ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN
Büro am Tag, Rockstars bei Nacht –eine Band und die Kraft der Kontraste
ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN
Büro am Tag, Rockstars bei Nacht –eine Band und die Kraft der Kontraste
10 JAHRE GARANTIE & ASSISTANCE
SIDARIO BALZARINI
ist Foto- und Videograf. Wenn er nicht gerade Patrick von Känel bei Red Bull X-Alps begleitet, ist er beim Klettern, Gleitschirmfliegen – oder dokumentiert den Weltrekord eines E-Trucks am höchsten Vulkan der Welt.
«Dank der langen Akklimatisationsphase lief die Zusammenarbeit auf über 6500 Meter Höhe reibungslos!» Ab Seite 46
YVONNE EISENRING
ist Bestsellerautorin, schreibt Drehbücher, moderiert unter anderem den Podcast «Zivadiliring» – und eröfnet unsere neue Literaturkolumne «On a Positive Note». Warum das Ankommen für sie an Bedeutung verloren hat und was stattdessen wirklich zählt, beschreibt die moderne Nomadin für uns ab Seite 96.
LISA HECHENBERGER
sucht für The Red Bulletin immer nach neuen Blickwinkeln. Beim Web Summit in Lissabon traf sie Ausnahmetalent Ana Maria Marković. Die Prof-Fussballerin mit beachtlicher SocialMedia-Präsenz kämpft für bessere Strukturen im Frauenfussball. Lisa: «Sie war ofen, smart und schlagfertig.» Ankick auf Seite 16!
Tagsüber Banker, nach Dienstschluss Punker?
Nicht ganz, aber fast! Bei uns erzählen die fünf Mundart-Artists von Hecht, wie sie bürgerlichen Alltag und exaltiertes Bühnen leben (inklusive pinker Gummi-Flamingos) unter den Hut bringen – und so die Kraft der Gegensätze nützen; und zwar ab Seite 34. Was dagegen Deutsch-Rapperin Loredana so im Auto hört und warum ausgerechnet Lionel Richie ihre Playlist versüsst, erzählt sie uns auf Seite 92. Tonio Schachinger wiederum beleuchtet in seinem Roman «Echtzeitalter» die Gamingszene und postuliert ab Seite 54 im Interview: «Gaming ist Hochkultur!»
Apropos Hochkultur: Actionsport-Regisseur Dom Daher blickt mit uns auf 15 Jahre Freeride World Tour zurück: die steilsten Typen, Hänge und Bilder – ab Seite 70.
Bis hierher war Alltag – ab hier ist Abenteuer!
Die
Der Podcast-Psychologe orientierte sich in drei Tagen in Dunkelhaft neu.
Die DJ erobert mit schrägen Clips und guter Laune die Techno-Welt.
Mit dem preisgekrönten Autor tauchen wir in «Echtzeitalter» in die Welt von «Age of Empires» ein.
Fotograf
uns, wie der
im Kajak aussieht.
Hecht
zu den erfolgreichsten
der Schweiz. Sie sprengen Grenzen – mit viel «Liebi».
Abenteuer E-Laster: drei Schweizer, ein Vulkan, ein Weltrekord.
Zehn
der Mix aus Tennis, Squash und Billard aktuell durch die Decke geht.
krebsbedingt eine Pause einlegen. Nun startet sie erneut durch –beim America’s Cup.
Toowoomba, Queensland, Australien
Mit Burnouts heizen die Racer der australischen Supercars Championship ihren Fans öfter ein – aber so kunstvoll wie Will Brown lässt selten einer seine Reifen qualmen.
Bei der Präsentation des Chevrolet Camaro für die Saison 2024 brannte sich der Fahrer des Red Bull Ampol Racing-Teams ins Gedächtnis der Fans ein. Das Geheimnis des blauen Rauchs: 600 PS Power, Skills an den Pedalen und Farbpulver auf den Reifen.
Portland, Oregon, USA
Die Sonne im Rücken, der Morgen noch frisch, die St. Johns Bridge eine märchenhafte Rampe in den Tag: Es ist ein glorioser Moment, den Skater Willis Kimbel hier erlebt. Und einer mit langem Vorlauf. Die Idee für das Bild hatte Fotograf Tal Roberts seit Jahren im Kopf. Doch auf der Brücke gibt es viel Verkehr – und unter Skatern wenige, die gern um fünf Uhr für ein Foto aufstehen. Willis rafte sich schliesslich auf. Und wurde belohnt.
redbullillume.com
La Muralla Roja, Spanien
«La Muralla Roja», die Rote Mauer, nennt sich diese Feriensiedlung des KultArchitekten Ricardo Bofll, und sie liegt direkt an der Costa Blanca, also der Weissen Küste. Das dynamische Kerlchen zwischen all den beruhigenden Pastelltönen?
Der austrokroatische BMXProf Senad Grosic, der hier auch im Namen der Kunst performt: «Es ging darum, Gebäudefotografe mit Action aufzuladen», sagt Fotograf Lorenz Holder. Genug Action für einen Finalplatz bei Red Bull Illume. lorenzholder.com, redbullillume.com
Die MotoGP gilt als Königsklasse des Motorradsports. Dieser Tage startet die neue Saison – mit ewigen Legenden, höchstem Tempo und steilen Erfolgskurven.
ersetzte die MotoGP die 1949 begründete 500-cm3Klasse als höchste Kategorie der Motorrad-WM. Zehn der 22 Weltmeister titel gingen seither an spanische Fahrer.
36
Fahrer haben zumindest ein MotoGP-Rennen gewonnen. 17 davon sind 2024 am Start. Auch Fabio Di Giannantonio, der 2023 erstmals ein MotoGP-Race gewann.
366,1
km/h war 2023 der TopSpeed: gefahren von Brad Binder auf seiner Red Bull KTM in Mugello. 2002, in der ersten MotoGP-Saison, lag der Rekord bei 324,5 km/h.
748
PS hat das Safety Car der MotoGP, ein BMW XM Label Red mit elektrifziertem Antrieb. Wie stark MotoGP-Bikes sind, gilt als wohlgehütetes Geheimnis der Hersteller.
2 857 925
Besucher wurden 2023 bei 20 MotoGP-Events gezählt, davon 278 805 allein in Le Mans –insgesamt ein Plus von 17,7 Prozent gegenüber 2022.
70,8
Grad beträgt der maximale Neigungswinkel, mit dem sich Superstar Marc Márquez in die Kurve legt. Ziemlich schräger Typ!
40
Prozent einer Tankfüllung müssen ab heuer nichtfossilen Ursprungs sein. Ab 2027 werden MotoGPBikes zu 100 Prozent mit Bio-Sprit angetrieben.
4
Saisons lang, von 2020 bis 2023, kam das Weltmeister-Bike von Ducati. 2024 fährt auch Marc Márquez (acht WM-Titel, sechs in der MotoGP) diese Marke.
44
Jahre und 299 Tage alt war der Japaner Shinichi Ito bei seinem Heimrennen 2011: bis heute der älteste Starter.
22
Renn-Wochenenden sind für 2024 geplant.
DER 4 4 FÜR DIE SCHWEIZ
Von Natur aus entspannt. Und ideal für alle, die gerne viel erleben. Der neue Crosstrek 4×4 und der neue Impreza 4×4.
Entspannt in der Stadt unterwegs, auf dem Land und im Gebirge: Der neue Crosstrek 4×4 ist ein Vorbild an zuverlässiger Vielseitigkeit. Genauso wie der neue Impreza 4×4. Beide begeistern mit ihrer Serienausstattung inklusive der neusten Version des Fahrerassistenzsystems EyeSight. Ausserdem serienmässig erhältlich:
• Von Natur aus entspannt unterwegs mit der effzienten SUBARU e-BOXER-Hybrid-Technologie
• Von Natur aus entspannt jedes Ziel erreichen mit dem permanenten symmetrischen Allradantrieb
• Von Natur aus entspannt auf jeder Fahrt dank praktischer Detaillösungen
subaru.ch
Abgebildete Modelle: Crosstrek 2.0i e-BOXER AWD Advantage, 136/16,7 PS, Energieeffzienz-Kategorie E, CO2-Emissionen kombiniert: 174 g/km, Treibstoffverbrauch kombiniert: 7,7 l/100 km. Impreza 2.0i e-BOXER AWD Advantage, 136/16,7 PS, EnergieeffzienzKategorie E, CO2-Emissionen kombiniert: 166 g/km, Treibstoffverbrauch kombiniert: 7,3 l/100 km.
Er spricht, erkennt und «denkt»! Den AI Pin kannst du dir an die Kleidung heften wie eine Brosche. TikTok feiert ihn als Smartphone der Zukunft – Tech Checker Kirafn zerlegt ihn schon heute.
Kirafin heisst bürgerlich Jonas Willbold, ist 29 und unterhält seine 1,2 Millionen Follower auf TikTok mit ComedyFormaten. Nebenbei folgt er seiner Faszination für Tech-Produkte und -Trends. Für uns nimmt er aktuelle Hypes unter die Lupe.
Hand statt Handy Bilder zeigt der AI Pin als Projektionen.
«Wie eine Brosche an die Kleidung geclippt, soll der AI Pin Smartphones ersetzen. KI ersetzt Apps, Projektionen den Screen, gesteuert wird mit der Stimme. Das Mikro erkennt Sprachen, KI übersetzt in Echtzeit, die Kamera erkennt Gegenstände und ‹scannt› sie bei Bedarf – etwa Nüsse auf deren Proteingehalt.»
«So viele TikToks gibt es nicht, aber wenn eines hochgeladen wird, geht es gleich viral. In Podcasts und auf TechPortalen sehen Expertinnen und Experten den AI Pin tatsächlich als Vorboten einer Welt ohne Smartphones.»
«Der AI Pin wirkt wie der futuristische Bruder von Siri und Alexa. So unmittelbar war KI noch nie in unseren Alltag integriert. Dafür verlangen die Macher satte 700 Dollar. Telefonieren kostet monatlich 25 Dollar on top – umständlich und teuer.»
Go-get-it-Faktor:
PERFEKT FÜR ... Nerds, die irgendwann einmal ihren Enkeln von den ersten Tagen der «BroschenÄra» erzählen wollen.
NICHT PERFEKT FÜR
Mundfaule, die ihre Technik auch weiterhin schweigend bedienen wollen.
Zutaten aus 100 % natürlicher Herkunft. Einzigartig im Geschmack.
ist Stürmerin bei den Grasshoppers. Und mit drei Millionen Followern auch auf Instagram eine Ofensivkraft: Nach einer schweren Verletzung nützt sie nun ihren Einfuss als Kickfuencerin, um für sichere Spielfelder zu kämpfen.
TEXT LISA HECHENBERGER FOTO SREĆKO NIKETIĆ
«Verdammt, ich bin mindestens ein Jahr raus»: Das ist der erste Gedanke, der Ana Maria Marković wie ein Blitz durch den Kopf schiesst – so dramatisch wie der Schmerz durch ihr rechtes Bein. Und leider sollte die Stürmerin von den Grasshoppers Zürich recht behalten.
Es ist der 4. März 2023, als Ana Maria im Derby gegen den FC Zürich zu Boden geht. Diagnose: Unterschenkelbruch, Kreuzband und Meniskusriss «und noch einige andere Sachen», wie sie fast beiläufg anfügt. Ihr war in dem Moment bereits klar:
lenweise wurde einfach nur Sand draufgestreut. Und ich habe beim Aufwärmen noch im Scherz gesagt: ‹Wenn sich da mal heute niemand verletzt.›»
ON POINT
Geburtsort
Zürich, Zollikerberg
Alter 24
Status
«Schönste Fussballerin der Welt»
Teams
Grasshopper Club Zürich, Nationalmannschaft
Kroatien
«Ich wusste, dass mein ganzes Knie kaputt ist.» Und der Schock sitzt tief. «Ich habe erst mal vier Tage durchgeheult», sagt die 24 jährige Zürcherin mit kroatischen Wurzeln.
Idol
Cristiano Ronaldo (auch Ana trägt die Nummer 7)
Schliesslich ist ihre Karriere zu dem Zeitpunkt noch recht jung, erst zehn Jahre zuvor hatte Ana Maria vom Leistungsturnen zum Fussball gewechselt. Trotzdem gelang ihr mit fünfzehn schon der Sprung in die U21Mannschaft des FC Zürich. «Vom Geräteturnen konnte ich viel mitnehmen: den Speed, die Sprungkraft, die Beweglichkeit. Technisch war ich eine Katastrophe, ich konnte nur Tore schiessen», sagt sie und lacht. Als Jüngste war diese Zeit für sie aber nicht nur lustig. «Zu Beginn sass ich häufg auf der Bank. Ich konnte aber schnell viel lernen und mich durchsetzen – ab da ging’s bergauf.»
Bis zum SchmerzMärz des Vorjahres –der Ana Maria bis zu einem gewissen Grad auch richtig wütend macht. «Der Platz war an dem Tag eigentlich nicht bespielbar, stel
Was sie dabei zusätzlich ärgert: Bei ihren männlichen Kollegen wären solche Zustände undenkbar. «Die Männer spielen in Stadien, dort hat es Essen, Überdachung, alles. Wir spielen auf schlechten Plätzen, oft auf solchen mit Kunstrasen. Wer will sich das, vielleicht auch noch im Regen, schon anschauen?» Am Ende würden aber mehr Fans und Zuschauer auch mehr Geld für die Vereine bedeuten. «Kleine Stellschrauben mit grosser Wirkung», sagt die Angreiferin. «Ich bin immer wieder bei Kongressen und Talks, weil ich Leuten die Augen öfnen und zeigen will: Hey, wir brauchen Hilfe, und das geht nicht, wenn wir auf uns allein gestellt sind.»
Der portugiesische Selbstläufer Wobei, «allein» ist relativ: Immerhin folgen Marković auf Instagram an die drei Millionen Menschen. Das stürmische Interesse setzte vor etwa zwei Jahren ein, als sie erstmals für die kroatische Nationalmannschaft spielte und viele Medien aus der alten Heimat berichteten. Und als sie dann noch öfentlich bekannte, dass Cristiano Ronaldo – er trägt wie sie die Rückennummer 7 – ihr Idol sei, wurde sie plötzlich auf vielen seiner Fanpages erwähnt. «Wenn du da mal im Algorithmus drin bist, geht das ganz automatisch», sagt sie.
Dabei beziehen sich Berichterstattung und Kommentare nicht nur auf das Können von Marković. Immer wieder geht es um ihr Äusseres, häufg wird sie als «schönste
Fussballerin der Welt» bezeichnet – eine Zuschreibung, die sie als schmeichelhaft empfndet. «Das nehme ich als Kompliment an. Wenn ich aber auf ‹sexy› und ‹hot› reduziert werde, macht mich das wütend.» Schliesslich habe sie auch eine Vorbildfunktion, der sie gerecht werden wolle. «Es gibt immer mehr junge Mädchen, die nach Spielen auf mich zukommen. Das freut mich jedes Mal!» Auch wenn sie mit Werbeeinnahmen mittlerweile sehr viel mehr verdient als mit ihrem Sportlerinnengehalt, ist für Ana klar: «Ich sehe mich nicht als Infuencerin, sondern als Athletin. Die Priorität ist und bleibt der Frauenfussball.»
EM – und Ana ist als Erste da!
Neid und abwertende Kommentare von Vereinsseite oder von Spielerkolleginnen gibt es nicht für ihre «Mischung aus persönlichen Sachen, Beauty, Fashion und Fussball», wie sie ihren Content beschreibt. «Mein Team hat extrem viel Verständnis dafür und supportet mich total.» OfensivPressing, nun auch online.
Das positive Feedback und die virtuelle Unterstützung spornten Ana auch in ihrem RehaProzess an. Und selbst wenn man ihren Clips aus der Kraftkammer ansieht, wie hart und schmerzhaft der mitunter war, sagt sie: «Mir geht es wieder super.» Das Knie ist verheilt und Ana Marković zurück im Spielbetrieb. Gerade noch rechtzeitig.
Denn im Frühjahr beginnt die Qualifkation für die FrauenfussballEM 2025. Sie wird in der Schweiz stattfnden. Und wenn endlich alles nach Plan läuft, erspart sich zumindest eine Kroatin die Anreise.
Instagram: @anamxrkovic
«Sexy, hot? Dieses Kompliment nehme ich nur im Kontext an.»
Ana Maria Marković über Ästhetik im Spitzensport
ist der Jäger der verlorenen Emotionen: Der Psychologe sperrte sich drei Tage in Dunkelhaft, um sein Inneres auszuleuchten. Seine Kernthese: Lerne deine Gefühle so richtig kennen – dann mutieren sie zur Superkraft.
TEXT RÜDIGER STURM FOTO KATHARINA PASEMANN
Du hast Höhenangst? Auf zur nächsten Steilwand – mit blindem Bergführer! Du magst nicht allein sein? Ab in die Klosterzelle! PsychologiePodcaster und Autor Florian Klaschinski begegnet seinen Ängsten, indem er ihnen, nun ja, ins Gesicht schreit. Damit steht er für eine neue PsychologenGeneration, die ihr Wissen anhand eigener Erfahrungen vermitteln will. In Podcasts wie «Jakobs Weg – Das Fitnessstudio für die Seele» begeistert er eine wachsende Community. Seine These: «Gefühlsbereitschaft kann zur grössten Stärke werden, denn in ihr fnden wir den Kompass unseres Lebens.» Zusammengefasst hat er sein Wissen nun in seinem Buch «Fühl dich ganz» (Knaur Balance).
the red bulletin: Warum suchst du als Psychologe Extremerfahrungen?
Wie erkennt man, welche Erfahrung für einen richtig ist?
Man horcht in sich hinein: Was wollte ich lange machen, habe es aber noch nicht gemacht, weil ich Angst – auch vor Reaktionen der anderen – hatte? Das muss jeder für sich entscheiden. In jedem Fall geht es darum, einem Gefühl von Unsicherheit zu begegnen. Das können auch vermeintliche Kleinigkeiten sein: etwa wenn man eine Person, die einem beim Bäcker aufgefallen ist, beim nächsten Mal anspricht und ihr seine Nummer gibt. Oft fnden solche Erfahrungen im zwischenmenschlichen Bereich statt.
Geburtsort
Berlin Alter 40 Status
Fitnesstrainer für die Seele Sendungen aktuell drei eigene Psychologie-Podcasts (u. a. «Jakobs Weg») Auszeichnung Deutscher Hörbuchpreis
lukas klaschinski: Theorie ist das eine, aber ich will alles selbst erfahren. Ich will an den dunkelsten Punkt der Erde gehen und spüren: Wie fühlt sich das an? Es ist ein wenig wie im Fussball: Du musst nicht unbedingt selbst Bundesliga gespielt haben, um ein guter Trainer zu sein – aber helfen tut’s trotzdem.
Was ist der Nutzen dieser Erfahrungen?
Sie schafen die Möglichkeit, unseren Gefühlen zu begegnen. Denn was wohnt einer neuen Erfahrung inne? Das Gefühl, dass wir nicht wissen, wie sie ausgeht. Da kann Angst und Unsicherheit hochkommen, aber je mehr wir mit diesen Gefühlen in Kontakt kommen, desto besser lernen wir, mit ihnen umzugehen.
Was waren deine extremsten Erfahrungen?
Meine drei Tage in absoluter Dunkelheit. Die Aussenwelt war plötzlich wie ausgelöscht, dieses Nichts hat mich mit all jenen Gefühlen und Erinnerungen konfrontiert, die zuvor noch wie in einer Schublade geschlummert hatten. In dieser Situation absoluter Stille bin ich dem Tiefsten in mir begegnet –und habe so den Weg zurück zu meinen Emotionen gefunden. Und genau die sagen mir, was im Leben richtig und was nicht richtig ist. Das ist wie ein inneres Navigationssystem, und wenn du daran keine Anbindung mehr hast, führt das irgendwann zum Burnout.
Was, wenn man fühlt, was für einen richtig wäre, es aber nicht umsetzen kann? Wir müssen uns die Frage stellen: Warum? Wenn wir das defnieren, können wir den Weg gehen, den dieses Warum erfordert. Warum zum Beispiel möchte ich Sport machen? Weil ich damit ein positives Lebensgefühl verbinde. Weil ich weiss, dass
ich so länger gesund und damit etwa auch länger Vater sein kann. Aber: Wir nehmen uns oft zu viel vor. Beim Segeln etwa reicht es schon, die Ruderpinne um ein Grad zu verändern, um eine ganz neue Richtung einzuschlagen. Im Alltag müssen wir nur sagen: Was ist der kleinste Schritt, den ich heute gehen kann? Wenn wir es leicht anfangen, haben wir kleine Erfolgserlebnisse, die uns weiter motivieren.
Du empfiehlst in deinem Buch die Akzeptanz- und Commitment-Therapie, kurz ACT. Worum geht es da?
Zu ACT gehören sechs Tools. Das beginnt mit der Akzeptanz der eigenen Gefühle, führt über die Fähigkeit, Distanz zu den eigenen Gedanken zu gewinnen, bis hin zu einem sogenannten Vertrag mit mir selbst. Dabei committe ich mich, meine eigenen Werte umzusetzen. Diese Methode vereint das Beste aus alten fernöstlichen Praktiken und modernen Techniken, sie ist wie ein Werkzeugkofer für den täglichen Gebrauch. Mit ihr können wir besser mit Hindernissen umgehen, führen eine bessere Beziehung zu uns selbst und zu anderen.
Und was hast du für die nähere Zukunft an Extremerfahrungen geplant?
Ziemlich sicher werde ich mit einer künftigen neuen Partnerin wieder eine Familie gründen. Ja, das ist eine Extremerfahrung –das weiss ich von der Geburt meiner ersten Tochter. Sie brachte mir bei, wieder mehr im Moment zu leben, mehr auf den Weg zu achten und nicht nur auf die Ziele zu schauen. Ausserdem, und das ist das Wichtigste: Sie hat mein Herz geöfnet – für neue Gefühle.
Instagram: @lukas.klaschinski
«Meine nächste Extremerfahrung: Ich will nochmals Vater werden.»
Psychologe
Lukas Klaschinski über die Macht der Emotionen
defniert gerade neu, was einen Techno Act ausmacht. Die Berliner DJ begeistert weniger mit riesiger VinylKollektion als mit unterhaltsamen Videos und ausgelassenen Gigs. Gefällt nicht jedem. Aber 1,1 Millionen InstagramFollowern schon.
TEXT LAURA EWERT FOTO STEPHIE BRAUNMit einem Tanzvideo fng alles an. Badeanzug, Sonnenbrille, die Tür vorm Berliner Club Kater Blau. Die Freundin flmt, Stella tanzt. Und jetzt ist sie weltberühmt. 1,1 Millionen Follower bei Instagram, eine Million bei TikTok. Im Jahr 2023 hat sie als DJ circa 140 Gigs in mehr als 30 Ländern gespielt. «Das fühlt sich einfach nur surreal an, und ich bin für jeden Gig unendlich dankbar», sagt sie – wie man das als Popstar eben so sagt.
Das ist die Erzählung. Aber eigentlich ist das Phänomen Stella Bossi noch viel interessanter. Denn es erzählt nicht nur etwas über Veränderungen der TechnoSzene, sondern auch über einen grösseren Generationenkonfikt.
anbieter. Gefragt nach ihrem Style, antwortet Stella Bossi: «Unangepasst, wild und fdel.»
ON POINT: Geburtsort Berlin
Alter unbekannt Status aufregendste Techno-DJ der Welt Hit «Poetry» (gemeinsam mit Auk.)
Im Sessel über die Skipiste Vielleicht fängt alles aber eher damit an, dass Stella Bossi ein Berliner Feiermädchen ist. Grosse Klappe, der Hedonismus der Stadt als Teil ihrer Identität. Sie wolle einfach ihre bunte und verrückte Seite nach aussen kehren und dann mal schauen, was passiert, sagt sie. Das bringt sie in ihren Videos ziemlich gut rüber. Am Ku’damm stellt sie ein Soundsystem auf und tanzt. Am Club Tresor reitet sie auf einem Schimmel vorbei. Die Skipiste rutscht sie auf einem Sessel runter. Durch den Berliner Flughafen fährt sie auf einem motorisierten Kofer. Badet in einer Wanne voller GrasBlüten. Trinkt aus einem riesigen Glas, aus einer riesigen Flasche. So sieht ihr SocialMediaContent aus. Zusätzlich macht sie Werbung für bekannte deutsche Autohersteller oder Internetzahlungs
Und dann gibt es die Videos ihrer Sets. Stella tanzt, springt, mit ausgebreiteten Armen. Vor dem DJPult, auf dem DJPult, dahinter auch. Immer in Bewegung. Immer mit Sonnenbrille. Immer sexy. «Ich liebe es, gemeinsam mit der Crowd auszurasten, egal wo, egal mit wie vielen und egal welche Uhrzeit» –und das glaubt man ihr sofort. Die Kommentare unter ihren Videos verlaufen zwischen «Woher ist die Hose?» und «Sie ist der Inbegrif von TikTokTechno». Love and Hate.
Markenzeichen
Sonnenbrille
Stammladen KitKatClub, Berlin
Mit «The Beat Must Fuck» gründet Stella Bossi im Jahr 2020 ihr eigenes Label. Nimmt Tracks wie «Tackle» oder «Das Boot» auf. Dass sie das mit Musikern wie Marco Faraone tut, wird kritisiert. So ist das bei Frauen im TechnoBiz, denen gerne nachgesagt wird, dass sie nicht selbst produzieren. Bei ihren Kollegen ist das meist kein Thema. Ihre Musik beschreibt sie als «hart und sinnlich».
TikToks statt Vinyl-Kollektion
Aber dass sie Musikerin ist, würden ihr einige gerne absprechen. Stichwort TikTokDJ. Also TechnoActs, die eher durch kurze TanzClips in den sozialen Medien auffallen als durch eine über zwanzig Jahre gesammelte VinylKollektion. Kollegin Monika Kruse umschrieb es kürzlich so: Zu viele DJs würden wegen ihres SocialMediaContents erfolgreich sein, nicht wegen ihrer Musik. Aber damit meint sie natürlich nicht nur Bossi. Sondern eine ganze Reihe von jüngeren Acts, die verstanden haben, dass man sich auch im Internet verkauft,
spätestens seit eine neue Generation Feiernder Musik, Tanzen, Party während der Pandemie im Internet gelernt hat. Da war Stella Bossi vorn mit dabei. Genauso wie bei der FetischMode, den härter gewordenen Beats oder den NeunzigerHits, die sie als Edits veröfentlicht. Bossi ist Zeitgeist.
«Jeder, der eine gewisse Reichweite hat, ist auch Infuencer, und egal in welchem Genre man arbeitet – soziale Medien können dein Business befeuern. Muss man eben für sich nutzen. Aber ja, Segen und Fluch von Social Media.» Die Welt sei kompliziert, sie versuche, ihr Leben zu leben und gute Laune zu verbreiten – online wie offline. «Ich habe nicht diese eine Schublade für mein Tun.»
Tanzend an den Tables
Und dann gab es noch diesen kleinen Skandal. Stella Bossi habe einen DJ, der vor ihr spielte, respektlos von der Bühne geworfen, heisst es auf TikTok. Der Hass wächst. Bossi entschuldigt sich. Doch vielleicht hat sie sich auch einfach nur nicht kleingemacht? Wer einmal auf einer Bühne aufgelegt hat, weiss, zu welchen Machtdemonstrationen es bei den Übergängen der Acts kommt.
Es wirkt, als würde Bossi Strukturen in der Szene aufbrechen. Bewusst? «Ich nehme mich nicht zu ernst und passe mich ungern an. Zwei Dinge, die so nicht im ‹grossen Buch des Techno› stehen», sagt sie. Und hat sie damit Erfolg? «Mittlerweile trauen sich mehr und mehr TechnoDJs zu tanzen», sagt sie und grinst.
Instagram: @stellabossi
«Ich liebe es, gemeinsam mit der Crowd auszurasten.»
Wenn Stella auflegt, ist auf dem Dancefloor Ekstase.
Der Frühling kommt im Kajak –und geht den Bach runter.
Wildwasser-Fotograf John Webster holt uns zu sich ins Boot: fussabwärts in Nordund Südamerika.
Curacautín, Chile
Dieser Ort ist ein beliebtes Postkartenmotiv. Also wechselte John die Perspektive, erkletterte einen kaum zugänglichen Aussichtspunkt. Und fotograferte seinen Freund Jan beim Start – senkrecht abwärts.
Payette River, Idaho
Der North Fork Payette River gilt als absoluter Geheimtipp: 14 Kilometer High Speed, immer wieder hohe Wellen –und jede Menge Boofs: eine Technik, das Boot per Ruderschlag aus dem Wasser zu heben. Hier sehen wir die französische Kajakfahrerin Nouria Newman in einer SKurve – S wie superb!
«Der
Tlapacoyan, Mexiko Man muss sich den Río Alseseca als wildes Gewässer vorstellen. Ganz im Gegensatz zu den Hügeln, die ihn umgeben, und ihren dichten Bananenstauden. Also packt Paddler Evan Moore sein Boot zum Landspaziergang. Einfach mal ein neues Panorama. Bananarama.
Salmon River, Idaho Sie lehnen sich zurück, strecken sich, atmen tief durch – ehe sie ihre Gäste aufnehmen und der Trip fussabwärts beginnt: die RaftingGuides Metta und Kyra, fotografert von einer Drohne aus. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Aus der Vogelperspektive.
«Dieser Sport ist mehr als Speed. Er ist Natur – pur und intensiv.»
John Webster über das Gesamterlebnis Kajakfahren – hier dokumentiert am Fluss Futaleufú in Nordpatagonien, Chile
«Keine Angst, bei der Landung sitzt er wieder aufrecht.»
John
Boise, Idaho
Erste Weisheit: Der Weg ist das Ziel, auch wenn es sich dabei um einen Holzweg handelt.
Zweite Weisheit: Der Weg tief nach unten führt oft steil bergauf.
Zumindest vorerst. Hier hielt John die Strapazen eines Freundes fest, der sich zur perfekten Einstiegsstelle eines Wasserfalls emporkämpfte.
Stille Wasser sind tief. Und wilde Wasser fallen tief. Und genau das war es, was John Webster, 33, aus Idaho, USA, schon von Jugend an faszinierte. Hauptberuflich fotograferte er zunächst für grössere Unternehmen und Agenturen. Klick, klick, klick. Aber null Kick. Bald schon erschien ihm sein Lebensfuss zu geruhsam, zu gemächlich. Und so unternahm John mit 19 Jahren erste kleine Fotoexpeditionen in das Umfeld seiner Heimatstadt Boise. Down to the river – genauer gesagt an den Payette River, eine Autostunde von seinem Zuhause entfernt. «Ich begann, mich mit namhaften Kajakfahrern anzufreunden, fotograferte sie auf ihren abenteuerlichen Fahrten und bei ihren Stunts», erzählt der Mann mit dem LemmyvonMotörheadLook. Und nach anfänglichem Respekt wagte er sich schliesslich selbst rudernd und paddelnd auf die Ströme der USA. Und dann der ganzen Welt. Beruf: Fotograf. Berufung: WildwasserFotograf. «Ich liebe es, diese grossen kleinen Momente zwischen Mensch und Natur einzufangen», sagt John. «Was kommt als Nächstes? Welche Lichtverhältnisse herrschen diesmal? Diese Suche fasziniert mich immer wieder aufs Neue.» Die Suche nach neuen Wegen. Auf wilden Wassern. Tosend fussabwärts. webstermediahouse.com
Columbia River, Oregon Ein paar Sekunden zuvor war Paddler Dane Jackson noch «over the rainbow». Nun begegnet er ihm auf Augenhöhe. Dabei ist Jackson nicht der Zauberer von Oz, sondern «nur» von Oregon.
John Webster mit Gummi-FlamingoEmotion Hecht
Von links: Daniel «Gisi» Gisler (Keyboard), Christoph «Chregu» Schröter (Gitarre), Philipp «Phil» Morscher (Bass), Stefan Buck (Sänger), Chris Filter (Drums)
Heute ist Hecht eine der erfolgreichsten Schweizer Bands –durch die Kraft der Kontraste: tagsüber brav im Büro, abends wild auf der Bühne. Und demnächst bei Red Bull Jukebox!
TEXTurz vor Weihnachten sitzt Stefan Buck im Café Le Raymond im Zürcher Bankenviertel. Schwarz und Grautöne prägen den Raum, aus den Kolben der Marzocco tröpfelt ein Espresso nach dem anderen, der Ingwer-Tee kostet sieben Franken. Stefan passt mit seinem schwarzen Pullover bestens auf diese Bühne. Nach einer Stunde Gespräch winkt er im Gehen, er telefoniert schon wieder. Der Banker hat wenig Zeit, er muss sich jetzt wieder seinem Finanz-Startup widmen.
36 Stunden später trägt er ein Pyjama aus rotem Samt, umarmt auf der Bühne des Zürcher Lokals X-tra ein lebensgrosses Plastiktier und schreit ins Publikum: «Ein Konzert mit einem Einhorn macht einfach mehr Spass!»
Stefan ist in seinem Parallelleben Sänger der Band Hecht, einer der erfolgreichsten Mundart-Kombos der Schweizer Musikgeschichte: Gold für das aktuelle Album «Hecht For Life», dreimal Platin für die Single «Besch ready für die Liebi vo mer», 2023 der Swiss Music Award für die beste Band, 2019 und 2022 ein ausverkauftes Zürcher Hallenstadion. Während des ersten dieser zwei Konzerte sagt Stefan zu seinem Gitar-
risten: «Wir haben in jedem Pfarreiheim gespielt, an jeder Gewerbeausstellung, in jedem Pub, an jedem Band-Contest. Und jetzt stehen wir nach 23 Jahren auf der grössten Bühne der Schweiz.» Und vor ihnen 13 000 Menschen. Vor Hecht haben erst vier Schweizer Acts das Hallenstadion gefüllt.
Der Aufstieg von Hecht beginnt 2011 in der Bar La Catrina im Zürcher Kreis 4. Gerade hat die Agentur Gadget mit der Band einen Vertrag abgeschlossen, quasi blind und auf gut Glück. Denn niemand weiss, ob jemals mehr als ein paar Dutzend Menschen Hecht sehen wollen, ob diese Band etwas taugt. Nicht einmal die Band selbst weiss das. Denn sie spielt in der damaligen Zusammensetzung erst seit kurzem. Das Keyboard platzieren sie unten beim Publikum, weil die Bühne zu klein ist. Aber der Abend muss dann so gross gewesen sein, dass die Jungs wussten: «Das mit dieser Band, das wird geil.» So drücken sie das heute aus. Stefan sagt zwölf Jahre danach: «Dieses Konzert war ein magischer Moment.»
Für jenen Abend hat er das Lied «Tänzer» geschrieben. Eine Songzeile daraus geht so:
– E schöni Gschecht, wo’s nonig ged –
Die Boyband besteht heute aus fünf Köpfen: Philipp «Phil» Morscher schenkt der Musik mit seinem Bass die Grundmauern; Christoph «Chregu» Schröter leitet an der Gitarre das Melodische; Daniel «Gisi» Gisler sorgt am Keyboard für die speziellen SoloMomente; Chris Filter treibt die Band mit seinen Drumsticks durch die Lieder; und ganz vorne steht Stefan Buck, Gesang und Gesicht.
In seinen ersten Jahren als Sänger und Songwriter schreibt Stefan Lieder auf Eng-
«In England wurde mir klar: Ich muss in meiner Muttersprache singen.»
STEFAN BUCK, FRONTMAN
lisch. Eine berufliche Reise nach England verändert alles. Stefan besucht dort Konzerte, etwa von den Indie-Rockern The Kooks, und sagt heute: «Da habe ich gemerkt: Die Engländer verstehen wirklich, wie Songwriting geht. Solange ich meine Lieder in Englisch schreibe, werde ich sie nie so rüberbringen können. In diesen Momenten wurde mir klar, dass ich in meiner Muttersprache singen muss.» Der Sprachwechsel beschränkt das Einzugsgebiet von Hecht auf die Deutschschweiz. Die Rösti ist die Grenze. Aber erst die Mundart, dieser Dialekt aus Stefans Luzerner Heimat, wo ein «i» gerne zu einem «e» wird, erlaubt die Heiterkeit, die diese Band ausmacht.
Ihre Musik taugt als Soundtrack für Sommerabende; und sie passt ins Autoradio, wenn die Ampel vor dem Gotthard-Tunnel
Band & Bank
Am Tag die Vernunft, in der Nacht die Gefühle: Stefan
Buck ist von Beruf Banker – und Frontman der Band.
Groove & Style
Bassist Philipp «Phil» Morscher kümmert sich auch um das Styling der Band – und ist Sekundarlehrer.
«Tanze, Tanze!»
Philipp «Phil» Morscher am Bass und Christoph «Chregu» Schröter an der Gitarre
Hecht-Sprung
Es begann in einer kleinen Bar vor einem Dutzend Zuschauern – heute sind es 13 000.
auf Grün springt und sich das Tor zum Süden öfnet: Die Lieder heissen «Tanze Tanze», «Prosecco», «Italia». In zwei Songbooks haben sie 49 davon festgehalten. Die vier häufgsten Nomen darin sind «Liebi», «Nacht», «Härz» und «Gfühl». Hecht besingt Bier und Wellen und Hühnerhaut, Sommervögel, die Schweiz und Lampions. Und manchmal brüllt Stefan eine Ladung Selbstironie in sein verbeultes Konzertmikrofon.
– Stell die Scheissmusig ab, es törnt mi ab,
wenn ech die Band muess ghöre –
Solche Songzeilen bleiben hängen, auch bei Stefans Kindern. Wenn sie im Bett sind, fndet er Zeit, an den Texten zu arbeiten. Dann sitzt er im Keller, beleuchtet von zwei Tischlampen, vor ihm der Synthesizer und der Computer, hinter ihm mehrere Gitarren, um ihn herum Zettel, die er mit Malerband an die Wände geklebt hat.
Er geht immer gleich vor: Zuerst baut er eine Drumline, später fügt er einen Bass dazu, die Gitarre, schliesslich den Synthesizer. Alles noch grob, alles näher beim Hauch einer Idee als bei der fertigen Musik. Dann spielt er die Audiospur ab und brummelt und murmelt und nuschelt vor sich hin. Geräusche, bald Silben, irgendwann Worte, schliesslich Sätze.
Auf seinem iPhone hat er 1400 NotizDateien gespeichert, die Ideen für seine Songs. Immer wieder entspringen sie dem Leben. Als die ganze Band im Zürcher Club Zukunft feiert, sagt Keyboarder Gisi: «Die Zukunft geht zu.» Stefan gefällt der Satz so gut, dass er ihn notiert. Irgendwann wird er ihn vielleicht singen.
Steht ein Song in der Rohfassung, feilt das Quintett im Bandraum daran, zweites Untergeschoss, irgendwo im Zürcher Kreis 5. Vorher zeigt ihn Stefan seiner Frau, der ersten Kritikerin. Sie sagt ihm, wo er nochmals ranmuss, wenn sie etwa an einer Stelle
erkennt, dass er den Song einfach nur noch fertig schreiben wollte. Und manchmal greift sie in den Titel ein. «Charlotta», eine Art Signature-Song von Hecht, hätte «Paulina» heissen sollen. Das ist Stefans Lieblingsname für ein Mädchen. Seine Frau will nicht, dass ihr zukünftiges Kind wie ein Lied heisst. Also ändert Stefan den Songtitel. Nötig war das nicht. Das Paar hat drei Söhne.
«Charlotta» kommt auf über 13 Millionen Streams auf Spotify. Der Song markiert den Höhepunkt jedes Hecht-Konzerts, die dann längst Hecht-Partys sind.
Das grösste Feedback aber bekommt die Band für «Nur 1 Minute», einen der wenigen in Moll komponierten Songs. Stefan hat ihn für seine Frau geschrieben, nachdem sie ihre Mutter verloren hatte. Wenn er das Lied an Konzerten singt, macht die Party Pause. Alles reduziert sich auf Stefans Stimme und Gisis Keyboard. Die Menschen, die zum Tanzen und zum Feiern gekommen sind, stehen still.
– Damit das Chind weder be de Mama esch –
Mit einfachen Texten und Melodien hat sich die Band in die Ohren ihres Publikums gespielt. Ohne die Welt musikalisch zu verändern. Stefan weiss selbst, dass nicht in Ohnmacht fällt, wer seine Stimme hört. Seine Stärke liegt im Erzählen. Es gelingt ihm, auf das Publikum einzugehen und die Übergänge zwischen den Liedern zu moderieren. «Diese Momente fallen mir leicht», sagt er.
«Wir teilen einen ganz speziellen Erfahrungsschatz, das schweisst zusammen.»
DANIEL «GISI» GISLER, KEYBOARD
Doch dahinter steckt akribische Arbeit. Am Abend vor dem ersten Konzert im Hallenstadion feilt Stefan an diesen Worten wie ein Politiker vor einer Wahlkampfveranstaltung. Ein Stift, viele Zettel, wieder mit Malerband an die Wand geklebt, so entstehen diese kleinen Geschichten für die Füllmomente. Wobei die Zeit zwischen den Liedern für Hecht viel mehr ist als ein Füllmoment.
Stefan fällt in den 90er-Jahren auf, wie wenig Rockstars mit dem Publikum interagieren. Ihm widerstrebt das. Vielmehr inspirieren ihn die Hip-Hopper, die mit den Menschen spielen, sie einbeziehen. Genau das ist heute das Kapital von Hecht. Stefan nennt es den «Pakt mit dem Publikum».
Mit Show ohne Ende festigt Hecht diesen Pakt: An den Konzerten duscht das Publikum in Konfetti; die Band fährt mit GummiFlamingos, so gross wie Schrebergartenhäuser, durch das Publikum; manchmal legt die Band die Instrumente weg und tanzt minutenlang, immer so nahe an der Synchronität vorbei, dass die Einlage noch Spass macht; Zuschauer halten auf der Bühne um die Hand ihrer Freundinnen an; Keyboarder Gisi schwebt an einem Seil von einem Ende des Hallenstadions zum anderen. Ein Techniker sagt: «Diese Jungs haben so viele Ideen. Oft bis wenige Minuten vor Konzertbeginn. Das erschwert unsere Arbeit, macht sie aber auch spannend.»
Was soll noch kommen, wenn so viele Show-Ideen schon umgesetzt sind? Wie erfndet sich eine Band für jedes Konzert ein klein wenig neu? Solche Fragen beschäftigen Hecht. Auch weil manchmal Angst aufkommt. Etwa vor dem Konzert im Hallenstadion. Die Band sieht das fnanzielle Risiko. Und die Jungs fragen sich: Was, wenn wir diese Halle nicht füllen? Und das alle auch noch sehen?
Vier Jahre und zwei Hallenstadion-Konzerte später: «Dass uns das Openair Gampel als Headliner auf die Hauptbühne bucht, ist wirklich nicht selbstverständlich.» So bilanziert Stefan den Festival-Sommer 2023 auf Instagram. Es wirkt fast so, als hätte die Nachricht des eigenen Erfolgs die Band immer noch nicht ganz erreicht. Als seien sie immer noch überrascht, wie viele Menschen ihre Musik hören und sehen wollen. Vielleicht hat das damit zu tun, dass alle fünf Jungs neben ihrem Bühnendasein einen Alltag leben. Einen Alltag wie jene Menschen, für die sie Musik machen: Vier der fünf Mitglieder haben insgesamt zehn Kinder. Und alle fünf arbeiten. Stefan ist Banker, Chregu baut Start-ups im digitalen Gesundheitswesen, Chris verkauft Audiosysteme, Phil unterrichtet an einer Sekundarschule, und Gisi arbeitet als Data Scientist an einem Algorithmus für das automatisierte Überwachen von Husten.
Start me up Start-up-Experte Christoph «Chregu» Schröter ist Mitbegründer der Band und sorgt an der Gitarre für eingängige Melodien.
Chregu spielt die Gitarre. Und seine Spezialität sind die Melodien des Lebens …
Magische Momente Data Scientist Daniel «Gisi» Gisler zaubert auf dem Keyboard magische Solos –und fiegt auch mal durch die Halle.
Stefan sagte einmal: «Wir hatten zu spät Erfolg. Die inneren Persönlichkeiten waren schon zu fest ausgeprägt.» Auch deswegen setzt Hecht nicht ausschliesslich auf Musik. Zudem nehmen die Jobs den existenziellen Druck von der Musik weg.
Nach Konzerten sitzen die fünf Jungs auch mal stundenlang zusammen. Sie geniessen diese Zeit, weil für einmal nichts ansteht. Manchmal bleiben sie so lange im Backstage-Bereich, bis jemand sie rauswirft.
Keyboarder Gisi erklärt, was Hecht menschlich ausmacht: «Wir teilen einen speziellen Erfahrungsschatz. Wenn ich zum Beispiel jemandem vom HallenstadionKonzert erzähle, dann kann er dieses Erlebnis nachvollziehen. Aber nur die anderen vier der Band können das Erlebnis nachfühlen. Das schweisst zusammen. Nach all den Jahren weiss ich: Diese Gruppe ist so ein guter Match. Aber weil wir so viel Zeit miteinander verbringen, so viel zusammen arbeiten, ist das Menschliche auch immens wichtig. Darum gibt es immer diese Angst, dass jemand aufhören könnte. Als Rolf die Band verliess, war das zum Beispiel ein ziemlicher Schock.»
Drummer Rolf Furrer hat die Band zusammen mit Stefan und Chregu gegründet. Er war beim Konzert im La Catrina noch dabei, an jenem Abend, an dem die Erfolgsgeschichte Hecht angefangen hat. Irgendwann verliess er Hecht aus persönlichen und beruflichen Gründen. Theoretisch kann es allen anderen auch so ergehen. Denn mit Musik und Beruf und Familienleben kommt einiges zusammen.
Wie organisiert sich eine der erfolgreichsten Schweizer Bands, deren Mitglieder all diese Elemente aneinander vorbeibringen müssen? Zurück im Café Le Raymond. Kurz bevor Stefan losmuss, zückt er sein iPhone und sucht auf WhatsApp nach Hecht-Chats. Er scrollt durch die Liste, die fast nicht aufhören will. Insgesamt führt Hecht 75 WhatsApp-Chats. Sie heissen «Live», «Merch», «Puf Mutti» oder «Finanzen»; «Technik», «Video Ideen», «Gästelisten» oder «Artwork». Und wenn jemand ein Rezept teilen möchte, stellt er das in den Chat «Hecht Savoir-vivre».
So ein internes Kommunikationsnetz stellt auf, wer auch neben der Musik vieles selber macht. Bassist Phil stylt die Band und gestaltet alles Graphische; Sänger Stefan vertritt die Band gegen aussen; Keyboarder Gisi ist so etwas wie das musikalische Gewissen und kümmert sich um Rechtliches; Gitarrist Chregu macht die Buchhaltung; und Schlagzeuger Chris organisiert alles, was auf der Bühne passiert.
Drum & Herum Schlagzeuger
Chris Filter verkauft Audiosysteme – und ist der Mann für die
«Jede Lampe, jeden Ton – alles checkt dieser crazy Typ.»
SÄNGER STEFAN BUCK ÜBER DRUMMER CHRIS FILTER
Etwas mehr als ein Jahr hat sich Hecht auf die erste Show im Hallenstadion vorbereitet, auf die grösste Indoor-Bühne der Schweiz. Als Stefan während des Konzerts die Band vorstellt, stellt er sich hinter Chris, der mit seinem Drumstick auf die Bronzelegierung des Hi-Hats schlägt. Dann sagt Stefan zu den 13 000 Menschen vor ihm: «Ich weiss nicht, wie viele hundert Stunden Chris in dieses Konzert investiert hat. Aber jede Lampe, jeder Ton, jedes Konfetti, egal was: Dieser crazy Typ hier, der hat das alles organisiert!»
Tränen des Glücks fiessen in diesem Moment auf Chris’ Wangen in Richtung Bart. Sie glitzern im Licht der Scheinwerfer, die er selbst organisiert hat.
Instagram: @hecht_band
Bei diesem KonzertHighlight liefert Hecht die Show deiner Wahl
Am 25. Mai steht Hecht in The Hall in Zürich auf der Bühne –und ihr bestimmt, wie die Show abläuft! Bei Red Bull Jukebox entscheiden nämlich die Fans, welche Songs die Band spielt und wie diese auf der Bühne interpretiert werden. So könnt ihr das Konzert ganz nach euren Wünschen gestalten. Votings fnden vorab online statt. Und auch während des Konzerts könnt ihr noch mitbestimmen. Also: abstimmen und Tickets sichern!
Alle Infos fndet ihr hier: redbull.com/jukebox
Welt der Wünsche
Bei Red Bull Jukebox im Mai erfüllt die Band die Sehnsüchte des Publikums.
Gesteinswüste bis in die Wolken. Und ein kleiner grauer Punkt, der sich nach oben kämpft: Drei Schweizer wollen mit ihrem E-Laster auf den höchsten Vulkan der Erde. Und scheitern grandios: mit einem Weltrekord! Das irre Protokoll der Expedition Peak Evolution.
TEXT GUNTHER MÜLLER FOTOS SIDARIO BALZARINI
Der letzte Aufstieg
Das
Sauerstoff knapp, Wind eisig, egal: Hier erfüllt sich ein Jugendtraum!
Die Atacama-Wüste in Chile ist eine der trockensten Zonen der Welt. Knapp vier Wochen sind David Pröschel, 33, Patrik Koller, 30, und dessen Bruder David Koller, 32, hier schon unterwegs. Es ist Anfang Dezember, doch statt Schnee weht nur Sand. Meter für Meter kämpfen sich die drei mit ihrem selbst gebauten E-Transporter «Terren» den Ojos del Salado hinauf: Feuer, Flamme und Lava für den höchsten Vulkan der Welt.
Das Gelände ist extrem steinig und steil. Nicht nur eine Herausforderung für das Fahrzeug, sondern auch das Team ist physisch gefordert: Der Sauerstofgehalt ist ab 5000 Metern gering, die Abenteurer schlafen wenig, und die Erschöpfung nimmt zu. Ständig weht ein eisiger Wind, und nachts sinken die Temperaturen auf bis zu minus 30 Grad. Trotzdem rückt ihr Ziel, der Gipfel, immer näher. Der liegt auf 6893 Metern. Noch nie ist in dieser Höhe ein Auto gefahren.
Mit einem selbst gebauten, elektrisch betriebenen Vehikel einen neuen Höhenweltrekord aufzustellen – das klingt nach einer Idee, die andere höchstens am Stammtisch zur Idee formen, um sie spätestens bis zum Sonnenaufgang ganz sicher zu vergessen. Anders bei den Freunden und Geschäftspartnern David, Patrik und David. «Wir drei waren schon immer so, wollten als Jugendliche mit dem Bike die höchsten Gipfel erklimmen und ganz einfach Rekorde brechen. Irgendwann war klar, dass wir gemeinsam auch einen neuen Weltrekord aufstellen müssen», sagt Patrik, der in dem Trio für die Finanzen zuständig ist.
Gipfelstürmer
David Koller, David Pröschel, Patrik Koller (v. li.): die Abenteurer vor ihrem E-Laster.
Die drei kennen einander seit früher Kindheit. Der damals siebenjährige David Pröschel aus Zürich besuchte mit seinem Vater das Dorf La Punt im Engadin, wo die Brüder Patrik und David Koller mit ihren Eltern lebten. «Die Begegnung war reiner Zu-
fall, wir haben uns sofort angefreundet», erinnert sich Patrik. «In den Ferien kam David immer zu uns ins Dorf, dann sind wir in den Wald und haben riesige Baumhäuser gebaut.»
Die Freundschaft hielt an. Als Teenager fuhr David Pröschel fast jedes Wochenende mit dem Zug ins Engadin. Zu dritt bastelten sie schliesslich in einer Garage an Davids praktischer Maturaarbeit: einem fahrtüchtigen, benzinbetriebenen Buggy. Das Getriebe stammte von einem Motorrad, einige Teile aus dem Fachhandel, den Rest besorgten sie auf dem Schrottplatz. Das Schweissen brachten sie sich selbst bei, das schweisste zusammen.
Aus den Jugendlichen wurden junge Erwachsene, die Ingenieurwesen und Maschinenbau studierten. Zunächst nahmen sie alle reguläre Jobs an, in den freien Stunden tüftelten sie weiter am Bau von Maschinen. «Bei uns ist es so, dass David Pröschel meistens neue Ideen hat, wir ermutigen ihn dann, helfen bei der Umsetzung oder bremsen ihn auch manchmal», sagt Patrik Koller. «Dass wir zusammen ein Unternehmen gründen, war die logische Konsequenz unserer Dynamik.»
Beim Start ein Stottern
Die gemeinsame Firma wurde 2018 gegründet. So richtig ins Rollen kam die Sache aber erst ein Jahr später, als die Idee aufkam, ein Nutzfahrzeug mit Elektroantrieb für die Landwirtschaft zu bauen, das auch in unwegsamsten Gelände eingesetzt werden kann – etwa für den Transport von Heu, Milch oder Brennholz. «Diese Fahrzeuge fahren den ganzen Tag bergauf und bergab. Bei jeder Talfahrt kann ein Elektrofahrzeug rund 30 Prozent Energie zurückgewinnen», erklärt David Koller das Konzept hinter dem «Terren».
Der Enthusiasmus wurde allerdings rasch gedämpft. Die Jungunternehmer mussten feststellen, wie schwierig es ist, als Newcomer in der Branche Fuss zu fassen, die richtigen Kontakte zu knüpfen und Geldgeber zu fnden. «Es war klar, dass wir eine richtig grosse Aktion brauchten, um Aufmerksamkeit zu erregen», sagt David Koller. Warum also nicht gleich einen Berg versetzen?
«Irgendwann stiessen wir dann auf den Vulkan Ojos del Salado, den zweithöchsten Berg auf dem
Vorbereitungen
Der «Terren» fährt autark, der Treibstoff scheint vom Himmel.
amerikanischen Kontinent. Wir wollten beweisen, dass wir mit unserem Nutzfahrzeug für die Landwirtschaft auch solch einen Gipfel bezwingen können – und das ganz zeitgemäss ohne Benzinmotor.»
Die drei kündigten ihre Jobs, um sich voll auf die Aufgabe zu konzentrieren. Und wieder standen sie in ihrer Garage und bastelten an ihrem Jugendtraum. Im Mittelpunkt stand zunächst der Bau des Prototyps. Dafür bauten die drei Werkstatt-Athleten einen klobigen Aebi-Dieseltransporter komplett um. «Das haben wir anfangs unterschätzt», räumt Patrik Koller ein. «Tatsächlich hat es fast fünf Jahre gedauert, bis das Fahrzeug fertig war. Wir mussten sehr viele Kleinteile einbauen. Auch die Steuerungssoftware war eine echte Challenge.»
Das Dieselaggregat des Fahrzeugs wurde durch leistungsstarke Elektromotoren ersetzt. Spezielle 42-Zoll-Räder ermöglichten die Bewältigung von starken Steigungen. Ein komplexes Solarkraftwerk wurde eingebaut, damit das Fahrzeug in der abgelegenen Wüste mit Energie versorgt werden kann. «Dadurch waren wir energieautark, hatten es drinnen warm und konnten Küche, Kühlschrank, Toaster und Kafeemaschine mitnehmen», erzählt David Koller aus dem Leben der E-Alpinisten.
David Koller wechselt die Seilwinde (oben). Letzte Hamsterkäufe für die körperlich anspruchsvolle Expedition (unten)
Alles fliesst!
Oben: Das Trio erfrischt sich in der fünf Grad kalten Laguna Verde.
Unten: Befüllung des Wassertanks
Für die Ewigkeit Ein Filmteam dokumentiert die erste Testfahrt –auf 4300 Metern über dem Meer.
2022, als der «Terren» endlich fertig war, scheiterten die drei noch an der Strassenzulassung bei den Schweizer Behörden. Die Verzögerung von einem Jahr erwies sich im Nachhinein als Segen. Die gewonnene Zeit konnten die drei Freunde nutzen, um ihr Fahrzeug auf Fahrten quer durch die Schweiz zu testen, zu optimieren, neue Sponsoren zu gewinnen und an der eigenen körperlichen Fitness zu arbeiten.
Im September 2023 konnte die Expedition, die den Namen «Peak Evolution» erhielt, endlich starten – mit drei Kameraleuten im Team. Im Oktober wurde das Solar-Fahrzeug in den Hafen der chilenischen Stadt San Antonio verschift. Von dort ging es
zunächst 1000 Kilometer nordwärts nach Copiapó, der letzten Stadt vor der Wüste, wo sich das nunmehr sechsköpfge Team mit Proviant für eine kleine Ewigkeit eindeckte. Denn die Evolution hat immer Hunger.
Mit dem Solar-Fahrzeug und zwei Pick-up-Trucks ging es dann in ein Fischerdorf an der Pazifkküste, um die Expedition auf Meereshöhe zu starten. Erste längere Zwischenstation war das Basislager bei dem 4329 Meter über dem Meer gelegenen Salzsee Laguna Verde am Fusse des Ojos del Salado. «Dort haben wir uns für mehrere Wochen akklimatisiert und mit den Motorrädern die Gegend erkundet», sagt Patrik Koller. Das war auch die letzte Station,
Powerplant on Tour
Oben: die Sonnenkollektoren, der «Terren», die den Wagen zum fahrenden Kraftwerk machen. Unten: Frühstück am Fuße des Mega-Vulkans
in der es noch ein wenig Vegetation gab. Die Abenteurer badeten in heissen Quellen, sahen rosarote Flamingos und Wüstenfüchse. Fortan aber gab es nur noch endlose, trockene Einöde: Steine, Sand und Gletscher.
Stück für Stück kämpfte sich das Team Peak Evolution Richtung Krater-Peak. Im allerletzten Basislager auf 6200 Metern wurden die Vorbereitungen für den fnalen Aufstieg getrofen. Die Erkundungsfahrten und Drohnenaufnahmen zeigten nun allerdings, dass nicht der mit 6893 Metern höchste Punkt des Vulkans, sondern lediglich der 6734 Meter hohe Westgipfel für sie befahrbar war. Doch im Westen – viel Neues.
Die drei Schweizer waren nämlich nicht die Einzigen waren, die mit einem Kraftfahrzeug den Gipfel des Ojos del Salado bezwingen wollten. Ein etwa 20-köpfges Werksteam von Porsche war zur gleichen Zeit mit einem komplett umgebauten, hochgelegten – aber benzinbetriebenen – Porsche 911 ebenfalls zum Westgipfel unterwegs, um den Höhenrekord für Landfahrzeuge, diesen Jugendtraum aus der Engadiner Bastelstube, zu brechen. Und zum Platzen zu bringen? Die Peak-Boys am Gipfel der Realität.
Auf 6500 Metern, einen allerletzten Steilhang vom Gipfel entfernt, hatte der «Terren» ein technisches Problem mit dem Kühlsystem. Der erste Versuch musste abgebrochen werden. Auch die Anläufe der nächsten Tage waren am Ende zu riskant für das Team. «Beim Einsatz der Seilwinden hätte sich das Fahrzeug auf einem derart steilen Hang überschlagen können. Mit einem 6,5 Tonnen Fahrzeug sind Ankerpunkte essenziell, und diese waren nicht überall gegeben. Das wollten wir nicht riskieren. Deshalb wurde die Expedition Peak Evolution auf 6500 Metern beendet», sagt Patrik Koller. «Es war für uns wie das falsche Drehbuch. In einem Hollywood-Film hätten die Underdogs gegen den grossen Konzern gewonnen. Aber in der echten Welt sind die Dinge eben oft ganz anders.» Und ein Sieg war es trotzdem. Keiner, der sich in Superlative giessen lässt – und der dennoch für sich steht.
Pizza Vulcano & Guinness-Buch Ihr grosses Ziel, den Weltrekord in Höhenmetern zu brechen, blieb den dreien mit ihrem selbst gebauten Fahrzeug zwar verwehrt. Die Enttäuschung hielt aber nicht lange an, war rasch wie vom Wüstenwind verweht. Im Rückblick nach oben war die Mission Peak Evolution ein echter Erfolg: Das Trio verbesserte den Höhenweltrekord für Elektrofahrzeuge von 5900 auf 6500 Meter. Noch wichtiger: «Wir konnten mit der Mission beweisen, dass wir mit einem modernen Elektrofahrzeug auch das schwierigste Gelände meistern und unter extremen Bedingungen überleben können», sagt Patrik Koller. «Und ausserdem haben wir noch einige ganz andere Rekorde gebrochen: gut möglich etwa, dass noch nie jemand in dieser Höhe eine Pizza in den Ofen geschoben und einen Kafee gekocht hat wie wir in unserem ‹Terren›.»
Wie geht für das höhenfeste Trio nun weiter? «Wir haben jede Menge Anfragen für Vorträge –zur Thematik und über die Expedition», sagt David Koller. «Als Unternehmen stellen wir Know-how und Technik für Elektrofahrzeuge bereit.» Ob für ein bestehendes oder neu entwickeltes Fahrzeug –jedenfalls ist Serienproduktion das Ziel. Dazu auf Wunsch gern die eine, die echte Pizza Vulcano. peakevolution.ch
Tonio Schachinger, 32, gehört zu den Shootingstars der jungen deutschsprachigen Literatur. Wenn er nicht schreibt, dann zockt er. In seinem Roman «Echtzeitalter» macht er einen nerdigen E-Sportler zum Helden. Und sagt im Interview: «Gaming, das ist Hochkultur!»
INTERVIEW ANDREAS ROTTENSCHLAGER FOTOS PHILIPP HORAK
Das Spiel aus dem Erfolgsroman In «Age of Empires 2» führen Spieler eine historische Zivilisation durch verschiedene Zeitalter. Autor Schachinger machte daraus Literatur.
Der Teenager Till Kokorda führt ein merkwürdiges Doppelleben: Am Tag versucht der stille Schüler eines Wiener EliteGymnasiums, fesen Deutschlehrern und Snobs auszuweichen. Nachts attackiert er als Top-Spieler im Strategie-Game «Age of Empires 2» die Armeen seiner Gegner. Till steigt zu einem Star der Gaming-Szene auf – aber weder Freunde noch Eltern verstehen die Dimension seines Erfolgs.
Till Kokorda ist die Hauptfgur im Roman «Echtzeitalter» des österreichischen Literatur-Shootingstars Tonio Schachinger. Dem ersten Buch, das die Gaming-Szene der Gegenwart literarisch verarbeitet. Schachinger ist selbst Hobby-Gamer. Im Dezember gewann er für «Echtzeitalter» den Deutschen Buchpreis. Wir haben ihn nach dem Erfolg dahinter gefragt: Wie schreibt man einen Bestseller über Gaming, den Gamer und Nicht-Gamer unterhaltsam fnden?
the red bulletin: Herr Schachinger, Sie haben bei der Planung Ihres Romans einen strategischen Fehler gemacht. tonio schachinger: Ach ja, welchen?
Sie erzählen, wie Ihr Held Till zu einem der weltbesten E-Sportler aufsteigt – aber nicht in «League of Legends», «FIFA» oder «Fortnite», den grössten Titeln der Gaming-Branche, sondern
in «Age of Empires 2», einem 24 Jahre alten Strategiespiel für MittelalterNerds, in dem man Ritter, Schafe und Dorfbewohner durch eine 2D-Landkarte steuert. Einen «Fortnite»-Roman hätten sicher mehr Leute gekauft. Ich suche meine Themen nicht nach Massen tauglichkeit aus. Mich hat interessiert, warum ein historisch gewordenes Game noch heute von jungen Leuten gespielt wird. Ausserdem passt «Age of Empires 2» in das Setting des Romans. Ziel des Spiels ist es, in ein neues Zeitalter voranzuschreiten. Genau das versucht auch Till, dem wir beim Erwachsenwerden zusehen.
Wir sehen Till auch dabei zu, wie er sich die Nächte mit den Analysen seiner E-Sport-Turniere um die Ohren schlägt. Die Sprache der Gamer beherrschen Sie als Autor dabei erstaunlich souverän.
Sitzt vor uns der erste Träger des Deutschen Buchpreises mit E-Sport-Vergangenheit?
Nein. Ich habe «Age of Empires 2» zwar ranked gespielt, aber meine ELO lag nur bei 1100.
Das müssen wir übersetzen: «Ranked» heisst, Sie waren als Gamer in einer ofziellen Rangliste gereiht. ELO ist die Zahl, die Ihre Spielstärke angibt. Das System kennt man aus dem ProfSchach. Ist man mit 1100 ein blutiger Anfänger oder guter Amateur?
1100 ist unterer Durchschnitt. Es gibt im Roman einen Vergleich: Mit einer ELO von 1600 hat man das Level von jemandem, der ein Fach auf Lehramt studiert hat. Man weiss viel mehr über das Thema als die meisten anderen Menschen, aber viel weniger als eine absolute Fach-Koryphäe. Till, mein Romanheld, spielt als Top-Ten-Player mit einer ELO-Zahl von 2100.
Sie merken schon, wie gross die Kluft zwischen Insidern und Unwissenden ist, wenn es um Gaming geht. Dabei hat die Gaming-Industrie 2023 rund 300 Milliarden Dollar umgesetzt, und wichtige Titel wie «Fortnite» oder «Grand Theft Auto» prägen unsere Popkultur. Wie kann es sein, dass das Thema trotzdem an so vielen Menschen komplett vorbeigeht?
Ehrlich gesagt merke ich erst seit der Veröfentlichung des Buches, wie weit der Diskurs bei uns hinten ist. Auch der Begrif «Gaming» ist ja extrem breit, so als würde man über «Musik» reden. Und obwohl Gaming für Jugendliche und Leute in meinem Alter eine riesige Sache ist, gibt es etwa im Kulturbetrieb kein Bewusstsein dafür. In anderen Ländern ist man schon weiter. Dort hat sogar der Staat das Potenzial der Branche entdeckt.
Ihr Romanheld reist gegen Ende des Buches zur Spielemesse nach China die im Gegensatz zu Spielemessen in Europa auch eine Berufsmesse ist. Dort werden Jugendliche angeworben, um in der Gaming-Industrie zu arbeiten. Der Staat sieht sie als Schlüssel-Arbeitskräfte für die Zukunft.
Wer in die Welt der Gamer eintauchen will, ist jedenfalls bei Ihnen richtig. Neben «Age of Empires 2» kommen in Ihrem Roman 17 weitere Spiele vor – von «Mein kleiner Ponyhof» bis «Red Dead Redemption». Ausserdem gibt es eine lange Stelle, in der Till seiner Mutter erklären will, wie «Age of Empires 2» funktioniert.
Ich wusste, dass es für das Buch wichtig sein wird, zu zeigen, wie man mit Menschen, die sich nicht auskennen, über Gaming spricht. In der Szene zwischen Till und seiner Mutter
… neun Seiten, sehr lustig, am Ende sind beide frustriert … geht es aber auch um die Unmöglichkeit, Gaming zu vermitteln. Till merkt, dass seine Mutter ein ehrliches Interesse an seinem Hobby hat. Und seine Mutter gibt sich richtig Mühe. Gleichzeitig ist Till mit seinen Erklärungen unzufrieden, weil er sie auf ein so niedriges Niveau herunterbrechen muss – und seine Mutter sie trotzdem nicht kapiert. Eigentlich will sie in die Welt von «Age of Empires 2» eintauchen, am Ende spielt sie «Candy Crush» am Handy.
Ein Herz für Spieler Tonio Schachinger schrieb seinen DebütRoman «Nicht wie ihr» (2019) über einen Profifussballer. In «Echtzeitalter» ist sein Held ein Gamer.
Ritterschlacht in «Age of Empires 2» Mit einer Mischung aus Strategie und kluger Taktik kämpft sich Schachingers Romanfigur unter die Top10ProfiGamer der Welt.
«In gute Games kann man eintauchen wie in Filme oder klassische Musik.»
Sie schreiben, dass Till sich zu Videospielen hingezogen fühlt, «weil sie ihm bieten, was Kunst nur in ihren besten Momenten schaft». Und dass er in Games genauso eintauchen kann wie seine Mutter «in einen Haneke-Film oder ein Händel-Oratorium». Genau.
Tragen Sie da nicht ein bisschen dick auf? Michael Haneke ist Oscargewinner. Georg Friedrich Händel war einer der wichtigsten klassischen Komponisten nicht nur seiner Zeit. Welches Spiel hat Sie zuletzt so fasziniert, dass Sie gedacht haben, «Das ist hohe Kunst»? «Zelda: Tears of the Kingdom» zum Beispiel.
Was ist daran Kunst?
«Zelda» ist ein Open-World-Game, über dessen spielbarer Karte Himmelsinseln schweben, die man ebenfalls betreten kann. Was die Spieleentwickler vor dem Release aber nicht gespoilert hatten, war die Existenz einer kompletten spielbaren Unterwelt, stockdunkel, riesengross, bevölkert von Monstern. Als ich zum ersten Mal in diese Unterwelt hinabgestiegen bin, empfand ich das als Kunsterfahrung.
Kommen wir von Games, die als Kunstwerke funktionieren, zum E-Sport, den Sie ebenfalls beschreiben. Till nimmt im Roman an einem «Red Bull-Turnier» teil. Ich muss natürlich fragen: War das «Age of Empires 2»-Turnier Red Bull Wololo dafür das Vorbild?
Ja, das ist im Buch ein Bezug zur Realität. Das Turnier fand, soweit ich weiss, sogar auf einer Burg statt.
Genau, auf Schloss Heidelberg. Gewonnen hat Ørjan Larsen, Norweger, Spitzname «TheViper», der Superstar der Szene. Auch er kommt in Ihrem Roman vor. Sie nennen ihn den «Marcel Hirscher von ‹Age of Empires 2›». Warum?
Weil er in mehreren Disziplinen Weltklasse ist, wie Marcel Hirscher es war.
Aber wohl kaum in Riesenslalom und Slalom.
Nein, aber in «Micro» und «Macro».
Was heisst das?
In «Age of Empires 2» ist Macro die Wirtschaft, die man so gut wie möglich aufbauen muss. Micro ist die Kunst, die Einheiten ideal zu steuern, also zum Beispiel Ritter oder Bogenschützen. Es gibt ein paar junge Spieler, die eine gleich gute Micro wie TheViper haben, aber die Wirtschaft nicht so souverän kontrollieren. Und es gibt ein paar ältere Spieler, die ihm strategisch, bei der Macro, ebenbürtig sind. Aber niemand sonst kann beides so gut wie TheViper.
«Ørjan Larsen ist der Grösste der Szene, der Marcel Hirscher von ‹Age of Empires›.»
Ørjan «TheViper»
Larsen: der «Age of Empires 2»-Profi beim Turnier Red Bull Wololo in Heidelberg. Den Superstar der Szene hat Tonio Schachinger ebenfalls im Roman verewigt.
«Star Wars Battlefront»
Weil Sie junge Spieler ansprechen: Merken Sie als Millennial, dass die Generation Z Gaming anders erlebt?
Ich bin 32. Als meine Altersgenossen mit Computerspielen begonnen haben, gab es fast keine Möglichkeiten, damit Geld zu verdienen. Diese Möglichkeiten hat meine Generation mit aufgebaut. Die Jüngeren sind bereits mit der Chance aufgewachsen, Prof-Streamer oder Gamer zu werden. Die Generation Z professionalisiert sich früher.
Reden wir zum Schluss über das grösste Game der Welt. Im Dezember erschien der Trailer von «Grand Theft Auto VI», bei dem man Autos klaut und in einer riesigen Open-World-Karte Gangster-Missionen erledigt. Das Spiel ist mit einem Entwicklungsbudget von zwei Milliarden Dollar das teuerste Unterhaltungsprodukt, das die Menschheit je erschafen hat. Was würden Sie am Konzept des Games verändern? Sie meinen als Autor der Storyline?
Nein, die komplette Ausrichtung. Angenommen, Sie wären Präsident von Rockstar Games, der Entwicklerfrma … Boah.
Welche Richtung würden Sie dem grössten Spiel der Welt geben?
Ich würde endlich «GTA Europe» machen. Eine Version des Spiels, in der London, Paris und vier, fünf andere Städte in einer grossen Karte spielbar sind.
Das richtige «GTA VI» spielt aber in Miami. Und das ist der grösste Fehler der Serie: dass alle Teile in den USA spielen. Spannender wären «GTA Europe», «GTA Buenos Aires» oder «GTA Hong Kong». Als Präsident von Rockstar Games würde ich «GTA» für die ganze Welt öfnen.
«Teil eins und zwei dieser Shooter-Reihe habe ich geliebt. Was mir besonders gefällt: Du bist als einzelne Figur Teil einer Armee, kannst aber im Multiplayermodus deine Freunde dazunehmen. Wir haben als Jugendliche sogar unsere PlayStation auf den Skikurs mitgenommen, um im Zimmer ‹Battlefront› zu spielen.»
«Rome:
Total War»
«Ein rundenbasiertes Strategiespiel, in dem du auf einer grossen 2D-Karte diplomatische und taktische Entscheidungen triffst, um ein Land zu erobern. Kommt es zu einer Schlacht, wechselst du in den 3D-Modus und kämpfst in Echtzeit mit deinem Gegner, der ebenfalls eine Armee lenkt.»
«Hotline Miami»
«2D-Pixelgrafik, AchtzigerjahreTechno-Soundtrack: Dieses Indie-Game war 2012 in meiner Bubble gross. Du läufst durch ein Haus mit Gegnern, die du besiegen musst. Wirst du getroffen, ist das Spiel sofort vorbei. Perfektes Timing ist gefragt. Im Prinzip vollführst du eine Choreografie – bei der du auch mal Türen eintrittst. Spiele ich noch heute gern.»
Das Buch zur Story: «Echtzeitalter» von Tonio Schachinger ist im Rowohlt Verlag erschienen.
Trendsport Padel. Wie Tennis – nur ganz, ganz anders! In der Box und gegen die Bande. Mit Sportikonen wie David Beckham und Jürgen Klopp als Wegbereitern. Hier machen zwei der besten Padel-Player der Welt in zehn Schritten auch dich zum Spieler!
TEXT CHRISTIAN EBERLE-ABASOLONummer eins Juan Lebrón, 28, führte das Padel-Ranking von 2019 bis 2022 an. Weltweit gibt es bereits über 25 Millionen aktive Spieler.
Die Partner Padel wird zwei gegen zwei gespielt. Alejandro Galán (re.) steht seit 2020 an Lebróns Seite.
Wer beim Wort Padel zunächst Kanus oder Raftingboote im Kopf hat, dem sei verziehen. Noch ist der Sport, der meist als Mischung zwischen Tennis und Squash beschrieben wird, in unseren Breitengraden nicht allen bekannt. Und ganz ehrlich:
So richtig glücklich gewählt ist der auf den Schläger zurückzuführende Name nicht.
Doch Padel, oder Padel-Tennis, wird nicht mehr lange mit dem Paddel fürs Wasser verwechselt werden. In Argentinien und Spanien längst Nationalsport, greifen auch im übrigen Europa immer mehr Menschen zu den charakteristischen Schlägern mit Löchern in der Schlagfäche. Padel ist die schnellstwachsende Ballsportart der Welt.
Aber woher kommt diese Entwicklung?
Was macht den Sport aus? Wir haben mit Juan Lebrón, 29, und Alejandro Galán, 27, zehn Gründe gefunden. Die beiden Profs aus Spanien waren von 2020 bis 2022 die Nummer eins der Welt, spielen seit ihrer Kindheit und wissen daher nur zu gut, was genau an Padel so faszinierend ist – und warum der Sport dich dazu bringen kann, auch deine Beziehung zu überdenken.
Der Schläger
Keine Saiten, sondern eine Schlagfläche aus Kunststoff oder Carbon – mit Löchern
Breite: 260 mm
Löcher reduzieren den Luftwiderstand
Dicke: 38 mm maximale
Härte
Sie macht den Unterschied!
Hard-Schlagfläche: geringerer Rebound, aber präzisere Schläge
Soft-Schlagfläche: kräftigere Schläge, weniger Ballkontrolle
Damit am engen Court keine Schläger fliegen und verletzen
GurtEingang Bälle, die weit abprallen, darf man von ausserhalb des Platzes retournieren.
Der Padel-Court Vereinfacht gesagt: ein kleineres Tennisfeld in einem Käfig aus Plexiglas und Drahtgitter
Wer sich immer schon gefragt hat, wieso er in der Schule Winkel berechnen musste, der fndet auf dem Padel-Court endlich eine zufriedenstellende Antwort. Das Spielfeld ist auf allen Seiten durch Wände begrenzt. Dadurch fiegt ein fest geschlagener Ball nicht bloss wie im Tennis an einem vorbei, sondern wieder zurück ins Feld – von wo er dann auf die Seite des Gegners (immer erst auf den Boden, dann an die Wand) gespielt werden muss.
Schlaghärte, Winkel und Drall bestimmen, wie und wie weit der Ball von der Wand abprallt. Den Ball volley zu übernehmen ist eine Option. Denn wer nach einigen Ballwechseln glaubt, dank geometrischer Kenntnisse und Erfahrungen vom Billardtisch den Padel-Code entziffert zu haben, für den gibt es noch das Gitter – jenen Bereich nahe dem Netz, von wo der Ball an jedem Zentimeter anders zurückspringt. Auch für Mathematiker unberechenbar.
Der Pionier Jetsetter Alfonso zu Hohenlohe-Langenburg († 2003) liess 1974 die ersten Padel-Courts in Spanien bauen.
Wer hat’s erfunden? Nicht die Schweizer, sondern ein Mexikaner (so erzählt man sich zumindest): Enrique Corcuera baute auf seinem Anwesen einen Platz mit niedrigem Netz und kleinem Feld, begrenzt durch seine Hausfassade und eine zusätzliche Mauer. Dorthin lud er unter anderem seinen Geschäftspartner Alfonso zu Hohenlohe-Langenburg ein. Der adelige Vater von Hubertus von Hohenlohe ( ja, jenem Jetsetter und Skifahrer, der für Mexiko an 26 Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen teilgenommen hat) war so begeistert, dass er in seinem in den 1970er-Jahren berüchtigten Marbella Club zwei Plätze installierte.
Von Spaniens Costa del Sol aus trat der neue Sport durch argentinische Millionäre und spanische Celebritys seinen Siegeszug in der spanischsprachigen und dann auch der restlichen Welt an. «Wir können nicht sagen, dass es unser Sport ist», so Champion Alejandro Galán, einer von knapp 3,5 Millionen spanischen Padel-Spielern. «Padel kommt aus Argentinien und wurde in Mexiko erfunden. Und jetzt freut es mich, dass es in immer mehr Ländern gespielt wird.»
10 m 20 m 3 mFeste Schläge, Winner, Smashs, Asse. Je grösser und kräftiger ein Gegner beim Tennis, desto schwieriger, gegen ihn zu bestehen. Beim Padel wird physische Überlegenheit durch Aufschlag unter Hüfthöhe, einen weicheren Ball sowie die Plexiglas-Begrenzungen relativiert. Da harte Schläge von der Bande zurückprallen (siehe Punkt 1), hat man nur drei Optionen, um einen Punkt zu «killen», wie Profs zu einem Winner sagen. Erstens: Man drischt den Ball in einen Winkel, dass er – nach Bodenkontakt – über die Bande hinausgeht (in Fachkreisen «Smash x4» genannt). Zweitens: Man drischt den Ball so fest, dass er über die Bande und über das Feld des Gegners zurück ins eigene fiegt. Drittens: Man spielt mit Finesse. «Es bringt nichts, wenn du zwei Meter gross, aber kein guter Spieler bist», sagt Alejandro Galán. «Du brauchst Charakter, Technik und Präzision – vor allem fürs Verteidigen.» So erklärt sich auch, warum der durchschnittliche Ballwechsel beim Padel um 60 Prozent länger dauert als beim Tennis. Selbst ein «Smash x3» – also ein fester Schlag, der über Boden und hintere Bande seitlich über das Gitter geht – wird von Profs mitunter spektakulär erlaufen und durch den kleinen Eingang zurück ins Feld gespielt (siehe auch Grafik Seite 63).
Padel wird in der Regel zwei gegen zwei gespielt. Das bedeutet, dass sich jeder Spieler auf Partnersuche begeben, Beziehungen pfegen und manchmal auch Trennungen verkraften muss. «Ich sehe das nicht so schlimm», sagt Alejandro Galán, der vor Juan Lebrón mit vier verschiedenen Partnern auf der Tour gespielt hat und wegen Juans Verletzung im Mai vorübergehend allein dastand. «Partnerwechsel sind etwas Normales in unserem Sport. Es ist wichtig, stets das Beste für sich zu suchen. Und wenn es mit dem Partner einmal nicht passt, muss man halt etwas ändern.»
Irgendwann fndet man schon den richtigen. Lebrón: «Ale und ich ergänzen einander, heben so unser Niveau und sind auch menschlich auf einer Linie. Unsere Partnerschaft ist ein Projekt für die Gegenwart und die Zukunft.» Sätze, die auf jede Hochzeitskarte passen würden.
«Ale und ich ergänzen uns gegenseitig, heben so unser Niveau und sind auch menschlich auf einer Linie. Unsere Partnerschaft ist ein Projekt für die Gegenwart und die Zukunft.»
JUAN LEBRÓN
«Es geht ums gemeinsame Spielen, um Gespräche auf dem Feld, um Taktik statt Physis – und um die Zeit danach.»
ALEJANDRO GALÁN
Zlatan Ibrahimovic´ Was der Ex-Kicker in Zukunft macht? Weitere PadelAnlagen bauen
Die Liste der Persönlichkeiten, die dem Padel-Hype verfallen sind, liest sich wie das Who’s who des Fussballs: Brasiliens Rekordtorschütze Neymar hat zwei Plätze auf seinem Anwesen in Rio de Janeiro installieren lassen, und David Beckham schlug mit weiteren Altstars medienwirksam am Rande der Fussball-WM 2022 in Katar auf.
Zlatan Ibrahimović hat in seiner Heimat Schweden bereits fünf Padel-Center – pardon: «Padel-Zenter» – errichten lassen. Auch Deutschlands früherer Teamchef Hansi Flick betreibt mehrere Anlagen. Und Liverpool-Coach Jürgen Klopp ist seit Jahren einer der leidenschaftlichsten Padel-Botschafter («zusammen mit Fussball für mich der geilste Sport der Welt»). Er hat nicht nur eine PadelHalle in Berlin, sondern auch seine eigene Schläger-Linie.
Und auch die Schweizer Tennis-Elite – beziehungsweise Ex-Profis – haben die Schläger getauscht. So versuchte sich etwa bereits Roger Federer im Padel. Und auch Martina Hingis engagiert sich als Cupra-Botschafterin für den Padel-Sport: «Ich wollte Padel ausprobieren und war von Anfang an begeistert. Es geht dabei mehr um Präzision, es ist schnell und spielt sich flott. Es ist eine coole Sportart und etwas Neues.»
Jürgen Klopp Hör nie auf, anzufangen! Der LiverpoolTrainer begann seine PadelKarriere mit 47 Jahren.
Lionel Messi ist «La Pulga» (dt.: der Floh) – weil er so klein ist. Max Verstappen wird seit seinen ersten verrückten Manövern auf der Rennstrecke «Mad Max» gerufen. Nicht nur schmeichelhaft! PadelSuperstar Juan Lebrón hingegen ist als «El Lobo» (dt.: der Wolf) bekannt. Warum? Weil er den Hals bei einem Überkopfschlag derart überstreckt, dass seine Silhouette jener eines heulenden Wolfs gleicht. Auuuuuuuuuuu!
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«Padel heisst für mich, gemeinsam Spass zu haben», sagt Juan Lebrón und erinnert sich, was ihn am Padel in den Bann gezogen hat. «Von klein auf habe ich es geliebt, durch den Sport neue Leute kennenzulernen. In den Stunden im Bus auf dem Weg nach Madrid, während der Turniere, nach den Spielen – du triffst einfach immer Gleichgesinnte. Und heute ist es für alle dank der Apps nicht anders. Du verabredest dich mit drei anderen zum Spielen, matchst dich am Feld und knüpfst Freundschaften – unter Mitspielern und Gegenspielern.»
Padel ist ein Gemeinschaftssport, ergänzt Alejandro Galán und sieht darin auch den Grund, warum kaum Einzel gespielt wird. «Dabei verliert der Sport seine Magie. Es geht ums gemeinsame Spielen, um Gespräche auf dem Feld, um Taktik statt Physis – und um die Zeit danach.»
Während vielerorts Fussballklubs und Tennisvereine über schwindende Mitgliederzahlen klagen, wächst die Anzahl an Padel-Courts in manchen Ländern nahezu exponentiell.
Wie diese Entwicklung voranschreitet, verrät ein Blick nach Skandinavien. In Finnland hat sich die Zahl der Courts von 2019 bis 2022 auf 788 verachtfacht, in Schweden sind Padel-Plätze binnen drei Jahren sogar um den Faktor 12 auf 3500 gewachsen. Die Chance, einen Padel-Court zum Spielen zu fnden, steigt nahezu täglich. Auch in der Schweiz stehen Padel-Begeisterten mittlerweile über 220 Indoor- und Outdoor-Courts zur Verfügung. Waren es 2016 lediglich 74 lizenzierte Spielerinnen und Spieler, die an insgesamt neun Turnieren gegeneinander antraten, sind es heute laut SUIPA, der ofziellen Padel-Association, 1130 Lizenzierte, die sich bei mittlerweile 120 Turnieren pro Jahr messen.
Investoren sind es auch, die anstelle öffentlicher Institutionen vorwiegend die Kosten für die Anlagen tragen. Sport als Geschäftsmodell. Mit 60 000 Euro für einen Platz inklusive Fundament, Belag (z. B. zwei bis drei Tonnen Sand) und Flutlicht ist man dabei. (Wohnimmobilien kann sich ohnehin keiner mehr leisten.)
Teamwork
Juan Lebrón (li.) und Alejandro Galán in Action. Der Sport boomt weltweit und könnte 2032 olympisch werden.
DU WEISST ENDLICH, WAS DU AUF TIKTOK POSTEST
«Es bringt nichts, wenn du zwei Meter gross, aber kein guter Spieler bist. Du brauchst
Charakter, Technik und Präzision.»
ALEJANDRO GALÁN
Einer der zentralen Gründe für den PadelBoom ist der einfache Einstieg. Während man beim Tennis etwa für einen sauberen Schwung jahrelanges Techniktraining absolvieren muss, geht es beim Padel schnell hin und her. Der Schläger, der aus einer soliden Schlagfäche aus Kunststoff besteht (ergo nicht bespannt ist), verzeiht Haltungsfehler und muss manchmal nur hinter den Ball gebracht werden.
Das Ergebnis: spektakuläre Ballwechsel, die als Beweismittel am besten per Video aufgenommen und via Social Media geteilt werden. Die Herzen werden dir zufiegen.
Pop-up-Court von Padelta: Puls 5, Zürich
Harte Schläge, die von der Wand bis ins eigene Feld zurückprallen? Spieler, die einen verloren geglaubten Ball per Sprint aus dem Court hinaus noch retten? Juan Lebrón, der sich wie ein heulender Wolf streckt? Alles schwer vorstellbar?
Mehr zum Trendsport, wo du Padel live sehen und dir hoffentlich ein paar Kniffe für deinen nächsten Auftritt auf dem Court abschauen kannst, gibt es auf: redbull.com/padel
Hier findest du alle Infos zum CUPRA Padel Cup, dem grössten Turnier in der Schweiz.
COUNT ON ME
1995
Tauscht als Teenager Gymnastik gegen den Segelsport
Mit drei Olympia-Teilnahmen ist Nathalie Brugger, 38, eine der erfolgreichsten Seglerinnen der Schweiz. Bis ihr eine Diagnose ganz plötzlich das Wasser abgräbt. Und sich ihr Fight auf eine völlig andere Ebene verlagert. Nun ist sie zurück. Als Segeltrainerin. Und als Wettkämpferin – an Bord eines ganz neuen Traums.
Der sechste Platz bei den Olympischen Spielen in Beijing ist das sportliche Highlight meiner Karriere. Ich hatte aber auch die richtigen Leute um mich. Das war ein Geschenk, ein Team zu haben, das mir zum Erfolg verhalf. Und – ich hatte Roger Federer! Er hatte am Tag der Eröffnungsfeier Geburtstag, deswegen bekam er einen Anruf von unserem Olympia-Team. Ich sprach persönlich mit ihm und er sagte meinen Namen. Was für ein riesiger Ansporn!
Beim letzten Rennen vor dem Finale bei den Olympischen Spielen von Rio träumten wir schon vom Podium. Zu früh! Beim Start verpassten wir, zu kreuzen – etwas, was man bereits im ersten Kinderkurs lernt. Das war hart für mich und für meinen Skipper, wir waren zu zweit auf dem Katamaran. Wir sprachen danach auch nie darüber. Wir wussten beide, was passiert war, und haben versucht, es zu vergessen. Wir gaben uns ein Jahr Zeit, um herauszufinden, ob wir nochmals antreten wollen. Viele Athleten wissen, wie viel man für den olympischen Traum geben muss. Doch mein Körper war müde. Und ich hatte das Gefühl, dass ich dieses Feuer nicht mehr in mir hatte.
Nachdem ich Sportwissenschaften studiert hatte, begann ich als Coach, Sportler und auch Nicht-Athlethen zu trainieren: Ich sah, wie glücklich die Leute waren, wenn sie etwa von langen Verletzungen zurückkamen oder ein ganz persönliches Ziel erreichten. Dann hat mich der Verband gebeten, meine Kollegin Maud Jayet für Tokio 2020 zu trainieren. Ich war glücklich, alles, was ich gelernt habe, an eine junge Athletin weiterzugeben: ein ganz neues Gefühl.
14. SEPTEMBER 2021
Als ich an diesem Tag vom Training zurückkam, erfuhr ich, dass ich Darmkrebs hatte. Mir war auf Anhieb klar, dass alles, was jetzt kommt, das schwierigste Rennen meines Lebens werden würde. Ich versuchte immer, die Fähigkeiten, die ich mir als Athletin aufgebaut habe, zu nutzen, um mich dieser neuen Herausforderung zu stellen. In gewisser Weise gibt es Parallelen zum Sport. Aber natürlich kämpft man nicht um Medaillen, sondern um sein eigenes Leben.
Als Sportlerin ist es schwer, sich umzustellen: 15 Jahre lang hatte man klare Pläne, und das Leben war durchgetaktet. Plötzlich lebt man dann von einem Tag auf den nächsten, manchmal schläft man wenig, manchmal gar nicht. Dein ganzes Leben lang hast du deinen Körper kontrolliert, und nun merkst du: Er tut nicht mehr, was du willst. Selbst die Stufen vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer waren oft anstrengend. Mein Partner Will und ich haben versucht, irgendwie ein normales Leben zu führen. Er machte einen 15-KilometerLauf, ich begleitete ihn am E-Roller. Oder wir machten eine Skitour, und er zog mich, wenn’s nötig war.
Im Vorjahr hat mir Alinghi Red Bull Racing die Chance gegeben, an der TF35 Trophy 2023 teilzunehmen – mit dem Katamaran auf dem Genfersee. Dieses Angebot war für mich wie ein Geschenk, das mir half, in den insgesamt 18 Monaten meiner Krebsbehandlung weiter zu kämpfen. Mit ihm kam mein Feuer zurück! Ende Januar habe ich meine letzte Chemo beendet. Zuvor hatte ich mich für den YWAC, den Youth and Puig Women’s America’s Cup, qualifiziert. Mit anderen Worten: Ich habe die Möglichkeit, an einem Bewerb des America’s Cup teilzunehmen – ein Traum für jede Seglerin!
«Ich beim America’s Cup – wow, was für ein Comeback!»
Ist es noch steile Abfahrt? Ist es schon Sturzfug? Actionsport-Regisseur Dom Daher dokumentiert 15 Jahre Freeride World Tour. Und wir zeigen die – nun ja – bewegendsten Szenen.
TEXTFilmreif. Für die Dreharbeiten zu seiner Web-Reihe «Rancho» liefert Enak Gavaggio einen beispiellosen letzten Run der Freeride World Tour 2019.
Wer ein Faible für schöne Lines hat, kann sich unmöglich dem weltweit grössten FreerideWettbewerb entziehen. In diesem Jahr gibt es sechs Stopps der Freeride World Tour (FWT) in Spanien, Kanada, Georgien und Andorra; die fulminanten Finale um die Weltmeistertitel fnden wiederum in Österreich und im Schweizer Verbier statt.
Die weltbesten Freerider treten in den Kategorien Ski und Snowboard gegeneinander an. Die Abfahrt ihrer Wahl, wird vorab mittels Fernglas, Fotos und Videos festgelegt. Die Freeriderinnen jagen Hänge mit einem Gefälle von bis zu 50 Grad nach unten und sorgen für reichlich Adrenalin – auch beim Publikum. Das Event ist eine Maschinerie der Träume und eine, die Champions hervorbringt. Und inmitten
dieses Events befndet sich der französische Fotograf und Filmemacher Dom Daher, der seit der ersten Austragung 2008 dabei ist. Er ist es, der im Morgengrauen aufsteht, mit einem fauen Gefühl im Magen als Erster nach einem zweistündigen Aufstieg mit Tourenski bei minus 10 Grad und mit einem 20 Kilogramm schweren Rucksack auf dem Rücken steile Hänge abfährt. Er zieht sich Verbrennungen oder Erfrierungen zu, wenn er stundenlang hinter einem Felsen kauert, um das perfekte Bild zu machen.
Es sind jene Bilder, die später um die ganze Welt gehen. Mit seinem Film «What The FWT» legt er noch einen drauf: Der Dok-Film liefert einzigartige Einblicke hinter die Kulissen durch die Linse eines passionierten Beobachters.
Er kam, er siegte. Der Franzose Candide Thovex auf dem Bec des Rosses in Verbier, 2010. Seine Fahrt über den legendären «Barre Voirol» brachte ihm den Sieg in der Gesamtwertung.
«Freeriden wird immer Freeriden bleiben, ob als Wettkampf oder nicht.»
DOM DAHER, ACTION-REGISSEUR
Spektakulär. Der Franzose Xavier de Le Rue, lieferte 2009 in Palisades Tahoe (Kalifornien) eine beeindruckende Show, als er diese Line über einen etwa 20 Meter hohen Felsvorsprung in der Wand wählte.
25 Jahre Xtreme Verbier. 25 namhafte Freerider lassen den Grat des Bec des Rosses durch Stirnlampen erleuchten, während Prof Jérémie Heitz die Wand hinuntergleitet. Die Line, in der er fährt, hatte er vorsorglich bei Tageslicht gezogen. Das Xtreme Verbier wird seit 2008 als Finale der FWT ausgetragen.
«Die logistischen Meisterleistungen der FWT beeindrucken mich immer wieder aufs Neue.»
Mega-Event. Am Gipfel des Petit Bec, kurz vor dem Start des Xtreme Verbier 2022, dem Finale der Freeride World Tour, machen sich die Damen bereit. Rund 7000 Zuschauer haben sich hier eingefunden. Schon drei Wochen zuvor hatten die Organisatoren die Wand sperren lassen, um den natürlichen Zustand der Location für das Spektakel zu erhalten.
Verbier-High. Die Schweizer Athletin Elisabeth Gerritzen hinterliess ihre Spuren: 2021 wurde sie Freeride-Weltmeisterin.
Sowohl 2019 als auch 2021 gewann sie gleich zweimal das Finale der Freeride World Tour vor heimischem Publikum in Verbier.
«Man spricht oft von Familie – und es ist kein Mythos.»
Technik-Marathon. Ein Mitglied des Organisationsteams rollt Glasfaserkabel ab, um die Videoproduktion mit der Satellitenschüssel für die LiveÜbertragungen zu koppeln.
Après-Freeride. Im Pub Mont Fort in Verbier. Mit gelber Mütze: Skifahrer Thomas «Bichon» Diet aus Val Thorens, der im März 2019 tödlich verunglückte. Er wird in der Szene schmerzlich vermisst, sowohl in den Bewerben als auch am Dancefoor.
Er hat es drauf: Snowboarder Xavier de Le Rue lebt seit Jahren in Verbier. Dreimal gewann das Xtreme Verbier (hier im Jahr 2012) und beeindruckte mit spektakulären Runs, Speed und weiten Sprüngen. Er prägte die Geschichte der FWT massgeblich.
224 Wettkämpfe pro Jahr
7500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Das macht die Masse der Teilnehmer der FWT aus, die pyramidenförmig strukturiert ist. Die Basis bilden die FWT Juniors, gefolgt von den FWT Qualifiern, die der Qualifikation für die FWT Challenger dienen. Die Besten der Kategorie erreichen schliesslich die Elite der FWT.
62 % Ski
38 % Snowboard
721 000 Follower auf Insta
5 Kriterien zur Wertung: Line (die gewählte Route)
Kontrolle
Fluidity
Technik
Sprünge (Höhe, Art des Sprungs und Souveränität der Landung)
Die Stationen der FWT 2024:
Spanien (Baqueira Beret Pro) Andorra (Ordino Arcalis Pro)
Kanada (Kicking Horse Golden BC Pro)
Georgien (Georgia Pro) Österreich (Fieberbrunn Pro)
Schweiz (Yeti Xtreme Verbier)
the red bulletin: Warum hast du diesen Film gedreht?
dom daher: Um zu zeigen, worum es eigentlich geht. Dass hinter den Bildern von Champagner im Überfuss, Powder, Glanzleistungen, Siegertreppchen und blauem Himmel ein fantastisches Team steht, das hinter der Kulisse für einen reibungslosen Ablauf sorgt. Ich wollte diese aussergewöhnliche Leistung der Menschen im Hintergrund hervorheben, die sich für den Erfolg einer aussergewöhnlichen Veranstaltungsserie einsetzen. Ausserdem wollte ich auch jene Aspekte zeigen, die normalerweise verborgen bleiben: die Emotionen und auch Ängste der Freerider. Ich wollte auf der Kinoleinwand dokumentieren, wie diese kleine Gemeinschaft es schaft, Probleme zu meistern, die eigentlich unlösbar erscheinen.
Im Film schliesst jedes Kapitel mit der Aussage: «That’s not the way I see it.» Wie ist denn deine persönliche Sicht auf die Tour?
Ich sehe all das, was die Öfentlichkeit nicht sieht. Im Laufe von sechzehn Jahren hatte ich das Privileg, sportliche Höchstleistung zu erleben, klar, aber auch unglaubliche logistische Meisterleistungen, die mich immer wieder aufs Neue beeindrucken.
Zum Beispiel?
Die Fähigkeit eines Teams, Bildmaterial zu produzieren, das normalerweise in einem gut beheizten Studio bearbeitet wird, was hier in über 3000 Meter Höhe und manchmal sogar im Sturm erfolgt. Um morgens um 8.30 Uhr eine LiveÜbertragung zu starten, müssen vorher kilometerweise Glasfaserkabel verlegt werden. Ein Teil des Teams übernachtet auf dem Berg, nachdem sie die gesamte Ausrüstung – Schnittpult, Bildschirm, Satellitenschüssel und, und, und – nach oben befördert haben. Alle drei Stunden stehen sie auf, um die Generatoren aufzufüllen, damit die Computer weiterlaufen und die LEDBildschirme nicht einfrieren. Und manchmal müssen sie – nachdem alles steht – das Ganze in ein anderes Tal und auf einen anderen Berg bringen, weil sich die Bedingungen geändert haben und der ursprüngliche Austragungsort zu riskant geworden ist. Und all das innerhalb weniger Stunden!
Es gibt ausserdem ein extrem kompetentes Medizin und Sicherheitspersonal … Letztes Jahr ist in Andorra ein spanischer Freerider 20 Meter von mir entfernt nach einem missglückten Backfip gestürzt und mit dem Kopf auf einen Felsen geschlagen. Zwischen meinem letzten Foto, auf dem er
Wegbereiterin. Ihre Passion für Steilhänge sucht ihresgleichen, ebenso wie ihr Einsatz für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Sport. AnneFlore Marxer, SnowboardWeltmeisterin 2011, in ihrem Element in Alaska, USA.
Geschichtsträchtig Nicolas Hale-Woods, Gründer der FWT, rief den ersten Schweizer Surfverband ins Leben, aus dem schliesslich die Freeride World Tour hervorging.
Nach dem Rennen ist vor dem Rennen Max Hitzig und Valentin Rainer in Verbier, 2023. Der heute 25-jährige Tiroler «Valle» gewann die Freeride World Tour im vergangenen Jahr.
Rückkehr ins Captain’s Choice Motel. Anne-Flore Marxer beim Verlassen des «Schoolbus», Transportmittel für die Freeride-Familie auf ihrer Station 2016 in Haines; Alaska, USA«Letzten Winter ist in Verbier der ganze Hang abgegangen. Dabei wurde Material im Wert von 150 000 Euro von Schnee massen verschüttet.»
Hals über Kopf. Max Hitzig bei der FWT 2023 in Kicking Horse, Kanada. Es begann mit einer Wildcard, kürzlich wurde er zum «FWT23 Men Rider of the Year» ernannt.
stürzt, und dem Eintrefen des Arztes vergehen gerade mal 37 Sekunden! Ausserdem tragen alle aus dem Team Karten der Wand bei sich, die in Raster unterteilt ist. Wenn jemand in E6 einen Ski verloren hat, sammeln sogenannte Ninjas – sehr gute Skifahrer aus der Gegend – den Ski oder was auch immer ein, damit nichts in der Wand liegen bleibt.
Läuft trotz der perfekten Organisation manchmal etwas aus dem Ruder?
Ich könnte ein Buch darüber schreiben! Auf dem Rückweg von einer der Stationen wurde 2017 die gesamte LiveÜbertragungstechnik vom Zoll beschlagnahmt, weil wir die Auslöseeinheiten der Lawinenrucksäcke (die im Fall einer Lawine zum Auslösen der Airbags verwendet werden und Pyrotechnik enthalten; Anm.) sowie einen Generator mit Benzinspuren im Motor übersehen hatten. Wir mussten 30 000 Dollar bezahlen – und haben das Material nie wiedergesehen! Ein anderer Zwischenfall: Im letzten Winter ist in Verbier, wo am Bec des Rosses die Tour alljährlich mit dem Finale ihren Höhepunkt erreicht, der ganze Hang abgegangen. Dabei wurde Material im Wert von 150 000 Euro von den Schneemassen verschüttet. Teile wie das Podium oder den Champagnerkühler – glücklicherweise unversehrt – haben wir sechs Monate später wiedergefunden!
Die FWT entwickelt sich immer weiter, letztes Jahr wurde die Tour von der FIS aufgekauft, und die Athleten werden zunehmend stärker. Gibt es auch Dinge, die sich nicht verändern?
Was die Freerider betrift, verändern sich die Dinge nicht so schnell, wie man meinen würde. Wir haben viel mehr FreestyleMoves, die Umsetzung hat sich verändert. Manche Wände sind nicht mehr ganz so steil, aber deshalb nicht weniger schön. Die eigentliche Problematik besteht darin, abwechslungsreiche und originelle Lines zu haben. Was sich trotz der Entwicklung der Tour im Laufe der Jahre nicht verändert hat: die enge Verbundenheit zwischen den Freeridern und dem Team.
Im Kontext der FWT wird oft von der Familie gesprochen …
Und das ist kein Mythos! Wir spielen Frisbee, trinken aus Dosen, ziehen gemeinsam unsere Lines durch den Schnee … Das ist quasi der Spirit der FWT – und der Grund, weshalb Freeriden immer Freeriden bleiben wird, ob als Wettkampf oder nicht.
Die Doku «What the FWT» seht ihr auf freerideworldtour.com und rts.ch
Zwischen Wolken und Wasser: Skyrunner Rémi Bonnet zeigt uns sein Tessin.
Rémi Bonnet, 29
Der Schweizer ist einer der besten Skibergsteiger und Bergläufer der Welt.
Denn nur sie sind geländegängiger als Rémi Bonnet: Hier zeigt der Skyrunner seine Traum-Trails durchs Tessin.
Das Tessin ist wie geschafen für Bergläufer. Mischwälder, Hügelkämme und schrofe Berge bieten eine enorme landschaftliche Vielfalt.
Ein Netz von 1400 Kilometern an Trails durch unterschiedlichste Terrains sorgt für eine breite Vielfalt an Herausforderungen. Abgesehen vom hohen Trainingspotenzial bietet das Tessin auch ein ästhetisch besonderes Erlebnis: Die perfekt instand gehaltenen Trails der Region Ascona-
Locarno führen vorbei an Bergseen, Wasserfällen und traditionellen Bergdörfern mit Rustici. Und wo immer ihr auf den Ridges, den schmalen Graten dieser Gegend, unterwegs seid: Die stille Präsenz des Lago Maggiore ist immer spürbar. Diese Nähe schlägt sich auch im sanften Klima und in der hohen Luftqualität nieder: Lungen in love!
Ich möchte hier genauer auf den Trail zwischen der Cimetta und der Alpe Nimi eingehen, eine anspruchsvolle,
etwa dreistündige Tour, die nur zwischen Juni und Oktober möglich ist. Wir starten in Muralto auf etwa 200 Metern über dem Lago Maggiore und gewinnen rasch und stetig an Höhe. Unser erster Zielpunkt ist die Cardada-Cimetta-Gondelstation. Von hier aus zieht der eigentliche VallemaggiaTrail, auf den ich gleich näher eingehe, nach Norden. Theo-
Auf höchstem
Niveau: Auf der Alpe Nimi bekommt Rémi (li.) von den Wirtsleuten Käse und Gnocchi.
Etappenziel: Rémi erreicht die Capanna Nimi, eine Alp auf 1718 Metern.
retisch kann man auch die Bergbahn bis hierher nehmen (CHF 30), aber ich gehöre zu den Menschen, die es sich nicht gern einfach machen.
Ein Tipp zwischendurch:
Wenn ihr im Berglauf noch nicht viel Erfahrung habt und euch die Grundkondition erst erarbeiten müsst, dann würde ich euch den Weg bis hierher empfehlen. Er ist etwa sieben Kilometer lang und in eineinhalb Stunden machbar. Ihr könnt dann einfach mit der Seilbahn wieder zurück ins Tal schaukeln. Eine – haha! –weitläufgere Variation bietet der Cardada Loop. Da seid ihr etwa weitere drei Stunden unterwegs, und der Weg bringt euch wieder zurück zur Talstation in Orselina, Locarno.
Doch zurück zu unserem Trail: Dieser heisst Via Alta Vallemaggia (abgekürzt VAVM), führt über 200 Kilometer um das Maggia-Tal, ist teils exponiert (Schwierig-
keitsgrad T3 bis T5, wenn auch mit Ketten gesichert) und nur mit mehreren Übernachtungen machbar. Wir wollen auf ihm nur eine gemütliche, etwas mehr als zehn Kilometer lange Tagesetappe laufen. Los geht’s!
Ab der Bergstation der Gondel (1646 m) ziehen wir weiter bergauf, durch Wälder und Wiesen. Nach dem Gipfelhaus der Cardada lassen wir
auf 1718 Metern, die unsere Herberge (CHF 30) für heute Nacht sein wird. Auf dem mit blauen Punkten markierten Weg halten wir uns nach Norden und meist direkt am Gratverlauf, passieren die Cima della Trosa (1869 m) und den Aussichtspunkt Madone. Später nehmen wir in der Südwestfanke des Pizzo d’Orgnana (2218 m) die ausgeschilderte Abzweigung nach
die Baumgrenze unter uns, es geht über die Kuppen und Senken des Grates zwischen den Tälern Vallemaggia und Verzasca. Keine Angst, der Pfad (Schwierigkeitsgrad T4) setzt hier nie wirklich aus. Jedoch solltet ihr schwindelfrei sein und über Trittsicherheit verfügen. Diese Strecke ist ein guter Test, ob ihr über die mentale Stärke verfügt, die für die gesamte Via Alta Vallemaggia notwendig ist.
Unser Tagesziel ist die Capanna Nimi, eine Steinhütte
links, also nach Nordwesten, über den Passo di Nimi und die Cima di Nimi (2191 m) hinab zur Alpe Nimi. Immer wieder zieht Nebel über die Steilhänge und Gratkanten. Wenn es regnet, ist auf dem rutschigen Gras erhöhte Vorsicht geboten.
Die Alpe Nimi, im Jahr 1742 errichtet, ist eine Ziegenalp mit Gästebetrieb. Hier werden wir von den Wirtsleuten herzlich empfangen und freuen uns über einen Apéro mit Ziegenkäse, marinierter Paprika,
Fussbad mit Panorama: Rémi spannt auf der Alpe Nimi aus.
knusprigem Brot und später über Gnocchi, Desserts und Kuchen – alles selbst gemacht!
Dabei schweift der Blick über den Lago Maggiore. Das Monte-Rosa-Massiv ist an diesem Tag leider in Nebel gehüllt. Die Alpe bietet 18 Schlafplätze, und es empfehlt sich – gerade im Sommer –zu reservieren.
Sie ist übrigens auch in gut vier Stunden von Gordevio direkt aus dem Tal darunter zu erreichen. Ihr könnt diesen Weg am nächsten Tag als Abstieg nehmen und mit dem Bus wieder nach Locarno fahren –oder ihr lauft denselben Weg über den Grat wieder retour. Auf dem Trail werdet ihr sicherlich mit Ziegen Freundschaft schliessen. Seid nett zu ihnen und beobachtet sie gut, denn sie sind die wahren Meister unter den Bergläufern! Männer, die auf Ziegen starren – nicht nur im Film!
Eine weitere Route, die ich euch noch kurz vorstellen
Rémi läuft über Stock und Stein – buchstäblich.
möchte, ist der Valle Verzasca Trail. Start ist beim Staudamm, von dort zieht sich eine 24 Kilometer lange, sehr schöne Strecke durch den Wald und durch die verstreuten Siedlungen von Vogorno.
Ein echter Hingucker ist das Dorf Lavertezzo, bekannt für seine doppelbögige Steinbrücke. Ihr könnt dort wieder umkehren. Oder: Ihr setzt
euren Lauf fort, über Brione entlang des Sentiero per l’arte mit seinen zeitgenössischen Skulpturen, bis nach Sonogno. Von hier fährt ein Postbus zurück zum Taleingang.
Bonus-Tipp für eine steilere Herausforderung: Ihr lauft von Frasco (885 m) fast zuhinterst im Val Verzasca über knapp 1000 Höhenmeter hinauf zum idyllischen Bergsee von Efra. Falls ihr diesen eher steilen Trail wählt, gelangt ihr mit Auto oder Postbus bequem bis zum Ausgangspunkt Frasca. Oder ihr joggt zum Auslaufen einfach zurück.
Mehr über Rémi: redbull.com Instagram: @remi_bonnet
Zielwasser: Abkühlung am Lago Maggiore
Von Norden führt die A2 durch den Gotthardtunnel ins Tessin. Mit dem Zug geht es direkt von Zürich, Basel oder Luzern nach Locarno. Rémi Bonnet: «Locarno ist mit seiner mediterranen Architektur und seinem sanften Klima eine besonders charmante Stadt.» Übrigens: In der Weinbar Isolino gibt es köstliche Bruschette. Das beste Eis und künstlerisch angerichtete Desserts bekommt ihr im Al Porto Café Lago. ascona-locarno.com
Rémis Check-List
«Eineinhalb Liter Wasser, ein kleines Erste-Hilfe-Set, Windjacke und ein paar Snacks für den Blutzucker. Dünner Schlafsack, Smartwatch mit Kompass. Socken und T-Shirts zum Wechseln bei einer Übernachtung im Refugio. Handschuhe, die eure Hände schonen, wenn ihr euch an Eisenketten zur Sicherung festhaltet. Und natürlich TrailrunningSchuhe mit gutem Profil.»
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Kriege, Klima, Job, Finanzamt – wer richtig seufzt, entspannt die Seele. Sagt unser Profi-Biohacker Andreas Breitfeld Und holt zunächst mal ganz tief Luft
Unsere Stressreaktion auf akute Bedrohungen ist eine geniale Einrichtung der Natur: Anstieg der Herzfrequenz und Anspannung der Muskulatur lassen uns schneller davonlaufen und entschlossener kämpfen. War eigentlich schon immer so: Der Botenstof Cortisol triggert unsere Angst vor dem Säbelzahntiger. Der schnappt ins Leere, weil wir rennen; er verhungert, und wir überleben. Und weg ist der Stress. Im Gegensatz dazu ist der sogenannte Alltagsstress gekommen, um zu bleiben: Innere Unruhe aus Job oder Krankheitsangst, gerne in Kombination mit der Furcht vor drohenden Steuernachzahlungen, Kriegen vor der Haustür und schmelzenden Gletschern … all das ist (leider) chronisch. Davonlaufen? Unmöglich. Aber Überwinden
Setze dich auf den Rand eines Stuhls, beide Füsse auf dem Boden, Rücken gerade. Tief durch die Nase einatmen – und im Anschluss (also ohne zuvor auszuatmen!) sofort noch mal durch die Nase einatmen. Im Anschluss daran langsam durch den Mund ausatmen und nach 40 Sekunden die Entspannung spüren. Je langsamer du ausatmest, desto schneller tritt die Beruhigung ein.
oder zumindest eindämmen?
Verblüfend einfach: dank dem physiologischen Seufzer oder besser Doppelseufzer.
Er beruhigt uns, indem er Neuronen aktiviert, die die Verbindung zwischen der Atmung und jenen Hirnregionen kontrollieren, die für Erregung und Panik verantwortlich sind. Die bewusste Stimulierung dieser Nervenbahnen sorgt nicht nur für sofortige Entwarnung im System, sondern balanciert auch das Verhältnis von Sauerstof und Kohlendioxid im Blut. «Ruhig Blut!» – das alte Sprachbild macht ja so was von Sinn
Wer alle wissenschaftlichen Details zum Doppelseufzer (Anleitung gleich links) ganz genau wissen möchte: Der Efekt wurde im renommierten Magazin «Nature» bereits 2016 publiziert; zuletzt unter Biohackern populär gemacht hat ihn der StanfordProfessor Andrew Huberman. Also, her mit dem Stress! Und: Seufz, seufz!
Rrraus muss, was das Gemüt belastet – dank Doppelseufzer.
Andreas Breitfeld ist Deutschlands bekanntester Biohacker. Er forscht in seinem speziellen Lab in München. Biohacking umfasst, vereinfacht gesagt, alles, was Menschen eigenverantwortlich tun können, um Gesundheit, Lebensqualität und Langlebigkeit zu verbessern.
Die Biohacking-Praxis ist der PerformanceLifestylePodcast für alle, die mehr über Biohacking (und sich selbst) erfahren wollen. QRCode scannen und reinhören.
„Meine größte Stärke ist mein Drive.“
Finden auch Sie heraus, worin Ihre wahren Stärken liegen und lernen Sie diese mit gezieltem Coaching auszubauen.
Conquest Heritage Central Power Reserve: der Skistar und der runderneuerte Longines-Klassiker.
Anlässlich des 70-jährigen Jubiläums seiner Flaggschiffkollektion «Conquest» überarbeitet Longines seine Ikone aus den Fünfzigern. Die Conquest war – und ist – als Begleiterin für sportliche Höchstleistungen konzipiert. Die neue Conquest-Generation, die auch Marco Odermatt trägt, wirkt klassisch modern – und doch ein wenig vintage verspielt: Die beiden drehbaren Scheiben im Zentrum des Zifferblatts erinnern an Modelle, die Ende der 1920er-Jahre für die Luftfahrt entwickelt wurden. Durch den verschraubten gläsernen Boden lässt sich das neue automatische Uhrwerk bewundern. Bestzeit, immer im Blick.
Mehr Infos auf: longines.com
Blick ins Innere Ein völlig neu gestaltetes, ultrarobustes Stahlgehäuse mit elegantem Bullauge in die Innenwelt und deren automatisches Uhrwerk. Kleines Detail: Der Glasboden ist verschraubt.
Das anthrazitfarbene Modell mit zwölf roségoldenen Indizes und schwarzem Lederarmband
Die Farben der Zeit: Gold trifft Rosé trifft Schwarz.
Loredana hat soeben ihre neue Single «Lovesong» herausgebracht. Instagram: @loredana
«Dieser Song mag einige überraschen und ist vielleicht eine erstaunliche Wahl für eine Rapperin. Mich inspirieren die Motive dieses Liedes: Selbstliebe und Unabhängigkeit. Wahre Stärke bedeutet, sich allein durchzusetzen und anzuerkennen, dass Heilung nach einem Verlust möglich ist. Ich bin mit sieben Brüdern aufgewachsen, ging aber immer meinen eigenen Weg.»
2Pac HIT ’EM
(1996)
«Pure Emotion! Es geht darum, authentisch zu sein und alles rauszulassen. Das hat nicht nur 1996 funktioniert, als der Titel releast wurde. Auch heute noch geht er viral auf TikTok. Das zeigt ganz einfach, wie real der Song ist. Mich selbst inspiriert er dazu, meine eigene Geschichte und meine Gefühle in meiner Musik auszudrücken. So schafe ich eine echte Verbindung zu meinen Fans.»
Rapperin Loredana verrät, was sie selbst so hört. Überraschungsgast auf ihrer privaten Playlist: Lionel Richie.
Seit Loredana 2018 mit «Sonnenbrille» ihren ersten grossen Hit gelandet hat, ist sie aus der deutschsprachigen Rapszene kaum mehr wegzudenken. Sie hat soeben ihren neuen Track «Lovesong» releast, wird demnächst in der «Deutschland sucht den Superstar»-Jury zu sehen sein, wurde von «Forbes» als herausragende Persönlichkeit in die «30 unter 30»-Liste aufgenommen, zeigt sich als stolze Mama – und verliebt mit Fussballer-Freund Karim Adeyemi. Loredana, bürgerlich Loredana Zef, hat kosovarische Wurzeln, lebt in der Schweiz und steht auch sonst für Vielfalt. Und so beschränkt sich ihr Musikgeschmack nicht auf Hip-Hop, wie man vielleicht meinen könnte. Für uns stellte Loredana die Highlights ihrer ganz persönlichen Playlist zusammen.
M. Jackson & L. Richie WE ARE
«Das Lied zeigt, dass Musik keine Grenzen kennt und wie sehr sie sozialen Wandel beeinfussen kann. Als Künstler haben wir die Musik als kraftvolles Werkzeug, um Menschen zusammenzubringen und etwas zu bewegen. Ausserdem frage ich mich, wie Michael Jackson und Lionel Richie mit ihren unterschiedlichen Vibes den Song gemeinsam schreiben konnten.»
Dr. Dre STILL D.R.E. (2001)
«Der Track ist ein Grundstein des Hip-Hop und zeigt die bleibende Legacy des West Coast Rap: wie wichtig es ist, seine eigenen Wurzeln zu respektieren, sich treu zu bleiben, aber sich auch nie auf dem Erreichten auszuruhen. Ich höre ‹Still D.R.E.› oder auch das ganze dazugehörige Album, um in dieses Vermächtnis einzutauchen. Vor allem im Auto drehe ich den Song gerne auf.»
Diese Events für alle Gefühlslagen dürft ihr zum Winterabschluss nicht verpassen.
Beim Red Bull Homerun sind Kreativität und Feierlaune gefragt. 6
Das Rennen für einfallsreiche Ski- und Snowboardfans. Hier können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihrer Kreativität freien Lauf lassen: Denn hierbei zählt nicht nur die Performance auf der Piste, sondern ebenso wichtig ist auch ein möglichst fantasievolles Outft. Mit seinen grossartigen Skipisten und einem atemberaubenden Blick auf die Alpen ist Verbier der perfekte Ort für alle, die den Winter gebührend verabschieden wollen. Dabei wird Freundschaft grossgeschrieben. Die Gruppe, die sich durch einen einzigartigen Vibe auszeichnet, wird zur «Crew of the Year» ernannt. Alle Infos mit diesem Code.
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MÄRZ BIS 6. APRIL SCHWEIZER SKIMEISTERSCHAFTEN
Die Schweizer Ski-Elite kämpft bei den BRACK.CH Schweizer Meisterschaften auch dieses Jahr um die Titel Schweizer Meisterin und Meister. Den Anfang machen Slalom und Riesenslalom in Lenzerheide, die Abfahrten und der Super-G werden in Davos ausgetragen. Alle Infos fndet ihr unter: swiss-ski.ch
21
BIS 24. MÄRZ FIS FREESKI & SNOWBOARD WORLD CUP CORVATSCH
Die besten SlopestyleFreeskierinnen und -Snowboarder der Welt trefen sich nahe St. Moritz zum grossen Saisonfnale im Weltcup. Beim traditionell letzten SlopestyleContest der Saison geht es zusätzlich zu den Eventtiteln um die Vergabe der grossen und kleinen FIS-Kristallkugeln. Die Schweiz wird unter anderm durch Mathilde Gremaud, Nicolas Huber und Andri Ragettli vertreten. corvatschpark.ch/world-cup
31
MÄRZ
RED BULL CAN YOU MAKE IT?
Teams aus der ganzen Welt haben Ende Mai sieben Tage Zeit, von Mailand über Barcelona, Budapest, Kopenhagen und Amsterdam nach Berlin zu reisen. Die einzige Währung unterwegs: Red Bull-Dosen, die man gegen Essen, Unterkünfte und Transportmittel tauscht, um ans Ziel zu gelangen. Can You Make It?
Anmeldung: noch bis 31. März. redbull.com
Die Garage in St. Gallen verwandelt sich zum Hotspot eines interaktiven DJ-Contests. Bei diesem werden vier DJ-Teams mit ihren BattleSets dem Publikum einheizen. Die Zuseher entscheiden, welche Combo das spontan vorgegebene Thema am besten umsetzt. Mit dabei sind das eingespielte Duo LCone & Kackmusikk, MALEFI & Nik Otis, Stipe & Hyphen sowie DJ RUFF & LieVin. Mira Weingart führt durch den Abend. Und DJ Bazooka sorgt vor, während und nach dem Contest für mitreissende Beats. Ticket und weitere Infos unter: redbull.com
Seit 19 Jahren ist Polymanga die grösste Veranstaltung der Schweiz rund um Manga, Videospiele und Popkultur. Über 50 000 Besucher zählte die Veranstaltung in Montreux in Vorjahren. Zu sehen gibt’s Konzerte, Cosplay-Paraden, Gaming-Turniere. Plus: eine Einkaufsmeile auf 18 000 m2 polymanga.com
UND
Das grosse Finale der Freeride World Tour fndet erneut am Bec des Rosses in Verbier statt. Hänge mit einer Neigung von über 50 Grad, ein Start-Ziel-Höhenunterschied von 550 Metern: die weltbesten Freerider messen sich in technisch höchst anspruchsvollem Gelände. freerideworldtour.com
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Branden Peters
Hier schreiben junge Schweizer Autorinnen und Autoren über Themen, die sie bewegen – und liefern ihren positiven Spin dazu.
Seit sechs Jahren verbringe ich die Hälfte des Jahres im Ausland. Meist wohne ich mehrere Wochen, gar Monate an einem Ort, manchmal reise ich mit dem Rucksack durch ein fremdes Land. Als ich angefangen habe, so zu leben, bekam ich von Freundinnen und Freunden häufg diese Nachricht geschickt: «Bist du gut angekommen?»
Nach einigen Jahren als Teilzeitnomadin veränderte sich die Frage. Sie klang zwar ähnlich, war aber anders gemeint. «Bist du angekommen?», wurde ich nun gefragt – nicht wenn ich wegging, sondern wenn ich da war, wenn ich für eine Weile in der Schweiz lebte. Es waren auch nicht mehr unbedingt enge Vertraute,
sondern eher entfernte Bekannte, die sie mir stellten. Sie meinten nicht eine Destination, sie bezogen sich auf mein Lebensmodell. Bist du angekommen in dem Leben, das du dir gewünscht hast? Hast du das Gefühl, nun den Dreh rauszuhaben? Wirst du für immer so weiterleben?
Die erste Zeit habe ich mich um Kopf und Kragen geredet, wenn mir jemand diese Frage gestellt hat. Meine unkonventionelle Lebensweise fühlte sich gut an, aber war es die fnale Lösung? War es das Modell, das ich schon immer gesucht und nun endlich gefunden hatte? Mein Weg war anders als der von Gleichaltrigen, war er richtig? Ich lebte nicht nur zur Hälfte im Ausland, ich widersetzte mich auch der herkömmlichen Arbeitsweise. Ich arbeitete nur so viel, dass ich über die Runden kam. Dieses für mich defnierte Minimum versuchte ich mit Projekten zu erreichen, die mir in erster Linie Spass machen. Vergnügen in und nicht nach der Arbeit zu suchen war ein wichtiger Leitsatz für mein Leben und etwas komplett anderes als das, was unsere Leistungsgesellschaft lehrt, die nach dem «So viel wie möglich»-Prinzip strebt.
«Ich glaube ans Aufbrechen und Losziehen. Ans Weitergehen und Neuorientieren.»
Ich lebte auch sonst nicht so, wie man das von einer jungen Frau erwartet. Ich fokussierte mich nicht auf die Familiengründung oder eine steile Karriere. Ich wollte neue Orte zu meinem Zuhause machen und immer wieder bei null anfangen. Ich wollte reisen, ausschlafen und feiern. Ich überprüfte ständig meine Prioritätenliste, gab meine Zeit für Menschen her, die mich inspirierten, und für Ideen, die mich faszinierten. Ich wollte Glück statt Geld und Abenteuer statt Sicherheit. Aber war dies das Leben, das ich für immer führen wollte? War ich angekommen? Ich versuchte, eine Antwort auf die Frage zu fnden, und gab irgendwann auf. Warum ist es überhaupt so wichtig anzukommen?
Ich glaube nicht mehr ans Ankommen. Ich glaube ans Aufbrechen und Losziehen. Ans Weitergehen und Neuorientieren. Ich glaube, dass das Leben eine unendliche Suche nach dem eigenen Weg ist. Gut möglich, dass man sich an einer Zwischenstation besonders gerne aufhält. Umso schöner, wenn man Menschen gefunden hat, mit denen man sich wohlfühlt. Oder einen Wohnort, der glücklich macht. Eine Arbeit, die erfüllt. Das Leben fühlt sich gut an, wenn es so ist, wie man sich gewünscht hat, dass es sich anfühlen soll. Aber die Umstände ändern sich. Die eigenen Wünsche ebenfalls. Die Orte, Jobs und Pläne, die einmal richtig waren, können plötzlich oder schleichend nicht mehr passen. Aber: Das heisst doch nicht, dass sie davor falsch waren. Oder dass man noch nicht angekommen ist.
Vor Jahren waren meine Ziele andere. Ich wollte Dinge erleben und erreichen, die ich längst unwichtig fnde oder unterdessen abhaken konnte. Einige meiner Prioritäten blieben bestehen, und um ihnen genügend Platz einzuräumen, muss ich meine Richtung immer wieder anpassen. Ich glaube, viel wichtiger als ein Ziel zu haben, viel zentraler als anzukommen ist es, einen guten Kompass zu haben. Keinen richtigen, mit Nadel und Magnetfeld, sondern einen inneren, der manchmal auch im Aussen liegt. Ich glaube, wir täten gut daran, uns damit auseinanderzusetzen, einen persönlichen Kompass zu fnden. Manche Menschen haben Rituale, die sie machen können, wenn sie das Gefühl haben, sie sind vom Kurs abgekommen. Ich habe Men-
schen – vor allem solche, die schon ewig in meinem Leben sind, wie meine Schwester oder meine beste Freundin –, die mir den Weg weisen, wenn ich selber nicht mehr weiterweiss. Es sind Menschen, die mich so gut kennen, dass sie manchmal klarer als ich sehen, wo ich entlangmuss. Denn je weiter man sich vom breit getretenen dicken Pfad entfernt, desto stärker ist der Gegenwind. Wer nach den Erwartungen der Gesellschaft lebt, muss seinen Weg nicht ständig verteidigen. Die Frage nach dem Ankommen wird nicht so oft gestellt, wie wenn man ausschert und es anders machen will.
Kein Plan A Yvonne ist Bestsellerautorin, schreibt Drehbücher und moderiert unter anderem den erfolgreichen SRFPodcast «Zivadiliring». Ihr neues Buch «Life Rebel» erscheint am 28. März im Piper Verlag.
Instagram: @yvonne.eisenring
Als ich fürs Schreiben meines neuen Buches «Life Rebel» in New York leben wollte, musste ich diesen Schritt immer wieder erklären, manchmal sogar verteidigen. Für viele ist es unlogisch, dass ich in eine Metropole gehe, die so laut und hektisch ist. Mir wird die Alpenluft empfohlen, ein Dörfchen auf dem Land, einfach ein Ort, wo die Ablenkung klein ist. Oder, so sagt man mir auch, ich soll doch einfach zu Hause bleiben, wo ich alles schon kenne. Ich weiss, dass ich mich in einer Stadt, die niemals schläft, am besten konzentrieren kann. Weil ich nicht nach einem bestimmten Rhythmus arbeiten muss. Wenn ich will, kann ich nachts schreiben und morgens feiern gehen. Ich kann abends zu Hause bleiben und am Mittag eine Comedyshow besuchen oder Freunde trefen, die sich auch nicht nach herkömmlichen Arbeitszeiten richten müssen. In New York, wo zu jeder Tageszeit etwas Aufregendes passiert, habe ich nie Angst, etwas zu verpassen.
Aber obwohl ich weiss, dass ich in einer Grossstadt am efzientesten arbeite, war ich schon mehrmals geneigt, die gut gemeinten Vorschläge anderer zu befolgen und aufs Land zu fahren oder in Zürich zu bleiben. In diesen Momenten bin ich froh um einen guten Kompass. Um Menschen, die mir sagen, dass es das Richtige für mich ist. Dass sich diese Art zu leben und arbeiten für mich bewährt hat. Sie sagen mir, was für mich am besten ist, und nicht, was für sie am besten wäre. Sie sagen mir nicht, was sie in dieser Situation machen würden. Oder dass ich zu Hause bleiben soll, weil sie es schöner fänden, ich würde sein, wo sie sind. Sie wissen, was gut für mich ist. Sie wissen auch, was meine Stärken und Schwächen sind. Manchmal bin ich verleitet, Projekte anzunehmen, die nicht zu mir passen. Auch in solchen Momenten hilft es immens, einen guten Kompass zu haben.
Die Menschen, die meinen Kompass bilden, sind nicht deshalb so wichtig für mein Leben, weil sie mir ähnlich sind, sondern weil sie mich so gut kennen, dass sie mir sagen können, wo ich hinwollte, wenn ich es vergesse. Denn immer zu wissen, was der eigene Weg ist, ist fast unmöglich. Unsere Welt ist ein einziges Ablenkungsmanöver, es ist nur logisch, dass wir manchmal die Orientierung verlieren. Ich fühle mich immer mal wieder verloren und ziellos. Aber wirklich schlimm ist das nie. Denn ich habe einen Kompass.
Wer oder was influenct die 22-jährige Comedy-Influencerin? Hier verrät sie ihre ganz persönlichen Rituale, Needs und Vorlieben.
Lieblingsding
Reiseritual
Witzig, ungeniert und hartnäckig: Mehr als 270 000 Follower auf TikTok begleiten den Alltag von @nathistyle_
«Shoppen. Nicht im Duty Free. Sondern mindestens ein Shopping-Tag vor Ort.»
Unwort «Huregeil. Verwende ich viel zu oft.»
Lieber in die Zukunft oder die Vergangenheit reisen?
«Ganz klar in die Vergangenheit. Irgendwo in meine Kindheit, um schöne Erinnerungen wieder
Überraschende DMs?
«Sehr oft, überraschend viele. Mal echt unter der Gürtellinie, mal einfach nur Angebote von Sockenverkäufern.»
Gehört zu Brot
Lieblings-Red Bull Edition?
«Apricot. Fast jeden Tag.»
zu erleben.»
Guilty Pleasure
«‹Dschungel Camp›. Ich bin mega Fan. Finde ich huregeil
und freue
mich jedes Jahr drauf. Ja, genau: nicht C-, sondern E-Promis!»
Zeitalter
«90er-Jahre. Discos ohne Handys stelle ich mir geil vor.»
CONQUEST
MARCO ODERMATT
MARCO ODERMATT