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BILDGEBENDE DIAGNOSTIK
Baker-Zyste täuscht Phlebothrombose vor
ANAMNESE: Eine 65-jährige Patientin, bei der nach einem Kreuzbandriss und operativer Therapie 1989 in 2020 eine sekundäre Kniegelenksarthrose diagnostiziert wurde, stellte sich Mai 2022 wegen einer akuten, schmerzhaften Wadenschwellung notfallmäßig vor. Der Schmerz trat beim Radfahren als plötzlich einschießender Schmerz im linken Bein auf. Vom Hausarzt wurde der V. a. akute Phlebothrombose gestellt.
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KLINISCHER BEFUND: 163 cm, 58 kg. Gelenkstatus: Tastbarer Kniegelenkserguss links. Keine Einschränkung der Streckung, geringe Einschränkung der Beugung (10°). Schwellung und Druckschmerz in den proximalen und mittleren Abschnitten des Unterschenkels. Keine Überwärmung. Umfang Unterschenkelmitte rechts 37, links 40 cm.
LABOR: CRP >5 mg/l (Norm bis 5 mg/l), BKS 10/h, Leukozyten 6500/µl, RF- und ccP-Antikörper negativ, HLA-B27 und Borrelien-Serologie negativ. D-Dimere negativ.
BEMERKUNGEN: Bei einer Synovialzyste im Bereich der Kniekehle spricht man von einer Baker-Zyste. Sie tritt meist im Rahmen einer entzündlichen (Gonarthritis) oder degenerativen, auch posttraumatischen (Grund- und/oder Retropatellararthrose) Erkrankung des Kniegelenks auf. Die Baker-Zyste ist eine Ausstülpung der dorsalen Gelenkkapsel am Kniegelenk zwischen dem Musculus gastrocnemius (medialer Kopf) und dem Musculus semimembranosus. Durch chronische Entzündungsvorgänge oder reaktiv kommt es zu einer vermehrten Produktion von Gelenkflüssigkeit, wodurch ein Überdruck im Kniegelenk entsteht. Die Gelenkkapsel gibt dann am Ort des geringsten Widerstands (Locus minoris resistentiae) an o. g. Stelle nach und bildet eine Zyste aus. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen ist ein (Meniskus-)Ganglion, das häufiger im lateralen Gelenkkompartiment auftritt. Die betroffenen Patienten klagen über ein Druckgefühl in der Kniekehle, welches vor allem bei Flexion des Kniegelenks auftritt. Bei Ruptur/Absacken der Baker-Zyste kann ein akutes Schmerzereignis vom Patienten wahrgenommen werden.
Die Zyste lässt sich in der Regel durch die Gelenkssonografie sicher diagnostizieren. Dabei sollte nicht nur im Bereich der Kniekehle, sondern insbesondere bei Spannungsgefühl und Schwellung auch im proximalen und mittleren Unterschenkeldrittel untersucht werden. Ein MRT ist meistens nicht erforderlich. Bereits durch eine Venenkompressionssonografie im Bereich der Kniekehle kann eine Phlebothrombose weitgehend ausgeschlossen werden. Die Therapie erfolgt meist konservativ mit Kompressionsbandagen und Verordnung von NSAR. Punktionen der Synovialzyste bringen nur eine kurzzeitige Beschwerdebesserung und sollten daher nur bei sehr ausgeprägten Baker-Zysten mit Kompression von Venen oder Nerven versucht werden. Effektiver ist die Punktion des ursächlichen Kniegelenkergusses im Recessus suprapatellaris, ggf. mit i.a.Steroidgabe. Eine operative Therapie ist nur in seltenen Fällen indiziert. In der Regel bildet sich die Baker-Zyste durch ursächliche Behandlung des Kniegelenkergusses von selbst zurück.
THERAPIE: Der Patientin wurde ein NSAR zur Behandlung ihres Kniegelenkergusses verordnet. Zusätzlich wurde ihr ein Hochlagern des Beins empfohlen. Von einer Punktion der Baker-Zyste wurde abgesehen, eine diagnostische/therapeutische Kniegelenkspunktion und Steroidinfiltration wurde von der Patientin zum Zeitpunkt der Akutsymptomatik abgelehnt. m
Prof. Dr. med. Herbert Kellner
Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Gastroenterologie und Physikalische Medizin Romanstr. 9, 80639 München
Echofreier Erguß Baker-Zyste Baker-Zyste proximaler Unterschenkel Baker-Zyste Unterschenkelmitte
Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4
GELENKSONOGRAFIE: Darstellung eines Kniegelenkergusses im Recessus suprapatellaris (ventral) und einer ca. 15 cm langen, im Kniekehlenbereich überwiegend organisierten, ansonsten distal davon gelegenen rupturierten/abgesackten echoarmen/echofreien Baker-Zyste. Abb. 1: Suprapatellarer Längsschnitt: Kniegelenkserguss mit flüssigkeitsgefülltem Recessus suprapatellaris. Abb. 2: Längsschnitt Kniekehle medialseitig: Echoarme , ca. 5 cm lange z. T. organisierte Baker-Zyste. Abb. 3: Längsschnitt proximaler Unterschenkel li.: Voluminöse echofreie abgesackte/rupturierte Baker-Zyste. Abb. 4: Längsschnitt mittleres Drittel Unterschenkel li.
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ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN EULAR-Empfehlungen zu Lebensstil und Arbeitsteilhabe
Auf Basis eines Literaturreviews entwickelte eine sich aus Rheumatologen, Geriatern, Epidemiologen, Experten für öffentliche Gesundheit und Patientevertretern zusammensetzende EULAR Task Force um Suzanne M. M. Verstappen, Manchester (Großbritannien), die 2021er EULAR-Empfehlungen bezüglich Lebensstilmaßnahmen und Arbeitsplatzerhalt zur Prävention der Progression entzündlich-rheumatischer Erkrankungen (ERE).
Insgesamt sechs Lebensstilparameter (körperliches Training, Ernährung, Gewicht, Alkohol, Rauchen, berufliche Teilhabe) und sieben ERE (Arthrose, rheumatoide Arthritis, axiale Spondyloarthritis, Psoriasis-Arthritis, systemischer Lupus erythematodes, systemische Sklerose, Gicht) wurden mit einbezogen und letztlich fünf übergreifende Prinzipien und 18 spezifische Empfehlungen ausgesprochen.
Die „Overarching principles” weisen auf die große Bedeutung eines gesundes Lebensstils hin, machen Aussagen dazu, wie Lebensstiländerungen implementiert werden sollten und definieren deren Rolle in Relation zu medikamentösen Therapien. Die Empfehlungen zum körperlichen Training betonen dessen Sicherheit und die Vorteile im Hinblick auf die Reduktion von Schmerzen und Behinderung, insbesondere bei Patienten mit Arthrose und axialer Spondylarthritis. Zudem wird auf die Bedeutung einer gesunden, ausgewogenen Ernährung bei ERE-Patienten hingewiesen. Patienten und Ärzte sollten gemeinsame Anstrengungen für das Erreichen und Halten eines gesunden Körpergewichts unternehmen. Zwar beeinflussen geringe Mengen Alkohol das Outcome von ERE-Patienten wahrscheinlich nicht negativ, jedoch könnte ein moderater Alkoholkonsum bei solchen mit rheumatoider Arthritis und Gicht das Risiko für Schübe erhöhen. Raucher sollten beim Nikotinentzug unterstützt werden. Die Teilnahme am Arbeitsleben kann sich vorteilhaft auf das Outcome von ERE-Patienten auswirken; dieser Aspekt sollte mit den Betroffenen diskutiert werden.
Die Empfehlungen bilden in erster Linie einen guten Leitfaden für eine „shared decision“ von Patient und Arzt im Kontext der generellen Therapieplanung und -überwachung. m
Quelle: Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/annrheumdis-2021-222020
Therapiepersistenz von Biologika und tsDMARDs in der Praxis
Das Drug-Survival gilt als ein wichtiger Surrogatparameter für die Effektivität von Therapien bei rheumatoider Arthritis (RA), axialer Spondyloarthritis (axSpA) und Psoriasis-Arthritis (PsA) sowie Psoriasis (Pso). Dänische Experten um Alexander Egeberg, Kopenhagen, untersuchten jetzt die Real-life-Therapiepersistenz von bDMARDs und tsDMARDs in diesen Entitäten.
Die dafür angestrengte Dänemark-weite Kohortenstudie basierte auf den prospektiven nationalen Registern DANBIO und DERMBIO, die sämtliche mit Biologika oder tsDMARDs zwischen Januar 2015 und Mai 2021 (DANBIO) und November 2015 bis November 2019 (DERMBIO) behandelten Patienten mit RA, axSpA, PsA und Pso abdeckte. Das jeweilige Drug-Survival wurde mittels Kaplan-Meier-Kurven abgebildet und Cox-proportionale Hazard-Modelle wurden eingesetzt, um die adjustierten Hazard ratios (HRs) für die Beendigung einer Therapie abzuschätzen. Eingeschlossen wurden insgesamt 12.089 Patienten (mit 17.903 Behandlungsserien), davon 5.104 mit RA (7.867 Serien), 2.157 mit axSpA (3.016 Serien), 2.551 mit PsA (3.313 Serien) und 2.577 mit Psoriasis (3.707 Serien).
In auf Einflussfaktoren adjustierten Modellen war bei RA das Drug-Survival am höchsten unter Rituximab, gefolgt von Baricitinib, Etanercept und Tocilizumab. Bei axSpA zeigte sich das höchste DrugSurvival für Golimumab im Vergleich zu allen anderen Therapien, gefolgt von Secukinumab und Etanercept, am geringsten war es unter Infliximab. Bei der PsA schnitten in dieser Hinsicht Tofacitinib und Infliximab im Vergleich zu den anderen bDMARD- bzw. tsDMARD-Therapien am schlechtesten ab. Alle anderen Wirkstoffe waren vergleichbar mit einem im Trend etwas höheren Drug-Survival von Golimumab, gefolgt von Secukinumab und Ixekizumab. Bei Psoriasis zeigte sich das höchste Drug-Survival für Guselkumab. Damit ergibt sich über die Indikationen hinweg ein sehr gemischtes Bild mit (bei TNFα-Inhibitoren) einem guten Abschneiden von Golimumab und einem schlechten von Infliximab. Die Interleukin (IL)-17 und IL-23-Inhibitoren schnitten in den zugelassenen Indikationen gut ab, bei den Januskinase (JAK)-Inhibitoren gab es indikations- und substanzspezifische Unterschiede. Zu hoch sollte man die Ergebnisse nicht hängen, alle Confounder (Einsatz in Erst-,Zweit- oder Drittlinientherapie etc.) lassen sich nicht komplett heraus rechnen. m
ENTZÜNDLICHE ARTHRITIDEN Gesamtmortalität trotz besserer Therapien immer noch erhöht
Angesichts der Verkürzung der Zeiten bis zur Diagnosestellung und der verbesserten Therapiemöglichkeiten scheint die Gesamtmortalität bei entzündlichen Arthritiden wie rheumatoider Arthritis (RA), axialer Spondyloarthritis (axSpA) und Psoriasis-Arthritis (PsA) immer noch im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung leicht erhöht zu sein. Zu dieser Schlussfolgerung gelangen jedenfalls norwegische Experten um Anne Kerola, Oslo, anhand der Daten einer nationalen, Register-basierten Kohortenstudie.
In der Studie zum Vergleich der Gesamt- und ursachenspezifischen Mortalität wurden Patienten mit RA, PsA und axSpA aus dem norwegischen Patientenregister auf Basis der ICD-10-Codes zwischen 2008 und 2017 identifiziert. Mit dem Alter als Zeitvariable wurden die Gesamt- und ursachenspezifische Sterblichkeit (kumulative Inzidenzen) zwischen 2010 und 2017 mit der KaplanMeier-Methode bzw. mit Competing Risk-Analysen berechnet. Mit Hilfe von Cox-Regressionsmodellen wurden auf Geschlecht, Aussbildungsstand, Region und Altersgruppen adjustierte Hazard ratios (HRs) ermittelt. In die Analyse gingen insgesamt 36.095 RA-, 18.700 PsA- und 16.524 axSpA-Patienten ein (70, 53 bzw. 45 % Frauen). Sowohl RA als auch axSpA waren demnach mit einer gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöhten Gesamtmortalität assoziiert (HR 1,45; 95% KI 1,41-1,48 bzw. HR 1,38; 95% KI 1,28-1,38). Etwas anders ist die Situation bei der PsA, wo sich nur für Frauen eine leicht erhöhte Gesamtmortalitätsrate zeigte (HR 1,10; 95% KI 1,00-1,21), nicht aber bei Männern (HR 1,02; 95% KI 0,931,11). Für alle Patientengruppen wie auch in der Allemeinbevölkerung waren erwartungsgemäß kardiovaskuläre Erkrankungen, Neoplasmen und respiratorische Erkrankungen die drei führenden Todesursachen. Bei RA-Patienten war eine im Vergleich erhöhte Mortalität aller dieser Ursachen gegeben, während dies bei den axSpA-Patienten nur auf kardiovaskuläre und respiratorische Erkrankungen zutraf. Die neuen Daten verdeutlichen, dass es einer noch besseren Prävention und Managements von Komorbiditäten bedarf. m
Quelle: Rheumatology 2022; doi: 10.1093/rheumatology/keac210
ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHE AUTOIMMUNERKRANKUNGEN Neue epidemiologische Daten zur Höhe des Krebsrisikos
Bei autoimmunbedingten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (AIRD) ist vor allem auf längere Sicht mit einer erhöhten Inzidenz und Sterblichkeit von bzw. infolge von Malignitäten zu rechnen. Chinesische Experten um Huaxia Yang und Xuan Zhang, Peking, verglichen nun das Krebsrisiko bei Patienten bei fünf häufigen AIRD in einer großen monozentrischen Kohortenstudie.
In die Studie eingeschlossen wurden 8.120 AIRD-Patienten, die konsekutiv in ein nationales tertiäres Überweisungszentrum in China aufgenommen wurden. Das gesamte Follow-up erstreckte sich über 38.726.55 Patientenjahre, analysiert wurden vor allem Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), systemischem Lupus erythematodes (SLE), Sjögren-Syndrom (SS), systemischer Sklerose (SSc) und idiopathischer entzündlicher Myositis (IIM). Erfasst und verglichen wurden demografische Daten, Krebsinzidenzen, Lokalisationen und die Zeitpunkte des Erstauftretens der Tumorerkrankungen bei den fünf AIRD. medianes Alter betrug 57,5 Jahre und die Dauer der AIRD 79,8 Monate. Die standardisierte Inzidenzrate (SIR) für Krebs bei AIRD-Patienten betrug 3,37, am höchsten war sie bei Patienten mit IIM (4,31), gefolgt von RA (3,99), SSc (3,77), SS (2,88) und SLE (2,58). Die erhöhte SIR für Tumoren bei AIRD-Patienten betraf mehr Frauen als Männer (3.59 vs. 2,77) und gehäuft jüngere Patienten (<50 vs. ≥50 Jahre: 4,88 vs. 3,04). Bei SLE-Patienten zeigte sich eine erhöhte SIR für die Entwicklung hämatologischer Malignitäten und soliden Tumoren (lokalisiert in Harnblase, Endometrium und Zervix). Patienten mit SS hatten wiederum eine signifikant höhere SIR für Non-HodgkinLymphome. Innerhalb von drei Jahren nach der IIM-Diagnose entwickelten 74,6 % der Patienten Krebs, besonders hoch war das Risiko für ein Ovarialkarzinom. Bei der RA zeigte sich eine breite Verteilung bei den Tumorentitäten, gehäuft waren Non-Hodgkin-Lymphome, gynäkologische Tumoren, solche im Harntrakt, der Schilddrüse und Lungenkrebs. SSc-Patienten hatten erhöhte SIRs für die Entwicklung von Gebärmutterhals-, Lungen- und Brustkrebs.
Auch wenn sich die Zahlen nicht direkt auf Deutschland übertragen lassen, verdeutlichen sie gerade bei diesen AIRD die Bedeutung eines Krebsscreenings. m