März 2011 I www.saison.ch
EINZELVERKAUF Fr. 4.90/ EUR 3.20 JAHRESABONNEMENT (12 AUSGABEN) Fr. 39.– AUSLAND EUR 25.20 ZZGL. PORTO
Das Kochmagazin für den guten Geschmack
Cakes & Torten
o wettnlinebew Jede erb ! W oche Gewi eine nncha www. nce unte saison r .ch
Süsses Gebäck zum Auftrumpfen
Zarte Sprossen Die Keime sind viel mehr als Salatzutaten
I n T o u l o u s e z u T i s c h | K l a s s ik e r B a s l e r M e h l s u p p e | H au p t s a c h e B e i l a g e n
Editorial
Die wichtigste Nebensache des Menüs Liebe Leserin, lieber Leser
I
n Sachen Beilagen ist es mit meiner Kreativität nicht weit her. Da greife ich, je nach Saison und Gericht, auf Bewährtes zurück, etwa auf Blatt spinat mit Knoblauch, auf gemischten Salat, Butternudeln oder Kartoffel
stock mit Zitronenöl. Offenbar geht es vielen so. Darum finden Sie in der aktuellen Saisonküche ab Seite 22 sechs ausgesuchte Rezeptvorschläge für kulinarische Nebendarsteller. Und weil man das ganze Jahr über froh um solche Inspirationen ist, werden wir für Sie im Sommer, Herbst und Winter
Foto: Saskia Rosset
jeweils Ideen für saisonale Beilagen bereit haben. In dieser Ausgabe servieren wir Ihnen ausserdem dies: passend zum Früh ling köstliche Gerichte mit neun verschiedenen Sprossenarten (ab Seite 10). Und einfache Cakes, die Sie mit der entsprechenden Dekoration zu traum haften Torten hochstylen. Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Ausprobieren unserer Ideen. Herzlich
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Inhalt
3/2011 Mit diesen Torten und Cakes kommen Sie in jeder Runde ganz gross raus.
38 Ob mit oder ohne Frauenstimmrecht, Irma Dütsch gibt am Herd seit Jahren den Ton an.
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Interview
Irma Dütsch
Die Grande Dame der Männerbastion Haute Cuisine.
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Saison für …
Sprossen
Die zarten aromatischen Keime sind feine Frühlingsboten.
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Spezial
Beilagen
Erst sie machen Speisen zum Gericht.
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Schweizer Klassiker
Mehlsuppe
Das stärkende Frühstück der Basler Fasnächtler.
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Süsse Versuchung
Cakes und Torten
Gebackene Verführungen für Auge und Gaumen.
38
Essen in …
In der südfranzösischen Stadt dreht sich fast alles um einen Eintopf. 48 Kostprobe
«St. Georg» in Ernen VS Frische Beilagen sind für einmal die Hauptdarsteller.
Im Gomser Weiler komponiert der Chef traditionelle Rezepte neu. 58
22
Die Lingotbohnen von Jean-Paul Patacq sind die Topzutat für den Toulouser Cassoulet.
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Und ausserdem … • Marktnotizen • Sélection: Darjeeling Steinthal • saison.ch • Alltagsküche • März-Kraut: Bärlauch • Dekantiert • Leserangebot • Wettbewerb • Wettbewerbsauflösung JanuarAusgabe und GewinnerInnen • Vorschau, Impressum • Geschmackssachen: SBB-Chef Andreas Meyer • Abo-/Leserservice
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6 18 21 32 37 46 47 64 64 65 66 65
Fotos: Claudia Linsi, martin graf, gunnar knechtel, Ueli Christoffel; Titelbild: claudia linsi
Toulouse
Zarte Triebe Rezepte: Daniel Tinembart | Fotos & Styling: Claudia Linsi
Sprossen sehen lieblich aus und verleihen kalten wie 足warmen Gerichten Raffinesse, feine W端rze und einen Hauch Frische. Auf den folgenden Seiten 足erfahren Sie, wie Sie die Keime 足effektvoll einsetzen.
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Saison f端r Sprossen
Ceviche mit Sprossen Rezept auf Seite 16
Die Sprossenfamilie 2 1
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7 1 | Mungobohnensprossen
4 | Alfalfa-/Luzernesprossen
7 | Rettichsprossen
2 | Radieschensprossen
5 | Linsensprossen
8 | Mungosprossen
3 | Kressesprossen
6 | Kichererbsensprossen
9 | Zwiebelsprossen
Mild mit Biss. Für die kalte und die warme Küche. Geeignet zu Blattsalaten und asiatischen Gerichten. Angenehme Schärfe. Ideal zu Fisch und zum Ergänzen von Teigwaren- und Reisgerichten sowie von Salaten. Leicht pikant und aromatisch. Kressesprossen passen zu Dips und Saucen oder zu Blattsalaten.
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Zarter, nussiger Geschmack. Für die kalte Küche, z. B. auf Butterbrot, Tomaten oder geräuchertem Fisch. Mild mit Biss. Für die kalte und die warme Küche. Passen in Suppen oder gebraten zu währschaften Salaten. Mild mit Biss. Geeignet für die kalte und die warme Küche. Ideal in orientalischen Gerichten und Salaten.
Intensive Schärfe. Für die kalte Küche. Passt besonders gut zu Käse, Eiern und geräuchertem Fisch. Mild und knackig. Gebräuchlich in der asiatischen Küche. Zum Mitbraten in Wok-Gerichten. Würzig-scharf. Vorwiegend für die kalte Küche. Ergänzen Salate, Gemüse sowie Dips mit Frischkäse.
Alle Sprossen sind in grösseren Migros-Filialen erhältlich.
Saison für Sprossen
Misosuppe mit Sprossen Hauptgericht für 4 Personen
200 g 50 g 2 6 9 dl 200 g 50 g
Sprossenbrot
Karotten Shiitakepilze Eier Beutel Misopaste Wasser chinesische Nudeln Mungosprossen
Rezept auf Seite 16
1. Karotten längs halbieren. Leicht
schräg in 2 mm breite Scheiben schneiden. Shiitakepilze in Streifen schneiden. Eier ca. 10 Minuten hart kochen. Kalt abschrecken, schälen und halbieren.
2. Misopaste mit Wasser aufkochen. Karotten und Nudeln dazugeben. Bei mittlerer Hitze ca. 3 Minuten köcheln lassen. Shiitakepilze dazugeben, 5 Minuten weiterköcheln. Suppe anrichten. Mit Sprossen und Eihälften belegen.
Zubereitung ca. 20 Minuten Pro Person ca. 10 g Eiweiss, 4 g Fett, 42 g Kohlenhydrate, 1050 kJ/250 kcal
Misosuppe mit Sprossen
Hohrückensteak mit Sprossengemüse Rezept auf Seite 16
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Seinen dunklen Teint erhält das kulinarische Basler Wahrzeichen vom gerösteten Mehl. Fürs kräftige Aroma gibt Chefkoch André Muninger Knochen und einen saftigen Ochsenschwanz in die Pfanne.
Schweizer Klassiker
Basler Mehlsuppe
Das Eintagsgericht Morgenstraich und Mehlsuppe sind am Schweizer Rheinknie untrennbar miteinander verbunden. Ist die Fasnacht vorbei, fragt kein Einheimischer nach der nahrhaften Speise.
Text: Christiane Binder | Fotos: Martin Graf
P
unkt vier Uhr fünfzehn, draussen ist es noch stockfinster, öffnet sich die schwere Holztür der «Walliserkanne». Von jetzt an geht es in dem ehrwürdigen Basler Restaurant hinter blickdicht verdunkelten Scheiben zu, wie es in dieser Stadt nur am Morgenstraich zugehen kann. Dicht gedrängt über zwei Stockwerke verteilt, haben Hunderte aufgekratzter Gäste lediglich eins im Sinn: «Einen Teller Mehlsuppe, aber bitte schnell.» Allein für diesen Montag bereitet Chefkoch André Muninger 200 Liter zu. Rechnet man drei Portionen pro Liter, reicht das für 600 Esser. Küchenteam und Servierpersonal nehmen den Ansturm gelassen: «Man muss sich nur gut organisieren», weiss Muninger. Einmal im Jahr gehört der Rummel um die Mehlsuppe einfach dazu. Etwas Baslerischeres als die Mehlsuppe, die ausschliesslich während der Fasnacht gegessen wird, gibt es nicht. Charakteristisch für das Unikat aus der Rheinstadt ist das gebrannte Mehl, dem es den typischen haselnussigen Geschmack und die Farbe verdankt. Als Erklärung für die Entstehung kursiert eine Anekdote von Mägden in einem Basler Haushalt, die vor lauter Tratschen das Mehl länger als sonst rösteten. Obwohl die Mehlsuppe nur als Gesindeverpflegung gedacht war, wollten sie vor der Hausherrin die Verschwendung wertvoller Nahrungsmittel nicht zugeben und behaupteten, sie hätten etwas Neues kreiert. Den Herrschaften schien es geschmeckt zu haben.
Für die Suppe braucht es Sorgfalt und Geduld
«Kein Restaurant in Basel serviert nach dem gleichen Rezept», sagt André Muninger. Leider gibt es schwarze Schafe unter den Wirten, die Fertigprodukte verwenden. In einem Lokal vom Rang der «Walliserkanne» wäre das ein Unding. Der 56-Jährige hält sich strikt ans Mehlsuppen
rezept seines Vaters, ebenfalls Koch, der es von seinen Eltern her kannte. Kärglich ist es nicht: Vater Muninger reicherte die Brühe mit Fleischigem an. Beim Nachkochen merkt man, wie sorgfältig die Menschen früher ihre ein fache Alltagskost zubereiteten. Schon die Verarbeitung des Mehls erfordert Konzentration. «Ein typischer Anfängerfehler ist die Ungeduld», sagt Muninger.
In drei Schritten in den Suppenhimmel
Eine echte Basler Mehlsuppe entsteht in drei Schritten: Mehl rösten, Bouillon richten, Mehl und Suppe schadenfrei zusammenbringen – das braucht Zeit. Gut, dass man in Etappen schaffen kann. Trocken aufbewahrt, halte sich das Röstmehl mehrere Wochen, sagt André Muninger. Schon Tage vor dem Morgenstraich füllt er «Alltagsmehl» in einen Topf und stellt ihn ohne Deckel in den auf 180 Grad vorgeheizten Ofen, wo es anderthalb Stunden keinesfalls allein vor sich hin bräunen darf. «Alle zehn Minuten müssen Sie es mit dem Schwingbesen durchrühren», sagt Muninger. Bloss nichts anbrennen lassen! Braunschwarzes Mehl ist bitter, man kann es gleich in den Kübel schütten. Eine Warnung vom Chef: «Umluft wäre ein Desaster, da wirbelt Ihnen das Mehl durch den Ofen.» Die Hitze soll gleichermassen von oben und von unten einwirken. Das perfekte Röstmehl hat eine angenehm hellbraune Tönung, mit flinken Fingern drückt Muninger es durch ein Haarsieb. Das Ergebnis ist ein fast seidiger Staub, der nur in feinsten Spuren an den Fingerspitzen haften bleibt. Ein Zeichen, dass die Feuchtigkeit komplett verdampft ist, von ursprünglich 300 Gramm Mehl bleiben 250 Gramm. Saft und Kraft bezieht die Brühe aus Knochen. Die Mehlsuppe à la Muninger enthält Schweinsfüsse oder Kalbs3 | 2011
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lltagsküche einfach und gut
Egal ob Single, zu zweit oder als Familie – mit unseren schnellen Rezepten für jeden Tag zaubern Sie im Handumdrehen Köstliches auf den Tisch. Rezepte: Margaretha Junker Fotos: Ruth Küng Illustrationen: Reinhard Blumenschein
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Alltagsküche
Tortellini an Fenchel-Curry-Sauce Hauptgericht für 4 Personen 200 g 1 dl 1,5 dl 1 TL 500 g
Fisch-Mixspiesse Hauptgericht für 4 Personen 300 g 8 8 1 2 EL 4 EL 1 350 g 1
Lachsfilet Eglifilets Crevetten Limette Sojasauce Olivenöl rote Peperoni Maiskörner aus der Dose Knoblauchzehe Salz, Pfeffer
Lachs in grosse Würfel schneiden. Eglifilets aufrollen. Crevetten und Fische abwechselnd auf Spiesse stecken. Die Hälfte der Limette in Scheiben schneiden. Restliche Limette auspressen. Limettensaft, Sojasauce und die Hälfte des Öls mischen. Spiesschen damit bestreichen. 10 Minuten ziehen lassen. Peperoni entkernen und würfeln. Maiskörner abgies sen und abtropfen lassen. Beides im restlichen Öl 5 Minuten braten. Knoblauch dazupressen. Mit Salz und Pfeffer ab schmecken. Fischspiesse in einer beschichteten Bratpfanne bei mittlerer Hitze 6–8 Minuten braten. Limettenscheiben kurz mitbraten. Spiesse mit dem Maisgemüse servieren. Tipp Dazu passen Fladenbrot und Sauer-Halbrahm. Zubereitung ca. 30 Minuten Pro Person ca. 36 g Eiweiss, 16 g Fett, 21 g Kohlenhydrate, 1550 kJ/370 kcal
Fenchel Gemüsebouillon Halbrahm milder Curry Salz, Pfeffer Tortellini, z. B. mit Spinatfüllung
Vom Fenchel schönes Grün entfernen und beiseitestellen. Fenchel fein hobeln. In Bouillon 2 Minuten kochen. Rahm dazugiessen, mit Curry würzen und 2–3 Minuten kochen. Sauce mit Salz und Pfeffer würzen. Tortellini in Salzwasser ca. 2 Minuten kochen. Abgiessen und gut abtropfen lassen. Mit der Sauce mischen. Fenchelgrün hacken und darüber streuen. Zubereitung ca. 20 Minuten Pro Person ca. 13 g Eiweiss, 14 g Fett, 44 g Kohlenhydrate, 1500 kJ/360 kcal
Anfängercakes & Vanille-Himbeer-Cake Rezept Seite 44
Rezepte: Katrin Klaus | Fotos & Styling: Claudia Linsi
Ein Teig für zwei völlig unterschiedliche Desserts. Wir zeigen Ihnen, wie Sie das gebacken kriegen. 38
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Bluffertorten
S端sse Versuchung
Vanille-Himbeer-Torte Rezept Seite 44
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Die Bögen des Pont-Neuf überspannen die Garonne seit dem 17. Jahrhundert.
Essen in …
T ou lous e In der Stadt an der Garonne im Südwesten Frankreichs wird noch herzhaft zugelangt. Da kommt der währschafte Eintopf Cassoulet auf den Tisch. Und wer modern kocht, bedient sich traditioneller Zutaten. Text: Stefan Simons | Fotos: Gunnar Knechtel | Rezeptadaption: Janine Neininger
Im Restaurant Emile sind Ambiente und Küche schnörkellos traditionell.
Jean-Paul Patacq ist einer der Letzten, die den Cassouletköchen noch Lingotbohnen liefern.
Kreuzgang der Dominikanerkirche Convent des Jacobins.
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Essen in Toulouse
Aus dem Restaurant Emile
Chicorée-Tartelettes mit Jakobsmuscheln in Kruste Vorspeise für 4 Personen Für 4 Kuchenbleche à 10 cm Ø 4 1 EL 100 g 25 g 200 g 12
Stangen Chicorée Zitronensaft Zucker Butter Salz, Pfeffer Butter für die Bleche Blätterteig Mehl zum Auswallen Jakobsmuscheln
25 g 25 g je 1 TL
Kruste: Weissbrot ohne Rinde Butter, weich Orangen- und Zitronenschale, gerieben
1 1 1 dl 20 g 1 Msp.
Grüne Currysauce: Bund Petersilie Bund Koriander Hühnerbouillon Butter, kalt Curry
1. Backofen auf 220 °C vorhei-
zen. Chicorées halbieren, Strunk herausschneiden. Chicorées in Wasser und Zitronensaft mit wenig Zucker, Butter und Salz weich kochen. Etwas abkühlen lassen und in feine Streifen schneiden. Restlichen Zucker caramelisieren lassen. In die Kuchenbleche verteilen. Chicorées gleichmässig in die Bleche
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legen. Blätterteig auf wenig Mehl ca. 3 mm dünn auswallen. 4 Rondellen à 9 cm Ø ausstechen, auf die Chicorées legen. In der Ofenmitte ca. 15 Minuten backen. Tartelettes auskühlen lassen. 2. Inzwischen für die Kruste Brot hacken. Mit Butter, Orangenund Zitronenschale mischen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Für die Sauce Kräuter sehr fein hacken. Mit der Bouillon aufkochen. Butter unter Rühren beigeben, nicht mehr kochen. Mit Curry, Salz und Pfeffer abschmecken. 3. Zum Servieren Jakobsmu-
scheln in wenig Öl beidseitig 1 Minuten braten. Auf ein Blech geben und mit der Kruste bestreuen. In der oberen Ofenhälfte ca. 5 Minuten überbacken. Tartelettes auf Teller stürzen. Jakobsmuscheln darauf verteilen. Sauce rundherum verteilen.
Tipp Mit Salat garnieren.
Zubereitung ca. 30 Minuten + ca. 20 Minuten backen Pro Person ca. 11 g Eiweiss, 33 g Fett, 55 g Kohlenhydrate, 2350 kJ/560 kcal
mische Produkte erster Güte – Bohnen inklusive. Der 24-Jährige regiert mit vier Köchen und zwei Kellnern in der Rue du Paradoux, unweit des Pont-Neuf, dessen mächtige Bögen seit dem 17. Jahrhundert die Fluten der Ga ronne überspannen. Lambinon hat seinen Traum verwirklicht – nach einer Lehre bei Gourmet-Guru Alain Ducasse in Monaco, Stippvisiten in Paris, London und Marseille steht er seit 2009 in seinem eigenen Restaurant, dem «PY-R». Er schaffte sich binnen Monaten den Ruf eines kreativen Kochtalents, mit Rezepten, die sich von der Regionalküche unterscheiden, aber ihre Produkte neu interpretieren. So setzt er auf Entenstopfleber, Lammcarré, Bio-Gemüse und erlesenes Olivenöl. Die Inspirationen kämen ihm meist im Schlaf, die Umsetzung danach sei jedoch zäh und ermüdend. Herz der Küche sind leichte Fisch- und Fleischkompositionen jenseits der üppigen Hausmannskost, der Toulouse sein Renommee verdankt. «Nein, Eintopf steht nicht auf dem Menü», sagt Lambinon und schiebt einen gebratenen Merlu nebst Garnitur aus grünem Spargel und Mango-Dressing unter die Wärmelampe. Aber er weiss auch: «Cassoulet gehört zu Toulouse wie die Garonne, das Rathaus und die Airbus-Werft.» Das bestätigt Christian Fasan. Der Chef des Restaurants Emile hat keine Ambitionen auf Sterne oder Kochmützen, wohl aber eine Reputation von Bordeaux bis Perpignan. Schon als der Koch vor 15 Jahren das Haus an der Place Saint-Georges übernahm, zählte es zu den besten Adressen. Doch der 40-Jährige, den es nach der Ausbildung in Paris zurück in seine Heimat zog, entrümpelte erst die Speisekarte und dann das biedere Ambiente. GASTRONOMISCHES GIPFELEREIGNIS
Fasans wichtigste Regel: Einkauf nur bei vertrauten Einzelhändlern. Das Brot liefert der Bäcker Le Gallo nebenan, das Fleisch Metzger Ferlac zwei Türen weiter. Für Innereien geht er ein paar Schritte zum Markt Victor Hugo. In den gleissenden Hallen findet er Leber, Nieren und Kutteln, nebst Kalbsmilken, Hirn und Herz. Fasan schaut sich die Ware an, bevor er zulangt, dann wechselt er zum Stand von Familie Garcia, wo sich Bauchspeck, Schwarte und Schinken türmen. Für sein Gemüse durchquert Fasan die Altstadt, vorbei am Capitole. Hier, gegenüber dem Renaissance-Rathaus, mischen sich Touristen und Einheimische unter den Arkaden beim Express in Cafés und Brasserien. In der Rue Croix Baragnon zeigt der gebürtige Toulousain auf die Juweliere und Luxusläden der Bourgeoisie, bei der Kathedrale Saint-Etienne biegt er ins Viertel der Antiquitätenhändler ein: ein historischer Rundgang, der am Markt Les Carmes endet. Das Zeugnis filigraner Eisenarchitektur wurde in den Sechzigerjahren einem Parkhaus geopfert. Geblieben sind die Marktstände im Erdgeschoss, wo Christian Fasan bei Sylviane et Didier Fleischtomaten und Auberginen bestellt und sich von dem redseligen Ehepaar Kefen, Peperoni und tropische Früchte einpacken lässt. «Die kennen mich, seit ich ein Dreikäsehoch war – meine Eltern, Gemüsebauern vor den Toren der Stadt, gehörten zu ihren Lieferanten. Schon damals wusste ich, dass ich Koch werden will.» Heute verbindet Fasan klassische Küche mit pfiffigen Kombinationen. Zu verblüffen vermögen seine Jakobs
muscheln auf einem gestürzten Chicorée-Törtchen, gekrönt von einem Bouquet bunter Salate. Anspruchsvoll ist das zarte Heringstatar. Fasan hat über all den Neuerungen aber die Tradition nicht vergessen, das zeigen seine Kalbsmilken mit Pilzen, Karotten und Kartoffeln, schmurgelnd in der gusseisernen Terrine serviert. Aber auch sein Cassoulet ist berühmt: Als 1998 der Flugzeug riese Airbus A380 in Toulouse vorgestellt wurde, lud Frankreichs Präsident seine europäischen Kollegen zum Festdiner in die Präfektur. Das Menü besorgte Fasan. «Ein bislang ungebrochener Rekord», freut er sich, der den deftigen Eintopf bei dieser Gelegenheit gleich vier amtierenden Staats- und Regierungschefs vorsetzte: «Cassoulet für Jacques Chirac, Tony Blair, Gerhard Schröder und José Luis Rodríguez Zapatero. Das war für mich mehr als jede professionelle Ehrung – und für Toulouse ein gastronomisches Gipfelereignis.»
Appetit bekommen? Ein Metzger verlädt ein Kalb in einen Kühlwagen.
In den Gassen der Stadt findet man wohltuenden Schatten.
Toulouse – Beste Adressen
In der neuen finden Sie viele weitere genussvolle Inspirationen. Sehen & essen
Le Bon Vivre 15 bis, place du Président Thomas Wilson, Tel. 05 61 23 07 17, www.lebonvivre.com. In der dritten Generation kocht man hier den Cassoulet. Die Gäste sitzen an Bistro tischen. Im Sommer können sie auf der Terrasse das Treiben auf der Place beobachten. Preise: mittel.
PY-R 19, rue du Paradoux, Tel. 05 61 25 51 52, www. py-r.com. Der kulinarische Newcomer Pierre Lambinon lernte bei Alain Ducasse. Mit den Produkten aus der Region bereitet er leichte Fisch- und Fleischgerichte zu. Preise: mittel bis hoch.
Seit 15 Jahren wirtet hier Christian Fasan. Er kochte für Jacques Chirac, Tony Blair und andere Regierungschefs Cassoulet. Preise: mittel.
La Roulotte 40 bis, rue Peyrolières, Tel. 05 62 89 43 01, www.laroulotte-maman.blogspot.com. Mini-Restaurant und Teestube zwischen Fondation Bemberg und Notre-Dame de la Daurade, Nähe Garonne-Ufer. Familiär. Empfehlenswerte Salate und Quiches. Preise: günstig.
Ehemaliges Schleusenwärterhäuschen vor den Toren der Stadt am Canal du Midi. Das charmante Lokal lädt zur Mittagspause wie zum Apéro; von der Terrasse blickt man auf die Ausflugsboote und die Alleen längs des Kanals. Solide Küche mit Steaks und hausgemachtem Foie gras. Preise: günstig.
Einkaufen
Marché Victor Hugo Place Victor Hugo. Gedeckte Markthallen. Grosses Angebot lokaler Spezialitäten mit Cassoulet-Konserven in allen Varianten.
JETZT ABONNIEREN: http://www.saison.ch/de/shop-abo Restaurant Emile 13, place Saint-Georges, Tel. 05 61 21 05 56, www.restaurant-emile.com.
GROSSBRITANNIEN
BELGIEN DEUTSCHLAND
Paris SCHWEIZ FRANKREICH ITALIEN
Toulouse 200 km
SPANIEN
La Belle Equipe 22, rue Polinaires, Tel. 05 61 52 62 98. Bistro und Weinverkostung neben der Eglise Notre-Dame de la Dalbade. Kleine lokale Gerichte in launiger Atmosphäre. Preise: günstig.
Les Beaux-Arts 1, quai de la Daurade, Tel. 05 61 21 12 12, www.brasserielesbeauxarts.com. Toulouser Institution neben dem Pont-Neuf, gehört zur Gastro-Kette Brasserie Flo. Ausgezeichnete Meeresfrüchte und gehobene bürgerliche Küche, gute Weinkarte und das Ganze in authentisch-vornehmer Atmosphäre – Dekor und Bedienung inklusive. Preise: günstig bis mittel. La Faim des Haricots 3, rue du Puits Vert, Tel. 05 61 22 49 25, www.lafaimdesharicots.fr. Vegetarischer Imbiss mit breitem Angebot. Preise: günstig. L’Ecluse de Castanet Chemin d’Augustin, Castanet-Tolosan, Tel. 05 61 81 51 67, www.l-ecluse-de-castanet.fr.
J. Bacquié 5, place Victor Hugo. Traditionshaus (eröffnet 1896) mit Dutzenden Kaffee- und Teesorten, Gewürzen, Gebäck, Essig und Olivenölen aus verschiedenen Regionen Frankreichs. La Maison de la Violette 2, boulevard de Bonrepos, Tel. 05 61 99 01 30, www.lamaisondelaviolette.fr. Frachtkahn auf dem Canal du Midi, gewidmet der anderen Spezialität von Toulouse – dem Veilchen. Früher blumiges Symbol und Grundlage für Parfüm oder Likör. Wiederentdeckt von Madame Hélène Vié und verwendet als Ingredienz für Salz, Senf und Seifen, Bonbons und Badezusätze .
saison.ch Unter www.saison.ch finden Sie einen Stadtplan von Toulouse mit informativen weiterleitenden Links.
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