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IDIOPATHISCHE ENTZÜNDLICHE MYOPATHIEN
Britische Rheumatologen legen umfassende Leitlinie vor
Im Hinblick auf idiopathische entzündliche Myopathien (IIM) mangelt es an evidenzbasierten Leitlinien, die den pädiatrischen bis Erwachsenebereich abdecken und gezielte Empfehlungen zur Behandlung von Myositis, Hautmanifestationen und der interstitiellen Lungenerkrankung (ILD) sowie dem Management spezieller Aspekte geben. Unter Federführung der British Society for Rheumatology (BSR) legte ein multidisziplinäres Team um Hector Chinoy, Manchester, nun entsprechende Leitlinienempfehlungen vor, die hier auszugsweise dargestellt werden.
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Zunächst zu den Empfehlungen zur Myositis: Glukokortikoide (GK) werden als Eckpfeiler der Remissionsinduktion (Erwachsene: orales Prednisolon 0,5-1 mg/kg/Tag, in der Regel 40-60 mg; Pädiatrisch: orales Prednisolon 1-2 mg/kg/Tag oder i.v. Methylprednisolon-Pulse 30 mg/kg/Tag, max. 1 g/Tag) und Remissionserhaltung betont. Nach substanzieller Reduktion der Krankheitsaktivität sollten orale GK getapert werden (bei Erwachsenen zumeist nach ca. 6 Wochen, keine Evidenz bei pädiatrischen Patienten). Trotz schwacher Datenlage werden früh im Verlauf zur Remissionsinduktion und -erhaltung csDMARDs (Tacrolimus, Azathioprin, Methotrexat [MTX], Ciclosporin, Mycophenolat Mofetil [MMF]) zusätzlich zu GK (auch zur Reduktion des Steroidbedarfs) empfohlen; bei Erwachsenen ohne Präferenz, pädiatrisch wird First-line MTX favorisiert, alternativ MMF. Zur Verbesserung von Lebensqualität und Funktionalität sollte zudem stets an eine Physio- und/oder Ergotherapie gedacht werden.
Second-line werden bei persistierender Krankheitsaktivität trotz GK und csDMARDs Cyclophosphamid (CYC; vor allem bei schwerer und/oder refraktärer IIM, präferentiell i.v.), Rituximab (RTX), intravenöse Immunglobuline (IVIG; hierzu wurde mittlerweile eine positive Phase-III-Studie veröffentlicht) und Abatacept (nur bei adulter IIM) empfohlen. Zu RTX und IVIG wird geraten bei therapierefraktärer Myositis, Dysphagie und Hautbeteiligung. Noch keine ausreichende Evidenz wurde für TNFα-Inhibitoren gesehen, gleiches gilt trotz einiger vielversprechender Fallserien für Januskinase (JAK)-Inhibitoren.
Hautmanifestationen und ILD-Management
Keine ausreichende Evidenz zur Behandlung von IIM-spezifischen Hautmanifestationen gibt es für Topika, ggf. können Tacrolimus oder GK erwogen werden. Ungenügend ist auch die Datenlage für systemische Therapien bei auf GK und csDMARDs refraktären Patienten. Die beste Evidenz wird noch für RTX und IVIG gesehen. Bei Kindern kann eine abnorme Nagelfalzkapillaroskopie auf eine systemische Krankheitsaktivität hinweisen, ebenso wie bei anhaltender Hautbeteiligung sollte eine immunsuppressive Therapie erwogen werden. Da Sonnenlicht bei Dermatomyositis (DM) und juveniler (j)DM mit Krankheitsschüben assoziiert zu sein scheint, ist auf entsprechende Schutzmaßnahmen (z. B. Sonnencreme) zu achten.
Das Management von IIM-Patienten mit ILD sollte gemeinsam mit darauf spezialisierten Lungenfachärzten erfolgen. Erhöht ist das ILD-Risiko bei Antisynthetase-Syndrom (und damit assoziierten Autoantikörpern), Anti-Melanom-Differenzierungs-assoziierten Gen 5-Autoantikörper (Anti-MDA5)-Positivität und Sklerodermie-Overlap. Zum Screening gehören ein konventionelles Röntgen, Lungenfunktionstests (inkl. DLCO) und, falls indiziert (hier auf Hochrisiko-Patienten beschränkt), eine HRCT. Zur Frequenz der HRCT gibt es mangels Daten keine Empfehlung. Bei Erwachsenen mit rasch-progredienter ILD wird zu einer Induktion mit hochdosierten GK geraten, begleitend können Ciclosporin oder Tacrolimus erwogen werden. Auch ein früher Einsatz von CYC oder RTX sollte erwogen werden. Bei chronischer IIM-assoziierter ILD können GK mit oder ohne ein DMARD (Azathioprin, Ciclosporin, Tacrolimus, MMF) in Betracht gezogen werden, in refraktären Fällen RTX oder CYC. Bei pädiatrischen Patienten wurde in Ermangelung von Evidenz auf spezifische Empfehlungen verzichtet.
Weitere Empfehlungen kurz und kompakt
Zur Senkung des Frakturrisikos ist unabhängig von der GKTherapie eine Risikoevaluation (zu Beginn, bei Therapiewechseln) ratsam, GK sollten im Falle einer Remission abgebaut werden. Bei juveniler IIM sollte das Management frühzeitig ein pädiatrischer Spezialist übernehmen, auch aufgrund spezifischer Aspekte (mehr subkutane Kalzifikationen, weniger
Damage, keine Assoziation mit Tumoren, erhöhtes VaskulitisRisiko, andere Autoantikörper-Profile). Krankheitsaktivität, körperliche Funktion und Lebensqualität sollten mit validierten, Alters-angemessenen Scores erfasst werden. Aufgrund der erhöhten Mortalität gegenüber der JDM ist gut auf ein Overlap mit Kollagenosen zu achten (Screening!). Mittels klinischer Untersuchung und Röntgen sollte nach Kalzinosen gesucht werden (gerade bei sehr frühem Erkrankungsalter, später Diagnose/Therapie, schwerer/langer Erkrankung oder Nachweis von Anti-NXP2-Autoantikörpern). Generell wird ein Screening auf Myositis-spezifsche und -assoziierte Autoantikörper empfohlen (nicht aber zum Monitoring der Krankheitsaktivität).
Anders als bei pädiatrischen Patienten ist bei Erwachsenen ein Tumorscreening (CT Thorax, Abdomen und Hüfte; in speziellen Fällen auch Tumormarker und PET-CT) von höchster Bedeutung – dies insbesondere bei Risikopatienten: Höheres Erkrankungsalter, Männer, Dysphagie, kutane Nekrose, Versagen auf Immunsuppressiva, rasch einsetzender Krankheitsbeginn, Positivität für Anti-TIF1-c (!) und/oder Anti-NXP2-Autoantikörper, negativ für bekannte Myositis-spezifische Autoantikörper. Nur wenige Empfehlungen gibt es zum (Therapie)Management in der Schwangerschaft – eine solche sollte möglichst in Remission geplant werden – und in der Stillzeit. Nach der Geburt besteht ein erhöhtes Risiko für einen Schub. IIM sind mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert (Hypertonie, Typ-2-Diabetes, Dyslipidämie, Adipositas und bei Erwachsenen KHK), dass es adäquat zu erfassen und adressieren gilt. Auch 25-50 % der JDM-Patienten haben eine Hypertonie, oft durch GK verursacht. Zur Häufigkeit eines Screenings werden mangels Evidenz keine Aussagen getroffen, zu erwägen sind (bei Erwachsenen) die Erfassung kardialer Biomarker (präferenziell kardiales Troponin I, auch für Verlaufsbeobachtung), EKG, Echokardiografie und kardiales MRT, pädiatrisch nur EKG und Echokardiografie. Bei allen Patienten ist stets auf eine Dysphagie zu achten (dann ggf. auch Sprachtherapeuten und Gastroenterologen hinzuziehen), besonders hoch ist das Risiko bei Anti-NXP2-Positivität oder einer Malignität. Indiziert sind dann primär IVIG. Auch für GK, csDMARDs (MTX, Azathioprin, Ciclosoprin, Tacrolimus, MMF, Hydroxychloroquin), CYC und RTX sind positive Effekte beschrieben.
Weitere Empfehlungen zur Erfassung der Lebensqualität und darauf bezogene Interventionen bei adulten und juvenilen IIM sind ebenso wie Erörterungen zum potenziellen Einfluss der Ethnizität auf das diagnostische und therapeutische Management der in Gänze lesenswerten Vollpublikation zu entnehmen. m
Quelle: Rheumatology 2022; doi: 10.1093/rheumatology/keac115
Risikofaktoren für Thromboembolien auf der Spur
Bei Patienten mit idiopathischen entzündlichen Myopathien (IIM) ist auch an ein erhöhtes Risiko für thromboemolische Ereignisse zu denken. Chinesische Experten um Guochun Wang, Peking, untersuchten nun im Rahmen einer retrospektiven Studie die klinischen Charakteristika und Risikofaktoren für Thromboembolien bei IIM.
In der Studie wurden 1.144 konsekutive IIM-Patienten mit arteriellen oder venösen Thrombosen analysiert und mit auf Alter und Geschlecht gematchten IIMPatienten ohne Thrombose verglichen. Die Risikofaktoren wurden mit einer logistischen Regressionsanalyse bewertet.
Insgesamt 24 Patienten (2,1 %) hatten eine arterielle oder venöse Thrombose (mittleres Alter 62,6 Jahre). Thromboembolische Ereignisse traten bei 54,2 % der Betroffenen innerhalb von 6 Monaten vor oder nach der Diagnose einer IIM auf. Die IIM-Patienten mit thrombotischen Ereignissen hatten folgende signifikante Risikofaktoren: einen höheren Cutaneous Dermatomyositis Disease Area and Severity Index (CDASI)-Score (p=0,028), eine höhere Krankheitsaktivität der Myositis auf einer visuellen Analogskala (MYOACT) (p<0,001), größere Häufigkeit von Krampfadern (p=0,001), eine Operation innerhalb von 3 Monaten vor dem Ereignis (p=0,039), eine Malignität (p=0,018) und Infektionen (p<0,001). Überdies waren der Score im manuellen Muskelttest 8 (MMT8) (p<0,001) sowie der AlbuminSpiegel (p=0,003) signifikant niedriger bei den IIM-Patienten mit Thrombose. Während diese auch signifikant häufiger eine intravenöse Immunglobulin (IVIG)Therapie erhielten (p=0,04), war bezüglich des Einsatzes einer Glukokokortikoid (GK)-Pulstherapie kein Unterschied zu den Nicht-Thrombose-Patienten auszumachen. längere GK-Therapie und höherer MYOACT-Score Risikofaktoren für thromboemblische Ereignisse. Das kumulative Überleben von IIM-Patienten mit Thrombose war signifikant kürzer im Vergleich zu den IIM-Kontrollen.
Zusammenfassend sind somit bei IIM Malignitäten, Infektionen, längerer GKGebrauch und eine hohe Krankheitsaktivität die wichtigsten Risikofaktoren für Thrombosen, bei entsprechender Risikokonstellation empfiehlt sich daher ein sorgfältiges Screening. m