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Februar 2013 • www.saison.ch
Das Kochmagazin für den guten Geschmack
20 Jahre saisonküche Die ultimative geburtstagstorte kochen mit dem treuesten leser
Markiges aus dem Norden Im harten skandinavischen Winter wird rustikal und herzhaft angerichtet
Ei n Z zu lad u m un G e de Ju g w r bi für i n sa lä 2 n is um P e n on s er : kü di so ch nn ne e er n
Die 20 top-städte für feinschmecker
INHALT |
02/13
Im Zeichen der Schlange: Schmackhaftes zum chinesischen Jahreswechsel.
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4 EDITORIAL Wir habens angerichtet. Die Redaktion stellt sich vor.
6 SÜSSE 20 JAHRE Das Rezept für die aussergewöhnliche Geburtstagstorte.
Im Zeichen des Süssen: Die Geburtstagstorte von «Les Gourmandises de Miyuko».
18 IN UND OUT Ein Blick auf die Teller der letzten zwanzig und der kommenden Jahre.
Im Zeichen des Weins: Das Interview mit dem Sommelier und Spitzenkoch Beat Caduff.
36 EIGENWILLIGER GASTROSTAR Beat Caduff reut es, seine Weine zu verkaufen. 42 AN MUTTERS HERD Bei Mama schmeckts am besten – auch dem Alltagskoch Ralph Schelling. 58 TREUE SEELE Reto Lässer lässt sich seit 20 Jahren von der Saisonküche inspirieren.
Im Zeichen der Beständigkeit: Kochen mit dem treuesten Saisonküche-Leser.
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Im Zeichen der Mode: Küchentrends im Rückund im Ausblick.
64 BESTE ADRESSEN Die 20 Städte, über denen die «Michelin»-Sterne leuchten.
UND AUSSERDEM … 11
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Im Zeichen der Wildheit: Die nordische Küche serviert starke Aromen.
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Auflösung Wettbewerb DezemberAusgabe und Gewinnerin Jubiläumswettbewerb: Gewinnen Sie 2 Plätze an der Festtafel Marktplatz Migros Chocolat Frey: Eine Sauce zum Schmelzen Migros Sélection: Pasta-Träume Leserangebot: Passe-vite Migros Asia: Chinesisches Neujahrsmenü Migros Bio: Schinken und Speck Impressum/Vorschau Augenschmaus: Ralph Flecks «Tortenstück»
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FOTOS: CLAUDIA LINSI, CORINNE KRAMER, TOM HALLER, LUKAS LIENHARD, CORINNA STAFFE, PIA GRIMBÜHLER; TITELBILD: LUKAS LIENHARD
22 WIKINGERKÜCHE Herzhaftes aus dem hohen Norden Europas.
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Vor 20 Jahren leuchtete der Zeitgeist in Alessi-Chrom. Zum Beispiel in Form der Früchteschale Fruit Mama, die der italienische Edeldesigner seit 1993 herstellt.
«Mit 1,2 Tonnen Tafelsilber nach St. Moritz» Reto Mathis ist einer der Mitgründer des St. Moritz Gourmet Festival. Der Anlass fand dieses Jahr zum 20. Mal statt.
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Wie kamen Sie auf die Idee, das Festival zu gründen? St. Moritz war damals alles andere als eine Gourmetdestination. Das wollte ich ändern. Immerhin verkehrten in den Hotels durchaus Gäste, die Interesse an der gehobenen Gastronomie hatten. Indem wir Sterneköche aus aller Welt nach Graubünden einladen, können die Touristen jeden Abend woanders auf höchstem kulinarischem Niveau speisen. Ausserdem ermöglicht die Veranstaltung den heimischen Köchen, sich bei den Gastkoryphäen zu orientieren und weiterzubilden.
Welche Erlebnisse aus den vergangenen Jahren sind Ihnen in Erinnerung geblieben? Einmal reiste ein Koch aus Singapur mit 1,2 Tonnen Tafelsilber an. Am Zoll glaubten sie ihm nicht, dass er es für seine Arbeit brauchte. Erst nachdem die Beamten mich kontaktiert hatten, durfte er weiterreisen. Während des ersten Festivals rief mich um vier Uhr die Polizei an. Bei einem Wirt seien zahlreiche Köche, die die Bar von links nach rechts leer trinken würden. Der Wirt hatte Angst, dass sie nicht zahlen würden. Ich habe es dann geregelt.
TEXTE: MICHAEL LÜTSCHER, PHILIPP SCHWANDER, ANETTE THIELERT; FOTOS: LEE JAKOB, CLAUDIA LINSI, MATHIS FOOD AFFAIRS, ISTOCKPHOTO, PD (5)
Fruit Mama, Fr. 232.–, www.alessi.ch
Wir stossen auf den 20. Geburtstag Liebe Leserin, lieber Leser
von unter anderem «Tages-Anzeiger» und «Basler Zeitung»,
ganz besondere. Denn mit ihr feiern wir den
ūber kulinarische Strömungen, die während der vergangenen
20. Geburtstag unseres Kochmagazins. Darauf
20 Jahre von sich reden machten. Er geht der Frage nach,
sind wir alle (siehe Foto) mächtig stolz. Und
warum einige den Sprung an den heimischen Herd geschafft
darum haben wir unseren runden Geburtstag zum Anlass ge-
haben, andere aber in den Restaurantküchen blieben. Was
nommen, Sie mit einer etwas anderen Ausgabe zu verwöh-
derzeit in Sachen Kochen angesagt ist, wissen wir selbstver-
nen, in der sich alles irgendwie um die Zahl 20 dreht. Einer-
ständlich auch: nordische Gerichte. Mein Kollege Daniel
seits halten wir Rückschau, andererseits blicken wir nach
Tinembart hat sechs davon zusammen mit dem Fotografen
vorne. So sinniert Christian Seiler, Kolumnist des «Magazins»
Lukas Lienhard wunderschön in Szene gesetzt. Ausserdem
Die Redaktion
FOTO: DANIEL CERMAK
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iese Ausgabe der Saisonküche ist eine
EDITORIAL |
der Saisonküche an! unterhielten wir uns mit dem Bündner Restaurantbesitzer
Ich möchte mich an dieser Stelle, einmal mehr, bei jedem und
und Weinprofi Beat Caduff. Auch er feiert ein 20-Jahr-Jubi-
jeder Einzelnen von Ihnen für Ihre Treue bedanken.
läum. Der heute 51-Jährige wurde 1993 von «Gault Millau»
Herzlichst
Schweiz zum Sommelier des Jahres gekürt. Unser Alltagskoch Ralph Schelling ging mit seiner Mutter in die Küche, wo sie ihm fünf seiner Lieblingsgerichte zubereitete. Das ist aber längst nicht alles, was wir Ihnen in unserer
Christine Kunovits
Jubiläumsausgabe bieten. Blättern Sie weiter, und lassen Sie
PS: Unser Rezeptjahresverzeichnis von 2012 finden Sie
sich überraschen. So wie das an einem Geburtstag üblich ist.
unter www.saison.ch.
VON LINKS, HINTERE REIHE: Janine Neininger Anette Thielert Annina Ciocco Dagmar Madelung Diana Casartelli Roland Linder Eliane Stettler Christine Kunovits (Chefredaktorin) Christine Ramseyer Susanna Heim Denise Ferrarese Nicole Huwyler Daniel Tinembart Katia Tarantino VORDERE REIHE: Nicole Rodoni Lina Projer René Schleuniger Margaretha Junker Flavia Zarro NICHT ABGEBILDET: Cora Gianolla Alda Viviani
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Sara Hochuli in ihrem Café Les Gourmandises de Miyuko in Zürich. Die Apfel-Caramel-Torte hat sie extra zum Jubiläum der Saisonküche gebacken. Noch mehr über Sara Hochuli auf unserem Foodblog: www.dastrueffelschwein.ch/miyuko
Happy
20 JAHRE
BIRTHDAY! SAISONKÜCHE
CUCINA DI STAGIONE
CUISINE DE SAISON
TEXT: MICHAEL LÜTSCHER | FOTOS: CORINNE KRAMER | REZEPTADAPTION: JANINE NEININGER
Tortenarchitektin Sara Hochuli kreiert bunte und aufwendig dekorierte Köstlichkeiten. Zum 20. Geburtstag der Saisonküche hat sie sich eine besonders süsse Überraschung ausgedacht.
H
ellgrüner Überzug, blaue Maschen, rosa Rosen oder ein Krokodil obendrauf: Die Torten im Schaufenster von «Les Gourmandises de Miyuko» in Zürich sind bunt und sehen ein bisschen verrückt aus. Genauso wie Sara Hochuli, die Bäckerin der süssen Verführungen. Sie trägt gescheiteltes wasserstoffblondes Haar, einen glitzernd-blauen Lidschatten, blaue Knickerbocker und grüne Wandersocken. «Ich liebe es, Bekanntes in einen neuen Zusammenhang zu stellen», sagt die 31-jährige gelernte Grafikdesignerin. Hochuli hat schon eine Modelinie und eine Kunsthaarproduktion realisiert – und mag wahnsinnig gern Süsses. Ihr zuckerbäckerisches Wissen allerdings beschränkte sich früher auf ihre Erfahrungen als Hobbyköchin und den Besuch einiger Kochkurse. Darum meldete sie sich zu einer Patisserie-Weiterbildung für Profis an. Der zweiwöchige Crashkurs brachte sie ins Schwitzen, aber nicht vom Plan ab, mit ihrem Partner Dominik Grenzler, einem PR-Fachmann, ein Geschäft aufzumachen. Im Frühjahr 2011 war es so weit. Sie eröffnete ein kleines Lokal in einem Häuschen aus dem Jahr 1823, gelegen im Quartier Unterstrass: «Les Gourmandises de Miyuko». Bereits der Name vereint Hochulis Leidenschaften für französische Leckereien und für Japans Tee- und Comicwelt. Das sieht man dem Lokal an: Japanische Sprichwörter zieren die Toiletten. Lämpchen, Kerzen, da
ein alter Holztisch, dort zwei Louis-Toujours-Stühle sind weitere Teile des kunterbunten wie gemütlichen Interieurs. Ein Artikel in der «Neuen Zürcher Zeitung», publiziert unmittelbar nach der Eröffnung, bescherte dem Café einen unerwarteten Ansturm. Hochuli kam mit dem Produzieren nicht mehr nach. Die Küche im Café erwies sich als zu eng. Seit einem Jahr wird nun in einem Gewerbegebäude in der Industriezone von Rümlang gearbeitet. Zusammen mit zwei Konditorinnen stellt Hochuli dort Pralinés, Torten, Macarons mit Matcha, dem japanischen Grüntee-Pulver, her. Zudem laktose- und glutenfreie sowie vegane Patisserie. Die Rohstoffe stammen aus nachhaltiger Produktion, auf Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe verzichtet Hochuli. Alle Bestandteile sind hausgemacht. Das bedeutet: Auf Vorrat produzieren geht nicht. Wer eine ganze Miyuko-Torte möchte, bestellt sie am besten vor. Und muss bereit sein, einiges dafür auszulegen. Ein doppelstöckiges, kunstvoll verziertes Exemplar für 20 Personen wie die Geburtstagstorte für die Saisonküche kostet 300 Franken. «Was wir herstellen, ist Lifestyle – das isst niemand, weil er Hunger hat», sagt Hochuli. Und doch besteht sie darauf, dass eine Torte «nicht nur gut aussehen, sondern auch gut schmecken soll». Das tut sie – und wie! Nur ein Problem gibt es: Eine Miyuko-Torte anzuschneiden, heisst, ein Kunstwerk zu zerstören.
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Zur端ck zu den W端rsten TexT: ChrisTian seiler | illusTraTionen: Corinna sTaffe
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In den letzten Jahren bereicherten unterschiedliche Trends unsere Esskultur: Nouvelle Cuisine, Asia-Food oder Molekulark端che. Doch warum sch旦pfen wir am liebsten aus Grossmutters Kochtopf?
TRENDS |
A
ls ich das erste Mal in eine Sushi-Bar eingeladen wurde, war das für mich wie die Mondlandung, nur umgekehrt: ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein grosser für mich. Bis dahin hatte ich nicht gewusst, dass man Fisch essen kann, ohne ihn vorher scharf anzubraten oder, noch besser, in ein Kleid aus Panade zu stecken und so viel Zitrone darüberzuträufeln, dass egal war, was die Panade eigentlich umhüllte: Fisch, Poulet, ein Stück Karton. Ich fand mich dann an einer fremdartigen Theke wieder, wo ein asiatischer Herr mit Stirnband kleine, klebrige Reistorpedos herstellte, auf die eine scharfe, grüne Substanz gepinselt und anschliessend ein Stück roher Fisch appliziert wurde. Was blieb mir übrig, ich folgte dem Beispiel meiner demonstrativ weltgewandten Begleiter und nahm das Zeug in den Mund. Das hätte ich, wäre ich eine Stunde vorher danach gefragt worden, dezidiert ausgeschlossen. Die zweite, viel grössere Überraschung jedoch war, dass der Reis, der Fisch und
das Grüne in dieser merkwürdigen Verbindung mundeten – das Mysterium Sushi schmeckte frisch, schmeckte scharf, schmeckte samtig und weich, so interessant, dass das Quäntchen Ekel, das ich beim Anblick des rohen Fischs empfunden hatte, sofort verpuffte. Stattdessen fragte ich interessiert nach dem Namen der grünen, würzig-scharfen Substanz und buchstabierte gleich darauf zum ersten Mal mit gespitzten Lippen den Namen Wasabi. AsiAtisch hAt sich durchgesetzt Heute steht die Tube mit dem japanischen Meerrettich so selbstverständlich neben dem Dijon-Senf und der Sojasauce in meinem Kühlschrank, dass ich mich wirklich anstrengen muss, daran zu denken, wie es damals war, ohne. Was kochte man, wenn keine Zeit war, wenn nicht ein schnelles Gemüsecurry im Wok so wie heute? Wie würzte man das Ofenpoulet, wenn nicht nach thailändischer Art? Wenn ich also richtig rechne, dann hat es von dem Gerücht, dass es eine asiati-
sche Küche gibt, bis zur Selbstverständlichkeit, mit der wir seit den Neunzigerjahren asiatisch geprägte Gerichte zu Hause selbst herstellen, keine zwanzig Jahre gedauert. Asiatische Küche ist heute wie internationale Popmusik. Jeder versteht sie. Sie ist überall. Die Supermärkte stellen Sushi her, die Erzeuger von vorgekochten Nahrungsmitteln bewerben ihre Asia-Pfannen. Der in den Achtzigerjahren einsetzende Trend, der rohen Fisch, Sojasauce, eingelegten Ingwer und eine ganze Menge Stäbchen nach Europa gebracht hat, ist nie mehr abgeebbt. Manchmal, wenn es uns Spass macht, essen wir sogar das Kompott mit Stäbchen, und wenn wir einmal Asien besuchen, werden wir für das einwandfreie «Management» unserer Chop-Sticks fröhlich gelobt. Nouvelle cuisiNe zu teuer Unsere Küche wird regelmässig von kulinarischen Trends dominiert, seit in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts ein geheimnisvolles Novum aus
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Aus den Töpfen der Wikinger REzEPtE: dANIEl tINEmbARt | FotoS: lUKAS lIENhARd
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In den letzten Jahren orientierten wir uns an den Küchen Südeuropas und Asiens. Jetzt schauen wir Richtung Norden, wo skandinavische Köche mit einheimischen Produkten auf höchstem Nivau arbeiten. Wie im Kopenhagener Edelrestaurant Noma von René Redzepi. Unsere Rezepte sind inspiriert von der wild-rustikalen Küche Skandinaviens.
NordiSche K端che |
Kartoffel-Lauch-Suppe mit Graved Lachs rezept Seite 30
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TISCHGESPRÄCH |
«Schraubverschluss wirkt unerotisch» Beat Caduff reut es, seine Weine zu verkaufen, er will kein Moos auf dem Teller und prophezeit das Ende der Sushi-Kultur. IntervIew: ChrIStIane BInder | FotoS: tom haller
Beat Caduff, 1959 in arosa Gr geboren, machte seine Kochlehre im elterlichen hotel und eine weinlehre in wädenswil Zh. 2008 zeichnete ihn der «Gault millau» zum ersten mal mit 15 Punkten aus. dem «michelin» war er eine erwähnung wert. Seit märz 2012 moderiert er für Sat 1 die Kochsendung «menu surprise». der passionierte Jäger lebt in Zürich.
Der Sommelier des Jahres 1993 hat neben der Nase für Wein auch einen Riecher für Trends. Als Beat Caduff vor fast 15 Jahren in einer ehemaligen Maschinenfabrik an der Zürcher Kanzleistrasse «Caduff`s Wineloft» eröffnete, galten umfunktionierte Industrieräume als Nonplusultra moderner Lebensart. Heute ist sein «Wineloft» eine Institution – wegen des Essens, des Weinkellers mit 2000 Flaschen und des Chefs. Für das Mittagessen hat er sein eigenes Lokal ausgesucht. Caduff ist kein Typ, der Zeit verschwendet. Ein fester Händedruck, ein familiäres «Schön, dass du da bist», schon sitzt man am Tisch. Saisonküche: Duzt du eigentlich jeden? Im Prinzip ja. Nur Leute, die älter sind, meinen Arzt und Menschen, die das nicht mögen, duze ich nicht. Unter all den Krawattenträgern um uns herum wirkst du in deiner lässigen Streetwear wie ein bunter Vogel. Hat das was zu bedeuten? Nein, warum? Ich esse jetzt privat, und privat kleide ich mich eben so. Ich bin selbstbewusst genug, ich brauche keinen Anzug. Beat Caduff bespricht sich mit der Küche. Der täglich variierende Menüplan steht erst gegen 10.30 Uhr fest, wenn er weiss, was an frischer Ware ins Haus gebracht wurde. Heute schwebt ihm, passend zur Saison, ein Wildgericht vor. Caduff ist Jäger, manchmal serviert er Bret vom Tier, das er geschossen hat. Heute ist keines darunter; macht nichts, als Fachmann kennt er die besten Lieferanten.
Am Wochenende gehe ich gern mit Freunden essen. Immer in sehr gute Läden. Ich hasse schlechtes Essen. Aber ich gehe nicht hin, um Fehler zu suchen. Das würde mir die Freude am Essen verderben. Aber du informierst dich, was andere machen? Sicher. Ich war auch mal im «Bulli». Vieles an der Molekularküche finde ich originell, aber sie ist nicht mein Ding. Manche servieren jetzt lebende Ameisen auf Crème fraîche. Wollte ich Ameisen essen, würde ich ins Dschungelcamp gehen und 100 000 Franken verdienen. Ich bin Traditionalist. Für mich ist das Produkt das Wichtigste. Auf der Alp Fondei halte ich vier Schweine, die werden nur mit gekochten Brennnesseln, Gerste und Brot gefüttert. Deren Fleisch ist so gut, da muss ich nicht noch grilliertes Moos oder sowas drüberstreuen. Beat Caduff lässt sich eine Flasche Nuits-SaintGeorges an den Tisch bringen. Er nimmt einen Schluck und nickt beifällig. Je nach Jahrgang kostet dieser Tropfen bei dir 180 bis 220 Franken. So teuren Wein gönnst du dir zum Mittagessen? Wenn ich einen Wein toll finde, reut es mich manchmal fast, wenn ich ihn verkaufen muss. Dieser Burgunder ist grosses Kino – nicht zu überladen und mit wunderbarer Säure. Passt perfekt zum leicht säuerlichen Geschmack vom Wild.
Warum wolltest du das Gespräch bei dir führen? So spare ich die Anfahrt. Ich bin so oft am Arbeiten, mittags stehe ich bis 14 Uhr in der Küche, abends von 17 bis 19 Uhr, danach mache ich Weinberatung. Aber wenn ich esse, will ich Zeit haben.
Muss es zum Wild unbedingt ein Roter sein? Da ist man heute liberaler. Ein Weisser, falls es eine richtig gereifte Auslese ohne Restsüsse von einem guten Produzenten ist, würde auch harmonieren. Andererseits kann man zum grillierten Fisch einen Roten trinken. Nur beim gekochten Fisch würde ich weiterhin zum Weissen raten.
Manche Köche gehen auswärts essen, um die Konkurrenz zu testen. Du nicht?
Würdest du einen Wein aus einer Flasche mit Schraubverschluss trinken?
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Ralph und seine Mutter Christina Schelling haben schon immer viel gemeinsame Zeit in der Küche verbracht. Als Bub half Ralph gerne beim Zubereiten der Speisen und steckte seine Nase in alle Töpfe. Heute setzt er sich immer noch gerne an den Tisch, wenn Mutter gekocht hat. Nur hilft er weniger mit Tat, dafür gelegentlich mit Rat.
d r e H s r e t t u M n A
REZEPT
| FOTOS: PIA GRIMBÜHLE E: CHRISTINA SCHELLING
R (PORTRÄTS), CLAUDI
ANETTE THIELE A LINSI (FOOD) | TEXT:
RT
gskoch n Sohn Ralph, den Allta re ih ng lli he Sc a tin ris Womit Ch als Kind begeisterte. n ho sc e, ch kü on is Sa r de
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ALLTAGSKÜCHE |
Flädlisuppe Seite 48
| Zu Gast beim Leser
Alles ganz lässig: Nach 20 Jahren Kochen mit der Saisonküche wendet Reto Lässer die gerösteten Croûtons locker in der Luft.
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Eine Beziehung über Jahre und 1000 Ideen TexT: ChrisTine KunoviTs | FoTos: Pia Grimbühler | rezePTe: saisonKüChe | FoodsTylinG: daniel TinembarT
Reto Lässer ist seit 20 Jahren Abonnent und Sammler der Saisonküche. Das Jubiläum des Kochmagazins hat er mit Chefredaktorin Christine Kunovits gefeiert.
Fleischvögel mit Speckpflaumenfüllung: Das Rezept dazu finden Sie unter www.saison.ch.
| STERNESTÄDTE
S T E M R U O G N O E W H E S E N R E T S ISTEN E M N E IT D M N E T STÄD N DIE E 0 G 2 E L N E E D NEN B R E UNTER T DIE S H » C N U I A L E MICH . DOCH E E Z D I T U Ä L G « ZENP T I P S E R DI E N A ÄNGE. P R A J E I D N IN E M A K R BELGIE
TOKiO Appetit
PARIS bekommen?
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323 KYOTO In der neuen 14*** 53** 175*
Über dieser Stadt hängt der unübertroffene Sternen himmel der französischen Gourmetbibel. Tokio glänzt mit einer phänomenalen Anzahl von 242 Sterneres taurants. Die asiatische Küche ist ein junges Kapitel im Feinschmeckerführer. Vor fünf Jahren erschien er erstmals zu Tokio. Mit dem Rekord von 191 Sternen überflügelte Japans Haupt stadt auf Anhieb die alt eingesessene Spitzenreite rin Paris. Der Höhenflug des Fernen Ostens in Sachen «Michelin»-Sterne über rascht nicht: Kochen und Essen sind in Japan ein weit entwickeltes Kultur gut. Die 9-Millionen- Metropole ist jedes Jahr eine Herausforderung für die Tester: Bei über 160 000 Gaststätten haben sie in Tokio die Qual der Wahl. Die guten Restaurants konzentrieren ihr Angebot zudem oft auf wenige Ge richte, die umso raffinierter zubereitet werden.
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10*** 17** 50*
Die Metropole war über ein Jahrhundert lang unan gefochtene Spitzenreiterin des Gourmetführers. Heute muss sich die Geburtsstadt der französischen Haute Cuisine mit dem undankba ren vierten Platz zufrieden geben. Sie tut es mit Würde und bleibt kulinarische Hauptstadt des Westens. Keine andere europäische oder amerikanische Stadt weist mehr Dreisternelokale auf. Paris ist nach wie vor stolze Heimat legendärer Gourmetköche wie Alain Ducasse, der neben seinem Stammhaus in Frankreich ebenso sternegekrönte Lokale in Monaco und New York führt. Im Verhältnis zu der Gesamtzahl an Restau rants liegt Paris immer noch weit vor Japan – auf hundert Restaurants kommt ein Stern. Ce n’est pas mal du tout.
Texte: Claudia Langenegger; Fotos: Fotolia, Getty Images, Panthermedia (2), Istockphoto (17)
finden Sie viele weitere genussvolle Inspirationen. 5*** 24** 72*
In Kyoto schlägt das kultu relle Herz Japans. Während tausend Jahren residierte die Kaiserfamilie in der Stadt, sie ist die Heimat des Kabuki-Theaters, von Hun derten buddhistischer Tem pel sowie Shinto-Schreine. Und man kann in unendlich vielen Gärten flanieren. Zudem hat Kyoto den Ruf, die beste Küche Japans zu haben. Kenner schwärmen von der Vielfalt an Gerich ten, dem Reichtum an Lebensmitteln und deren abwechslungsreicher Zubereitung. Da erstaunt es nicht, dass Kyoto den zwei ten Platz erreicht. Wie in Tokio haben die Tester hauptsächlich Restaurants mit einheimischer Küche besucht und sich sogar in Lokale gewagt, die Fugu servieren – das Gericht mit Fleisch des hochgiftigen Kugelfisches. Dieses Mahl dürfen nur Fugu-Meister zubereiten. Ihre Ausbildung dauert bis zu zehn Jahre.
JETZT ABONNIEREN: Osaka http://www.saison.ch/de/shop-abo
121 4*** 14** 81*
Die Hafenstadt trägt den Beinamen «Küche der Nati on» und ist bekannt für ihre regional geprägte Gastro nomie. Besonders typisch für Osaka sind Takoyaki – mit Oktopus gefüllte Teig bällchen. Ebenso typisch für die drittgrösste Stadt Japans ist Okonomiyaki – die japanische Pizza, eine Art Omelette mit Kohl. Sie ist je nach Gusto mit Fisch, Gemüse oder Fleisch belegt.
In goldener Schrift: das Total an Sternen pro Stadt.
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