The Red Bulletin DE 10/21

Page 1

DEUTSCHLAND OKTOBER 2021 € 2,50

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN

DIE

MARSCH MISSION

JETZT ABONNIEREN: GETREDBULLETIN.COM

RB Leipzig-Trainer Jesse Marsch sagt: „Neugier, Chaos und Verletzlichkeit sind Stärken.“


SO LAUT KANN LEISE SEIN. Der vollelektrische Ford Mustang Mach-E. Bis zu 610 km Reichweite.1 Verbrauchswerte nach § 2 Nrn. 5, 6, 6 a Pkw-EnVKV in der jeweils geltenden Fassung: n. v.* Verbrauchswerte nach WLTP: Stromverbrauch: 20–16,5 kWh/100 km (kombiniert); CO2-Emissionen im Fahrbetrieb: 0 g/ km (kombiniert). * n. v. = Daten nicht verfügbar. Der Gesetzgeber arbeitet an einer Novellierung der Pkw-EnVKV und empfiehlt in der Zwischenzeit für Fahrzeuge, die nicht mehr auf Grundlage des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) homologiert werden können, die Angabe der realitätsnäheren WLTP-Werte. Diese sind in der nachfolgenden Zeile zu finden. 1 Gemäß Worldwide Harmonised Light Vehicles Test Procedure (WLTP) können bis zu 610 km Reichweite bei voll aufgeladener Batterie erreicht werden – je nach vorhandener Konfiguration. Die tatsächliche Reichweite kann aufgrund unterschiedlicher Faktoren (Wetterbedingungen, Fahrverhalten, Fahrzeugzustand, Alter der Lithium-Ionen-Batterie) variieren.


E D I TO R I A L

WILLKOMMEN

IN EINER NEUEN LIGA KÖNIG DER WELLEN

Fotograf Ben Thouard fasziniert die Schönheit großer Wellen – die allerschönsten ­findet er vor Tahiti. Ab Seite 18.

925 JULIAN BAUMANN (COVER), BEN THOUARD

SEÑOR SALME/SYNERGY

Filme umfasst die ­ ­Online-Videothek der Netflix-Gründer beim Start im April 1998. Leihgebühr: 50 Cent. Was seither geschah? Alle Zahlen zum Streaming-Riesen auf Seite 12.

Chaos wünschen sich die wenigsten Menschen in ­ihrem Leben, unser Cover-Held ist da eine Ausnahme: Jesse Marsch, 53, seit Sommer neuer Trainer von ­Fußball-Bundesligist RB Leipzig, sucht diesen Reiz geradezu, denn „erst im Chaos entstehen neue Gedanken, neue Lösungen“. Im Interview ab Seite 46 erklärt der US-Amerikaner, warum er Verletzlichkeit als Führungsstärke sieht und was sich Profifuß­baller von erschöpften Ruderern ­abschauen können. Was Rapper von Blumenverkäuferinnen ­lernen können, darum geht es im Interview mit Hip-Hop-Legende Kool Savas, 46. Ab Seite 38 spricht er über die Freude an Alltags­ begegnungen oder den Umgang mit Shitstorms – und verrät, ­was seine Mutter von seinen Rap-Texten hält. Gute Unterhaltung mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion

NEUGIER ALS LEIDENSCHAFT Warum RB Leipzig-­ Trainer und Globe­ trotter Jesse Marsch Lernen als Schlüssel zum Leben sieht. Ab Seite 46.

OFFENSIVE FÜR EUROPA­

Wie Trainer aus der Schule von ­ ordenker Ralf Rangnick (v. l.: Adi V Hütter, Julian Nagelsmann, Roger Schmidt) den internationalen Spitzenfußball prägen. Ab Seite 54.

THE RED BULLETIN

3


I N H A LT The Red Bulletin im Oktober 2021

COVERSTORY

46 GIERIG NACH MEHR

Warum Jesse Marsch, neuer Trainer von Fußball-Bundes­ ligist RB Leipzig, Lernen als Schlüssel zum Leben sieht.

18 KÖNIG DER WELLEN ­

Fotograf Ben Thouard ist auf majestätische Wellen spezia­ lisiert – und auf ihre Surfer.

FILM

32 GEFIEDERTER FREUND

Wie ein Flötenvogel das Leben der australischen Kranken­ schwester Sam Bloom rettete.

FILM

34 FRÖHLICHE ­W UNSCHLOSIGKEIT

Regisseur David Schalko über seine neue TV-Serie und einen idealen Lebenszustand.

MOUNTAINBIKEN

36 SIE MAG ES STEIL

Laura Stigger hat schon mit 20 mehrere WM- und EM-Titel gesammelt. Uns erzählt sie, was sie mental dabei antreibt.

DEUTSCHRAP

Wie Hip-Hop-Legende Kool Savas heute Angriffe an sich abperlen lässt.

6 GALLERY 12 ZAHLEN, BITTE!

4

54 DER BESSER-MACHER

Vordenker Ralf Rangnick ­analysiert Spitzentrainer, die er einst als Mentor formte.

BIKEN

38 INS GRÜNE  Fürs Fotoshooting besuchte uns Rapper Kool Savas in der Gartenlaube.

58 G ROSSE TRÄUME AUF ZWEI RÄDERN

PORTFOLIO

38 SO GEHT KOOL

FUSSBALL

Wie die 18-jährige Khothalang Leuta in Lesotho eine kleine Sport-Revolution lostrat.

FREERUNNING

66 PINBALL WIZARD

Pasha Petkuns, Bewegungs­ talent aus Lettland, fliegt als menschliche Kugel durch ­einen 20 Meter hohen Flipper.

GUIDE

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

18 INS BLAUE  Der französische Fotograf Ben Thouard zeigt Surfer aus neuen Perspektiven.

77 TRAVEL. Ein Action-Wochenende mit dem E-Bike in Südtirol 82 U HREN. Wie James-Bond-Star ­Daniel Craig Omega inspirierte 83 E VENTS. Die Pflichttermine des Monats – von Gaming bis Biken 84 R ICHTIG GUTES ZEUG. HerbstEmpfehlungen der Redaktion 86 G ADGETS. Home Entertainment für jedes Zimmer 92 BOULEVARD DER HELDEN. Bob Dylan trifft Bobby Fischer

14 FUNDSTÜCK 16 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW

96 IMPRESSUM 98 CARTOON

32 INS KINO  Ein Vogel rettete eine gelähmte Frau aus ihrer Krise: ein Fall für Hollywood

THE RED BULLETIN

CHRISTOPH VOY, BEN THOUARD, CAMERON BLOOM, TYRONE BRADLEY/RED BULLCONTENT POOL


58

DIE PIONIERIN Ein Besuch bei Khothalang Leuta, 18, der schnellsten PumptrackFahrerin Lesothos

THE RED BULLETIN

5



NEW SOUTH WALES, AUSTRALIEN

DAVYDD CHONG

Plötzlich ist alles klar

KAMIL SUSTIAK/RED BULL ILLUME

Jeder Fotograf kennt das: qualvolles Warten auf den richtigen Moment. Der Tscheche ­Kamil Sustiak hätte ihn um ein Haar verpasst. „Ich wollte meine Kamera schon einpacken“, sagt Sustiak, der mit Slackliner Chris Wallace im Nebel des Blue-Mountains-Nationalpark (nahe Sydney) ausgeharrt hatte. Dann klarte das Wetter blitzschnell auf. Wallace balancierte. Sustiak drückte ab. Beide sagen: Es ist ein ­schmaler Grat zwischen Niederlage und Erfolg. Mehr epische Bilder: kamilsustiak.com

7


INNSBRUCK, ÖSTERREICH

Frühsport Der Tiroler Skater Peter Mader und sein Landsmann, der Fotograf Manuel Kokseder, mussten früh aufstehen, um diese magische Stimmung in der Einfahrt einer Innsbrucker Tiefgarage einzufangen. Denn tagsüber herrscht hier viel zu viel Verkehr für so was. Aber um sieben Uhr früh ist die Welt noch in Ordnung. Portfolio: koksederphotography.com


PIRÄUS, GRIECHENLAND

Volle Kraft voraus!

MANUEL KOKSEDER/RED BULL ILLUME, ALEX GRYMANIS/RED BULL CONTENT POOL

DAVYDD CHONG

Freerunner können praktisch jede Um­ gebung in einen wunderbaren Spielplatz verwandeln. Hier zeigen der Grieche ­Dimitris Kyrsanidis (vom Dach der Kabine) und seine deutsche Kollegin Silke Soll­ frank (balancierend am Großbaum) ihre Fähigkeiten an Bord eines griechischen Zweimasters – vorgeführt beim Red Bull Art of Motion in Piräus im Sommer 2021. redbullartofmotion.com

9


UTAH, USA

Großes Kino unter Sternen Die Wüste von Utah ist ein sehr dekorativer, aber leider auch ein sehr anstrengender Ort. Also musste US-Fotograf Noah Wetzel bei der Auswahl seiner Protagonisten mit B ­ edacht vorgehen: Gefragt waren Radler mit heraus­ ragenden Fahrkünsten, hitze­beständig (bei Tagestemperaturen um die 40 Grad) und auch sonst belastbar. Am Ende performten die Asse Blake Sommer und Jack Graham in den frühen Morgenstunden unter einem grandiosen Sternenhimmel, damit Noah zu der akribisch geplanten Aufnahme kam. Spektakuläre Fotos: noahdavidwetzel.com 10


NOAH WETZEL

DAVYDD CHONG


Z AHL EN, BI T T E!

NETFLIX

Haus des Geldes 2011 kündigte der amerikanische Streamingdienst Netflix an, eigene Serien und F­ ilme zu produzieren. Jetzt, zehn Jahre danach, hat er die traditionelle Filmindustrie ­Hollywoods erfolgreich verdrängt. Und will weiter wachsen – mit Online-Games.

Unternehmen waren laut ­US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ weltweit noch wertvoller als Netflix (26,7 Milliarden Dollar), auf dem Podest der Top 3 standen Apple, Google und Microsoft.

Dollar investierte Netflix 2020 in Forschung und Entwicklung.

925

Filme umfasste die Online-­ Videothek der Netflix-Gründer Reed Hastings und Marc ­Randolph beim Start im April 1998. Kosten pro Leihe: 50 Cent.

17.000.000.000

15

Mal wurde „House of Cards“, Netflix’ erste Eigenproduktion, für einen Emmy nominiert und gewann sieben der TV-Preise.

12

Oscars konnten Netflix-­ Produktionen seit 2017 gewinnen. Bei den letzten Academy Awards war man mit sieben Trophäen erstmals der erfolgreichste Vertrieb von allen.

50.000.000

Dollar hätte die US-Videotheken-Kette Blockbuster im Jahr 2000 ausgeben müssen, um das Start-up zu übernehmen. Man schlug das Angebot aus – Blockbuster ging 2010 pleite.

7,3

Milliarden Dollar betrugen die Einnahmen im 2. Quartal 2021 – 20 Prozent mehr als im Vorjahr.

THE RED BULLETIN

HANNES KROPIK

Dollar will der Streamingdienst 2021 in die ­Produktion von Content investieren.

56

Prozent der Zeit vor dem Bildschirm verbringen Amerikaner immer noch mit linearem Fernsehen, 27 Prozent entfallen auf On-DemandAnbieter wie Netflix (7 %).

Millionen Haushalte sahen Anfang 2021 den Thriller „Extraction“ (mit Chris Hemsworth) in den ersten vier Wochen – Rekord!

25

1.830.000.000

63

99

CLAUDIA MEITERT

Millionen zahlende Abonnenten hatte Netflix am Ende des 2. Quartals 2021. Das sind rund 2,65 Prozent der Weltbevölkerung.

Dollar zusätzlich sollen Abonnenten für das geplante Online-Spiele-Angebot ­bezahlen müssen.

GETTY IMAGES (2), NETFLIX

209,18

0


LIFES EINEN D R Ü RF ay POWE sterd XTRA

IN INST E

C T® S

S ERIE S R TYLE OLA

#Bea

t Ye


F U ND ST Ü CK

AMY WINEHOUSE

Ein Herz für eine Seele Abendtäschchen des Modelabels Moschino, angefertigt für die Soul-Ikone anlässlich der Brit Awards, 2007 Es war einmal ein Mädchen aus London, das konnte wunderschön singen. Aber das war noch nicht alles: Es brachte die Menschen auch zum Träumen. Sie bildeten sich dann ein, längst vergangene Zeiten wären wieder zurückgekehrt. Das Mädchen sang Soul so inbrünstig wie in den Sechzigerjahren. Die Leute liebten das so sehr, dass sie ihre Platte „Back to Black“ kauften wie verrückt. Ein Jahr später war sie als „Best Female Act“ die Königin der Brit Awards. Was kaum jemand ahnte: Die Texte ihrer Lieder, die von zerstörerischer Liebe ­handelten, waren bitterernst gemeint. Und weil sie 2011 gestorben ist, lebt sie nur in unseren Herzen weiter.

14

THE RED BULLETIN

GETTY IMAGES, AMY WINEHOUSE CUSTOM MADE 2007 BRIT AWARDS HEART PURSE DESIGNED BY MOSCHINO, JULIEN‘S AUCTIONS - LIVE AUCTION NOV 6 & 7 2021

Amy, die Märchenprinzessin des Soul: Bienenkorbfrisur und Lidstrich waren ihre Markenzeichen.


MAKE WI NTE R YO U R P L AYGRO U N D

E X P LO R E T H E B F G O O D R I C H ® g - F O R C E W I N T E R 2 T YR E w w w. b f g o o d r i c h . d e

WHAT ARE YOU BUILDING FOR?


DAS F IK T IV E PHILO S O PHEN- IN T ERV IE W

EPIKUR SAGT:

„So lernst du die Kunst der Freude“

the red bulletin: Herr Epikur, Sie haben be­ hauptet, der Sinn des menschlichen Lebens bestehe darin, Lust und Freude zu emp­ finden. In der Welt von heute gibt es viele Menschen, die viel Zeit und Geld dafür aufwenden, extreme Erfahrungen zu machen, um ­extrem viel Spaß zu haben. Etwa, indem sie mit einem Seil am Fuß Hm, aber dann wäre Freude von einer Brücke springen. ja so etwas wie eine Droge, die Was halten Sie davon? ­einen irgendwann in den Abgrund epikur: Keine Ahnung, ich habe so stürzt. Und die Lust an Extrem­ etwas noch nie ausprobiert. Wer sich erfahrungen wäre das Symptom zu meiner Zeit selbst erproben wollte, ­einer gesteigerten Abhängigkeit. konnte das bei einem unserer vielen Könnte sein, ja. Und deshalb ist Kriege tun. Aber das war nie so es so wichtig, beizeiten die Kunst „Das Geheimnis mein Ding. Ich habe es vorgezogen, liegt darin, so zu leben, der Freude zu lernen. Darum ging in meinem Garten zu lustwandeln, es in meinen Büchern. dass man sich gute Gespräche zu führen und mich am Licht der Sonne zu erfreuen. an ­allem freut, was ist, Und worin besteht diese Kunst der Freude? und nicht an dem, Vor allem darin, sich an den Aber Sie haben doch gesagt, was man will.“ Dingen zu erfreuen, die wirklich wir Menschen täten gut daran, zu einem passen – die irgendwie ein Leben der Freude zu führen. Wenn jemand Freude daran hat, extreme Heraus­ naturgemäß und unbegrenzt vorhanden sind. Wie forderungen zu bestehen, dann ist das doch etwas gesagt: Ich habe immer die größte Freude, wenn ich Gutes, oder? mit g ­ uten Freunden durch meinen Garten schlendere­. Jaja, ich weiß, was Sie meinen, aber so einfach ist es Denn ich bin dann völlig frei davon, irgendetwas nicht. Nicht überall, wo Freude draufsteht, ist auch ­Tolles oder Extremes erfahren zu müssen. Ich bin Freude drin. Vorderhand sieht es doch so aus: Sie dann auch frei von Angst und Sorge. Ich glaube, das ­nehmen sich etwas vor, artikulieren einen Wunsch. ganze Geheimnis der Freude liegt darin, so zu leben, Und siehe da, es kommt so, wie Sie es wollten, und dass man sich an allem freut, was ist, und nicht an dann freuen Sie sich. Das war’s. Und was dann? dem, was man will. Du möchtest dich freuen? Dann hör auf, dich freuen zu wollen! Na ja, man freut sich, und wenn die Freude nach­ lässt, gibt es bestimmt ein nächstes Ziel, das man EPIKUR (um 341 – 271/270 v. Chr.) gilt als Philosoph der Freude. Damit hat er sich nicht nur Freunde gemacht. Im Gegenteil: Zu sich setzt. Und wenn man auch das erreicht hat, allen Zeiten war er die Hassfigur von Moralpredigern, die ihn als dann ist die Freude doppelt so groß. Ahnherrn eines zügellosen Hedonismus verdammten. TatsächIm Gegenteil, mein Freund, die Freude wird schwächer. lich ging es Epikur aber nicht um ein Maximum an Spaß, sondern Erst unmerklich, aber dann umso mehr. Und wissen Sie, um Selbstgenügsamkeit, die das Leben so nimmt, wie es ist. warum? Weil deine Freude nicht mehr frei ist. Besser: CHRISTOPH QUARCH, 57, ist deutscher Philosoph, Gründer weil du nicht mehr frei bist. Du verhedderst dich im der Neuen Platonischen Akademie (akademie-3.org) und Hamsterrad, brauchst immer neue Anreize, immer ­Autor zahlreicher philosophischer Bücher. Zuletzt erschienen: neue Wünsche, immer neue Ziele. Klar, du freust dich, „Kann ich? Darf ich? Soll ich? Philosophische Antworten auf alltäg­liche Fragen“, legenda Q, 2021. wenn du wieder einmal etwas erreicht hast, aber diese 16

THE RED BULLETIN

BENE ROHLMANN

Freude verpufft so schnell, wie sie kam. Und noch während sie verpufft, wirst du immer abhängiger von deinen kleinen Kicks der erfüllten Wünsche. Bis du auf die glorreiche Idee kommst, deine Ziele immer größer und extremer werden zu lassen – in der Hoffnung, dass dann auch die Freude extremer wird. Was aber nicht passiert. Stattdessen kannst du dich irgendwann gar nicht mehr freuen: Fünfzig Kilometer gelaufen? Okay, dann sechzig. Sechzig Kilometer gelaufen? Okay, dann siebzig. Das nimmt kein Ende, außer du fällst vorher tot um.

DR. CHRISTOPH QUARCH

Glücklich sein ist der Sinn des Lebens. Aber wie ist wirkliche Freude zu finden? Der alte Grieche Epikur meint in unserem fiktiven Interview mit Christoph Quarch: nur, ­indem man nicht krampfhaft nach ihr sucht.


Gestatten, DÄCKE. Die ultraleichte (750g) und wasserabweisende Outdoor-Decke mit Kunstdaunen-Füllung macht aus jedem Ausflug ein Abenteuer.

we-hang.com

Code

RBB1021 nutzen und 5€ sparen*

*gültig für alle Bestellungen einer DÄCKE bis inkl. 28.02.2022

WIEGT NICHTS. HÄLT WARM.


P O RT FO L IO

18

THE RED BULLETIN


König der Wellen Der französische Fotograf Ben Thouard macht unglaubliche Bilder von riesigen Wellen an der Küste von Tahiti. Und von Menschen, die mutig genug sind, sie zu reiten. Hier erzählt er, wie seine Kunstfotos entstehen. Protokoll PIERRE HENRY CAMY

Wisch und weg

Teahupo‘o, Juni 2016 „Das Foto von Matahi Drollet, den man den Prinz von Teahupo‘o nennt, habe ich mit einer langen Verschlusszeit gemacht. Das ist ästhetisch, aber kompliziert, denn irgendwas im Bild sollte scharf sein. Man braucht für solche Bilder Glück, aber mehr noch Entschlossenheit. Ich bin tausendmal gescheitert, bevor mir dieses Foto gelang.“

THE RED BULLETIN

19


P O RT FO L IO

20

THE RED BULLETIN


Brecher aus Glas

Nordküste Tahitis, Dezember 2015 „Sonnenaufgang. Im Hintergrund ist eine Klippe, deshalb wirkt der Strand schwarz. Die ersten Sonnen­ strahlen fallen über die Klippe und brin­gen den Wellenkamm zum Leuchten, als wäre er aus Glas. Dass dich so eine Welle erwischt, willst du wirklich nicht. Sie kann dich zerquetschen.“

THE RED BULLETIN

21


P O RT FO L IO

Warten auf die Welle Teahupo‘o, Mai 2019

„Diese beiden Fotos sind unmittelbar nacheinander entstanden: Sechs Uhr früh, die Morgenbrise bläst den Schaum vom Wellenkamm, davor wartende Surfer, flaches Licht erleuchtet die Szene. So wie hier arbeite ich viel vom Jet-Ski aus, das macht mich flexibler.“

22

THE RED BULLETIN


Der unbekannte Surfer Teahupo‘o, Mai 2019

„Man muss auf die Welle warten, im richtigen Moment tauchen, sich umdrehen, Einstellungen und Bild­ ausschnitt wählen und abdrücken. Ich weiß bis heute nicht, wer der Surfer auf dem Bild ist – von unten sieht es jedenfalls aus, als würde er fliegen.“

THE RED BULLETIN

23


P O RT FO L IO

24

THE RED BULLETIN


Notausgang Adrian Buchan, Teahupo‘o, August 2017

„Viele halten die Teahupo‘o-Welle für die gefährlichste der Welt – wegen ihrer Größe, ihrer Kraft und weil sie über einem scharfen Korallenriff bricht. Eigentlich wollte ich den Australier Adrian Buchan in der Tube fotografieren, doch dann nahm er den Notausgang durch die brechende Welle. So entstand dieses un­ gewöhnliche Foto: Adrian steht zwar noch auf dem Brett, aber unter Wasser.“

THE RED BULLETIN

25


P O RT FO L IO

Im Bauch des Ungeheuers

Matahi Drollet, Teahupo‘o, Juli 2015

„Diese Wellen waren so groß, dass die Surfer mit dem Jet-Ski hinein­ gebracht wurden. Trotzdem surft der Tahitianer Drollet nur mit der Kraft seiner Arme, er schafft es mit Müh und Not über ­dieses Monster. Ich be­ finde mich auf einem Boot ganz nah dran. Mein Erfolg hängt vom Kapitän ab. Aber die Fischer kennen die Teahupo‘o-Welle ­wirklich gut.“

26

THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN

27


P O RT FO L IO

Im Blindflug

William Aliotti, Teahupo‘o, April 2016 „Ganz nah an der Action: Ich bin genau unter dem Kamm der Welle, die kurz davor ist, auf meine Kamera zu krachen. Ich bin schon vollständig unter Wasser, aber mein Arm mit der Kamera ist noch oben, um die Aufnahme zu machen. Ich schieße blind, nur so bekomme ich das Foto – Sekundenbruchteile bevor alles explodiert.“

28

THE RED BULLETIN


Majestätische Kurve

Südküste Tahitis, April 2020

„Neben meiner Arbeit als Surf-Fotograf begann ich mich für Orte zu interessieren, wo die Wellen unglaubliche Formen annehmen. Ein 300-Millimeter-Teleobjektiv ist zwar zum Schwimmen nicht sehr praktisch, erlaubt es mir aber, die Welle mit all ihren Details abzubilden.“

THE RED BULLETIN

29


P O RT FO L IO

Die große Waschmaschine Teahupo‘o, September 2017

„Das ist eine Teahupo‘o-Welle von unten. Wenn der Wellenkamm bricht und auf die Wasseroberfläche donnert, nimmt er Luft mit. Unter Wasser entstehen dann diese ­turbinenartigen Strukturen. Es ist hypnotisierend, ich bin regelrecht besessen von diesem Phänomen – es ist auch Thema meines nächsten Buches.“

30

THE RED BULLETIN


DER FOTOGRAF „Was mich an Wellen fasziniert? Sie erlauben es, auf einem einzigen Bild Ästhetik, Kraft oder einfach nur Schönheit festzuhalten“, sagt Ben Thouard, 35, 2019 Gesamt­sieger des Fotowettbewerbs Red Bull Illume. Thouard, geboren in Südfrankreich, entdeckte seine Leidenschaft fürs Fotografieren über das Windsurfen und ein Praktikum bei Bernard Biancotto, einem Pionier der Windsurf-Fotografie. Mit neunzehn verwirklichte er seinen Traum und ging nach Hawaii, um dort mit einem selbst gebauten, wasserdichten Kameragehäuse Windsurf-Fotos zu machen. Drei Jahre später, 2008, fuhr er weiter in die Südsee – nach Tahiti. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich Thouard, „die Kultur, die Menschen, die Qualität der Wellen, die Klarheit des Wassers und das häufig wechselnde Licht.“ Er blieb und konzentrierte sich auf Fotos von Surfern auf Big Waves. In den letzten Jahren lässt er immer öfter die Surfer weg und widmet sich der puren Schönheit der Welle. Ben Thouards erster Bildband („Surface“) ist 2018 erschienen. Sein neues Buch wird im November erwartet. benthouard.com

Die perfekte Welle Tahiti, Mai 2019

„Man hat mich gefragt, ob ich dieses Foto bearbeitet habe. Nein, überhaupt nicht! Das ist eine Stunde vor Sonnenaufgang, hinter uns ein Berg, wir schauen Richtung Sonne, der ablandige Wind bläst Gischt von der Welle. Das erzeugt ein Lichtspiel aus Wasser und Wind.“

THE RED BULLETIN

31


Film

Sam Bloom wurde von einem Vogel aus ihrer schwersten Krise gerettet. Heute ist die Rollstuhlfahrerin Weltmeisterin im Parasurfen. Und Hollywood verfilmt ihr Leben. Interview RACHAEL SIGEE  Foto CAMERON BLOOM

Die Krankenschwester war 41, als ihr gewohntes Leben von einer Sekunde zur anderen für immer zusammenbrach: Sie fiel 2013 im Thailand-Urlaub von einem morschen Hotelbalkon sechs Meter in die Tiefe und schlug auf einem Betonboden auf. Diagnose: Schädelbruch und Zertrümmerung der Rückenwirbel T6 und T7. Folge: Die Australierin war von der Brust abwärts gelähmt. Anfangs stürzte Sam Bloom in eine schwere Lebenskrise. Doch dann kam 2017 Hilfe von unerwarteter Seite: In der Nähe ihres Hauses fand die Familie am Strand ein Vogel­ junges mit einem verletzten Flügel. Sie nannten den Vogel „Penguin“, weil er mit seinem schwarz-weißen Gefieder und den großen Füßen an einen Pinguin erinnerte. Sam beschloss, Penguin gesund zu pflegen – und hatte damit einen neuen Lebenszweck gefunden. In der Folge gewann sie derart an Selbstvertrauen, dass sie begann, Para-Kanu-Wettkämpfe zu bestreiten, auch mit dem Surfen fing sie wieder an. Inzwischen ist Bloom zweifache Weltmeisterin im Parasurfen. Gemeinsam mit dem Schrift­ steller Bradley Trevor Greive ver­ fasste sie zudem ein Buch über ihre Erlebnisse mit ihrer gefiederten Freundin – „Penguin Bloom“ wurde zum Bestseller. Heute ist Sam Bloom Wings for Life-Botschafterin, und 2020 feierte der Kinofilm „Penguin Bloom“ über ihr Leben Premiere. Bloom wird darin von HollywoodStar Naomi Watts gespielt.

32

the red bulletin: Hätten Sie sich je träumen lassen, dass Sie von Naomi Watts verkörpert werden? sam bloom: Nie im Leben! Es war eine surreale Erfahrung. Haben Sie Naomi Watts beraten? Ich wollte nicht, dass es ein Holly­ wood-Happy-End gibt, wo „alles super ist“. Ja, das Leben wird leichter, aber so gut wie früher wird es nie wieder sein. Das Tolle war, dass Naomi mich sehr oft am Set dabeihaben wollte. Es sollte authentisch aussehen, wie sie zum Beispiel vom Bett in den Rollstuhl wechselt. Im Film stimmen Sie zuerst nur widerwillig zu, dass Penguin bleibt. War das tatsächlich so? Nein, der Film nimmt sich ein paar künstlerische Freiheiten. Ich war ganz verliebt in Penguin – sie war so süß! Als wir sie fanden, verlagerte sich die ganze Aufmerksamkeit von mir auf sie. Ich hasse es, im Mittelpunkt zu stehen, und als ich nach meinem Unfall nach Hause kam, konzentrierten sich alle auf mich. Ein großer Moment im Film ist der, als Sie zum ersten Mal in ein Kanu steigen. Wie wichtig war es Ihnen, aufs Meer zu können? Enorm wichtig. Das Kajakfahren habe ich nur vorgeschlagen, weil zu diesem Zeitpunkt nichts von den Dingen, die ich am liebsten gemacht hätte, infrage kam. Ich hatte alles abgeschrieben. Zunächst war ich immer am Samstagmorgen paddeln, das wurde dann mein Lieblingstag. Es war so schön, wieder aus dem

Rollstuhl draußen zu sein, auf dem Wasser und in der Natur. Hat Ihnen das nicht auch Angst gemacht? Fürchterliche. Da ich von der Brust abwärts gelähmt bin, habe ich keine Bauchmuskeln und somit ein katastrophales Gleichgewicht. Ein paar Mal bin ich ins Wasser gefallen, aber ich war immer schon ein Sturkopf und habe beharrlich weitergemacht. Wie fallen die Reaktionen auf den Film bisher aus? Die Leute schreiben mir, dass sie sich weniger allein fühlen. Auf WhatsApp tausche ich mich mit einer jungen Frau in Spanien aus, sie hat auch ein Rückenmarkstrauma. Ich habe ihr vorgeschlagen, sie könnte es mit Surfen versuchen. Inzwischen hat sie mir schon ein paar Videos geschickt. Es ist großartig, das Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen. Wie sind Sie zu Wings for Life ­gekommen? In Australien und Neuseeland gehen zehn Prozent aus dem Verkauf von „Penguin Bloom“ an SpinalCure Australia, in Europa spenden wir diesen Anteil an Wings for Life. Ich kann gar nicht sagen, wie glücklich ich wäre, wenn die Forschung Erfolg hätte. Wenn ich junge Leute mit Rückenmarkstrauma sehe, bricht es mir das Herz.

Mehr von Sam Bloom: sambloom.com.au; „Penguin Bloom“ (oben: Naomi Watts als Sam Bloom): auf Netflix. Forschung zum Thema Rückenmarksverletzungen: wingsforlife.com

THE RED BULLETIN


„Ich fand Penguin und war sofort verliebt in sie.“ Sam Bloom, 49, über ihre gefiederte Freundin, einen Flötenvogel

THE RED BULLETIN

33


Film

David Schalko meint, dass fröhliche Wunschlosigkeit der ideale Lebenszustand ist. Deshalb wünscht sich der österreichische Filmemacher das Leben einer Kuh. Interview RÜDIGER STURM  Foto KLAUS PICHLER

In seiner absurd-komischen TV-Serie „Ich und die anderen“ beschreibt ­Autor David Schalko allerhand (Irr-)Wege auf der Suche nach dem Glück. Hier erklärt der 48-Jährige, ­warum das Ego einem guten L ­ eben oft im Weg steht, warum er Müdigkeit gut findet und ein Leben als Wiederkäuer für erfreulich hielte.

Und Sie haben kein Ego mehr? Doch, schon. Mein Ego ist hartnäckig. Aber ich habe gelernt, es zu hinterfragen. Sobald ein Mensch denken kann, fängt er an, sich mit den großen Fragen auseinanderzusetzen: Wer ist man? Ist man das Ego? In welcher Situation befindet man sich in diesem Universum?

the red bulletin: Ihre Serie „Ich und die anderen“ handelt von einem Mann, dessen Wünsche einer nach dem anderen erfüllt werden. Ist das eine Voraussetzung dafür, um glücklich zu werden? david schalko: Nicht unbedingt. Man muss sich dabei bewusst machen, dass man in Wünsche etwas hineinprojiziert. Zum Beispiel glaubt man, dass man mit einem großen Haus automatisch glücklicher ist. Das stimmt nicht. Am besten geht es mir, wenn ich gar nichts will. Die fröhliche Wunschlosigkeit ist der Idealzustand.

Der Buddhismus meint ja, dass wir uns von unseren Begierden ­lösen sollen. Wollen Sie das auch? Ich glaube nicht, dass die Begierden­ das Problem sind, sondern das Anhaften daran. Wenn man das zu seinem Lebensinhalt macht und daran festhält, dann ist das die Ursache von sehr viel Leid. Und weil wir so am Leben hängen und ein obsessives Verhältnis zu unserem Eigentum haben, tun wir uns auch mit dem Sterben so schwer.

Wie erreicht man den? Dazu gehört die Auflösung des Egos. Man muss erkennen, dass das Ego nicht ein Freund ist, den man füttern soll, sondern dass es vielen Dingen im Weg steht. Eigentlich ist es nur eine Illusion, wenn man ­buddhistisch argumentiert.

34

Hinter Ihnen sehen wir eine prachtvolle Bücherwand. Das heißt, die könnten Sie so einfach aufgeben? So buddhistisch eingestellt bin ich dann doch wieder nicht. Sie schreiben immer wieder über Menschen, die sich nach oberflächlicher Wunscherfüllung sehnen. Eines Ihrer nächsten Projekte ist ein Film über die Ibiza-Affäre. ­Woher kommen die Begierden ­Ihrer Charaktere eigentlich? Das sind oft Menschen, die nach Liebe suchen, um weniger einsam zu sein. Natürlich hat jede Figur auch andere Facetten, aber im Prinzip steht dieser Antrieb im Mittelpunkt.

Was ist für Sie wahre Liebe? Es gibt viele unterschiedliche Arten. Die allumfassendste Liebe ist die, bei der man jemand anderen mehr liebt als sich. Das heißt, man gibt sein eigenes Ego auf. Wo erleben Sie die? Am nächsten komme ich diesem Zustand bei meinen Kindern. Man stellt seine eigenen Interessen g ­ egenüber ihren zurück. Denn die Aufgabe als Elternteil ist, sie zu unterstützen, dass sie diejenigen werden können, die sie werden wollen, und zwar in aller Freiheit, mit Selbstbewusstsein, aber auch mit der Umsicht anderen gegenüber. Allerdings scheint dieses Leben recht anstrengend. Sie wirken ein bisschen müde … Ich bin schon mein ganzes Leben lang müde. Für mich ist Müdigkeit kein negativer Zustand. Dabei entwickelt man eine komische Gelassen­ heit, weil man für zu viele Dinge zu müde ist. Man zieht sich dadurch automatisch in sich zurück, und das ist gar nicht so schlecht. Und wenn jemand Sie unbedingt antreiben will? Dann werde ich noch müder. Sie wirken ja sehr genügsam. ­Nehmen wir an, Sie würden wieder­geboren, wie die Buddhisten glauben. Wäre Ihnen ein ­Dasein als Tier lieber? Ich muss anmerken, dass ich nicht an Wiedergeburt glaube. Aber der Philosoph Friedrich Nietzsche sagte: „Alle guten Dinge haben etwas Lässiges und liegen wie Kühe auf der Wiese.“ Und die wiederkäuende Kuh auf der Wiese ist schon ein gutes Bild für Zufriedenheit. „Ich und die anderen“ läuft seit diesem Sommer auf Sky.

THE RED BULLETIN


„Ich bin schon mein ganzes Leben lang müde.“ Regisseur Schalko, 48, hier beim Foto‑Shoot in Wien, empfindet das nicht unbedingt als negativ.

THE RED BULLETIN

35


Mountainbiken

hat mit zwanzig bereits drei Weltmeister- und fünf Europa­meistertitel vorzuweisen. Mögliche Erklärung: Die Mountainbikerin aus Tirol mag ganz besondere Heraus­forderungen, um daran zu wachsen. Text WERNER JESSNER  Foto OLIVER SOULAS

Laura Stigger aus dem Tiroler Ötztal in Österreich gehört zu den besten Radsportlerinnen der Welt – und zu den vielseitigsten. Ihre Kerndisziplin ist Cross Country – Rundstreckenrennen in schwierigem Gelände –, die neben Ausdauer auch Fahrtechnik voraussetzt. Doch sich einzig auf diese olympische Disziplin zu konzentrieren kommt ihr nicht in den Sinn. Ob Ski-Touren im hochalpinen Gelände, Langlauf-Wettbewerbe im Winter oder Straßenradrennen im Sommer – Stigger lebt ihre Viel­ seitigkeit. Im Herbst wird sie bei Red Bull Radical an den Start gehen, ­einem Rennen in einem Steinbruch bei Wuppertal, das verschiedene Mountainbike-Disziplinen mischt. Ein Contest genau nach Lauras ­Geschmack, weil es ein Wettbewerb voller Überraschungen wird. Aber angehen wird sie ihn wie jedes ­Rennen: „Olm volle!“ – das ist Tirolerisch und heißt: immer Vollgas. Warnung: Wer im Tiroler Ötztal mit dem E-Bike unterwegs ist, sollte sich ab und zu umschauen. Es gibt da eine junge Frau, die es sich zum Sport gemacht hat, E-Biker zu jagen. Meter um Meter arbeitet sie sich dann an die Hobby-Fahrer mit elek­ trischer Unterstützung heran, um sie schließlich freundlich grüßend zu überholen. Die Einheimischen kennen Laura Stigger natürlich, aber ab und zu wird noch ein Tourist Beute ihres kleinen Scherzes. Mit mehr als

36

25 km/h (so schnell fahren E-Bikes mit Unterstützung) mit eigener Muskelkraft den Berg hochtreten: Das zeigt, wie fit Weltklasse-Athleten vom Schlag einer Laura Stigger sind. „Auch in den Rennen mag ich es am liebsten knackig: steile Auffahrten, technisch schwierige Abfahrten“, sagt sie. Ihre Furchtlosigkeit liegt in den Genen, sagt sie: „Die Mama fliegt bei Kunstfliegern mit, wenn sie ­Loopings machen, und geht bungee­ jumpen. Vom Papa, der Fußballer war, hab ich meinen Ehrgeiz.“ Pause, Nachsatz: „Und ich bin brutal ehrgeizig.“ Dazu kommt, „dass ich ­immer schon gern draußen war“. „Gern draußen zu sein“ bedeutet in ihrem Fall, das erste Radrennen mit nicht einmal sieben Jahren gefahren zu sein. Mit vierzehn Jahren wurde sie zum ersten Mal Jugend-Europameisterin im olympischen Cross Country. Mit siebzehn räumte sie bei den Juniorinnen ab und holte einen „Grand Slam“: Sie wurde Weltmeisterin, Europameisterin und zusätzlich Weltcup-Gesamtsiegerin. Für 2018 hatte sie eine Idee: Die Straßen-WM fand in Tirol statt, und da wäre es doch schön, wenn sie als Mountainbikerin mitten unter den Straßen-Profis mitmischen könnte. Der Rest ist Geschichte: 20 Kilometer vor dem Ziel setzte sie einen Angriff, den bloß drei ihrer Gegnerinnen ­parieren konnten. Es kam zum Zielsprint, den Laura gewann. StraßenWeltmeisterin im erst zweiten Straßenrennen ihrer Karriere!

Je steiler, desto besser: Laura Stigger in Aktion – hier in Stellenbosch, Südafrika

Mit Laura durch den Steinbruch brettern

Am 2. Oktober steigt im Ruhrpott das Red Bull Radical Bike-Rennen. Es wird der härteste Mountainbike-Contest des Jahres: Im Steinbruch Oetels­ hofen bei Wuppertal fahren 1200 Teilnehmende um den Sieg. Auf 25 Kilometern und 600 Höhenmetern müssen sie etwa Kies-Anstiege und Kletterstellen meistern. Jetzt anmelden unter: redbull.com/radical

THE RED BULLETIN

MICHAEL CERVENY/SPECIALIZED GLOBAL SPORTS

Laura Stigger

„Mir ist eigentlich nie fad“, grinst Laura, wenn man sie auf ihre Trainingsroutine anspricht, die keine ist: Natürlich hat sie Trainingspläne, aber wenn sie etwas machen will, dann macht sie es einfach. Einmal schnell eine Bergtour einstreuen. Oder sich auf Langlaufskier stellen, eine Startnummer holen und schauen, wie der Rennbetrieb im nordischen Ski-Bereich funktioniert. Während andere im Winter auf ihren Ergometern an der Form feilen, geht sie Skitouren auf Dreitausender. Hauptsache anders, Hauptsache hart. Aus diesen Mosaiksteinchen ist eine perfekte Athletin gebaut. Doch gleichgültig, wo sie startet, eine S ­ ache ist immer gleich, sagt sie: „Sobald ich an der Startlinie stehe, geht es darum, als Erste ins Ziel zu kommen. Da ist mir egal, ob ich ein Vereinsrennen fahre, eine Weltmeisterschaft oder im Herbst das Red Bull Radical. Mein Trainer und ich schauen uns an und sagen: Olm volle. Und dann geht’s los.“


„Ich mag es am liebsten knackig: steile Auffahrten, schwierige Abfahrten.“ Laura Stigger, 20, ist außerhalb der Komfortzone zu Hause.

THE RED BULLETIN

37


Deutschrap

KOOL SAVAS:

„ Schweigen ist das stärkste Statement“ Er ist einer der Urväter des Deutschrap. Jetzt hat der 46-jährige „King of Rap“ einen Karriere-Ratgeber geschrieben. Hier erklärt er, warum man Angriffe am besten ignoriert, ein See­grund­­stück seine beste Anschaffung war und er Blumen­verkäuferinnen gern nach ihrem Leben ausfragt. Interview SVEN MICHAELSEN  Fotos CHRISTOPH VOY

38

THE RED BULLETIN


GARTENIDYLLE

Ist Kool Savas auf seine alten Tage etwa spießig geworden? Natürlich nicht. Die Kleingartenparzelle gehört dem Fotografen, der die Idee hatte, das RapperDasein ironisch zu brechen.

THE RED BULLETIN

39


40

THE RED BULLETIN


E „Ein Song mit Grönemeyer ist ein großer Traum von mir.“ VITAMIN KOOL

„Das Künstlerische“, sagt Kool Savas, „ist mir nie schwer­ gefallen. Mein Kampf war der Alltag.“

THE RED BULLETIN

in schwül-heißer Tag in einem Villen­ viertel in Westberlin. Kool Savas, vor 46 Jahren als Savaş Yurderi geboren, hat in seinem unterirdischen Tonstudio Platz genommen. Er trägt ein nassgeschwitztes weißes Lacoste-T-Shirt, eine schwarze Trainingshose von Nike und transparente Brudiletten von Haftbefehl. Wie man ­seine am 1. September erschienene Autobiografie finde, will er mit ebenso viel freundlicher Bestimmtheit wie Misstrauen wissen. Wenn er spricht, mischen sich drei Idiome: Kreuzberger Straßenjargon, Rapper-Sprech und Manager-Vokabeln wie „Branding“ und „USP“, die davon künden, dass er sich als Marke versteht, die es zu bewahren und weiterzuent­ wickeln gilt. „Ich mache es wie Porsche“, sagt er, „ich erweitere mein Portfolio, so wie Porsche es mit dem SUV Cayenne gemacht hat, weil sich die Zielgruppe ­geändert hatte.“ the red bulletin: Im Prolog Ihres Buchs schreiben Sie: „Ich will mehr als das Narrativ vom Kreuzberger Hinterhofkind zum strahlenden ‚King of Rap‘, dem die Sonne aus dem Arsch scheint.“ Was war Ihr Motiv, 368 Seiten über Ihr Leben zu schreiben? kool savas: Ich habe anhand meiner Biografie einen Ratgeber geschrieben, was Künstler zu beachten haben, die dauerhaft erfolgreich sein wollen, statt als One-Hit-Wonder zu enden. Beim Lesen des Manuskripts ist mir auf­ gefallen, dass mir das Künstlerische nie ­schwergefallen ist. Mein Kampf war das alltägliche Leben: Wieso habe ich lange nicht die Hauptrolle in meinem Leben gespielt? Warum zweifle ich so oft an mir? Warum höre ich nicht immer auf mich selbst? Wie lebt man im

Deutschrap

Einklang mit sich und den eigenen Überzeugungen? Wie gelangt man zu Freiheit und Selbstbestimmung, statt sich nur als Komparse zu sehen und im Strom mitzuschwimmen? Der Untertitel Ihres Buchs lautet „24 Gesetze“. Welche halten Sie für die wichtigsten? Der Sinn des Lebens ist, deinem Leben einen Sinn zu geben. Mach deinen ­persönlichen Tiefpunkt zum Anfang von etwas Neuem. Sei die Veränderung, die du dir für dein Leben wünschst. Erfülle keine Erwartungen, folge dir selbst. Wähle deine Schlachten weise. Wenn du ein kleines Problem in ein großes verwandeln willst, dann verschieb es auf morgen. Nichts ist so wichtig wie jene, die immer an deiner Seite sind. Für mich stehen mein Sohn und meine Frau an erster Stelle. „Man muss anerkennen“, schreiben Sie, „dass es außerhalb der Familie niemanden gibt, auf den man sich verlassen kann.“ Das ist nieder­ schmetternder Pessimismus. Mein Menschenbild ist, dass jeder von uns erst mal allein auf der Welt ist und nur sich selbst vertrauen sollte. Wer ist schon absolut loyal und wirklich für einen da? Ich könnte jeden meiner Freunde verstehen, der mich für seine Familie im Stich lässt, wenn es hart auf hart kommt. Ich würde es ja genauso machen. Nicht jede Freundschaft muss sich so anfühlen, dass man sich für den anderen von einer Klippe stürzen würde. Ich habe Freunde, die noch nie bei mir zu Hause waren.

„Ich würde jeder­zeit ein vegetarisches Produkt herausbringen.“   41


Deutschrap

Haben Sie einen besten Freund? Ja, wir sind in vielem extrem unterschiedlich, aber wir spielen uns nichts vor, ­haben tiefes Vertrauen zueinander und wissen viel über die Seele und Pro­bleme des anderen. Trotzdem ist es zwischen uns nicht wie im Kinderfilm, wo zwei Kumpels gegen den Rest der Welt stehen. So eine Freundschaft hatte ich nie. In Ihrem Buch entzaubern Sie den Mythos, auf der Straße gäbe es eine gerechtere Gegenwelt mit Solidarität und Gleichheit. Auf verklärende Ghetto-Storys reagiere ich allergisch. Ich habe früh gespürt, dass auf der Straße um Macht und Unterwerfung gekämpft wird. Die Werkzeuge heißen Angst, Einschüchterung und ­Gewalt. Die Unterdrückten lassen sich das gefallen, weil viele von ihnen selbst Unterdrücker werden wollen. Oft ist das gar kein bewusster Vorsatz, so wie Kinder, die von ihren Eltern geschlagen werden, später ihre eigenen Kinder schlagen. Meine Eltern sind gebildet und waren lange Zeit hundertprozentige Kommunisten. Mein Vater saß wegen seiner Überzeugungen fünf Jahre lang in einem Folterknast in der Türkei. Er hat mir früh vermittelt, Unterdrückung sei etwas, das es zu bekämpfen gilt. In der Subkultur spiegeln sich die Hierarchien unserer Gesellschaft. Von utopischem Geist habe ich nie etwas gespürt. Warum sind Sie 2004 aus Kreuzberg ins beschauliche Touristenmekka ­Heidelberg gezogen? Ich habe meine damalige Freundin auf einer Autobahnraststätte in der Nähe von Heidelberg kennengelernt, wo sie studierte. Für mich war das eine schicksalhafte Begegnung. In Berlin gab es außer meiner Familie nichts, was mich hielt oder gar glücklich machte. Ich hatte von der Stadt schlicht und ergreifend die Schnauze voll und habe durch meinen Umzug eine wichtige Lektion gelernt: Du kannst vor deinen Problemen weglaufen!

„Mein Rat ist: Lass dich nicht so einfach triggern.“ 42

„Auf ver­klärende Ghetto-Storys reagiere ich allergisch.“ Sie hatten 13 Jahre lang einen Berater, vor dem Sie vermutlich besser weg­ gelaufen wären. Ich habe dieser Person erlaubt, so viel Macht über mich zu erlangen, wie niemand über einen anderen Menschen haben sollte. Ich wollte blind vertrauen, aber das war ein kapitaler Fehler, denn dieser Mensch kannte jeden meiner Schwachpunkte genau. Man muss dem eigenen Gespür folgen, ob man sich ­wirklich gern mit einer Person trifft oder sich das nur vorspielt. Bei den ersten Warnsignalen muss man in die Kon­ frontation gehen. Weil ich stattdessen die Augen verschlossen habe und konfliktscheu war, trifft mich genauso viel Schuld wie ihn. Sie haben den Battle-Rap in Deutsch­ land populär gemacht. In Ihrem Buch schreiben Sie: „Heute macht es fast niemand mehr unter der Behauptung, dass die Mutter des Gegners auf dem Strich arbeitet. Alles, was man sich aus den Fingern saugen kann, wird ­benutzt. Und der Zirkus außenrum spielt fröhlich die Begleitmusik. Schlag­ zeilen, Reaction-Videos, YouTube-­ Analysen: Vom Beef im deutschen Rap leben mehr Künstler als vom tatsäch­ lichen Beef auf ihren Tellern.“ Was Kampfsport dem Battle-Rap voraus­ hat, sind eine Arena, klare Regeln und ein Schiedsrichter. Kein Boxer zieht im Ring auf einmal ein Messer und sticht auf dich ein. Werde ich angegriffen, frage­ich mich zunächst, ob man das sportlich sehen sollte. Wenn beide cool damit sind, finde ich es okay, den anderen ein bisschen zu ärgern und daraus Entertainment zu machen. Die rote Linie ist, Menschen zu degradieren oder zerstören zu wollen, indem man dazu auffordert, sie zu ächten. Meine per­sönliche Strategie bei neun von zehn Angriffen ist: ignorieren! Abperlen

lassen! Der Angegriffene lässt schneller die Hüllen fallen als der Angreifer. Die wenigsten kommen damit klar, wenn ihre Angriffe auch nicht die winzigste Reaktion auslösen. Schweigen kann das stärkste Statement sein, weil die Leute denken: Der ignoriert diesen Vogel, weil der unter seiner Würde ist. Warum sollte ich mit gekränkten Re­aktionen Leuten Relevanz verschaffen, die in meinen ­Augen keine haben? Ein Strategieberater könnte einwen­ den: Wer auf Angriffe in den sozialen Medien nicht rechtzeitig reagiert, riskiert, aus einem Schneeball eine ­Lawine zu machen. Das Schlimme ist, dass die Leute immer noch nicht begriffen haben, dass dieses ganze Social-Media-Ding nicht echt ist. Dort werden Schauspiele inszeniert, die nach 48 Stunden niemanden mehr inter­ essieren. Zwei Tage sind die magische Zeitspanne, danach muss der Angreifer einen riesigen Aufwand betreiben, um die Sache künstlich zu strecken. Mein Ratschlag ist: Lass dich nicht so einfach triggern. So wie Udo Lindenberg den Deutsch­ rock begründet hat, sind Sie der Pionier des deutschsprachigen Rap. Was ließ Sie 1996 von englischen ­Texten auf deutsche umsteigen? In dem Jahr besuchte ich mit meiner damaligen Freundin die Band Living Legends in Oakland in Kalifornien. Wir chillten zwei, drei Wochen zusammen, und weil die Jungs gerade ihr neues ­Album bewarben, nahmen sie mich zu Radiostationen mit. Um ihre Coolness und Weltläufigkeit zu demonstrieren, baten sie mich, auf Deutsch zu rappen. Wenn ich englisch rappte, hieß es jedes Mal: „Das beeindruckt uns nicht. Jeder von uns kann Englisch, und wir rappen alle besser als du.“ Das war für mich ein Aha-Moment. Ich begriff, dass ich nur auf Deutsch die Leute beeindrucken kann, zu denen ich musikalisch oder textlich aufschaue. In Ihrem 1999 veröffentlichten Lied „Ihr müsst noch üben“ heißt es: „Nutte, blas zu Ende, meine Zeit ist knapp bemessen. Deine Mutter wartet draußen und will Penis in die Fresse.“ In welchem Gemütszustand ist Ihnen dieser Text eingefallen? Ich war damals absolut tiefenentspannt und fand das superwitzig, aber das ist THE RED BULLETIN


SPRITZIG

Kools Strategie bei persönlichen ­An­griffen: „Einfach abperlen lassen.“

THE RED BULLETIN

43


Deutschrap

22 Jahre her. Es wäre traurig, wenn mein damaliger Humor mein Humor von heute wäre. Herabsetzende Begriffe wie „Schwuchtel“ waren in Rap und Hip‑Hop lange gang und gäbe. Ich habe das Wort bestimmt schon mal in Texten verwendet, aber im Jahr 2021 rede ich nicht mehr so – schon gar nicht, wenn mein siebenjähriger Sohn neben mir steht.

ZUHÖRER

„Ich höre mittlerweile lieber zu, als dauernd selbst zu quasseln“, sagt der King of Rap.

Rappen Frauen eigentlich mit, wenn Sie bei Auftritten „Ihr müsst noch üben“ anstimmen? Ja, sie kennen den Künstler Kool Savas und wissen, dass der Text nur unterhaltsamer Blödsinn ist, der emotionalisieren soll. Meine Mutter ist Pädagogin und ­Feministin und müsste den Text eigentlich inakzeptabel finden, aber auch sie sagt: „Na ja, ist ja nur Quatsch.“ Wenn Frauen nichts von mir kennen und zum ersten Mal ein Konzert von mir besuchen, kassiere ich bei derberen Songs allerdings schon mal einen Mittelfinger. Das ist für mich auch völlig in Ordnung. Wer so etwas rappt, sollte bei einem ­Mittelfinger nicht anfangen zu heulen. Ihre Frau stammt aus dem Iran. Ist sie die schärfste Kritikerin Ihrer Texte? Nein, sie empfindet meine derberen Texte­ als lustigen Stumpfsinn und sagt: „Wie gut, dass meine Eltern Deutsch nicht so gut verstehen und du so schnell rappst. Es wäre mir unangenehm, wenn sie jedes Wort verstehen würden.“ Meine Frau ist auch deshalb super, weil sie mich nicht auf Biegen und Brechen ändern will. Werden Sie bei Streitigkeiten mit Ihrer Frau zum Battle-Rapper? Nein, ich mag keine langen emotionalen Aussprachen. Selbst in Filmen finde ich sie unangenehm und unnötig. Wenn ­meine Frau und ich ein Problem haben, lösen wir es mit ein paar klaren, einfachen Sätzen. Wer weiß, was Sache ist, muss nicht viele Worte machen oder Dinge dramatisieren. Oft sage ich zweieinhalb Sätze, und das war es dann für mich. Kennen Sie die Moderatorin und Rap‑Journalistin Visa Vie? Ja, sie ist eine Freundin von mir. Sie sagt, sie würde Monate brauchen, die Fälle von sexualisierter Gewalt in der deutschen Rap-Szene auf­ 44

„Ich habe Freunde, die Uhren für 300.000 Euro tragen.“ zuzählen, von denen sie weiß. Auch sie selbst sei ein Opfer. Meiner Erfahrung nach ist sexualisierte Gewalt kein Rap-typisches Problem, sondern ein gesellschaftliches. In der High Society gibt es wahrscheinlich nicht weniger Vergewaltigungen. Da gibt es

Typen, die um einiges krasser drauf sind. Ich kenne wenig Rapper mit einem ­Geisteszustand, der mich ver­muten ­lassen könnte, sie wüssten nicht, wo beim Umgang mit einer Frau die roten Linien verlaufen. Gendern Sie in Ihrem privaten Leben? Ich habe gehört, dass man eine Frau, die irgendwo zu Gast ist, nicht als Gast bezeichnet, sondern als Gästin. Vielleicht schaffe ich es, mir das in ein paar Jahren anzugewöhnen. Noch würde ich mir als Heuchler vorkommen, das Wort Gästin in den Mund zu nehmen. Die Frage ist doch, ob eine Unterscheidung einen ­konstruktiven Zweck erfüllt oder nicht. Wer von Astronauten spricht, sollte im selben Atemzug von Astronautinnen sprechen. Sonst könnte ein Mädchen denken, nur Jungs haben das Zeug, ins Weltall zu fliegen. THE RED BULLETIN


Warum beten so viele Rapper Geld und Reichtum an? Weil man es ihnen vorgelebt hat. Und weil sie noch nicht an dem Punkt waren, Geld zu haben und dann zu begreifen, dass Geld nicht glücklich macht. Wer ein tolles Auto und eine tolle Uhr hat, wird erst mal respektiert. Aber wenn das abgehakt ist, muss etwas anderes dazu­ kommen, sonst bleibt dein Leben leer und oberflächlich. Ich kann jeden ver­ stehen, der aus einfachsten Verhältnissen kommt und Geld für ein großes Ziel hält. Es wäre arrogant, dem zu sagen, Geld sei nicht erstrebenswert. Rap ist mittler­ weile ultrakommerzialisiert und Materia­ lismus extrem verbreitet – so wie in der ganzen Gesellschaft. Rap ist heute keine superpolitische Sache mehr wie zu Zeiten von Public Enemy in den Achtzigern. Fühlen Sie sich reich? Mein Verstand sagt, ich habe ausgesorgt. Mein Gefühl sagt, ich werde noch lange hart arbeiten müssen. Was machen Sie mit Ihrem Geld? Ich habe Freunde, die Uhren für 300.000 Euro tragen. Das würde mir keine Sicherheit geben. Mein emotional bester Kauf war ein Seegrundstück in Brandenburg, das ungefähr so viel ge­ kostet hat wie eine dieser Uhren. Als ich den Kaufvertrag unterschrieb, hatte ich das großartige Gefühl, etwas für die ­Zukunft meines Sohnes getan zu haben.

MAKE-UP: SABINE HÖGERL/NINA KLEIN

Ihr Kollege Capital Bra, bürgerlich Vladislav Balovatsky, hat mit dem „BraTee“ einen Eistee und mit der „Gangstarella“ eine Tiefkühlpizza in mehreren Geschmacksrichtungen in den Supermarktregalen. Würden Sie so was auch machen? Natürlich. Ich bin seit dreißig Jahren Vegetarier. Ein vegetarisches Produkt rauszubringen, das zu mir passt, würde ich jederzeit machen. Sie haben Ihrem Vater zum 60. Geburts­tag eine Rolex geschenkt. Wie hat er reagiert? Er hat sich schon gefreut, aber nicht wegen des Geldwerts. Meine Eltern sind Menschen, die von heute auf morgen auf all ihren Besitz verzichten würden, wenn dadurch die Welt besser werden würde. Sie halten den Kommunismus immer noch für das einzige Prinzip, das die Menschheit retten kann. Aber sie haben auch gelernt, cool damit zu sein, THE RED BULLETIN

„Meine Frau empfindet meine Texte als lustigen Stumpfsinn.“ dass ihr Sohn ihnen einen gewissen ­Komfort verschafft. Sie hatten mal einen Porsche, einen Lamborghini und einen türkisen ­McLaren 570S mit Flügeltüren. Den McLaren habe ich nach zwei Mona­ ten zurückgegeben, weil er unmensch­ lich laut war. Den konnte man im Alltag nicht nutzen. Der war zu radikal. Wie groß ist Ihr Fuhrpark heute? Ich fahre einen 911er-Porsche, meine Frau hat einen Mercedes G 63 AMG, ­einen Geländewagen. Fürchten Sie manchmal, wegen Ihres gehobenen Lebensstils könnten Ihnen beim Texten Themen ausgehen, die Menschen berühren, weil sie ihr Leben gespiegelt sehen? Überhaupt nicht. Beim Texten beziehe ich meine Gedanken von überallher: Müll, den ich gucke, Scheiß, den ich höre, Alltagssituationen, die ich mit­mache. Ich lebe ja nicht wie die Prin­zessin auf der Erbse und werde den ganzen Tag rumgetragen. Ich bin deutlich wort­ karger als früher, weil ich mittlerweile lieber zuhöre, als selbst dauernd zu ­quasseln. Ich habe große Freude daran, eine Blumenverkäuferin nach ihrem ­Leben auszufragen. Meine Frau verflucht mich manchmal dafür und dreht mir den Rücken zu. Als Ihr Sohn noch in die Kita ging, hat er an Kinder Probefahrten in Ihrem Lamborghini verschenkt. Wie ver­ hindern Sie, dass aus ihm ein Angeber und Großkotz wird? Wir versuchen ihn in vielen Gesprächen immer wieder, so gut es geht, zu erden. Irgendwann wird er in den Sommerferien einen Job annehmen müssen, der ihm

zeigt, wie schwer Geld zu verdienen ist. In seinem Alter gibt es die Tendenz zu sagen: „20 Euro? Das ist doch über­haupt nicht viel Geld!“ Da muss ich ihn dann sehr bremsen und ihm irgendwie begreif­ lich machen, wie lange man für 20 Euro netto an der Kasse von McDonald’s ­ar­beiten muss. Sie sind jetzt 46. Wollen Sie weiter­ machen, bis man Sie als meckernden Rap-Opa mit den Füßen voran von einer Bühne trägt? Mick Jagger ist Milliardär und steht immer noch auf der Bühne. Das ist doch das Geilste, was es gibt. Ich bin schon ewig ein riesiger Fan von Herbert Gröne­ meyer. Mit ihm einen Song zu machen ist ein großer Traum von mir. Er ist 65 und gibt nächstes Jahr 20-Jahre-„Mensch“Jubiläumskonzerte. Das finde ich bewun­ dernswert. Wie ich mich kenne, komme ich nicht drum herum, mit 65 immer noch Musik zu machen. Allerdings nicht mehr als Frontman. Ich bin nicht der ­Ultra-Star-Typ, der auf Fame und Gla­ mour aus ist und die ganze Zeit Applaus für sein Ego braucht. Eine Künstler­ schmiede gründen und junge Talente produzieren: Das wäre es! Gibt es einen Satz, der Sie im Leben begleitet und den Sie am liebsten ins Gehirn Ihres Sohnes einbrennen möchten? Es gibt zwei davon. Der eine lautet: „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem anderen zu.“ Der andere stammt aus dem Film „Unbroken“ über den amerikanischen Leichtathleten und Weltkriegshelden Louis Zamperini: „Ein kurzer Moment des Schmerzes für ein Leben voller Ruhm.“ Man kann manchmal nicht garantieren, dass etwas nicht wehtun wird, aber wenn man es trotzdem macht, wird man sich hinter­ her besser fühlen und ein Leben lang was davon haben.

K I N G

O F

R A P

KOOL SAVAS DIE 24 GESETZE

Kool Savas: „King of Rap – Die 24 Gesetze“, 368 Seiten, Verlag Droemer

45


BORN IN THE USA Jesse Marsch, hier in den Katakomben der Red Bull Arena in Leipzig, stammt aus Wisconsin und begann seine Karriere in Nordamerika.


Fußball

„ Erst im Chaos entstehen neue Lösungen“ Menschen sind ihm wichtiger als Strategien, aus Chaos schöpft er Kreativität, Verletzlichkeit sieht er als Führungsstärke: JESSE MARSCH, 47, Trainer von Fußball-Bundesligist RB Leipzig, erzählt, warum er Lernen als Schlüssel zum Leben sieht. Text CHRISTIAN SEILER Fotos JULIAN BAUMANN

THE RED BULLETIN

47


J

esse Marsch ist ein hellwacher Gesprächs­ partner. Er doziert nicht, sondern ver­ sucht, sämtliche Fragen klar, deutlich und offen zu beantworten. Auf Deutsch, nur ausnahmsweise, wenn ein Wort nicht sofort kommen will, auf Englisch. Marsch, 47, ist ein durch und durch ­ungewöhnlicher Fußballtrainer, und das nicht nur, weil er aus Wisconsin stammt, wo Fußball – also Soccer, wie er in den USA genannt wird – deutlich weniger Tradition hat als andere Sportarten wie Basketball oder Eishockey. Vor seiner Laufbahn als Fußballer in der US-amerikanischen Profi-Liga ­holte er sich einen Abschluss in amerika­ nischer Zeitgeschichte an der Elite­ universität Princeton. Nach vierzehn ­Saisonen in der Major League Soccer wechselte Marsch den Job und wurde CoTrainer der US-amerikanischen National­ mannschaft. Über Stationen in Montreal und Princeton kam Jesse Marsch 2015 als Cheftrainer zu den New York Red Bulls, wo er eine unvergleichlich erfolgreiche Periode einleitete, die meisten Siege in der Geschichte des Franchise (wie die ­Liga-Teilnehmer in den USA genannt werden) einfuhr und als „Trainer der ­Saison“ ausgezeichnet wurde. Nach drei­ einhalb Jahren wagte er den großen Schritt nach Europa und wurde an der Seite von Ralf Rangnick Co-Trainer bei RB Leipzig. Jesse Marsch liebt es, ins ­kalte Wasser zu springen: Schon seine ersten Interviews gab er auf Deutsch. Von Leipzig führte ihn sein Weg nach Salzburg, wo er zwei österreichische Meisterschaften gewann und mit den Salzburger Red Bulls in der Champions League für Furore und attraktive Auf­ tritte sorgte. Im Juni 2021 kehrte Jesse Marsch als Cheftrainer nach Leipzig ­zurück und stellt sich seiner bisher größ­ ten Herausforderung: der Deutschen Bundesliga. Herausforderungen sind 48

auch das Thema dieses Gesprächs. Jesse Marsch ist bekannt dafür, bei nahezu ­jeder Gelegenheit seine Komfortzone zu verlassen, um aus dem entstehenden Chaos seine Lehren zu ziehen. Ein Ge­ spräch darüber, was der Fußball über das Leben lehren kann – und umgekehrt. THE RED BULLETIN: Sie sind bekannt dafür, dass Sie sich erst wohlfühlen, wenn Sie Ihre Komfortzone verlassen. Was macht diese besondere Art der Anspannung mit Ihnen? JESSE MARSCH: Wenn die Lage hektisch und unübersichtlich ist, sind die Heraus­ forderungen besonders groß. Im Chaos entstehen zwangsläufig neue Gedanken und Lösungen. Nie arbeitet mein Kopf auf höheren Touren als im Chaos. Ihre Formel lautet also: Sie brauchen Chaos, um kreativ zu sein? Ja, ich glaube schon. Aber ich verstehe auch, dass hier in Deutschland viele Leute das Gefühl mögen, alles im Griff zu haben – die Agenda perfekt durchorganisiert, alle Aufgaben klar zugeteilt. Wie lösen Sie diesen Widerspruch? Wir haben das in den ersten Wochen ­innerhalb des Vereins thematisiert, mit dem Trainerstab, der Mannschaft, dem

ganzen Umfeld. Wir müssen eine Balance finden, die für alle richtig ist – nicht nur für mich. Auf jeden Fall müssen wir in der Gruppe das Gefühl verankern, dass wir permanent dazulernen, dass wir per­ manent neue Dinge verstehen müssen. Warum braucht es im Training Chaos? Jedes Spiel, das wir spielen, hat hektische, unübersichtliche Anteile. Die Spieler müssen lernen, jede Situation im Kopf zu verstehen, aber gleichzeitig körperlich mit voller Geschwindigkeit und Power reagieren zu können. Das ist meine Art, wie ich als Trainer eine Strategie für ­unsere Mannschaft entwickle. Taugt die Theorie nur für den Sport? Im Gegenteil, es geht um den Lern­ prozess an und für sich: Wie wir lernen, ­Situationen zu verstehen. Wie wir uns da­ durch weiterentwickeln. Jeden Tag einen neuen Schritt zu machen ist ein großer Teil unseres Erfolgs. Ich habe immer ge­ lernt: Der Erfolg kommt von allein, wenn wir ein Klima ständiger Lernprozesse und Herausforderungen schaffen. Wie geht das? Sie arbeiten mit einer großen Gruppe. Wie kann man diese Gruppe so fordern, dass sowohl die einzelnen Spieler als auch die Gruppe als Gemeinschaft die Herausforderung spürt – und annimmt? Die Idee unseres Fußballs, unsere Prin­ zipien und auch die Art, wie wir kommu­ nizieren und Beziehungen pflegen, sind klar. Von diesem Fundament gehen wir aus und testen neue Möglichkeiten. Die Ergebnisse hängen davon ab, wie schnell die Gruppe lernt.

„Wir genießen die Vielfalt. Im Team müssen nicht alle gleich sein.“ THE RED BULLETIN


Fußball

„Das Wichtigste ist Selbstlosigkeit. Meine Bedürfnisse kommen zuletzt, nicht zuerst.“ Unterschiedliche Menschen lernen unterschiedlich schnell. Das stimmt. Manchmal lernt ein Spieler, indem man mit ihm ein Video analysiert, manchmal zeigt man einem Spieler ­etwas direkt am Platz. Manche Spieler brauchen ein ausführliches Gespräch, manchen erklären wir ihre Aufgaben auf der Taktiktafel, manche verstehen mich blind. Welche Methode favorisieren Sie? Ich muss mit allen diesen Situationen gut zurechtkommen. Was ist als Trainer, als Anführer wichtig für mich? Nicht das einzelne Detail, sondern die Summe aller Details. Je mehr wir in der Gruppe das Gefühl haben, dass alle Puzzlesteine ­zusammenpassen, desto mehr Klarheit gewinnen wir. Und das ist immer das Ziel: Klarheit. War das auch in Ihrer eigenen Karriere so? Zuerst Chaos, dann Klarheit? Ja. Ich habe immer viel gelernt, wenn die Situation schwierig war. In Salzburg musste unsere Gruppe zum Beispiel ­verstehen, dass Gewinnen nicht immer Fortschritt bedeutet. Alle mussten ver­ stehen, dass schwierige Situationen mehr Ge­legenheiten bieten, etwas zu ­lernen und sich weiterzuentwickeln. Meinen Sie: Spiele zu verlieren? Im Februar 2020 stand in den Medien, dass wir in einer Krise sind. Wir hatten von sechs Spielen nur eines gewonnen. Waren aus der UEFA Europa League ge­ flogen. Hatten in der Liga ein paar Spiele verloren. Aber diese Niederlagen haben für mich einen Prozess gestartet. Ich be­ gann zu lernen, wie in Österreich Fußball im Winter funktioniert. Welche Ideen es braucht, bei schlechtem Wetter auf schlechten Plätzen Spiele zu gewinnen. THE RED BULLETIN

Diese Auseinandersetzung startete den Prozess? Genau. Und der Prozess war mein Ziel. Zuerst musste ich klären, was ich besser machen kann. Dann, was diese Ideen für die Gruppe bedeuten. Gemeinsam arbei­ teten wir an Lösungen. Mit dem Resultat, dass wir für die nächsten 18 Monate fast unschlagbar waren. Dieser Erfolg wäre aber nicht möglich gewesen, wären wir nicht in Schwierigkeiten gekommen – und hätten aus der Situation nicht die richtigen Lehren gezogen. Wie nehmen Sie diese Erfahrung mit, zum Beispiel von Salzburg nach ­Leipzig? Ich nehme mit, wie wichtig es für mich war, in Schwierigkeiten zu sein. Die ­Lösungen, die in Salzburg funktioniert haben, kann ich hier nicht brauchen. Aber die Erfahrung, wie wir den Lern­ prozess aufgesetzt und durchgezogen ­haben, schon. Wir haben eine gute Mann­ schaft hier in Leipzig, wir sind in einer super Ausgangslage. Aber entscheidend wird sein, dass wir in jeder Situation ­lernbereit bleiben und die richtigen Pro­ zesse in Gang setzen. Dann werden wir erfolgreich sein. Sehr erfolgreich sein. Wie fühlt sich der Schritt nach Leipzig für Sie persönlich an? Es ist einerseits eine Rückkehr, andererseits eine neue Aufgabe.

Ich fühle mich sehr gut. Ich bin vertraut mit Leipzig. Ich war ja nicht nur als CoTrainer bei Ralf Rangnick ein Jahr hier, sondern auch als Trainer von New York oft in Leipzig. Ich bin mit der Konstellation des Klubs und seinen Menschen vertraut. Ich habe ein Bild in meinem Kopf, wie ich mit dem Verein den nächsten Schritt machen kann. Es gibt keinen anderen Fußballtrainer auf der Welt, der ein Ivy League Degree hat, oder? Pellegrino Matarazzo (vom VfB Stuttgart; Anm.) hat an der Columbia studiert. Sie kamen als Fußballer nach Princeton, aber einen Abschluss bekommt man davon nicht. Sie haben in Geschichte abgeschlossen. Mit welchen Themen haben Sie sich da beschäftigt? Mit US-Geschichte des 21. Jahrhunderts. Aber das Wichtigste für mich war in Princeton die ständige Gegenwart heraus­ ragender Studenten, von denen ich Reife und Denken gelernt habe. Wo immer man hingeschaut hat – überall war Talent. Fiel Ihnen das Lernen leicht? Nein. Es war extrem schwer, Studium und Prüfungen zu schaffen und gleich­ zeitig die Zeitpläne als Sportler und ­Student einzuhalten. Es war Stress, ­sicher außerhalb meiner Komfortzone. Aber ich habe gelernt, dass außerhalb der Komfortzone die wichtigsten Dinge entstehen. Ich bekam viel mehr Selbst­ vertrauen und Persönlichkeit. Sie lernten sich selbst besser kennen? Und wie! Vor Princeton dachte ich, dass ich talentiert bin. In meiner Heimatstadt war ich ein guter Student und ein guter Sportler. Alles fiel mir leicht. Plötzlich war über Nacht alles schwierig. Es war wie Tag und Nacht. Erst kam ich damit nicht zurecht. Aber dann lernte ich, dass ich kämpfen muss. Wenn ich nicht kämp­ fe, habe ich keine Chance. Weniger reden, mehr zuhören, mehr a ­ rbeiten, weniger Spaß – das war damals die einzige Chance für mich, Erfolg zu haben. Wie hat sich diese Erkenntnis auf Ihre Arbeit als Trainer ausgewirkt? Ich habe gelernt, für den Erfolg zu ­kämpfen. Deutsch lernen, mehr Fußball lernen, Französisch lernen, Spanisch ­lernen, von anderen Trainern lernen. Die   49


Fußball

kompromisslose Bereitschaft zu lernen ist für mich ein Schlüssel zum Menschsein. Fußball als Lebensschule? Für mich ist Fußball die Plattform, auf der ich meine Lebensphilosophie um­ setzen kann. Aber ich glaube, dass die besten Trainer in jedem Sport Erfolg ­haben könnten. Wie das? Ein guter Trainer kennt die Antwort auf die Frage „Was ist wichtig und was nicht?“. Ich habe eine klare Vorstellung davon, wie der beste Fußball funktio­ niert. Ich mag unsere Idee von Fußball hier bei Red Bull. Aber ich hoffe, dass auch meine Philosophie von Leben und Lernen funktioniert, egal in welchem Sport oder Lebensbereich. Es geht dabei um Menschlichkeit, Zusammenhalt und Beziehungen – und darum, wie man klug in diese Themen investiert. Sie sind nach den ersten Trainerjobs für ein halbes Jahr auf Weltreise ­gegangen. Was hat das für Ihr Leben gebracht? Ich erzähle Ihnen eine Geschichte. Bevor ich Deutsch konnte, habe ich mir gemein­ sam mit Jochen Schneider (damals Leiter Sport bei RB Leipzig; Anm.) ein Spiel in Wolfsburg angeschaut. Vor dem Spiel sah ich im VIP-Room ein Interview mit einem Spieler auf dem Bildschirm. Der Spieler verwendete etwa fünfzehnmal das Wort „Druck“. Dann kam der Trainer und verwendete auch fünfzehnmal das Wort „Druck“. Also fragte ich Jochen, was dieses Wort bedeutet. Er sagte: „Pressure!“ Ich fragte zurück: „Pressure wie beim Auf-den-Mann-Gehen im ­Fußball?“ Er sagte: „Nein, Pressure wie sozia­ler Druck in der Öffentlichkeit!“ ­„Wieso?“, fragte ich. „Weil alle das Ge­ fühl ­haben, Erfolg haben zu müssen“, sagte Jochen. Dabei ist Druck nur, was man aus Druck macht. Druck ist relativ. Wenn man zum Stadion kommt und nur über Druck ­redet, dann kann man nicht mit freiem Kopf Fußball spielen oder Trainer sein. Was hat das mit der Weltreise zu tun? Ich habe auf meiner Weltreise gelernt, dass mehr als 99 Prozent der Menschen null Interesse daran haben, was etwa in der Major League Soccer passiert. Es ist diesen Menschen egal. Interessiert sie 50

nicht. Viele haben einen ganz anderen Druck – Lebensdruck, nicht Fußball­ druck. Auf dieser Reise habe ich gelernt, die Idee von Druck und Erfolg beiseite­ zulassen. Es ist viel wichtiger, e­ inen Pro­ zess in Gang zu bringen, dem Prozess treu zu bleiben und die Beziehungen mit den Menschen innerhalb ­dieses Pro­ zesses zu vertiefen. Je besser wir das zu­ sammen schaffen, desto besser können wir auch den Erfolg und die Ergebnisse kon­trollieren. Wie vermitteln Sie das Ihren Spielern? Sie müssen verstehen wollen, was unser Plan ist. Aber sie dürfen niemals den Druck spüren, dass sie einen Erfolgspass spielen oder andere Erfolgsmomente herstellen müssen. Sie sollen im Moment bleiben, die Energie der Mannschaft und der Mitspieler spüren. Klar, es braucht Konzentration und Klarheit, aber Freiheit muss auch dabei sein. Wie schaffen Sie diese Freiheit? Über die Mentalität der Gruppe auf dem Platz. Wenn einer einen Fehler macht oder etwas Schwieriges passiert, müssen alle zusammenhalten. Unsere Stärke ist der Zusammenhalt. Die Spieler sollen ver­ stehen, dass sie als Gruppe alles erreichen können. Sie stärken sich gegenseitig und entwickeln miteinander die Power. Das stelle ich mir gar nicht so einfach vor. Viele Spieler sind Individualisten, die unterschiedliche Ideen davon ­haben, was dieser Job für sie bedeutet. Wie lassen Sie die Spieler spüren, dass sie ein Team sein müssen?

Es ist mein Job, die Jungs zu verstehen und zu lernen, wie sie ticken. Das Ver­ ständnis für den Einzelnen ist eine wich­ tige Botschaft an alle. Aber darüber ­stehen die Ansprüche der Gruppe. Und diese Ansprüche sind sehr, sehr hoch. Das heißt, Respekt ist der Schlüssel? Respekt füreinander entsteht, indem man einander versteht. Ich mache viele Dinge für den Teamspirit, damit die Jungs einander kennenlernen, die K ­ ultur der einzelnen Spieler begreifen. Ich lasse sie zum Beispiel vor der Gruppe darüber reden, was in ihrem Leben zählt. Was ­bedeutet eine Fußball­situation? Was ­bedeutet eine Lebens­situation? Die Spieler präsentieren sich einander in all ihrer Unterschiedlichkeit? Ja. Wir genießen die Vielfalt. Wir müssen nicht alle gleich sein. Im Fußball ist das nicht möglich. Hier bei RB Leipzig haben wir ganz viele Spieler aus verschiedenen Ländern, Herkünften und Kulturen. Und wie vermitteln Sie die Gemeinsamkeit, die für die Mannschaft entscheidend ist? Zum Beispiel, indem ich deutsch mit der Gruppe rede. Auch wenn es einfacher wäre, wenn ich englisch redete – die Mehrheit versteht Englisch besser als Deutsch. Aber wir sind eine deutsche Mannschaft, deshalb müssen sich alle ein bisschen anpassen und aus dieser ­Anpassung lernen. Mein Deutsch ist ­simpel genug, dass mich alle verstehen. Es reicht für eine gute Kommunikation und gutes Verständnis. So kommen die Dinge zusammen und werden, Stück für Stück, ein Ganzes.

„Weniger reden, mehr zuhören, mehr arbeiten, das war meine Chance.“ THE RED BULLETIN


SCHLAUER KOPF

Marsch studierte amerikanische ­Geschichte an der ­US-Eliteuniversität Princeton.


Es gibt ein deutsches Wort, das heißt „Fehlerkultur“. Wie gehen Sie mit Fehlern um, auch mit den eigenen? Ich bin nicht zufrieden, wenn Fehler passieren. Aber ich bin der Erste, der einen Fehler zugibt – vor der Gruppe, kein ­Problem. Verletzlichkeit ist für mich als Anführer wichtig. Aber was ist überhaupt ein Fehler? Ein Ballverlust? Ein Gegentor? Solche Fehler berühren nicht unsere Idee von Fußball, unsere Idee vom Leben. Es wäre ein Fehler, wenn wir nicht alles geben – und wenn wir nichts dazulernen. Das verstehe ich als Fehler. Woher beziehen Sie Ihre Inspiration? Woher kommt Ihre Kreativität als Trainer? Meistens aus anderen Sportarten. Schon als ich noch auf der Universität war, habe ich in meiner Freizeit immer zugeschaut, was in an­deren Sportarten im Training gemacht ­wurde, und mit Trainern ­gesprochen. Ich habe viel vom Rudern gelernt, Wahnsinn.

Vom Rekordspieler der Major League Soccer an die Seitenlinie von RB Leipzig: eine Karriere im Schnelldurchlauf

SCHRITT ZURÜCK NACH VORN Als Cheftrainer der New York Red Bulls feierte Marsch rekordverdächtige Erfolge. Als ihn Ralf Rangnick (li.) 2018 nach Leipzig rief, zögerte er nicht, als Co-Trainer in die Bundesliga einzusteigen. Marsch lernte Deutsch und machte sich bereit für den nächsten Schritt.

VERLÄSSLICHE KRAFT Schon als Profi nahm Marsch stets Einfluss auf das Spiel. Als verlängerter Arm seines Trainers oder als Torschütze (hier 2005 beim Jubel für Chicago Fire). Mit 200 Regular Season Games stellte er einen Vereinsrekord auf.

Was lernt man von Ruderern für den Fußball? Ruderer sind um fünf Uhr früh auf dem See und arbeiten. Sie gehen im Wettkampf bis an ihre Grenze und darüber ­hinaus. Nach einem Rennen im Achter fahren sie über die Ziellinie, und alle acht Athleten fallen buchstäblich tot um. Mein Ziel wäre eine Fußballmannschaft, die diese Mentalität hat. Bringen Sie auch Erfahrungen aus ganz anderem Kontext ins Training ein? Ich versuche es. Ich war zum Beispiel am Google Campus – eine überragende Erfahrung! 52

EMOTIONEN AN DER SEITENLINIE Als Coach von Montreal Impact (2012) lernte Jesse Marsch das große Einmaleins des Trainerberufs – und Französisch. Er mutete sich zu, den Job in der Heimatsprache seines Teams zu ­be­wältigen. Was ihm auch gelang.

ERFOLGE NACH MASS Mit Red Bull Salzburg gewann Jesse Marsch zweimal das Double (2019/20 und 2020/21) und lieferte in der UEFA Champions League attraktive Spiele ab. Aber die wichtigsten ­Erfahrungen machte er nicht mit Siegen, ­sondern mit dem Bewältigen von Krisen.

HEIMKEHR NACH LEIPZIG Im Juli 2021 übernimmt Jesse Marsch den deutschen Vizemeister RB Leipzig. Ziel: gemeinsam den nächsten Schritt zu gehen, Titel zu gewinnen – vor allem aber: einander als Menschen kennenzulernen und zu verbessern.

THE RED BULLETIN

GETTY IMAGES (3), GEPA PICTURES, MOTIVIO/THOMAS EISENHUTH

Was leben Sie als Anführer der ­Gruppe vor? Das Wichtigste ist Selbstlosigkeit. Meine Bedürfnisse kommen zuletzt, nicht ­zuerst. Und es muss ein Gefühl für alle da sein. Ich habe eine Phrase, sie lautet: „All in“. Für mich bedeutet „All in“, dass man alles für die Gruppe gibt, besonders wenn es schwierig ist. Ich akzeptiere kein anderes Bedürfnis als das der Gruppe. Ich bin mit vielen Dingen sehr flexibel, außer damit. Auf Englisch heißt das „non-negotiable“, nicht verhandelbar. Ich habe keine Flexibilität für egoistisches Verhalten.

MARSCHSTATIONEN


Fußball

Inwiefern? Weil diese Menschen eine total andere Idee vom Leben haben. Alles ist anders als sonst. Überall Farben und Ideen. Die Leute chaotisch. Die Türen sind immer offen, nicht geschlossen. Das ist für mich Inspiration, das bringt Innovation. Auch Trainer wie Jürgen Klinsmann haben kulturelle Anreize gesetzt, ­Buddhafiguren aufgestellt oder mit den Spielern Yoga gemacht. Klingt das für Sie vertraut? Ich habe mit vielen Mannschaften Yoga gemacht, aber ich ändere Dinge nicht, um etwas zu ändern. Veränderungen müssen tiefer greifen. Eine Kernfrage lautet: Wie können wir unsere Lebens­ erfahrung nutzen, um ein stimmiges Um­ feld aufzubauen? Meine Kreativität zielt darauf ab, die Bedürfnisse der Gruppe zu erkennen und zu stützen. Mein Finger befindet sich am Puls der Gruppe, um zu erkennen, was sie für den nächsten Schritt braucht. Fallen Ihnen unkonventionelle Maß­ nahmen als Amerikaner leichter? Hat Ihre Herkunft eine Auswirkung auf die Arbeit – oder auch nur auf die Wahrnehmung dieser Arbeit? Ich bin nach Europa gekommen, um ­meine Lebensphilosophie in der Arbeit mit einer Mannschaft umzusetzen. In Salzburg habe ich gesehen, dass ich das dafür nötige Umfeld aufbauen kann und den Jungs das gebe, was sie brauchen. Gemeinsam wurden wir zu einer richtig starken Mannschaft.

Bauen Sie dabei auf Vorhandenes auf, oder gehen Sie neue Wege? Ich nehme alles, was gut zu mir und mei­ ner Idee einer richtig guten Mannschaft passt. Aber dann will ich wissen, welchen nächsten Schritt die Gruppe braucht. Welcher Prozess es uns ermöglicht, echt, ehrlich und klar zu sein. Ich glaube, das ist der Grund, dass ich – auch als Nach­ folger erfolgreicher Trainer – an neuen Stationen Erfolg habe. Sie sind optimistisch, dass das auch in Leipzig funktioniert? Ich bin mir sicher. Ich hoffe, dass wir mehr Persönlichkeit aus unseren talen­ tierten Spielern herausholen, weil wir umfassender denken. Nicht nur die Quali­ tät auf dem Platz entscheidet, sondern die Qualität und der Charakter der g ­ anzen Gruppe. Wenn wir die Menschen stär­ ken, werden wir auch mehr von ihrem Talent sehen. Das klingt fast wie die Handlungs­ weise eines Gurus. Ein bisschen. Das kann sein. Ich bin kein Guru, aber ich achte immer auf die Menschlichkeit in der Gruppe. Es interessieren Sie die Menschen, nicht die Spieler? Sicher. Wenn wir die Menschen ent­ wickeln, dann sind im Fußball die Bot­ schaften relativ einfach. Wenn die Jungs im schwierigsten Moment die beste Leis­ tung bringen können, weil sie mit sich selbst klar sind und unseren Plan, unsere Gemeinschaft und unsere Mentalität vor Augen haben, dann ist alles viel einfacher. Klarheit gibt Sicherheit auf dem Platz.

„Wenn wir die Menschen stärken, sehen wir mehr von ihrem Talent.“ THE RED BULLETIN

Gibt nicht die Taktik Sicherheit? Klar, Strategie und Taktik sind wichtig. Taktik bedeutet, wie man die Strategie umsetzt. Aber dafür braucht es Men­ schen. Die Spieler auf dem Platz sind Menschen, das muss im Plan vorgesehen sein. Und weil sie Menschen sind, brau­ chen sie ihre Freiheiten. Wenn man Sie an der Seitenlinie sieht, ist da vor allem eines: Emotion. Manchmal bin ich auch sauer, aber jede Emotion ist echt. Was Sie sehen, ist die Wahrheit. Sie sind kein Schauspieler. Nein, sicher nicht. Mir ist wichtig, dass die Spieler nicht mich anschauen, wenn sie auf dem Platz sind. Sie müssen auf die anderen Spieler schauen, nicht auf mich. Vor einem wichtigen Spiel sage ich in der Kabine oft: „Ich wünschte mir, ich wäre mit euch auf dem Platz. Aber ich bin auf der Bank. Mental und emotional bin ich bei euch.“ Was war bis jetzt der emotionalste ­Moment im Fußball für Sie? Ich glaube, es waren die Abschiede in New York und in Salzburg. Da hatte ich ein gebrochenes Herz. Ich bin so stolz auf alles, was wir zusammen erreicht ­haben. Aber ich bin innerlich leer, weil ich Mannschaften verlassen habe, die mir ans Herz gewachsen sind. Letzte Frage: Braucht ein guter Leader Humor? Muss man eine Gruppe zum Lachen bringen können? Ich glaube, Verletzlichkeit bedeutet, dass man über sich selbst lachen kann. Die Jungs müssen verstehen, dass ich nicht so ernst bin. Es gibt Momente, in denen wir konzentriert arbeiten. Aber wir müssen die Situation immer ­genießen, Spaß haben und miteinander und übereinander lachen. Ja, Humor ist sicher eine Hilfe. Alle Spiele und Termine: rbleipzig.com

53


„Ich sehe mich als Entwicklungshelfer“

Fordernd, überzeugend, mitreißend: Eine neue Generation erfolgreicher Trainer kommt aus der Schule von FußballVordenker RALF RANGNICK, 63. Hier erzählt er in eigenen Worten, warum nichts mehr motiviert als ein Chef, der dich besser macht. Aufgezeichnet von MARC BAUMANN 54

THE RED BULLETIN


Fußball

„RANGNICKIANER“ AUF REISEN Die aktuellen Klubs ehe­ maliger Rangnick-Trainer in England, Deutschland und den Niederlanden

PHILIPP HORAK, GETTY IMAGES

„M

an muss ein Stück weit zum Cheftrainer geboren sein, schon als Sechs­ jähriger wollte ich beim Kicken mit Neun­ jährigen die Mannschaften einteilen, das Spiel o ­ rganisieren und anderen zeigen, wie sie sich verbessern können. Ein Journalist hat kürzlich von der ‚Glaubens­gemeinschaft der Rangnickia­ ner‘ geschrieben, weil es inzwischen doch einige erfolg­reiche Trainer gibt, die von mir geholt oder gefördert wur­ den – wie Julian ­Nagelsmann, Marco Rose, Oliver Glasner, Adi Hütter oder Jesse Marsch. Mir war das gar nicht so bewusst. Aber es stimmt wohl. Ich sehe meinen Job inzwischen vor allem als ‚Entwicklungshelfer‘: Wenn die Ausbildung von Fußballprofis wie ein Puzzle aus 500 Teilen ist, dann haben wir dafür gesorgt, dass in Salzburg wie in Leipzig alle 500 Teile verbessert werden. Es ist zu einem Gütesiegel geworden, wenn jemand zwei, drei Jahre bei Red Bull gearbeitet hat – ob Trainer, Video­ analysten oder Scouts. Selbst die Köche sind uns schon abgeworben worden. Fürs ganzheitliche Konzept ist wichtig, jeden kleinsten Bereich seines Berufs auf Verbesserungspotenzial zu untersuchen. Der größte Motivator für Menschen ist nicht Geld, sondern einen Chef, Trainer oder Professor zu haben, der oder die dich besser macht. Dann werden dir die Spieler oder Mitarbeiter immer folgen. Ich hab vor der Geburt meines ersten Kindes ein Elternseminar besucht, das unter dem Motto stand: ‚Erziehung mit Liebe und Konsequenz‘. Genau darum geht es im Beruf, als Führungsperson. Die Spieler müssen das Gefühl haben, dass sie dir am Herzen liegen, aber auch, dass du in gewissen Bereichen trotzdem konsequente Entscheidungen triffst. Ein gemeinsamer Weg geht aber auch mal zu Ende, dann kann man als Chef einfach sagen ‚Alles Gute und tschüs!‘ – aber ich finde, als guter Vorgesetzter kümmerst du dich auch um die Zeit danach und hilfst, die bestmögliche Lösung für deren weiteren Lebensweg zu finden.“

THE RED BULLETIN

NIEDERLANDE ENGLAND

DEUTSCHLAND

DIE RANGNICKSCHULE IN EUROPA

Diese Spitzenklubs vertrauen auf Trainer aus dem System Rangnick. Ein Überblick:

WEG EINES VISIONÄRS

Ralf Rangnick führte als Trainer Hoffenheim und RB Leipzig in die Bundesliga. Er war Sportdirektor in Leipzig und beim FC Red Bull Salzburg und ist einer der Väter des modernen Pressing-Fußballs.

Borussia Dortmund Marco Rose, 45 Erreichte mit Borussia Mönchengladbach 2020 die Champions League, visiert nun mit dem BVB die Meisterschaft an.

FC Bayern München Julian Nagelsmann, 34 Unterschrieb im Juli Vierjahresvertrag beim Rekordmeister, gewann im August den Supercup im Finale gegen Dortmund.

Borussia Mönchengladbach PSV Eindhoven Roger Adi Hütter, 51 Schmidt, 54 Wurde mit Bern Schweizer Meister, erreichte mit Frankfurt 2019 das Halbfinale der UEFA Europa League.

SEITENLINIEN-STRATEGE Für die Saison 2018/19 übernahm Ralf Rangnick das Leipziger Traineramt. Hier gibt er den Spielern Kevin Kampl und Tyler Adams Anweisungen.

Kam mit Bayer Leverkusen zweimal ins UEFA-ChampionsLeague-Achtelfinale, holte mit dem PSV den Supercup.

Eintracht Frankfurt Oliver Glasner, 47

FC Southampton Ralph Hasenhüttl, 54

Stieß mit Wolfsburg 2020 ins Europa-League-Achtelfinale vor und qualifizierte sich 2021 für die Champions League.

Bewahrte den englischen Tradi­tionsklub 2019 vor dem Abstieg, eroberte 2020 kurzzeitig Platz eins.

55


Die Bessermacher Sechs Top-Trainer und was sie als Leader auszeichnet. Erklärt von ihrem früheren Mentor Ralf Rangnick. Adi Hütter

Borussia Mönchengladbach

Julian Nagelsmann FC Bayern München

Marco Rose

Borussia Dortmund

RANGNICKS BEOBACHTUNG „2013 wurde Adi mit dem Dorfklub SV Grödig Dritter in der Bundesliga. Das war erkennbar gute Arbeit.“

„Eine Kabinenansprache war nicht möglich, weil der U16-Trainer Nagelsmann nebenan so laut war.“

„Als Roger Schmidt 2014 von Red Bull Salz­ burg zu Leverkusen ging, haben wir e­ inen Nachfolger gesucht. Damals war Adi Hütter als Trainer des Aufsteigers aus G ­ rödig, ­einem Dorf mit 7300 Einwohnern, über­ raschend Dritter in Österreichs Bundesliga geworden. Ich hab gleich gemerkt, was für ein besonderer Mensch er war. Mit Grödig hat er ein brutales Pressing spielen lassen. Er hat auf seinen Stil vertraut und häufiger als ich auf erfahrene Spieler statt auf Ta­ lente gesetzt. Aus wenig sehr viel machen, das kann man von Adi Hütter lernen.“

„Ich sah Julian das erste Mal 2011, als er U16-Trainer war und mein Sohn gegen ­seine Mannschaft spielte. Zwei Dinge spra­ chen gleich für Julian: Er hat mir direkt eine E-Mail geschrieben und gefragt, wie ich seine Taktik fand und ihn selbst am Spielfeldrand. Und mein Sohn meinte, sein Trainer habe fast keine Kabinenansprache halten können, weil Nagelsmann nebenan so laut gewesen sei. Was nicht nur junge Chefs von Julian lernen können: Er ist von seiner Arbeits­ weise total überzeugt und bringt seine ­Ideen in die Herzen und Köpfe des Teams. Für mich ist Motivation nicht nur Inspiration, sondern vor allem Überzeugungstransfer, das muss eine Führungskraft schaffen. ­Julian hatte früh ein gesundes Selbst­ bewusstsein, mitunter auch sehr gesund. Dass er sich zutraut, den FC Bayern als ­direkter Nachfolger des irre erfolgreichen Hansi Flick zu übernehmen, sagt einiges.“

„Als Erwachsenentrainer ging Marco zur U16. Und hol­te einen europäischen Titel.“ Wieder vereint: Dortmunds Erling Haaland spielte schon in Salzburg unter Rose.

„In seiner ersten Saison als Cheftrainer von FC Lok Leipzig überzeugte Marco 2012/13 in den Derbys gegen RB Leipzig. Wir haben ihn dann zum FC Red Bull Salz­ burg geholt – als Trainer der U16. Der Schritt von den Herren in die Jugend sah wie ein Rückschritt aus, war aber genau richtig. Man muss mehr als nur eine Ent­ wicklungsstufe vorausdenken. Marco ­hatte in Salzburg ein perfektes Umfeld. Er gewann später mit der U18 sensationell die UEFA Youth League (2:1 im Finale ­gegen Benfica). Folglich wurde er Chef­ trainer der Profis. Diese Art der Karriere­ planung – notfalls auch einen Umweg zu gehen – hat Marco geradezu lehrbuch­ haft vorgelebt.“

2013: Grödigs Spieler feiern Hütter.

RANGNICKS FAZIT

„Hütter steht zu seinem Stil, holt das Optimum auch aus geringen Ressourcen.“ 56

„Nagelsmann bringt seine Ideen mit Über­­zeugungskraft in die Herzen und Köpfe des Teams.“

„Rose ist bereit, für den langfristigen Erfolg auch einen Schritt ­zurück zu gehen.“

THE RED BULLETIN


Fußball

Oliver Glasner

PICTUREDESK.COM (5), GETTY IMAGES (5)

SEÑOR SALME/SYNERGY

Eintracht Frankfurt

Ralph Hasenhüttl FC Southampton

Roger Schmidt PSV Eindhoven

„Oliver fragte mich beim Joggen nach einem Trainerjob. Diese Initiative hat mich beeindruckt.“

„Ralph verkörpert Glaubwürdigkeit. Und das ist die wichtigste Eigenschaft als Leiter eines Teams.“

„Rogers Übungen wirkten wie Reizüberflutung. Spieler sollten das Match als leichter empfinden als das Training.“

„Als ich 2012 Sportdirektor bei Red Bull Salzburg war, arbeitete Oliver dort im Büro. Wir sind frühmorgens joggen gegangen, und bald fragte er, ob der Co-Trainer-­Posten noch frei sei, er traue sich den Wechsel auf den Platz zu. Diese Initiative hat mich beeindruckt. Wenn er später als WolfsburgCoach mal zu Unrecht kritisiert wurde, blieb er professionell. Nach außen ist er ­ruhig, aber intern gar nicht zurückhaltend. So hat er mit Wolfsburg die UEFA Cham­ pions League erreicht. Das geht nur, wenn man sein Ego nicht über die Sache stellt.“

„Ralph war in seinen ersten Wochen bei RB Leipzig von dem Know-how der ihm zuarbeitenden Abteilungen sehr beeindruckt. Ich hab dann gesagt: ,Ralph, es ehrt dich, dass du alle hier so lobst, aber jetzt musst du das Steuer übernehmen.‘ Mit Ralph ist Leipzig dann direkt Zweiter hinter dem FC Bayern geworden. Ralph will sich weiterentwickeln und ist sehr offen für Neues, das kann sich jeder Vorgesetzte von ihm absehen. Er ist ein gefühlsbetonter Mensch und zeigt das auch authentisch als Chef, darum mag man ihn so. Glaubwürdigkeit ist mit die wichtigste Eigenschaft als Leiter eines Teams. Ralph achtet bei Niederlagen darauf, die Analyse nicht von Gefühlen bestimmen zu lassen. Die Nachbesprechung eines Spiels oder Events oder Projekts sollte auf Verbesserung abzielen und nicht darauf, Sündenböcke zu suchen.“

„Roger hat bereits als Salzburg-Trainer oft Übungseinheiten ausgewählt, die wie eine Reizüberflutung und Überforderung wirkten. Die Spieler sollten das Match am Wochenende fast als leichter empfinden. Moderner Fußball bedeutet ,train the brain‘, also unter beengten Verhältnissen und Zeitdruck schnell Entscheidungen zu treffen. Man sollte als Vorgesetzter neue Mitarbeiter kognitiv und emotional weiterbringen. Da geht es um Stressresistenz, schnelles Erkennen der Schwierigkeiten und einen permanenten Willen zum Erfolg.“

2020: Glasners Wolfsburger jubeln.

„Glasner stellt sein Ego hinter die gemeinsame Sache zurück.“ THE RED BULLETIN

Schmidt als Coach in Eindhoven

„Hasenhüttl gibt sich als Chef gefühlsbetont und authentisch.“

„Schmidt fordert ­seine Spieler kognitiv heraus­und steigert ihre Stressresistenz.“   57


HIER KOMME ICH Bike-Athletin Khothalang Leuta auf der PumptrackRennstrecke in ihrer Heimat Lesotho

58


Biken

Das Rennen ihres Lebens Die 18-jährige KHOTHALANG LEUTA ist auf dem Weg in die Weltspitze der Pumptrack-­ Szene. Und kämpft auf ihrem Bike erfolgreich gegen Vorurteile. Porträt einer jungen Frau, die das Denken in ihrer Heimat verändert. Text LEE NXUMALO  Bilder TYRONE BRADLEY

59


Biken

A

uf den ersten Blick wirkt Khothalang Leuta wie ein schüchternes 18-jähriges Mädchen. Doch sobald sie den Pumptrack in ihrer Heimatstadt Roma betritt, ändert sich das: Ihre Schritte werden schwungvoller, ihre Augen beginnen zu glänzen. Khothalang steht da und blickt selbstbewusst auf ihre Lieblingsstrecke. Pumptracks sind Bike-Parcours mit Wellen und Steilwänden, auf denen sich alles um die perfekte Körperspannung dreht. Speed erzeugt man hier nicht durch reine Muskelkraft, sondern durch Pumpbewegungen auf dem Rad – daher der Name. Bei Pumptrack-Rennen geht es vor allem um die Harmonie mit der Strecke. In der BMX-Community spricht man dann vom „ultimativen Flow“. Khothalangs Heimatstadt Roma liegt im Nordwesten von Lesotho – jenem

­ ergigen Königreich, das gänzlich von b Südafrika umschlossen ist – in einem ­Talkessel auf 1700 Meter Höhe. Grüne Kiefernwälder, 8000 Einwohner. Und eine junge Frau, die es von hier in die Weltspitze ihres Sports geschafft hat. Khothalangs Geschichte beweist, wie weit dich der Flow der Pumptrack-Strecke im Leben tragen kann. Denn wenn du weißt, wo du hinwillst, ist es egal, woher du kommst. Khothalang ist sieben, als sie mit dem BMX-Fahren beginnt. Zunächst als reine Spielerei. Doch eines Tages beobachtet sie in der Nähe ihrer Schule einen Kipplaster, Lieferwagen und verschwitzte Männer, die Erde schaufeln und Schubkarren durch die Gegend schieben. Sie legen das Fundament für jenen Pumptrack, der Khothalangs Leben verändern

KURVENLAGE Khothalang saß mit sieben zum ersten Mal auf einem BMX. Mittlerweile trainiert die Achtzehnjährige fast täglich. In Lesotho, dem 2-Millionen-Einwohner-Königreich im Süden Afrikas, gilt sie als Pionierin ihres Sports. 60

THE RED BULLETIN


STILLE HELDIN

Khothalang Leuta beim Fotoshoot für The Red Bulletin in Bocheletsane, Lesotho

THE RED BULLETIN

61


Biken

wird: 157 Meter Streckenlänge, sieben Steilwandkurven, drei Plattformen. „Der Pumptrack war mir zunächst ­unheimlich, trotzdem wollte ich ihn un­ bedingt ausprobieren“, sagt Khothalang Ende Juli, beim Interview in Roma. ­„ Außerdem hat es meinen Ehrgeiz an­ gestachelt, dass außer mir nur Jungs auf der Strecke waren.“ Wie schwer es ist, in Lesotho Mäd­ chen für den Bike-Sport zu begeistern, erzählt auch Maryke Zietsman, Kom­ munikationsmanagerin beim Schweizer Pumptrack-Hersteller Velosolutions: ­„ Anfangs hatten wir wirklich Mühe, die Mädchen aus der Umgebung auf die Bahn zu bekommen. Es war kulturell einfach nicht üblich. Wir mussten gegen das große Vorurteil kämpfen, dass die Rennstrecke nur etwas für Buben ist.“ Bald schon ist Khothalang ein Teil ­dieser kulturellen Veränderung. Sie räumt bei Turnieren in der Umgebung ab, sorgt international für Aufsehen. 2020 gewinnt sie die Damenklasse der Red Bull Pumptrack Championship-Qualifika­

tion in Roma. Das Top-Ergebnis bedeutet die Qualifikation für die Red Bull UCI Pumptrack-Weltmeisterschaft, die Mitte Oktober in Portugal stattfindet. Es ist der größte Erfolg ihrer bisherigen Karriere. Und ebenfalls ein großer Erfolg für die Menschen hinter dem Pumptrack-Projekt.

Eine Idee aus Kambodscha verändert das Leben in Lesotho

Der Pumptrack in Roma ist Teil der „Pump for Peace“-Initiative des ehe­ maligen Schweizer Downhill-Profis Claudio Caluori. Seine Firma Velo­ solutions baut Profi-Strecken für inter­ nationale Wett­bewerbe ebenso, wie kleinere Bahnen in ärmeren Gegenden oder sogar in Kriegsgebieten. Ziel von „Pump for Peace“ ist es, den Sport vor al­ lem für Kinder zugänglicher zu machen. Die Idee dafür hatte Caluori, als Velo­ solutions den Auftrag für einen Track im verarmten Grenzgebiet zwischen Thai­ land und Kambodscha bekam. „Als wir in Kambodscha fertig waren, standen sofort diese Kinder da, die mit allem, was sie

DER FLOW ENTSCHEIDET Auf sogenannten Pumptracks gewinnen die Fahrer durch Pumpbewegungen auf dem Bike an Geschwindigkeit. Hier zeigt Khothalang ihre Technik vor. 62

THE RED BULLETIN


BLICK VON OBEN

Lesothos Pump‑ track‑Szene wächst. Hier eine Strecke in Bocheletsane

Als Khothalang erste Erfolge feiert, trauen sich auch die Mädchen auf die Rennstrecke. THE RED BULLETIN

hatten, auf dem Pumptrack gefahren sind“, erinnert er sich. „Manche hatten alte, rostige Bikes, andere nicht einmal Pedale, aber sie sind trotzdem stundenlang rumgeflitzt. Ich hatte Tränen in den Augen. Und dachte mir: Das müssen wir überall auf der Welt möglich machen.“ Das erste Projekt unter dem Titel „Pump for Peace“ ist die Anlage in Roma. Die Bauarbeiten dauern knapp vier Wochen. Eine Herausforderung für Caluori und sein Team. Bagger und Geräte sind

in der abgelegenen Gegend schwer aufzutreiben. Schließlich bekommt das Team Hilfe von Menschen aus der Stadt, die Material besorgen oder mit bloßen Händen anpacken – der Pumptrack wird so zu einem Gemeinschaftsprojekt. Um die Instandhaltung kümmern sich seither die Leute aus Roma. „Sobald die Strecke fertig war, wurde die Gemeinde aktiv“, erinnert sich Caluori. „Die Leute organisierten ein Fahrrad-Leihsystem für Kinder, hielten die Strecke in Schuss und   63


Biken

Makhetha ein Fahrradgeschäft in Roma. Er verleiht und repariert Fahrräder zu ­einem günstigen Preis. Jeder soll Rad­ fahren können, wie arm er auch sein mag. Khothalang Leuta, die junge Spit­ zenathletin, trifft man regelmäßig in  seinem Laden. Denn sie fährt ein Bike, das sie sich hier ausleiht.

Rund um die Rennstrecke entstehen auch Freundschaften

BIKER-SZENE Khothalang (oben) ist das Vorbild für die Jungen und Mädchen in Roma. Ihr Kollege Karabelo Mohapi (unten) gehört ebenfalls zur Pumptrack-Clique der Stadt.

Weil Bagger und Geräte fehlen, packt die ganze Stadt mit an. 64

veranstalteten jede Woche kleine Events. Das Ganze ist mittlerweile weit mehr als eine Sportstätte.“ Tumelo Makhetha koordinierte da­ mals die Freiwilligen. „Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem wir asphal­ tierten“, erzählt er. „Wir mussten den ­Boden in die richtige Form bringen. Das war stundenlang harte Arbeit.“ Neben seinem Job als Eventmanager betreibt

„Khothalang war das erste Mädchen, das sich für den Pumptrack interessiert hat“, sagt Makhetha. „Ich kenne sie, seit sie mit dem Radfahren angefangen hat. Ich hätte damals nicht gedacht, dass sie dranbleibt. Weil sich die meisten Mäd­ chen einfach nicht so für Sport inter­ essieren wie Jungs. Wenn ich ehrlich bin, ich habe nicht daran geglaubt, dass sie auf das Level kommen würde, auf dem sie jetzt ist.“ Je mehr Zeit Khothalang auf dem Pumptrack verbringt, desto besessener wird sie. Die Achtzehnjährige studiert YouTube-Videos von BMX-Fahrern aus der ganzen Welt. Probiert deren Tricks auf der Bahn. Khothalang ist zwar als „Geschwindigkeitsmonster“ bekannt, hat aber auch einige Überraschungen auf ­Lager. Hin und wieder kann man sie bei Sprüngen über Rampen beobachten, die sie mit kreativer Streckenführung oder ihrem Spezialtrick kombiniert, dem ­Mega Manual. Da sie so viel Zeit auf dem Track ver­ bringt, findet sie Freunde unter den an­ deren Fahrern. Am besten versteht sie sich mit Kopano Matobo, Mosito Mohapi und dessen Cousin Karabelo Mohapi. Leuta kennt die drei schon seit sie ein kleines Mädchen war, echte Freund­ schaft wurde daraus aber erst auf der Rennstrecke. Von Leutas Ehrgeiz verschont bleibt freilich keiner der Jungs. Die vier disku­ tieren ständig, wer von ihnen am schnells­ ten ist. Leuta hat Kopano Matobo schon einmal besiegt und behauptet, auch ­Mosito Mohapi geschlagen zu haben. Spricht man ihn darauf an, streitet er ­alles ab, lächelt dabei aber. „Khothalang arbeitet hart“, sagt er, „sie motiviert uns und hat auch andere Mädchen inspiriert.“ THE RED BULLETIN


DER TREFFPUNKT Im Bikeshop von Tumelo Makhetha in Roma können die Einwohner ihre Räder kostengünstig reparieren lassen. Sportler der Pumptrack-Szene versorgen sich mit neuen Modellen. Hier im Bild prüft Khothalang ein Bike.

„Ich habe jeden Tag für diese Chance trainiert“, sagt Khothalang. Nun fliegt sie erstmals zu einer WM.

THE RED BULLETIN

Mosito wird gemeinsam mit Khothalang nach Portugal fahren. Für ihn ist es bereits die zweite Weltmeisterschaft. Bei der letzten im Jahr 2019 in der Schweiz schaffte er es unter die Top 30. Leuta war auch damals schon mit im Ren­ nen, verpasste aber knapp die Qualifika­ tion. Eine bittere Erfahrung, von der sie sich aber nicht entmutigen ließ. Im Gegen­ teil, sie bezog daraus die Motivation, noch besser zu werden: „Ich habe danach fast jeden Tag für die nächste Qualifika­ tion trainiert, auch am Wochenende.“

Ihre Karriere widmet sie ihrem verstorbenen Vater

Ihr Selbstvertrauen, ihre Entschlossen­ heit und ihren Willen führt Leuta auf ­ihren Vater zurück, der eine äußerst ­prägende Figur in ihrem Leben war. „Er hatte ein gutes Herz und kümmerte sich sehr um mich“, sagt sie. „Er brachte mir bei, niemals aufzugeben. Und er brachte mir bei, wie man ein Rad repariert.“ ­Khothalangs Vater stirbt 2010 bei einem Autounfall. Sie ist damals gerade in der ersten Klasse. Sie vermisst ihn, aber seine

Werte sind ihr noch immer eine Orien­ tierung im Leben. „Er wäre stolz gewe­ sen, wenn er gesehen hätte, wo ich jetzt bin“, sagt Leuta. „Er hat mir immer ge­ sagt, ich soll das machen, was ich will. Und mich durch nichts und niemanden davon abhalten lassen.“ Die Red Bull UCI Pump Track Weltmeisterschaft hat für sie daher eine besondere Bedeutung – sie ist eine Erinnerung an ihren Vater und eine Möglichkeit, ihre Familie stolz zu machen. Khothalang freut sich auf die Reise nach Portugal. Es wird das erste Mal sein, dass sie in einem Flugzeug sitzt. Sie weiß, dass sie nicht nur sich selbst ­repräsentiert, s­ ondern eine komplette Stadt, die hinter ihr steht. „Viele Leute sind stolz auf mich“, sagt Leuta. „Ich glaube, ich kann eine Inspi­ ration für die Mädchen sein. Ich wollte immer schon ins Ausland. Und ich hoffe, ich kann alle zum Staunen bringen, wozu ein Mädchen aus Roma imstande ist.“ Mehr über Khothalang in der Dokumentation „The Fastest Girl in the Village“ auf Red Bull TV

65


DER MANN IM

EIN TRAUM WIRD WAHR

Star-Freerunner Pasha Petkuns, 28, im weltgrößten Flipper in London

RIESENFLIPPER


Freerunning

„Mir doch egal, was die anderen von mir denken“: Mit diesem Mantra katapultierte sich PAVEL „PASHA“ PETKUNS in den Olymp der Freerunner und in eine glückliche Ehe – mit einem Pornostar. Sein jüngster Coup: Er verwandelt sich in die Kugel eines 20 Meter hohen Flippers. Text HOWARD CALVERT  Fotos LEO FRANCIS

67


Freerunning

A

ls Kind, erinnert sich Pavel Petkuns, wollte er so sein wie die Ninja Turtles, diese grünen ComicSuperhelden in Form von mutierten Schild­ kröten, die im Fernsehen der 1990er-Jahre das New Yorker Kanalsystem unsicher machten. „Meine Freunde und ich“, erzählt er, „haben ­alle ihre Bewegungen nachgemacht. Und um vier Uhr nachmittags sind wir dann nach Hause ­gelaufen, um die Sendung nicht zu verpassen.“ Nachsatz: „Ich war immer Raphael – das war mein Liebling.“ Heute ist Pasha Petkuns Draufgänger von ­Beruf: Der 28-Jährige ist einer der besten Freerunner der Welt. Mit einer Mischung aus Bodenturnen, Breakdance-Moves und Kampfsport-­ Elementen verwandeln Sportler wie er jede urbane Umgebung in einen Spielplatz. Bereits 2009, da war er gerade einmal sechzehn, machte er mit einem selbst gedrehten Video erstmals in der Szene von sich reden. Dann gewann der Mann aus Daugavpils dreimal hintereinander den globalen Freerunning-Wettbewerb Red Bull Art of Motion, zwei Parkour-Weltmeistertitel folgten. All das brachte ihm den ehrfurchtgebietenden Spitznamen „The Boss“ ein. Mittlerweile zogen seine akrobatischen Tricks auf TikTok 5,2 Millionen Follower an, auf Instagram folgen ihm 1,3 Millionen Menschen. Trotz all seiner Erfolge ist Pasha Petkuns ein Träumer geblieben. Ein Traum beginnt zum ­Beispiel damit, dass er sich plötzlich in einem Flipperautomaten wiederfindet. Der „Plunger“, wie der Kolben mit Aufziehfeder im Fachjargon heißt, schießt ihn als menschliche Flipperkugel in die Maschine. Und dann kommt, was kommen muss: Die Kugel wird zwischen den verschie­de­ nen Attraktionen des Automaten hin und her 68

BITTE FESTHALTEN

Petkuns klammert sich im vertikal aufgebauten, 20 Meter hohen Flipper fest.

THE RED BULLETIN


SPIELPLATZ

Eine Fotomontage zeigt die mensch­ liche Flipper­kugel in Action.


geschleudert. Wie die meisten Flipper hat auch der aus Petkuns’ Traum ein Thema: berühmte Sehenswürdigkeiten aus aller Welt – von der Spitze des ­Pariser Eiffelturms fliegt Pasha zur Chinesischen Mauer, und von dort zu einer Maya-Pyramide. „Cut!“, ruft Regisseur Mike Christie, und ein ­erschöpfter Pavel Petkuns fällt vorbei an zwei kräf­ tigen Männern, die die Flipperfinger mit Hebeln ­bedienen, und landet sicher auf einer Matte. „Davon träume ich schon lang“, kommentiert Petkuns später das absurde Schauspiel. Wir befinden uns in einem gigantischen Hangar im Nordwesten Londons, hier hat Pasha Petkuns’ verrückter Traum Gestalt angenommen: Die in Flutlicht getauchte ­Kulisse ist mit Worten kaum angemessen zu beschreiben; nicht einmal Fotos geben auch nur ansatzweise den Wahnsinn wieder, der hier tatsächlich stattfindet. Eine Wand, fünf Stockwerke hoch, erhebt sich in einem Winkel von 45 Grad bis zur ­Decke. An der Vorderseite sieht man alles, was einen Flipper so ausmacht – von hinten beleuchtete Bumper, riesige Flipperfinger, Slingshots und Kicker. An der Rückseite: ein gitterartiges Gerüst, der der 23 Tonnen schweren Konstruktion Stabilität verleiht. Auf einer Hebebühne sitzt ein Kameramann, über ihm schwebt eine Drohne. Die Anfänge des Projekts liegen bereits über ein Jahrzehnt zurück. „Die Konstruktion war die größte Herausforderung“, erklärt Regisseur Christie, der 2013 auch schon den reichlich surrealen Film „Imaginate“ mit der Bike-Trial-Legende Danny MacAskill drehte. „Es hat allein acht Monate gedauert, um auszutüfteln, wie wir es bauen sollen.“ Über zwei Jahre dauerten dann die Ausführung und die Testphase. „Die meisten Unternehmen, an die wir uns deswegen wandten, fanden die Idee zwar lustig, hielten uns aber für völlig geistesgestört.“ Die Fortbewegung in der Flipperwand ist am ehesten mit einer Fahrt in einem Wildwasserkanal zu vergleichen. Man fühle sich, versucht es Pasha Petkuns in Worte zu fassen, als würde man gleichzeitig stehen und liegen. „Ich spiele mit der Schwerkraft“, sagt er. Insgesamt sei das eine gewöhnungsbedürftige Übung: „Am ersten Tag dachte ich: Was hab ich nur getan?! Die Baumeister sagten zuerst: ‚Sieht aus wie ein lustiges Spielzeug.‘ Doch dann, als sie die Wand bis zur Decke hochgezogen hatten, meinten sie: ‚Das ist kein Spielzeug, das ist ein Mordinstrument!‘“ Wie hat Pasha Petkuns dann diese Mutprobe bestanden? „Ich musste mich selbst daran erinnern, dass ich für so etwas bereit war“, sagt er, „dass ich trainiert hatte und dass es mir sicher gefallen würde.“ Heute, vier Wochen nach dem Start, wisse er genau, was er tue. „Ich kann jetzt meine Geschwindigkeit kontrollieren – man springt nicht auf dieser Wand, man reitet darauf.“ 70

EIN SEHR SCHRÄGER SPASS

Allein die Konstruktion des Mega-Flippers nahm drei Jahre in Anspruch.

Petkuns schaut sich die Filmaufnahmen mit Sportdirektor Michael „Frosti“ Snow an.

THE RED BULLETIN


Freerunning

„Man springt nicht auf dieser Wand – man reitet darauf.“

D

SCHWERARBEIT FÜR DAS PERFEKTE FREERUNNING-VIDEO

Ein Kameramann auf seiner voll ausgefahrenen Hebebühne macht sich auf den Weg zur Arbeit.

THE RED BULLETIN

ie Leidenschaft fürs Freerunning entwickelte sich bei Pasha Petkuns in seinen Teenagerjahren: Die Ninja Turtles wurden da als Vorbilder von den Martial-Arts-Meistern Jackie Chan und Jean-Claude Van Damme abgelöst. Dazu faszinierten den Halbwüchsigen die Stars der Stummfilm-Ära der 1920er-Jahre – etwa Charlie Chaplin oder Buster Keaton. „Ich versuchte, ihre Sprünge und Bewegungen nachzuahmen“, erinnert sich Petkuns. „Später habe ich dann erkannt, dass ich noch viel von ihnen lernen kann – waren sie doch die Ersten, die mit Bewegung experimentiert haben. Wenn ich mir heute ihre Filme anschaue, fühle ich mich wie ein Archäologe: Ich analysiere ­ihre Bewegungen und probiere herauszufinden, wie sie das hin­gekriegt haben könnten.“ Auch den komischen Aspekt der Filme hat Pasha Petkuns in seine Kunst übernommen. Neben seinen akrobatischen Fähigkeiten ist das humoristische ­Element vermutlich verantwortlich für die hohe Zahl seiner Follower in den sozialen Medien. „Be­ wegung ist mehr als nur reine Bewegung“, erklärt der Meister. „Bewegung ist auch Kommunikation. Aber im Gegensatz zur Sprache wird Bewegung überall auf der Welt verstanden. A ­ lso erzählen wir Geschichten über Bewegung.“ Aber so philosophisch sieht es Petkuns erst heute. Zunächst war er einfach geflasht von den Tricks in den YouTube-Videos: Den Clip „The Russian Jumper“ von seinem Landsmann und Parkour-Pionier Oleg Vorslav von 2006 hat er „vielleicht tausendmal gesehen“. Da war etwa der „Gainer“, ein Rückwärtssalto in der Vorwärtsbewegung, den der junge Pavel unbedingt lernen wollte. „Tricks waren meine Währung“, erzählt er. „Ich wollte kein normaler Free­ runner werden, ich wollte immer anders sein.“ Wobei der Hang zum Risiko bei ihm in der Familie liege. Seine Mutter sei einmal aus dem zweiten Stock gesprungen, weil sie sich versehentlich aus der Wohnung ausgesperrt hatte. „Bei der Landung hat sie sich dann die Knie an den Kopf geschlagen“, sagt er und lacht. „Mama versteht, was ich mache. Wenn sie jünger wäre, sagt sie, würde sie dabei sein.“ Schon früh begann Petkuns, an Wettkämpfen teilzunehmen. Aber wahrgenommen wurde er erst, als er aufhörte, sich an Regeln zu halten. „Mir wurde beigebracht, dass ich die Dinge auf eine ganz bestimmte Art machen muss“, sagt Pasha. „Aber wenn   71


Freerunning

Petkuns kennt das. 2013 renkte er sich nach einem vierfachen Salto bei der Landung auf einem Trampo­ lin den Ellbogen aus. Ein Instagram-Clip hat den grausigen Moment festgehalten – obwohl das Video schon beim Anschauen wehtut, wurde es doch mehr als eine halbe Million Mal angeklickt. Auch heute wird es brenzlig. Bei einem auf den ersten Blick harmlosen Griff spürt Pasha einen leich­ ten Schmerz in der Hand. Tilt. Kein unnötiges Risiko, ab zur Überprüfung im Spital. Acht Stunden später tritt der Athlet aus einer ­orthopädisch-chirurgischen Praxis im Norden Lon­ dons. „Nicht gebrochen!“, sagt er strahlend und hält den verletzten Daumen hoch. Der Arzt hinter ihm kor­ri­giert: „Ein kleiner Bruch ist es schon.“ „Nur nicht dramatisch werden“, feixt Petkuns. Aber, ganz im Ernst: „Ich bin immer froh, eine Verletzung durchlebt zu haben. Das bedeutet, dass ich weiß, was ­passieren kann und wie ich damit umgehen muss.“

AUF EINEN SPRUNG NACH ARGENTINIEN

Freerunner Pavel Petkuns schaut in Südamerika vorbei.

„Am ersten Tag dachte ich: Mein Gott, was hab ich nur getan?!“ ich beschließe, dass ich, sagen wir, auf dem Gesicht rutschen will, dann mache ich das. Wer sagt, dass das nicht geht? Wenn du dir vorschreibst, ausschließ­ lich mit den Beinen aufzukommen, dann schränkst du dich damit nur ein. Der Körper ist ein Instrument, und du spielst darauf.“ Ein Zugang, der ihm bald nicht nur Siege bei Wettbewerben brachte. Auch Hollywood rief bald an. Petkuns übersiedelte nach Los Angeles und ­arbeitete als Stuntman – etwa in dem Actionstreifen „6 Underground“ von Regisseur Michael Bay (2019) oder in „Wonder Woman 1984“ (2020).

Z

urück am überlebensgroßen Flipper. Pasha Petkuns steht schon wieder ganz oben. Die Crew nimmt ihre Plätze ein für die nächste Einstellung, Sanitäter Chris Hewitt hält die Eisbeutel bereit. „Das sieht immer so leicht aus“, sagt er, „aber das ist es nicht. Er setzt seinen Körper enormem Druck aus, da kann immer was passieren.“

72

M

it Dramen kennt sich Pavel Petkuns auch in seinem Privatleben aus: Ende 2020 ­postete er ein Instagram-Video, in dem er vom Rücken der US-Erwachsenenfilm­ darstellerin Riley Reid einen Salto macht. BegleitText: „So hat der Pimp Flip (wörtliche Übersetzung: Zuhälter-Salto; Anm.) seinen Namen bekommen.“ Der Shitstorm war nur eine Frage von Minuten. Weder Petkuns noch Reid (die mit bürgerlichem Namen Ashley Matthews heißt) beteiligten sich an der zuweilen hitzigen Debatte zum Thema Sexismus in der Parkour-Szene. Pasha Petkuns hat sich noch nie darum geküm­ mert, was die Leute sagten oder von ihm hielten. Sechs Monate nach dem umstrittenen Video feierten die beiden Hochzeit. „Ich habe mich ziemlich schnell in sie verliebt, weil sie so eine wunderbare Persön­ lichkeit hat“, sagt er. „Sie ist die liebste Frau, die ich je getroffen habe.“ Jetzt freut er sich darauf, Papa zu werden – und „mit meinem Kind lustige ­Sachen zu machen und überall runter- oder entlangzurutschen.“ So ist denn auch der Stunt im Flipperautomaten als Metapher für die Fliehkraft zu sehen, die die ­Herausforderungen im Kosmos des Pasha Petkuns mitunter entwickeln. Dennoch hat sich der Lette ­eine simple Sicht auf das Leben bewahrt. „Hab keine Angst, über deine Träume zu sprechen“, rät er. „Wenn du ein Kind sein willst, sei kindisch. Wenn du dir eine zwanzig Meter hohe Flipperwand einbildest, dann kannst du das schaffen. Tu einfach, was dich glücklich macht. Ich muss auf niemanden hören, ich muss nur tun, was zu tun ist. Und wenn dieser Moment da ist, dann genieß ihn.“ Pasha Petkuns’ Video „Human Pinball“ ist ab 24. September abrufbar. QR Code links einscannen oder bei Red Bull TV vorbeischauen: redbull.com THE RED BULLETIN



SOUL, ELECTRIFIED Außergewöhnliche Aben­ teuer verlangen nach einer ­eingeschworenen Gemein­ schaft – davon sind die Red Bull-Athleten Petra Klingler, Dominik Gührs und Corinna Schwiegershausen überzeugt. Sie haben mit ­ihrem Taycan-Modell aus der vollelektrischen Bau­reihe von Porsche ihren Seelen­ verwandten ge­funden: ­Unverkennbare ­Porsche ­Design-DNA, gepaart mit großzügigem Stauraum und innovativen Lade­lösungen, stillt ihre Sehn­sucht nach Freiheit auf jeder Fahrt. *  L adezeit für Gleichstrom (DC) mit maximaler Ladeleistung für bis zu 100 km (WLTP) unter optimalen Bedingungen. Optimale Bedingungen: CCS-Schnellladesäule mit > 270 kW, > 850 V, Batterietemperatur 30 °C bis 35 °C und Ausgangsladezustand 5 %.

PETRA KLINGLER 29 Jahre, Disziplinen: Klettern, Bouldern, Eisklettern

Porsche Taycan Turbo Petra Klingler An steilen Felswänden ist die Boulder-Weltmeisterin und erfolgreichste Sportkletterin der Schweiz Petra Klingler in ihrem Element. Im Taycan Turbo – dem ersten vollelektrischen Sportwagen mit der Seele eines ­Porsche – macht sie sich auf den Weg, sich einen ihrer ganz großen Träume zu erfüllen: den genialen Boulderfelsen „Les yeux rouges“ zu klettern. Und auch im Bereich Ladedauer und Reichweite ist der Taycan wie für sie geschaffen: Dank seiner 800-Volt-Architektur genügen fünf Minuten*, um bis zu 100 Kilometer (WLTP) neue Reichweite zu bekommen. Das gibt Petra den unermüdlichen Antrieb, aus dem Alltag auszubrechen und raus in die Natur zu fahren, um ihre sportlichen Ziele zu erreichen. Taycan Turbo: Stromverbrauch kombiniert in kWh/100 km: 28,0 (NEFZ); 26,6–22,9 (WLTP); CO²-Emissionen kombiniert in g/km: 0 (NEFZ); 0 (WLTP); elektrische Reichweite in km: 383–452 (WLTP), 432–498 (WLTP innerorts); Stand 8/2021


ANZEIGE

Porsche Taycan 4S Cross Turismo Dominik Gührs Eigentlich wollte sich Dominik Gührs mit zehn Jahren ein Skateboard kaufen – am Ende kam er mit einem Wakeboard aus dem Laden. Weise Entscheidung: Heute ist der Münchner zweifacher Weltmeister und einer der erfolgreichsten Wake­ boarder Deutschlands. Abseits des Alltäglichen überzeugt auch sein Gefährte, der Taycan 4S Cross Turismo. Hinter dem Steuer dieses sportlichen Allrounders kann Dominik dem Drang nach Freiheit ungezügelt nachgehen. Denn im Vergleich zur den anderen elektrischen Porsche-Modellen ist der Cross Turismo ein E-Sportler mit mehr Laderaum, mehr Boden­ freiheit – und einem „Gravel“-Fahrmodus, der auch auf ­unwegsamen Pfaden souveränen Fahrspaß bietet. Perfekt, um Dominiks waghalsigen Traum zu verwirklichen: Snow­ boarden und Wakeboarden mit einer Line zu verbinden. Taycan 4S Cross Turismo: Stromverbrauch kombiniert in kWh / 100 km: 28,1 (NEFZ); 26,4–22,6 (WLTP); CO²-Emissionen kombiniert in g/km: 0 (NEFZ); 0 (WLTP); elektrische Reichweite in km: 388–452 (WLTP), 462–532 (WLTP innerorts); Stand: 8/2021

DOMINIK GÜHRS 31 Jahre, Disziplin: Wakeboarding

CORINNA SCHWIEGERSHAUSEN 49 Jahre, Disziplin: Drachenfliegen

Porsche Taycan Turbo S Cross Turismo Corinna Schwiegershausen

PORSCHE

„Ich flog schon mit Drachen, bevor ich Auto fahren ­konnte!“, erzählt Corinna Schwiegershausen, amtierende Europameisterin, vierfache Weltmeisterin und Deutsche Meisterin im Drachenfliegen. Die Bodenhaftung hat die gebürtige Bremerin allerdings nie verloren. Dafür sorgt auch der allradgetriebene Taycan Turbo S Cross Turismo. Die optionale Dachreling ermöglicht außerdem die Montage eines Dachträgers – perfekt zur Mitnahme von ­Corinnas Fluggerät. Und wenn sie ausnahmsweise nicht selbst durch die Lüfte segelt, lädt das optionale Pan­ orama-Festglasdach dazu ein, in den vorbeiziehenden Himmel zu blicken – mit ihrem großen Ziel vor ­Augen: Gold bei der Weltmeisterschaft 2022! Taycan Turbo S Cross Turismo: Stromverbrauch kombiniert in kWh / 100 km: 29,4 (NEFZ); 26,4–24,4 (WLTP); CO2-Emis­sionen kombiniert in g/km: 0 (NEFZ); 0 (WLTP); elektrische Reichweite in km: 388–419 (WLTP), 460–495 (WLTP inner­orts); Stand 8/21

Erlebe jetzt die Abenteuer der Red Bull Athleten mit dem Taycan unter: porsche.de/redbullathleten


NICHT NUR IN TERMINEN SCHWIMMEN?


GUIDE Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

EIN GENUSS­ WOCHENENDE IN DEN DOLOMITEN

KIRSTEN SÖRRIES

HANNES KROPIK

Trial-Mountainbiker Tom Öhler, 38, setzt sich entspannt aufs E-Bike und erweitert übers Wochenende seine innere Landkarte von Südtirol.

Tom Öhler am Peitlerkofel. Der Berg lässt sich mit dem E-Bike in knapp zweieinhalb Stunden umrunden.

77


GUIDE Reisen

„Mit dem E-Bike kannst du Gegenden erkunden, die du mit dem normalen Bike so schnell nicht erreichst.“ Tom Öhler über die Wahl seines Fahrrads für die ­Wochenend-Genusstour durch Südtirol

B

eim Schlafen habe ich es gern ­etwas kühler, deshalb parke ich meinen Camper lieber ein Stück weiter oben am Berg. Wildcamping ist in Südtirol zwar nicht erlaubt, aber wer – wie ich – in Gasthöfen einkehrt und höf­ lich fragt, findet meistens recht leicht ein ruhiges Plätzchen. Ich starte mein Wochenende in den Dolomiten mit einem wunderschönen Blick hinunter vom Würzjoch. Ich ver­ anstalte seit einigen Jahren immer wieder Fahrtechnikcamps hier in dieser Gegend. Deshalb kenne ich mich schon ganz gut aus, aber ich will noch weitere Spots ­kennenlernen und damit meine innere Landkarte Südtirols vergrößern. Für diesen Zweck eignet sich das E‑Mountainbike perfekt: Du kannst ­Gegenden erkunden, die du mit einem nor­malen Bike nicht so schnell erreichst. Mit dem E ­ -MTB schaffe ich das, was sonst eine ­Tagestour ist, in zwei bis drei Stunden – und finde trotzdem noch die Muße, den Blick schweifen zu lassen und die herrliche Landschaft zu genießen. Meine erste Tour führt mich vom Würz­ joch einmal um den 2875 Meter hohen Peitlerkofel herum. Ich genieße diese f­ lotte Runde – würde sie aber nur wirklich ge­ übten Bikern empfehlen: In der Abfahrt geht es über eine exponierte Scharte, die doch gehobene Anforderungen an die Fahrtechnik stellt. Südtirol bietet perfekte Bedingungen für Mountainbiker. Ich verbringe hier im Frühjahr und Spätherbst viel Zeit, wenn

78

Durch das wilde Nigertal: eine geschmeidige Abfahrt auf dem Carezza Bike Trail

Kurze Entspannungspause vor der letzten Etappe durch den Rosengarten: Tom genießt den feinen ­Ausblick ins Eggental. THE RED BULLETIN


SÜDTIROL Bozen

Italien

Rom

Wohin soll’s gehen? Südlich des Brenners liegt ein wahres Bike-Paradies. Die Dolomiten mit ihren ­vielen kleinen Seitentälern bieten abwechslungsreiche Trails jeder Schwierigkeitsstufe – egal ob Uphill oder Downhill. Tom Öhler bietet über seine Homepage smooth.at und über facebook.com/­ tomoehler regelmäßig

Fahrtechnikcamps an. Wie atemberaubend der Wahl-Tiroler fährt, wenn er es ernst meint, seht ihr auf redbull.de, Stichwort „Tom Oehler rides the Dolomites“. Nächstgelegener inter­ nationaler Flughafen: Bozen, Innsbruck

Toms tollste Trails Drei Highlights aus Tom Öhlers Wochenend-Ausflug

KIRSTEN SÖRRIES

HANNES KROPIK

1. BRIXEN BIKEPARK Im Brixen Bikepark auf der Plose gibt es vier Downhill-Trails. Tom Öhlers ­Favorit ist die „Palm Pro Line“: „Ein anspruchsvoller Mix aus natürlichem Trail und handgebauten Hindernissen auf 2,5 Kilometer Länge. 265 Höhenmeter, 11 Prozent Neigung.“ plose.org/sommer/brixen-bike­ park-2.html

bei mir zu Hause im Stubaital zu viel Schnee auf den Trails liegt. Der feine ­Kiesel auf den Schotterwegen ist manchmal ein bisschen rutschig, aber nicht so scharfkantig wie zum Beispiel rund um den Gardasee. Die geschmeidigen Wanderwege kommen meinem verspielten Fahrstil generell entgegen.

2. NIGERTAL Der Carezza Bike Trail durch das Nigertal, 20 Minuten mit dem Auto von Bozen entfernt, bietet mehr als 20 Sprünge, 45 Steilkurven sowie ­eine 1,8 Kilometer lange Pumpline. carezza.it/de/Sommer/ Carezza-Bike-Trail

Pushen auf dem E-Bike Prinzipiell macht es für mich keinen ­Unterschied, ob ich motorisiert oder mit reiner Muskelkraft unterwegs bin. Mein E-Bike, ein Liteville 301 CE, wiegt rund 22 Kilo. Aufgrund seines niedrigen Schwerpunkts liegt es bergab wie ein Brett, ohne dabei behäbig zu sein. THE RED BULLETIN

Oben: Wheelie auf der neuen Hängebrücke im Fassatal, sie führt von der Liftstation zum Karer­ see. Unten: Tom vor dem Peitlerkofel

3. FASSATAL Top im Fassatal ist der Trail vom Karer­pass über Wanderwege nach Soraga di Fassa, zurück über Schotterstraßen Richtung Karersee und über alte Steige zur Talstation der ­Carezza-Bahn. „740 Höhenmeter uphill, 1280 Höhenmeter downhill auf 26 Kilo­metern. Hier ist selbst auf dem E‑Bike gute Kondition gefragt.“

79


GUIDE Reisen

Spannender Bike-Park Vom Peitlerkofel fahre ich mit dem Camper weiter zur Plose, einem Ge­ birgsstock in den Lüsner Bergen. Dort liegt der Brixen Bikepark mit vier unter­ schiedlich schwierigen Mountainbike­ strecken. Neben den gebauten Trails gibt es auch schöne natürliche Heraus­ forderungen. Bergauf nehme ich den Lift. Ich bin ja zum Vergnügen hier. Dass ich mich hier wie zu Hause ­fühle, hat familiäre Gründe: Ich bin zwar in Linz zur Welt gekommen, aber mein Opa väterlicherseits war Südtiroler. Er stammte aus Ritten, ganz in der Nähe meiner abschließenden Tour, bei der ich den Rosengarten erkunde. Was so 80

„Bei 22 Kilo überlegst du es dir zweimal, ob du das Bike ­schultern möchtest.“ Tom Öhler steigt auch bergauf selten ab.

lieblich klingt, ist ein rund acht Kilo­ meter langes Bergmassiv an der Grenze Südtirols zum Trentino. Das E-Bike schenkt mir zusätzliche Freiheiten. Die Motorunterstützung er­ laubt es mir, Anstiege zu nehmen, die ich allein mit Muskelkraft kaum fahren könnte. Gerade bergauf kommen mir meine Erfahrungen aus dem MotorradTrial zugute: Ich weiß, wie ich Hinder­ nisse anfahren muss, um vielleicht doch noch ein paar weitere Höhenmeter zu schaffen. Angesichts seiner 22 Kilo überlegst du es dir zweimal, ob du das E-Bike wirklich schultern möchtest. Bevor ich wieder heimfahre, gönne ich mir noch den Anstieg hinauf zur ­Laurins Lounge. Dort genieße ich auf über 2300 Meter Seehöhe ein groß­ artiges Rote-Rüben-Risotto und den grandiosen Fernblick. Dann steige ich noch einmal auf mein E-Bike und drehe ein paar letzte Runden auf dem Carezza Bike Trail. Mehr über Tom Öhler: smooth.at THE RED BULLETIN

KIRSTEN SÖRRIES

Es wäre verlockend, wegen der Motor­unterstützung einfach die Beine baumeln zu lassen. Aber das inter­ essiert mich nicht. Ich fahre das E-Bike noch aktiver als das Bio-Bike: Jede Un­ ebenheit nutze ich zu meinem Vorteil; ich pushe, pushe, pushe.

HANNES KROPIK

Der 2875 Meter hohe Peitlerkofel in seiner ganzen Schönheit: Er ist der höchste Gipfel der Peitlerkofelgruppe.


ÖSTERREICHS GRÖSSTE BIKE-REGION

über 80km Lines & Trails - 9 Bergbahnen - 7 Berge bike.saalbach.com


GUIDE Uhren

TAK-TICK

Zeit für 007 Eine Uhr für James Bond – eine spannende Aufgabe für Omega. Dafür gab es Unterstützung von Darsteller Daniel Craig.

Omega passte perfekt in dieses Muster, besonders ­deren Taucheruhrenserie Seamaster, inspiriert von den Uhren der britischen Marine im Zweiten Weltkrieg: stilvoll und elegant, vor allem aber: praktisch.

Perfekter Look: Dafür gab Daniel Craig Omega interessante Tipps.

82

Vor dem neuesten Aben­ teuer „Keine Zeit zu sterben“ durfte sich der Hersteller im Entwicklungsprozess promi­ nent beraten fühlen: „Ich bin mit ein paar Vorschlägen ­gekommen“, sagt Bond-Dar­ steller Daniel Craig, „und sie haben mitgemacht.“ Die Rede ist von der Omega Seamaster Diver 300M 007. Craigs Einflüsse finden sich in der Verwendung von leich­ terem Titan anstelle von Edel­ stahl – „Der Unterschied sind nur wenige Gramm, trotzdem kann ich sie tragen, ohne dar­ über nachzudenken“ – und im zusätzlichen NATO-Armband wieder. Omega verpasste der Uhr zudem Zahlen und Indizes in „tropischem“ Braun, um zu kennzeichnen, wo 007 zu

Beginn des Films in seinem Leben steht. „Auf Jamaika, auf seinem Boot, quasi in ­Pension“, erklärt Craig. „Das leuchtet total ein.“ Dann ist da noch der militä­ rische Konnex sowie eine An­ spielung auf Bonds ursprüng­ lichen Hintergrund als Marine­ kommandant bei Ian Fleming, dem Autor der Originalromane. Oberhalb des 6-Uhr-­Zeichens finden sich Insig­nien, die auf jeder britischen Militär­ uhr auftauchen – der „breite Pfeil“ – und auch auf der Rückseite gespiegelt werden, nämlich oberhalb der I­ nschrift 0552 (dem Code für die Marine­besatzung), 923 7697 (für eine Taucheruhr), A (für eine Krone zum Hinein­ schrauben) und 007 62 (für Bonds berühmte Kennzahl und das Beginnjahr der Film­ reihe). „Omega und das briti­ sche M ­ ilitär, die ganze Tradi­ tion ist da“, freut sich Craig. „Diese Zusammenhänge ­waren mir wichtig.“ „Keine Zeit zu sterben“ läuft ab 30. September im Kino. Mehr über die Omega Seamaster Diver 300M 007 auf omegawatches.com THE RED BULLETIN

TOM GUISE

Wie sein Auto und seine Bekleidung muss Bonds Uhr verkörpern, wer er ist.

OMEGA

James Bond und Omega – das ist eine Beziehung, die seit mehr als einem Viertel­ jahrhundert währt – begon­ nen hat alles mit „GoldenEye“ im Jahr 1995. Von entschei­ dender Bedeutung: dass des Geheimagenten Chronometer ebenso wie sein Auto, seine Bekleidung, sein Getränk der Wahl und seine musikalische Untermalung klarmachen, wer er ist. Ein Mann der Ge­ gensätze: Charmeur und Draufgänger, glamourös und diskret, ausgestattet mit ex­ klusiven Accessoires des Ge­ heimdienstes I­ hrer Majestät.

Zeichen der Zeit: Der „breite Pfeil“ unten am Zifferblatt findet sich auf allen Uhren des britischen Militärs.


GUIDE Kalender

18

& 19. September LAN-PARTY IM SCHLOSS

17 bis 19. September IM TIEFFLUG DURCHS SAUERLAND

Mit seinem Volk ein Im­ perium hochziehen und Gegner besiegen: Darum geht’s in „Age of Empires 2: Definitive Edition“. Beim Finale des Turniers Red Bull Wololo treten die weltbesten 14 Spieler auf Schloss Heidelberg an. redbull.com/wololo

DIRTMASTER FESTIVAL, RED BULL CONTENT POOL, BOGDAN KOSANOVIC/RED BULL CONTENT POOL, MANUELA-MARIA HORNEMANN/RED BULL CONTENT POOL

Kein geringeres als das Mountainbike-Festival Crankworx in Whistler, British Columbia, diente den Machern dieses Events als Vorbild: Bei den iXS Dirt Masters in Winterberg kommen Spitzen­fahrer (im Bild: Robin Novotny aus Tschechien) und tausende Zuschauer zusammen, um gemeinsam ihre Leidenschaft fürs Biken zu feiern. Neben Wettbewerben in Disziplinen wie Downhill, Slopestyle und Enduro gibt’s auch Musik-Acts und eine Messe. Winterberg; dirtmasters-festival.de

16

16

bis 19. September BULLI-PARADE AM STRAND

Wenn sich in Kägsdorf an der Ostsee die Bullis drängen, startet wieder das „zuparken“-Festival. Gemeinsam campieren die Besucher am Strand, treiben Sport (Surfen, Slacklinen, Yoga), ­erleben Kultur (Didgeridoo, Sieb­ druck) und lauschen Konzerten (Line-up: ge­ heim!). Vor allem aber genießen sie die gemein­ same Zeit. Alle Infos: zuparken.de THE RED BULLETIN

26 September SIE HEBEN WIEDER AB Verrückte Flugobjekte, kühne Crews und jede Menge Unter­haltung: Neun Jahre nach der Premiere steigt in Wien wieder der Red Bull Flugtag. Über 40 Teams wagen sich mit ihren Fluggeräten auf die Rampe in Wiens Brigittenauer Bucht. Bewertet werden Präsen­­ tation und Flug. ServusTV berichtet live ab 15 Uhr. servustv.com

Oktober STÄDTE-CLASH Berlin oder Köln? Red Bull Superiocity klärt, wo Deutschlands Gaming-­ Hauptstadt liegt. Mit den Streamern Papaplatte (im LVL, Berlin) und Rewinside (Bild o., im Xperion, Köln) treten die Teams im Shooter „PlayerUnknown’s Battle­ grounds“ an. Jetzt an­ melden: redbull.com   83


INS ARCHIV GESCHLÜPFT

EINMAL SOMMER, BITTE!

COLMAR × VASEGHI

Bei all dem Herbst auf diesen Seiten noch einmal ein Gefühl von Sommer – der Schweizer Fotograf Dominik Baur hat für sein Buch „The Flow“ die schönsten Surf­ spots in Frankreich, Spanien und Portugal besucht. Schön, mit ihm einzutauchen.  dominikbaur.com

„THE FLOW“

Zum dritten Mal hat das italie­ nische Familienunternehmen ­einem Designer die Chance ge­ geben, in den Firmenarchiven zu stöbern. Morteza Vaseghi nutzte die Chance und schuf eine kuschelig-moderne ­Winterkollektion.  colmar.it

NICHT ZU ÜBERSEHEN Rock für außen drüber – fein für frische Tage

Richtig gutes Zeug Der Herbst kann was – wie wir hier zeigen. Mit besten Empfehlungen der Redaktion.

WÜRFEL FINDET GEFALLEN POET-ZERO Ein Würfel (Kantenlänge: 22,4 cm), der so klingt, wie er aussieht – fantastisch. ­Entwickelt wurde der Blue­ tooth-Lautsprecher von Ton­ ingenieuren und Musikern in Graz. Ihr Versprechen: ­perfekter Hi-Fi-Sound, der Aug’ und Ohr erfreut. poetsoundsystems.com

SOUND ZUM GERNSEHEN Klarer Sound, klare Optik – der Laut­ sprecher von Poet

84

THE RED BULLETIN

FRANCESCO PONZONI, THE FLOW, POET AUDIO, KARL LAGERFELD (2), GETTY IMAGES, GRILLTISCH HEDINGER, MAISON MARGIELA

Text WOLFGANG WIESER


GUIDE Tipps & Trends

EIN FEURIGER ANBLICK GRILLTISCH HEDINGER Jetzt, da es langsam kühler wird und die Lust aufs ­Kuscheln steigt, kommt uns dieser Tisch gerade recht. Er bringt Feuer in unser Zuhause – spezieller Chrom‑ stahl macht Grillen drinnen möglich, ohne dass der Tisch zu Zunder wird.  grilltisch-hedinger.ch

BUNTES TREIBEN Tote Bag aus der Kooperation von Lagerfeld und Ize

WIR SIND ALLE ALIENS COLDPLAY Mitte Oktober erscheint das neue Coldplay-Album – Chris Martin (Bild) stimmt uns mit neuen Tracks darauf ein. Dürfte ein interessanter Trip werden, zentrale Botschaft: „Jeder ist irgendwo ein Alien.“ coldplay.com

SO DUFTET EIN SPAZIERGANG DEN HERBST TRAGEN KARL LAGERFELD × KENNETH IZE

Kenneth Ize, Designer

Schöne neue Modewelt – Kenneth Ize, nigerianischer Designer mit Ausbildung an der Wiener Angewandten, hat für das Label Karl Lagerfeld eine farbenfrohe, ­optimistische Kollektion entworfen. Passt perfekt zum bunten Herbstwald.  karl.com

THE RED BULLETIN

‑REPLICA AUTUMN VIBES Laub raschelt, Moos wächst auf Bäumen, die Blätter fallen – als Parfümeurin Fanny Bal diesen Duft entwickelte, spazierte sie durch einen Herbstwald. Und genau den riechen wir auch. @maisonmargielafragrances

85


KLANG-KÜNSTLER BEYERDYNAMIC AMIRON WIRELESS COPPER Musik-Freaks predigen es schon lange: High-End-Kopfhörer haben mit gängigen Modellen so viel zu tun wie ein Achtzylinder mit einem Tretauto. Wer sich mit dem kabellosen Modell in die Couch sinken lässt, darf sich über so satte Bässe, vollendete Mitten und klare Höhen freuen, wie man sie selten gehört hat. 799 Euro, beyerdynamic.de

Room Service!

Damit du ab Herbst zu Hause bestens unterhalten wirst: innovative Gadgets – fürs Wohnzimmer wie für die Gaming-Ecke. 86

THE RED BULLETIN


GUIDE Home Entertainment

Wohnzimmer

ZAUBER-KUGEL AMAZON ECHO (4. GENERATION) Wer wenig Platz für eine große Anlage hat, könnte Gefallen am neuen Echo finden. Der Lautsprecher hat für sein kleines Format ­einen überraschend satten Klang, der sich automatisch an die Raumgröße anpasst. Und natürlich hilft die smarte Kugel auch im Haushalt mit, etwa indem sie das Licht ausschaltet. Circa 100 Euro, amazon.de

Großes Klang-Kino

Teufel CINEBAR 11 Surround „4.1-Set“

Mit einem kompakten Subwoofer, zwei unauffälligen Funklautsprechern und einer eleganten Soundbar (nicht im Bild) ermöglicht diese Anlage ein kinowürdiges Surround-Sound-Klangerlebnis. Praktisch: Das Einrichten ist mit dem Anstecken so gut wie erledigt. Circa 750 Euro, teufel.de

SCHARFES TEIL

LICHTE MOMENTE

SCHWARZ SEHEN

PANASONIC TX-65JZW1004 OLED TV

LG CINEBEAM HU810PW

APPLE TV 4K

Dieser brillante 65-Zoll-OLED-Fernseher ist ganz auf moderne Sehgewohnheiten aus­ gerichtet: Ein Prozessor analysiert mithilfe von KI das eingehende Signal und passt die Bildeigenschaften perfekt an. Ein eigener Netflix-Modus ermöglicht es, die Inhalte des Streaming-Anbieters auch in 4K zu sehen. 2699 Euro, panasonic.com

Mit 8,3 Megapixeln und 4K-UHD-Laser­ technologie bietet dieser Allround-Heim­ kino-Projektor einwandfreie Präzision. Eine weitere Stärke liegt in seiner Anpassungs­ fähigkeit. Je nachdem, ob es hell oder dunkel ist, passt sich die Blendenöffnung an – und liefert so bei allen Lichtverhältnissen optimale Qualität. 3199 Euro, lg.com

Wofür man vor kurzem mehrere Geräte benötigte, reicht heute dieser kleine schwarze Kasten: Er bringt Filme und Serien in 4K auf den Bildschirm, und die hohe Bildrate sorgt dafür, dass auch actiongeladene Inhalte flüssig aussehen. Dazu sind alle großen Streaming-Anbieter, unzählige Apps, Musik und Spiele abrufbar. Ab 199 Euro, apple.de

THE RED BULLETIN

87


Gaming-Zimmer

FLOTTE KISTE ACER ASPIRE TC DESKTOP PC | TC-895 Ein leistungsstarker Intel-Core-i5-Prozessor, eine ultraschnelle SSD-Festplatte und eine erstklassige Grafikkarte sorgen bei diesem PC dafür, dass auch große Games ruckelfrei laufen. 999 Euro, acer.de

Zocker-Tempel Sony PlayStation 5

Dank überragender Geschwindigkeit, atemberaubender Bildqualität und realistischem Gameplay durch haptisches Feedback kann man noch tiefer in die Spiele eintauchen. Dazu ist die Konsole als Hub für Spotify, Netflix und jede Menge andere Apps geeignet. 499 Euro, playstation.com

FÜR JEDEN MUCKS STEELSERIES ARCTIS PRIME Ein leichtes und stabiles Gaming-Headset, das dank moderner Audiotreiber selbst das leiseste Anschleichen hörbar macht. Das Design des Mikrofons unterdrückt Umgebungsgeräusche, und die Ohrpolster sind auch nach stundenlangem Tragen noch bequem. Circa 120 Euro, steelseries.com

LEINE LOS!

Action auf dem Schirm

Iiyama G-Master G2766HSU-B1 27 Zoll Gegnern eine Millisekunde voraus sein: Das ermöglicht dieser leicht gewölbte Bildschirm Gamern dank extrem kurzer Reaktionszeit, hoher Bildwiederholfrequenz sowie einem Black Tune, der auch in dunklen Spielszenen jedes Detail erkennen lässt. Circa 280 Euro, iiyama.com 88

RAZER DEATHADDER V2 PRO Voilà, die am häufigsten gekaufte GamingMaus, die es je gab. Das neueste Modell bietet ohne Kabel noch mehr Bewegungsfreiheit, außerdem ist es bis zu 25 % schneller als die Konkurrenz und mit einem Sensor ausgestattet, der auf geringste Bewegungen anspricht. Circa 150 Euro, razer.com THE RED BULLETIN


GUIDE Home Entertainment

Küche

VORKOCHER

HEISSER SOUND

LENOVO TAB P11

SONOS MOVE

Für die Küche ist dieses Tablet vor allem ­wegen der hohen Bildschirmhelligkeit und der vier Frontlautsprecher empfehlenswert. Kochvideos bleiben so auch bei Sonnen­ einfall erkennbar und Stimmen selbst dann noch verständlich, wenn die Abzugshaube dröhnt. Ab 249 Euro, lenovo.com

Ein robustes Kerlchen ist dieser tragbare Lautsprecher – Feuchtigkeit und Hitze in der Küche machen ihm nichts aus, Stürze genauso wenig. Über die Sprachsteuerung kann man die Musik dirigieren, eine Frage zu einem Rezept stellen oder die Nach­ richten checken. 399 Euro, sonos.com

ENDLICH COOL SAMSUNG FAMILY HUB Mittels eines großzügigen Bildschirms in der Tür dieses Kühlschranks kann man Rezepte suchen, die Einkaufsliste aktualisieren oder weiter das Fußballspiel verfolgen. Selbst von fern ist der Kühlschrank eine Hilfe: Stellt man im Supermarkt fest, dass man nicht weiß, was drin ist, lässt sich über Kameras ins Innere sehen. 2899 Euro, samsung.com

ARMLEUCHTE

Knopf im Ohr

JBL Reflect Mini NC So macht selbst Abspülen Spaß. Die kleinen In-Ear-Kopfhörer sitzen sicher und verfügen über Mikrofone, sodass man neben dem Schnippeln auch telefonieren kann. Durch aktives Noise-Cancelling bleiben Podcasts auch dann noch verständlich, wenn die Rührmaschine läuft. 109 Euro, jbl.com THE RED BULLETIN

FITBIT VERSA 3 Diese Smartwatch kann ein EKG erstellen, Rechnungen bezahlen, den Schlaf analysie­ ren oder das Schwimmtraining aufzeichnen. Aber auch in der Küche macht sie sich nütz­ lich: durch intuitive Sprachsteuerung etwa, um Anrufe zu beantworten. Oder um schnell einen T ­ imer zu stellen, damit die Nudeln al dente werden. Circa 230 Euro, fitbit.com

89


WAKE UP, Diesen Sommer verwandelte Red Bull Wake Capital die Hafenstadt Hamburg in ein WakeboardMekka: Im Schatten der Elbphilharmonie zeigte die Wakeboard-Weltelite atemberaubende Tricks. Weltmeisterlich war auch die Vorarbeit, die das Team von Zeppelin Rental leistete.

Bereit für spektakuläre Events? Zeppelin Rental hat das Zeug dazu! Red Bull District Ride, Ski-Freeriding am Stilfser Joch oder der Red Bull Flugtag: Zeppelin Rental hat in der Vergangenheit schon zahlreiche spektakuläre Events und Projekte mit seiner Eventexpertise unterstützt – doch mit dem Red Bull Wake Capital wartete eine echte Mammut-Aufgabe. Als technischer Ausrüster für dieses Wakeboard-Event der Superlative stellte Trusted Red Bull Partner Zeppelin Rental schweres Gerät wie Gelände-, Gabel- und Teleskopstapler, ­Arbeitsbühnen und Radlader für den Aufbau zur ­Verfügung. Dazu kam die temporäre Infrastruktur – Bürocontainer für das Orga-Team, Front-of-HouseContainer für die Technik oder Sanitärcontainer ­inklusive stündlicher Reinigung für das Publikum. Und auch die Beleuchtungstechnik, Stromerzeuger, Absperrungen und Einlassschleusen stammten aus

OLIVER VONBERG, IBRAHIM OT / ACTION PRESS

HAMBURG!


ANZEIGE

DIE ZEPPELIN RENTAL PIPE Ein Highlight auf dem Wasser-Parcours war ein 22-TonnenKettenbagger von Zeppelin Rental, der ein fettes Riffelrohr hielt. Hier konnten sich die Rider austoben, mussten sich beim Abstieg vom Rohr aber auf einen dicken Drop einstellen. Noch dazu machte das Rohr einen ohrenbetäubenden Sound, wenn es von den Ridern geshreddert wurde.

Alles fest im Griff: ein Teleskopstapler beim Aufbau des spektakulären Parcours

Schwere Lasten leicht bewegt: Ein Geländestapler transportiert die Materialien an ihren Einsatzort.

dem 75.000 Maschinen und Geräte umfassenden Mietpark des Komplettanbieters für Großevents. Ein noch nie da gewesener Parcours Unter der Regie von Red Bull-Athlet Felix Georgii integrierte Zeppelin Rental in Zusammenarbeit mit den Trackbauern von UNIT Parktech auf eindrucksvolle Art und Weise einen Parcours in die Hafen-City. Von Seecontainern über Baumaschinen wurden sämt­ liche Gegenstände aus dem Hafen für das Track-­ Design genutzt. Das Ergebnis: ein 240 Meter langer Track mit 9 Obstacles und 4 Wasser-Levels – unendliche Riding-Möglichkeiten für jeden Wakeboarder!

Absperr- & Polizeigitter sorgten für die Sicherheit ­während der ­Bau­arbeiten als auch während der Ver­anstaltung.

Der kompakte und wendige Radlader ist auch bei be­ engten Platz­ verhältnissen ­optimal geeignet.


B O U L E VARD DER HEL DEN

BOB DYLAN & BOBBY FISCHER

KÖNIGSSCHACH

Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit. Folge 6: Der Sänger und der Schachweltmeister, Treffen zweier Exzentriker.

92

THE RED BULLETIN

BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT MICHAEL KÖHLMEIER

D

GETTY IMAGES (2)

R

obin Loggie, einer der Manager­ eine oder zwei Partien auf einem Brett nach von Bob Dylan, wollte dem freier Wahl. Fischer soll sehr aufgeregt gewesen sein, berichtete der Manager. Rockstar zu dessen fünfundvierzigstem Geburtstag eine SchachAm 23. Mai 1986 holte Robin Loggie partie mit Weltmeister Bobby Bobby Fischer mit einer Limousine am Flughafen von Los Angeles ab, und sie fuhren Fischer vermitteln. Loggie hielt die Idee nach Malibu, wo sie in Loggies Haus in der geheim, selbst vor seiner Frau und deren küstennahen Colony Road bis knapp vor Sohn. Denn erstens war es nicht sicher, MICHAEL KÖHLMEIER Der Vorarlberger Mitternacht warteten. Fischer hatte ein Geob er Erfolg haben würde, zweitens war Bestsellerautor gilt schenk mitgebracht, ein altes Schachspiel, in Dylans unmittelbarer Umgebung eine als bester Erzähler nicht sein erstes, aber sein zweites oder Art Wettbewerb ausgebrochen, der umso deutscher Zunge. drittes. Die Figuren waren so abgegriffen, kopfloser wurde, je näher der 24. Mai 1986 Zuletzt erschienen: dass sich Schwarz und Weiß kaum mehr rückte: Wem gelingt es, dem Chef etwas „Die Märchen“, voneinander unterschieden. Ein wertloses zu schenken, das ihn einigermaßen in 816 Seiten, Verlag Carl Hanser. Ding, aber durch den, der es gebraucht ­Erstaunen versetzt? hatte, wertvoll geworden: ein originelles Es ging nicht um wertvolle Dinge, daran Geschenk. Loggie gab Fischer einige Instruktionen, lag diesem Mann nicht viel. Es ging darum, ihn zu und schließlich fuhren sie hinaus zu Dylans Haus, überraschen. Originalität! Der aufbrausenden Entscheidungswut Dylans wäre es zuzutrauen gewesen passierten die Wachen und betraten über den Strand – so Loggie –, dass er als Dank die Hierarchie seines die Veranda. Managements neu ordnete. Loggie war neu im RockDylan sei allein gewesen. Er war auch nicht bezirkus, hatte aber bereits begriffen, dass Mister Dylan trunken. Loggie sagt, er sei auf der Veranda gesessen den Gesetzen dieses Zirkus nicht folgte, ja dass er diese und habe mit sich selbst Schach gespielt. Das habe er geradezu verabscheute. damals oft getan. Er beauftragte eine Detektei in Santa Monica, den ylan erkannte Bobby Fischer sofort. Die Wirkung Schachgroßmeister aufzuspüren und sich mit ihm war überwältigend. Auf beiden Seiten. Es seien in Verbindung zu setzen, verschwieg aber, worum es sich diese zwei Großen, diese Giganten, gegensich handelte. Mr. Bob Dylan wolle Mr. Bobby Fischer sprechen, das war alles. Das musste genügen. Das übergestanden wie kleine Fans – Dylan in einem würde in aller Welt genügen, warum nicht beim schmutzigen T-Shirt und Shorts mit grün-roten Rauten, Fischer in dunklem Anzug, weißem Hemd und ­originellsten Schachspieler der Welt? Der Erfolg war Krawatte – und hätte nicht er, Loggie, eingegriffen, prompt. Es stellte sich heraus, dass Fischer Dylan hätte es geschehen können, dass gar nichts geredet ebenso bewunderte wie Dylan Fischer. Die Detektei worden, dass gar nichts geschehen wäre. organisierte ein Treffen zwischen Loggie und Fischer Loggie nahm den beiden sehr vorsichtig, mit viel in Albuquerque, New Mexico, und Loggie, der es gut Fingerspitzengefühl, die Schüchternheit. Er habe verstand, Menschen in die Augen zu sehen, trug dem Drinks gemixt, die beide abgelehnt, Witze gerissen, Schachmeister sein Anliegen in aller Offenheit vor:


THE RED BULLETIN

93


B OU L EVAR D DE R HE L D E N

über die sie nicht gelacht hätten. Schließlich habe er Bobby Fischer an das Geschenk, nämlich dieses alte Schachspiel, erinnert. Das erste Spiel – noch auf Dylans Brett übrigens – sei nichts weiter gewesen als ein Nachstellen der Welt­meisterschaftspartie Fischer gegen Spasski 1972. Dylan kannte die Partie auswendig, und Fischer er­ innerte sich auch noch recht gut. Dylan fragte, ob es unbescheiden wäre, wenn er seine Interpretationen dazu abgäbe, und Fischer hörte aufmerksam zu. Er gehe davon aus, sagte Dylan, so jedenfalls offenbare sich ihm diese Partie, dass Fischer schon nach den ersten acht bis zehn Zügen das Ende geahnt, wenn nicht sogar schon vorausberechnet habe. Die Partie ähnle in ihrem Aufbau einem Spielfilm aus den dreißiger Jahren – eine überlange, flach ansteigende Exposition, die plötzlich zum Höhepunkt aufschnellt –, nämlich dort, wo Spasski seinen Springer zu opfern glaubt, in Wahrheit jedoch sowohl den Springer ver­ liert als auch in der Folge den Turm blockiert, und das Ganze, ohne Fischers Königsbauern zur Deckung der Dame zu zwingen, wie Spasski es vermutlich geplant hatte. Von da an, so Dylan, nehme die Partie einen auch für den Laien voraussehbaren Verlauf, der zwar kürzer, aber ähnlich flach abfalle, wie die Exposition aufgestiegen sei. Zum Schluss: ein einfaches Matt ohne Schnörkel. Bobby Fischer gab ihm recht. Dylan war begeistert – von der Partie und von seiner Interpretation – und fragte, ob Fischer ihn zur Gitarre singen hören wolle.

L

oggie, der die beiden die ganze Zeit schweigend betrachtet hatte, bat Dylan um den Vorzug, die Gitarre aussuchen zu dürfen. Er ging ins Haus und atmete erst eine Weile tief durch. Die Gitarren waren überall verstreut, lagen auf einem Sofa und auf dem Küchentisch, im Schlafzimmer neben dem Bett standen gleich vier E-Gitarren, merkwürdigerweise war aber kein Verstärker da. Er entschied sich für eine alte Gibson, er meinte, die würde gut zu dem alten Schachbrett mit den alten Figuren passen, das Bobby Fischer mitgebracht hatte. Dylan hatte das Instrument zu irgendeinem früheren Geburtstag von irgend­ jemandem geschenkt bekommen, es hatte irgendwann irgendeinem Bluesmusiker gehört, Loggie hatte ver­ gessen, wie der Musiker hieß. Dylan spielte ein altes Lied und ein neues – „To ­Ramona“ und „Dark Eyes“. Fischer habe zugehört, die Beine weit von sich gestreckt, die Hände über dem Gürtel gefaltet, die Augen geschlossen. Da sei alles noch wunderbar gewesen.

„Bob Dylan spielte schnell und nachlässig, es war ja nur eine Formsache.“ 94

Aber dann forderte Bobby Fischer Bob Dylan zu e­ iner Partie auf – so war es ausgemacht –, und zwar auf ebenjenem alten Brett mit den abgegriffenen ­Figuren. Dylan habe Weiß gezogen und die Partie ­begonnen. Er habe schnell und nachlässig gespielt, es sei ja nur eine Formsache gewesen, so sah es auch Loggie. Eine Ehrensache, nichts Ernsthaftes, und es sei auch nicht zu erwarten gewesen, dass mehr als ­eine Partie gespielt werden würde und dann vielleicht noch Revanche. Fischer allerdings habe sich auf jeden Zug kon­zen­ triert. Es sei zwar keine Zeit ausgemacht worden, aber er habe bei jedem Zug mehrere Minuten verstreichen lassen, und Loggie dachte noch, es sei zwar anständig von dem Großmeister, dass er seinen Gegner nicht gleich vom Brett putzte; aber es kam ihm doch irgend­ wie kindisch vor, mit wie viel Anstrengung er diese Anständigkeit vorführte. Um es kurz zu machen: Dylan gewann die Partie. Gefreut habe er sich darüber nicht. Gewundert habe er sich. Beide hätten sich gewundert. Und Loggie wunderte sich auch. Die Stimmung sei nicht mehr so besonders gewesen. „Das ist ein Geburtstagsgeschenk wie eine Kau­ gummiblase“, sagte Dylan. „Solange man sie für Voll­ gummi hält, durchaus imponierend.“

F

ischer versicherte, er habe ihn nicht absichtlich gewinnen lassen, im Gegenteil, er habe Dylan sogar bis zu den letzten vier Zügen zu jener Partie gezwungen, die Bogoljubow und Reti 1925 in BadenBaden gespielt hätten. Einen Gegner zu einem be­ stimmten Spiel zu zwingen sei bei weitem schwieriger, als ein Spiel zu gewinnen. Erst beim viertletzten Zug sei Dylan ausgebrochen, und er, Fischer, habe vermu­ tet, Dylan wolle ein Erstickungsmatt anstreben in der Art von Budrich gegen Gumprich 1950, und er habe sich rundum darauf eingestellt und dann … „Ich bin ein Naiver“, sagte Dylan. Mehr sagte er nicht. Loggie stellte erneut die Figuren auf und drehte das Brett um. Dylan gewann wieder. Er wurde zornig. Diesmal habe er sogar saumäßig gespielt, sagte er. Fischer sagte gar nichts. Er schaute auch nieman­ den an. Dylan nicht, Loggie nicht. Nur das Schach­ brett schaute er an. „Vielleicht liegt es an den Figuren und an dem schlechten Licht“, sagte Loggie. Er habe es ja nur gut gemeint – reden, reden, locker sein, habe er sich gedacht, wenn ich als das Arschloch aussteige, ist ­alles  gut. „Bei diesem schlechten Licht kann es doch pas­sieren, dass sich der eine oder andere bei den ­Figuren vergreift und anstatt Schwarz Weiß zieht oder umgekehrt.“ „Was heißt hier der eine oder der andere?“, fragte Dylan, ziemlich scharf, den Kopf gesenkt, die Augen blitzend. „Und wer, bitte, ist hier der eine und wer der andere?“

THE RED BULLETIN


„Weiß und feucht im Gesicht sei Bobby Fischer dagesessen, die Hände zu Fäusten geballt.“ Natürlich sei er, also Dylan, der eine und dieser, also Fischer, der andere, habe ihm Loggie eilig zugeflüstert.

Dylan ging auf und ab und kaute an seinen Fingernägeln, und schließlich lief er zum Strand hinunter und verschwand in der Dunkelheit. „Sie müssen sich bei ihm entschuldigen“, sagte Loggie zu Fischer. Bobby Fischer nickte kurz, erhob sich und ging Dylan nach. Was unten am Strand geschah, wusste Loggie nicht. Er habe die beiden allein gelassen, das sei ja klar. Er habe die Gitarre ins Haus zurückgestellt, die feuchte Luft hätte ihr schaden können, er habe gewartet bis gegen vier Uhr, dann habe er geseufzt und sei nach Hause gegangen.

A

lle Lichter auf der Veranda wurden angezündet und eine dritte Partie aufgelegt. Dylan gewann abermals. Weiß und feucht im Gesicht sei Bobby Fischer dagesessen, die Hände zu Fäusten geballt. Dylan sei aufgesprungen, gleich nach seinem MattZug, und habe dem Korbsessel einen Tritt versetzt. Fischer rührte sich nicht von der Stelle, zwischen den Fäusten das Schachbrett, so saß er da. In seinem schwarzen Anzug. Und still war es auf der Veranda. Nur der Pazifik. Nur der Pazifik.

Michael Köhlmeiers Geschichten gibt es, von ihm selbst gelesen, auch zum Anhören im Podcast-Kanal von The Red Bulletin. Zu finden auf allen gängigen Plattformen wie Spotify und auf redbulletin.com/podcast. Oder einfach den QR-Code scannen.

DAS JAHRESABO FÜR NUR €25,90

12 The Red Bulletin Ausgaben

getredbulletin.com

Erhältlich am Kiosk, im Abo, als E-Paper, auf theredbulletin.com oder als Beilage in einer Teilauflage von:


IMPRESSUM

THE RED BULLETIN WELTWEIT

Aktuell erscheint The Red Bulletin in sechs Ländern. Das ­Cover unserer Frankreich-­ Ausgabe zeigt Kilian Bron, Mountainbiker und YouTube-Sensation (ansehen, unbedingt!), der die schönsten Spots der Welt auf seinem Bike erkundet. Mehr Geschichten abseits des Alltäglichen findest du auf: ­redbulletin.com

96

Gesamtleitung Alexander Müller-Macheck, Sara Car-Varming (Stv.) Chefredaktion Andreas Rottenschlager, Andreas Wollinger (Stv.) Creative Direction Erik Turek, Kasimir Reimann (Stv.) Art Direction Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson Grafik Martina de Carvalho -Hutter, Cornelia Gleichweit, Kevin Goll Fotoredaktion Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.), Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör Digitalredaktion Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Marie-Maxime Dricot, Melissa Gordon, Lisa Hechenberger, Elena Rodriguez Angelina, Benjamin Sullivan Head of Audio Florian Obkircher Special Projects Arek Piatek Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Publishing Management Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Anna Wilczek Managing Director Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnerships Lukas Scharmbacher Head of Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger Projektmanagement Co-Publishing, B2B-Marketing & Communication Katrin Sigl (Ltg.), Mathias Blaha, Katrin Dollenz, Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B), Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner (Communication), Jennifer Silberschneider Creative Services Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka, Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart Commercial Management Co-Publishing Alexandra Ita Editorial Co-Publishing Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann, Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser Executive Creative Director Markus Kietreiber Senior Manager Creative Elisabeth Kopanz Art Direction Commercial & Co-Publishing Peter Knehtl (Ltg.), Erwin Edtmayer, Simone Fischer, Martina Maier, Andreea Parvu, Carina Schaittenberger, Alexandra Schendl, Julia Schinzel, Florian Solly, Dominik Uhl, Sophie Weidinger, Stephan Zenz Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Marija Althajm, Nicole Glaser, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.), Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailović, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Klaus Pleninger MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler Operations Melanie Grasserbauer, Alexander Peham, Thomas Platzer Projekt Management Dominik Debriacher, Gabriela-Teresa Humer Assistant to General Management Sandra Artacker Herausgeber & Geschäftsführer Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Am Grünen Prater 3, A-1020 Wien Telefon +43 1 90221 -0 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-LepperdingerStraße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber

THE RED BULLETIN Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion David Mayer Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy KirnbauerWalek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Country Project Management Nina Hahn Media Sales & Partnerships Thomas Hutterer (Markenlead), Alfred Vrej Minassian, Franz Fellner, Ines Gruber, Thomas Gubier, Daniela Güpner, Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic-Beisteiner, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes Wahrmann-Schär, Ellen WittmannSochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölß Abo Abopreis: 21,90 EUR, 10 Ausgaben/Jahr, getredbulletin.com, abo@de.redbulletin.com Druck Quad/Graphics Europe Sp. z o. o., Pułtuska 120, 07-200 Wyszków, Polen

THE RED BULLETIN Frankreich, ISSN 2225-4722 Länderredaktion Pierre-Henri Camy Country Coordinator Christine Vitel Country Project Management Alexis Bulteau

THE RED BULLETIN Großbritannien, ISSN 2308-5894 Länderredaktion Tom Guise (Ltg.), Lou Boyd Lektorat Davydd Chong (Ltg.), Nick Mee Publishing Management Ollie Stretton Media Sales Mark Bishop, mark.bishop@redbull.com Fabienne Peters, fabienne.peters@redbull.com

THE RED BULLETIN Österreich, ISSN 1995-8838 Länderredaktion Wolfgang Wieser Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei Deutschland Publishing Management Bernhard Schmied Media Sales & Partnerships Thomas Hutterer (Markenlead), Alfred Vrej Minassian, Franz Fellner, Ines Gruber, Thomas Gubier, Daniela Güpner, Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic-Beisteiner, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes Wahrmann-Schär, Ellen WittmannSochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölß Sales Operations & Development Anna Schönauer (Ltg.), David Mühlbacher

THE RED BULLETIN Schweiz, ISSN 2308-5886 Länderredaktion Stefania Telesca Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei Deutschland Country Project Management Meike Koch Media Sales & Brand Partnerships Stefan Brütsch (Team Lead), stefan.bruetsch@redbull.com Marcel Bannwart, marcel.bannwart@redbull.com Christian Bürgi, christian.buergi@redbull.com Jessica Pünchera, jessica.puenchera@redbull.com Goldbach Publishing Marco Nicoli, marco.nicoli@goldbach.com

THE RED BULLETIN USA ISSN 2308-586X Länderredaktion Peter Flax (Ltg.), Nora O’Donnell Lektorat David Caplan Publishing Management Branden Peters Media Network Communications & Marketing Manager Brandon Peters Media Sales Todd Peters, todd.peters@redbull.com Dave Szych, dave.szych@redbull.com Tanya Foster, tanya.foster@redbull.com

THE RED BULLETIN


Gerolsteiner 6er Glaskasten.

Misch ihn wie du willst! Jetzt neu!


NICOLAS MAHLER

N IC OL AS M A HL ERS SPI T ZF ED ERL ICHES CHA R A K T ER-K A BINE T T

Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 12. Oktober 2021.

98

THE RED BULLETIN


4 × im Jahr

Inspirationen und Denkanstöße für die Welt von morgen. Entdecken Sie ein einzigartiges Magazin. Für Mode, Design und Stil. Für Kultur, Wirtschaft und Politik. Mit Geschichten, Reportagen und Analysen renommierter Autoren. Mit exklusiven Beiträgen kluger Denker. Mit Fotostrecken und Bildern wegweisender Künstler. Mit Eleganz und Leidenschaft. Ab 16. September neu am Kiosk oder auf fazquarterly.de


omegawatches.com

NUR IM KINO

JAMES BOND’S CHOICE Auf den Spuren eines geheimnisvollen Bösewichts stellt sich Bond seiner neuesten Mission in No Time To Die mit der OMEGA Seamaster Diver 300M am Handgelenk. Dieser

Zeitmesser im

leichten Titandesign ist jederzeit einsatzbereit, mit einem Höchstmass an Präzision und Antimagnetismus, auf das man sich dank Master Chronometer Zertifizierung immer verlassen kann.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.