The Red Bulletin CD 02/24

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ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN

SIE WILL GANZ NACH OBEN

Uni, Arktis, Ironman: Analog-Astronautin Eleonore Poli und ihr Weg ins All

SCHWEIZ, CHF 3.80 02 / 2024 JETZT ABONNIEREN getredbulletin.ch
PLUS MARK ZUCKERBERG / EÍMEAR NOONE / PHIL WIZARD / GEO CADIIAS
Von Natur aus entspannt. Und ideal für alle, die gerne viel erleben. Der neue Crosstrek 4×4 und der neue Impreza 4×4.

Entspannt in der Stadt unterwegs, auf dem Land und im Gebirge: Der neue Crosstrek 4×4 ist ein Vorbild an zuverlässiger Vielseitigkeit. Genauso wie der neue Impreza 4×4. Beide begeistern mit ihrer Serienausstattung inklusive der neusten Version des Fahrerassistenzsystems EyeSight.

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DER 4 4 FÜR DIE SCHWEIZ

Contributors

ZOEY GOTO

ist mehrfach preisgekrönte Autorin, hat im Jugendzimmer von Elvis geschlafen und die Nacht im Tourbus von Dolly Parton verbracht. Für uns interviewte sie B-Boy Phil Wizard im Vorfeld des Red Bull BC One World Final. «Ich war erstaunt, wie entspannt er über schwierige Kapitel in seinem Leben sprach.» Ab Seite 48

PETER RIGAUD

ist Salzburger Wahlberliner und hat bereits Quentin Tarantino, Christoph Waltz und John Malkovich abgelichtet. «Das Schöne an der Porträtfotografe ist, immer wieder inspirierende Menschen zu trefen – über oder unter Wasser!» Für unseren Shoot mit Bastien Murith ist er nämlich abgetaucht.

Ab Seite 56

MALICK REINHARD

fndet, dass wir alle etwas weniger Barrieren im Kopf haben sollten. Er ist Journalist bei RTS und «Le Temps», querschnittsgelähmt und schreibt in unserer Literaturkolumne «On a Positive Note» über Tinder, die Gerechtigkeit, die «Mario Kart» mit sich bringt – und wie kleine Gesten Grosses ausmachen.

Ab Seite 96

VÖLLIG LOSGELÖST

The sky is the limit? Nicht für Eleonore Poli. Wie sich die Schweizer Analog-Astronautin auf und unter der Erde – und sogar unter dem arktischen Eis – auf ein ausserirdisches Abenteuer vorbereitet, erfährt ihr ab Seite 38. Für Bastien Murith nach seinem Unfall schnell klar: Er bleibt im Spitzensport – und tauschte kurzerhand Skicross gegen Para-Schwimmen aus (ab Seite 56). Von Selbstzweifeln befreien musste sich dagegen B-Boy Phil Wizard. Wie das kanadische Ausnahmetalent sein Leben neu choreograferte und sich in den Breakdance-Olymp tanzte, erzählt er ab Seite 48. Und mit welchen einfachen Outdoorhacks wir alle uns zwischendurch vom Alltagsstress lösen können – kein leeres Vogelgezwitscher! –, lernen wir von Biohacker Andreas Breitfeld ab Seite 66.

Bis hierher war Alltag – ab hier ist Abenteuer!

Mars-Feeling: Fotograf Konstantin Reyer rückte

Analog-Astronautin Eleonore Poli ins rote Licht.

EDITORIAL
THE RED BULLETIN 3 KONSTANTIN
REYER (COVER), HERIBERT CORN, THOMAS MEIER
48 56 GALLERY 6 ZAHLEN, BITTE! 12 HYPE-CHECK 14 HEROES SARAH HUNDERT 16 Seit einem Sportunfall ist sie im Rollstuhl. Dennoch bleibt der Sport ihre wichtigste Konstante. EÍMEAR NOONE 18 Als Komponistin hat die Irin ein neues Level erreicht: Sie entwickelt Musik für Games wie «Zelda». SIMONE GIERTZ 20 Diese Erfnderin ist die Königin des Absurden. Und sie hat 2,7 Millionen Follower. Trotzdem oder deswegen? PORTFOLIO VOLLE ACTION 22 Wilde Stunts und pures Naturerlebnis – Fotografen über ihre Shots, die richtig Lust auf Frühling machen. COVERSTORY ÜBERFLIEGERIN 38 Die Schweizer Analog-Astronautin Eleonore Poli will ins All. Im Labor, der Arktis und beim Ironman bereitet sie sich darauf vor. BREAKING AUFS PARKETT GEZAUBERT 48 B-Boy Phil Wizard ist auf dem Weg in den Tanz-Olymp. Sein Ziel: Gold beim Breaking-Debüt in Paris 2024. SCHWIMMEN AUFTRIEB 56 Vor einigen Jahren war Bastien Murith eine grosse Hofnung im Skicross. Sein neues Ziel: die Paralympics als Schwimmer. BIOHACKING POWERED BY NATURE 66 Zehn Tipps, wie du auf OutdoorAbenteuern die Kraft der Natur für dich aktivierst. E1 SERIES STARK UNTER STROM 72 Die Inside-Story zur ersten E-Rennboot-Meisterschaft –neue, elektrisierende Wasserwelt!
UND JETZT DU! REISEN 83 HÖREN 88 LAUFEN 90 UHREN 92 ERLEBEN 94 IMPRESSUM 95 ON A POSITIVE NOTE 96 CHECK-OUT 98 4 THE RED BULLETIN PETER RIGAUD, CHRIS SAUNDERS
INHALT
CRAIG ROBINSON/RED BULL ILLUME DAVID PESENDORFER

Lake District, Grossbritannien

GOLD-BETON

Dunkel, hell – um Kontraste herauszuarbeiten, reichen in der Regel Lichtspots und Blitzanlage. Doch hier geht es um einen ganz speziellen Farbton: dieses satte, fast goldene Rotbraun, das nur ein Sonnenuntergang auf Betonplatten wirft. Das Zeitfenster dafür, sagt Fotograf Craig Robinson, beträgt 20 Minuten. Doch die reichten für Ben, den Biker, um über seinen eigenen Schatten zu springen. redbullillume.com

THE RED BULLETIN 7

Christchurch, Neuseeland

Nick Pearson begann im Jahr 2015 zu fotograferen – und zwar seine SneakerKollektion. Acht Jahre später ist es kein Air Jordan, sondern ein unbekannter Surfer vor dem New Brighton Beach, der den Neuseeländer Pearson ins Halbfnale von Red Bull Illume bringt. Hier verschmelzen Action und Panorama: «Ich verbinde gerne die beiden Ansätze, um Geschwindigkeit und Bewegungsfuss in einem Bild zu zeigen», sagt er. redbullillume.com

AIR UND MEER

Azpeitia, Spanien

DIE GLEITPLANKE

Eigentlich ist diese dünne graue Linie, die am oberen Ende des Bildes einen Wendekreis umschliesst, ja bloss eine Leitplanke in einem Skatepark. Doch Enaitz Odria funktioniert sie mit seinem Board zur Gleitplanke um. Und so wird aus einem Foto ein Kunstwerk: «Ich möchte Bilder machen, die auffallen», sagt Fotograf Alex Berasategi Ibaieta, der sich für sein Drohnen-Bild einen Platz im Finale von Red Bull Illume (Kategorie Kreativ) gesichert hat. redbullillume.com

THE RED BULLETIN 9 NICK PEARSON/RED BULL ILLUME, ALEX IBAIETA/RED BULL ILLUME DAVYDD CHONG
ALVARO HERRERO LÓPEZ-BELTRÁN/RED BULL ILLUME DAVYDD CHONG

Tulum, Mexiko

UNTERRASCHUNG

Tulum auf der Halbinsel Yucatán ist ein Touristenmagnet mit zwei magischen Anziehungspunkten: oben Sand und Maya-Ruinen, hier unten das grösste Unterwasser-Höhlensystem der Welt.

Alvaro Herrero López-Beltráns Bild von der Höhlentaucherin Skanda CofeldFeith – aufgenommen in einem versteckten, magischen Raum während eines dreistündigen Tauchgangs –schafte es in die Finalrunde von Red Bull Illume. Meer wie aus dem Märli! redbullillume.com

THE RED BULLETIN 11

MASTER OF THE METAVERSE

Am 14. Mai feiert Mark Zuckerberg seinen Vierziger – und zwar absolut sicher! Hier steht, was der Chef des Netz-Riesen Meta allein für seine Securitys ausgibt. Und wie er Hawaii zur Weide macht.

120,4

Milliarden Franken erwirtschaftete Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp, Threads) 2023, davon 97,8 Prozent mit Werbung.

5

Tage dauerte es im Juli 2023, bis die ersten 100 Millionen Nutzer die neue App Threads, Metas eng mit Instagram verknüpfte Konkurrenz zu X, installiert hatten.

19

Jahre alt war Mark Zuckerberg, als er im Jahr 2004 mit vier HarvardKommilitonen Facebook unter dem Namen Thefacebook gründete.

16,9

Milliarden Franken bezahlte Zuckerberg 2014 für den Messaging-Dienst WhatsApp. Instagram wurde 2012 um 730 Millionen Franken erworben.

11’508’131

Megawattstunden Strom hat Zuckerbergs Meta 2022 verbraucht –das sind präzise 0,00686 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs.

12, 5

Millionen investiert Meta jährlich in Bodyguards und Sicherheitsmassnahmen für Zuckerberg.

14,3

Milliarden Franken Verlust nahm Meta 2023 in seiner Forschungseinheit Reality Lab in Kauf, um digitale Visionen voranzutreiben.

70

Solar- und 21 Windkraftwerke sowie 25 Wasseraufbereitungsanlagen versorgen Metas 21 Datencenter weltweit mit nachhaltiger Energie.

4

Mal, nämlich 2008, 2011, 2016 und 2019, schafte es Mark Zuckerberg auf die Liste der 100 einfussreichsten Menschen der Welt des «Time»-Magazins.

566

Hektar Land hat Mark Zuckerberg auf Kauai, Hawaii, erworben. Neben einer Rinderfarm lässt er ein Anwesen mit 460 Quadratmeter grossem Schutzkeller errichten.

BITTE! 12 THE RED BULLETIN ADOBE STOCK, GETTY IMAGES HANNES KROPIK CLAUDIA MEITERT
ZAHLEN,
Veranstalterin: BikeDays.ch GmbH
ZÜRICH | 23. BIS 26. MAI 2024 CYCLE WEEK DAS NATIONALE VELOFESTIVALEUROPAALLEE | BRUNAU

DER DÜSEN-JET IN DEINER HAND

Parkbank trocknen, Regentonne leeren, Auto schieben: kein Problem für Jetfynn Dry, das wohl stärkste Handgebläse der Welt. Creator Kirafn hat Wind davon bekommen und wagt den Check.

Kirafin heisst bürgerlich Jonas Willbold, ist 29 und unterhält seine 1,2 Millionen Follower auf TikTok mit ComedyFormaten. Nebenbei folgt er seiner Faszina tion für Tech-Produkte und -Trends. Für uns nimmt er aktuelle Hypes unter die Lupe.

Harte Schale

Die Verkleidung besteht aus Carbon.

DAS TEIL

«Vom italienischen Creator @raulstrano als Einzelstück gebaut, erzeugt das Handgebläse dank Turbine 25 Kilo Schubkraft – genug um, nun ja, jede Menge Quatsch anzustellen.»

DER HYPE

«Jedes Video des Gadgets geht viral. Highlight: 43 Millionen Views für ein TikTok-Video, in dem der Erfnder seiner Freundin die Decke vom Bett bläst. Übrigens setzt der deutsche Creator @BigBangBash seit kurzem das Gebläse ein.»

DER CHECK

«‹Das muss Fake sein›, denken viele beim ersten Anblick. Aber ich durfte schon im Luftstrom stehen und weiss: Die Power des Gebläses ist im wahrsten Sinn mindblowing.»

Must-see-Faktor:

PERFEKT FÜR ...

alle, die möglichst viel aufwirbeln wollen, wie Kindgebliebene und Creators.

NICHT PERFEKT FÜR ...

Sinnsucher, die nach dem praktischen Nutzen fragen.

HYPE-CHECK
14 THE RED BULLETIN @BIGBANGBASH

Abenteuerwelt

Dein Outdoor-Erlebnis am Lago Maggiore

Natur- und Abenteuerparadies: 1’400 km Wanderwege, Trailrunning, Klettern, Bouldern, Radfahren und jede Menge Wasserspass!

...ganz zu schweigen von den über 2’300 Sonnenstunden im Jahr.

www.ascona-locarno.com

Foroglio, Valle Bavona

SARAH HUNDERT

sagt, der Sport gibt ihr mehr, als er ihr genommen hat. Auch deshalb ist die Eventmanagerin und Para-Athletin jetzt im Stiftungsrat von Wings for Life in Liechtenstein.

Der Sport hat sie gerettet, sagt Sarah Hundert. Gerettet? Damals, im Jahr 2010, als sie beim Training für ein Downhill-Rennen schwer stürzte? Als sie mit ihrem Bike für den Absprung über eine Senke zu wenig Tempo draufhatte, sodass sie, statt auf der anderen Seite zu landen, mit dem Kopf voraus auf den Boden knallte? Damals, als ein Sekundenbruchteil Schicksal spielte? Bruch des 9. Brustwirbels, Bruch des 1. Halswirbels, Querschnittslähmung.

ON POINT

Lebt in Schaan, Liechtenstein Feiert nur selten

«Sport ist der beste Therapeut, den man fnden kann», sagt sie. Und: «Skifahren ist Freiheit für mich. Es ist eine der wenigen Sportarten, die ich normal machen kann. Klar, ich fahre Mono, aber wir sitzen im gleichen Lift, wir fahren die gleichen Pisten hinunter. Ich spüre da keinen Unterschied.»

Liebt Skifahren

Verreist am liebsten in die USA Spricht

Seit damals, seit 2010, sitzt Sarah Hundert im Rollstuhl. Und diese Sarah Hundert sagt heute, der Sport habe sie gerettet? Nicht wahnsinnig viel gekostet? «Nein. Natürlich hat der Unfall mein Leben verändert, aber er hat mich nicht gebrochen. Der Sport hat mir geholfen, mich selbst wiederzufnden und mich stark zu fühlen.»

Deutsch und Englisch Sagt über sich selbst «Verlierer sehen anders aus.»

Dabei hätte alles auch ganz anders kommen können, damals, in der fragilen Zeit nach dem Unfall. Sarah ist 19 Jahre alt, geht viel aus, trinkt viel Alkohol, muss viel an Wut verarbeiten, hadert mit der Diagnose. Hilfe anzunehmen war das Schwerste, sagt sie, und dass sie ohne ihre Familie und Freunde da nicht wieder rausgekommen wäre. Bis heute sind sie ihre wichtigste Stütze. «Wenn ich auf den Mount Everest will, dann tragen sie mich dort hinauf.» Ihre beste Freundin und wichtigste Stütze hat sie gerade erst geheiratet.

ich überallhin mitnehmen und am Abend im Bett hören.» Es nimmt ihr die Ängste, die sie hat, sie ist viel gelassener, und, ja, sie fährt deutlich besser Ski damit.

Sarah Hundert arbeitet im Eventmanagement, ist Projektleiterin auf Messen, doch ihre klare Priorität im Leben ist der Sport. Sie leitet zwei Gruppen im Turnverein in Schaan und ist seit kurzem im Stiftungsrat von Wings for Life in Liechtenstein. «Darauf bin ich sehr stolz», sagt sie. Ihr grosses Ziel: Wings for Life in der Region bekannter zu machen, weiter zu pushen und noch mehr Gelder zu sammeln. «Denn ohne Geld werden wir nicht an unser Ziel kommen: den Durchbruch in der Forschung zu schafen und Rückenmarksverletzungen heilbar zu machen. Wenn nicht für mich, dann wenigstens für die Generation nach mir», sagt Sarah Hundert.

Wenn alle auch für sie laufen

Die Freiheit auf der Piste Sarah Hundert ist keine gewöhnliche Sportlerin. Und auch kein gewöhnlicher Mensch. Ihre freundliche Unbeschwertheit täuscht nicht darüber hinweg, dass die heute 32Jährige einen unbändigen Willen hat und eine faszinierende Entschlossenheit. Eineinhalb Jahre nach ihrem Unfall bucht sie im Kaunertal in Tirol einen Skikurs. Nach einer Woche Grundtraining kauft sie sich einen Monoski und fährt ab dann jede Woche. Und zieht durch. Heute trainiert Sarah sechsmal die Woche, sie fährt Monoski im Leistungssport. Ihre nächsten grossen Herausforderungen sind die Weltmeisterschaft im Jahr 2025 und die Paralympischen Spiele 2026 in Cortina.

Mentale Stärke durch Hypnose Was würde sie sich von den Menschen wünschen? «Dass sie ein bisschen mehr von Kindern haben», meint Sarah. «Kinder fnde ich toll, die haben keine aufgesetzte Scham. Sie schauen mich an und fragen: Wieso sitzt du da? Kinder fragen. Erwachsene tun heimlich, und das merkt man. Oder sie schauen dich an und sagen gar nichts.» Im Sport fndet sie gegen Rückschläge Hilfe bei einem Mentaltrainer. «Ich hab sechs verschiedene durchprobiert», erzählt sie, aber die hätten alle nicht zu ihr gepasst. Allerdings wäre sie nicht sie selbst, hätte sie aufgegeben. Beim siebten Versuch klappte es. «Vor zwei Jahren bin ich auf Hypnose gestossen und habe gemerkt, das ist das Richtige für mich. Mein Trainer schickt mir Audiodateien, die kann

Beim Wings for Life World Run hat sie bereits Geschichte geschrieben. Im letzten Jahr ist sie von allen Rollstuhlfahrerinnen und -fahrern in der Schweiz am weitesten gekommen. Dabei wollte sie ursprünglich nach fünf Kilometern aufhören. «Als ich dann ich gecheckt habe, ich bin die Nummer eins, hat mich mein Ehrgeiz gepackt.» Am Ende hat sie zwanzig Kilometer geschaft. «Allein dieser Gedanke, dass hier alle zum Teil auch für mich laufen, dafür, dass verletztes Rückenmark einmal geheilt werden kann – das spornt so an und macht so Mut», sagt Sarah Hundert. Sport hat vielleicht ihr Leben gerettet. Und jetzt arbeitet sie daran, das von anderen zu retten.

Info und Anmeldung: einfach den QR-Code scannen. Instagram @sarahhundert

HEROES
TEXT SASKIA JUNGNIKL-GOSSY FOTO MARKUS GMEINER
16 THE RED BULLETIN
«Sport ist der beste Therapeut. Beim Monoskifahren fühle ich mich frei.»
THE RED BULLETIN 17
Sarah Hundert trainiert bereits für die WM 2025.

EÍMEAR NOONE

ist ganz grosse Oper! Abends gibt die Dirigentin & Komponistin zu Mozart den Takt vor, tagsüber schreibt sie selbst Klassiker: nämlich Soundtracks von Games wie «World of Warcraft» – die sie nun mit Orchester auf die Bühne bringt.

Bereits Eímear Noones Kindheit war von zwei Leidenschaften geprägt: klassische Musik und – Nintendo. Mit sieben sah sie im Fernsehen einen weisshaarigen Dirigenten, der ein Orchester leitete und erkannte ihre Bestimmung. Sie lernte zunächst die regionale «Tin Whistle», Flöte und Klavier und studierte später Komposition am Trinity College Dublin. Mit 21 zählte Noone zu den Begründerinnen des Dublin City Concert Orchestra und dirigiert seitdem renommierte Orchester auf der ganzen Welt. 2020 war sie die erste weibliche Dirigentin, die das Orchester bei der Oscar-Zeremonie leitete. Noone hat ihre beiden Leidenschaften verbunden und wurde zu einer der einflussreichsten Komponistinnen in der Gamingbranche geworden: Sie hat die Soundtracks zu zahlreichen Klassikern wie «World of Warcraft» oder «The Legend of Zelda» komponiert – und geht damit nun auf Orchester-Konzerttour.

Und dein erster Kontakt mit einem Orchester?

Ich spielte Flöte in einer Aufführung von Jean Sibelius’ «Finlandia», einer sinfonischen Dichtung aus der Spätromantik, in einer Kirche in Galway City an der irischen Westküste – und ich war hin und weg!

War Dirigieren dann der logische nächste Schritt?

ON POINT

Kommt aus dem 670-EinwohnerDorf Kilconnell im Westen Irlands

Liebt

Mozarts Requiem

Komponierte

u. a. den Soundtrack zu «World of Warcraft»

the red bulletin: Worin bestanden deine ersten Gaming-Erfahrungen? eímear noone: Da es in Irland viel regnet und oft Indoor-Wetter herrscht, bringen wir viele Künstler hervor – und es wird viel gezockt. Ich bin mit drei Brüdern in einem Nintendo-Haushalt aufgewachsen. Ich habe «The Legend of Zelda» geliebt. Beim Gamen wie auch bei der Musik lässt man sich voll auf etwas ein und vertieft sich darin. Ich habe ADHS, und die einzige Entspannung ist für mich, wenn ich dirigieren kann oder an einem Kompositionsprojekt arbeite.

Dirigierte als erste Frau das Orchester der Academy Awards

Als ich fünf zehn war, spielte ich in einem Konzert mit einer Militärkapelle. Der Dirigent drehte sich plötzlich zu mir um und sagte: «Du bist als Nächste dran.» Ich sollte da rauf aufs Podium und mit den Armen herumfuchteln und meine Klassenkameraden zum Lachen bringen – aber ich werde nie vergessen, wie ich auf die Partitur schaute und mich auf einmal ganz, ganz ruhig fühlte. Alles kam in Einklang, alles verlangsamte sich. Ich hatte das Gefühl, dass ich meinen Platz gefunden hatte.

Gewann den «Hollywood Music in Media Award» 2014

Worauf muss man achten, wenn man den Soundtrack für ein Videospiel komponieren soll? Es kommt ganz auf die Kreativen an und darauf, was sie in ihrem Plot ausdrücken wollen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Ich sage immer: Wenn Mozart heute leben würde, würde er Musik für Videospiele komponieren. Es gibt Beweise dafür, dass er bewusst musikalische Rätsel und versteckte Botschaften einbaute – und auch vieles an der Vertonung von Spielen ist wie ein Rätsel. Wir tun im Grunde das, was Komponisten schon immer getan haben, nur dass dies nun eben die Version des 21. Jahrhunderts ist. Bei Videospielen gibt es ja unzählige Einsatz-

möglichkeiten für Musik: Wenn etwa ein Player einen Raum betritt, kann Grammophonmusik erklingen oder Sounds und Melodien wie aus einem Nachtclub oder einer Hotellobby. Es macht wirklich Spass, diese Vielfalt an Musik zu komponieren, weil ich da in allen möglichen Stilen arbeiten kann. Auf diese Weise hat sich auch viel irische Musik in «Zelda» eingeschlichen.

Was war die grösste Herausforderung deiner Karriere?

Das Ganze ist eher ein Marathon als ein Sprint. Am Anfang war die grösste Herausforderung, dass ich eine Frau bin. Ich musste im Musikbusiness um meine Rechte kämpfen. Ich hatte ja keinerlei Kontakte. Ich bin eine klassische Musikerin, hatte ein Stipendium fürs Konservatorium, aber ich kannte niemanden aus der Gaming- oder Filmbranche. Also musste ich mir jeden Kontakt persönlich erarbeiten.

Was können wir uns von deiner «Video Games in Concert»-Tour erwarten?

Ich frage meine Besucherinnen und Besucher immer, ob es das erste Mal ist, dass sie ein Orchester live sehen – und mehr als die Hälfte sagt ja. Ich liebe es, Leute zu sehen, die so begeistert von der Musik in ihrem Lieblingsspiel sind, aber nicht wissen, dass es Millionen andere gibt, die genauso fühlen. Ich fnde es toll, dass Gaming so eine Art Gleichmacher ist: Es ist völlig egal, wo man lebt oder wie ft man ist, es gibt keine Länder- oder Kulturgrenzen. Ich bin so gerührt, wenn ich am Pult stehe und sehe, dass alle so überwältigt und dankbar sind.

Instagram: @eimearnoonemusic

HEROES
TEXT ALICE AUSTIN FOTO ANDY PARADISE
18 THE RED BULLETIN
«Was Mozart heute komponieren würde? Musik für Videospiele!»
THE RED BULLETIN 19
Eímear Noone über ihren Job zwischen Klassik und Gaming

SIMONE GIERTZ

ist die Erfnderin des Absurden: Sie konstruiert Ohrfeigenwecker, Zahnbürstenhelme und Lippenstiftverschmierer. Weil es die unperfekten Dinge sind, die ihr Mut machen. Und 2,6 Millionen Follower begeistern!

TEXT EMINE SANER

Die Herausforderung, etwas Perfektes zu erschafen, kann Menschen überfordern. «Aber etwas komplett Bescheuertes er fnden, das kann ich», sagt Simone Giertz, 33. Ihre «Erfndungen», die sie auf ihrem YouTube­Kanal mehr als 2,6 Millionen Abonnenten präsentiert, sind Dinge, von denen du nicht wusstest, dass du sie eigentlich brauchst. Sie hat einen Wecker gebaut, der dir zum Aufwachen eine Ohrfeige verpasst, oder Roboter, die Lippenstift auftragen und ihn verschmieren.

Geboren 1990 in Schweden, heute zu Hause in Los Angeles, ist Giertz in Sachen Technik eine Autodidaktin – was sie aber nicht davon abhält, ihren Tesla in einen Truck umzubauen oder ein skelettartiges Stützkorsett für ihren dreibeinigen Hund zu konstruieren. Und da sich Humor zur Gnadenlosigkeit steigern kann, veröfentlichte sie 2018 Videos zu ihrem frisch diagnostizierten Hirntumor, den sie Brian nannte, und über ihre Genesung.

Was als Ventil der Kreativität begann, hat sich zu einer Produktdesign­Firma und dem Onlineshop Yetch entwickelt. Denn die selbst ernannte «Königin der Shit­Robots» wendet sich gelegentlich auch von ihren skurrilen Erfndungen ab, um nützliche Dinge zu erschafen.

the red bulletin: Hast du schon als Kind ständig etwas erfunden? simone giertz: Ich habe mir immer Projekte vorgenommen, etwas aus Holz geschnitzt oder komische Figuren aus Müll gebaut. Für Technik habe ich mich damals noch nicht interessiert. Aber ich wollte Astronautin werden.

Warum hast du später dein Physikstudium abgebrochen?

Weil ich angefangen hatte, mit Elektronik zu basteln und programmieren zu lernen. Reale Dinge steuern zu können fühlte sich nach immenser Macht an – und die wollte ich sofort einsetzen. Okay, mein erstes Werk war lächerlich: Gitarrensaiten, die ich aus dem Handy ziehen konnte, um dann per selbst programmierter App ihren Klang zu simulieren.

Wie ging es weiter?

Als Nächstes habe ich den Zahnbürstenhelm gebaut (einen Skateboardhelm samt Roboterarm, der seiner Trägerin die Zähne putzt; Anm.). Das Video erhielt 50 000 Aufrufe. Und von da an wurde die Sache immer grösser.

Genesung hatte ich so wenig Energie, dass ich mich fragte, wofür ich meine Zeit eigentlich nutzte. Machte ich, was ich wollte? Heute will ich immer noch Alltagsprobleme lösen – aber durchdachter.

Wie mit deinem leuchtenden Kalender?

ON POINT

Voller Name Simone Luna Louise Söderlund Giertz Geboren

Was fasziniert dich an Spielereien wie dem Zahnbürstenhelm? Zunächst hilft mir dieser humorvolle Ansatz, meinen Perfektionismus zu unterdrücken. Einerseits habe ich mich selbst damit zum Lachen gebracht, andererseits war es auch eine Art Abwehrstrategie: Am Anfang war ich ja keine Technikexpertin und musste also zwangsläufg scheitern. Heute, nachdem ich acht Jahre Dinge gebaut habe, fühle ich mich selbstbewusster und versuche, meine Selbstironie auch mal abzulegen.

Wie wirkt sich das aus?

Den habe ich erfunden, weil ich täglich meditieren wollte, aber es einfach nicht schafte – oder mir einbildete, es nicht zu schafen. Ich wollte etwas bauen, das an der Wand hängt und zu einem dunklen Schandfeck wird, wenn ich eine Session auslasse. Es ist ein Kalender, dessen Tage nur aufleuchten, wenn du sie antippst. Das darfst du aber nur machen, wenn du deine Aufgabe erledigt hast. Dank ihm verpasste ich nur eine Meditation. Eigentlich logisch, oder?

1990 in Stockholm Und sonst?

War Austauschschülerin in China und spricht Mandarin. Stolz auf faltbare Kleiderbügel Sagt sich selbst «Etwas komplett Bescheuertes er finden, das kann ich.»

Erfndest du jetzt nur noch wirklich nützliche Dinge?

Ich habe gerade drei Jahre lang einen faltbaren Kleiderbügel für kleine Schränke entwickelt und bin sehr stolz darauf. Gleichzeitig baue ich immer noch ziemlich verrückte Sachen, etwa eine Nudelmaschine in einer Schminkpuppe – wo sonst die Haare sind, sollten die Nudeln herauskommen. Die Puppe ist schrecklich.

Was lehrt dich deine Arbeit übers Problemlösen?

Früher knöpfte ich mir ein gewöhnliches Problem vor und löste es auf die lächerlichste Weise. Dann hatte ich einen Gehirntumor, was auf jeden Fall hilft, die Dinge nüchterner zu betrachten. Während meiner

Erfnden fühlt sich oft an wie Puzzeln mit lauter falschen Teilen. Umso schöner ist es, wenn es gelingt.

Instagram: @simonegiertz

HEROES
20 THE RED BULLETIN
«Erfinden ist wie ein Puzzle mit falschen Teilen – manchmal gelingt es trotzdem.»
Simone Giertz, über den Reiz der Lächerlichkeit
THE RED BULLETIN 21

NATUR AUF TOUREN

Mit dem Bike steil hinunter, mit dem Seil weit hinauf, mit dem Boot hart am Wind. Volles Adrenalin trift reine Natur – und die Profs der Action-Fotografe drücken ab. Um festzuhalten, was niemals stillsteht.

MAXIMILIAN REICH 22 THE RED BULLETIN
TEXT
NICOLAS BRIZIN/RED BULL ILLUME

SCHLAMM DRÜBER

Whistler, Kanada, 2023

Mit diesem Foto von Mountainbiker Brett Rheeder schafte es Nicolas Brizin 2023 ins Halbfnale von Red Bull Illume, dem wichtigsten Actionsport-Fotocontest. «Es war schön zu sehen, wie nach Regen selbst ein Pro-Biker zum Kind wird, das in der Lacke spielt», sagt Brizin.

24 THE RED BULLETIN
ALEX GRYMANIS/RED BULL ILLUME

HEISSE SPUR

Sarakiniko, Milos, Griechenland, 2022

«Von Anfang an hatte ich dieses Bild im Kopf, wie Wakeboarder Nikolas Plytas seine ganz eigene Spur durch diese einzigartige Landschaft zieht», sagt Fotograf Alex Grymanis. Die monatelange Planung sollte sich auszahlen.

Das Bild hielt Alex’ Versprechen und schafte es 2023 sogar ins Halbfnale von Red Bull Illume.

«Wir wollten einzigartige Linien durch einzigartige Landschaften ziehen.»
THE RED BULLETIN 25

AUF KANTE

New River Gorge, West Virginia, USA, 2021

Ihre erste Kamera bekam

Karen Lane von ihrem Freund zum Geburtstag. «Er hatte mir auf eBay eine Sony Alpha 6000 gekauft», erzählt die USFotografn. Der elektronische Sucher funktionierte zwar nicht mehr, tolle Fotos konnte sie trotzdem noch schiessen – wie dieses von der Kletterin Katja Zoner.

Fels ohne Brandung –dieses Bild stünde eigentlich zur Hälfte unter

Wasser. LAND IN SICHT

Summersville Lake, West Virginia, USA, 2021 «Normalerweise mache ich eher Porträts, um die Emotionen in den Gesichtern der Kletterer einzufangen», erzählt Fotografn Karen Lane. «Hier beim Klettern mit meiner Freundin Lindsey Frein habe ich mal was anderes versucht, weil ich das Seebett zeigen wollte, das nur für kurze Zeit im Jahr trocken ist. Im Sommer steht das Wasser bis zum schwarzen Fleck am Felsen, hier am linken Bildrand.»

THE RED BULLETIN 27 KAREN LANE
28 THE RED BULLETIN
Der Champ wechselt die Seiten: Hier fotografiert ein Europameister!

ALLES IM FLUSS

Mailand, Italien, 2023

«Ich hab als Jugendlicher meine Kamera immer zum Wakeboarden mitgenommen und dabei das Fotograferen geübt», erzählt Maurizio Marassi. Heute beherrscht der 26-jährige Italiener beides ziemlich gut. Er wurde zweimal WakeboardEuropameister und erreichte mit diesem Foto von Kollege Maxime Giry einen Platz im Halbfnale bei Red Bull Illume.

THE RED BULLETIN 29 MAURIZIO MARASSI/RED BULL ILLUME
30 THE RED BULLETIN

BORA, BORA!

Zadar, Kroatien, 2023 Wenn die Bora genannten Fallwinde mit 180 km/h über die kroatische Küste fegen, bleiben die Menschen normalerweise zu Hause. Die Segel-Brüder Šime und Mihovil Fantela wagten sich aufs Wasser –und erreichten 24 Knoten (ca. 44 km/h). «Die beiden lachten, während ihnen die Gischt ins Gesicht spritzte», erinnert sich Fotograf Marjan Radovic.

180 km/h –wenn der Wind aufs Tempo drückt …
THE RED BULLETIN 31 MARJAN RADOVIC/RED BULL CONTENT POOL

VOLLE LADUNG

Utah, USA, 2022

Die besten Fotos entstehen oft zufällig – so wie dieses von MTB­Prof Jaxson Riddle. «Ich hatte dabei gar nicht durch die Kamera geschaut», gesteht Fotograf Ale

Di Lullo. «Jaxson lud gerade sein Bike in den Truck. Plötzlich dreht er sich um und macht diesen Rock  ’n’  Roll­Gruss. Da habe ich instinktiv meinen Arm gehoben und abgedrückt.»

EINSAME SPITZE

Schnebly Hill, Arizona, USA, 2022

Freerider Brett Tippie stemmt sein E­Bike in die Höhe. Hintergrund: Brett war einen separaten Weg hochgefahren. «Das Plateau aber zählte zu einem motorfreien Trail, weswegen sein Bike dort nicht den Boden berühren durfte», so Fotograf Ale Di Lullo.

32 THE RED BULLETIN ALE DI LULLO

KLIPPENSPRINGER

San Andreas Fault, Kalifornien, USA, 2018

Beim «Shoulder Buzz» dreht man in der Luft das Vorderrad zur Schulter, für Geof «Gully» Gulevich ein Klacks. Nur wenige beherrschen

den Trick wie der Mountainbike­Star. «Die Herausforderung bestand eher darin, dass es kaum Auslauf gab», berichtet Fotograf Ale Di Lullo.

Aber auch das meisterte Gully. Prof eben.

IN THE AIR TONIGHT

Kingfsher Resort, Philippinen, 2019

Ydwer van der Heide sollte auf den Philippinen Fotos von einem neuen Kite machen. Mehrere Stunden verbrachte er mit Sportlern im Wasser. Irgendwann reichte es den meisten. «Bloss Jesse Richman blieb, bis es düster wurde», erzählt der Fotograf. Die Geduld zahlte sich aus:

Bei Sonnenuntergang entstand dieses Foto vom zweifachen Weltmeister.

Der Tag geht, die Nacht kommt, der Weltmeister bleibt.
34 THE RED BULLETIN
THE RED BULLETIN 35 YDWER VAN DER HEIDE

VORLÄUFERIN

Bishop, Kalifornien, USA, 2022

Sarah Attar ist sowohl Lang- und Mittelstreckenläuferin als auch Fotografn. 2012 nahm sie als erste Frau für Saudi-Arabien an den Olympischen Spielen teil. Wenn sie eine Kamera in der Hand hält, lässt sie lieber andere laufen: hier Trailrunnerin Dani Moreno. «Was mir an dem Bild gefällt, ist, dass es so natürlich aussieht», sagt Sarah.

SCHMALER GRAT

Mount Saint Helens, Washington, USA, 2023

Im Bild: Abenteurerin

Abigail LaFleur-Shafer (vorne) und ParalympicSkifahrerin Grace Miller auf dem Mount St. Helens.

Nicht im Bild: die Mühe hinter der Aufnahme. «Wir mussten 1800 Höhenmeter zurücklegen – und das mit meinem ganzen Equipment», erklärt Fotografn Sarah Attar. Es hat sich gelohnt.

36 THE RED BULLETIN SARAH ATTAR

BEFLU ¨ U ¨ U ¨ GELT DURCH DEN SOMMER. NEU

Curuba-Holunderblüte

BELEBT GEIST UND KÖRPER.

Ready to go Eleonore Poli in voller Ausrüstung der «Asclepios I»-Mission, für die sie neun Tage lang in 450 Meter Tiefe unter dem Grimselpass lebte.

Seit ihrer Jugend träumt Eleonore Poli davon, ins All zu fiegen. Als analoge Astronautin trainiert die 28-jährige Lausannerin in simulierten Missionen, Körper und Geist von der Erde abzuheben.

ALL-TAG AUF DER ERDE

TEXT TUĞBA AYAZ FOTOS KONSTANTIN REYER
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leonore Poli treibt auf einem See zwischen Eisblöcken. Schwerelos, fast wie im Weltraum. Sie trägt einen Ganzkörperanzug, nur ihr Gesicht ist unbedeckt. In den französischen Alpen zählen im Februar 2020: Fokus, Vorsicht, Zusammenhalt. Sie übt Eistauchen. Übersteht Schneestürme. Baut für das Nachtlager ein Iglu. Die extremen Bedingungen sollen sie auf noch extremere vorbereiten. Auf den Weltraum, wo es keinen Sauerstof gibt und Temperaturen von minus 270 Grad herrschen.

«Ich habe es geliebt! Alle Sinne sind geschärft, wenn es um das Überleben geht», sagt Eleonore Poli, 28, vier Jahre später in ihrem Wohnzimmer in Lausanne. Nach einer Knie-OP muss sie die Beine hochlagern. Zu Hause festzusitzen ist für sie eine Qual. Ihre Tage sind sonst voll mit Materialforschung, Ironman-Trainingseinheiten und analogen Mond- und Marsmissionen, auf denen sie künftige Weltraumeinsätze für die Wissenschaft simuliert. Die fehlende Bewegung kompensiert sie mit ungebremstem Erzählen, besticht mit entwafnender Ehrlichkeit und erfrischendem Humor.

Willst du Astronautin werden?

Es begann mit einem Job-Inserat der EPF Lausanne auf Facebook: «Willst du Astronautin werden?» Eleonore, damals Doktorandin für Materialforschung in Cambridge, schickt sofort ihre Bewerbung ab. Dann erfährt sie: Zum Mond geht es noch nicht. «Asclepios I» ist eine simulierte Mission für Studierende. Doch wie bei echten Missionen sind kognitive Fähigkeiten, Ausdauer und Resilienz gefordert. Ein Psychologe fragt sie im Bewerbungsgespräch: Was war Ihr gefährlichstes Erlebnis? Wie haben Sie reagiert?

Abenteuergeist

Im Steinbruch des Hengl-Werks im niederösterreichischen Limberg testet Eleonore Poli ihren Schutzanzug.

E
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«Alle Sinne sind geschärft, wenn es um das Überleben geht.»
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Leaderin In der analogen «Asclepios I»Mission hatte Eleonore Poli das Kommando.

Was auf Polis Missionen zählt? Teamgeist, kognitive Fähigkeiten und sportliche Ausdauer.

Eleonore erzählt von einem Tag am Vierwaldstättersee, sie war 21 und musste mit ihrem damaligen Gleitschirm­Lehrer notlanden. Sie blieb ruhig, überlegte sogar, ihre Eltern zum Abschied anzurufen. Bei der Notlandung verfngen sie sich in einem Telefonmast, stürzten nur wenige Meter ab. Ein Selfe­Stick an der Ausrüstung hielt den Sturz fest: Auf dem Bild lacht sich Poli kaputt. Ihr lakonischer Kommentar: «Mit Humor überlebt man. Wer panisch wird, ist nicht handlungsfähig.»

Diese Resilienz und ihr nüchterner Pragmatismus überzeugen auch Claude Nicollier. Der erste und bisher einzige Schweizer, der ins All fog. Das Team ernennt Poli zur Kommandantin der «Asclepios I»­Mission, deren Teilnehmende nach dem Basistraining in den französischen Alpen, diversen Kursen in Kommunikation und mentaler Gesundheit sowie überstandener Covid­Pandemie in die simulierte Raumfahrt eintreten.

Im Juli 2021 ziehen sechs analoge Astronautinnen und Astronauten für neun Tage ins Nagra­Felslabor im Grimselgebiet. Das Ziel: Missionen auf dem Mond simulieren, um die künftige Erkundung des Weltraums zu ermöglichen. Das Labor liegt 450 Meter unter der Erde, mit Tunneln auf mehreren Ebenen und einer Temperatur von 13 Grad Celsius. Kein Tageslicht, keine Frischluftzufuhr. Es gibt eine Küche und eine Nische für Sporttraining. Es gibt Stockbetten und chemische Toiletten, zur Körperhygiene liegen Trockenshampoo und Feuchttücher bereit.

Simulation unter dem Grimsel

Der Tagesplan entspricht jenem bei einer Raumfahrt. Tagwache um halb sieben, zuerst müssen alle einen Fragebogen zum psychischen Wohlbefnden ausfüllen. Frühstück um sieben. Die veganen Rezepte stammen von einer Ernährungswissenschaftlerin, die Zutaten aus der Konserve. Nach zehn Minuten Frühstück gibt das Mission Control Center, das in einem nahe gelegenen Ort stationiert ist, per Funk den Arbeitsplan durch. Meist stehen chemische Experimente an, die Crew fltert etwa Salze aus

«Mit Humor überlebt man. Wer panisch wird, ist nicht handlungsfähig.»

simuliertem Marsboden und misst deren pHWerte. Sie muss alles protokollieren, das Mission Control Center per Funk über jeden Schritt informieren.

Während der Mission trainiert Poli wie gewohnt täglich. Im Tunnel gibt es ein Rudergerät, Gewichte, Springseile. Muskel­ und Ausdauertraining sind existenziell für angehende Astronauten. Existenziell deshalb, weil der Mensch im Weltraum aufgrund der fehlenden Schwerkraft Muskelmasse abbaut. Die Astronautinnen verlassen ihre unterirdische Basis in diesen neun Tagen nur zwei Mal, in schweren Raumanzügen, um das Gelände unter Anweisungen über Funk zu erkunden.

Die Arbeitstage sind 14 Stunden lang, auch das entspricht den tatsächlichen Bedingungen einer Raumfahrt. Als Kommandantin hat Eleonore Poli allerdings noch zusätzliche Aufgaben. Sie muss Abläufe optimieren, Fehler eruieren, den Zusammenhalt des Teams stärken, motivieren. Das alles begeistert sie. Sie ist überzeugt, mit «Asclepios I» den ersten Schritt für ihren Weg ins All zu machen.

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«Analoge Missionen sind Übungen im Scheitern. Wir müssen auf der Erde scheitern, damit wir im Weltraum bestehen.»

Ein Kind greift nach den Sternen

Eleonore Poli wird 1995 in Lausanne geboren, verbringt ihre Kindheit in Yverdon und Lausanne. Mit acht zeichnet sie einen Roboter. Er soll die Menschen vor dem Verdursten bewahren. Es ist der Jahrhundertsommer 2003, mit Hitzetoten in der Schweiz. Als Teenagerin besucht Eleonore Poli regelmässig Flugshows. Träumt davon, Militärpilotin und auch Flugzeugingenieurin zu werden. Ihre Maturaarbeit ist eine Bauanleitung für Flugzeuge, die sie dann in Lederjacke mit Fellkragen und Flugmütze präsentiert. Während ihres Studiums der Materialwissenschaften an der EPF Lausanne besucht sie jeden Vortrag über das Fliegen, die Astronomie und die Raumfahrt.

Besonders prägt sie ein Vortrag von Marc Toussaint, Ingenieur für Raketen bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). In einem abgedunkelten Hörsaal projiziert Toussaint eine startende Rakete auf die Leinwand, während aus den Lautsprechern ein ohrenbetäubender Knall dröhnt. «Es war, als stünden wir neben der Rakete! In meinem Bauch kribbelte es. Mir war klar: Ich will ins All fiegen!»

Als sie mit dem Bachelorabschluss kämpft, liest sie «Endurance», die Biografe des amerikanischen Astronauten Scott Kelly, der mehrmaligem Scheitern zum Trotz doch noch ein erfolgreicher Astronaut wird. Das treibt Poli an, ihren Traum als Astronautin zu verfolgen, mit dem Leitgedanken: «Wer nie scheitert, wagt auch nicht, nach Unmöglichem wie einer Raumfahrt zu streben.»

Mit dieser Einstellung setzt Poli ihr Studium in Materialwissenschaften an der ZHAW fort, bewirbt sich nach ihrem Abschluss 2017 – «nur aus Jux» – für ein Masterprogramm in Cambridge. Eleonore wird tatsächlich angenommen und bekommt noch dazu eine bezahlte Doktoratsstelle angeboten. Cambridge taugt Eleonore Poli, denn hier fällt sie nicht mehr so auf. Hier gilt sie nicht als Nerd, weil sie sich mit Raumfahrt befasst oder für den Ironman trainiert. «In Cambridge fndet man Leute, die um vier in der Früh joggen, um sechs im Labor arbeiten und sich am Mittag betrinken – ohne als seltsam zu gelten.»

Die Materialwissenschaft begeistert Poli genauso wie die Raumfahrt. Für sie gehört der Forschergeist zum Berufsbild der Astronautin. Materialien im Weltraum zu untersuchen «ist die Verschmelzung meiner zwei Professionen». Man kann gar von Berufungen sprechen.

Derzeit forscht Poli in Neuchâtel am Centre Suisse d’Électronique et de Microtechnique (CSEM) im Bereich 3D-Druck von Metallen. Ihre freien Minuten sind durchgetaktet mit Sport- und Analog-Missionen. Sie unterrichtet, berät und organisiert. Seit ihrer ersten Mission «Asclepios I» hat sich Poli ein grosses Netzwerk aufgebaut, gründete 2022 auch ihre Organisation CHASM, sodass sich analoge Missionen weltweit bei Konferenzen vernetzen und Wissen austauschen können.

Mond oder Mars?

Demnächst bricht Eleonore Poli zu einer simulierten Mars-Mission in Armenien auf. Dort werden sie und ihr Team dafür sorgen, dass die 45 Kilogramm schweren Raumanzüge der Analog-Astronauten technisch einwandfrei funktionieren. Sie werden laufend Daten wie Herzfrequenz, Körpertemperatur oder Sauerstofgehalt der Astronauten über technische Verbindungen kontrollieren, um ihre Sicherheit zu gewährleisten und bei Notfällen einzugreifen.

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Forschungsdrang Die Materialwissenschaftlerin und Metallurgin treibt vor allem die Neugier.

Traum vom All Elon Musks MarsBesiedelungspläne hält Poli für «wissenschaftlich nicht durchdacht». Auf den Mond will sie aber auf jeden Fall.

Startklar Poli hat ihre eigene Organisation gegründet, die analoge Missionen weltweit vernetzt.

In Eleonore Polis Wohnzimmer hängt ein Poster vom Mars in rötlicher Farbe, daneben eines vom Mond in blaugrünen Tönen. Wie steht sie zu den beiden? «Ich muss nicht die erste Frau auf dem Mars sein», sagt sie, und das aus gutem Grund. Ein Flug zum Mars dauere mit heutiger Technik rund neun Monate, die Wahrscheinlichkeit, unterwegs zu sterben, sei relativ gross. Es brauche noch mehr Forschung mit Robotern, noch mehr Daten, bevor man zum Mars fiegen könne, ist Poli überzeugt. Für sie ergibt eine Marsmission erst dann Sinn, wenn man überhaupt weiss, was man dort erforschen will: «Beim Mars sind wir noch nicht so weit.»

Dementsprechend skeptisch betrachtet sie Elon Musks Vision, dass in rund 25 Jahren bereits Millionen Menschen auf dem Mars leben könnten. «Das ist wissenschaftlich nicht durchdacht», meint Poli. «Bei der Raumfahrt geht es nicht um Adrenalin.» Wer einen Adrenalin-Kick brauche, gehe besser Bungeespringen.

Doch schätzt sie an SpaceX-Chef Musk, dass sich durch seine mitunter etwas grössenwahnsinnigen Vorstellungen die Forschung rund um den Mars deutlich verstärkt hat. Teil dieser Erkundung sind ebenfalls Simulationen, wie Poli sie trainiert – und die letztlich die Voraussetzungen schafen, um eines Tages tatsächlich zum Mars reisen zu können: «Analoge Missionen sind Übungen im Scheitern. Wir müssen auf der Erde scheitern, um im Weltraum zu bestehen.»

Zum Mond will Poli jedoch auf jeden Fall einmal fiegen. «Die Reise dauert nur ein paar Tage, das Terrain ist erforscht.» Das sagt sie mit einer Nonchalance, als sei es eine Zugfahrt in ein Nachbarland. Doch die Auswahlverfahren der NASA oder der ESA sind hart. «Es ist, als rekrutierten sie Agenten», sagt Poli. Nur wenige unter zehntausenden Bewerbern werden Teil des Astronautenkorps – und dann vielleicht irgendwann mit einer Mission beauftragt. Entscheidend dafür ist auch, wie aktiv sich das Land, dessen Staatsbürgerschaft man innehält, in der Raumfahrt engagiert. «Die Schweiz tut das nicht – noch nicht.» Grössere Chancen, die erste Schweizerin im Weltraum zu werden, sieht sie deshalb mit einem privaten Raumfahrtunternehmen.

Ihre nächste Mission: «Sechs Monate unter dem arktischen Eis.»

Aktuell bereitet Eleonore Poli sich auf eine Expedition in der Arktis vor. Mit dem französischen Polarforscher Alban Michon arbeitet sie an dem Habitat «Biodysseus». Sechs Monate wollen sie auf dieser Forschungsstation unter dem arktischen Eis verbringen, die Zersetzung von Flora und Fauna angesichts der Klimakrise untersuchen. Noch stecken sie in der Planung, beantragen Fördergelder, stellen ein Team zusammen. «Biodysseus» vereint, was Eleonore Poli ausmacht: Naturwissenschaft, Forschung unter extremen Bedingungen, simulierte Raumfahrt, körperliche Ausdauer, Resilienz und Teamarbeit. Es sind genau diese Grenzerfahrungen, die Eleonore Poli befügeln – und eines Tages vielleicht in den Weltraum tragen.

Eleonore Poli auf Instagram: @hepoli

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WIZARDS MAGISCHER DREH

Er tanzte sie fast alle aus, wurde einer der besten Breaker der Welt. Doch in ihm drinnen rumorte es: «Du bist nicht gut genug, verdienst keine Siege.» Bis B-Boy Phil Wizard die Choreografe seines Lebens änderte – und so zum Favoriten für Olympia wurde.

TEXT ZOEY GOTO FOTOS CHRIS SAUNDERS
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Bewegtes Leben

Der kanadische B-Boy Philip Kim, in der Szene als Phil Wizard bekannt, beim Shoot in Paris

Paris, mon amour! Phil Wizard ist ein Anwärter auf Gold, wenn Breaking in Paris sein Debüt bei den Olympischen Spielen feiert.
Härte kennt er, Härte kann er. Nun entwickelt er einen Sinn für Freiheit.

Seine grelle Jacke in Lila-Rot und die leuchtend helle Wollmütze, die er tief ins Gesicht gezogen hat, sind die einzigen Farbtupfer inmitten einer brutalistischen Grossstadtarchitektur.

Phil Kim, in der Szene als Phil Wizard berühmt, sind die Strapazen der letzten Monate kaum anzumerken, als ihn The Red Bulletin zum Interview trift. Dabei ist das Leben eines Breaking-Profs, das ihn von Battle zu Battle rund um den Globus führt, unglaublich anstrengend.

Der Wizard strahlt Leichtigkeit aus, als er uns da vor der Kulisse des Wohnparks Orgues de Flandre, Paris, federnden, hüpfenden Schrittes entgegenmovt. Rechtzeitig zum Fotoshooting bricht die Sonne durch, als müsste sie diesen Magier ins Rampenlicht rücken. Der sucht und fndet vor der Kamera seinen Rhythmus, immer im Takt der Beats, die blechern aus einem mitgebrachten Lautsprecher dröhnen. Immer mehr Passanten halten an, um den jungen Mann zu beobachten, der hier wie beiläufg die wildesten Verrenkungen raushaut. Wow, was für ein Strassenkünstler. Wow, was für ein Olympionike!

Es ist Oktober 2023, und in Paris steigt das 20. Red Bull BC One World Final, der grösste Breaking-Wettbewerb der Welt. Das Gipfeltrefen einer bunten, dynamischen, lautstarken Subkultur, zu deren herausragenden Vertretern Phil Wizard gehört. Wenn Breakdance im kommenden Sommer hier in der Stadt erstmals olympisch sein wird, wird der 26-jährige Kanadier ein heisser Medaillenkandidat sein. Vor nicht einmal fünf Jahren war er hier in Paris in der ersten Runde ausgeschieden. Heute ist er Teil der Red Bull BC All Stars, einer exklusiven Crew, bestehend aus den weltbesten Tänzern.

Sein erster Move? Blenden wir zurück auf die Strassen von Vancouver, Phils Heimatstadt. Im zarten Alter von elf Jahren hatte ihn dort eine Performance der Now or Never Crew, des Fixsterns der örtlichen Hip-Hop-Szene, wie aus dem Nichts in ihren Bann gezogen. Was für ein Zufall: Ausgerechnet eines der Crewmitglieder leitete wenig später einen Workshop in Phils Schule – was diesen dazu inspirierte, sich für ein Tanzcamp anzumelden. So weit, so leichtfüssig. Doch Phil fand eine weitere, in seinen Worten «nicht ganz so coole» Inspiration: die romantische, etwas klischeehafte Tanzflmreihe «Step Up». Als wir zwischen den Fotos eine kurze Pause einlegen, gibt er zu: «Es ist mir etwas pein-

lich, aber ich habe dieses kitschige Zeug geliebt. Als Kind denkt man zuerst einmal nur: ‹Wow, die tanzen im Regen – wie cool ist das denn?!›» Choreografe und Kreativität hätten ihn am Anfang viel mehr fasziniert als das Breaken an sich, sagt er. «Ich war ein lebhaftes und fantasievolles Kind. Ich habe viele Animes und Superheldenflme geschaut und getan, als wäre ich ein Teil dieser Geschichten.»

Es begann mit den Heartbreakern – doch bald gab es nur noch Breaking: Der Teenager Phil schaute statt Animes YouTubeVideos der angesagtesten Breaker und holte sich bei den grossen Crews aus Vancouver Tipps, wie man am schmalen Grat zwischen kreativer Selbstverwirklichung und kommerziellem Erfolg trittsicher wird. Davon abgesehen war Phil auf sich allein gestellt. Denn je tiefer er in die Breaking-Szene eintauchte, desto weniger Rückhalt spürte er von daheim. «Meine älteren Brüder haben im Versicherungsgeschäft und als Juristen Karriere gemacht», sagt er. «Ich war der Aussenseiter. Der Druck war auch deshalb so gross, weil ich aus einer Einwandererfamilie komme.»

Kampf gegen den eigenen Kopf Als Phils Mutter mit ihm schwanger wurde, lebte die Familie noch in Korea. Noch vor seiner Geburt emigrierte sie mit Phils Vater und den Söhnen nach Kanada. «Meine Eltern haben viel dafür geopfert, um in Kanada ein neues Leben zu beginnen. Sie wollten die grösstmögliche Sicherheit für ihre Kinder», sagt Phil und wirkt nachdenklich. «Nicht nur für meine Eltern, auch für mich selbst war die Entscheidung hart, ganz andere Wege zu gehen und eine Karriere als Breaker einzuschlagen.»

Um seine Familie zu beruhigen, schrieb sich Phil für ein Psychologiestudium ein. Doch schon nach einem Semester war für ihn Schluss. «Ich habe das Studium sein lassen, weil ich ein anderes Ziel vor Augen hatte: das Red Bull BC One in Los Angeles, die Vorqualifkation für die World Finals. Ich dachte mir: Wenn ich dieses Event tatsächlich gewinne, lasse ich alles stehen und liegen und versuche mein Glück mit Tanzen.»

Das Risiko zahlte sich aus. Phil Wizard holte in Kalifornien auf Anhieb den Titel – der Grundstein für ein Leben als Prof-Breaker war gelegt.

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Doch dafür musste er sich erst gegen den schwierigsten Gegner überhaupt durchsetzen – seinen eigenen Kopf. Während er andere mit seinen Moves beeindruckte, musste Phil sich immer wieder und wieder selbst davon überzeugen, gut genug für die ganz grosse Bühne zu sein. «Es war ein täglicher Struggle. Ich fragte mich stets, ob ich beim Breaken bleiben sollte», erinnert er sich an seine schwierigste Phase. Der Tanz seines Lebens, leichten Schrittes mitten in einen Zwiespalt. Wizard, doch kein Zauberer?

Er zog wieder bei Mama und Papa ein und verdiente sich als neues Mitglied der Now or Never Crew, mit der er auf Firmenfeiern und Hochzeiten tanzte, ein paar Dollar dazu. Neben den Shows ging er bei kleineren Wettkämpfen an den Start und etablierte sich allmählich als fester Bestandteil von Vancouvers Hip-Hop-Szene. «Damals habe ich viele Kämpfe mit mir selbst ausgefochten, um herauszufnden, was ich tun wollte», sagt er. «Rückblickend glaube ich gar nicht, dass ich der talentierteste Tänzer war. Ich war sicher nicht der Junge, bei dem sich alle einig waren, dass er es schaft. Aber ich habe mich Schritt für Schritt hochgearbeitet, weil ich mit Leidenschaft bei der Sache war.»

Choreografe einer Wandlung

Die harte Arbeit beschränkte sich bei weitem nicht auf genialische Moves und Beats. Viel schwieriger war es für Phil, seine Mentalität umzukrempeln. Denn was ihn jahrelang kleingehalten hatte, war er selbst. «Es gab Competitions, in denen ich unter einem starken Hochstapler-Syndrom litt. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich ein Betrüger und würde anderen etwas vormachen. Selbst wenn ich mal im Halbfnale stand, hatte ich das Gefühl, den Sieg nicht zu verdienen. Und dann stürzte alles auf mich ein.»

Mangelndes Selbstvertrauen und grosser Ehrgeiz verbanden sich zu einer toxischen Mischung, die Phils Leistung und mentale Gesundheit verschlechterte. «Ich musste gewinnen, um weiterzukommen, und irgendwann genug Geld verdienen, um davon leben zu können. Deshalb hatte jedes Event für mich eine riesengrosse Bedeutung. Entsprechend down war ich, wenn ich verlor. Aber auch wenn ich gewann, machte ich mir selbst das Leben schwer. Dann hatte ich eben dieses Gefühl, nicht meine beste Leistung abgerufen zu haben.» Ein emotionaler Eiertanz.

Battle gewinnen – kein Problem. Next Step:

auch sich selbst bezwingen.

Wizard erkannte, dass er in sämtlichen Belangen lockerer werden musste. Er ging in sich und lernte, eine gesunde Distanz zum Wettkampf zu bewahren, anstatt ständig zu grübeln. «Es ging darum, Erwartungen zu vergessen – die eigenen und jene von aussen – und den Moment zu geniessen», erklärt er die Choreografe seiner Wandlung. «Ich meditiere nicht, aber ich versuche schon, den Moment bewusst wahrzunehmen, präsent zu sein und mit einer positiven Einstellung in jeden Wettkampf zu gehen. Ich habe lange gebraucht, um das zu verinnerlichen. Das Hochstapler-Syndrom kommt und geht, auch heute noch. Aber meine Lebensphilosophie ist, dass ich eben nicht alles kontrollieren kann. Ich versuche jetzt, mir in den Wettkämpfen mehr Freiheiten zu nehmen.»

Vancouver chillt, die Welt bebt Allein im Jahr 2023 hat er vier Goldmedaillen auf dem Circuit der Weltelite ertanzt. Die fndet rund um den Globus statt, in Südkorea zum Beispiel, Brasilien, Portugal oder England. Phil konnte in diesem Jahr kaum länger als eine Woche in seiner Heimat verbringen. Wenn er es nach Vancouver schaft, reduziert er seine sozialen Kontakte deshalb auf ein Minimum. «Das ist meine Zeit zum Abschalten, Chillen und Schlafen», sagt er. «Zu Hause bin ich kein besonders lustiger Mensch. Die aufregenden Sachen mache ich lieber unterwegs.»

Denn das hier ist Paris, und am nächsten Tag machen sich Wizard und eine kleine kanadische Clique auf den Weg zum Cent Quatre, einem ehemaligen Beerdigungsinstitut aus dem 19. Jahrhundert. Heute ist die frühere «Fabrik der Trauer», ein Zentrum für zeitgenössische Kunst: eine der Locations für die BC One World Finals.

Die Luft ist zum Schneiden dick, die Atmosphäre ist, und das ist wohl der grösste Unterschied zu früher, an diesem Abend so richtig lebendig. Hunderte Menschen strömen ins Studio, in Erwartung, dass vor

Moving On Up

Das Red Bull BC One World

Final 2023 in Paris

1 Phil Wizard im Achtelfinale gegen B-Boy Amaro

2 Die Jury entscheidet mit vier zu eins für Wizard.

3, 4 Wizards Performance im Halbfinale

5 Seine Freude über den Einzug ins Finale

6 Ankündigung des Finales: Wizard gegen Hong 10

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ihren Augen Breaking-Geschichte geschrieben wird. Auch ein Vertreter von Guinness World Records ist vor Ort, zu erkennen am förmlichen Outft.

Ein B-Boy nach dem anderen tritt an, um einen «Double Airfare» zu meistern –eine spektakuläre Figur, bei der die Breaker ihr ganzes Gewicht auf eine Hand verlagern, sich zu einer Ganzkörperdrehung in die Luft katapultieren und dann auf der anderen Hand landen. «Ein übermenschlicher Kraftakt, den noch niemand auf der Welt bei einer ofziellen Veranstaltung gezeigt hat», überschlägt sich der Moderator. Darf Mister Guinness schon den Notizblock zücken?

Als Erster betritt Monkey King aus Taiwan die Matte, um die sich ein Kreis aus Zuschauern versammelt hat. Er schraubt sich wie ein Korkenzieher hinauf – aber statt eines Weltrekords wird er letztendlich nur einen gebrochenen Finger verbuchen.

Zwischen Leistung und Lifestyle

Wizard ist nur hier, um die Cypher zu beobachten, einen Bewerb, bei dem BreakerFormationen nacheinander antreten und improvisieren, bis die Sneakers rauchen. Auf den Plattentellern der DJs drehen sich Old-School-Scheiben, zu deren Klängen die Breaker ihre Körper rhythmisch verformen. In diesem Kosmos, mitten in der Community, wirkt Phil völlig entspannt. Hier ist er ein Celebrity. Begeistert springt er von seinem Platz auf und zückt sein Handy, um besondere Moves festzuhalten. Wenn er das Ergebnis danach auf Social Media postet, verfasst er Lobeshymnen auf die Konkurrenz.

Ja, die Breaker und Hip-Hopper sind eine solidarische, eng verbundene Gemeinschaft. Doch wenn es darum geht, dass Breaking in diesem Jahr eine olympische Disziplin sein wird, scheiden sich die Geister. Puristen fürchten, dass sich Brea-

king, ursprünglich kreatives Ventil für die marginalisierte migrantische Jugend New Yorks, von seinen subkulturellen Wurzeln entfernt. Wizard dagegen betrachtet die Zeitenwende überwiegend positiv. «Natürlich wird sich so einiges ändern, und das macht viele nervös. Die Atmosphäre ist jetzt schon wettbewerbsorientierter, die Veranstaltungen werden ernster», sagt er. «Sicher steht jetzt der Sport im Vordergrund, aber es gibt dahinter immer noch eine Kultur. Die Underground-Szene wird es immer geben – man kann immer noch Jams veranstalten, und die Leute werden kommen.»

Denn wie für viele andere ist Breaking auch für Wizard in erster Linie Kunst, und dennoch: «Ich trainiere 20 bis 25 Stunden pro Woche, wenn ich zu Hause bin», sagt er. «Ich gehöre zur jüngeren Generation, die sich mehr um ihren Körper kümmert, um länger durchzuhalten zu können.»

Breaking hat seine Identität verändert. Aber auch Wizard gesteht, dass er innerlich zwischen den Stühlen steht, seit er 2022

Mitglied der Red Bull BC One All Stars wurde – und damit ein ganz grosses Ziel erreicht hatte: «Klar, ich will BC One oder die Olympischen Spiele gewinnen, das wäre natürlich grossartig», sagt er. Doch nach all seinen Siegen im Vorjahr fel er wieder auf den Dancefoor der Tatsachen zurück. «Ich hatte das Gefühl, dass ich karrieremässig fast alles erreicht hatte, was ich wollte», sagt er. Hatte sich der Magier noch vor dem Hauptgang satt gesiegt? Denn auf einmal schlich sich da – erst sanft, dann fast schon

Und da war sie wieder, diese bohrendste aller Fragen: Was kommt als Nächstes?

bohrend – wieder diese eine Frage ein: «Und was kommt als Nächstes?» Nicht an Titeln, an Emotionen.

Die Antwort fand Phil Wizard in seiner neuen Mentalität. Ehrgeizige Ziele, Pläne und Strategien waren gestern, nun konzentriert er sich auf Ausdruck und Kreativität. «In Wettkämpfen bin ich auf einem hohen Niveau, aber künstlerisch bin ich noch lange nicht am Ende», sagt er. «Wenn ich mich ansehe, sehe ich Mängel und Blockaden. Jetzt geht es darum, meine Entwicklung voranzutreiben, einen Sinn für Freiheit zu entfalten und neue Moves zu fnden. Es gibt noch so viel zu tun.» Und diese Selbstkritik ist keine Koketterie. Denn Phil will den Flow geniessen und mit einem guten Gefühl aus jeder Runde hervorgehen. «Das ist eigentlich unmöglich», gibt er lachend zu, «aber genau das motiviert mich.»

Der stille Sieg des Zweiten

Doch jetzt ist Showtime, und die Motivation wächst wie von selbst: Red Bull BC One World Final – und zwar das Finale des Finales: Wizard steht im Scheinwerferlicht von Roland Garros, wo jedes Jahr die French Open der besten Tennisspieler stattfnden, um hier seine veränderten Ansprüche erstmals auf die Probe zu stellen. Nach einem intensiven, vier Stunden dauernden Wettbewerb, in dem 16 B-Boys und 16 B-Girls gegeneinander antreten, hat er es in die allerletzte Runde geschaft und trift dort auf seinen alten Freund Hong 10: einen südkoreanischen B-Boy, der für seine enorme Ausdauer bekannt ist.

Head Spins, Freeze-Posen und die präzise Fussarbeit sind spektakulär genug. Aber noch beeindruckender ist der Spass, mit dem Phil bei der Sache ist. Bei guten Moves applaudiert er seinem Kontrahenten, umarmt ihn sogar zwischen den Runden. Als Hong 10 letztendlich zum Sieger erklärt wird, freut sich Wizard sichtlich mit ihm. «Wir hatten von Anfang an vereinbart: ‹Wir trefen uns im Finale › », sagt er. «Ich wollte einfach Spass beim Battle haben. Vor allem wollte ich aber zeigen, dass es auch auf der grössten Bühne der Welt einfach nur um die Liebe zum Breaken geht.»

Hong 10 gewinnt am Ende den Titel, aber Wizard hat erreicht, was er einst für unmöglich hielt: loszulassen und den Job zu geniessen. «Früher fanden der Wettkampf in mir selber statt, aber das passiert mir nicht mehr», sagt er. Diesmal ist Phil Wizard Zweiter geworden und hat doch gewonnen.

Langsam erlöschen die Lichter von Roland Garros. Drinnen düster, draussen düster – nur einer, der weiterhin brennt.

Instagram: @philkwizard

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Phils Bestform Wer alle Erwartungen abstreift, ist frei dafür, den Moment zu geniessen.

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DAS WASSER UND DER WILLE

Im Element Bastien Murith im Fitnesspark Hallenbad Oberhofen. Das Unfall-Datum ist als Tattoo verewigt. TEXT CHRISTOF GERTSCH FOTOS PETER RIGAUD

Ungebrochen

Bastien frühmorgens im Hallenbad in Oberhofen. Mit der Arbeit bei SwissSki bleibt er auch seinem «alten» Sport treu.

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2018 galt Bastien Murith als eine der grössten Skicross-Hofnungen der Schweiz. Nun ist sein Ziel die Teilnahme an den Paralympics. Als Schwimmer. Dazwischen liegen ein tragischer Freizeitunfall und der unbeugsame Wille, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

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Optimist

Mit viel Humor und Hartnäckigkeit begeht Bastien seinen sportzentrierten Alltag.

Das Letzte, an das sich Bastien Murith erinnert, ist das Dessert. Eine Pannacotta. Alles, was in den Stunden danach geschah, musste er sich erzählen lassen. In seinem Kopf herrschte Leere. An einem heissen Julimittag 2018 feierte Bastien, damals 23 Jahre alt, mit seinem Praktikumsverantwortlichen das Ende seiner Ausbildung im Tourismusbüro des Walliser Städtchens Siders. Er war einer der vielversprechendsten Skicrosser der Schweiz, hatte die Berufsmatura von der Sportschule Brig in der Tasche, in wenigen Tagen sollte die Vorbereitung auf die Wintersaison beginnen. Er hatte Lust auf eine Abkühlung im Lac de Géronde nicht weit von dem Restaurant. Schon viele Male war er dort baden gegangen.

Ob er an diesem Tag gesprungen ist oder ob er vielleicht gestolpert und dann hineingefallen ist oder ob etwas ganz anderes geschehen ist – das ist bis heute unklar. Niemand hat gesehen, wie er ins Wasser gelangte. Erst als er sich langsam ans Ufer zurückkämpfte, wurden einige Kollegen, die sich zufällig am Seeufer aufhielten, auf ihn aufmerksam. Zuerst dachten sie, Bastien albere herum. Es hätte zu ihm gepasst. Dann sahen sie die Verzweiflung in seinem Blick und halfen ihm raus.

Bastien hatte nie das Bewusstsein verloren. Dass er sich aus eigener Kraft über Wasser halten konnte, bis er entdeckt wurde, grenzt trotzdem an ein Wunder. Die Verletzungen, die man später im Spital feststellte, deuteten darauf hin, dass er mit dem Kopf kerzengerade auf etwas Festes gestossen war. Dabei hatte er sich den untersten Halswirbel gebrochen. Das Rückenmark war teilweise durchtrennt. Er war sofort brustabwärts paralysiert, nur die Arme konnte er noch bewegen. «Wäre ich nicht so ft gewesen», sagt Bastien Murith heute, «wäre ich wahrscheinlich ertrunken.»

Neubeginn ohne Vorwarnung

Noch am gleichen Abend wurde er operiert, der Eingrif dauerte bis tief in die Nacht. Das Gespür kehrte zurück, ausser Wärme und Kälte kann Bastien heute überall an seinem Körper alles empfnden. Die Lähmung aber blieb. Im medizinischen Fachjargon wird das, was ihm widerfahren ist, als Tetraplegie bezeichnet und bedeutet, dass sowohl die oberen als auch die unteren Extremitäten betrofen sind, je nach Verletzung in unterschiedlichem Mass. Im Fall von Bastien sind die Beine komplett gelähmt, ebenso der Rumpf­ und Hüftbereich. Die Arme kann er, nach anfänglichen feinmotorischen Schwierigkeiten in den Händen, wieder beinahe uneingeschränkt bewegen.

Wenige Tage nach dem Unfall – er war gerade von der Intensiv­ auf die Normalstation verlegt worden – informierte er seine Kolleginnen und Kollegen vom Skicross­Nationalteam via WhatsApp. Am nächsten Morgen stand in aller Früh Ryan Regez in der Tür zu seinem Zimmer, 192 Zentimeter gross und 92 Kilo schwer, und weinte. Ryan, vier Jahre später in Peking Skicross­Olympiasieger, war einer von Bastiens besten Freunden und in den Trainingslagern häufg sein Zimmerpartner. Er hatte den ersten Zug aus Interlaken genommen, um bei ihm zu sein.

«Wäre ich nicht so fit gewesen, wäre ich wahrscheinlich ertrunken.»
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«Entweder du gehst jetzt. Oder du hörst auf zu weinen.»

Bastien weiss noch, wie er sich wunderte, dass man Ryan um diese Uhrzeit zu ihm gelassen hatte (später erklärte er es sich so, dass sich Ryan wahrscheinlich bei gar niemandem angemeldet hatte und einfach ins Spital marschiert war). Er freute sich über den Besuch, aber als er die Tränen in Ryans Augen sah, sagte er: «Du hast jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder du gehst. Oder du hörst auf zu weinen, und wir verbringen zusammen eine gute Zeit.»

Ryan Regez erinnert sich noch gut an den Moment. «Ich war völlig durch den Wind», sagt er. «Ich war traurig und dachte, dass das alles nicht sein darf. Es tat mir so leid für Bastien. Und dann war aber er es, der mich aufmunterte. Er war der Starke. Hätte es nicht umgekehrt sein sollen?»

Gutes Netzwerk

In den sechs Jahren, die seither verstrichen sind, ist es vielen Menschen, die mit Bastien zu tun hatten, so ergangen. Zum Beispiel Anouk Vergé-Dépré, Beachvolleyballerin und OlympiaBronzemedaillengewinnerin. Sie lernte Bastien zwei Jahre nach seinem Unfall in einem Gym in Bern kennen. Er hatte einen Bürojob beim Verband Swiss Ski angenommen, wo er im Ausbildungsmanagement arbeitet, und war gerade erst in die Stadt gezogen. Er kannte noch nicht viele Leute, fand aber mit allen immer gleich ins Gespräch. Auch mit Anouk, die ihn zunächst vor allem für seine Ofenheit bewunderte. «Du kannst mich alles fragen», sagte er zu ihr. Sie staunte, mit welcher Leichtigkeit es ihm gelang, den Menschen, die ihm und seinem Rollstuhl begegneten, die Hemmungen zu nehmen. Immer wieder war er es, der Barrieren abbaute. Wo es doch eigentlich die Gesellschaft sein müsste, die das für ihn tut.

Als sich Anouks Beachvolleyballpartnerin Joana Mäder ein Jahr nach dem Gewinn der Olympiamedaille schwer an der Schulter verletzte und lange unklar war, ob sie je in den Sand zurückkehren würde, war es in gewisser Weise auch Bastien, der Anouk dabei half, mit

der unsicheren sportlichen Zukunft klarzukommen. Sie sagt: «Seine Geschichte bestärkte mich in etwas, was ich tief in mir drin wahrscheinlich schon lange glaubte, bis dahin aber nicht in dieser Klarheit formulieren konnte. Er war der Beweis, dass man besser nicht auf andere Menschen hört, wenn es darum geht, was möglich ist und was nicht.»

Ähnlich erging es etwas später Ivo Staub, einem früheren Spitzenschwimmer aus Bern, der inzwischen als Trainer arbeitete. Als er Bastien zum ersten Mal schwimmen sah, dachte er, Bastien habe bereits jahrelang trainiert. In Wahrheit hatte er mit Schwimmen gerade erst begonnen.

Mit Schwimmen?

Therapie Leistungssport

Ja. Bastien Murith, geboren 1995, aufgewachsen in Bulle bei Fribourg, einst ein vielversprechendes Skicross-Talent – dieser Bastien Murith ist jetzt Schwimmer. Er war schon immer einer, der alles ausprobiert, als Kind auch Geräteturnen, er spielte Volleyball, Tennis, Fussball und Badminton, versuchte sich in den ersten Jahren nach dem Unfall nicht nur wieder im Schnee, sondern auch als Rollstuhlbasketballer und Handbiker. Alles, was mit Bewegung zu tun hat, gefel ihm; etwas weniger vielleicht nur die Mannschaftssportarten, weil er nicht so gern abhängig von der Leistung anderer ist – umgekehrt aber auch nicht möchte, dass andere von ihm abhängig sind.

Fürs Schwimmen entschied er sich am Ende recht nüchtern: Es ist eine Sportart, die sich erstens neben der Arbeit und zweitens völlig selbständig ausüben lässt, weil er niemanden braucht, der ihn begleitet. Und drittens ist es eine Sportart, die er vorher nicht wirklich kannte – und ihn deshalb nicht ständig daran erinnert, zu welchen Leistungen er vor dem Unfall imstande war.

Dass er, als er mit Schwimmen anfng, weiter von der Weltspitze weg war, als er es wahrscheinlich in den meisten anderen Sportarten gewesen wäre, machte ihm nichts aus – oder trieb ihn nur zusätzlich an. Noch immer fehlt ihm viel, um sich für Weltmeisterschaften oder

Zielgerichtet

Die Paralympics 2028 sind

Bastiens Ziel auf internationaler Sportbühne.

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Neue Welt

Im Wasser hat

Bastien eine neue Freiheit gefunden –für seine sportlichen Ambitionen

«Ich brauche den Sport. Und ich muss nach vorne schauen.»
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sogar die Paralympics zu qualifzieren, doch im letzten Jahr hat er sich über 50 Meter um 15 Sekunden verbessert, was auf diese kurze Distanz eine fast unglaublich grosse Leistung ist. Die Paralympics 2028 in Los Angeles – die sind das Ziel von Bastien Murith.

«Ich wüsste nicht, was dagegenspräche», sagt Ivo Staub, der frühere Spitzenschwimmer, der inzwischen regelmässig Zeuge von Bastiens Energie und Zuversicht wird. Seit einem halben Jahr trainiert Bastien mehrmals wöchentlich mit ihm, am Wochenende zudem bei Martin Salmingkeit und Amin Jaza, den Trainern des paralympischen Schwimm ­ Nationalteams. Nächsten Winter macht Bastien die Spitzensport­RS.

Er sagt: «Ich brauche den Sport, und ich brauche ein Ziel.» Sport war sein Lebensretter beim Unfall, und Sport ist sein Lebensretter nun auch im übertragenen Sinn. Es war der Wunsch, wieder Sport zu treiben, der ihn in der Reha so hart arbeiten liess. 144 Tage nach dem Unfall war er zurück im Schnee. Und diese extremen körperlichen Fortschritte ermöglichen es ihm, wieder ein selbstbestimmtes Leben zu führen: Er lebt allein, erledigt alltägliche Dinge ohne Unterstützung.

Das ist erstaunlich, denn dass er nicht mehr gehen kann, ist bloss die ofensichtlichste von vielen Einschränkungen. «Viele denken, wenn ich nur wieder gehen könnte, wäre alles gut», sagt Bastien. «Aber das stimmt nicht.» Die Tetraplegie umfasst auch die Harnblase und den Darm, weder das Wasserlassen noch den Stuhlgang kann Bastien kontrollieren. Jeden Morgen verbringt er anderthalb Stunden auf der Toilette. Ist er mit Kollegen im Ausgang, muss er sich vor jedem Bier fragen, ob die Blase das noch verträgt – oder ob er sich vielleicht besser schon einmal nach einem (rollstuhlgängigen) WC umschaut.

Immer nach vorne gerichtet Wenn man sich etwas länger mit Bastien Murith unterhält, fällt auf, dass er sich fast nie die Frage nach dem Warum zu stellen scheint. Warum mochte er einst das Skifahren so sehr? Warum gefällt ihm jetzt das Schwimmen? Vor allem aber: Warum bloss ist ihm dieser Unfall widerfahren? Mit solchen Fragen beschäftigt er sich nicht. Er ist eher ein Macher als einer, der innehält. Er fordert sich lieber heraus, als dass er etwas endlos hinterfragt. Es ist, wie es ist.

Eine Frage aber braucht doch Klärung, sie taucht gegen Ende des Gesprächs langsam auf, als die Geschichte schon fast fertig erzählt ist: Woher zum Teufel nimmt Bastien diese Kraft, ständig das Positive zu sehen? Hatte er seit dem

WINGS FOR LIFE WORLD RUN

Im Sommer 2018 hatte Bastien Murith seinen Unfall. Weniger als ein Jahr später nahm er zum ersten Mal am Wings for Life World Run teil. Die Veranstaltung bedeutet ihm viel, weil alle mitmachen können. «Es ist wirklich egal, ob man rennt oder rollt. Manchmal geht man derart in der Gemeinschaft oder im Erlebnis auf, dass man seine Behinderung einen Moment lang vergisst. Besonders schön fnde ich, dass es keine Ziellinie gibt. Das ist wie im richtigen Leben: Da weiss man auch nicht, wann man ins Ziel kommt –und trotzdem gibt man sein Bestes.»

Im Mai startet Bastien beim App-Run in Lausanne – sei dabei!

Info und Anmeldung: einfach den QR-Code scannen.

Unfall wirklich nie dunkle Momente? Oder hat er sie einfach verdrängt (was vermutlich problematisch wäre)? Oder mag er sie einfach nicht erzählen (was völlig okay wäre)?

«Hey!», antwortet er vergnügt. Und dann sehr ernst: «Natürlich hat mich das fertiggemacht. Als ich am Morgen nach der OP auf der Intensivstation aufwachte, weinte ich drei Tage lang durch. Meine Eltern, meine damalige Freundin, Kolleginnen und Kollegen – sie alle kamen, sassen bei mir am Bett. Es gab nicht viel zu sagen. Sie sassen da. Ich weinte. Aber irgendwann sagte ich mir: Es ist jetzt so. Ich kann daran nichts ändern. Zurückschauen bringt nichts. Ich muss nach vorne schauen.» Und das ist es, was Bastien Murith seither tut: nach vorne schauen.

Was nicht bedeutet, dass er keine dunklen Momente mehr hätte. «Nur nicht so, wie ihr vielleicht denkt», sagt er, jetzt wieder lachend. «Wenn ich mal traurig bin oder schlechte Laune habe, dann nicht, weil ich im Rollstuhl sitze. Sondern aus den gleichen Gründen wie ihr. Weil es mich anscheisst, zur Arbeit zu gehen. Weil ein Wettkampf nicht wie erwartet verläuft. Oder weil ich am Valentinstag keine Freundin habe.»

Instagram: @murithbastien

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GÖNN DIR NATUR

Sonnenlicht, Höhenluft, Eiswasser: Die Umwelt birgt mächtige Tools, die uns gesünder und leistungsfähiger machen. Top-Biohacker Andreas Breitfeld gibt zehn Tipps, wie du sie beim nächsten Outdoor-Abenteuer nutzen kannst.

Raus mit dir! Und zwar schnell. Denn Wälder, Berge, Wasserfälle können wahre Wunder wirken –mal ganz rational betrachtet.

TEXT ANDREAS BREITFELD, STEFAN WAGNER ILLUSTRATION BRATISLAV MILENKOVIĆ
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CAMPEN

TRAININGSLAGER FÜR DEN SCHLAF

Im Freien zu übernachten ist der Goldstandard, um unseren aus dem Gleichgewicht gekommenen zirkadianen Rhythmus in Ordnung zu bringen. Was so viel heisst wie: den Rhythmus der Natur mit Sonnenauf­ und ­untergang zu deinem natürlichen Schlaf­wach­Rhythmus zu machen. Aus meiner Erfahrung wirkt nichts so gut gegen Schlafprobleme wie zwei, drei Nächte draussen, ohne künstliche Lichtquellen, ohne störende elektromagnetische Felder. Also Zelt und Schlafsack schnappen – und den tiefsten Schlaf deines Lebens geniessen. Wer möchte, kann die Efekte mit einem Schlaftracker wie dem Ultrahuman messen. Aber glaube mir, du wirst die Efekte auch so spüren. Bonus: Wir schlafen sehr viel früher ein, und weil wir beim Schlaf vor 23 Uhr die grössten Mengen des Wachstumshormons ausschütten, machen wir das Training des Vortags noch wirksamer.

Du willst gelassener, kreativer, konzentrierter werden? Schau in die Ferne!

BIRKENSAFT

JUNGBRUNNEN, FRISCH GEZAPFT

Du kennst vielleicht Xylit, Birkenzucker, einen ziemlich beliebten alternativen Süssstof. Sein Name ist Programm, denn er wird aus dem Saft der Birke gewonnen. Im Frühjahr ist frisch gezapfter Birkensaft eine spannende Naturmedizin und mit jeder Menge Mangan, Kalium, Phosphor, Magnesium, Zink, Eisen und Natrium sehr elektrolytreich. Das wirkt nicht nur verjüngend und antientzündlich, sondern es beschleunigt nach dem Sport auch die Regeneration. Du kannst den Saft selbst gewinnen: Bohr mit einem kleinen Handbohrer ein etwa kleinfngerdickes Loch in den Stamm einer Birke, etwa drei Zentimeter tief, eine Unterarmlänge vom Boden entfernt. Steck einen Strohhalm aus Metall oder Glas rein, und stell ein Glas unter. Bitte nicht mehr als drei Liter pro Tag zapfen, wir wollen die Birke ja nicht ihres Lebenssafts berauben.

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HÖHE

DÜNNE LUFT, FETTER EFFEKT

Wenn der Sauerstoffgehalt natürlicher, reiner Atemluft sinkt, stressen wir unseren Körper punktuell – und die Reaktion unseres Körpers stärkt unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit dauerhaft. Den Efekt des Höhentrainings verdanken wir vor allem der zusätzlichen Bildung roter Blutkörperchen, die uns dann auch nach der Rückkehr ins Tal mit einer Extraportion Sauerstof versorgen, Stichwort VO₂ max, also die maximale Sauerstofaufnahmefähigkeit unseres Körpers. Je mehr Sauerstof wir an unsere roten Blutkörperchen binden können, desto leistungsfähiger sind wir.

Wenn du dir eine Portion Höhentraining gönnen möchtest (und mit Höhentraining ist jede Art des Ausdauertrainings in der Höhe gemeint): Die Efekte kannst du ab etwa 1500, besser ab 2000 Metern erwarten, und du erreichst mit weniger Trainingsintensität eine höhere Trainingswirkung.

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Traumhaftes Workout: Wer bei Sonnenuntergang ins Bett geht, trainiert den Körper im Schlaf.

Das ist der Gipfel! Läufe auf über 1500 Metern erhöhen den Trainingseffekt. Gewichte im Rucksack erst recht.

ERDEN

ICH LAD MICH AUF

Unter «Erden» verstehen wir hier die Herstellung einer direkten Verbindung zwischen deinem Körper (= über die Haut) und dem Planeten (= über die Erde). Wir Menschen sind elektrisch geladen (geniales Buch: «The Body Electric» von Robert Becker), die Erde ist elektrisch geladen. Wann immer Mensch und Planet in Kontakt kommen, fiessen Elektronen hin und her. Wieso uns das Erden so guttut? Die Erde ist negativ geladen, und diese negativen Elektronen entschärfen in unserem Körper freie Radikale. Damit helfen sie uns, Entzündungen im Grif zu halten, und verbessern unsere Erholungswerte. Viele spüren die Wirkung, wenn sie barfuss auf natürlichem Boden gehen (am besten in einer feuchten Wiese), in einem natürlichen Gewässer planschen (am besten einem salzhaltigen, da fiessen die Elektronen noch reichlicher) oder sogar einen Baum umarmen (es muss ja niemand dabei zusehen).

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IN DIE FERNE BLICKEN

DENN DIE RUHE LIEGT SO NAH

In die Ferne blicken soll uns beruhigen, kreativer machen, den Fokus stärken. Wieso denn das? Die Erklärung ist relativ einfach: Wenn unsere Vorfahren in die Weite blickten und keine Bedrohungen zu sehen waren, konnten sie sich sicher fühlen. Diese Beruhigung unseres Nervensystems macht Ressourcen frei für tiefere Konzentration auf anstehende Arbeiten (klar, weil man ja in absehbarer Zeit weder kämpfen noch füchten muss). Spannend in diesem Zusammenhang: Nach dem sogenannten Kathedralenefekt können wir in hohen, ofenen Räumen – oder gar im Freien – kreativer denken als in engen, kleinen Räumen.

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Bei dir piept’s wohl! Vogelzwitschern verbessert unsere Erholung.

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GEWÄSSER

KALTES, KLARES GLÜCK

Wer Biohacking sagt, sagt auch Eisbaden. Das bedeutet: Jedes Gewässer ist zu jeder Jahreszeit eine Einladung, sich der Kleidung zu entledigen. Faustregel: Jede Wassertemperatur unter 18 Grad bringt gesundheitliche Benefts wie zum Beispiel eine Senkung der Entzündungswerte, eine verstärkte Ausschüttung von Hormonen wie Dopamin und Adrenalin, eine verbesserte Durch­

blutung. Ideale Aufenthaltsdauer ist eine Minute pro Grad Celsius. Fliesst das Wasser, wirkt es kälter, hier kannst du gnädiger mit dir sein. Noch am Beginn seiner Erforschung: Das fein verdunstende Wasser bei Wasserfällen bildet unter Zuhilfenahme von Sonnenlicht sogenanntes EZ­Wasser. Das ist ein zauberhafter Aggregatzustand des Wassers, in dem unsere Mitochondrien schwimmen, die für die korrekte Faltung unserer körpereigenen Proteine zuständig sind und so weiter. Also: Ab zum nächsten Wasserfall und tief einatmen!

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Gute Nacht! Wer draussen übernachtet, passt seinen Schlafwach-Rhythmus dem Sonnenaufund -untergang an. Kaum etwas hilft besser gegen Schlafprobleme.

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RUCKING

ICH MACH’S MIR SCHWER

Beim Spazieren oder beim Wandern wirst du mich selten ohne Rucksack sehen. Das liegt daran, dass ich jeden Spaziergang oder jede gemütliche Wanderung durch zusätzliche Gewichtsbelastung in ein Zone­2Cardio­Workout verwandle. Ich verwende dafür einen speziellen Rucksack mit Vorrichtungen für Gewichtsscheiben, und ich schnalle mir gerne zwischen zehn und fünfzehn Kilogramm auf den Rücken, an besonders motivierten Tagen bis zu zwanzig. Ich halte «Rucking» – ja, auch das Aufladen von Extragewicht hat mittlerweile einen Fachbegrif – für die genialste Form, einem Sonntagsausfug mit der Familie einen sportlichen Zusatznutzen zu geben. Es reicht auch, wenn du dir den gesamten Proviant und den gesamten Flüssigkeitsvorrat der Familie in den Rucksack packst.

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WALD

DAS RECHARGE-PARADIES

Hätten sich Wissenschaftler den perfekten Erholungsraum ausgedacht, es hätte ihnen nichts Besseres einfallen können als ein Wald. Allein der Aufenthalt in einem Wald tankt unsere Batterien auf – und zwar über alle Sinne. Die grüne Farbe beruhigt unser Nervensystem, das Barfussgehen oder Bäume­Umarmen (siehe Hack Nr. 4) senkt Entzündungen, Vogelgezwitscher aktiviert unseren Vagusnerv (hat die Max­PlanckGesellschaft herausgefunden!), was die Regeneration und Erholung verbessert und die Herzratenvariabilität erhöht. Die von den Bäumen kommenden Terpene in der Atemluft stärken unser Immunsystem. Terpene sind UV­empfndlich, das bedeutet: Je dunkler der Wald, desto reicher ist die Atemluft an diesen wertvollen Duftstofen.

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WILDKRÄUTER GESUNDHEIT ZUM PFLÜCKEN

Wildkräuter sind das medizinisch Wirkungsvollste, was wir als Nahrung zu uns nehmen können. Und sie sind ganzjährig kostenlos überall verfügbar. Man muss sich nur ein bisschen auskennen, damit die medizinische Wirkung nicht nach hinten losgeht. Ich mag es gern einfach, und mich interessiert besonders das Thema der Anregung der Entgiftungsorgane durch sekundäre Pfanzenstofe, die in besonders hohem Masse in Wildkräutern enthalten sind: Ich kaue beim Spazieren an Sauerampfer, Schafgarbe oder Löwenzahn, und Giersch fndet sich ohnehin in jedem Garten.

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GEMEINSAMKEIT

ZURÜCK ZUR HERDE

Wieso es uns noch mehr nützt, gemeinsam mit Freunden auf den Berg zu wandern, rund ums Lagerfeuer zu sitzen, wieso der Mountainbike­Ausfug mit dem Buddy wertvoller ist als der, den man allein absolviert? Das wissen wir dank einer Studie, die seit dem Jahr 1938 an der Harvard­Universität läuft. Sie startete mit einer Frage: Welche Faktoren sind tatsächlich für Langlebigkeit und Lebensglück verantwortlich? Die Antworten sind atemberaubend: Wir werden vor allem dann glücklicher und gesünder älter, wenn wir in einer glücklichen Partnerschaft leben und uns in Freundschaften eingebunden fühlen.

Gemischte Hacks: In «Ab jetzt Biohacking» (ecowing) geben Andreas Breitfeld und Stefan Wagner 112 Tipps.

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UFO AUF STEUERBORD!

Sieht aus wie frisch aus dem All gelandet – und fiegt unter Strom übers Wasser: Die neue Boot-Rennserie E1 testet das «RaceBird», ihren progressiven Aqua-Boliden. Und castet unter Spitzensportlern die neuen Piloten. Im Bootcamp – endlich einem, das den Namen verdient!

TEXT TRISTAN KENNEDY FOTOS SHAMIL TANNA
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Starker Strom Ein Testlauf auf dem Lago Maggiore – das RaceBird nähert sich als erstes Elektroboot der 50-Knoten-Grenze. GEORGE MONK

Aus-Flug

Und mit einem Mal hat das Wort einen Beigeschmack von Wahrheit: Das RaceBird schwebt über die Wasseroberfläche.

unächst sprang er mit seinem Rad aus einem Hubschrauber auf das 321 Meter hohe Gebäude des Hotels Burj al Arab in Dubai. Dann vollführte er Vorwärtssalti in einem eigens gestalteten Skatepark, der unter einem hochschwebenden Heissluftballon baumelte.

Jetzt aber steht dieser Kriss Kyle – mit seinen 31 Jahren einer der besten BMX-Freestyler seiner Generation – in einem Freizeitzentrum barfuss auf beigen Fliesen, am Rande eines Schwimmbeckens, und hat Angst, richtig grosse Angst. Gross genug, um es ofen zuzugeben. «Ich kann ja nicht einmal besonders gut schwimmen», sagt er leise. Und leicht bibbernd.

Was ist es nur, das dem Schotten, der doch immerhin aus den rauen Geflden Bravehearts kommt, so zusetzt? Die massstabsgetreue Glasfaserkopie eines Rennbootcockpits, ein Trainingsgerät, in dem Kyle gleich einen sogenannten «Tunktest» durchführen wird, sprich: simuliertes Kentern. Kopfüber, unter Wasser und mit einem Fünfpunktgurt an seinem Sitz festgeschnallt, wird er nach der Notluftzufuhr schnappen – und dann möglichst ruhig bleiben, während sich das gesamte Cockpit mit Wasser füllt. Was ihm wiederum die Möglichkeit geben wird, die Klappe zu öfnen und zu entkommen. Wenn alles gut geht.

Warum setzt sich jemand wie er, ein tätowierter Vollprof mit Erfahrung und Routine in seinem Sport, dieser Art von Psychofolter aus? Während er noch ein paar Minuten braucht, um sich mental zu pushen, versucht es Powerboating-Trainerin Claire Toohey zu erklären: «Wenn er es nicht schaft, kommt er nicht auf das Boot. So einfach ist das.»

«Das Boot», von dem Toohey spricht, wurde auf den klangvollen Namen «RaceBird» getauft und ist das weltweit erste vollelektrische Rennboot – und

gleichzeitig das erste, das mit Hydrofoils arbeitet: fügelartigen Ausbuchtungen, die das Boot komplett aus dem Wasser heben, wenn es Speed aufnimmt. Erdacht von der norwegischen Yachtdesignerin Sophi Horne, bildet dieses futuristische emissionsfreie Geschoss – halb Boot, halb der X-Wing-Fighter aus «Star Wars» – die Grundlage für die neue Rennserie E1, die das Ziel verfolgt, die Welt des Bootrennsports zu revolutionieren. Und revolutionieren ist e-volutionieren.

Nadal, Perez und Drogba – die Glam-Crew

Die Performance des RaceBird hat der E1, neben ihren ökologischen Vorzügen, einiges an Interesse von Menschen eingebracht, die man nicht mit dem Bootrennsport in Verbindung bringt. Tennismegastar Rafael Nadal, American-Football-Quarterback Tom Brady und die ivorische Fussballlegende Didier Drogba haben sich alle als Teambesitzer angemeldet. Auch Formel-1-Fahrer Sergio Pérez von Red Bull Racing ist an Bord. Sogar Salsa-Schwerenöter Marc Anthony und DJ-Superstar Steve Aoki sind als Teambesitzer mit dabei. «Wenn man zusieht, wie diese elektrischen Powerboote dahinfiegen, einfach in der Luft schweben, dann ist das buchstäblich wie ein direkter Blick in die Zukunf t», schwärmt Aoki.

Fliegender Wechsel

BMX-Freestyler

Kriss Kyle kurz vor seinem ersten Date mit dem Wasserboliden

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GEORGE MONK

Doch nicht nur die hochkarätige Riege der Teambesitzer macht die E1 zu einer einzigartigen Meisterschaft, hinzu kommt das Auswahlverfahren für die Piloten und Pilotinnen: Jedes Team muss einen Mann und eine Frau ins Rennen schicken. Und dafür wurden im Herbst des Vorjahres 44 Sportprofs aus den unterschiedlichsten Disziplinen in eine ganz besondere Trainingsakademie eingeladen, wo sie nun um einen Startplatz rittern. Schwedische Rallyefahrerinnen, kuwaitische Jetski-Champions und sogar ein spanischer Le-Mans-Veteran: Sie alle haben sich an der Trainingsbasis am Lago Maggiore versammelt. Und bisher haben alle den gefürchteten Tunktest bestanden. Bis auf einen.

Kriss Kyle kann den Moment nicht weiter hinauszögern. Also klettert er in die Cockpit-Imitation und schnallt sich an. Schon ein paar Sekunden später ist alles überstanden. Fluchend und triefend lässt er sich auf die Seite fallen, lächelt doch noch, bevor er hinaustapst, um sich umzuziehen. Erst jetzt zeigt ihm Trainerin Toohey die Aufnahme eines früheren Tunktests, bei dem die spanische Motorradmeisterin Laia Sanz sich in ihrem Gurt verhedderte und gerettet werden musste.

Der E1-Zirkus kam erstmals im April 2023 an den Lago Maggiore, als eine Test- und Trainingsbasis am Ostufer in der Marina di Verbella eingerichtet wurde. Und neben all den Freizeitbooten hier in der Marina sieht das RaceBird aus, als wäre er frisch aus dem All gelandet. Auch die angestrebte Lernkurve bei der E1-Trainingsakademie ist steil: Den Kurs, den es innerhalb von nur fünf Tagen zu absolvieren gilt, hat Claire Toohey beinhart durchgetaktet.

Los geht es ganz trocken in einem Klassenzimmer, wo die Prüfl inge grundlegende Fähigkeiten wie Anlegen und Knotenbinden lernen. Anschliessend besteigen sie erst ein Freizeitboot, dann ein leistungsstarkes Rennsportgeschoss namens Puma und schliesslich: das RaceBird. «Unter normalen Umständen würde man nie so einen schnellen Sprung machen», sagt Toohey. «Es ist, als würde man heute den Führerschein machen, morgen in einen Ferrari steigen und übermorgen Formel 1 fahren.»

Nur die zischende Gischt, sonst Stille Doch jetzt steht Kriss Kyle auf einem Holzsteg, zieht sich einen orangefarbenen Jumpsuit über und rückt den weissen Sturzhelm auf seinem Kopf zurecht. Wer nicht genau hinsieht, könnte ihn für Luke Skywalker halten. Die Foils bleiben unter Wasser, als Kyle das Boot erstmals aus der Marina steuert, einem laut tuckernden Hilfsboot hinterher. An dessen Steuer sitzt Lino di Biase, ein grauhaariger Rennbootveteran und Gewinner mehrerer Weltmeisterschaften. Neben ihm analysiert Race Engineer Dean Clark –ähnlich wie in der Formel 1– eine verwirrende Menge an Echtzeitleistungsdaten. Als der Konvoi die Küste hinter sich gelassen hat, drückt Trainerin Mathilda Wiberg den Sprechknopf auf ihrem Headset: «Okay, Kriss, du kannst loslegen.»

Und wie! Das Boot erhebt sich aus dem See und schwebt, der Luftraum zwischen der Rumpfunterseite und der Wasseroberfäche ist sofort sichtbar. Doch anders als bei allen anderen Powerbooten, die je gebaut wurden, fehlt praktisch jegliches Motorengeräusch. Nur die zischende Gischt zerreisst die Stille.

«Mein Job ist klar definiert: Das Ding muss ‹Wow!› werden.»

Volle Deckung

Ein letztes Schutzelement wird fixiert.

Ein Gutteil des Serviceteams hat Formel-1-Erfahrung.

Voll konzentriert

Vicky Piria kommt vom Autorennsport – nun debütiert sie als Testpilotin des RaceBird.

SOPHI HORNE, DESIGNERIN DES RACEBIRD
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«Wir setzten auch intern auf beinharte Konkurrenz.»
MATHILDA WIBERG, POWERBOOT- MEISTERIN

Traditionell fnden Powerboot-Rennen ja auf ofenem Wasser statt, weit weg vom Ufer. Die E1-Boote hingegen können viel küstennäher unterwegs sein, und das, so das Kalkül, zieht auch ein grösseres Publikum an. Bei acht konkurrierenden Teams gehen immer vier Boote jeweils unmittelbar nacheinander ins Rennen, das verspricht ein actiongeladenes Spektakel – und perfektes Lobbying für vollelektrische Wasserfahrzeuge.

Die erste Saison wird aus sieben Rennen bestehen und in legendäre Küstenstädte wie Monte Carlo, Genf und Rotterdam führen. Das grosse Finale steigt dann im November in Hongkong. In Venedig, wo der Wettbewerb im Mai Station macht, hat der Bürgermeister schon versprochen, ausnahmsweise das strikte Geschwindigkeitslimit von 20 km/h aufzuheben. Und all das ist freilich nicht möglich ohne trainierte und rennbereite Pilotinnen und Piloten.

Also zurück zu Kandidat Kriss Kyle. «Man spürt es körperlich, wenn man auf eine Welle trift», japst er nach dem ersten Durchgang. «Es ist die pure Anspannung! Ich habe mich am Steuer festgekrallt. Es hat lange gedauert, bis ich das Boot im Grif hatte –aber wenn man dann eine gute Runde hat, fühlt sich das grossartig an. Es ist genau so, als ob ich mich mit dem Mountainbike in eine enge Kurve legen und die Böschung entlangrasen würde.»

Ein Schnabel, spitz wie eine Nadel

Hochgefühl Geradlinig und martialisch wie eine Rakete – doch im Alltag liebt es das RaceBird eher kurvig.

Rasch wird es schneller. Und heikler. Der Clou bei der Geschwindigkeitsmaximierung besteht darin, dass das RaceBird, etwa beim Wenden, durchgehend auf den Foils fiegt – und das erfordert einen heiklen

Balanceakt mit dem Strompedal: Ist man zu langsam unterwegs, generiert man nicht genug Auftrieb. Steigt man zu fest aufs Pedal, erzeugen die Foils zu viel Auftrieb: Wenn sie nämlich zu nah an die Oberfäche geraten, funktionieren sie nicht mehr, und das Boot plumpst in einem bombastischen Bauchklatscher wieder aufs Wasser.

Schnurgerade auf und ab zu cruisen ist eine Sache, doch sobald Kyle versucht, die Ecken zu nehmen, verliert er das Gleichgewicht. Der Rumpf schmettert zurück auf die Wasseroberfäche und schickt eine riesige Sprühwolke nach oben, das Boot hüpft hoch und runter wie ein fdeler Delfn. Im Hilfsboot sitzt indes Wiberg, die Trainerin, und lacht still in sich hinein. «Ich kann Kriss schimpfen hören, dabei hat er gar nicht auf ‹Sprechen› gedrückt», sagt sie dann.

Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 Knoten (92 km/h) kann das RaceBird mit herkömmlichen Rennbooten in einem geradlinigen Wettrennen nicht mithalten – aber die E1 interessiert sich nicht für gerade Linien, sondern für die Schnörkel. Ihre Stärke liegt in der Manövrierbarkeit und in efzientem Kurvenfahrverhalten – wie Kyle es gerade zu beherrschen versucht. Und darin, dass ein Rennen dadurch dynamischer wird. In Kombination mit dem fast auf null gedimmten Sound ergibt das einen Wasserboliden, der die See- und Meeresfora deutlich weniger stört als übliche Schnellboote und auch Stränden und historischen Gebäuden in Wassernähe kaum zusetzt.

Aber wer steckt hinter dem RaceBird? Die erst 28-jährige norwegische Designerin Sophi Horne und ihr Start-up «Seabird». «Meine ursprüngliche Inspiration waren die Vögel», sagt sie. «Daher kommt die ganze Aerodynamik – da ist der Schnabel des Vogels, spitz wie eine Nadel, und die Flügel als die Foils.»

Im Jänner 2019 stellte Horne ihre Idee Alejandro Agag vor, dem Gründer zweier bestehender E-Automobil-Rennmeisterschaften, der Formel E und der Geländeversion Extreme E: Das ehemalige Mitglied des Europäischen Parlaments, Schwiegersohn des früheren spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar, versammelt in seinem dicken Adressbuch die Grössen aus Sport und Politik. Und nun auch Horne. Einige Monate später meldete er sich bei ihr und bot ihr eine Investition an. Mit Agags Hilfe rekrutierte Horne für ihr junges Start-up Personal, dazu gehörte auch Agags guter Freund Rodi Basso als technischer Leiter. Basso, ausgebildeter Raumfahrt ingenieur, hatte – wie passend – bei der NASA gelernt und – noch passender – in der Formel 1 gearbeitet.

Die E1-Meisterschaft, ein Gemeinschaftsprojekt von Basso als Geschäftsführer, Agag als Vorsitzendem und Horne als führender Gestalterin, war letztendlich Bassos Idee. Vergleichbar mit elektrischen Rennwagen, die die Entwicklung handelsüblicher E-Autos vorantreiben, werde so «die Elektrifzierung der Marinebranche beschleunigt», argumentierte er. «Die einzige Ansage von Alejandro und Rodi lautete: Mach das Ganze ‹Wow!›», sagt Horne und lacht.

Und bald schon wurde der Prototyp von Wow zu Wasser gelassen. In Verbindung mit Bassos Ingenieurkünsten und Agags Status im E-Rennsport erregte er schnell die Aufmerksamkeit der Investoren. Kaum ein Jahr verging, da hatte der PIF, Saudi-Arabiens Fonds

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«Beim Driften hätte es mich fast auf den Kopf gestellt.»
TIMMY HANSEN, TESTPILOT

Timmy Hansen vor seinem Erstversuch mit dem RaceBird. «Ich habe probiert, es wie meinen Rallycross-Wagen zu fahren», sagte er danach. Was für ein Fehler!

für öfentliche Investitionen, bereits einen grossen Anteil an der Meisterschaft erworben. Dem PIF, der bereits hohe Summen in saudische Fussballvereine investiert und Stars wie Cristiano Ronaldo gekauft hat, wird «Sportswashing» vorgeworfen, also viel Geld in Athletik aller Art zu stecken, um von der dürftigen Menschenrechtsbilanz des Königreichs abzulenken. Auch Greenwashing-Vorwürfe wurden erhoben. Professor Carlos Duarte, ein Meeresbiologe, der in Saudi-Arabien arbeitet, nimmt zur Kenntnis, dass da eine gewisse Skepsis an der Umweltbilanz der Serie unvermeidlich ist. Die E1 verteidigt er dennoch uneingeschränkt.

«Wir müssen uns zusammenreissen, um den Klimawandel in den Grif zu kriegen, und das Einzige, was viele von uns eint, ist der Sport», sagt er. Vor der E1 hat er schon mit anderen Sportgremien wie dem Olympischen Komitee Spaniens gearbeitet. Lange Jahre der Erfahrung hätten ihm gezeigt: «Wenn ein Sportheld über den Klimawandel spricht, kommt die Botschaft viel besser an.» Und Agag fügt hinzu: «Rechnet man die Reichweite der Teilnehmenden und der Teambesitzer ein, haben wir bald mehr als eine Milliarde

Follower in den sozialen Medien.» Jetzt muss die E1 nur noch Erfolg haben. Und Mathilda Wiberg, die 20-jährige schwedische Powerboot-Meisterin, hat die Aufgabe, den Kandidatinnen und Kandidaten des Piloten-Castings so richtig auf Steuermann zu bringen und sie mit allem vertraut zu machen, was sie über Rennboote wissen müssen – besonders, da das oft alle bisherigen sportlichen Grenzerfahrungen sprengt.

«Ich habe versucht, damit zu fahren wie mit meinem Rallycross-Wagen», sagt der schwedische ExtremeE-Fahrer Timmy Hansen über seine erste Fahrt im Puma-Übungsboot. «Ich bin mit ordentlicher Aggression in die Ecke reingefahren und habe versucht, ein bisschen zu driften, aber ofenbar war das viel zu viel. Ich hätte mich fast auf den Kopf gestellt.» Als er zum ersten Mal das RaceBird in Betrieb nimmt, schaft es Timmy Hansen nicht, einige dramatische Bauchklatscher zu vermeiden. «Es ist völlig anders als Autofahren und braucht richtig viel Übung», bilanziert er.

Wie mit 200 km/h auf dem holprigen Highway Ja, dieses wundersame Wasserwesen ist schwerer zu fahren, als man ihm ansieht. Und es fühlt sich auch viel schneller an, als es wirklich ist. «Stell dir vor, du fährst mit einem normalen Auto 200 km/h auf einer holprigen Autobahn – genauso fühlt sich das an bei 40 Knoten. Und wenn man runterknallt, ist das ziemlich heftig», sagt Hansen. Dennoch: Schon bald hat er den Dreh raus, und bis zur letzten Runde des Tages ist er bei «Torque Map 5» angelangt, der schnellsten Einstellung des RaceBird.

Die Trainingstage hier am Lago Maggiore haben ihren eigenen, natürlichen Rhythmus. Er ist dadurch vorgegeben, dass das RaceBird nach jeder Stunde auf dem Wasser neu aufgeladen werden muss. Zwischen den Durchgängen haben die Prüflinge Zeit, sich über das Erlebte auszutauschen. «Du warst schnell», sagt Kriss Kyle zu Timmy Hansen. «Vielleicht zu schnell», antwortet dieser. Koketterie unter Konkurrenten –beide wissen, bald könnten sie Gegner sein. Denn Wiberg, die Ausbildnerin, sagt, bis jetzt hätten alle sie sehr beeindruckt: «Die Autorennsportler wie Timmy Hansen erfassen rasch, wie man am schnellsten um die Kurve kommt, dafür balanciert Kriss Kyle ganz ausgezeichnet auf den Foils – so wie er das Gleichgewicht auf seinem Bike hält.»

Den angehenden Pilotinnen und Piloten kommt zugute, dass das Boot, ähnlich einem Düsenjäger, elektronisch gesteuert ist. Das Fly-by-Wire-System erfordert keine besondere Körperkraft, daher können Männer und Frauen ebenbürtig gegeneinander antreten. Ausserdem erfolgt die Steuerung angenehm intuitiv, mit violetten und grünen Leuchttasten erinnert das Steuer eher an einen XBox-Controller. «Trotzdem ist es ganz anders als alles, womit ich je in meinem Leben gefahren bin», sagt Lucas Ordóñez, ehemaliger Le-Mans-Teilnehmer und selbst Bootseigner, der mit Kyle und Hansen trainiert. Und auch er stimmt in den Chor der Verwunderung ein: «Das Ding hat mit Bootfahren nichts mehr zu tun. Das ist Fliegen.»

Vicky Piria, eine weitere Auszubildende, weiss, was es heisst, neue Fahrzeuge in Betrieb zu nehmen: Sie ist bei Formel-3- und GT-Meisterschaften ebenso angetreten wie bei der mittlerweile eingestellten

Auto im Kopf Extreme-E-Fahrer
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Vogel gelandet

Mit geöffnetem

Cockpit ruht das RaceBird auf dem Wasser – erst frischer Strom, dann wieder Sturm.

W-Serie ausschliesslich für Frauen. Doch auch sie hat Respekt vor derart Neuem, zumal bei den Rennen ein Boot gegen drei andere Boote antritt, die alle nach vorn drängen. «Das Überholen bereitet mir Sorgen, die Gefahr des Kontakts», sagt sie. «Es wird echt noch mal aufregender, wenn wir dann von anderen Booten umgeben sind.»

Piria hat Erfahrung mit Unfällen bei hoher Geschwindigkeit. Im Vorjahr brach sie sich das Steissbein, als bei 260 km/h die Radaufhängung ihres GTWagens versagte. «Sobald ich die Bremsen berührte, war das Auto vollständig unkontrollierbar», erinnert sie sich. Für ihre Eltern ist ihre Bewerbung für die E1 allerdings noch beunruhigender: «Sie haben Sorge wegen der Kombination aus Elektrizität und Wasser.»

Dabei war die naheliegende Frage, wie man eine Starkstrombatterie gefahrlos zu Wasser lässt, relativ schnell geklärt, wie Ingenieur Dean Clark erklärt: Die

Batterie sei «eine Box in einer Box», die an acht Verankerungen in einem eigenen Karbonfasergehäuse hängt. Die richtige Form für die Foils zu fnden, habe hingegen Jahre gedauert. Die ersten Versionen seien einfach an den Rumpf eines bereits vorhandenen Bootes geschraubt worden. «Wir nannten es ‹Frankie› – kurz für Frankenstein», erinnert sich Designerin Sophi Horne. «Hübsch war es wahrhaftig nicht.»

Die aktuellen RaceBirds sind im Gegensatz dazu pure Geschmeidigkeit – selbst dann, wenn sie, manchmal noch in Einzelteilen, darauf warten, zusammengesetzt zu werden: Die riesige Lagerhalle befndet sich eine kurze Fahrt von Marina di Verbella entfernt. Hier herrscht geschäftiges Treiben: Ein hochqualifziertes Team umschwirrt fünf neue Karbonfaserrümpfe so emsig wie Mechaniker beim Boxenstopp. «90 Prozent der Leute waren vorher bei der Formel 1, der Formel E oder in Le Mans», sagt der technische Betriebsleiter Chris Bluett. Ob die Pilotinnen und Piloten den gleichen Grad an Kompetenz erlangen werden, ist noch ofen – aber Claire Toohey, die Powerboating-Trainerin, ist zuversichtlich. «Die sind alle gewohnt, in kurzer Zeit viel Information aufzunehmen.»

Endlich – Boot im Lot

Es ist Kyles vierte und letzte Runde in dem RaceBird. Er hat sich als vielversprechender Kandidat hervorgetan: Elegant fiegt er übers Wasser, bedient die Steuerelemente und hält das Boot im Lot. Selbst Mathilda Wiberg, die Powerboot-Meisterin im Hilfsboot, ist beeindruckt. «Alle haben am Ende des Trainings ein wirklich hohes Niveau erreicht», sagt sie. «Das war unser Ziel für die Rennserie. Wir wollen von Anfang an eine beinharte Konkurrenz.»

Schon bald werden die Mechaniker das Boot wieder aufladen müssen, um es für die nächsten Teilnehmenden fertig zu machen. Kyle, Ordóñez und die anderen haben ihr Basistraining nun bald hinter sich. Sie werden in ihren rasanten Alltag zurückkehren und nicht wissen, ob sie je wieder einen Fuss auf das RaceBird setzen dürfen. Die Zusammenstellung der Teams steht noch bevor, Zeitpläne und Verträge müssen noch ausgehandelt werden. Die endgültige Aufstellung ist noch lange nicht entschieden.

Draussen auf dem Lago Maggiore dreht Kyle seine fnale Schleife, während Lino di Biase, Bootstechniker und Ikone des Powerboat Racing, gebannt auf die Stoppuhr schaut. Er hat die Rundenzeiten aller TestRacer gemessen und ausgewertet. Noch ehe Kyle an Land geht, entweicht dem Italiener ein melodiöses «È bravo, questo ragazzo». Mehr Applaus geht nicht – zumal das ja grad mal das Ende des ersten Aktes ist.

Der Sprung ins Team bleibt Kriss Kyle dennoch verwehrt. Beim ersten Rennen der UIM E1 World Championships Anfang Februar in Dschidda, SaudiArabien, gewinnt Team Brady. Für Kyle war dennoch es eine einzigartige Erfahrung. «Es ist schon cool, zu den Leuten zu gehören, die überhaupt als Piloten infrage kommen – total neu und einmalig», sagt er. Obwohl er kein grosser Freund des Wassers ist, denkt er nun darüber nach, sich ein Boot zu kaufen. «Womöglich sogar ein elektrisches.» Das nennt man in der Branche dann wohl fiegenden Wechsel.

Mehr Infos: e1series.com

THE RED BULLETIN 81

Dein Guide für ein Leben abseits des Alltäglichen

REISEN, HÖREN, LAUFEN, KAUFEN – UND ERLEBEN!

Eine besondere Sehenswürdigkeit: die AC75 von Alinghi Red Bull Racing vor der Küste Barcelonas, wo der 37. America’s Cup stattfinden wird

UND JETZT DU! THE RED BULLETIN 83 ALEX CARABI/AMERICA'S CUP

SETZ DIE SEGEL!

Wind, Wasser, Party: Mit den Profis von Alinghi Red Bull Racing und Lokalmatador Dani Pedrosa durch die Segler-City Barcelona.

Wann Barcelona zur Segelstadt wurde, ist unklar. Als die Römer den Ort im 3. Jahrhundert vor Christus «Barcino» tauften, war er bereits eine blühende Siedlung. Seither hat sich Segeln zu einer globalen Sport­ und Freizeitaktivität entwickelt, und Kataloniens Hauptstadt beheimatet heute einen der belebtesten Häfen Europas. Wer von hier aus auf das Mittelmeer blickt, sieht die Zukunft des Segelsports: ein fiegendes Boot.

Einrumpfboot mit Hydrofoils aus Carbonfaser, angetrieben von Wind und Besatzung. Vier davon gehören zur Power Group, auch «Cyclors» genannt. Sie halten mit ihrer Beinkraft die Bordsysteme am Laufen. Vier weitere Besatzungsmitglieder bilden die Driving Group, zwei davon sind am Steuer. Und dann gibt es noch einen, der im Cockpit sitzt und die Fahrt geniesst. Natürlich fiegt es nicht wirklich. Wenn dieses 22 Meter lange Gefährt mit etwa 90 km/h dahinrast, berühren nur sein Ruder und seine Flügel – genau: Flügel! – das Wasser. Die AC75 ist Anwärter für den 37. America’s Cup, der hier im Oktober stattfndet. Das ist die älteste noch bestehende Regatta (1851 ging es los), die auch für so ziemlich jede technische Innovation im Segelrennsport verantwortlich ist. Die AC75 ist die Krönung des Yachtbaus: ein

Dani Pedrosa, MotoGP-Legende und stolzer Katalane, besuchte das Team von Alinghi Red Bull Racing in Barcelona.

REISEN
84 THE RED BULLETIN ADOBE STOCK, OLAF PIGNATARO/ALINGHI RED BULL RACING/RED BULL CONTENT POOL, ROBERTO ALEGRIA

Der Hafen von Barcelona, wo auch die Basis von Alinghi Red Bull Racing liegt

Hohe Geschwindigkeiten ist er gewohnt, aber ganz andere. Dani Pedrosa, Motorradrennfahrer und vielfacher GrandPrix-Sieger, fährt als Gast bei Alinghi Red Bull Racing mit.

Als das Boot im Hafen anlegt, klettert Pedrosa mit einem breiten Grinsen an Land. Er lebt in der Schweiz, geboren wurde er aber in Sabadell, eine halbe Stunde Autofahrt nördlich von Barcelona. Einige seiner sportlichen Höhepunkte hatte er auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya. Ausserdem ist er Wassersportfan.

«Ich habe mit dem Windsurfen angefangen, als ich zwölf war», sagt er. «Hier in der Nähe gibt es ein paar gute Spots, Castelldefels im Süden und Girona im Norden, weil ein leichter Wind geht, ist dort Wing Foiling die beste Option.» Aus seiner Foilingerfahrung heraus sagt er: «Es hat mich überrascht, wie stabil das Boot war.»

In der Basis von Alinghi Red Bull Racing, von der man den Hafen überblicken kann, wird noch das fnale Modell der AC75 angepasst: Die Segel, die Takelage, jedes kleinste Detail muss sitzen. Die Regeln des America’s Cup sehen vor, dass sämtliche Mitglieder des Schweizer Teams tatsächlich Schweizer sind. Zur Vorbereitung ist das Team nach Barcelona übersiedelt. Barnabé Delarze, ehemaliger olympischer Ruderer aus Lausanne, lebt bereits seit August 2022 hier. «Ich habe mich sofort in die Stadt verliebt», sagt er. «Man kann hier Velo fahren,

HINKOMMEN

Es gibt eine umfangreiches Flugangebot von allen Schweizer Flughäfen nach Barcelona. Wer mit dem Boot anreist: Segelsaison ist von Mai bis Oktober, und es stehen mehrere luxuriöse Marinas zur Auswahl.

am Strand rennen oder Beachvolleyball spielen – und alle können hier Padel-Tennis! Barcelona ist eine sehr sportliche Stadt.»

Nils Theuninck, ehemaliger Foiling-Katamaran-Weltmeister, zog aus Pully hierher. «Meine Lieblingsstrecke mit dem Velo ist den Tibidabo hinauf», sagt er und zeigt auf den Hügel, der die Stadt im Nord-

westen überragt. «Die kleinen Gassen führen an der Stadt hinunter, durch die Berge und Wälder des Naturparks Collserola bis hin nach Cervelló.»

Franco Noti, ein drittes Mitglied des Powerteams, ist frisch aus Bern hergezogen. «Mir gefällt es, dass überall Skater sind und ich die Spiele des FC Barcelona im Stadion sehen kann. Wenn man schon

Die Profi-Segler

Franco Noti und Barnabé Delarze erkunden per Velo die Strandpromenade.

Spanien Madrid
THE RED BULLETIN 85
Barcelona

in einer Stadt mit einem so berühmten Fussballklub lebt, dann muss man da auch hin!»

1992 war Barcelona Austragungsort der Olympischen Spiele. Das spüre man auch heute noch. «Der Blick hin zum Montjuïc, dem Hügel, auf dem das Olympiastadion steht, ist atemberaubend», schwärmt Delarze. Barcelona werde ein toller Austragungsort für den America’s Cup.

Im August gibt es Vorregatten, gefolgt vom Louis Vuitton Cup, in dem sich entscheidet, welches Challenger­Team im Oktober gegen die Titelverteidiger Neuseeland antreten darf. «Wir erwarten echt viele Leute», sagt Theuninck. «Nicht nur am Ufer, sondern auch auf dem Wasser», fügt Noti hinzu. «Es ist eine grosse Ehre, wenn so viele Menschen sich Zeit nehmen, unserem Team zu folgen. Ich werde jedenfalls

Die AC75 fliegt vor Barcelona über das Mittelmeer.

Feiern und entspannen: Am Strand von Barcelona geht beides.

mein Bestes geben.» Bis dahin wartet noch jede Menge harte Arbeit auf die Schweizer, denen wenig Zeit für das Nachtleben bleibt. Sollten sie jedoch gewinnen, da sind sich alle einig, soll es ein rauschendes Fest werden. Und Pedrosa weiss, was es heisst, hier zu

feiern. «Eine meiner schönsten Erinnerungen ist die an den Sieg des Grand Prix 2008 vor Valentino und Rossi Casey Stoner. Vor all den Menschen hier war das eine unglaubliche Erfahrung», sagt er. «Dieses Team kann das auch schafen.»

DER 37. AMERICA’S CUP

Sei dabei!

Wo: im America’s Cup

Race Village in Port Vell. Der Eintritt ist frei.

Wann:

22. August

Eröffnungszeremonie

22. bis 25. August

Vorregatten

29. August bis 7. Oktober

Louis Vuitton Cup

12. bis 27. Oktober

Duell um den 37. Louis Vuitton America’s Cup americascup.com

RUND UM DEN CUP

Die Tipps der Pro-Segler

Besichtigen: MMB

Um dein nautisches Wissen vor dem America’s Cup aufzupolieren, schau ins Museu Marítim de Barcelona, in einer ehemaligen Werft. mmb.cat

Essen: «Casa costa»

Entspann dich auf der Terrasse und geniesse Meeresfrüchte, Sangria, den Blick auf den Strand –und das Renngeschehen. casacostabarceloneta.com

Feiern: «Azul»

Die Dachterrasse bietet einen 360­Grad­Blick auf das Meer und die Stadt und ist damit der perfekte Ausgangsort für einen Bootsausflug untertags und eine Party am Abend! azulrooftop.es

REISEN
Sonnenfrühstück: die Segler Nils Theunick, Franco Noti und Barnabé Delarze auf der Terrasse von «Casa Costa».
86 THE RED BULLETIN SAMO VIDIC/ALINGHI RED BULL RACING/RED BULL CONTENT POOL, ADOBE STOCK, ROBERTO ALEGRIA TOM GUISE

DEIN LAUF DEIN BEAT EIN ZIEL

Am 5. Mai 2024 fndet der Wings for Life World Run statt. Philips Sports Headphones unterstützt den globalen Laufevent als Partner – und dich dabei, dein persönliches Ziel zu erreichen.

Musik und Laufen gehören einfach zusammen. Menschen zu motivieren, sich körperlich und geistig gesund zu halten, treibt auch Philips Sports Headphones als Global Partner des Wings for Life World Run an. Das gemeinsame Ziel ist es, eine Heilung für Rückenmarksverletzungen zu fnden. Aus der Neurowissenschaft ist zudem bekannt, dass wir unsere Bewegungen instinktiv an den Takt der Musik anpassen. In diesem Zusammenhang hat Philips Sports Headphones die kabellosen Open-Ear-Sportkopfhörer entwickelt. Sie sind nicht nur superleicht und robust, sondern sorgen dafür, dass du alles hörst, was um dich herum passiert – ohne auf detailgetreuen Klang mit satten, klaren Bässen zu verzichten. Perfekt auch für den Wings for Life World Run App Run.

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PHILIPS OPEN-EARSPORTKOPFHÖRER

› Du hörst deine Umgebung.

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› 9 Stunden Spielzeit

› Werde gesehen: LED-Sicherheitsleuchten

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MITLAUFEN UND MITHELFEN!

Jetzt anmelden unter wingsforlifeworldrun.com

DER MODUS

Der Startschuss fällt weltweit um 11 Uhr UTC. Nach 30 Minuten beginnen die «Catcher Cars» damit, die Teilnehmer von hinten einzuholen. Wer als Letzter überholt wird, gewinnt.

DIE JÄGER

Die Catcher Cars erhöhen kontinuierlich ihre Geschwindigkeit. Wird ein Läufer überholt, scheidet er aus. Dabei wird automatisch seine erreichte Laufdistanz erfasst.

DIE STRECKEN

Es gibt sieben Flagship Runs, verteilt auf sechs Kontinente. Alternativ kann man über die Wings for Life World Run App von überall auf der Welt starten.

DIE MISSION

100 % aller Startgelder fiessen in die Rückenmarksforschung und unterstützen das gemeinsame Ziel der Heilung von Querschnittslähmung.

TIM KOENIG/WINGMEN

Fergie GLAMOROUS (2007)

«Der Song ist so zeitlos! Ich liebe die Energie, die Fergie in ihn legt. Er ist die Momentaufnahme eines guten Lebens und funktioniert aus unglaublich vielen Blickwinkeln. Ich war hin und weg, als ich ‹Glamorous› zum ersten Mal gehört habe. Es gibt nichts Vergleichbares. Für mich klingt es so, als würde Fergie mit diesem Lied den Frieden für uns alle herbeisingen.»

Mariah Carey IT’S LIKE THAT (2005)

«Mariah ist eine Queen – sie verkörpert das Wort ‹Glamour› und schert sich gleichzeitig wirklich um nichts. Als der Song herauskam, hatte ich das Gefühl, beim Zuhören mit ihr zu feiern. Der Text handelt davon, so zu sein, wie man ist, und stolz darauf zu sein. Dazu passt auch, dass der Sound unverwechselbar klingt. Zuerst denkst du: ‹Was ist das?› Und dann: ‹Das ist wunderschön.›»

TANZEN, SCHLAFEN, FEIERN, LEBEN!

Geboren in Simbabwe, erfolgreich in L. A.: Rap-Rebellin Tkay Maidza über vier Songs, die sie als Künstlerin geprägt haben.

DDer QR­Code führt zur Podcast­Playlist von und mit Tkay Maidza auf Spotify.

er rasante Flow, der Genregrenzen sprengende Sound, der spektakuläre Style: Takudzwa Victoria Rosa – kurz Tkay – Maidza ist eine Urgewalt. Geboren in Harare, Simbabwe, aufgewachsen in Westaustralien, ist die 28-Jährige heute in Los Angeles zu Hause. Karrieren als Tennisspielerin oder Architektin liess sie sausen, um die Welt mit ihren Rap-Experimenten zu erobern. Mit ihrem zweiten Album «Sweet Justice», produziert von Grammy-Gewinner Kaytranada, ist Maidza nun endgültig in der globalen Musik szene angekommen. Sie verbindet Hip-Hop, R&B, Funk und IndustrialPop zu eingängigen Hooklines, garniert mit einer Prise Drama. Hier stellt sie vier Tracks vor, die ihren eigenen Stil erst möglich gemacht haben.

The Internet GIRL (2015)

«Tanzen, einschlafen, Bücher lesen, den Haushalt erledigen – wenn diese Musik läuft, fällt mir alles leichter. Und nicht nur das: Tatsächlich war die ruhige Energie dieser Band auch ein wichtiger Leitfaden für meine eigenen Songs. Warum ich den Track ‹Girl› ausgewählt habe? Weil er im Club genauso gut funktioniert wie zu Hause im Wohnzimmer – unbedingt ausprobieren!»

Janet Jackson

IF (KAYTRANADA REMIX) (2012)

«Wie Kaytranada hier den Hit von Janet Jackson remixt, hat mich umgehauen. Das erinnert mich an die unschuldigen Anfänge der elektronischen Musik, als noch niemand wusste, was ein Produzent ist, und die Produzenten sich noch nicht als Künstler verstanden. Ich hatte Glück, mit Kaytranada an meinem Album arbeiten zu können. Niemand klingt wie er.»

HÖREN
Acht Jahre nach ihrem Debüt hat Tkay Maidza mit «Sweet Justice» ihr zweites gedroppt. Instagram: @tkaymaidza
88 THE RED BULLETIN DANA TRIPPE MARCEL ANDERS

Zum Festival nach deinem Geschmack.

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Natürlich erfrischend.

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ICH BIN’S, DEIN FLO IM OHR!

Frühling, Start der grossen Lauf-Events. Mit diesen Tipps (und Playlists) von Ultra-Runner Florian Neuschwander wirst du fit für jeden Run.

Der 42-jährige Deutsche mag es unkonventionell. Pizza und Süssigkeiten nach dem Training? Check. Dickes Tattoo auf dem Arm? Check. Schnauzbart? Check. Einfach loslaufen nach Bauchgefühl? Check. Neuschwander ist mit 1,67 Metern nicht der Grösste, aber ein Riese auf der Strecke – und das auf jedem Untergrund und auf jeder Distanz bis hin zu brutalen Ultra-Marathons.

2015 hat er den Wings for Life World Run in Deutschland mit einer Gesamtdistanz von 74,5 Kilometern erstmals gewonnen. Schlechte Nachricht für die Konkurrenz: Flo hat seit kurzem einen Trainer. Erstmals. Ehrlich gesagt vor allem aus Faulheit: «Dann muss ich nicht mehr dauernd überlegen, wo und wie und wann ich laufe. Das schreibt mir mein Trainer auf die Smartwatch, und nachher sieht er sich meine Daten an.» Wobei es bei einem wie Flo gut sein könnte, dass er spontan dann doch alle Vorgaben über den Haufen rennt. Hier seine Tipps, wie du top vorbereitet beim nächsten Event startest.

TIPP 1

BAU DIR PLAYLISTS

FÜR JEDES TEMPO

«Viele hören Podcasts beim Laufen. Ich nicht. Stattdessen habe ich mir vier Playlists zusammengestellt, die ‹Slow›, ‹Easy›, ‹Fast› und ‹Ballern› heissen und frei zugänglich sind – auf Spotify unter ‹Run with the Flow›. Bei einem kurzen, ganz lockeren ZehnKilometer-Morgen-Run höre ich die ‹Slow›-Playlist, da ist dann etwa Jack Johnson drauf mit seiner entspannten Surfmusik. In der ‹Easy›-JoggingListe sind auch schon Rocksongs drauf, aber noch kein Hardrock; eher so ruhigere Lieder der Foo Fighters. Bei schnellen Läufen höre ich die ‹Fast›-Playlist mit pushenden Songs von Gaslight Anthem, The Killers oder Feine Sahne Fischflet, auch ein bisschen Ska, aber eher so Richtung Indie. Und wenn ich richtig Vollgas gebe, höre ich meine ‹Ballern›-Playlist: Da sind dann Bullet for My Valentine drauf, teilweise Punksongs, schnelle, rockige Sachen von den Foo Fighters und From Autum to Ashes.»

TIPP 2

KEINE KRAFT MEHR? DENK AN DEINE FAMILIE!

«Wenn gar nichts mehr geht in den Beinen, dann denke ich an meine Familie daheim. Natürlich laufe ich für mich, aber ich will ihnen auch zeigen, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hat. Wenn es richtig hart wird, erinnere ich mich auch an krasse andere Rennen oder Trainingseinheiten zurück, wo ich es gepackt habe, über den toten Moment hinauszulaufen. Aber ehrlich: Bei krassen Rennen bin ich notfalls auch mal ein paar Meter gegangen – und nach 500 Metern kam doch noch mal ein bisschen Energie rein. Beim Wings for Life World Run weiss man ja nicht, wie weit die anderen Topläufer weltweit gerade sind, darum renne ich, bis nix mehr geht, weil am Ende jeder Meter entscheiden könnte.»

Coach to go: Die Wings for Life World Run App versorgt dich mit Trainingstipps.

TIPP 3 LINKS? RECHTS? EGAL!

«Wenn ich mal keine Lust habe zu laufen – was vorkommt –, suche ich mir eine Strecke, die ich noch nicht kenne. Entweder setze ich mich ins Auto und fahre an einen schönen Ort, zu einem Park oder einem Berg. Oder ich laufe freestyle, renne auf der gewohnten Laufstrecke an der nächsten Kreuzung spontan mal links statt rechts und lasse mich überraschen, wohin der Weg führt. Motivation kann man sich auch durch kleine Challenges holen: Manchmal suche ich mir auf Lauf-Apps wie Strava Streckenrekorde raus und versuche, die zu brechen.»

TIPP 4

BLEIB DEINEM LIEBLINGSRESTAURANT TREU

«Ich ernähre mich seit vier Jahren vegan – und ich esse gerne Chips oder auch mal eine Tafel Schokolade. Strenge Ernährungspläne mag ich nicht, aber an eine Regel halte ich mich immer: dass ich vor einem Rennen keine kulinarischen Experimente mache. Also nicht am Abend vor dem Wettkampf in ein neues Restaurant gehen, sondern lieber zum Lieblingsitaliener ums Eck. Lieber etwas langweiliger essen, aber dafür etwas, was der Körper gut kennt. Der Wings for Life World Run startet in Deutschland (auch in der Schweiz!; Anm.) um 13 Uhr. Da stehe ich um acht Uhr auf, Frühstück gibt es um neun Uhr: Brot mit Erdnussbutter und Banane, dazu Wasser und einen grossen Kafee. Um elf Uhr esse ich dann noch einen Riegel, eine Viertelstunde vor dem Start vielleicht noch eine halbe Banane. Falls es richtig heiss wird: Salztabletten mitnehmen.»

TEXT MARC BAUMANN FOTO NORMAN KONRAD
LAUFEN 90 THE RED BULLETIN

TIPP 5

«Die Fitness für lange Strecken kriegst du nicht mehr last minute vor dem Wettkampf, die Kondition musst du dir in den Wochen davor holen: als Anfänger dreimal die Woche laufen gehen, zur Abwechslung auch mal eine längere Radtour oder ein langer Spaziergang. Und polarisiert trainieren, also intensive und

lockere Laufeinheiten abwechseln. Erfahrenen Joggern rate ich, bewusst zu lernen, wie man langsamer läuft. Die meisten rennen Langstrecken zu schnell. Und die Erholung nicht vergessen! Beim Wings for Life World Run werde ich über 60 Kilometer laufen, da mache ich meinen letzten langen Trainingslauf acht bis zehn Tage vor dem Rennen. In der Woche vor dem Wettkampf belasse ich es bei einem mittellangen Lauf, ganz ent­

spannt, und dazu eine kurze Tempoeinheit. Am letzten Tag vor dem Wettkampf jogge ich noch locker ein paar Kilometer – mit kurzen Steigerungsläufen, um den Körper zu aktivieren –, mehr nicht.»

EXTRA-TIPP

FÜR ZUSCHAUER

LÜGEN IST ERLAUBT

«Wenn Zuschauer bei einem Wettkampf an der Strecke Spalier stehen und dich von links und rechts der Laufstrecke anfeuern, ist das echt cool. Da stört es mich auch nicht, wenn die mich anschreien und mir einen Klaps auf den Rücken geben zur Motivation. Was aber echt nervt, ist, wenn du richtig fertig bist – und dann jemand die ganze Zeit neben dir herrennt und auf dich einredet. Support am Streckenrand von Freunden und Familie ist super, aber grundsätzlich sollte man vorher mal abchecken, wie die Verfassung des Läufers oder der Läuferin ist. Mir hilft es viel mehr, wenn man mir zum Beispiel zuruft, wo die Konkurrenz ist, dann kann ich letzte Kraftreserven hervorholen. Da fände ich es auch okay, wenn man mich zur Motivation ein bisschen anlügt, damit ich schneller laufe.»

SEI DABEI!

Rund um den Globus starten am 5. Mai zur selben Zeit

Hunderttausende Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum grossen Charity-Run. Sämtliche Einnahmen fliessen in die Forschung, die Querschnittslähmung heilbar machen soll. Ob zum App Run oder zum Flagship Run in Zug: einfach den QR-Code scannen und anmelden.

Mit frischem Blick Florian ist Vorreiter einer Läufer-Generation, die alte Regeln hinterfragt. LAUF WENIGER, LAUF LANGSAMER, LEG DEINE FÜSSE HOCH
THE RED BULLETIN 91

ZEIT FÜR DEN CITY-DSCHUNGEL!

Die Captain Cook High-Tech Ceramic Skeleton vereint urbanen Stil und abenteuerliche Features.

Erobere die Grossstadt –oder versunkene Städte. Denn diese neue Version der legendären Captain Cook ist bis zu 300 Meter wasserdicht. Inspiriert wurde das Design aber von den Farben einer urbanen Morgendämmerung: Lünette und Krone sind aus roségoldfarbenem Edelstahl und heben sich von den matten Olivtönen ab. Mit einer Gangreserve von über drei Tagen und kratzfestem KeramikArmband ist dieser Zeitmesser ideal für Abenteurer, die viel unterwegs sind, aber auch Pausen dazwischen schätzen. Die Monobloc-Konstruktion macht die Uhr auch in anspruchsvollsten Terrain zum zuverlässigen Begleiter.

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Das Saphirglas auf der Rückseite gewährt einen Einblick ins Uhreninnere: ein Automatikwerk (R808) mit einer 80­Stunden­Gangreserve.

Das HightechKeramik-Armband mit Dreifach-Schliesse aus Titan ist äusserst kratzfest.

Die roségoldenen Zeiger tanken Sonnenlicht –und leuchten durch nächtliche Abenteuer.

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UHREN
Blick von beiden Seiten
92 THE RED BULLETIN FILMRISS.MEDIA WILLY BOTTEMER

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DANK IHRER MITGLIEDSCHAFT.

Ihre Mitgliedschaft bei der Schweizer Paraplegiker-Stiftung ermöglicht Menschen mit Querschnittlähmung ein Leben als Sportler*in. Danke für Ihre Solidarität. paraplegie.ch

ALLES IN BEWEGUNG

Diese actionreichen Events zum Frühlingsbeginn solltet ihr nicht verpassen.

5

MAI

WINGS FOR LIFE WORLD RUN

Mehr erreichen, als man für möglich gehalten hätte, und dabei die Rückenmarksforschung supporten: Darum geht es bei diesem einzigartigen Charity-Lauf. Zum einen, weil es keine Ziellinie gibt. Stattdessen sorgt ein Catcher Car, das die Teilnehmenden verfolgt, für Motivation. Zum anderen, weil 100 Prozent der Einnahmen in die Forschung zur Heilung von Querschnittslähmung fiessen. Von Australien bis Brasilien und auch in der Schweiz starten insgesamt hunderttausende Menschen gleichzeitig – entweder bei einem der grossen Flagship Runs (in Zug!) oder via App. QR-Code scannen und anmelden! wingsforlifeworldrun.com

Lauf mit am

5. Mai: mit Marco Odermatt und Zehnkämpfer

13

BIS 15. APRIL

WATCHES AND WONDERS

Uhren, Uhren und noch mehr Uhren. Diesmal lädt die Messe in Genf auch die Öffentlichkeit dazu ein. «Im Salon» präsentieren 54 Hersteller Innovationen und Klassiker. Bei geführten Touren erfährst du mehr über das faszinierende Handwerk der Uhrmacherei und bekommst im interaktiven Lab Gelegenheit auf einen Blick in die Zukunft der Zeitmesser. watchesandwonders.com

28

APRIL

RED BULL RIFT RULERS

Die besten «Fortnite»-Spieler des Landes treten erneut gegeneinander an. Es gelten spezielle Regeln auf der eigens kreierten Schweizer Röstigraben-Map. Ob die Romandie es schaft, die von der Deutschschweiz verpasste Niederlage von 2023 zu rächen, seht ihr live in der Red Bull Gaming World im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern oder auf: twitch.tv/redbullswitzerland redbull.com/riftrulers

8

BIS 13. APRIL SWATCH NINES

Die weltbesten Freeskier und Freeskierinnen sowie Snowboarder und Snowboarderinnen trefen sich zum zweiten Mal auf dem Schilthorn, oberhalb vom idyllischen Mürren, zur jährlichen Progression Session, die für revolutionäres Snowpark-Design, virale Momente und die Evolution des Schneesports bekannt ist. Zum Abschluss am Samstag, 13. April, sind alle Zuschauer herzlich willkommen! thenines.cc

ERLEBEN
94 THE RED BULLETIN DEAN TREML/WINGS FOR LIFE WORLD RUN/RED BULL CONTENT POOL, LORENZ RICHARD/RED BULL CONTENT POOL

20

April

RED BULL BC ONE CYPHER SWITZERLAND

Die besten vier helvetischen B-Girls und sechzehn B-Boys treten beim Red Bull BC One Cypher Switzerland an. Bei der wichtigsten heimischen Solo-Competition für Breakerinnen und Breaker bringen sie die Halle 622 in Zürich zum Kochen. Tickets, Infos und ein «Guide to Breaking» auf: redbull.com/bconeswitzerland

3

UND 4. MAI

ÖKK BIKE REVOLUTION CHUR

Die Cross-Country-Strecke führt mitten durch die Altstadt von Chur – nicht nur die älteste Stadt der Schweiz, sondern auch Heimatstadt von Nino Schurter. Das Rennen startet im Zentrum der historischen Stadt, führt quer durch die Altstadt und auf anspruchsvollen Trails wieder zurück. Zu den landschaftlichen Reizen gesellt sich ein internationales Aufgebot an Spitzenfahrern. Erlebe live vor Ort, wie sich die gemächliche Alpenstadt in ein grosses MountainbikeFestival verwandelt! bike-revolution.ch

8 MAI

SWISS MUSIC AWARD

Frauenpower bei den Swiss Music Awards: Multitalent Melanie Winiger (Bild) und Musikproduzentin Annina Frey führen dieses Jahr durch die wichtigste Schweizer Musikpreisverleihung. Ausgezeichnet werden Talente und erfolgreiche Künstlerinnen und Künster in zwölf Kategorien. swissmusicawards.ch

Herausgeber

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Chefredakteur

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THE RED BULLETIN 95 FILIP STROPEK/TORU-MARU.COM PRODUCTIONS, JEAN-CHRISTOPHE DUPASQUIER/RED BULL CONTENT POOL

Hier schreiben junge Schweizer Autorinnen und Autoren über Themen, die sie bewegen – und liefern ihren positiven Spin dazu.

Wenn jede Geste zählt: Malick Reinhard über Barrierefreiheit, die im Kopf beginnt.

Lasst uns ohne Umwege zum Thema kommen – denn auch diese Umwege wären wohl nicht barrierefrei. Ich habe eine Behinderung. Eine körperliche. Ich bin Tetraplegiker, also querschnittsgelähmt. Mit einer Behinderung zu leben ist, als hättest du ein Abo für eine Sonderbehandlung abgeschlossen, die du natürlich nicht willst. Ich bin damit in der Schweiz kein Einzelfall. 1,8 Millionen Menschen leben hier mit einem solchen Abo, einem Handicap. Doch obwohl wir ein Fünftel der Bevölkerung ausmachen, scheint unsere Präsenz im gesellschaftlichen Leben

immer noch eher eine Ausnahme als die Norm zu sein. Die Weltgesundheitsorganisation fasst verschiedene Arten von Einschränkungen unter dem Begrif «Behinderung» zusammen, von motorischen Störungen bis hin zu Lernschwächen, wie Legasthenie. Kurz gesagt: all das, was dir im Gegensatz zur Mehrheit der Leute im Leben Schwierigkeiten bereitet.

Jugend ist eine Suche nach Identität, Kontakten, Erfahrungen, egal ob mit oder ohne Behinderung. Für mich ist diese Lebensphase mit zusätzlichen Herausforderungen behaftet, und das nicht nur durch die physischen Grenzen, die mir mein Körper auferlegt, sondern vielmehr wegen der gesellschaftlich verankerten geistigen Barrieren. Mein ganzes Leben lang musste ich mich bemühen, mich in diese Gesellschaft zu integrieren, die auf Menschen «ohne Einschränkungen» ausgelegt ist. Immer bin ich für den ersten Schritt verantwortlich, muss auf andere zugehen, riskiere dabei, in meiner «Behindertenblase» zu bleiben. Denn obwohl es Fortschritte gibt, werden Menschen mit Behinderung immer noch oft als «unnormal» wahrgenommen.

ON A POSITIVE NOTE
96 THE RED BULLETIN KORNEL STADLER
«Ja, ich sitze im Rollstuhl. Aber ich bin auch der Kumpel, der dich bei ‹Mario Kart› fertigmacht und AC/DC liebt.»

Egal ob mit Rollstuhl oder einer anderen Einschränkung, dein soziales Leben ist wie Tinder mit einem Foto deiner Maine-Coon-Katze statt deines eigenen Engelsgesichts: Alle fnden es «total nett», aber das war’s dann auch. Du musst dich doppelt so gut verkaufen, weil der erste Eindruck durch dein Fortbewegungsmittel, deinen Blindenstock oder diesen abgewandten Blick verfälscht wird.

Aber warum müssen immer wir uns anpassen? Warum sollten jene ohne Behinderung sich nicht ebenfalls darum bemühen, ihre Sicht auf die Welt und andere Menschen zu «entnormalisieren» oder zu «erweitern»? Mein Handicap ist nichts weiter als eine Variation in der Vielfalt der menschlichen Spezies.

Die Leute haben Angst davor, dass sie zu meinen «Pfegern» werden müssen, anstatt zu meinen Kumpels oder meinen Crushes. Das ist ofen gestanden mühsam. Als ob meine Suche nach Freundschaft oder Liebe darauf hinauslaufen würde, jemanden zu fnden, der mir körperlich unter die Arme greift. Spoiler: Das ist nicht der Fall. Dafür habe ich vier Betreuungspersonen. Ich suche einfach das, was alle suchen: Verbundenheit, Spass und schöne Momente – keine Hilfskraft.

Man wird nicht zum «Pfegepersonal», nur weil man mit einem Menschen mit Behinderung abhängt. Wenn Freundschaft und Liebe darin bestehen, füreinander da zu sein, dann ist diese Angst nicht nur unbegründet, sondern zeigt auch einen eklatanten Mangel an Ofenheit. Zum Glück ändern die Menschen langsam ihre Einstellung, wie sie es auch bei Rechten anderer Minderheiten getan haben. Aber vor uns liegt noch ein weiter Weg. Wir fragen nicht nach Mitleid oder wohltätigem Engagement, sondern nach mehr Ofenheit.

Es ist dennoch wichtig, über «die Sache», also Behinderungen, zu reden, denn die Zahlen sind nicht unerheblich: 80 Prozent von uns, also den Menschen mit Behinderung, leben mit einer «unsichtbaren» Behinderung, wie Lernschwächen oder Depressionen. 85 Prozent der Behinderungen treten als Folge eines Unfalls

oder einer Erkrankung später im Leben auf. Nur drei Prozent sitzen im Rollstuhl, so wie ich. Ja, ich sitze im Rollstuhl, aber ich bin auch der Kumpel, der dir die neueste Serie zum Binge-Watchen aufschwatzt, dich bei «Mario Kart» fertigmacht oder stundenlang über den Auftritt von AC/DC im Zürcher Letzigrund spricht. Ich erwarte nicht, dass du deine Wahrnehmung von heute auf morgen änderst, sondern lediglich bedenkst, dass hinter dem Begrif «behindert» Individuen stehen, mit Sehnsüchten und Träumen, die sich ärgern, sich freuen und all das auch kommunizieren möchten. Inklusion beginnt mit einem Blick, einem Lächeln, einer einfachen Geste.

Ich versuche, mich in einer Welt zurechtzufnden, die von und für Menschen ohne Behinderung geschafen worden ist. Daraus entstehen unfreiwillig komische Situationen. Humor wird zu einer Brücke zwischen diesen Welten, zu einer Einladung an alle, sich dem Vergnügen anzuschliessen, gemeinsam über diese Absurditäten zu lachen und sie so Stück für Stück zu beseitigen. Humor und Selbstironie sind meine Begleiter. Vor einem Auftritt an einer Schule kam ich einmal die Stufen einer Treppe nicht hoch. Die Schülerinnen und Schüler haben rasch improvisiert und gemeinsam aus Schulranzen eine Rampe gebaut. Ihr Erfndungsreichtum hat uns näher zueinander gebracht.

Malick Reinhard wurde 1999 in Lausanne geboren. Er arbeitet als freier Journalist und Produzent unter anderem bei «Le Temps» und RTS. Daneben ist er Lehrbeauftragter am Universitätsspital Lausanne (CHUV). Instagram: @malickreinhard

Und dann gibt es noch diese ungeahnt wertvollen, weil unerwarteten Begegnungen. Jeder Mensch ist wie ein Universum, das es zu entdecken gilt, mit Geschichten, Träumen und Problemen. Da wird meine «Behinderung» schon mal zu einem Filter, der die wahren Farben der Menschen enthüllt. Es gibt jene, die mit positiver Neugier auf mich zukommen, jene, die wegschauen. Und dann gibt es diejenigen, die «über die Sache hinaus sehen». Diese Begegnungen bilden den Rahmen für eine inklusivere Gesellschaft. Es sind nicht nur soziale Interaktionen, sondern auch Grundsteine für eine Welt, in welcher anders sein nicht automatisch bedeutet, sich ausgeschlossen zu fühlen.

Meine Beziehung, die ich seit fast vier Jahren führe, ist der Beweis dafür, dass Vorurteile über Liebe und Menschen mit Behinderung nicht nur überholt, sondern vor allem unbegründet sind. Wir brechen das Eis, wenn wir Momente teilen, in denen die Unterschiede keine Rolle spielen. Die wahren Freunde, jene, die bleiben, sehen in mir nicht eine Last, jemanden, dem man helfen muss, sondern eine Person, die sie schätzen.

Wir alle sind mit Herausforderungen und stetigen Veränderungen konfrontiert und müssen uns anpassen. Was mich betrift, ist es unwahrscheinlich, dass ich irgendwann in meinem Leben die Behinderung loswerde. Durch die Alterung der Bevölkerung liegt dagegen die Wahrscheinlichkeit, dass du irgendwann selbst mit einem vorübergehenden oder dauerhaften Handicap zu tun haben wirst, bei 50 Prozent. Wenn du also deinen Blick für andere öfnest, verbesserst du auch deine Chancen, bis zuletzt ein würdiges und erfülltes Leben zu führen!

THE RED BULLETIN 97

GEO CADIIAS

Wer oder was bewegt den 28-jährigen Comedy-Influencer? Hier verrät er seine ganz persönlichen Vorlieben, Reiseziele und Man-Crushes im Schnell-Check.

Liebstes Fortbewegungsmittel?

Dein Reiseritual?

Charmant und witzig: Rund 1,5 Millionen Follower unterhält der Genfer auf seinen Social-Media-Kanälen. @geocadiias

«Stress, viel Stress ... ich habe aber noch nie einen Zug oder ein Flugzeug verpasst!»

Dein aktueller TikTok-Lieblingstrend?

«Die Dance Challenge zu ‹Position› von Franglish!»

Welche Jahreszeit magst du am liebsten und warum?

«Ich liebe den Sommer, weil es dann viele Festivals gibt und die Leute entspannt sind ... und freier!»

Letzte Person deiner Anrufliste?

«Randy Guine, ein Komiker. Diesen Typen sollte man im Auge behalten.»

Liebste Reiseziele?

Fünf Stunden im Zug ohne Internet: mit wem?

«Ich habe viele davon! New York, Neuseeland, Mexiko, die Elfenbeinküste und Japan.»

Lieblingstier im Zoo?

«Ich war tatsächlich noch nie im Zoo

Giraffen sind schön!»

Bester YouTube-Vlog?

«Der einzige, den ich mir ansehe, weil er mich zum Lachen bringt, ist der des MMAFighters Cedric Doumbé.»

«Mit Drake.»
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98 THE RED BULLETIN SEBASTIEN JAQUET, ADOBE STOCK, GETTY IMAGES

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5. MAI 2024 ZUG

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