DYSTOPIE
Bestialisch literarisch Ein Zombie-Reißer als Gesellschaftsroman: Mit seiner „Passage“-Trilogie hat US-Autor Justin Cronin das Blut-und-Beuschel-Genre literarisch domestiziert. Text JAKOB HÜBNER
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ie heißt’s so schön: Totgesagte leben länger. Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Zombies, Vam pire, Werwölfe und ihre Art genossen etwa so angesagt wie senffarbene KunstlederHerrenhandtaschen. Rund um die Nullerjahre kam dann aber der Weckruf. Plötzlich krochendie Untoten quickfidel aus allen Ritzen der Unterhal tungsbranche. Titel wie „Resi dent Evil“ oder „Underworld“ ließen die Gaming- und Kino kassen prächtig klingeln, we
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nig später brachte BestsellerAutorin Stephenie Meyer mit ihrer „Twilight“-Reihe das Blut von Millionen pubertierender Mädchen in Wallung, und 2010 starteten die greinenden Fet zenschädel aus „The Walking Dead“ ihren Siegeszug durch die TV-Serien-Landschaft. Kurz: Das Genre erlebte (was für eine Formulierung in dem Zusammenhang!) ein großes Revival. Die neue Breitenwir kung beschränkte sich jedoch vorwiegend auf den kommer ziellen Bereich, intellektuell betrachtet vergnügten sich
die Untoten nach wie vor in ihrem angestammten Revier: also irgendwo zwischen Trivia lität und Trash. Das wollte Justin Cronin offensichtlich ändern. Und so begab sich der 1962 geborene US-Autor, der nicht nur die alt ehrwürdige Harvard Univer sity, sondern auch den nicht minder elitären Iowa Writers’ Workshop absolvierte, auf eine faszinierende literarische Mission: die „Passage“-Trilo gie. In den mit insgesamt rund 3000 Seiten auch rein hap tisch imposanten Bänden – „Der Übergang“ (2010), „Die Zwölf“ (2012) und „Die Spie gelstadt“ (2016) – entwirft Cronin eine postapokalypti sche Dystopie, die sowohl for mal (hochkomplex) als auch stilistisch (brillant) in einer ganz anderen Liga spielt, als THE RED BULLETIN
VINZ SCHWARZBAUER
GUIDE Lesestoff