The Red Bulletin AT 03/24

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TRAU ICH! D M ov i e , Po p Österr & Taekwon eic hs do – Valerie Net flix-Sta r Hub M U n d w u t zu m L e b e r m a c h t irklich e a l l es, w ns p r i nzi p. a s sie will.

L I LO U R U EL / TO N IO SC HACH I N G ER / K YL I E M I N OG U E / LU CAS B RA AT H EN / T H E WO L FER


Gebaut für die Zukunft. Der vollelektrische Kia EV9.

Ein Auto mit bahnbrechendem Design zu bauen, ist eine Sache. Aber ein Auto zu bauen, das die neueste Technologie nutzt und gleichzeitig für die Zukunft gerüstet ist, erfordert visionäres Denken. Das ist der vollelektrische Kia EV9. Er wurde entworfen, um Grenzen zu überwinden und dich mühelos in neue Sphären zu transportieren - immer mit der Zukunft im Blick. Dabei inspiriert er dich entlang des Weges und ist die treibende Kraft des Wandels. CO2-Emission: 0 g/km, Verbrauch: 22,8-20,2 kWh/100km, Reichweite: bis zu 563km1) Symbolfoto. Druckfehler, Irrtümer und Änderungen vorbehalten. Geräuschpegeldaten nach vorgeschriebenen Messverfahren gemäß der Verordnung (EU) Nr. 540/2014 und Regelung Nr. 51.03 UN/ECE [2018/798] ermittelt: Kia EV9 Fahrgeräusch dB(A) 68.0-67.0 / Nahfeldpegel dB(A) /min-1 0. 1) 0 g/km setzt Nutzung von Strom aus 100% regenerativen Quellen voraus. Angeführte CO2-Emission und kWh/100km gemessen laut WLTP-Testzyklus. Bitte beachte, dass Ladeleistung von Faktoren wie z. B. Außentemperatur sowie Ladezustand und Temperatur der Batterie abhängt. Angegebene Zeiten beziehen sich auf Optimalbedingungen (Ladezustand 10-80%, HV Batterietemperatur 25-29°C) unter Ausschluss zusätzlicher Nebenverbraucher (z. B. Sitzheizung, Klimaanlage). Verbrauchswerte sind WLTP-Idealwerte, tats. Verbrauch hängt von Fahrprofil, Umgebungstemperatur und Fahrbahnbedingungen ab.


E D ITO R I A L

Contributors

KATHARINA DOMITER Die Journalistin und Bloggerin („Hunga, miad & koid“) pendelt – mit Kernöl und Speck im Gepäck – zwischen der Steiermark und Wien. Sie schreibt seit 20 Jahren und mag Gespräche mit Menschen, „die dich inspirieren, an den eigenen Vorhaben dranzubleiben“. Apropos dranbleiben: Ihren Text über Sängerin Panah findet ihr auf Seite 20.

TRISTAN KENNEDY „Der Lago Maggiore ist ein toller Ort, an dem viel altes italienisches Geld ansässig ist“, sagt der in Großbritannien geborene und in den Dolomiten lebende Autor – und bezieht sich auf das Heimatgewässer der Elektroboot-Serie E1, in das er für unser Action-­ Feature eintauchte – ins Kiel­ wasser der fliegenden B ­ oote. Ahoi ab Seite 60.

IMMER IM MUT- MODUS Ihr Name ist Huber, Valerie Huber. Und ihre Maxime ist Mut. Keine (und keiner) in der österreichischen Film- und Serienlandschaft ist so flott unterwegs wie sie: Netflix-Star, Dokumentar-­ Filmerin, Taekwondo-Meisterin, Model, Sängerin, Autorin – wie macht die „Über-Huber“ aus jeder Chance eine Lebensrolle? Antwort ab Seite 34. Bereits auf Seite 16 betritt eine weitere wandlungsfähige Künstlerin die Bühne: Kylie Minogue, die ewige Queen des Dance-Pop, versprüht die Power der Generation Z – der sie mit ihrem Ohrwurm „Padam Padam“ Beine macht. Ihr Jungbrunnen: Wellenreiten ohne Wasser. Noch zwei Stars in mutigen Rollen: Tonio Schachinger, ­Österreichs Autor der Stunde, macht Gaming zur Hochkultur (Seite 54). Und Ski-Charismatiker Lucas Braathen, derzeit Aussteiger, verrät uns seine Style-Musts (Seite 98). Bis hierher war Alltag – ab hier ist Abenteuer!

HILDE VAN MAS (COVER)

HILDE VAN MAS Die Modefotografin, geboren in Italien, lebt in Wien und Paris und liebt es, Menschen in Szene zu setzen. Zu ihren Kunden ge­ hören „Vogue“, Hermès oder ­Dolce & Gabbana. Ziel der ehemaligen Profi-Ballerina ist es, „zu berühren“. Gelungen, wir sind ergriffen! Unsere Coverstory mit Valerie Huber hat es auch ­optisch in sich: ab Seite 34.

THE RED BULLETIN

Hilde van Mas, die ehemalige Ballerina, fotografiert – und Multitalent Valerie Huber liefert die Dramaturgie. Ein Tanz in Bildern …

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I N H A LT

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G A L L E R Y 6 Z A H L E N , B I T T E ! 12 H Y P E C H E C K 14 HEROES

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DON ESTEBAN

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Wie ein Unternehmensberater in die Europa-Elite des Cosplay aufstieg – und sich dabei selbst neu entdeckte.

PANAH

FREERUNNING

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Eine Michael-Jackson-Kassette wurde für das einstige Flüchtlings­ mädchen zum Tonträger der Hoffnung.

BREAKING

DAS DACH IHRER WELT

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Paris von oben: Wir begleiten Weltmeisterin Lilou Ruel zum Höhentraining in der Großstadt. GAMING

PICTORIAL

KICK DER KÄLTE

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Athleten below zero – diese Foto­ strecke lässt dir den Atem gefrieren.

TONIO SCHACHINGER

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Der preisgekrönte Autor taucht in seinem Roman „Echtzeitalter“ in die Welt von „Age of Empires“ ein – und wir tauchen mit.

Schauspielerin, Sportskanone, Sängerin – Valerie Huber macht aus jeder Chance die Rolle ihres Lebens.

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Legende Jonzi D und seine Londoner Breakin’ Convention: der bewegende Blick hinter die Kulissen der neuen OlympiaSportart.

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UND JETZT DU! R E I S E N 79 H Ö R E N 82 B I O H A C K I N G 84 E R L E B E N 86

COVERSTORY

TRÄUMEN? TRAUEN!

B-BOYS & BOSS

F A H R E N 88

E1 SERIES

STARK UNTER STROM Die Inside-Story zur ersten E-Rennboot-Meisterschaft – neue, elektrisierende Wasserwelt!

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FILZMAIERS ANTITHESE

94 96 S C H L U S S M I N U T E 98 IMPRESSUM

THE RED BULLETIN

GEORGE MONK, PAUL HAMPARTSOUMIAN, LITTLE SHAO

KYLIE MINOGUE Die zeitlose Dance-Pop-Ikone erobert die Generation Z. Was die perfekte Welle damit zu tun hat …


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THE RED BULLETIN

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Kitzbühel, Tirol

NINA KALTENBOECK

DER KITZ-FLIP

PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL

MTB-Profi und YouTube-Star Fabio ­Wibmer wagt sich vor dem Hahnenkammrennen mit seinem Mountainbike und 288 Spikes pro Reifen auf das blanke Eis der Streif. Der 28-jährige Tiroler startet seinen einzigartigen Ride mit einem Back­ flip vom Starthaus und beschleunigt auf maximal 107 km/h. Bis zu 36 Meter weit springt er während seiner Fahrt und bis zu 14 Meter tief. Wibmer: „Wir haben fast zwei Jahre ­darauf hingearbeitet, den Traum möglich zu machen. Jetzt hat alles geklappt.“ Und Kitz hat eine neue Legende. Den Clip und mehr ­findet ihr auf Fabios YouTube-­Kanal und auf redbull.com/fabiowibmerstreif

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THE RED BULLETIN



Riga, Lettland

SCHWARZFAHRT Volodya Voronin ist Rigas König der Nacht: Der Fotograf leuchtet das tiefe Dunkel dank ra∞niert platzierter Blitzlichter so aus, dass die Bewegung von Skate­ boarder Arturs „Mr. Boga“ Bogdanovics in eine Art Nebelschweif verwoben ist. Doch tatsächlich ist da gar kein Nebel, ­alles nur ein Lichteffekt! Und zwar einer, der den Athleten so blendet, dass er die Augen zukneifen muss. Voronin: „Egal, Arturs hat den Trick so perfekt ­gelernt, dass er ihn blind beherrscht.“ actiongrapher.com; redbullillume.com


DAVYDD CHONG VOLODYA VORONIN/RED BULL ILLUME, DANIEL GAJDA/RED BULL ILLUME

Salt Lake City, Utah, USA

LICHTBLICK

Auf einmal wird Fotograf Daniel Gajda ganz lyrisch zumute: „Als mein Kumpel Ross zu seiner zweiten Kletterrunde ansetzte, kam plötzlich die Sonne hinter den Wolken hervor und durchleuchtete die Blätter mit diesem herrlich goldenen Berglicht.“ Für echtes Gold hat’s den­ noch nicht ganz gereicht, aber ­immerhin für einen Halbfinalplatz bei Red Bull Illume. „Für mich war es der ­perfekte Moment“, sagt Gajda. Ein Klick wie ein Lichtblick, ein Foto wie ein Gedicht. gajdaphotography.com; redbullillume.com

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Hinter ihm die Sintflut. Er, das ist Surf­ profi Eimeo Czermak. Und das über­ schäumende Temperament hinter ihm? Eine der legendären Wellen von Teahupo‘o. Kennzeichen: Sie gelten als extrem kraftvoll, brechen hohl und steigen im Winter gut und gern drei Me­ter empor. Erfolgswelle, Teil 1: Der Shot brachte Fotograf Morgan Maassen einen Semifinalplatz bei Red Bull Illume. Teil 2: Hier finden die Surfbewerbe der Olympischen Spiele 2024 statt. morganmaassen.com; redbullillume.com

MORGAN MAASSEN/RED BULL ILLUME

WELLE VON WELT

DAVYDD CHONG

Teahupo‘o, Tahiti


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Z A H L E N , B IT T E !

HOLLYWOOD SPIELT SAND

Dünenplanet Arrakis zwischen Liebe, Rekorden und neuer Verwüstung: „Dune: Teil 2“, das Sequel des Sci-Fi-Blockbusters, startet in unseren Kinos.

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Teile umfasst Legos ­ Bausatz zu Paul Atraides ­libellenförmigem Helikopter, dem Royal Ornithopter.

frühere Bond-Bösewichte spielen wichtige Rollen im Sequel: Javier Bardem, Christopher Walken und Dave Bautista.

Minuten Filmmusik ­kom­ponierte Hans ­Zimmer schon vor Dreh­ beginn von „Dune: Teil 2“, um R ­ egisseur Denis Villeneuve zu inspirieren.

896

Seiten lang ist „Dune“, der 1965 erschienene ­Auftakt zur sechsbändigen Romanserie des ­US-Autors Frank Herbert.

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1

Monate dauerten die ­Dreharbeiten für die „Dune“-Fortsetzung. Der optimale Drehort für den Wüstenplanet ­Arrakis war Abu Dhabis Liwa-Oase.

MB Speicher benötigte das Strategiespiel „Dune II“ 1992 auf der Konsole. „Dune: Spice Wars“ (2022) ­benötigt 4000 MB.

1984

111.500.000

erschien die erste Kino-Adaption des „­ Dune“-Universums. Die Produktion von StarRegisseur David Lynch war finanziell ein Flop, entwickelte sich aber zum Kultfilm.

Euro kostete die Produktion von „Dune: Teil 2“ – um 39 Millionen weniger (!) als Teil 1.

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CLAUDIA MEITERT

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HANNES KROPIK

Mal war „Dune“ 2022 für ­ inen Oscar nominiert. Mit e Siegen in sechs Kategorien war die ComputerspielAdaption der erfolgreichste Film dieser Verleihung.

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Jahre alt war Zendaya, eine der Hauptdarstel­ lerinnen, als sie 2010 in der Disney-Serie „Shake It Up – Tanzen ist alles“ zum Teenie-Star wurde.

WARNER BROS. (3), GETTY IMAGES, LEGO

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10176

ist das Geburtsjahr der Hauptfigur Paul Atraides, dargestellt wie in ­­Teil 1 von dem nunmehr 28-jährigen New Yorker ­Timothée Chalamet.


BEFLÜÜÜGELT

DURCH DEN FRÜHLING. NEEZUUCKER

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H Y PE C H EC K

UND ACTION!

Die Shades der Ray-Ban Meta Collection können filmen und live auf Social Media übertragen. TikTok dreht durch – unser Tech-Checker Kirafin blickt durch: Was taugt das Teil wirklich?

estell: Scharfes G it Kamera m eln 12 Megapix

DAS TEIL

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DER CHECK

„Endlich eine Kamerabrille, deren Qualität für Social Media reicht. Die Position neben den Augen ermöglicht einzigartige Point-of-View-Bilder, die für Creator eine spannende Ergänzung sein können. Für das Paket sind 330 Euro okay. Mehr Optionen zur Individualisierung wären schön.“ Go-get-it-Faktor:

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DER HYPE

„140 Millionen Views sammelte der Hashtag ‚rayBanMeta‘ binnen weniger Wochen allein auf TikTok. Außerdem startete ein Trend, bei dem Nutzer so taten, als filmten sie mit dem Handy, tatsächlich aber mit ihrer Brille aufnahmen.“

RAY BAN/ESSILOR LUXOTTICA

Kirafin heißt bürgerlich Jonas Willbold, ist 29 und unter­hält seine 1,2 Millionen Follower auf TikTok mit Comedy-Formaten. Nebenbei folgt er seiner Faszination für Tech, Produkte und Trends. Für uns nimmt er aktuelle Hypes unter die Lupe.

„Eingebaute 12-Megapixel-Ultraweit­ winkel-­Kameras ermöglichen Aufnah­men in jeder Lebenssituation. Via Face­book oder Instagram kannst du die Bilder und Videos sogar live übertragen. Über die Bügel kannst du zudem Musik hören, telefonieren oder WhatsApp per Sprachsteuerung nutzen.“

PERFEKT FÜR ...

… gute Freunde, die kranken Buddys eine Live-Schaltung zum Konzert gönnen.

NICHT PERFEKT FÜR ...

… Fashion-Nostalgiker, deren Outfit vieles sein darf – nur nicht technisch smart.

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H E RO ES

KYLIE MINOGUE

bewegt mit ihrem Ohrwurm „Padam Padam“ nun auch die Generation Z. Aber was macht die Dance-Pop-Ikone so zeitlos? Die Vibes von Las Vegas, ihre wummernde Wohnzimmer-Disco – und Wellenreiten ganz ohne Wasser. TEXT MARCEL ANDERS

„Wenn ich mir anhöre, was meine Kollegen so sagen, sollte man auf keinen Fall länger hier bleiben, sonst verliert man den Verstand“, sagt Kylie Minogue und lacht. Mit „hier“ meint die australische Pop-Ikone Las Vegas. Und mit „nicht länger“ jene sechs Monate, für die sie die neondurchflutete Wüstenstadt zu ihrer Homebase macht: Mit ihrer Konzertreihe im MegaNightclub „Voltaire“, die bis in den Mai hineinreicht, präsentiert sich Minogue in einer Reihe legendärer musikalischer Langzeitgäste, von Elvis bis Lady Gaga. Ach ja, und neben Las Vegas ist da noch was: Ihr 16. Studioalbum, „Tension“, landete mit seinen eingängigen Electronic-Dance-Nummern auf Platz eins der bri­tischen Album-Charts. Und: Die Single-­ Auskopplung „Padam Padam“ erregte die Aufmerksamkeit der Generation TikTok, wurde zum globalen Dancefloor-Hit. Kylie, wie macht man der Generation Z Beine? the red bulletin: Deine Karriere hält schon 35 Jahre an. Fühlst du dich immer noch so motiviert wie zu Beginn? kylie minogue: Manchmal stelle ich mir diese Frage auch und denke: „So, das war’s jetzt, ich muss aufhören.“ Aber dann rollen alle in meinem Team die Augen und sagen: „Wir wissen ja ohnedies, dass du nicht aufhören wirst.“ Ich mache das alles, weil ich durstig nach Kreativität bin. Und ich liebe die Aufregung! Keine Lust, einfach ein Weingut in Südfrankreich zu kaufen und dich dort niederzulassen? Du vertreibst ja bereits eine Weinmarke … Ich bin alles andere als eine Weinkennerin, das habe ich auch im Zusammenhang mit ­„Kylie Minogue Wines“ immer gesagt. Mir schmeckt einfach guter Wein. Aber das

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FOTO ED COOKE

mit dem französischen Weingut ist schon eine meiner Fantasien. Allerdings müsste ich mir dort auch ein Tonstudio einrichten lassen, was mich endgültig zum typischen Popstar machen würde – Bono und Sting haben ja auch ihre eigenen Weingüter. „Padam Padam“ ist deine erfolg­ reichste Single seit langem. Hast du diese Resonanz erwartet? Die hat uns alle überrascht – der Erfolg insgesamt und dass „die Jugend“ so darauf abfährt. Die junge Generation ist so offen und unvoreingenommen. Als ich zwanzig war, hielt ich alle Vierzigjährigen für steinalt. Aber ich glaube, die jungen Leute erleben heute so vieles und haben gelernt, wie uncool Vorurteile sind. Die Einstellung gegenüber dem Alter muss sich ändern, finde ich. Und erfreulicherweise ändert sie sich gerade tatsächlich. Hat eine Residency in Vegas immer schon zu deinen großen Zielen gehört? Vegas ist neu für mich, eine produktive Herausforderung – für eine Künstlerin ­gewissermaßen ein Initiationsritus, und darin besteht auch der Reiz der Stadt. In meiner Show geht es aber eher um die Intimität des alten Las Vegas – also um das Gegenteil dessen, was die meisten Leute erwarten. Viele deiner Songs sind DancefloorKlassiker. Gehst du noch oft in Clubs? Ehrlich gesagt eher weniger. Meine ­krasseste Clubbing-Zeit war Mitte der Neun­ziger, als das einfach dazugehört hat. Ich verkläre diese Zeit immer mehr, weil wir da noch keine Handys hatten und nicht die ganze Zeit auf Twitter und Instagram und TikTok hingen oder wie das ­alles heißt – wir waren einfach da. Den Jüngeren geht es wahrscheinlich auf die Nerven, dass wir Älteren immer von dieser

Zeit schwärmen, aber sie war einfach ­unglaublich. In letzter Zeit passiert es mir jedenfalls immer öfter, dass ich ungeplant zu tanzen beginne. Wenn nach dem Abendessen die Musik lauter wird, schiebt man die Möbel an die Wand und hat plötzlich die beste Disco! Wie war es für dich, für die letzte Folge noch einmal zur TV-Serie „Neighbours“ zurückzukehren, die dich in den Acht­ zigerjahren bekannt machte? Es war ein sehr kurzes Vergnügen. Ich habe seit „Neighbours“ immer wieder ein bisschen geschauspielert, und es macht mir wirklich Spaß, auf dem Set zu stehen. Ein bisschen nervös bin ich zwar immer, andererseits fühle ich mich bei Film- und Fernsehdrehs einfach zu Hause, weil das in meiner Jugend zweieinhalb Jahre lang mein Alltag war. Mir gefällt, dass alle ­zusammenarbeiten müssen, als Team – deshalb bin ich wahrscheinlich nie eine „Diva“ geworden. Das Showbusiness mit seinen Kapriolen ist mir nur allzu vertraut, daher weiß ich, wie wichtig es ist, sich eine gewisse Normalität zu bewahren. Und was kommt als Nächstes? Mir kommt vor, ich reite auf einer per­ fekten Welle. Hin und wieder muss ich auch paddeln, aber es bereitet mir große Freude. Übrigens bin ich keine Surferin, aber ich war schon mal surfen – deswegen weiß ich, wie es ist, auf die nächste Welle aufzuspringen. Und genau dieser Moment ist es, den ich genieße. Kylie Minogues Album „Tension“ ist bei Darenote/BMG erschienen. kylie.com

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MEHR ÜBER KYLIE War bereits als Teeanger bekannt – als Darstellerin in der Kult-Serie „Neighbours“ Hatte schon 35 Top-Ten-Singles in Großbritannien, auf der Insel erfolgreichste Pop-Sängerin nach Madonna Vertreibt unter ihrem Namen Wein, Duftlinien und Heim­ textilien, wurde so zur Lifestyle-Ikone. Instagram @kylieminogue

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H E RO ES

DON ESTEBAN

ist im Echt-Leben Unternehmensberater. Doch was heißt hier Echt-Leben? Als einer der besten Cosplayer Europas verkörpert er Gaming-Figuren – und macht so die Virtualität real: verkleidet, um sich selbst zu finden. TEXT ISABELLA GROSSSCHOPF

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Gesang ist nichts für ungeübte Stimm­ bänder. Und so blieb dem Drummer für die Getränkebestellung danach nur ein krächzendes Flüstern. Nachgerade m ­ afiös, wie ein Bandkollege befand und der Kellnerin zuraunte: „Der Don möchte ein Bier.“ – „Esteban“ kam dann schnell dazu, weil „Don Corleone“ schon vergeben war. Das Schwert des Anstoßes „Begonnen hat alles mit einem einfachen Spielzeugschwert. Das habe ich nach und nach modifiziert.“ Endlich konnte der Don in Stefan ausleben, was früher, im Werkunterricht im steirischen Hartberg, eher nicht so gefragt war. „Da mussten wir alle das Gleiche machen. Wenn ich etwas abwandeln wollte, gab es dafür eine schlechtere Note. Das konnte schon frustrierend sein.“ Doch das Craften, also etwas mit eigenen Händen zu erschaffen, ist es, was ihn bis heute fasziniert. Also machte er sich eines schönen Tages an die Herstellung seines eigenen Lichtschwertes. Was natürlich nicht auf Anhieb geklappt hat. „Das Motto ist wie so oft im Leben: Probieren und – erst mal – scheitern.“ Doch die Cosplay-Community ist nicht vom Konkurrenzneid zerfressen, man hilft einander, wo es geht. So martialisch die große Verkleidung manchmal auch wirkt, so friedlich ist das Ansinnen dahinter. „Einerseits ist es der künstlerische Aspekt, es vom einfachen Ver­ kleiden auf ein hochprofessionelles Level zu schaffen. Und andererseits motiviert mich die Community. Wenn ich auf einer Convention Menschen treffe, die mich ein halbes Jahr später mit den Worten ‚Danke, du hast mich motiviert‘ anschreiben – dann treibt das auch mich an.“ Aber ist Cosplay auch eine klimpernde Money-Maschine? „Man kann schon Geld generieren und groß rauskommen dabei“, sagt Stefan. Etwa durch Auftragsarbeiten.

„Manche stellen auch ihre Schnittmuster oder 3D-Modelle von ausgefallenen Kos­ tümen online.“ Aber nur die wenigsten können tatsächlich davon leben. Muss Don Este­ban auch nicht. Und das, was er in der Champions League des Masken­ spiels lukriert – etwa auch als Juror bei Wettbewerben –, kommt wohltätigen Zwecken zugute. Und der ganz private Zweck? Ent­ fachen Don Estebans Lichtschwerter auch im Leben des Stefan Kuntner so etwas wie Leidenschaft? Immerhin meckert die Freundin nicht, wohl weil sie auch selbst immer wieder ein Cosspielchen wagt. „Anders würde das auch gar nicht funk­ tionieren“, sagt der Don. Support fürs schwarze Schaf Früher, bei seiner Familie in Hartberg, war das anders. „Meine Eltern konnten mit Cosplay lange Zeit gar nichts anfangen“, sagt Stefan. „Ich war ein bisschen das schwarze Schaf in der Familie, aber mitt­ lerweile unterstützen sie mich.“ Und so wird er sich auch weiterhin ­verkleiden, um sich selbst zu finden. „Mit Fasching, wie wir ihn kennen, hat das kaum etwas zu tun. Worum es mir geht, ist dieser Reiz: die Entwicklung meiner Figuren – bis sie einen ganz speziellen Spirit haben, der mich selbst zum Staunen bringt.“ Und auch die gute alte Echt-Welt staunt: Virtuelle Helden, plötzlich aus Fleisch und Blut und statt aus dem Netz frisch aus der Steiermark – wo gibt’s denn so was? Gewinne Tickets samt Anreise und Übernachtung für das Gaming-Event Red Bull For The Win am 12. 4. am Red Bull Ring! Hier geht’s zum Quiz.

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VIKTORIIA NORITAIGA/@NORITAIGA.PHOTO

In der Cosplay-Szene ist der gebürtige ­Steirer Stefan Kuntner längst ein big player. Und die Cosplay-Szene boomt: Auf TikTok bringt es der entsprechende Hashtag be­ reits auf knapp 217 Milliarden Aufrufe; auf Instagram drängeln sich 64 Millionen Beiträge zum Thema; und gut 10.000 Österreicherinnen und Österreicher sind bereits selbst als Cosplayer aktiv. Aber was genau ist überhaupt Cosplay? Karneval für Fortgeschrittene? Auch, und doch viel mehr: „Costume“ und „play“ ergeben ein aufwendiges Kostümspiel, bei dem die Teilnehmer eine Figur aus der Gaming-Welt oder dem Film-, Comic- und Anime-Kosmos darstellen. Egal ob Super­ held oder Bösewicht, Hauptsache, Auf­ tritt, Kostüm, Maske und Accessoires sind so nah wie möglich am Original. Die Rückreise von der Virtualität in die Realität ist die hohe Kunst, die in Asien ­ihren Ursprung hat. Und in der es Kuntner, heute 35, im Jahr 2018 zum Europameis­ ter brachte – als Geralt von Riva, besser bekannt als The Witcher. Kuntners Witch-Switch vorausgegan­ gen waren unzählige Stunden akribischer Handarbeit. „Ich habe alles selbst gefertigt – ohne diesbezüglich eine Ausbildung zu haben“, sagt er. Kuntner kommt eigentlich aus der Kommunikationswissenschaft und ist erfolgreicher Unternehmensberater mit Sitz in Wien. Nebenberuflich, und das ist kein Widerspruch, ist er auch Bandit: In der Cosplay-Community firmiert er ­unter „Don Esteban“. Wobei der Name eher durch Zufall ent­ stand, und das lange vor seiner Karriere als Cosplayer. „Ich habe mit achtzehn in einer Band Schlagzeug gespielt, und wir hatten einen Auftritt in Graz. Der Sänger war ­erkrankt, also sind wir abwechselnd für ihn eingesprungen.“ Nur – harter Metal-


MEHR ÜBER DON ESTEBAN Wurde mit seinem Witcher-­ Cosplay 2018 Europameister. Mag Bergsteigen und Snowboarden. Hatte ein Opossum als Haustier (gerettet aus einer Zucht). Posiert hier im Captain-America-Kostüm. Ging als Kind im Fasching als Cowboy oder Dinosaurier. Instagram @the_don_esteban

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H E RO ES

PANAH

kam als Flüchtlingsmädchen – und wurde zur erfolgreichen Sängerin. Sie teilte sich mit Stars wie 50 Cent die Bühne. Doch zunächst war da nur diese alte Kassette, die sie zum Soundtrack all ihrer Hoffnung machte. TEXT KATHARINA DOMITER

Ein alter Walkman und eine leiernde Kassette: „Thriller“ von Michael Jackson. Eine Händlerin hatte sie Panah geschenkt, dem kleinen Mädchen, das da mit seiner Familie direkt vor ihrem Geschäft übernachtet hatte. Auf der Straße. Irgendwo im Grenzland zwischen dem Irak und der Türkei. „Ich habe die Songs rauf und runter gespielt und versucht mitzusingen. Das hat mich und die anderen von dem Wahnsinn um uns herum abgelenkt“, sagt Panah heute. Damals entstand auch ihr Wunsch, irgend­wann ganz, ganz sicher Sängerin zu werden. Der Thriller, das war bislang ihr Leben als kurdisches Flüchtlingskind. Und Michael Jackson – der wurde zu ihrer inneren Stimme. 1991 kam Panah, eigentlich Panah ­Ahmed und heute 37, mit ihrer Familie nach Österreich. Seit ihrem dritten Lebensjahr ist sie als Folge eines Ärztefehlers auf den Rollstuhl angewiesen. Mit zwölf hatte sie ihren ersten Auftritt, in einem Einkaufszentrum in Linz. „Es war eine Art Mini-Playbackshow, und ich habe lauter gesungen als das Playback“, sagt Panah. Ein Manager, zufällig vor Ort, war begeistert – und verpflichtete sie für eine große Show bei den Paralympics in Australien. Lebenslust als größte Zugabe „Ein paar Monate später habe ich dort zur Eröffnung den Song ‚Together We Are Strong‘ gesungen, den ich selbst geschrieben hatte, und mir mit Stars wie Bon Jovi und Kylie Minogue die Bühne geteilt.“ Musikalisch ging damit ein erster großer Traum in Erfüllung. Und Teil eins ihres Versprechens, das sie, damals im Straßen­ staub, Michael Jackson und vor allem sich selbst gegeben hatte. Doch da kam noch eine Zugabe: „In Australien habe ich zum ersten Mal gesehen, dass behinderte

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FOTO CHRISTOPH VOY

Menschen genauso viel bewegen können wie gesunde. Das Leben will gelebt werden – von allen. Und zwar in vollen Zügen.“ Vier Jahre später, mit 16, nahm Panah wieder an einem Gesangs-Contest teil. Der Hauptpreis, den sie errang: ein eigener Gig im Vorprogramm des einzigen Österreich-Konzerts von 50 Cent. „Was für ein Gefühl, vor demselben Publikum zu singen wie einer der erfolgreichsten Rapper der Welt!“ Dennoch ging’s mit der eigenen Karriere fortan eher schleppend voran. Immerhin verdiente Panah etwas Geld mit dem Vermitteln von Beats an internationale Stars wie Jason Derulo und Nicki Minaj, zudem jobbte sie als Produzentin für deutsche Acts. Das große Ziel eines eigenen Plattenvertrags, Teil zwei ihres kindlichen Kontrakts mit sich selbst, schien aber unerreichbar. Inspiration durch Stärke Immer wieder versuchte die Wahlwienerin, sich in der Musikbranche zu etablieren. Immer wieder Absagen, immer wieder das Gefühl, nicht gut genug zu sein. „Eine Frau im Rollstuhl mit Migrationshintergrund – herausfordernder hätte ich’s mir nicht aussuchen können“, sagt sie. Und erzählt davon, was sie trotzdem bestärkte: „Es ist nicht nur die Musik. Es geht darum, Sichtbarkeit zu schaffen. In meiner Kindheit wurden Menschen im Rollstuhl in der Werbung nur dann gezeigt, wenn’s um Krankheitsthemen ging, immer mit viel Mitleid. Dass man sie als starke, in­ spirierende Persönlichkeiten porträtierte, habe ich nie erlebt – aber genau das möchte ich sein. Es ist ein aktivistischer Weg, von dem ich mich jetzt nicht mehr abbringen lasse.“ Insgesamt 23 Jahre vergingen zwischen den „Thriller“-Nächten der kleinen Panah und der Unterschrift ihres Lebens. Unter einem Plattenvertrag mit Universal Music.

„Da bin ich dann dagesessen und hab mir überlegt: Bin ich die volle Loserin, weil ich so lange dafür gebraucht habe? Oder bin ich stolz auf mich?“ So viel war passiert. So viele Momente, in denen sie an sich gezweifelt hatte und kurz vor dem Aufgeben gewesen war. „Aber ich habe immer weitergemacht, Probleme gesehen, mich aber auf die Lösungen konzentriert. Und endlich habe ich die Chance, Menschen mit ähnlichem Schicksal zu zeigen, was möglich ist. ­Niemand soll limitiert träumen müssen.“ Rock ’n’ Rollstuhl? Na klar! Und Panah hat noch viel vor: „Ich will keine Randerscheinung in der Musikbranche sein. Nicht nur kurz aufpoppen und dann wieder verschwinden. Ich will die erste richtig erfolgreiche Mainstreamsängerin sein, die im Rollstuhl sitzt.“ Sie will in der Gesellschaft etwas verändern. „Wenn ich mich frage, warum gerade ich so viel durchmachen musste, bleibt mir als Antwort: um mich für andere stark zu machen, ihnen Mut zuzusprechen.“ Auch ihre erste Single, „Keine Tränen“, widmete sie einem wichtigen Thema – es geht um sexuelle Übergriffe. „Noch so ein Tabu, das aufgebrochen werden muss. Ich möchte Menschen, denen so etwas widerfährt, eine Stimme geben“, sagt Panah. Oder eigentlich weitergeben: die Stimme, die sie als kleines Mädchen fand. Auf der Flucht. Dank eines alten Walkmans und einer leiernden Kassette. Wer für all jene laufen möchte, die es selbst nicht können, und so für die Rückenmarks­ forschung spenden will: Am 5. Mai findet der nächste Wings for Life World Run statt. Mehr Infos: wingsforlifeworldrun.com

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MEHR ÜBER PANAH Eröffnete 2000 mit ihrem Song „Together We Are Strong“ die Paralympics in Australien Liebt „Kartoffeln – die enttäuschen nie!“ Reist gerne nach New York Spricht Englisch, Deutsch, Kurdisch und versteht Persisch Lieblingsspruch „Everything I am not made me everything I am.“ (Kanye West) Instagram @panahmusic

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K-K-KICK DER KÄLTE TEXT MAXIMILIAN REICH

Und beim Abdrücken zittert der Zeigefinger! Egal, diese Fotografen sind heiß auf Frost. Und erst die Athleten vor ihren Linsen. 12 Seiten Eis, nach Art des Hauses.

STARKER ABGANG Fotograf: David Sodomka Athlet: Aniol Serrasolses Spitzbergen, Norwegen „Der Aufstieg war das Schwierigste“, sagt David Sodomka. Gemeinsam mit Kajak-Profi Aniol Serrasolses musste der Fotograf einen Gletscher erklimmen, Schnee­spalten über­ queren und einen Flaschenzug für das Boot bauen. Belohnung nach dem Sturz vom 9-Meter-Wasser­fall: die kalte Dusche. Die Action-Doku „Ice Waterfalls“ läuft aktuell auf Red Bull TV.

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RADSTAND Fotograf: Kentaro Matsuda Athlet: Tomomi Nishikubo Hokkaido, Japan Einen Schneesturm beim Shooting mit Trial-Bike-Ass Tomomi Nishikubo fänden viele Fotografen ärgerlich. Kentaro Matsuda hingegen hat’s gefreut: „Bei schönem Wetter hätte ich kein Blitz­­licht verwendet, dann hätte man die Dynamik des Schnees und des H ­ interrads nicht auf dem Bild.“

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„Fotoshooting im Schneesturm – das nenne ich Dynamik!“ KENTARO MATSUDA THE RED BULLETIN

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„Teamwork! Während der Weltmeister in der Luft war, hielt ich sie einfach nur an.“ ANDREAS VIGL

TEMPERATUR­ SPRUNG Fotograf: Andreas Vigl Athlet: Orlando Duque Wilkins-Schelfeis, Antarktis „Perfekt wird das Bild durch die Welle am ­unteren Rand“, findet Andreas Vigl. Dafür musste der Fotograf ­allerdings ins ein Grad kalte Wasser steigen. Sein Glück: Als Spezialist für Wintershootings ist er Kälte gewohnt – ganz im Gegensatz zu seinem Model: Red Bull Cliff Diving-Weltmeister ­Orlando Duque.

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FRÜH-REIF Fotograf: Jaanus Ree Athlet: Jan Roose Tallinn, Estland Eigentlich waren Fotograf Jaanus Ree und Slackline-Weltmeister Jan Roose an diesem frostigen Morgen ja auf dem Weg zu einem ganz anderen Shooting. „Aber dann kamen wir hier vorbei, und die gefrorenen Pflanzen wirkten so surreal, dass wir einen Zwischenstopp ein­ legten“, sagt Jaanus.



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GOLDENE MITTE

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Fotograf: Ivaylo Donchev Athlet: Veselin Ovcharov Witoschagebirge, Bulgarien Landschaftsfotografie? Öde, findet Fotograf Ivaylo ­Donchev. Es sei denn, ein Mensch schwebt diskret und wie beiläufig durch die Szenerie. „Es ist so schön, zu beobachten, wenn ­jemand ganz sanft mit den Elementen spielt.“ Wie hier ­Paragliding-Weltmeister ­Veselin Ovcharov.


RUNDFAHRT Fotograf: Denis Klero Athlet: Daniil Ivanov Baikalsee, Russland „Unglaublich, wie präzise ­Daniil die Kreise gefahren ist“, schwärmt Denis Klero. Der Fotograf per­formte mit Motorspeedway-Fahrer Daniil Ivanov am Baikalsee für das Projekt „Red Bull Circle of Shaman“. Eine Hommage an die Schamanen in der Gegend, die bei ihren Tanz-­ ritualen ­konzentrische Kreise ziehen.


RED BULL CONTENT POOL

HIMMELFAHRT Fotograf: Aaron Blatt Athlet: Scotty Smith Whistler, B. C., Kanada Der US-Amerikaner Aaron Blatt fotografiert seit Jahren W ­ intersportler für Outdoormagazine. Dieses Bild ist aller­dings rein zu­fällig entstanden. „Ich war mit Freunden beim Snowboarden, und in der M ­ ittagspause hat sich einer von ihnen spontan das Schnee­ mobil geschnappt.“ Winterhoch, mal ganz anders.

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„Die brutalsten Momente bei diesem Shoot? Das Umziehen im Freien.“ TED GRAMBEAU

MISSION MINUS Fotograf: Ted Grambeau Athlet: Adam Wickwire Jökulsárlón, Island Der Auftrag: „Ich sollte für einen NeoprenanzugHersteller den Profi-Surfer Adam Wick­wire in einer Um­gebung ­fotografieren, die möglichst kalt aussieht“, sagt Fotograf Ted Grambeau. Seine Wahl fiel auf den JökulsárlónGletschersee. Minus zehn Grad und nur Eis bis zum Horizont. Mission erfüllt!

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Schauspielerin, Sängerin, Autorin, Aktivistin, Filmemacherin, Taekwondo-Fighterin … Wie sich Netflix-Star Valerie Huber zum Gesamtkunstwerk pushte. Was gibt ihr den Mut, aus jeder Chance eine Rolle fürs eigene Leben zu machen? INTERVIEW WALTRAUD HABLE FOTOS HILDE VAN MAS

TRÄUMEN? 34

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Spiegel der Seele „Viele Dinge gleichzeitig zu machen gibt mir ein Gefühl von Lebendigkeit“, sagt Valerie Huber.

TRAUEN!


D

ie Rolle der Influencerin Vanessa in der Netflix-Serie „Kitz“ katapultierte sie schlagartig unter die drei meist gegoogelten Österreicherinnen und Österreicher, wo sie sich monatelang hielt. Weil sie die Fassade der oberflächlichen Instagram-Blondine gekonnt gesprengt hatte: Valerie Huber, 28, Schauspielerin. Und viel, viel mehr. Auch nach „Kitz“ ist die gebürtige Wienerin, die großteils in Afrika (Uganda und der Elfenbeinküste) und in den USA (Washington, D. C.) aufwuchs, aus den OnlineSuchanfragen nicht wegzudenken. Denn diese Frau Huber hat ein Motto: Probier alles, was dich reizt und ruft. Ja, sie ist Schauspielerin. So war sie in der ServusTV-Produktion „Das Netz – Prometheus“, im US-Remake des TilSchweiger-Films „Head Full of Honey“, im Franz-Klammer-Epos „Chasing the Line“ sowie in der Krimikömodie „Pulled Pork“ (an der Seite von Ex-Freund Paul Pizzera) zu sehen. Aber: Sie singt jetzt auch. Unter dem Künstlernamen Valeh hat sie drei pop­ lastige Singles samt Videos an den Start gebracht: „Want You“, „Otherside“ und „Hell“. Und als ob das nicht genug wäre, ist Valerie Huber nebenbei Skilehrerin, SchwarzgurtTrägerin im Taekwondo, Dokumentarfilmerin und Aktivistin. Aber wie macht das die Über-Huber? Und warum? Für unsere fette Bildstrecke performte sie noch im Fotostudio in Wien. Fürs Interview brauchte es aber eine Satelliten-Internetverbindung. Denn Valerie Huber war uns schon wieder ein paar Flugmeilen voraus – diesmal im südamerikanischen Ecuador.

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DIE ANTI- BLONDINE: „AM ANFANG FAND ICH MICH IN ROLLENBILDERN, DIE ICH HEUTE NICHT MEHR BEDIENE.“ the red bulletin: Valerie, wir er­ reichen dich auf einem Expeditions­ schiff vor den Galapagos-Inseln. Wie kommt’s? valerie huber: Ich bin hier, weil ich für zwei Monate an einem Dokumentarfilm mitarbeiten darf – es geht darum, wie sich Klimawandel und Plastikmüll auf die See­ löwen auswirken. Gestern ist die Crew mit einem Schlauchboot rausgefahren und wäre aufgrund der Wellen fast gekentert. Man weiß nie, wie das Wetter hier umschlägt, das ist teilweise echt abenteuerlich.

Bombast & Kontrast Schwarze, klobige Boots, dazu hauchdünne Spitze – die Kombi macht’s!

Du hast dich kürzlich zum ersten Mal als Sängerin präsentiert. Andere wür­ den eine Promo-Tour machen. Solltest du nicht in Wien sein, um die Werbe­ trommel für deine Musik zu rühren?

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DIE TAEKWONDO-KÄMPFERIN: „ICH KANN MICH WEHREN, DAS STÄRKT MEINEN AUFTRITT – AUCH GEGENÜBER MÄNNERN.“ Ich sollte wahrscheinlich Promo machen, stimmt schon. Aber die Chance, bei diesem Projekt mitzumachen, war einmalig. Es sind Top-Leute an Bord, ich kann hier überall reinschnuppern – und viel für künftige ­Dokus lernen. Keine Angst, dass die Musikkarriere stockt, wenn du nicht dranbleibst? Diese drei Singles rauszubringen und mit der Welt zu teilen war wichtig für mich. Weil das Leben nun mal zu kurz ist, um nur von etwas zu träumen – und es dann nicht zu tun. Ich bin da aber ohne große Erwartungen rein, obwohl Musik ein Teil von mir ist. Mir ist durchaus klar: Wenn man in etwas so richtig gut und erfolgreich sein will, dann muss man seine komplette Energie reinstecken. Denn von dort, wo die Energie hinfließt, kommt sie auch zurück. Aber natürlich ist das schwierig, wenn man am liebsten alles gleichzeitig tun würde. Wird’s nicht manchmal zu viel? Im Gegenteil, viele Sachen gleichzeitig zu machen gibt mir so ein Gefühl von Lebendigkeit. Das war schon als Kind so. Mit zehn stand ich regelmäßig für die Kinderserie „Tom Turbo“ vor der Kamera. Letztlich war ich in der Schule fleißiger und besser – so viel Energie habe ich daraus gezogen. Wenn jemand sagt: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, was sagst du? Dieses Schubladendenken erlebt man im deutschen Raum leider oft. In Amerika ist es ganz normal, dass Leute mit fünfzig oder sechzig eine zweite oder dritte Karriere anfangen. Ich finde, man sollte sich immer neu erfinden und alles ausprobieren. Was findest du in der Musik, was dir das Schauspiel nicht geben kann? Das sind ganz unterschiedliche Arten von Kreativität. Als Schauspielerin sagt man Texte auf, die jemand anders geschrieben hat. Erntet man Kritik, dann kann man sich

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immer auf das Drehbuch oder auf die Regie rausreden. In der Musik hingegen habe ich die Möglichkeit, selbst etwas zu erschaffen und mein Innerstes preiszugeben. Momentan bin ich klassisch in Richtung Rock/Pop unterwegs, da geht’s um klassische Themen wie Liebe. In Zukunft möchte ich definitiv auch kritischere Texte machen. Wo wir schon beim Thema Interessenvielfalt sind: Du hast auch ein Studium der Politikwissenschaften begonnen … Ich habe beides gleichzeitig gestartet: Politikwissenschaften und Schauspiel. Weil mich sowohl die Bühne, aber eben auch die Entwicklungszusammenarbeit interessiert. Mein Vater war in diesem Feld tätig. Aufgrund seines Jobs haben wir die ersten sieben Jahre meines Lebens in Afrika verbracht, die Highschool habe ich in den USA besucht. Und warum hat letztlich das Schauspiel das Rennen gemacht? Gute Frage. Vor allem, weil ich mir anfangs in der Schauspielschule schwergetan habe. Alle waren unnahbar und schwarz angezogen, typische Schauspielstudenten. Und dann kam ich, frisch aus Amerika – dieses Extrovertierte, die bubbly personality, ich

VALERIE HUBER, 28

Ist: Schauspielerin, Sängerin, Geboren in: Wien Aufgewachsen in: Afrika, den USA Ein Tick von mir ist: Lippen zu beißen. Mache ich ständig. Keine Ahnung, warum. Diese Superkraft hätte ich gerne: Fliegen! Als Kind hatte ich oft Träume, in denen ich fliegen konnte. Das war für mich das größte Freiheitsgefühl. Kopf oder Bauch? Ich wäre gerne mehr Bauchmensch, bin aber zu sehr Kopf. Dabei vergesse ich die Zeit: bei einem tiefgründigen Gespräch und einer menschlichen Connection.

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Urfaust Valerie Huber ist Meisterin im traditionellen Kampfsport Taekwondo.


DIE SÄNGERIN: „DIE MUSIK GIBT MIR DIE MÖGLICHKEIT, MEIN INNNERSTES PREISZUGEBEN.“


habe da nicht wirklich reingepasst. Ich war kurz davor, abzubrechen, aber die Direkto­ rin der Schule meinte, sie sehe etwas in mir. Also blieb ich und ließ das Studium. Die Direktorin schien den richtigen ­Riecher gehabt zu haben. Hast du – trotz deiner Erfolge mit Serien wie „Kitz“ – die Entscheidung je angezweifelt? Ja, ich denke, das tut man ständig in diesem Beruf. Vielleicht ist es mit Ende zwanzig auch normal, dass man sich hinterfragt: Was mache ich überhaupt mit meinem Le­ ben? Ich beobachte das auch in meinem Freundeskreis. Man denkt so Sachen wie: Ich könnte gerade etwas tun, was wirklich einen Nutzen hat. In Afrika Schulen bauen zum Beispiel. Aber stattdessen mache ich et­ was, was mir Spaß macht, aber niemandem zugutekommt. Ich habe auch hinterfragt, ob ich gewisse Rollenbilder, die oft im Fern­ sehen gezeigt werden, wirklich bedienen möchte. Und zu welchem Schluss bist du gekommen? Dass ich sie nicht bedienen will. Junges blondes Mädchen – um in den deutschen Markt überhaupt erst mal reinzukommen, habe ich anfangs eben viele dieser Charak­ tere gespielt. Davon konnte ich mich mitt­ lerweile distanzieren. Und ich beginne zu sehen: Die Plattform, die ich durch die Schauspielerei habe, kann ich auch nutzen. Um etwa auf sozialpolitische Themen auf­ merksam zu machen, was mir sehr wichtig ist. Ich wurde neulich von einem Verlag ge­ fragt, ob ich nicht ein Sachbuch schreiben möchte – und tue dies gerade auch. Dar­ über, wie die junge Generation inmitten der multiplen Krisen dieser Welt überlebens­ fähig bleiben kann. Doch es ist schon para­ dox: Mein Vater etwa wurde nie gefragt, ob er ein Buch schreiben möchte – er ist Afrika-­ Experte, hat richtig große Projekte bei der Weltbank mitentschieden. Da stellt sich schon die Frage: Warum hören wir – jetzt bei der Klimadebatte – nicht den Menschen zu, die sich wirklich auskennen, den Wis­ senschaftlern und Experten? Stimmt es, dass du auch den schwarzen Gürtel in Taekwondo hast? Ja, mein Papa war früher Taekwondo-Trai­ ner – so haben sich auch meine Eltern ken­ nengelernt. Ich habe schon als Kind damit begonnen und mit sechzehn den schwarzen Gürtel gemacht.

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Botschafterin Valerie Huber zu Besuch in Malawi, wo sie UNICEFKlimaprojekte unterstützt

DIE SOZIALE SEITE Out of Africa. Valerie Huber auf Fact Finding Mission in Malawi, Ostafrika, das von einem Zyklon schwer getroffen wurde. „Als Ehrenbeauftragte der UNICEF konnte ich mich vom Fortschritt der Wasser- und Hygiene-Projekte vor Ort überzeugen.“

Was hast die Kampfkunst dich fürs Leben gelehrt? Respekt. Achtsamkeit. Vor allem aber Selbst­ sicherheit: Zu wissen, wie ich mich im Not­ fall wehren kann – auch wenn ich es bisher zum Glück nicht gebraucht habe –, lässt mich ganz anders auftreten. Vor allem Män­ nern gegenüber. Sagen wir so, ich lasse mich nicht schnell einschüchtern. Diese Selbstsicherheit, viele unterschiedliche Projekte zu wagen – ist die auch dem Kampfsport zuzuschreiben? Eher der Erziehung durch meine Eltern. Sie haben mir beigebracht, dass ich alles schaffen kann, wenn ich möchte. Wobei mir durchaus klar ist: Ich bin extrem privile­ giert aufgewachsen. Nur ein weißer Mann hat mehr Privilegien als ich. Die ersten Jah­ re meines Lebens waren wir ja wie gesagt in Afrika – an der Elfenbeinküste und in Uganda. Dort habe ich früh mitbekommen,

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DIE SCHAUSPIELERIN: „DIE STUDENTEN AN DER AKADEMIE WAREN DÜSTER UND UNNAHBAR – ABER DANN KAM ICH ...“

Denn was hat man schon zu verlieren, in einem Sozialstaat wie Österreich zumin­ dest. Als Teenager habe ich mich immer an den Spruch gehalten: Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest? Denn Angst existiert nur im Kopf.

wie viel Ungleichheit und Ungerechtigkeit in der Welt herrscht. Das hat mir aber auch aufgezeigt, dass es eine Verschwendung wäre, wenn ich mein Privileg nicht nutzen oder nicht versuchen würde, meine Träu­ me zu leben und der Welt etwas zurückzu­ geben. Weil ich eben die Chance habe, das zu tun. So viele andere haben die nicht.

Gold & Silber Selbstsicherheit vor der Kamera – Huber jobbte auch schon als Model.

Ist das zu deinem Credo geworden? Ja. Auch wenn ich nicht immer alles in letzter Konsequenz durchziehe – da gibt es wesentlich planvollere Menschen als mich. Aber prinzipiell denke ich schon: Go for it!

Und – was würdest du tun? Schwierig. Vielleicht nach Los Angeles zie­ hen, weil man dort die Schauspielerei noch mal auf einem anderem Level betreiben kann. Vor der Pandemie war das auch mein Plan. Ich habe mir damals das Visum orga­ nisiert, musste dann aber zurück. Und was hält dich ab vom Zweit­ versuch? Ich schätze, ich bin nicht naiv genug, zu glauben, dass ausgerechnet ich es schaf­ fen würde. Der Markt ist dort so unfassbar hart. Es gibt tausende andere talentierte, hübsche junge Menschen da drüben – und ich habe gesehen, dass die meisten eben auch scheitern. Insofern stehe ich derzeit vor der Frage: Glaube ich wirklich so hoff­ nungsvoll und fest an diesen Traum, dass ich alles dafür in Kauf nehmen will? Oder führe ich hier weiter, was ich angefangen habe? Der Gedanke an L. A. taucht aber immer wieder auf. Mal schauen. Wir haben vorhin über deine Kind­ heit in Afrika gesprochen. Was ist das Wichtigste, was du aus dieser Zeit mitnimmst? Das Gefühl von Community. Diese Liebe und Wärme, die ich von den Menschen dort erfahren durfte, war unglaublich. Sie haben mich nie spüren lassen, dass ich anders bin. Als wir nach Österreich zurückgekommen sind, war das erst mal ein Kulturschock. Eine meiner ersten Erinnerungen ist: Ich gehe als Achtjährige in Wien auf der Straße, und ein Mann kommt auf dem Rad vorbei und schreit in meine Richtung: „Das ist der Radweg, G’schissene!“ Es war mir schnell klar, das ist eine andere Welt. Immer neue Wohnorte, neue Schulen, da muss man schnell das Eis brechen, um Anschluss zu finden. Wie brichst du es? Ich war nie eines dieser coolen Kids. Aber ich glaube, der Schlüssel ist, offen auf Leute zuzugehen und einfach freundlich zu sein. Das funktioniert meistens. Mit welchen Attributen würdest du dich Leuten, die dich nicht kennen, vorstellen? Spontan. Willensstark. Kreativ.

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Großes Kino Auch der Umzug nach Hollywood ist für die AustroDiva eine Option.


African Glam Markante Muster, großes Herz: Hommage an die Zeit in Uganda und an der Elfenbeinküste

tischen Geschehnisse verfolgen, das zieht mich zu sehr runter.“ Aber prinzipiell denke ich: Jeder mit einer größeren Reichweite hat die Verantwortung, diese auch zu nut­ zen und sich für wichtige Themen auszu­ sprechen und einzutreten. Dennoch ist es wichtig, den Grat zu finden: Wie politisch bin ich, und wie kann ich mein persönliches kleines Glück leben?

DIE WELTBÜRGERIN: „LIEBE UND COMMUNITY – IN AFRIKA LIESS MICH NIE WER SPÜREN, DASS ICH ANDERS BIN.“ Was ist mit mutig? Ich bin zwar sicherlich nicht immer mutig, aber Mut ist essenziell in meinem Leben. Ohne geht gar nichts. Und ich kann nur allen raten, so oft wie möglich mutig zu sein, weil man nur so sein volles Potenzial ausschöpfen kann.

Was bringt einen weiter – Fragen zu stellen oder zuzuhören? Hängt das nicht zusammen? Also erst Fragen stellen und dann zuhören. Fragen zu stellen ist aber schon ein wichtiger Punkt. Eine mei­ ner wahrscheinlich größten Erkenntnisse der letzten Jahre ist: Wenn du etwas willst, dann frag danach. Du wirst überrascht sein, wie oft du es auch wirklich bekommst. Das beginnt bei ganz banalen Sachen. Wenn ich im Flugzeug eingequetscht zwischen zwei Leuten sitze und sehe, dass weiter vorne ein Fensterplatz frei ist … Man denkt erst: Es sind eh nur ein paar Stunden, bloß keine Extra­wurst verlangen. Aber mittlerweile sehe ich: Oft ist es den Leuten, die man fragt, total egal, sie sagen: „Ja, klar, setz dich um.“ Fragen kostet nichts, aber im besten Fall hat man dann ein ganz anderes Erlebnis. Als Schauspielerin kannst du in viele Rollen schlüpfen. Welche willst du ­privat mehr ausleben? Es ist Zeit, auch die ruhigere Seite in mir zu entdecken – und auch mal ein Schweige­ kloster oder irgendwas in die Richtung zu probieren. Und weil ich merke, dass ich mit zunehmendem Alter ernster werde, will ich mir eine gewisse Leichtigkeit bewahren. Aber vor allem will ich daran arbeiten, in mehr Lebensmomenten glücklich zu sein. Instagram: @valerie__huber

Jungen Künstlern wird oft nahegelegt, sich nicht gesellschaftskritisch zu äußern. Du nutzt deinen Social-Media-­ Account seit Jahren auch für Aktivismus. Ja, und es ist ein schmaler Grat zwischen „Wie viel bringt es mir?“ und „Wie viel scha­ det es mir?“. Ich verstehe Menschen, die sa­ gen: „Ich will nicht dauernd die weltpoli­

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Styling: Julia Philippitsch Hair & Make-up: Nadine Mayerhofer Lila Outfit: Anzug: Hisu Park, Top: Monki, Boots: J. W. Anderson via LISKA, Ringe: Wanda Studios, Ketten: VXXXVY und Mussels and Muscles Outfit Wolke: Tüllcape: Nicolas Dudek, Mesh Bra: Rendl, Gliederkette: Perlensau, Gürtel als Kette: Wolfmich, Stiefel: Stradivarius, Stutzen: Stylist’s Own Sporty Outfit: Jogginghose und Vintage-Bikerjacke: Adidas via Wolfmich, Boxschuhe: Burggasse 24, Schmuck: VXXXVY Outfit Rock it, Baby: Shorts: J. W. Anderson via LISKA, VintageTop: Paloma Wool via Wolfmich, Ohrringe hängend und Kette lang: VXXXVY, Ohrring Drop: Mussels and Muscles, Ringe: Wanda Studios, Krawatte: Stylist’s Own, Jeans Heels: Public Desire Outfit Jeanne d’Arc: Anzug silber: Jennifer Milleder, Top: Weekday, Swarovski, Perücke: Discocaine, Glass Earcuffs: Mussels and Muscles Outfit Modern African: Anzug: Wendy Jim, Ketten-BH, Ringe und Herzkette: VXXXVY, Perlenkette: Schmiede Bosslau

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WIR LAUFEN FÜR ALLE, DIE ES NICHT KÖNNEN. 5. MAI 2024 100 % DER STARTGELDER FLIESSEN IN DIE RÜCKENMARKSFORSCHUNG

SEI DABEI


DAS DACH IHRER WELT

Lilou Ruel ist Weltmeisterin im Freerunning – wir treffen sie zum Spaziergang über die Dächer von Paris. Wenn sie wirklich trainiert, springt sie daheim vom Haus­dach. Oder sie meditiert: Denn der wichtigste Sprung ihrer Karriere ist der Gedankensprung. TEXT PH CAMY

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FOTOS LITTLE SHAO

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Trick-Künstlerin Lilou Ruel kombi­ niert Freerunning mit Tricking, also Elementen aus der Bodengymnastik.



Metropole als Spielplatz: Auf diesen Bildern experimentiert Lilou mit den Perspektiven. Doch ihr großes Abenteuer fand in der grauen Vorstadt statt – irgendwo zwischen Angst und Adrenalin.

E Griff nach der Spitze Auf den ersten Blick scheint es, als berühre Freerunnerin Lilou gleich die Basilika Sacré-Cœur am Montmartre.

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s ist einer dieser gesichtslosen Orte in den Ban­ lieues von Paris. Doch für Lilou Ruel, 20, ist es der Ort, der all ihre Träume bündelt. So viel Energie, so viel Hoffnung, so viel Risiko – zwischen dem dreckigen Grau zweier Plattenbauten. Der Absprungpunkt liegt auf der Betonmauer einer Außentreppe in 16 Meter Höhe, der Landepunkt ein paar Meter tiefer auf einem Flachdach mit Kiesbelag. 4,5 Meter beträgt die Sprungdistanz zwischen den beiden Gebäuden. „Und wenn du stürzt, stirbst du“, hält Lilou, die im Parkour, dem schnellstmöglichen Lauf durch eine Umgebung voller Hindernisse, und im Free­ running, einer Abfolge von kreativen Moves – es geht um den Flow, nicht um die Zeit –, zu den Weltbesten gehört, ganz lapidar fest. Manpower Gap nennt sich diese ikonische Location, und Männer haben diesen schon als

klassischen Sprung, Salto oder Seitwärtssalto bewältigt. Aber noch nie eine Frau. „Also habe ich mich schlaugemacht: über den Sprung, die Gefahr, die Beschaffenheit des Bodens bei der Landung, die Entfernungen“, sagt Lilou. Zunächst habe sie sich gefragt: „Soll ich mein Leben für einen Sprung riskieren?“ Und dann kam der 3. Mai 2022. „Ich bin auf das schmale Mäuerchen beim Absprung geklettert, nicht mehr als zehn Zentimeter breit.“ Und dann? Ein Rückzieher? Ein Sprung? „Dann spürst du es – ob du bereit bist, es zu wagen, oder nicht …“ Fast genau 19 Jahre zuvor, am 9. Mai 2003, wird Lilou Ruel in der Normandie geboren. Ihr Vater ist Ingenieur, ihre Mutter leitet einen Coworking-Space. Ihr Bruder Tom, heute 22, läuft Marathon und fährt Radrennen. Die Familie wohnt in Plaisance-du-Touch, einer Kleinstadt in der Nähe von Toulouse. 20.000 Einwohner, ein Haus, ein Garten, ein Trampolin – und sofort springt der Funke über. „Ich habe mit sieben Jahren mit dem Trampolinspringen begonnen, erst mit Saltos nach vorn und dann zur Seite.“ Und dann hat ihr Nicolas, ihr Nachbar, den Rückwärtssalto bei­ gebracht. Es ist ein Donnerstag, als sie ihn erstmals schafft. Und am Samstag darauf geht sie mit Nicolas zum ersten Mal in eine Parkour-­ Halle. Und bleibt. „Ich war neuneinhalb, ich war das einzige Mädchen unter älteren Jungs, aber ich habe mich wie zu Hause gefühlt.“ Lilou trainiert nun einmal pro Woche in der Halle, bald schon zweimal. Mit elf Jahren ist sie schon auf ansehnlich hohem Niveau, Nicolas schlägt vor, ein Video zu drehen. „Ich habe Lines gemacht, also Abfolgen von Bewegungen. Nicolas hat das Video auf YouTube hochgeladen – und auf

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Bild mit Anleitung Heft um 90 Grad nach rechts drehen. Unglaublich: Lilou steht quer im Raum.

einmal ging die Post ab!“ Unter den Leuten, die ihr Video kommentieren und ihr g ­ ratulieren, sind auch Lilous Vorbilder – Freerunner, die sie jeden Tag inspirieren. Dabei sieht sie sich erst mal gar nicht als neuen Szenestar. „Ich wollte eigentlich Tierärztin werden. Zu dieser Zeit konnte noch kaum wer von Parkour leben, und Mädchen schon gar nicht.“ Doch da ist diese Leidenschaft, die sich nicht einfach überspringen lässt. Lilou: „Ich beschloss, mehr zu trainieren, und Yassine, mein Coach aus dem Parkour-Club, unterstützte mich. Er hat mir ein Gerüst mit Plattformen und Stangen geliehen, das ich im Garten aufgebaut habe. So habe ich zwei Jahre trainiert.“ Manchmal übt sie nur ei­ nige Minuten pro Woche, manchmal stunden­ lang. Lilou ist bald richtig gut und nimmt an lokalen Bewerben teil. 2017 dreht der Fotograf Julien Blanc ein Vi­ deo mit Lilou und schickt es nach Schweden, in der Hoffnung, dass sie zur Air Wipp Challenge eingeladen wird, dem zweitgrößten ParkourWettbewerb der Welt. Und tatsächlich: Lilou darf mit ihren erst fünfzehn Jahren mitmachen. „Ich bin mit meinem Vater los, das war unglaub­ lich. Ich habe dort die größten Stars gesehen

„Sechsmal kletterte ich auf die Mauer, sechsmal wieder runter – erst dann ließ ich los …“ 50

und konnte noch nicht einmal Englisch. Aber sie haben mich erkannt, sie wussten sogar mei­ nen Vornamen, und kamen auf mich zu. Mein Vater war furchtbar stolz, es waren ja nur we­ nige Mädchen am Start. Am Ende wurde ich Dritte.“ 2018 wird Lilou erneut nach Schweden ein­ geladen. „Beim Training habe ich mich verletzt. Ich habe zwar trotzdem versucht mitzumachen, musste aber aufgeben“, sagt sie. „Danach muss­ te ich fünf Monate lang pausieren – dafür hat­ te ich mehr Zeit fürs Gymnasium und meine Freunde.“ Und dann verletzt sie sich erneut. „Es ging mir trotz allem gut, auch wenn ich von Parkour erst mal die Nase voll hatte.“ Alles ge­ ben, wenn’s geht, aber nichts erzwingen, wenn nicht: Das ist die Lebensphilosophie der Lilou Ruel. Und so kommt sie im April 2019 endlich wieder an ihre Sprossen und Trampolins. Lilou ist sechzehn Jahre alt und hat ein Ziel: Red Bull Art of Motion. Es ist der Contest des Jahres, von dem alle reden. Normalerweise fin­ det er auf der griechischen Insel Santorin statt, dieses Jahr wird er aber in Matera, im Süden Ita­ liens, ausgetragen. „Ich habe davon geträumt, diesen Wettkampf zu gewinnen“, erinnert sie sich. „Ich habe unterwegs meinen Koffer ver­ loren, und beim Training hat mir meine Ferse wehgetan. Ich bin nur Vorletzte geworden. Das war ziemlich hart – aber nicht schlimm.“ Die Magie der Kamera 2020 dreht Lilou in Lille einen Werbespot für Mini Cooper. „Mir ist nach und nach klar gewor­ den, dass mir Style wichtig ist, genauso wie der künstlerische Aspekt. Und vor der Kamera ist es magisch – ich liebe es, im Mittelpunkt zu stehen. Du hast eine Aufgabe, und die Leute erwarten viel von dir. In solchen Momenten denke ich: Ich bin genau dort, wo ich sein muss.“ Und Nicolas, der Nachbar, hat wesentlichen Anteil daran. „Er war meine erste Inspirations­ quelle“, sagt Lilou. „Er ist sehr talentiert und hat seinen eigenen Stil, die Lines zu kombi­ nie­ren. Das hat mich sehr angespornt, auch meinen ­eigenen, unverwechselbaren Stil zu ent­wickeln. Denn dafür bin ich bekannt: für meinen Stil. Er ist einzigartig für Frauen. Ich kombiniere Free­running und Tricking, also Ele­ mente aus der Bodengymnastik.“ Und dann kommen die Lockdowns – alles zu, doch Lilou öffnet sich Neuem. „Das Wetter war schön, ich hatte mein Gerüst im Garten, das Trampolin, den Pool, meinen Nachbarn. Ich habe Krafttraining gemacht und jeden Mor­ gen meditiert und visualisiert. Das war para­ diesisch“, sagt sie. Und: „Das war ein großer Wendepunkt für mich, ich habe mich für die Botschaften des Universums geöffnet.“ Klingt abgehoben, ist aber ein echter Vorwärts-Move. „Ich stelle mir vor, wie ich Parkour mache, Kraft­ training betreibe, wie ich den Pokal hochhebe und ihn küsse. Du visualisierst, was du erreichen willst, und nach einiger Zeit macht dein Gehirn

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Luft-Kopfstand Der Moment der Senkrechten inmitten eines Saltos – im Hintergrund die Seine in ihrem eigenen Flow



Alles Fassade Lilou Ruel nutzt Paris als grenzenlose Spielwiese, um sich kreativ auszu­drücken.

Wilder Mix Urbaner Chic und Business-Look als Outfit für den etwas anderen Arbeitstag

„Erst fühlte ich mich zufrieden und stolz – doch plötzlich war ich die Königin der Welt.“ keinen Unterschied mehr. Es zu ­visualisieren ist, wie es zu erleben.“ ­Jeder Sprung ist zunächst ein Gedankensprung. Mit dem Mentaltraining hatte Lilou im Fe­b­ ruar 2021 begonnen, als der Coach und Mentaltrainer Alexandre Lacaze sie kontaktierte. „Um bekannter zu werden, hat er nach Sportlern gesucht, denen er helfen kann. Wir haben alle zwei, drei Wochen eine Videokonferenz ab­ gehalten und sind auch dazwischen in Kontakt geblieben. Er gibt dir, je nachdem, welche Fort-

schritte du machst, verschiedene Hilfsmittel an die Hand, auch Ernährungstipps. Er hat mich eineinhalb Jahre lang begleitet, bei der Visualisierung und der Meditation. Das hilft mir, mich auf das Positive zu konzentrieren und das Negative ins Positive zu wenden. Das zeigt mir: Wenn du etwas ganz fest willst, tritt es auch ein.“ Und wie! Im April 2021 nimmt Lilou am Red Bull Al-Andalus in Spanien teil, einem gemischten Wettbewerb mit Freerunning und Parkour. „Ich habe gewonnen, das war ein absoluter Traum.“ Kurz danach schafft Lilou ihr Abitur mit Auszeichnung. Dann kommt Red Bull Art of Motion,­ ausgetragen im Juli 2021 auf zwei Schiffen in Piräus, dem Hafen von Athen. „Ich habe die Auszeichnung für den besten Trick gewonnen und bin insgesamt Zweite geworden. Ich war sehr zufrieden und stolz.“ Danach steht für Lilou im September die Weltmeisterschaft im Freerunning und Parkour in Sofia an. „Ich bin Erste im Freerunning geworden und Zweite im Parkour. Ich war plötzlich Weltmeisterin, fühlte mich wie die Königin der Welt – fantastisch.“ Doch da sind noch diese beiden Plattenbauten in den Pariser Banlieues, so plump und banal hingeklotzt wie tausende andere – und doch einzigartig. Denn die 4,5 Meter dazwischen, der Manpower Gap, sind der Sprung, der im Free­ running und im Parkour die Welt bedeutet. Lilou trainiert mit ihrem Mental- und Athletikcoach Thomas Lacarriere. Sie arbeitet an ihrer Sprungkraft, am Aufprall, an der Belastbarkeit der Knie, der Knöchel. „Ich sprang im Training vom Dach unseres Hauses, meine Mutter hat gefragt, was denn los ist“, erzählt Lilou amüsiert. Und dann der 3. Mai 2022. „Am Morgen visualisierte ich im Bett eine Stunde lang den Sprung – und dann stand ich plötzlich da, auf diesem schmalen Mäuerchen. Ich stieg sechsmal rauf, sechsmal wieder runter. Beim siebten Mal ließ ich los und sprang.“ Als erste Frau. Richtung Flachdach des gegenüberliegenden Blocks. Lilou Ruel hebt ab, um zu landen. Unversehrt. Glücklich. Als Teil der Sportgeschichte. Instagram: @lilouruel Du willst mehr Freerunning? Reise mit Jason Paul um die Welt auf Red Bull TV

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SCHILLER, GOETHE, GAMING! Tonio Schachinger, 31, ist Österreichs Autor der Stunde. Wenn er nicht schreibt, dann zockt er. In seinem Roman „Echtzeitalter“ macht er einen nerdigen E-Sportler zum Helden. Und sagt im Interview: „Gaming, das ist Hochkultur!“ INTERVIEW ANDREAS ROTTENSCHLAGER

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FOTOS PHILIPP HORAK

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Das Spiel aus dem Erfolgsroman In „Age of Empires 2“ führen Spieler eine historische Zivilisa­ tion durch verschie­ dene Zeitalter. Autor Schachinger machte daraus Literatur.


er Teenager Till Kokorda führt ein merkwürdiges Doppelleben: Am Tag versucht der stille Schüler eines Wiener EliteGymnasiums fiesen Deutschlehrern und Snobs auszuweichen. Nachts attackiert er als Top-Spieler im Strategie-Game „Age of Empires 2“ die Armeen seiner Gegner. Till steigt zu einem Star der Gaming-Szene auf – aber weder Freunde noch Eltern verstehen die Dimension seines Erfolgs. Till Kokorda ist die Hauptfigur im Roman „Echtzeitalter“ des österreichischen Literatur-Shootingstars Tonio Schachinger. Dem ersten Buch, das die Gaming-Szene der Gegenwart literarisch verarbeitet. Schachinger ist selbst Hobby-Gamer. Im Dezember gewann er für „Echtzeitalter“ den Deutschen Buchpreis. Wir haben ihn nach dem Erfolg dahinter gefragt: Wie schreibt man einen Bestseller über Gaming, den Gamer und Nicht-Gamer unterhaltsam finden? the red bulletin: Herr Schachinger,­Sie haben bei der Planung Ihres R ­ omans einen strategischen Fehler gemacht. tonio schachinger: Ach ja, welchen?

Wir sehen Till auch dabei zu, wie er sich die Nächte mit den Analysen seiner E-Sport-Turniere um die Ohren schlägt. Die Sprache der Gamer beherrschen Sie als Autor dabei erstaunlich souverän. Sitzt vor uns der erste Träger des Deutschen Buchpreises mit E-SportVergangenheit? Nein. Ich habe „Age of Empires 2“ zwar ranked gespielt, aber meine ELO lag nur bei 1100. Das müssen wir übersetzen: „Ranked“ heißt, Sie waren als Gamer in einer offiziellen Rangliste gereiht. ELO ist die Zahl, die Ihre Spielstärke angibt. Das System kennt man aus dem ProfiSchach. Ist man mit 1100 ein blutiger Anfänger oder guter Amateur? 1100 ist unterer Durchschnitt. Es gibt im Roman einen Vergleich: Mit einer ELO von 1600 hat man das Level von jemandem, der ein Fach auf Lehramt studiert hat. Man weiß viel mehr über das Thema als die meisten anderen Menschen, aber viel weniger als eine absolute Fach-Koryphäe. Till, mein Romanheld, spielt als Top-Ten-Player mit einer ELO-Zahl von 2100. Sie merken schon, wie groß die Kluft zwischen Insidern und Unwissenden ist, wenn es um Gaming geht. Dabei hat die Gaming-Industrie 2023 rund 300 Milliarden Dollar umgesetzt, und wichtige Titel wie „Fortnite“ oder „Grand Theft Auto“ prägen unsere Popkultur. Wie kann es sein, dass das Thema trotzdem an so vielen Menschen komplett vorbeigeht?

Sie erzählen, wie Ihr Held Till zu einem der weltbesten E-Sportler aufsteigt – aber nicht in „League of Legends“, „FIFA“ oder „Fortnite“, den größten ­Titeln der Gaming-Branche, sondern

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Ehrlich gesagt merke ich erst seit der Veröffentlichung des Buches, wie weit der Diskurs bei uns hinten ist. Auch der Begriff „Gaming“ ist ja extrem breit, so als würde man über „Musik“ reden. Und obwohl Gaming für Jugendliche und Leute in meinem Alter eine riesige Sache ist, gibt es etwa im Kulturbetrieb kein Bewusstsein dafür. In anderen Ländern ist man schon weiter. Dort hat sogar der Staat das Potenzial der Branche entdeckt. Ihr Romanheld reist gegen Ende des Buches zur Spielemesse nach China … … die im Gegensatz zu Spielemessen in Europa auch eine Berufsmesse ist. Dort werden Jugendliche angeworben, um in der Gaming-Industrie zu arbeiten. Der Staat sieht sie als Schlüssel-Arbeitskräfte für die Zukunft. Wer in die Welt der Gamer eintauchen will, ist jedenfalls bei Ihnen richtig. ­Neben „Age of Empires 2“ kommen in Ihrem Roman 17 weitere Spiele vor – von „Mein kleiner Ponyhof“ bis „Red Dead Redemption“. Außerdem gibt es eine lange Stelle, in der Till ­seiner Mutter erklären will, wie „Age of Empires 2“ funktioniert. Ich wusste, dass es für das Buch wichtig sein wird, zu zeigen, wie man mit Menschen, die sich nicht auskennen, über Gaming spricht. In der Szene zwischen Till und seiner Mutter … … neun Seiten, sehr lustig, am Ende sind beide frustriert … … geht es aber auch um die Unmöglichkeit, Gaming zu vermitteln. Till merkt, dass seine Mutter ein ehrliches Interesse an seinem Hobby hat. Und seine Mutter gibt sich richtig Mühe. Gleichzeitig ist Till mit seinen Erklärungen unzufrieden. Weil er sie auf ein so niedriges Niveau herunterbrechen muss. Und seine Mutter sie trotzdem nicht kapiert. Eigentlich will sie in die Welt von „Age of Empires 2“ eintauchen, am Ende spielt sie „Candy Crush“ am Handy.

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in „Age of Empires 2“, einem 24 Jahre alten Strategiespiel für MittelalterNerds, in dem man Ritter, Schafe und Dorfbewohner durch eine 2D-Land­ karte steuert. Einen „Fortnite“-Roman hätten sicher mehr Leute gekauft. Ich suche meine Themen nicht nach Massentauglichkeit aus. Mich hat interessiert, warum ein historisch gewordenes Game noch heute von jungen Leuten gespielt wird. Außerdem passt „Age of Empires 2“ in das Setting des Romans. Ziel des Spiels ist es, in ein neues Zeitalter voranzuschreiten. Genau das versucht auch Till, dem wir beim Erwachsenwerden zusehen.


„In gute Games kann man eintauchen wie in Filme oder klassische Musik.“ Sie schreiben, dass Till sich zu Videospielen hingezogen fühlt, „weil sie ihm bieten, was Kunst nur in ihren besten Momenten schafft“. Und dass er in Games genauso eintauchen kann wie seine Mutter „in einen Haneke-Film oder ein Händel-Oratorium“. Genau. Tragen Sie da nicht ein bisschen dick auf? Michael Haneke ist Oscargewinner. Georg Friedrich Händel war einer der wichtigsten klassischen Komponisten nicht nur seiner Zeit. Welches Spiel hat Sie zuletzt so fasziniert, dass Sie ­gedacht haben: Das ist hohe Kunst? „Zelda: Tears of the Kingdom“ zum Beispiel. Was ist daran Kunst? „Zelda“ ist ein Open-World-Game, über dessen spielbarer Karte Himmelsinseln schweben, die man ebenfalls betreten kann. Was die Spieleentwickler vor dem Release aber nicht gespoilert hatten, war die Existenz einer kompletten spielbaren Unterwelt, stockdunkel, riesengroß, bevölkert von Monstern. Als ich zum ersten Mal in diese Unterwelt hinabgestiegen bin, empfand ich das als Kunsterfahrung. Ein Herz für Spieler Tonio Schachinger schrieb seinen DebütRoman „Nicht wie ihr“ (2019) über einen Profi­fußballer. In „Echtzeitalter“ ist sein Held ein Gamer.

Ritterschlacht in „Age of Empires 2“ Mit einer Mischung aus Strategie und kluger Taktik kämpft sich ­Schachingers Roman­ figur unter die Top-10Profi-Gamer der Welt.

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Kommen wir von Games, die als Kunstwerke funktionieren, zum E-Sport, den Sie ebenfalls beschreiben. Till nimmt im Roman an einem „Red Bull-Turnier“ teil. Ich muss natürlich fragen: War das „Age of Empires 2“-Turnier Red Bull Wololo dafür das Vorbild? Ja, das ist im Buch ein Bezug zur Realität. Das Turnier fand, soweit ich weiß, sogar auf einer Burg statt. Genau, auf Schloss Heidelberg. Gewonnen hat Ørjan Larsen, Norweger, Spitzname: „TheViper“, der Superstar der Szene. Auch er kommt in Ihrem Roman vor. Sie nennen ihn den „Marcel Hirscher von ‚Age of Empires 2‘“. Warum? Weil er in mehreren Disziplinen Weltklasse ist, wie Marcel Hirscher es war. Aber wohl kaum in Riesenslalom und Slalom. Nein, aber in „Micro“ und „Macro“. Was heißt das? In „Age of Empires 2“ ist Macro die Wirtschaft, die man so gut wie möglich aufbauen muss. Micro ist die Kunst, die Einheiten ideal zu steuern, also zum Beispiel Ritter oder Bogenschützen. Es gibt ein paar junge Spieler, die eine gleich gute Micro wie TheViper haben, aber die Wirtschaft nicht so souverän kontrollieren. Und es gibt ein paar ältere Spieler, die ihm strategisch, bei der Macro, ebenbürtig sind. Aber niemand sonst kann beides so gut wie TheViper.

„Ørjan Larsen ist der Größte der Szene, der Marcel Hirscher von ‚Age of Empires‘.“ 58

Weil Sie junge Spieler ansprechen: ­Merken Sie als Millennial, dass die ­Generation Z Gaming anders erlebt? Ich bin 31. Als meine Altersgenossen mit Computerspielen begonnen haben, gab es fast keine Möglichkeiten, damit Geld zu verdienen. Diese Möglichkeiten hat meine Generation mit aufgebaut. Die Jüngeren sind bereits mit der Chance aufgewachsen, Profi-Streamer oder Gamer zu werden. Die Generation Z professionalisiert sich früher. Reden wir zum Schluss über das größte Game der Welt. Im Dezember erschien der Trailer von „Grand Theft Auto VI“, bei dem man Autos klaut und in einer riesigen Open-World-Karte Gangster-Missionen erledigt. Das Spiel ist mit einem Entwicklungsbudget von zwei Milliarden Dollar das teuerste Unterhaltungs­produkt, das die Menschheit je erschaffen hat. Was würden Sie am Konzept des Games verändern? Sie meinen als Autor der Storyline? Nein, die komplette Ausrichtung. Angenommen, Sie wären Präsident von Rockstar Games, der Entwicklerfirma … Boah. Welche Richtung würden Sie dem ­größten Spiel der Welt geben? Ich würde endlich „GTA Europe“ machen. Eine Version des Spiels, in der London, Paris und vier, fünf andere Städte in einer großen Karte spielbar sind. Das richtige „GTA VI“ spielt aber in Miami. Und das ist der größte Fehler der Serie: dass alle Teile in den USA spielen. Spannender wären „GTA Europe“, „GTA Buenos Aires“ oder „GTA Hong Kong“. Als Präsident von Rockstar Games würde ich „GTA“ für die ganze Welt öffnen.

SPIELE DES LEBENS Autor Schachinger über drei Games, die ihn prägten.

„Star Wars Battlefront“ „Teil eins und zwei dieser ShooterReihe habe ich geliebt. Was mir besonders gefällt: Du bist als einzelne Figur Teil einer Armee, kannst aber im Multi­playermodus deine Freunde dazunehmen. Wir haben als Jugend­liche sogar unsere PlayStation auf den Skikurs ­mitgenommen, um im Zimmer ,Battlefront‘ zu spielen.“ „Rome: Total War“ „Ein rundenbasiertes Strategiespiel, in dem du auf einer großen 2D-Karte diplomatische und ­taktische Entscheidungen triffst, um ein Land zu erobern. Kommt es zu einer Schlacht, wechselst du in den 3D-Modus und kämpfst in Echtzeit mit deinem Gegner, der ebenfalls eine Armee lenkt.“ „Hotline Miami“ „2D-Pixelgrafik, AchtzigerjahreTechno-Soundtrack: Dieses ­Indie-Game war 2012 in meiner Bubble groß. Du läufst durch ein Haus mit ­Gegnern, die du besiegen musst. Wirst du getroffen, ist das Spiel sofort vorbei. Perfektes Timing ist gefragt. Im Prinzip vollführst du eine Choreografie – bei der du auch mal Türen eintrittst. Spiele ich noch heute gern.“

Das Buch zur Story: „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger ist im Rowohlt Verlag erschienen.

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RED BULL CONTENT POOL

Ørjan „The­Viper“ Larsen: der „Age of Empires 2“-Profi beim Turnier Red Bull ­Wololo in Heidelberg. Den Superstar der Szene hat Tonio Schachinger ebenfalls im Roman ­verewigt.


GESTERN, HEUTE, MORGEN Der Podcast über Innovationen im Wandel der Zeit

Alle zwei Wochen schaut sich Hostin Saskia JungniklGossy eine Innovation unseres Alltags genauer an – und verfolgt ihre Entwicklung: Wer hat das Ding erfunden? Warum ist es heute noch relevant? Und wie wird es morgen ausschauen? Neugierig? Hier geht’s zum Podcast:

Eine Kooperation von


UFO AUF STEUERBORD! TEXT TRISTAN KENNEDY

FOTOS SHAMIL TANIA

Sieht aus wie frisch aus dem All gelandet – und fliegt unter Strom übers Wasser: Die neue Boot-Rennserie E1 testet das „RaceBird“, ihren progressiven Aqua-Boliden. Und castet unter Spitzensportlern die neuen Piloten. Im Bootcamp – endlich einem, das den Namen verdient! 60

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GEORGE MONK

Starker Strom Ein Testlauf auf dem Lago Maggiore – das ­RaceBird nähert sich als erstes ­Elektroboot der 50-Knoten-Grenze.


Aus-Flug Und mit einem Mal hat das Wort einen Beigeschmack von Wahrheit: Das RaceBird schwebt über die Wasser­oberfläche.


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unächst sprang er mit seinem Rad aus einem Hubschrauber auf das 321 Meter hohe Gebäude des Hotels Burj al Arab in Dubai. Dann vollführte er Vorwärtssalti in einem eigens gestalteten Skatepark, der unter einem hochschwebenden Heißluftballon baumelte. Jetzt aber steht dieser Kriss Kyle – mit seinen 31 Jahren einer der besten BMX-Freestyler seiner Generation – in einem Freizeitzentrum barfuß auf beigen Fliesen, am Rande eines Schwimmbeckens, und hat Angst, richtig große Angst. Groß genug, um es offen zuzugeben. „Ich kann ja nicht einmal besonders gut schwimmen“, sagt er leise. Und leicht bibbernd. Was ist es nur, das dem Schotten, der doch immerhin aus den rauen Gefilden Bravehearts kommt, so zusetzt? Die maßstabsgetreue Glasfaserkopie eines Rennbootcockpits, ein Trainingsgerät, in dem Kyle gleich einen sogenannten Tunktest durchführen wird, sprich: simuliertes Kentern. Kopfüber, unter Wasser und mit einem Fünfpunktgurt an seinem Sitz fest­ geschnallt, wird er nach der Notluftzufuhr haschen – und dann möglichst ruhig bleiben, während sich das gesamte Cockpit mit Wasser füllt. Was ihm wiederum die Möglichkeit geben wird, die Klappe zu öffnen und zu entkommen. Wenn alles klappt. Warum setzt sich jemand wie er, ein flächendeckend tätowierter Vollprofi mit Erfahrung und Routine in seinem Sport, dieser Art von Psychofolter aus? Während er noch ein paar Minuten braucht, um sich mental zu pushen, versucht es Powerboating-Trainerin Claire Toohey zu erklären: „Wenn er’s nicht schafft, kommt er nicht auf das Boot. So einfach ist das.“ „Das Boot“, von dem Toohey spricht, wurde auf den klangvollen Namen „RaceBird“ getauft und ist das weltweit erste vollelektrische Rennboot – und

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gleichzeitig das erste, das mit Hydrofoils arbeitet: flügelartigen Ausbuchtungen, die das Boot komplett aus dem Wasser heben, wenn es Speed aufnimmt. Erdacht von der norwegischen Yachtdesignerin Sophi Horne, bildet dieses futuristische emissionsfreie Geschoss – halb Boot, halb der X-Wing-Fighter aus „Star Wars“ – die Grundlage für die neue Rennserie E1, die das Ziel verfolgt, die Welt des Bootrennsports zu revolutionieren. Und revolutionieren ist e-volutionieren.

Fliegender Wechsel BMX-Freestyler Kriss Kyle kurz vor ­seinem ersten Date mit dem Wasser­boliden.

Nadal, Perez und Drogba – die Glam-Crew Die Performance des RaceBird hat der E1, neben ihren ökologischen Vorzügen, einiges an Interesse von Menschen eingebracht, die man nicht mit dem Bootrennsport in Verbindung bringt. Tennismegastar Rafael Nadal, American-Football-Quarterback Tom Brady und die ivorische Fußballlegende Didier Drogba haben sich alle als Teambesitzer angemeldet. Auch Formel-1-Fahrer Sergio Pérez von Red Bull Racing ist an Bord. Sogar Salsa-Schwerenöter Marc Anthony und DJ-Superstar Steve Aoki sind als Teambesitzer mit dabei. „Wenn man zusieht, wie diese elektrischen Powerboote dahinfliegen, einfach in der Luft schweben, dann ist das buchstäblich wie ein direkter Blick in die Zukunft“, schwärmt Aoki.

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Los geht es ganz trocken in einem Klassenzimmer, wo die Prüflinge grundlegende Fähigkeiten wie An­ legen und Knotenbinden lernen. Anschließend besteigen sie erst ein Freizeitboot, dann ein leistungsstarkes Rennsportgeschoss namens Puma und schließlich: das RaceBird. „Unter normalen Umständen würde man nie so einen schnellen Sprung machen“, sagt Toohey. „Es ist, als würde man heute den Führerschein machen, morgen in einen Ferrari steigen und übermorgen Formel 1 fahren.“ Nur die zischende Gischt, sonst Stille Doch heute und jetzt steht Kriss Kyle auf einem Holzsteg, zieht sich einen orangefarbenen Jumpsuit über und rückt den weißen Sturzhelm auf seinem Kopf zurecht. Wer nicht genau hinsieht, könnte ihn für Luke Skywalker halten. Die Foils bleiben untergetaucht, als Kyle erstmals am Steuer des RaceBird aus der Marina steuert, einem laut tuckernden Hilfsboot hinterher. An dessen Steuer sitzt Lino di Biase, ein grauhaariger Rennbootveteran und Gewinner mehrerer Weltmeisterschaften. Neben ihm analysiert Race ­Engineer Dean Clark – ähnlich wie in der Formel 1– eine verwirrende Menge an Echtzeitleistungsdaten. Als der Konvoi die Küste hinter sich gelassen hat, drückt Trainerin Mathilda Wiberg den Sprechknopf auf ihrem Headset: „Okay, Kriss, du kannst loslegen.“ Und wie! Das Boot erhebt sich aus dem See und schwebt, der Luftraum zwischen der Rumpfunter­ seite und der Wasseroberfläche ist sofort sichtbar. Doch anders als bei allen anderen Powerbooten, die je gebaut wurden, fehlt praktisch jegliches Motorengeräusch. Nur die zischende Gischt zerreißt die Stille.

„Mein Job ist klar definiert: Dieses Ding muss ‚Wow!‘ werden.“ SOPHI HORNE, DESIGNERIN DER RACEBIRD

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Volle Deckung Ein letztes Schutzelement wird fixiert. Ein Gutteil des ­Serviceteams hat Formel-1-Erfahrung.

Voll konzentriert Vicky Piria kommt vom Autorennsport – nun debütiert sie als Testpilotin des RaceBird.

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GETTY IMAGES

Doch nicht nur die hochkarätige Riege der Teambesitzer macht die E1 zu einer einzigartigen Meisterschaft, hinzu kommt das Auswahlverfahren für die Piloten und Pilotinnen: Jedes Team muss einen Mann und eine Frau ins Rennen schicken. Und dafür wurden im Herbst des Vorjahres 44 Sportprofis aus den unterschiedlichsten Disziplinen in eine einzigartige Trainingsakademie eingeladen, wo sie nun um einen Platz im Starterfeld rittern. Schwedische Rallyefahrerinnen, kuwaitische Jetski-Champions und sogar ein spanischer Le-Mans-Veteran: Sie alle haben sich an der Trainingsbasis am Lago Maggiore nordwestlich von Mailand versammelt. Und bisher haben alle den gefürchteten Tunktest bestanden. Bis auf einen. Kriss Kyle kann den Moment nicht weiter hinaus­ zögern. Also klettert er in die Cockpit-Imitation und schnallt sich an. Doch schon ein paar Sekunden später ist alles überstanden. Fluchend und triefend lässt er sich auf die Seite fallen, lächelt dabei aber, bevor er hinaustapst, um sich umzuziehen. Erst jetzt zeigt ihm Trainerin Toohey die Aufnahme eines früheren Tunktests, bei dem die spanische Motorradmeisterin Laia Sanz sich in ihrem Gurt verhedderte und gerettet werden musste. Der E1-Zirkus kam erstmals im April 2023 an den Lago Maggiore, als eine Test- und Trainingsbasis am Ostufer in der Marina di Verbella eingerichtet wurde. Und neben all den Freizeitbooten hier in der Marina sieht das RaceBird aus, als wäre es frisch aus dem All gelandet. Aber auch die Lernkurve bei der E1Trainingsakademie ist ziemlich steil: Den Kurs, der innerhalb von nur fünf Tagen zu absolvieren ist, hat Claire Toohey beinhart konzipiert.




„Wir setzten auch intern auf beinharte Konkurrenz.“

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MATHILDA WIBERG, POWERBOOT-MEISTERIN

Hochgefühl Geradlinig und martialisch wie eine Rakete – doch im Alltag liebt es das RaceBird eher kurvig.

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Rasch wird’s schneller. Und heikler. Der Clou bei der Geschwindigkeitsmaximierung besteht darin, das das RaceBird, etwa beim Wenden, durchgehend auf den Foils fliegt – und das erfordert einen heiklen Balanceakt mit dem Strompedal: Ist man zu langsam unterwegs, generiert man nicht genug Auftrieb. Steigt man zu fest aufs Pedal, erzeugen die Foils zu viel Auftrieb: Wenn sie nämlich zu nah an die Oberfläche geraten, funktionieren sie nicht mehr, und das Boot plumpst in einem bombastischen Bauchklatscher wieder aufs Wasser. Schnurgerade auf und ab zu cruisen ist eine Sache, doch sobald Kyle versucht, die Ecken zu nehmen, verliert er das Gleichgewicht. Der Rumpf schmettert zurück auf die Wasseroberfläche und schickt eine riesige Sprühwolke nach oben, das Boot hüpft hoch und runter wie ein fideler Delfin. Im Hilfsboot sitzt indes Wiberg, die Trainerin, und lacht still in sich hinein. „Ich kann Kriss schimpfen hören, dabei hat er gar nicht auf ‚Sprechen‘ gedrückt“, sagt sie dann. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 Knoten (92 km/h) kann das RaceBird mit herkömmlichen Rennbooten in einem geradlinigen Wettrennen nicht mithalten – aber die E1 interessiert sich nicht für gerade Linien, sondern für die Schnörkel. Ihre Stärke liegt in der Manövrierbarkeit und in effizientem Kurvenfahrverhalten – wie Kyle es gerade zu beherrschen versucht. Und darin, dass ein Rennen dadurch dynamischer wird. In Kombination mit dem fast auf null gedimmten Sound ergibt das einen Wasser­boliden, der die See- und Meeresflora deutlich weniger stört als übliche Schnellboote und auch Stränden und historischen Gebäuden in Wassernähe kaum zusetzt.

Traditionell finden Powerboot-Rennen ja auf offenem Wasser statt, weit weg vom Ufer. Die E1-Boote hingegen können viel küstennäher unterwegs sein, und das, so das Kalkül, zieht auch ein größeres Pu­ b­likum an. Bei acht konkurrierenden Teams gehen immer vier Boote jeweils unmittelbar nacheinander ins Rennen, das verspricht ein actiongeladenes Spektakel – und perfektes Lobbying für vollelektrische Wasserfahrzeuge. Die erste Saison wird aus sieben Rennen bestehen und in legendäre Küstenstädte wie Monte Carlo, Genf und Rotterdam führen. Das große Finale steigt dann im November in Hongkong. In Venedig, wo der Wettbewerb im Mai Station macht, hat der Bürgermeister schon versprochen, ausnahmsweise das strikte Geschwindigkeitslimit von 20 km/h aufzuheben. Und all das ist freilich nicht möglich ohne trainierte und rennbereite Pilotinnen und Piloten. Also zurück zu Kandidat Kriss Kyle. „Man spürt es körperlich, wenn man auf eine Welle trifft“, japst Kyle nach dem ersten Durchgang. „Es ist die pure Anspannung! Ich habe mich am Steuer festgekrallt. Es hat lange gedauert, bis ich das Boot im Griff hatte – aber wenn man dann eine gute Runde hat, fühlt sich das großartig an. Es ist genau so, als ob ich mich mit dem Mountainbike in eine enge Kurve legen und die Böschung entlangrasen würde.“ Ein Schnabel, spitz wie eine Nadel Aber wer steckt hinter dem RaceBird? Die erst 28-jährige norwegische Designerin Sophi Horne und ihr Start-up Seabird. „Meine ursprüngliche Inspiration waren die Vögel“, sagt sie. „Daher kommt die ganze Aerodynamik – da ist der Schnabel des Vogels, spitz wie eine Nadel, und die Flügel als die Foils.“ Im Jänner 2019 unterbreitete Horne ihre Idee Alejandro Agag, dem Gründer zweier bestehender E-Automobil-Rennmeisterschaften, der Formel E und der Geländeversion Extreme E: Das ehemalige Mitglied des Europäischen Parlaments, Schwiegersohn des früheren spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar, versammelt in seinem dicken Adressbuch die Größen aus Sport und Politik. Und nunmehr auch Horne. Einige Monate später meldete er sich bei ihr und bot ihr eine Investition an. Mit Agags Hilfe rekrutierte Horne für ihr junges Start-up-Personal, dazu gehörte auch Agags guter Freund Rodi Basso als technischer Leiter. Basso, ausgebildeter Raumfahrt­ ingenieur, hatte – wie passend – bei der NASA gelernt und – noch passender – in der Formel 1 gearbeitet. Die E1-Meisterschaft, ein Gemeinschaftsprojekt von Basso als Geschäftsführer, Agag als Vorsitzendem und Horne als führender Gestalterin, war letztendlich Bassos Idee. Vergleichbar mit elektrischen Rennwagen, die die Entwicklung handelsüblicher E-Autos vorantreiben, werde so „die Elektrifizierung der Marinebranche beschleunigt“, argumentierte er. „Die einzige Ansage von Alejandro und Rodi lautete: ‚Mach das Ganze ‚Wow!‘“, sagt Horne und lacht. Und bald schon wurde der Prototyp von Wow zu Wasser gelassen. In Verbindung mit Bassos Ingenieurkünsten und Agags Status im E-Rennsport erregte er schnell die Aufmerksamkeit der Investoren. Kaum ein Jahr verging, da hatte der PIF, Saudi-Arabiens

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„Beim Driften hätte es mich fast auf den Kopf gestellt.“ TIMMY HANSEN, TESTPILOT

Auto im Kopf Extreme-E-Fahrer Timmy Hansen vor seinem Erstversuch mit dem RaceBird. „Ich habe probiert, sie wie meinen Rallycross-Wagen zu fahren“, sagte er danach. Was für ein Fehler!

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Fonds für öffentliche Investitionen, bereits einen großen Anteil an der Meisterschaft erworben. Dem PIF, der bereits hohe Summen in saudische Fußball­ ver­eine investiert und Stars wie Cristiano Ronaldo gekauft hat, wird Sportswashing vorgeworfen, also viel Geld in Athletik aller Art zu stecken, um von der dürftigen Menschenrechtsbilanz des Königreichs abzulenken. Auch Greenwashing-Vorwürfe wurden erhoben. Professor Carlos Duarte, ein Meeresbiologe, der in Saudi-Ara­bien arbeitet, nimmt zur Kenntnis, dass da eine gewisse Skepsis an der Umweltbilanz der Serie unvermeidlich ist. Die E1 verteidigt er dennoch uneingeschränkt. „Wir müssen uns zusammenreißen, um den Klima­ wandel in den Griff zu kriegen, und das Einzige, was viele von uns eint, ist der Sport“, sagt er. Vor der E1 hat er schon mit anderen Sportgremien wie dem Olympischen Komitee Spaniens gearbeitet. Lange Jahre der Erfahrung hätten ihm gezeigt: „Wenn ein Sportheld über den Klimawandel spricht, kommt die Botschaft viel besser an.“ Und Agag fügt hinzu: „Rechnet man die Reichweite der Teilnehmenden und der Teambesitzer ein, haben wir bald mehr als

eine Milliarde Follower in den sozialen Medien.“ Jetzt muss die E1 nur noch Erfolg haben. Und Mathilda Wiberg, die 20-jährige schwedische Powerboot-Meis­ terin, hat die Aufgabe, den Kandidatinnen und Kandi­ daten des Piloten-Castings so richtig auf Steuermann zu bringen und ihnen alles beizubringen, was sie über Rennboote wissen müssen – besonders, da das oft alle bisherigen sportlichen Grenzerfahrungen sprengt. „Ich habe versucht, damit zu fahren wie mit meinem Rallycross-Wagen“, sagt der schwedische Extreme-­E-Fahrer Timmy Hansen über seine erste Fahrt im Puma-Übungsboot. „Ich bin mit ordent­licher Aggression in die Ecke reingefahren und habe ver­ sucht, ein bisschen zu driften, aber offenbar war das viel zu viel. Ich hätte mich fast auf den Kopf gestellt.“ Als er zum ersten Mal das RaceBird in Betrieb nimmt, schafft es Hansen nicht, einige dramatische Bauch­ klatscher zu vermeiden. „Es ist so anders als Auto­ fahren und braucht richtig viel Übung“, bilanziert er. Wie mit 200 km/h am holprigen Highway Ja, dieses wundersame Wasserwesen ist schwerer zu fahren, als man ihm ansieht. Und es fühlt sich auch viel schneller an, als es wirklich ist. „Stell dir vor, du fährst mit dem normalen Auto 200 km/h auf einer holprigen Autobahn – genauso fühlt sich das an bei 40 Knoten. Und wenn man runterknallt, ist das ziem­ lich heftig“, sagt Hansen. Dennoch: Schon bald hat er den Dreh raus, und bis zur letzten Runde des Tages ist er bei „Torque Map 5“ angelangt, der schnellsten Einstellung des RaceBird. Die Trainingstage hier am Lago Maggiore haben ihren eigenen, natürlichen Rhythmus. Er ist dadurch vorgegeben, dass das RaceBird nach jeder Stunde auf dem Wasser neu aufgeladen werden muss. Zwischen den Durchgängen haben die Prüflinge Zeit, sich über das Erlebte auszutauschen. „Du warst schnell“, sagt Kyle zu Hansen. „Vielleicht zu schnell“, antwortet dieser. Koketterie unter Konkurrenten – beide wis­ sen, bald könnten sie Gegner sein. Denn Wiberg, die Ausbildnerin, sagt, bis jetzt hätten alle sie sehr beeindruckt: „Die Autorennsportler wie Timmy er­ fassen rasch, wie man am schnellsten um die Kurve kommt, dafür balanciert Kriss ganz ausgezeichnet auf den Foils, was wahrscheinlich dem entspricht, wie er das Gleichgewicht auf seinem Bike hält.“ Den angehenden Pilotinnen und Piloten kommt zugute, dass das Boot, ähnlich einem Düsenjäger, elektronisch gesteuert ist. Das Fly-by-Wire-System erfordert keine besondere Körperkraft, daher können Männer und Frauen ebenbürtig gegeneinander antre­ ten. Außerdem erfolgt die Steuerung angenehm intui­ tiv, mit violetten und grünen Leuchttasten erinnert das Steuer eher an einen XBox-Controller. „Trotzdem ist es ganz anders als alles, womit ich je in meinem Leben gefahren bin“, sagt Lucas Ordóñez, ehema­liger Le-Mans-Teilnehmer und selbst Bootseigner, der mit Kyle und Hansen trainiert. Und auch er stimmt in den Chor der Verwunderung ein: „Das Ding hat mit Boot­ fahren nichts mehr zu tun. Das ist Fliegen.“ Vicky Piria, eine weitere Auszubildende, weiß, was es heißt, neue Fahrzeuge in Betrieb zu nehmen: Sie ist bei Formel-3- und GT-Meisterschaften eben­ so angetreten wie bei der mittlerweile eingestellten

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Batterie sei „eine Box in einer Box“, die an acht Verankerungen in einem eigenen Karbonfasergehäuse hängt. Die richtige Form für die Foils zu finden, habe hingegen Jahre gedauert. Die ersten Versionen seien einfach an den Rumpf eines bereits vorhandenen Bootes geschraubt worden. „Wir nannten es ­‚Frankie‘ – kurz für Frankenstein“, erinnert sich Designerin ­Sophi Horne. „Hübsch war es wahrhaftig nicht.“ Die aktuellen RaceBirds sind im Gegensatz dazu pure Geschmeidigkeit – selbst dann, wenn sie, manchmal noch in Einzelteilen, darauf warten, zusammengesetzt zu werden: Die riesige Lagerhalle befindet sich eine kurze Fahrt von Marina di Verbella entfernt. Hier herrscht geschäftiges Treiben: Ein hochqualifiziertes Team umschwirrt fünf neue Karbonfaserrümpfe so emsig wie Mechaniker beim Boxenstopp. „90 Prozent der Leute waren vorher bei der Formel 1, der Formel E oder in Le Mans“, sagt der technische Betriebsleiter Chris Bluett. Ob die Pilotinnen und Piloten den gleichen Grad an Kompetenz erlangen werden, ist noch offen – aber Claire Toohey, die Powerboating-Trainerin, ist zuversichtlich. „Die sind alle gewohnt, in kurzer Zeit viel Information aufzunehmen.“

Vogel gelandet Mit geöffnetem Cockpit ruht das ­RaceBird auf dem Wasser – erst ­frischer Strom, dann wieder Sturm.

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W-Serie rein für Frauen. Doch auch sie hat Respekt vor etwas derart Neuem, zumal da bei den eigent­ lichen Rennen ein Boot gegen drei andere Boote ins Rennen geht, die alle nach vorn drängen. „Das Überholen bereitet mir Sorgen, die Gefahr des Kontakts“, sagt sie. „Es wird echt noch mal aufregender, wenn wir dann von anderen Booten umgeben sind.“ Piria hat Erfahrung mit Unfällen bei hoher Geschwindigkeit. Im Vorjahr brach sie sich das Steißbein, als bei 260 km/h die Radaufhängung ihres GTWagens versagte. „Sobald ich die Bremsen berührte, war das Auto vollständig unkontrollierbar“, erinnert sie sich. Für ihre Eltern ist ihre Bewerbung für die E1 allerdings noch beunruhigender: „Sie haben Sorge wegen der Kombination aus Elektrizität und Wasser.“ Dabei war die naheliegende Frage, wie man eine Starkstrombatterie gefahrlos zu Wasser lässt, relativ schnell geklärt, wie Ingenieur Dean Clark erklärt: Die

Gottlob, endlich – Boot im Lot Es ist Kyles vierte und letzte Runde in dem RaceBird. Er hat sich als vielversprechender Kandidat hervorgetan: Elegant fliegt er übers Wasser, bedient die Steuer­ elemente und hält das Boot im Lot. Selbst Mathilda Wiberg, die Powerboot-Meisterin im Hilfsboot, ist beeindruckt. „Alle haben am Ende des Trainings ein wirklich hohes Niveau erreicht“, sagt sie. „Das war unser Ziel für die Rennserie. Wir wollen von Anfang an eine beinharte Konkurrenz.“ Schon bald werden die Mechaniker das Boot wieder aufladen müssen, um es für die nächsten Teilnehmenden fertig zu machen. Kyle, Ordóñez und die anderen haben ihr Basistraining nun bald hinter sich. Sie werden in ihren rasanten Alltag zurück­kehren und nicht wissen, ob sie je wieder einen Fuß auf das RaceBird setzen dürfen. Die Zusammenstellung der Teams steht noch bevor, Zeitpläne und Verträge müssen noch ausgehandelt werden. Die endgültige Aufstellung ist noch lange nicht entschieden. Draußen auf dem Lago Maggiore dreht Kyle seine finale Schleife, während Lino di Biase, Bootstechniker und Ikone des Powerboat Racing, gebannt auf die Stoppuhr schaut. Er hat die Rundenzeiten aller TestRacer gemessen und ausgewertet. Noch ehe Kyle an Land geht, entweicht dem Italiener ein melodiöses „È bravo, questo ragazzo“. Mehr Applaus geht nicht – zumal das ja grad mal das Ende des ersten Aktes ist. Kriss Kyles Chancen dürften also gar nicht schlecht stehen. Doch schon für das gesamte Trainingslager galt: Dabeisein ist alles. Ob er nun tatsächlich in der E1 antreten darf oder nicht – für Kyle war es eine einzigartige Erfahrung. „Es ist schon cool, zu den Leuten zu gehören, die überhaupt als Piloten infrage kommen – total neu und einmalig“, sagt er. Obwohl er kein großer Freund des Wassers ist, denkt er nun darüber nach, sich ein Boot zu kaufen. „Womöglich sogar ein elektrisches.“ Das nennt man in der Branche dann wohl fliegenden Wechsel. Mehr Infos: e1series.com

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MISSION STILBRUCH Londons versnobtestes Tanztheater. Einst schwebte man zu „Schwanensee“, doch nun bebt hier das Kult-Festival Breakin’ Convention! Willkommen im Ballett der Beats und Bässe.

TEXT ALICE AUSTIN FOTOS DAVID GOLDMAN


Beinhart, Bein hoch! Die Gully South Block-Tanzcrew (li.) und ein Tänzer der MOVER-Crew (re.) auf der Breakin’ Convention 2023

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Der Godfather. Jonzi D ist die Kultfigur des Brit-Breaking.

sagt Canning Town, „wenn einer sagt, er ist aus Dagenham, dann sag’ ich: Du bist in Ordnung, Bro, wirklich. Aber du bist nicht London, du bist Essex …“ Doch plötzlich wird Canning Town per Mikrofon aufgerufen. Nun kippt in ihm ein Schalter: Ein paar Sekunden später verrenkt er seinen Körper ruckartig zur Musik, seine Bewegungen wirken mit einem Mal wie aus einem Stop-Motion-Trickfilm. „Das nennt man Krump“, kommentiert Osten, alias Bill Litambola. „Der Stil kommt aus den USA. Er ist grazil und animalisch zugleich.“ Man sieht sofort, was er meint: Die Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich im Gleichklang, ihre Moves sind wie ein gemeinsamer Puls. Mal schneller, mal langsamer, wie vom selben Heartbeat gesteuert. Dann ruft jemand auch Litambolas Namen auf, und er läuft nach vorne auf die

Bühne. Breitschultrig, selbstbewusst, einer, der weiß, wo’s langgeht. Wenn die Bässe aus den Boxen dröhnen, wird er die Anmut von Ballett mit der Rohheit des Breakdance verbinden. Und wer weiß, womöglich würde sogar Churchill dezent mitwippen. Nach seinem Auftritt erzählt Litambola mehr über den Gully South Block. Dort verschmelzen verschiedene Tanzgruppen – ein paar aus London, andere aus Birmingham. Er selbst tanzt seit über einem Jahrzehnt Krump. Der Stil trat in einer einschneidenden Phase in sein Leben. Sein Bruder war ermordet worden, und Litambola stand kurz davor, auf die schiefe Bahn zu geraten. Doch er schloss sich einer Tanzgruppe an. „Die war mein rettender Engel“, sagt er. Heute ist Litambola einer der besten Krump-Tänzer des Vereinigten Königreichs. Und es war die Breakin’ Convention, die

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PAUL HAMPARTSOUMIAN

iesen Kontrast muss man sich erst mal vor Augen führen: Früher war das altehrwürdige Sadler’s Wells Theatre die stilprägende Ballettbühne Londons, das Royal Ballet und die English National Opera gingen aus ihm hervor, zu den Donatoren zählten historische Schwerkaliber wie Winston Churchill. Doch plötzlich – roll over, „Schwanensee“! Denn nun gibt hier Jonzi D mit seinem Kult-Festival Breakin’ Convention den Rhythmus vor. Jonzi ist so was wie der Godfather des Brit-Breaking, trägt anstelle steifer Smokings grellen Eighties-Look samt ballonförmiger Rastamütze. „Der Begriff Hochkultur spaltet“, sagt er. „Er ist hierarchisch und grenzt aus. Also setze ich alles daran, ihn aufzubrechen.“ Mission Stilbruch: Wir blicken hinter die Kulissen eines Tanzes, eines Sports, einer Bewegung, die im kommenden Sommer, bei den Spielen von Paris, erstmals olympisch sein wird. Aber zunächst zurück nach London. Neben der großen Bühne des Wells Theatre stehen Mitglieder der Tanzcrew Gully South Block beisammen. Der Rest der 30-köpfigen Truppe widmet sich den Proben für die Breakin’ Convention, die an diesem Wochenende hier stattfindet. Um ihre Nervosität zu überspielen, reden sie über die Stadtteile, aus denen sie stammen. Im Stakkato, Smalltalk unter Breakern. „Ich bin aus dem Osten.“ – „Südwesten.“ – „Osten, Canning Town.“ – „Canning Town ist weit weg, Mann“, sagt Südwesten. „Yeah, aber nicht so weit wie Dagenham“,


Lights down, Volume up. Und da startet ein Tanz, grazil und höllisch zugleich. Bewegende Momente. Die Boy Blue-Crew aus East London, die schon bei der ersten Convention 2004 dabei war


Fünf Frauen, fünf Moves, ein gemeinsamer Heartbeat Laute Sohlen. La Diva aux Pieds Nus, zu Deutsch „Die Barfuß-Diva“, nennt sich diese französische Gruppe.


den Tanzboden für Leute wie ihn aufbereitete. Tja, und nun proben Litambola und seine Crew erneut für Jonzis alljährliches Hip-Hop-Festival, das im Mai 2024 sein 20-jähriges Jubiläum feiert. Gründer Jonzi D hat wieder einmal alle Register gezogen: Drei Tage lang treten auf drei Bühnen an die 30 Künstler auf. Für die vielen britischen Tänzer ist es ein Heimspiel. Der Rest kommt aus Süd­korea, den USA, den Niederlanden, Frankreich oder Brasilien. Das Programm umfasst Rap-Workshops, Beatboxing-Battles, Breakdance-Acts, eine Jamsession im Park und zwei abendfüllende Performances. Ein Festival, das Hip-Hop und Elemente des Theaters miteinander verknüpft – das war vor zwei Jahrzehnten revolutionär und ist es auf gewisse Weise noch immer. Seit der ersten Breakin’ Convention hat sich viel getan. Etliche Künstler von damals haben mittlerweile Olivier Awards zu Hause stehen, die höchste Auszeichnung in der britischen Theaterwelt. Sie haben Weltrekorde gebrochen, an Fernsehshows teilgenommen. Doch dass sie nun im Sadler’s Wells Theatre performen, setzt dem Ganzen die

Krone auf. Und Jonzi D, der Mann mit der Rastamütze, der ist ihr König. Der Bowie von Bow Geboren wurde Jonzi D in Bow, im Osten Londons, und zwar als David Jones – den Namen, der in seinem Pass steht, teilt er sich mit einer anderen Londoner Kunstfigur, die ihm an Bedeutung nicht nachsteht: David Bowie. Jonzi ist das jüngste von sechs Geschwistern, mit Hip-Hop kommt er bereits mit zwölf Jahren in Kontakt, als ihm seine Brüder einen Track der Elektrofunk-Crew Soulsonic Force vorspielen. Sein nächstes prägendes Erlebnis ist eine Doku, in der sich ein paar Dudes auf der Schädeldecke drehen und harte Reime rappen. „Das Erstaunliche daran: Sie sahen aus wie ich“, sagt Jonzi. „Meine Spiegelbilder zeigten etwas Bahnbrechendes – und irgendwie machte das auch mich stolz.“ Dieser Stolz ist es auch, der ihn darin bestärkt, zu tanzen. „Damals war es buchstäblich Street Culture: Wir haben Pappe auf den Gehsteig gelegt und uns darauf bewegt.“ Je tiefer Jonzi in die Tanzwelt eintaucht, desto zerrissener kommt er sich vor. „Ich

Die Chefin. Michelle Norton leitet die Breakin’ Convention.

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Endlich olympisch! Die Sportwelt wiegt Breaking in Silber & Gold auf. fühlte mich jedes Mal schuldig, weil ich im Studio zeitgenössischen Tanz und klassisches Ballett trainierte. Ich hatte das Gefühl, nicht real zu sein.“ Doch das Training bringt ihn auch dazu, die Verhältnisse zu hinterfragen: Warum findet Hip-Hop nicht in Tanzstudios statt? Oder auf den großen Bühnen? Gehören die Kulturtempel denn nur den Churchills im Smoking und ihren hochwohlgeborenen Nachkommen? Im Jahr 2004 schließlich gipfelten all diese Fragen in der ersten Breakin’ Convention. „Wir waren im ganzen Land die Ersten, die ein Festival an diesen Stätten der Hochkultur nur dem Hip-Hop und seiner Kultur gewidmet haben“, sagt Jonzi. „Denn die umfasst nicht nur Tanz, sondern auch Graffiti, Rap und alle künstlerischen Elemente des Hip-Hop.“ Auch Michelle Norton, die Leiterin der Breakin’ Convention, ist an diesem Wochenende im Sadler’s Wells Theatre allgegenwärtig. Norton lernte Jonzi bereits in den Achtzigern kennen, in den Hip-Hop-Clubs von Soho. Er veranstalte ein ganz neuartiges Tanztheaterfestival, raunte er ihr eines Tages verschwörerisch zu, und könne noch ein paar helfende Hände gebrauchen. Die größte Herausforderung sei es gewesen, zur Zielgruppe durchzudringen, sagt Norton. Denn Sadler’s Wells, das ist noch immer eine andere Welt. Niemand aus der Community würde dort auf Anhieb Hip-Hop-Kultur vermuten. Die Convention ist zwar in der internationalen Tanzwelt bekannt, gilt als eine der besten Veranstaltungen der Branche. Doch die Schwellenangst der Street Kids – es dauert lange, sie step by step abzubauen. „Aber spazier jetzt einmal durch das Gebäude“, sagt Norton und gerät ins Schwärmen. „Alles ist lebendig, es ist so ein buzz, ein richtiger Trubel.“ Buzz at its best, an diesem Samstag vibriert ganz Sadler’s Wells. Menschen jeden Alters und mit jedem nur erdenklichen ethnischen Hintergrund sind hier. Auf einem Balkon performt ein Beatboxer mit dick umrandeter Brille und Schiebermütze den Song „Can’t Feel My Face“ von The Weeknd mit nichts als einem Mikrofon und der Kraft seiner Lunge. Nur einen Meter weiter seilt

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Überlebenden. Vor etwa 15 Jahren begann sie, mit Jugendlichen zu arbeiten. Sie war Anfang zwanzig, als ein Bus der Drum  ’n’  Bass-Künstlerin Lady MC in ihrer Gegend auftauchte. Darin verborgen: ein Aufnahmestudio mit neun MacBooks Pro und Platz zum Üben. „Ich bin hingegangen und habe gefragt, ob ich ehrenamtlich mitarbeiten kann“, sagt Rafati. „Dann bekam ich sogar einen Job in der Complete Works Independent School.“ In dieser Schule für integrativen Unterricht und kreative Künste im Osten Londons erlebte Rafati die Überraschung ihres Lebens. „Sie haben mich gebeten, Rap-Workshops zu leiten. Ich habe mich nur gefragt: Wow, so was gibt es?“ Shay Ds Workshops kamen bei den Kids sofort an – weil sie noch immer eine von ihnen war. „Ich hatte selbst Schwierigkeiten in der Schule“, sagt sie. „Ich machte nur Unsinn, und ich hatte keinen Vater, der für mich da war. So habe ich einen guten Zugang zu diesen jungen Leuten gefunden.“

Die Vertrauensfigur. Shay Rafati trainiert den Breaking-Nachwuchs.

sich ein Graffiti-Künstler an einer Wand ab. Orange Farbtropfen rinnen ihm hinterher. Wie Tränen, nur fröhlich und grell. Dann strömt alles in den großen Thea­ tersaal, wo Jonzi die Bühne betritt. Das Publikum begrüßt ihn mit Applaus und freundlichen Zwischenrufen. Nach ein paar fancy Tanzschritten ruft jemand aus der Galerie: „Du hast es noch voll drauf!“ Jonzi lacht und setzt zu einer kleinen, leicht wehmütigen Rede an. „Hip-Hop-Kultur vereint uns. Rassismus ist unser Feind. Peace, Love and Unity bis zum Ende. Wisst ihr noch, 2004, Skills aus aller Welt und von hier. Wer kennt Salah und die Vagabond Crew? The Electric Boogaloos? Tommy the Clown? Zoo? Und den mächtigen Boy Blue …?“ Keine Sorge, alter Haudegen, die Crowd ist mit dem Vermächtnis der Breakin’ Convention bestens vertraut. Laut hallen die Namen der Künstler wider, die durch die Veranstaltung groß geworden sind. Dann wird das Licht gedimmt: Die Tanztruppe Echo betritt die Bühne. Ganz in Weiß gekleidet wirkt sie in ihren Bewegungen wie ein einziger Organismus. Die Tänzer ändern

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ihren Rhythmus so plötzlich, als würde jemand ein Video vor- und zurückspulen. Und der Bass lässt die Mauern wackeln, als würde das Theater selbst mittanzen. Echo ist jung. Die vor kurzem gegründete Tanzcrew ist ein Teil der Breakin’ Convention Youth, einer Truppe von 10- bis 21-Jährigen. Deren Managerin Shay Rafati – in der Szene als Rapperin Shay D bekannt – wuchs im Norden Londons auf. In einer Gegend, wo sich „die Leute grundlos abstechen“, erzählt sie mit der Gelassenheit der

Shay D versteht diese Kids. Auch sie kommt aus einem Viertel der gezückten Messer.

Mit Liebesgrüßen aus der Bronx Ihre Workshops bietet Rafati das ganze Jahr über an. Dort bringt sie den Kindern und Jugendlichen bei, wie man rappt, tanzt, Musikvideos dreht und auf der Bühne performt. Mit der Zeit entstand ein besonderes Vertrauensverhältnis. „Wir kennen die Kids und ihre Eltern. Wir wissen, wer absturz­ gefährdet ist, wir wissen, welches Verhältnis sie zueinander haben“, sagt sie. „Wir interessieren uns für ihr Leben und ihre Zukunft.“ Denn ihre Zukunft ist die Zukunft des Breaking, und die ist olympisch. Für das sentimentale Highlight dieses Abends sorgen Kevin und Keith Smith, auch bekannt als The Legendary Twins. Sie waren ein Teil von DJ Hercs originalen B‑Boys und B-Girls. Mit anderen Worten: Sie haben 1972 in der Bronx den Breakdance praktisch erfunden. Die beiden Legenden überreichen Jonzi, nun zu Tränen gerührt, einen Ehrenpreis des New Yorker Repräsentantenhauses, um sich für dessen Beitrag zur Hip-Hop-Kultur zu bedanken. Jonzi D verabschiedet sich unter tosendem Applaus, nicht ohne dem Publikum seine Botschaft mit auf den Weg zu geben: „Egal wer du bist, woher du kommst, womit du zu kämpfen hast oder welche gesellschaftlichen Hürden du überwinden musst, die Breakin’ Convention ist für dich da.“ Erst war da nur ein Tanz von der Straße. Nun wird er zur Olympia-Disziplin, und die Sportwelt wiegt ihn mit Gold und Silber auf. Breaking – ein Stilbruch. Da würde selbst Churchill klatschen, obwohl er mit Sport sonst nix am Zylinder hatte. Die Breakin’ Convention 2024 findet am 4. und 5. Mai im Sadler’s Wells Theatre, London, statt; breakingconvention.com

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Die Mauern wackeln. Tanzt hier nur ein B-Boy? Oder das gesamte Theater? So tanzt Asien ab. Dieser B-Boy ist mit seiner Crew MOVER aus Südkorea angereist, um sich in London zu präsentieren.


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Dein Guide für ein Leben abseits des Alltäglichen R E I S E N , H Ö R E N , O P T I M I E R E N , E R L E B E N – U N D FA H R E N ! Abenteurer Matt Ray (links) und sein Guide Ron Walker haben den Gipfel von Cnap Coire na Spreidhe in den Highlands von Schottland vor sich.

ED SMITH/BERGHAUS MEDIA

UND JETZT DU! THE RED BULLETIN

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REISEN

Matt Ray ist Actionsport- und Abenteuerjournalist und Fotograf mit besonderem Faible für Alpin-Exkursionen.

SCHOTTENROCKS

Landes sind hier zu finden, und so ist der Gebirgszug der Playground britischer Berg­ steiger und Kletterer. Sobald der Winter kommt, herrscht hier ein Tundrenklima mit Temperaturen von bis an die ­minus 30 Grad und Wind­ geschwindigkeiten von bis zu 280 km/h. Laut Walker kommen viele Polarabenteu­ rer hierher, um sich für ihre

Nur minus 18 Grad, fast schon Frühling: Abenteuer-Reporter Matt Ray durchklettert die Highlands. Da, wo sie wirklich high sind.

I

ch umklammere die zwei Eispickel, die ich in die Wand aus Schnee vor mir gerammt habe. Die Steigeisen unter meinen Schuhsohlen durchstoßen Schritt für Schritt den dünnen Eispanzer. Während ich auf 1100 Metern um Halt ringe, verwandelt der Wind die Schneeflocken in ein Trommel­ feuer kleiner Geschoße. Ich konzentriere mich darauf, ­einen Pickel nach dem ande­ ren so umzusetzen, dass ich stets drei Kontaktpunkte zum steilen Untergrund habe.

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Ein kurzer Strick verbindet das um meine Hüfte geschnall­ te Gurtgeschirr mit der Faust meines Kletterpartners Ron Walker, Bergführer bei Talis­ man Mountaineering. Diese „Absicherung“ ist aber eher psychologischer Natur: Rutscht einer von uns aus oder bricht die Schneeschicht, geht’s ge­ meinsam abwärts. Ich befinde mich im Her­ zen der Cairngorms, jenes ­Gebirgszugs, der Großbritan­ niens größtem Nationalpark seinen Namen leiht. Vier von fünf der höchsten Spitzen des

­ roßen Märsche zu stählen. g Walker, lapidar: „Bei Schlecht­ wetter in den Cairngorms ist es egal, was für eine Ausrüs­ tung man hat. Findet man kei­ nen Unterschlupf, geht es auf jeden Fall ums Überleben.“ Nun ist der Winter beinahe zu Ende, es hat wohltemperierte 18 Grad unter null. Aufgebrochen sind wir vor etwa zwei Stunden beim

Mit Pickel und Steigeisen voraus – Ron Walker sichert zwischen eisigem Schnee und hartem Fels die Route.

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Inverness

Aviemore

CairngormsNationalpark Edinburgh SCHOTTLAND

GUT ZU WISSEN Großbritannien

ED SMITH/BERGHAUS MEDIA

MATT RAY

Die Überwindung der letzten Meter: Walker (rechts) und Ray erobern den Gipfel des Cnap Coire na Spreidhe.

Cairngorm Mountain Centre. Die acht Kilometer zum Gipfel des 1151 Meter hohen Cnap Coire na Spreidhe – lautlich ebenso anspruchsvoll wie landschaftlich – sind wir über eine Firnschicht gewandert. Und nun: endlich Sonne und unendlicher Blick – für ein paar Minuten. Nach dem Abseilen in eine eiskalte weiße Wolke in einem Gebiet, das Northern Corries genannt wird, steuern wir auf einen von Walkers Lieblings­ plätzen zu, einen ganz spezi­ ellen Kletterfelsen, umhüllt von Eis und gepresstem Schnee. Zunächst müssen wir jedoch eine 70 Meter lange, ungeschützte Schneewand queren. Und Walker sagt: „Es gibt nie hundertprozentige Sicher­heit. Man muss lernen, den Gefahrenlevel niedrig zu halten.“ Thanks! Ich atme tief ein, da teilen sich die Wolken über uns, und etwas Sonnenlicht scheint durch. Von neuem motiviert,

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setze ich mich in Bewegung, und bald sind wir am Fuße von Walkers Felsen: einem Granit­ turm im Hochhausformat. Walker baut uns eine Art Anker, dann klettert er los. Da stehe ich nun, allein und ge­ beutelt vom eisigen Wind. Den ganzen Tag war mir nicht so kalt wie jetzt, ich spüre meine Zehen nicht mehr. Dafür aber drei feste Züge am Seil – mein Signal, loszuklettern. Mein Mentor ist nirgendwo zu sehen, ich bin also auf mich allein gestellt mit mei­ nen bescheidenen Fähigkei­ ten. Es fühlt sich seltsam und vor allem gefährlich an, mit Eispickeln und Steigeisen am Fels Halt zu finden, und mit zusammengekniffenen Augen suche ich nach guten Kanten. Als die Route in einer tiefen Spalte zu verschwinden scheint, muss ich meinen Kör­ per hineinzwängen, indem ich Löcher in den Schnee sto­ ße und Rillen im Fels suche, die gerade tief genug für mei­ ne Eispickel sind. Als der Aufstieg immer steiler wird, fällt der Schnee in sich zusammen – und der Fels wird glatter, sodass ich keine andere Wahl habe, als meine Steigeisen in gerundete Steinkanten zu rammen. Die Kraft weicht schlei­ chend aus meinen Armen: Schaffe ich das? Die Vorstel­ lung, dass Walker mich wie einen Kartoffelsack hier hoch­ ziehen muss, festigt meine Entschlossenheit. Ich ver­ brauche mein letztes bisschen Energie – und zwar für den Glauben: fern jeder Konfes­ sion und jedes Gottes einfach nur daran glauben, dass die

London

HINKOMMEN

Zwischen Flug und Zug Der Cairngorms-National­ park lässt sich ziemlich gut erreichen. Inlandsflüge ­gehen von London nach ­Inverness, Züge etwa von Edinburgh nach Aviemore. Letzteres ist das touristi­ sche Zentrum der Region.

Burgenland der Briten Mit seinen 4528 Quadrat­ kilometern Fläche (zum Vergleich: das Burgenland hat knapp 4000 km²) ist der Cairngorm s-National­ park der größte in Groß­ britannien. Hier klotzen vier der fünf höchsten Berge des Landes. Aviemore ist der Startpunkt für die meisten Touren. Hier fin­ den sich zahlreiche Hotels (Tipp: die Glenmore Lodge samt Trainingszentrum) und qualifizierte Berg­ führer wie Ron Walker von Talisman Mountaineering. talisman-activities.co.uk

Erleichterung und Erleuchtung: Walker und Ray (re.) haben den Cnap Coire na Spreidhe bezwungen. Endlich Sonne!

Steigeisen schon halten wer­ den, wenn ich mich Schritt für Schritt und Schub für Schub nach oben wuchte. Oben angekommen, über­ kommt mich die Dankbarkeit wie eine Welle. Definitely, ­Klettern ist eine Sache des Vertrauens, und am Ende hat mich das Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten – erst wankend, dann wiedererstarkt – auf diesen Turm gebracht. Es kam und blieb. Nur wir marschieren weiter.

Matt Rays Blog findest du auf: adventurefella.com; Instagram: @adventurefella

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HÖREN

WOZU DER WOLF TANZT B-Boy und DJ The Wolfer präsentiert seine vier Lieblingssongs – Emotionen zwischen Sunrise und Showdown.

M

Fireboy DML & Asake

Mellow & Sleazy

Musaria

Pusha T

„Amapiano und Afrobeat sind beim Auflegen zwei meiner Lieblingsgenres. Die Beats, die Baseline, ich mag diese Kombi hier so richtig. Der Song beschreibt für mich genau den Moment und das Gefühl, wenn man ein wich­ tiges Ziel erreicht hat oder etwas endlich abschließen kann. Deshalb habe ich ihn auch eine Zeitlang nach jedem meiner Siege gehört.“

„Es war fünf Uhr früh, ich kam von meinem ersten DJ-Gig nach Hause und konnte von meinem Balkon aus den Sonnenaufgang sehen. Dazu habe ich diesen Song aufgedreht, und in dem Moment hat es mich überwältigt – ich war einfach so happy! Der Text beginnt auch treffend mit dem Wort ‚Early‘ – für mich das beste Lied, um in den Tag zu starten.“

„Ich habe mich für diesen House-Song entschieden, weil er sehr beruhigend und chillig ist. Am liebsten höre ich ihn, wenn ich mit dem Rad in Innsbruck unterwegs bin, den Berg hochfahre, das Wetter schön ist und ich von oben auf die Stadt schaue. Dann passt nämlich auch der Songtitel perfekt dazu: Denk nicht an die Zukunft oder die Vergangenheit, sei einfach im Moment.“

„Viele B-Boys lieben diesen Song, weil er einen guten Rhythmus und Bass hat, dadurch wirkt er sehr energetisch. Mich hypt er so richtig auf und bringt mich in die passende Stimmung, Flips und Headspins hinzulegen. Deswegen gehört er auch zu meinen Favoriten, wenn ich trainiere. Und wenn ich ihn dann im Battle höre, heißt es für den anderen nur: Game over.“

BANDANA (2022)

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KWELINYE (2023)

MOMENT (ATJAZZ VOCAL MIX, 2010)

LET THE SMOKERS SHINE THE COUPES (2022)

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LISA HECHENBERGER

The Wolfer, ganz entspannt: Auf dem Instagram-Kanal @thawolfer teilt er seine neuesten Moves und DJ-Gigs.

ULRICH AYDT/RED BULL CONTENT POOL

Der QR-Code führt zur Podcast-Playlist von B-Boy The Wolfer auf Spotify.

ustapha Ajdour begann bereits mit 14 auf den Straßen seiner Heimat­ stadt Casablanca zu tanzen. Schnell entwickelte der spätere B-Boy seinen einzigartigen Stil: kraftvoll, geschmeidig, fast schon animalisch – was ihm bereits dreimal den Sieg beim Red Bull BC One Cypher Aus­ tria einbrachte. Und, nach kurzem Brain­ storming mit seinem Bruder, den Künstler­ namen „The Wolfer“. Der Lebens­mittelpunkt des Dreißigjährigen hat sich zwar mit der Zeit von Marokko nach Innsbruck verlagert, Tanz ist aber nach wie vor eine Konstante – ebenso die Musik: Mittlerweile legt Mustapha regelmäßig als DJ auf. Hier präsentiert er vier seiner Lieblingssongs – aus seinen ­Playlists derzeit nicht wegzudenken. Und unverzichtbar, um sich wegzudancen.


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DIE BEEREN SIND LOS! Die neue limitierte Red Bull Spring Edition ist erstmals sugarfree und schmeckt frisch nach Waldbeere. Der doppelte Cocktail World Champion Mario Hofferer hat daraus einen spritzig-leichten Drink kreiert.

„ Der Drink ist der perfekte Begleiter für beflügelnde ­Momente zu zweit.“

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8  Minzblätter, mit dem Mörser zerstoßen 1 cl Minzsirup 2 cl Zitronensaft Glas: Coupette-Glas Deko: Brombeeren, Minze

Zubereitung: Alle Zutaten in ein CoupetteGlas mit Eiswürfeln geben (ein Highball-Glas passt natürlich genauso). Mit der Red Bull Spring Edition Waldbeere – nur für kurze Zeit erhältlich! – auffüllen, mit ein paar Brombeeren und einem Minzzweig dekorieren. Purer Genuss!

Mario Hofferer ist zweifacher World Bartender of the Year und sechs­facher Staatsmeister. Serviervorschlag


BIOHACKING

SO RAUBST DU DER ANGST DEN ATEM

Rrraus muss, was das Gemüt belastet – dank Doppelseufzer.

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LUFT RAUS, RUHE REIN

Setze dich auf den Rand eines Stuhls, beide Füße auf dem Boden, Rücken gerade. Tief durch die Nase einatmen – und im Anschluss (also ohne zu­ vor auszuatmen!) sofort noch mal durch die Nase einatmen. Im Anschluss daran langsam durch den Mund ausatmen und nach 40 Sekunden die Entspannung spüren. Je langsamer du aus­ atmest, desto schneller tritt die Beruhigung ein.

Die Biohacking-Praxis ist der PerformanceLifestyle-Podcast für alle, die mehr über Biohacking (und sich selbst) erfahren wollen. QR-Code scannen und reinhören.

BRATISLAV MILENKOVIĆ

U

nsere Stressreaktion auf akute Bedrohungen ist eine geniale Einrichtung der Natur: Anstieg der Herzfrequenz und Anspan­ nung der Muskulatur lassen uns schneller davonlaufen und entschlossener kämpfen. War eigentlich schon immer so: Der Botenstoff Cortisol triggert unsere Angst vor dem Säbelzahntiger. Der schnappt ins Leere, weil wir rennen, er verhungert, und wir über­ leben. Und weg ist der Stress. Im Gegensatz dazu ist der sogenannte Alltagsstress gekommen, um zu bleiben: Innere Unruhe aus Job- oder Krankheitsangst, gerne in Kombination mit der Furcht vor drohenden Steuernach­ zahlungen, Kriegen vor der Haustür und schmelzenden Gletschern, all das ist (leider) chronisch. Davonlaufen? Un­ möglich. Aber Überwinden

Andreas Breitfeld ist Deutschlands be­ kanntester Biohacker. Er forscht in seinem speziellen Lab in München. Biohacking umfasst, vereinfacht gesagt, alles, was Men­schen eigenver­ antwortlich tun können, um Gesundheit, Le­bens­ qualität und Lang­lebig­ keit zu verbessern.

ANDREAS BREITFELD

oder zumindest eindämmen? Verblüffend einfach: dank dem physiologischen Seufzer oder besser Doppelseufzer. Er beruhigt uns, indem er Neuronen aktiviert, die die Verbindung zwischen der ­Atmung und jenen Hirn­ regionen kontrollieren, die für Erregung und Panik ver­antwortlich sind. Die be­ wusste Stimulierung dieser Nervenbahnen sorgt nicht nur für sofortige Entwarnung im System, sondern balan­ ciert auch das Verhältnis von Sauer­stoff und Kohlendioxid im Blut. „Ruhig Blut!“ – das alte Sprachbild macht ja so was von Sinn … Wer alle wissenschaftlichen Details zum Doppelseufzer (Anleitung gleich links) ganz genau wissen möchte: Der Effekt wurde im renommier­ ten Magazin „Nature“ bereits 2016 publiziert, zuletzt unter Biohackern populär gemacht hat ihn der Stanford-Professor Andrew Huberman. Also, her mit dem Stress! Und: Seufz, seufz!

PRIVAT

Kriege, Klima, Job, Finanzamt – wer richtig seufzt, entspannt die Seele. Sagt unser Profi-Biohacker Andreas Breitfeld. Und holt zunächst mal ganz tief Luft …

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ERLEBEN

AB DURCH DIE MITTE

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Steil hinunter, schräg in die Kurven, volley aufs Tor: Events für alle Gefühlslagen

UND 24. FEBRUAR

RED BULL HARDLINE Das härteste Downhill-MTBRennen findet zum ersten Mal in Australien statt, und du kannst die Action auf Red Bull TV mitverfolgen. Der Maydena Bike Park in Tasmanien wird zum Schauplatz der Red Bull Hardline Australia Edition. Dieser Park mit anspruchsvollen Mountainbikestrecken ist für sein steiles Terrain bekannt. Das Aussie-Rennen findet am 24. 2. statt, bevor es am 1. und 2. Juni für das zweite Event in die Red Bull Hardline-Heimat im walisischen Dyfi Valley zurückkehrt. redbull.tv

SEIT 2. FEBRUAR

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Andrew Pollard bei der Freeride World Tour in Fieberbrunn

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BIS 18. MÄRZ

FREERIDE WORLD TOUR FIEBERBRUNN Auch in diesem Jahr macht die Freeride World Tour wieder Station in Österreich. Von 8. bis 18. März hostet der Skicircus Saalbach Hinter­ glemm Leogang Fieberbrunn den einzigen TourStopp im deutschsprachigen Raum. Selbst für die weltbesten Freerider und Freeriderinnen ist der Nordhang des Wildseeloder eine Herausforderung, das Gelände ist mit einer Neigung von bis zu 70 Grad und einer Höhendifferenz von 620 Metern mehr als anspruchsvoll. Während sich die Athletinnen und Athleten auf ihre Lines vorbereiten, geht es im Event Village bei der Talstation in Fieberbrunn ab: Von Opening und Prize Ceremonies über Skitests bis hin zu Movie Nights könnt ihr den Freeride-Vibe bei freiem Eintritt hautnah erleben. Der Bewerb wird auch im Livestream übertragen: fieberbrunn.com/fwt

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MÄRZ

FORMEL-1-SAISONSTART ServusTV, der Rechtehalter in Österreich, zeigt auch in der Saison 2024 zwölf Rennen der Formel-1-Weltmeisterschaft live im österreichischen FreeTV. Den Beginn macht der Grand Prix von Bahrain. ServusTV zeigt beim Saisonauftakt am Bahrain International Circuit in as-Sachir alle Trainingssessions, das Qualifying und das Rennen live. 2023 feierte Red Bull Racing hier einen Doppelsieg: Max Verstappen siegte vor Sergio Pérez.

Seit Anfang Februar hat die METAStadt Wien ihre Pforten für die „Formula 1 Exhibition“ geöffnet. Besucher starten ihre Reise durch sechs Ausstellungsräume. Ein besonderes Highlight ist der Raum, der dem Red Bull Ring gewidmet ist. F1-Fans werden mit bisher unveröffentlichten Fotos in die entscheidendsten Momente dieses Sports zurückversetzt. Im Raum „Fahrer und Duelle“ werden bedeutende Fahrer und legendäre Rennen gefeiert und im Raum „Revolution durch Design“ die bahnbrechendsten Innovationen vorgestellt. f1exhibition.com

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FREERIDE WORLD TOUR/JEREMY BERNARD, F1 EXHIBITION

F1 EXHIBITION


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8

14

SPRING BATTLE IM ABSOLUT PARK

MONIKA GRUBER: „ OHNE WORTE“

UEFA CHAMPIONS LEAGUE

BIS 9. MÄRZ

Zum Spring Battle im Absolut Park im Skigebiet Shuttleberg Flachauwinkl-Kleinarl treffen sich Freeski- und SnowboardPros, um bei dem Contest ihr Season End zu feiern. Die Fahrer haben dabei mehrere Tage Zeit, an ihren Tricks zu feilen und ihre besten Lines für die jeweilige Kategorie zu zeigen. Das Format der Follow Cam ist bei den Fahrern sehr beliebt: Jeder Teilnehmer, der ein ungeschnittenes Video seines besten Runs einreicht, wird von einer professionellen Judge Crew bewertet. Mehr Infos dazu findet ihr auf: absolutpark.com

MÄRZ

10 MÄRZ

MOTOGP-SAISONAUFTAKT Die Könige der Schräglage starten in Katar in die neue Saison. Und du rast mit: Denn ServusTV ist auch in diesem Jahr wieder bei allen 22 Rennen live dabei. Die ganz große Frage: Können Brad Binder (Foto oben) auf KTM oder Marc Márquez auf Gresini Ducati Doppelweltmeister Francesco „Pecco“ Bagnaia entthronen?

Kabarettistin Monika Gruber finalisiert ihre große Bühnentour. In der Olympiahalle München verabschiedet sich „die Gruberin“ mit einem fu­riosen Finale von ihren Fans. Zum letzten Mal ist dort ihre Solo-Show „Ohne Worte“ zu erleben – live und exklusiv bei Servus­TV. Für ihre Abschieds­ vorstellung hat sich Monika Gruber den Weltfrauentag am 8. März ausgesucht. Was sie Frauen sagen will: „Ihr könnt alles schaffen, was ihr euch vorgenommen habt.“

FEBRUAR

Mit dem Achtelfinale beginnt in der Königsklasse des europäischen Klubfußballs die heiße Phase. Das Beste daran: ServusTV zeigt immer mittwochs das Topspiel der UEFA Champions League live. Als Experten analysieren Jan Åge Fjörtoft und Steffen Freund die Matches. Mehr dazu findet ihr auf: servustv.com

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GOLD&GOOSE/RED BULL CONTENT POOL, ALEXANDER SHNEYDMILLER/RED BULL CONTENT POOL, GETTY IMAGES, LUIS BARRA/RED BULL CONTENT POOL

BIS 3. MÄRZ

SKIBERGSTEIGEN-WELTCUP SCHLADMING Im März ist es so weit: Der Skibergsteigen-Weltcup in Schladming geht in die zweite Runde. In der heurigen Saison ändert sich die Reihenfolge der Bewerbe – am 1. März ­findet das Vertical-Rennen der Damen und Herren statt und am 2. März das Sprint-Rennen. Und: Fingers crossed für den 22-jährigen Paul Verbnjak aus Kärnten (Bild unten)!

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MÄRZ

RED BULL CERRO ABAJO VALPARAÍSO Der chilenische Mountainbike-Pro Pedro Burns liefert uns Einblicke in das UrbanDownhill-Rennen in seiner Heimat. Er zeigt uns, was die Strecke in der Hafenstadt ­Valparaíso so speziell macht. Pedro, hier auf einem Bild von Februar 2023, am 3. März 2024 dann live auf: redbull.tv

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BIS 31. 3. ANMELDEN!

RED BULL CAN YOU MAKE IT? „Red Bull Can You Make It?“ ist zurück! Teams aus über 60 Ländern (am Foto seht ihr das Team „North Capital“ 2018 in Moskau) begeben sich von 21. bis 28. Mai 2024 auf das Abenteuer ihres Lebens quer durch Europa. Das Besondere: Die Teams haben einzig Red Bull Cans als Währung zur ­Verfügung, die sie geschickt einsetzen müssen, um von fünf Startstädten aus bis zur Ziellinie in Berlin zu gelangen. Auf ihrer Reise erwarten sie Challenges, mit denen sie Punkte erspielen können. Somit gewinnt nicht das erste Team, das es ins Ziel schafft, sondern das mit der höchsten Punktezahl. Und hier geht’s bis 31. März zur Anmeldung: redbullcanyoumakeit.com

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FA H R E N

FREEWAY TO FRÜHLING

Kraftvoll in allen Drehzahlbereichen, ökologisch bis in die kleinsten Details, bewegend wie der Beginn einer neuen Jahreszeit: die wichtigsten Auto-Neuheiten auf einen Blick. TEXT PATRICK AULEHLA

CUPRA TAVASCAN

SUV, EXTRASCHARF Das erste elektrische SUV-Coupé von Cupra könnte auch als Concept Car durchgehen. Scharfe Linien, stylische Leucht­ elemente und ein hochmoderner Innenraum machen den Cupra Tavascan zur einzigartigen Erscheinung. Keine Kom­ promisse auch in der Alltagstauglichkeit: 540 Liter Kofferraumvolumen, Heckantrieb oder Allrad, 286 bis 340 PS Leistung, bis 540 Kilo­meter Reichweite. Online reservierbar ab sofort.

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SUV OUR SOULS Sportler zwischen Herz und Nutzwert

AUDI Q4 E-TRON

DAS MEGA-UPDATE Audi hat seinem Elektro-SUV Q4 e-tron ein gewaltiges Update spendiert. Die Basismotorisierung erstarkt von 204 auf 286 PS, die Topvariante von 299 auf 340 PS. Obendrauf gibt es deutlich mehr Reichweite und Ladeleistung: Bis zu 562 Kilometer fährt man am Stück, nachgeladen wird mit bis zu 175 kW. Möglich macht das der überarbeitete MEBBaukasten. Ab € 49.990.

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ŠKODA KODIAQ

VOLVO EX30

SMART #3

Der neue Škoda Kodiaq ist die eier­ legende Wollmilchsau: Unter dem neuen Außenkleid finden sich ein neues Innenraumkonzept, neue Sicherheits- und Assistenzsysteme, fünf oder sieben Sitzplätze, Frontoder Allradantrieb, 910 bis 2.105 Liter Gepäckraumvolumen und ein Plug-inHybridantrieb mit über 100 Kilo­ meter E-Reichweite. 150 bis 204 PS. Ab 2. Quartal 2024. Preis offen.

Volvo hat den neuen EX30 so designt, dass er möglichst wenig Rohstoffe verbraucht. Ein Soundbar ersetzt mehrere Lautsprecher, die Fensterheber sitzen in der Mittelkonsole – allein dadurch fallen schon etliche Meter Kabel weg. Nicht verzichten muss man auf hochmoderne Assistenten, coole Design­ themen, Google-Infotainment und 272 bis 428 PS Leistung. Reichweite: bis 475 Kilometer. Ab € 36.590.

Wer bei Smart noch an die zweisitzigen Stadtflitzer denkt, der irrt. Smart ist jetzt eine reine Elektro-Automarke, die mit dem Smart #3 ein 4,40 Meter langes SUV-Coupé auf die Straßen schickt. Unter der aerodynamischen Hülle verbergen sich jede Menge Mercedes-Technik, ein großzügiges, stylisches Interieur, viel Platz, Allradantrieb und 272 bis 428 PS Leistung. Reichweite: bis 455 Kilometer. Ab € 39.700.

„ GEHT NICHT“ GIBT’S NICHT

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FA H R E N

FORD MUSTANG MACH-E RALLY

TOYOTA C-HR

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Ford und der Rallyesport, das hat ­Tradition. Mit RS200, Escort, Fiesta und Co feierte die Marke legendäre Erfolge, die sie mit dem Ford Mustang Mach-E Rally jetzt noch einmal hoch­ leben lässt. Mit Rallye-typischem Design, speziellem Fahrwerk, Rally­ Sport Drive Mode, 487 PS und 880 Nm lässt der Über-Stromer auch abseits befestigter Wege die Funken spritzen. Ab 2. Quartal 2024. Preis offen.

Mit dem C-HR hat Toyota zweifelsfrei einen Nerv getroffen. Über 840.000 Mal wurde der stylische Crossover in erster Generation weltweit verkauft. Die neue, zweite Generation soll mit sparsamer Hybridtechnik, neuesten Assistenzsystemen, hochwertiger Verarbeitung und einem außergewöhnlich guten Fahrwerk noch eins draufsetzen. Bald auch als Plug-in-Hybrid. 140 bis 223 PS. Ab € 36.690.

Der Honda e: hat als erstes Elektro­ auto der Marke etliche Preise ab­ geräumt. Mit dem Honda e:Ny1 folgt nun der zweite Stromer, der im SUVSegment neue optische Reize setzt. Unter dem formschönen Blech finden sich außerdem viele handfeste Argumente: 412 Kilometer Reichweite, 100 kW Ladeleistung und ein 15,1-ZollInfotainmentsystem, zum Beispiel. 204 PS. Ab € 49.990.

HOCHVOLT-RALLY

HIP CITY LIFE

DESIGN-IKONE

DACIA DUSTER

SPAREN ALS STATEMENT War die erste Duster-Generation noch eine Verzichtserklärung, ist die dritte zum lässigen Statement geworden. Sparen kann man nun auch stylish – mit Allradantrieb, aber auch mit Vollhybrid, Automatik & kabelloser Smartphone-Konnektivität an Bord. Plus: viele recycelte Materialien, SoftwareUpdates over the air und Features wie das Sleep-Pack. 130 bis 140 PS. Ab 2. Quartal 2024. Preis offen. VW TIGUAN

HERZENSBRECHER Wer nach einem Kompakt-SUV Ausschau hält, kommt an einem Namen nicht vorbei: VW Tiguan. Die völlig neu ent­wickelte dritte Generation des Wolfsburgers kommt mit neuem Design, intuitivem Multimediasystem und einer breiten Antriebspalette aus Diesel-, Benzin-, Mildhybrid- und Plug-in-Hybrid-Motoren. Vorerst 130 bis 150 PS. Ab € 33.990.

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CHARAKTER­ DARSTELLER

Der Flexibelste, der Leichteste, der Sparsamste, der Ewige …

VW ID.7

REICHWEITENMEISTER Mit dem neuen ID.7 komplettiert VW seine elektrische ID.-Familie am oberen Ende, was bedeutet: fast fünf Meter Länge, fast drei Meter Radstand, fürstliche Platzverhältnisse im Innenraum, modernes Infotainment, viele Assistenzsysteme und eine aerodynamisch optimierte Karosserie, die 621 Kilometer Reichweite erlaubt. Ladezeit: 28 Minuten von 10 auf 80 Prozent. 286 PS. Ab € 59.990.

LAND ROVER DEFENDER 130

LEGENDE IM GELÄNDE

Er zählt zu den legendärsten Geländewagen: der Land Rover Defender. Die neue Generation schafft den Spagat zwischen Komfort und Offroad-Fähigkeiten wie kein anderes Fahrzeug. Als Defender 130 kann er wahlweise bis zu 2.516 Liter Gepäck oder acht (!) Passagiere mit auf Reisen nehmen. Für Geländefreaks: die Outbound-Version. 249 bis 500 PS. Ab € 112.797.

BMW 5ER

ALPINE A110 GT

VW AMAROK

Der BMW 5er ist der klassische Dienstwagen für die Chefetage. In der neuen Generation ist er als BMW i5 erstmals auch rein elektrisch zu haben, nebst bekannten Benzin-, Diesel- und Plugin-Hybridmotoren. Die Kombiversion, der 5er Touring, wird ebenfalls bald folgen, genauso wie sportlichen M-Varianten für die Limousine, klar, aber auch für den Kombi. Leistung: 197 bis 601 PS. Ab € 62.600.

Sie zählt zweifelsfrei zu den besten Driver’s Cars der letzten Jahre: die Alpine A110. In der eleganten GT-Variante umgarnt sie ihre Passagiere mit höherem Komfort, bleibt trotz sechsfach verstellbarer Ledersitze und Focal-­ Premium-Sound aber ihren LeichtbauGenen treu. 1.119 Kilogramm Leer­ gewicht treffen auf 300 PS – eine Traumkombination für ambitionierte Autofahrer. Ab € 80.000.

Die Zeiten, als ein Pick-up nur schnödes Arbeitstier war, sind vorbei. Der neue Amarok ist vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser: Sechs Ausstattungsversionen stehen zur Wahl – von der robusten Entry- bis hin zur luxuriösen PanAmericana-Variante. Ab Werk immer mit dabei: Untersetzungs­ getriebe, 10.1-Zoll-Infotainment, Rückfahrkamera und Anhängerkupplung. 170 bis 240 PS. Ab € 49.960.

DIENSTMANN DE LUXE

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SO LEICHT, SO SCHNELL

VON ARBEIT BIS ANZUG

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FA H R E N

WAS GEHT, KLEINER?

Außen kompakt, innen groß, technisch was los

HONDA JAZZ

E OHNE STECKDOSE ŠKODA SCALA

RAUMWUNDER AUF DEN ZWEITEN BLICK Kompaktwagen sind klein? Nein! Der gründlich überarbeitete Škoda Scala bringt auf 4,36 Meter Länge nicht nur fünf Passagiere komfortabel unter, sondern auch 467 bis 1.410 Liter Gepäck. Das sind Mittelklasse-Werte! Obendrauf sind frisches Design, hocheffiziente evo2-Motoren und jede Menge Technik an Bord. 95 bis 150 PS. Bestellbar ab Frühjahr 2024. Preis offen.

CUPRA BORN

NEUER OPEL CORSA

SUZUKI SWIFT

Der Cupra Born ist der meistverkaufte Elektro-Kompaktwagen Österreichs, und das aus gutem Grund: Unter seiner schnittigen Hülle verbirgt er massig Platz für Passagiere und Gepäck, eine hohe Reichweite von bis zu 551 Kilo­ metern und einen kräftigen Motor mit 231 PS Leistung. In Kürze legt Cupra eine extrascharfe VZ-Variante nach, die den Kompaktsportler ins E-Zeit­ alter holen wird. Ab € 40.150.

Will man trotz stadttauglicher Ab­messungen nicht auf klassische Oberklasse-Features verzichten, könnte man sich bald im neuen Opel Corsa wiederfinden. Massagesitze, Panorama-Glasdach, Matrix-LEDScheinwerfer – das und noch viel mehr schrauben die ­Rüsselsheimer nun in die neueste Generation ihres Kleinwagen-Klassikers. Leistung: 100 bis 136 PS. Ab € 18.649.

Für viele Kleinwagen undenkbar, für den neuen Suzuki Swift eine Ehren­ sache: eine Allrad-Option, mit der der Japaner nicht nur in der City, sondern auch auf entlegenen Wegen Eindruck macht. Angetrieben wird der neue Swift von einem 83 PS starken DreiZylinder-Benziner mit Mildhybrid-Technik. Eine CVT-Automatik gibt es auch, ebenso wie weitere Tech-Features. Bestellbar ab April 2024. Preis offen.

KLASSENPRIMUS

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WOHLFÜHL-OASE

STADT, LAND, HOCHGEBIRGE

THE RED BULLETIN

PREISE STAND JANUAR 2024

Der Honda Jazz fällt nicht nur wegen seines coolen Designs, sondern auch dank einzigartigem Hybridsystem auf. Der e:HEV getaufte Vollhybrid ist so was wie ein Elektroantrieb mit Benzinjoker. Im Regelfall werden die Räder elektrisch angetrieben, der Verbrenner erzeugt bloß Energie für die Batterie. Das Ergebnis: Man fährt so komfor­ tabel wie mit einem Elektroauto, ganz ohne Stecker. 122 PS. Ab € 18.649.


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Ihr Auto ist nicht irgendeins. Also nehmen Sie nicht irgendwas. LIQUI MOLY bietet für jedes Fahrzeug das passende Motoröl.

Ausgabe 18/2023

Ausgabe 3/2024

Ausgabe 4/2023

Ausgabe 4/2024

Ausgabe 4/2023 Ausgabe 4/2024

Ausgabe 6/2023

Ausgabe 8/2023

Ausgabe 16/2023

Ich fahr besser mit LIQUI MOLY.


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TV-Star, Politik-Erklärer, Sport-Insider: Professor Peter Filzmaier analysiert die Welt der Athleten und Rekorde.

Aber wie vergleicht man Verstappen und Lauda jenseits von Runden und Sekunden? Klarerweise ist es irgendwie unfair, die Persönlichkeit und das öffent­liche Auftreten eines jungen Sporthelden der Gegenwart einer im Alter von 70 Jahren von uns gegangenen Legende gegenüberzustellen. Zu unterschiedlich sind außerdem die Medienwelten der TV-Livestreams, von Instagram & Co und dem einstigen Schwarz-Weiß-Fernseher. Doch sogar da gibt es Parallelen: Weder Lauda noch Verstappen woll(t)en medial unbedingt lieb und nett rüberkommen. Verstappen kanzelt in Interviews die Fragesteller manchmal damit ab, dass echte Fans nicht rummeckern. Lauda meinte einmal: „Es juckt mich, zur Verteidigung der Formel 1 anzutreten. Vor allem, wenn mit falschen Schlagworten herumgeworfen wird. Das erzeugt nämlich sozusagen einen Auffahrunfall der Blödheiten.“ Zu gesellschaftlich wichtigen Themen jenseits des Autorennsports sagt Verstappen lieber gar nichts. Lauda tat das, war jedoch auf seine schnoddrige Art sehr zynisch. Deshalb haben beide einerseits fanatische Fans, andererseits gibt es Sportinteressierte, denen sie mit Inbrunst unsympathisch sind.

Hier geht’s zu „Sport am Wort“, dem Video-Podcast mit Peter Filzmaier und Alina Marzi. Einfach QR-Code scannen.

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JULIE BRASS, GETTY IMAGES (2), RED BULL CONTENT POOL

Filzmaiers Antithese „Lieb sein macht nicht schnell. Niki Lauda und Max Verstappen haben viel mehr gemeinsam, als wir glauben!“

CLAUDIA MEITERT

er Kleinstaat Österreich hat ganz selten Sportler, die wirkliche Weltstars sind. Der 2019 verstorbene Niki Lauda war unter ihnen der berühmteste. Obwohl er laut Selbstbeschreibung in der Formel 1 „nur im Kreis herumfuhr“ und seine drei WM-Titel Jahrzehnte her sind. Doch zu Laudas Glanzzeit wollten fast alle Kinder Auto fahren wie er. Inzwischen ist Max Verstappen im Red Bull der Superstar des Schnellfahrens. Er gewann rund 30 Prozent seiner Grands Prix. Mit erst 26 Jahren hält das Fahrwunder Verstappen bei 54 Siegen. Im Vergleich dazu sind Laudas 25 Erfolge mit einer Siegquote von 14 Prozent mickrig. Aber es ist schwierig, Rennfahrer aus verschiedenen Epochen zu vergleichen. Doch waren beide nicht allein die Besten im Durchtreten des Gaspedals und beim Lenkraddrehen. In der modernen Formel 1 muss Verstappen zudem ein Technikgenie sein. Um das Auto schnell zu machen, hat er in kürzester Zeit unzählige Daten zu verstehen und im Austausch mit seinem Team zu verarbeiten: von der Aerodynamik des Karbonchassis über die Benzinmischungen für den Hybridmotor bis zur temperaturbedingten Abnutzung von Keramikbremsen und Gummireifen. Lauda hat genauso technische Genialität bewiesen, weil er anfangs mit unfahrbaren Rostlauben wie March und B.R.M. herumgurken und diese konkurrenzfähig machen musste. Als er zu Ferrari ging, war das ein 12-Zylinder-Brummer im Stil eines LKW. Jacky Ickx, immerhin Le-Mans-Sieger 1969 (weitere fünf Siege sollten folgen), holte in der Saison 1973 damit schlappe acht WM-Punkte. Doch mit Lauda wurde der Wagen weltmeisterreif.


„ Doppelt genial: Verstappen muss unzählige Daten verarbeiten, Lauda musste Rostlauben konkurrenzfähig machen.“ Über Geschmack lässt sich nicht streiten, nur die Fahrkünste beider stehen völlig außer Streit. Vielleicht haben Verstappen und Lauda gleichermaßen erkannt, dass ein Weltstar auf jeden Fall polarisiert. Hätten sie vor laufenden Fernsehkameras Millionen gespendet, wären viele begeistert gewesen. Ähnlich viele hätten das als billige Inszenierung verdammt. Wenn man es für einen Teil der öffentlichen Mei­ nung eh immer falsch macht, kann man besser gleich alles dem Ziel unterordnen, möglichst viele Rennen zu gewinnen. Diese Unnahbarkeit resultiert nicht daraus, dass Verstappen oder Lauda böse Menschen wären. Sie verschwenden nur weniger Zeit als andere damit, das eigene Image zu verschönern. Zur gesamten Weltöffent­ lichkeit lieb sein, das dauert zu lange. Wer es jedem recht machen will, wird nie der schnellste Fahrer sein. Daher haben Verstappen und Lauda ihre gnadenlose Fokussierung auf den Erfolg gemeinsam. So gesehen ist sowohl ihre Idealisierung als Super­ helden wie auch ihre Verteufelung unsinnig. Insbeson­ dere die Verklärung der Formel 1 zu Laudas aktiver Zeit ist Quatsch, weil etliche der Allerschnellsten – nach Doppelweltmeister Jim Clark 1968 und dem posthum

THE RED BULLETIN

Peter Filzmaier ist Politikwissen­ schaftler an den Universitäten Graz und Krems – aber auch fachkundiger Sportfan. 2020 schrieb er das Buch „Atemlos: Meine schönsten Sport­ geschichten“, so­ eben erschienen ist „­ Olympia: Die Spiele als Bühne für Sport und Politik“.

zum Weltmeister erklärten Jochen Rindt 1970 auch François Cevert, Peter Revson und Ronnie Peterson – auf der Strecke starben. Bis 1994 Ayrton Senna starb und in Brasilien die Sonne vom Himmel fiel, wurden tödliche Unfälle in der Formel 1 allzu leichtfertig abgetan. Es wäre makaber, falls irgendwer zu seinem glühenden Fan geworden wäre, nur weil Lauda am Nürburgring ei­ nen Feuerunfall erlitt und 42 Tage nach dem Überleben in einer Brandhölle mit 800 Grad wieder Rennen fuhr. Lauda war aus Sicherheitsbedenken gegen das Rennen rund um die Nürburgruine gewesen. Später stieg er im Wolkenbruch von Fuji nach einer Runde aus. Hoffent­ lich halten ihn nur Spinner deshalb für einen Feigling. In Wahrheit überlegte Lauda sehr vernünftig, ob die Sache nicht viel zu gefährlich war. Er wollte keinesfalls wie James Hunt für den Titel sein Leben riskieren. Ver­ stappen möchte das genauso wenig. Insofern war Lauda ein Vorreiter der Generation Verstappen, die unglaub­ lich professionell und berechnend ist. Die Gemeinsam­ keit von Lauda und Verstappen ist, alles andere rechts oder links auszublenden. Nicht zuletzt für die Sicher­ heit der Fahrer und Zuseher. Und das ist gut so.

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I M PR ES S U M

The Red Bulletin worldwide

Herausgeber Andreas Kornhofer Chefredakteur Andreas Rottenschlager

THE RED BULLETIN Österreich, ISSN 1995-8838

THE RED BULLETIN Großbritannien, ISSN 2308-5894

Textchef David Pesendorfer

Länderredaktion Nina Kaltenböck (Ltg.), Lisa Hechen­berger

Länderredaktion Ruth McLeod

Executive Creative Director Markus Kietreiber Creative Direction Erik Turek (Ltg.), Kasimir Reimann Art Direction Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Faustmann-Goll, Carita Najewitz Fotoredaktion Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.), Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann

Aktuell erscheint The Red Bulletin in sechs Ländern. Das ­Cover unserer Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich zeigt die französische Freeskierin Manon Loschi und ihren schwedischen Kollegen Max Palm: Für ihre Passion gehen sie völlig neue Wege. Mehr Geschichten abseits des Alltäglichen findest du auf: redbulletin.com

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LUCAS BRAATHEN Slalom-Weltcupsieger, Kult-Figur und mit 23 urplötzlich Aussteiger: Hier verrät er, was wirklich zählt.

Wie sieht dein Leben 2044 aus?

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Dein unkonventio­neller Fitnesstipp?

Koordinationsübungen wie Slacklinen und Einradfahren

Deine Schwäche? Mein Temperament. Ich habe schon Stangen zerbrochen und Bäume geschlagen. Und das als absoluter Pazifist!

Lucas Braathen, Slalom-Weltcupsieger 2023, beendete nach einem Streit mit dem norwegischen Verband (vorübergehend?) seine Karriere.

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NINA KALTENBÖCK

Hast du einen Traum?

Eine schöne Kindheitserinnerung?

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Ich plus drei – eine humorvolle Frau und zwei Kinder


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