit Mitarbeitern aus aller Welt, die als Hologramme im Konferenz­ raum anwesend sein werden. Die Räume selbst sind intelligent und basieren auf Cognitive Computing. Das bedeutet, sie werden eine vierte Dimension durch Pro­ jektionen und Lichtstimmungen erhalten. Diese vierte Raumdimension wird sich nach gewählten Parametern einer oder mehrerer Benutzer automatisch selbst ge­ stalten. Man kann es fast mit den Szenen­ bildern eines Films vergleichen.

Auf die Ermöglichung zweier an sich entgegengesetzter Arbeitsformen wer­

den Firmenchefs besonders achten: das aktive, gemeinschaftliche Arbeiten einer­ seits und das kontemplative, reflektive ­Arbeiten andererseits. Deshalb wird es ­eigene Zonen geben, in die man sich vor­ übergehend zurückzuziehen kann. Im Prinzip funktionieren diese Orte wie eine Tarnkappe, unter der einen niemand ­sehen kann. Das könnte eine Höhle sein, das können klosterhafte Kammern sein, das könnten aber auch Wohlfühlräum­ lichkeiten im Stile eines Spa sein. Es spielt dabei keine Rolle, ob man allein denken, arbeiten oder die Seele baumeln lassen will. Der Antipode zu diesem Ruhepol ist das Center of Gravity, in dem alles statt­ findet, was kommunikatives Gruppen­ arbeiten betrifft, Meetings, Talks, Teil­ habe, kurz: Großraumbüro-Stimmung. Hier wuselt und wimmelt es. Das ist fast zu vergleichen mit Luc Bessons ScienceFiction-Film „Das fünfte Element“ oder dem Marktplatz von Marrakesch.

Wird der Schreibtisch verschwinden?

Im Grunde ist diese Arbeitsfläche eine physische Manifestation der eigenen Per­

INNOVATOR


KOLUMNE

ARBEITSRÄUME WERDEN SICH ZU DYNAMISCHEN LEBENSR ÄUMEN ENTWICKELN – ÄHNLICH WIE STADTVIERTEL.

IMPRESSUM

Chefredakteur Alexander Macheck Stv. Chefredakteur Arek Piatek Art Director Kasimir Reimann Photo Director Eva Kerschbaum Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Redakteure Alexander Lisetz, Waltraud Hable, Holger Potye, Andreas Rottenschlager, Simon Schreyer, Wolfgang Wieser Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz, Michael Nolan, Ute Schindler, Esther Straganz, Antonia Uhlig

THE RED BULLETIN INNOVATOR Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion David Mayer Country Project Management Natascha Djodat Anzeigenverkauf Martin Olesch, martin.olesch@de.redbulletin.com

Illustrationen Johannes Lang

sönlichkeit im gemeinschaftlichen Raum der Arbeit, in dem jedem alles zur Ver­ fügung steht. Ich vergleiche das gern mit einer Wohngemeinschaft, in der man gern alles teilt, aber das Zimmer, in dem das Bett steht, das ist einem heilig.

Fotoredaktion Marion Batty, Ellen Haas

Dieses Stück Intimität hat eine große Bedeutung für die Menschen, und es hat

Head of Publishing Development und Product Management Stefan Ebner

natürlich schon lange seine Entsprechung in der digitalen Sphäre, und zwar im Desktop, also wörtlich dem Schreibtisch auf unserem Rechner. Der physische Schreibtisch jedoch hat eine ganz andere Qualität als der virtuelle: Da stehen phy­ sische Artefakte und Bilder drauf, die eine ganz andere Kraft haben, die mich an meine Lieben, meine Weggefährten oder Vorfahren erinnern, mit denen ich etwas geteilt habe, zu denen eine emotionale Verbindung besteht. Diese Objekte auf dem Schreibtisch sind Fenster in eine ­andere Zeit – im persönlichen wie im zeit­ geschichtlichen Sinn. Sie geben uns Zu­ gang zu etwas Speziellem. Sie gewähren uns die Möglichkeit, Situationen aus ­einer größeren Lebensspanne heraus zu betrachten und nicht nur im Augenblick. Man nennt das „Erfahrung“. Und je mehr du erfahren hast, umso besser kannst du über Dinge reflektieren. Diese Art der ­Erfahrung kann der Computer-Desktop bislang nicht verkörpern. Aber wer weiß: Möglicherweise gibt es in Zukunft einen Stift oder ein anderes Objekt auf dem ­virtuellen Desktop, das der Benutzer mit Erinnerungen aufladen kann.

Mein Resümee: Der Schreibtisch, der

wird bleiben. Oder anders gesagt: Die Idee des Schreibtisches, die wird bleiben.

Global Project Management Melissa Stutz Global Head of Media Sales Gerhard Riedler Head of Media Sales International Peter Strutz

Country Management und Marketing Sara Varming (Ltg.), Magdalena Bonecker, Julia Gerber, Kristina Hummel Head of Creative Markus Kietreiber Commercial Design Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch, Simone Fischer, Martina Maier Creative Solutions Eva Locker (Ltg.), Verena Schörkhuber, Edith Zöchling-Marchart Anzeigendisposition Andrea Tamás-Loprais Produktion Wolfgang Stecher (Ltg.), Walter O. Sádaba, Friedrich Indich Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailovic, Maximilian Kment, Josef Mühlbacher Herstellung Veronika Felder Office Management Yvonne Tremmel IT Systems Engineer Michael Thaler

THE RED BULLETIN INNOVATOR Österreich, ISSN 1995-8838 Länderredaktion Christian Eberle-Abasolo Country Project Management Magdalena Bonecker, Kristina Hummel Leitung Media Sales Alfred Vrej Minassian Sales Promotion & Project Management Stefanie Krallinger Digital Sales Bernhard Schmied Media Sales Franz Fellner, Thomas Hutterer anzeigen@at.redbulletin.com Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz Informationen zum Medieninhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Web-Adresse auffindbar: www.redbulletin.at/impressum Redaktionsadresse Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800  Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com

Abo und Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser ­( Vertrieb), Yoldaş Yarar (Abo) General Manager und Publisher Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Web www.redbulletin.com Medieninhaber, Verlag und Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700

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INNOVATOR

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TECH-HIGHLIGHT

„Flying Fox“ und sein natürliches Vorbild: Die Robo-Flügel sind ein 1:1-Replikat echter Flughundflügel.

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INNOVATOR

AREK PIATEK

Flederhaut aus dünnstem Elastan, eine Flügelspannweite von fast monströsen 2,28 Metern: Der Robo-Flughund „Flying Fox“ ist das jüngste Produkt der deutschen Company Festo, die High-End-Roboter entwickelt – und sich dabei am Vorbild der Natur orientiert. Festos 3D-gedrucktes 0,6-Kilo-Fledertier kann nicht nur autonom vorgegebene Flugbahnen abfliegen – es kann sogar in der Luft lernen. Wie? Eine Bodenkamera (mit Rechner) verfolgt den Robo stets, der Rechner analysiert seine Flugbahn und schickt, ähnlich wie ein Fluglotse, Kurskorrekturen an ihn zurück. So fliegt dieser seine Bahnen immer präziser und ökonomischer ab. Übrigens geschieht all dies ohne menschliches Zutun.

CRAIG DINGLE

DIESER FLUG-ROBOTER HAT ÜBER 2 METER SPANNWEITE

3D-Druck-Vampir


RED BULL MUSIC FESTIVAL 08.09.–12.10.2018 BERLIN

#REDBULLMUSIC #RBMA20

INFO & TICKETS REDBULLMUSIC.COM



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