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Prof. P. Dr. Karl Wallner OCist Rektor der Phil.-Theol. Hochschule Benedikt XVL Heiligenkreuz office@hochschule-heiligenkreuz.at
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Krieg und Flüchtlingselend erschüttern uns. Die Welt ist im Umbruch. Gerade jetzt braucht der christliche Glaube starke Verkünder. Die Kirche ist nicht am Ende: Wir erleben in Heiligenkreüa, dass immer mehr Priesterstudenten und Ordensleute zu uns kommen, um ztr studieren. Es gibt Berufungen! Unsere Hochschule platzt wirklich aus allen Nähten. Wir können das nur mit Ihrer Hilfe bewältigen: Bitte unterstützen Sie unsere Priesterausbildung, und bauen Sie die Zukunft der Kirche mit auf ! Hier können Sie konkret helfen, denn wir brauchen Priester für Österreich, Deutschland, die Schweiz und die ganze Welt. Ihre Spenden in Österreich und Deutschland sind steuerlich absetzbar! Gott segne Sie!
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,,Beten wir viel für die Priester, denn wir brauchen heilige Priester. Desto heiliger die Priester sind, desto heiliger werden wir sein" Snt. Murrrn Trnrsa UNSERE ZIELE':
. Gute Priester [für das 21. Jahrhundert!) ausbilden . Theologische Brillanz in kirchlicher Gesinnung fördern . Ein Campus für junge Theologiestudenten sein . Noch mehr Priester und Ordensleute aus armen Ländern ausbilden
. fungen Leuten helfen, ihre Berufung und ihren Platz in der Kirche zu finden . Unseren Theologen einen kompetenten Umgang mit den Medien vermitteln
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EDITORIAL
GUIDO HORST
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Na also. |etzt wissen wir alle, was die NSA so ausspioniert. Etwa die Betriebsgeheimnisse bei WV, die kleinen Chips zum Beispiel, mit denen man bei dem Autobauer dachte, Abgasuntersuchungen überlisten zu können. Gier kennt keine Grenzen. Aber die Konkurrenz schläft nicht. Man hoffte wohl in Wolfsburg, sich zum größten Automobilkonzern der Welt aufschwingen zu können. Daraus wird nun wohl nichts. Es ist ein gigantischer Wirtschaftskrieg, der die Schlapphüte und Spione aller Länder in Atem hält (Papst Franziskus: ,,Diese Wirtschaft tötet!"). Aber die Lauschohren der NSA hätten wir uns schon gerne ausgeliehen, um bei jenen
Geheim-Treffen dabei zu sein, die wohl über Jahre dazu dienten und es vielleicht immer noch tun, den Kurs der katholischen Kirche fernzusteuern. In Belgien ist eine Biografie des greisen Kardinals Godfried Danneels erschienen, der sich derzeit in Rom aufhält, weil er - zum Erstaunen vieler - vom Papst wieder ein Billett fur die Bischofssynode erhalten hat. Das Buch stammt aus der Feder des Kirchenhistorikers lürgen Mettepenningen und der Theologin Karim Schelkens. Bei der Präsentation war Kardinal Danneels persönlich anwesend - und plauderte so einiges aus. ,,Eine Art Mafia-Club" sei es gewesen, der sich regelmäßig getroffen habe, enthüllte der Kardinal. Und meinte damit eine Gruppe von Purpurträgern, die regelmäßig in Sankt Gallen zur ,,Rekreation" zusammenkam, um über die Kursrichtung des Vatikans zu beraten. Die Person des Papstes eingeschlossen. Vor dem Konklave 2005 sei es darum gegangen, foseph Ratzinger aufdem
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Stuhl Petri zu verhindern. An den Treffen nahmen etrva die italienischen Kardinäle Achille Silvestrini und
Carlo Maria Martini, die Deutschen Karl Lehmann und Walter Kasper, Audrys Baökis aus Litauen, der Niederländer Adrian van Luyn und er selber, Danneels, teil, zitieren jetzt die Medien aus der Biografie. Noch im Vorkonklave in Rom unternahm die ,,Sankt GallenGruppe" einen letzten, verzweifelten Versuch, einen Gegenkandidaten zum deutschen Glaubenspräfekten aufzubauen. Damit scheiterten sie. Und Danneels besaß die Chuzpe, beim gemeinsamen Essen der Kardinäle mit Papst Benedikt XVI. am Abend nach der Wahl durch Abwesenheit zu glänzen. Die Einfachheit, mit der Danneels heute darüber spricht - und seine Biografen darüber berichten -, mag wohl auch daran liegen, dass die Gruppe beim Konklave des ]ahres 2013 meinte, erfolgreicher gearbeitet zu haben. Denn der Argentinier forge Mario Bergoglio soll ihr Kandidat gewesen sein. Um die Kirche moder-
ner zv machen und der heutigen Zeit anzupassen. So als wüssten die Herren nicht, dass es immer noch der Heilige Geist ist, der seiner Kirche beisteht und sie leitet bis ans Ende aller Zeiten. Und als sei Papst Franziskus ein Mann, mit dem sich Geschäfte machen ließen. Schön ist es dennoch, dass die Geschichte vom ,,Mafia-Club" herausgekommen ist. Auch ohne NSA. Dass es in der Kirche auch immer stark menschelt, war ohnehin schon bekannt. Dass sie trotzdem alle Stürme übersteht, ist eigentlich der beste Beweis, dass der Herr im Boot nicht schläft.
DEs MoNATS
,,W)ZU ALL DIE GEDANKEN MEIN FREUND. CH rusTuS IST AUFERSTAN DEN !.. Angelo Giuseppe Roncalli (1881-196j), der heilige Papst lohannes
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OFFENER BRIEF
\ATICAI{ magaztn
VATICAN-mägazin, Via delle Mura Aurelie, r5, - l-oor65 Roma
VTNTHRTER" LIEBER I(ARDINAI SARAH, mit großem Interesse habe ich Ihre Interview-Auszüge im letzten Vatican-magazin gelesen und mir daraufhin sogleich Ihr neues Buch ,,Gott oder nichts" besorgt. Gerade, als ich es in Händen hielt, erreichten die großen Flüchtlingsströme aus dem
Nahen Osten deutsche Bahnhöfe und Städte. Während die große Debatte in Deutschland begann, ob die von humanitären Gedanken geleitete, weite Öffnung unseres Landes für Bürgerkriegsflüchtlinge ein entscheidender politischer Fehler oder ein begrüßenswert christlicher Zug im Zentrum der Politik darstelle, begann ich Ihr Buch zu lesen.
Zeitgleich sah ich die nachgerade unglaubliche Hilfe von Leuten, die man hier als ,,Ehrenamtliche" bezeichneti ganz normale Schüler, Studenten, Hausfrauen, Berufstätige und Rentner. Tausende fanden sich spontan in Bahnhöfen und Aufnahmelagern ein, mit gespendeten Decken, Lebensmitteln, Getränken, Kleidung, Windeln und Spielsachen, die sie an die übermüdeten, erschöpften Menschen aus der
Ferne verteilten. Vielen der Flüchtlinge sah man an, wie überrascht sie über dieses warme Willkommen waren. Diese Szenen im Kopf, las ich Ihr Buch etwas anders, als ich es noch vor einigen Wochen getan hätte. ,,Die Liebe, die Großzügigkeit und die Freude, die Türen seines Hauses den Nachbarn oder Fremdem zu öffnen, tragen stets dazu bei, die Kammern unseres Herzens zu öffnen." fa, genau, besser kann man es kaum beschreiben! Die liebevollen Gesten, Umarmungen, ja, selbst der für
uns als kühl geltende Deutsche ungewöhnliche freundliche Begrüßungsapplaus zeugen von etwas, das tiefer geht als notwen-
das Gemeinsame sucht, und die umfassen-
dige Hilfeleistung in einer extremen Ausnahmesituation. Eine Solidaritat, die nicht auf Herkunft, Religion, Kultur und Unterscheidendes schaut und deren Quintessenz sich durch Ihr ganzes Buch zieht: ,,Im Kampf gegen die Not gibt es diese fundamentale Dimension, die darin besteht, dem Menschen seine Berufung als Kind Gottes und die Freude, zur Familie Gottes zu gehören, zurückzugeben." Ob ein jeder, der in dieser Weise dem Ruf seines Herzens folgt, wirklich etwas mit Gott am Hute hat, sei erst einmal dahingestellt. Deutschland gilt fast als sterbender Patient, was Glaube und Kirche anbetrifft. Neuevangelisierung wird von den einen gefordert, Reformen von den anderen.
staatlichen Organisationen unterscheidet? ,,Der Unterschied ist Christus." Mir kam bei der Lektüre der Gedanke: Vielleicht könnte die eigene, von Herzen kommende Hilfe ftir Fltichtlinge ftlr
Entchristlichung wird beklagt, die Nützlichkeit eines christlichen Fundaments fur eine funktionierende Gesellschaft hingegen
immer wieder betont. Kanzlerin Merkel bemerkte neulich, das beste Mittel gegen die Angst vor einer bevorstehenden Islamisierung, wie sie viele Bürger insgeheim oder in gezieltem Alarmismus umtreibt, sei eine vertiefte Kenntnis der eigenen Wurzeln. Sie sprach dabei dezidiert von den
de Hilfe zu geben vermag. Was die christ-
liche Nächstenliebe und die Arbeit von
manch einen von uns ein ganz neuer Ansatzpunkt für den ansonsten partiell oder ganz verschütteten Glauben sein. Diese große Alternative zu ,,Nichts", die der intuitiven Nächstenliebe tiefen Sinn gibt: Gott, der Vater aller Menschen, der Fremde und Andere zu Brüdern und Schwestern macht. Allen, die Menschen ,,ihre gleiche Würde als Kinder des Himmels und ihr Vermögen, sich dem ewigen Licht zu öffnen", zurückgeben, könnten Ihre Gedanken ein Quell der Erkenntnis sein, den besser kennenlernen zu wollen, aus dem ihre großherzige Caritas, ihre natürliche Liebe stammt. Von Ihnen kön-
nen wir alle lernen, dass das ,,Evangelium kein Schlagwort" ist. Dies gerade jetzt im doppelten Wortsinne zu entdecken, könnte f;,j'r ganz Europa eine fundamentale Wende, oder besser: eine Bekehrung. bedeuten.
christlichen Wurzeln.
Herzlichst Ihre
Diese stellen Sie in Ihrem in jeder Hin-
sicht faszinierenden Interviewbuch vor. Erzbischof Gänswein, der es einleitet, nennt es ,,radikal" im Wortsinne des lateinischen ,,Radix" - eben ,,aus der Wurzel". Eine ,,Radikalität", die nicht ausgrenzt, die
üz-'LMonika Metternich
VATICAN-magazin, Via delle Mura Aurelie, r5, - l-oor65 Roma ltalia ,Tel.++39/o6/39378471
redaktion@vatica n-magazin.com, www.vatica n-magazin.de vATtcaN 1o 2o15
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In diesem ]ahr feierte der Marsch ftir das Leben in Berlin einen Teilnehmerrekord. Doch es gab noch einen anderen Durchbruch: Bischรถfe wurden gesichtet von Alexandra Maria Linder
Seite 8
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Kleiner Aufruf zu einer Friedensbewegung, die den Namen
wie keine andere verdient Text und Fotos: Paul Badde
AUS DEM LOGBUCH DES SCHIFFS PETRI Nach dem Niedergang zu neuem Leben erweckt
Was wichtig war im Vatikan
Unbestechlich: Die Richter Seiner Heiligkeit - Die Rรถmische Rota ist das Gericht, das vor allem in Ehefragen entscheidet
Der Papst beschleunigt die Prozesse zur Annullierung einer Ehe
von Ulrich
Nersinger
Seite
12
Aufgeschnappt - hinter dem SantAnna-Tor Seite
seite r6
Bergoglios Provokationen Franziskus in Amerika: Das Hohe Lied auf die Familie Seite 18
15
DTSPUTA Von der Heiligkeit der Eucharistie
,,... DER ISST
UND TRINKT SICH DAS GERICHT..
Die Zulassungvon Wiederverheirateten im Einzelfall zu den Sakramenten hätte zur Folge, dieWahrheit desVersprechens vor der ersten Ehe auf dem
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Individualismus zu opfern
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von Robert Spaemann
Seite 47 '
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AUFBRUCHE Es tut sich was im Wienerwald...
Die große Mehrheit durchschaut die Lüge Ein Gespräch mit dem Sozialethiker Manfred Spieker über Gender-Mainstreaming von Guido Horst Seite 30
Mitten im postchristlichen Winter platzen Stift und Hochschule Heiligenkreuz aus allen Nähten von Stephan
Baier
Seite 22
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r DIE INVASION Wer wollte hier auf Dauer leben?
Millionen Flüchtlinge warten im Mittleren Osten und in der Türkei. ]etzt kommen sie Zahlen zu einem Drama Seite 38
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LESEPROBE Von derAnschauung Gottes in der Frau Die fast liebevolle Annäherung eines Muslims an Stephan Lochners,,Madonna im Rosenhag"
vonNavidKermani
GEISTLICHE PAARE
CHRISTLICHE KUNST
Das Meisterwerk: Mann und Frau, die einander lieben Zur Heiligsprechung der Eltern der heiligen Thdröse
Die himmlischen Begleiter
von Barbara
Wenz
Seite 5g
Bei allen wichtigen Ereignissen der Bibel sind sie
dabei: Die Engel als Boten Gottes
von Lisieux am Ende der Familiensynode
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DAS INTERVIEW
Seite 70
von Natalie Nordio
RUBRIKEN
4 OFFENER BRIEF I An Robert Kardinal Sarah I von Monika Metternich 44 EUROPA IM SINKFLUG I Das Europa der Schrebergärtner I von Stephan Baier 57 LYRIK I Goldene Hochzeit I vonWislawa Szymborska 64 UNTER DIE HAUT I ,,Wir haben der Liebe geglaubt" I von Florian Kollhaus 68 ACH NEE, KINDER... I Das Gutmenschenblatt I Alexandra M. Linders Familienkolumne 82 zwIsCHEN EUPHRAT UND NIL I Von Ferne lockt Frau Merkel I von Oliver Maksan 92 BADDES BTLDER I Hochzeit zu Kana 94 voN MAHL zU MAHL I Diesmal bei,,Romolo alla Mole Adriana"
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niemand eine Chancc gab. Dic Unentu,esten will'en clas, die [-eber-rsrecl'rtler, gcme als,,sclbstcrnilnnte" ocler,,so geniluntc Lcbcnsschtitzer" betitelt. ZLrniichst alr 2 002, klcin u ncl i r.r.r Zt,t'i al.r resrh vth nr us. j
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schlug den Demonstranten blanker Hass entgegen, die Aggression lag förmlich in der Luft. Denen war es wurscht, dass hier auch Leute ihr Kreuz trugen, die um ihre
eigenen Kinder trauerten. Feingeftihl, Hoflichkeit? Bei den Schreihälsen Fehlanzeige. Unsere Antwort: Fein, dann gehen wir eben jedes Jahr, muss sich ja lohnenl n-rehr - ,,Sag n.ral, eine Veranstaltung in Beriin?" Sehr spannend, äu13erst emP-
Wir wurden immer was ist denr.r das für
fehlenswert. Wenn Du noch nie Dildos oder eine Gegenderno namens tausend Kreuze in die Spree gesehen hast, solltest Du unbedingt dabei sein. 2009 waren wir schon zweitausend Dernonstranten und vierhur.rdert Polizisten. Ghandi hat wohl recht, wir sind inzwischen auf Stufe drei: Man bekämpft uns, r.rachdem rnan jahre10
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Verständlich, denn von der Gegenseite
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lang versucht hat, uns erst zu ignorieren und dann zu belächeh.r. Stufe vier ist tibrigens der Sieg. Eines Ttrges hatte die Polizei das ganze unterschätzt: An einer Brücke standen die gewaltbereiten Gegner p1ötzlich zwei Meter vor uns. Und t'ährer-rd ich noch überlegte, ob man das stirbile Holzkleuz möglicherweise ftir Notrvehrzr'r'ecke verwenden dürfte, flog rnir etwas Brennendes vor die Füße. Erster Gedanke: Molotow-Cocktail, wen retten wir zr,rerst? Zwei-
Pro Fan-rilia (Sie wissen schon, der Laden, der Gebärmutterinhalt entferr.rt, damit viel Geld verdient, aber gleichzeitig Frauen zum Leben hin berät, also so etwas wie eine weltanschauliche Wollmilchsau), die
ter Gedanke: Ach, nr-rr ein Buch. Dritter Gedanke: Du lieber Hin-rmel, eine Bibell Und das vor dem August-Bebel-Platz -
Verzeihung, Erhaltung der Ur.r-rwelt auf
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (das sind die, die erst einseitige Sexualpro-
gramme unterrichten ur.rd sich danr.r über hohe Schwangerschafts- und Abtreibungszahlen wundern), Gruppen der SPD, Linken und Bündnis90/Grüne - hatten die sicl.r nicht die Bewahrurrg der Schöpfung,
die Fahnen geschrieben? Der Mensch ist bei der.ren offenbar kein Bestandteil die-
wussten die Hansels vermutlich gar r-richt. Aha, so weit sind rvir schon. Wir wurden so wichtig, dass sich ein
ser Sphäre. Berliner Bürgerr.neister, desinforn.riert und ideologisiert, faseln fleißig für das Bündnis. Aber das kennen rvir
Bündnis bildete, dessen Aufgabe es ist,
ja. Feministinnen tlln auch nichts dage-
uns zu bekämpfen
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darunter Namen wie
ger.r, dass
die meisten Abtreibur.rger-r weger.r
der Männer stattfinden und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts beseitigt werden. Lustig ist, dass die ,,Humanisten" dabei
sind - hoffentlich deklariert nicht mal jemand all diese Leute als ,,Zellhaufen", sonst sehen die alt aus.
Im Internet gibt es Listen von
,,Rech-
ten Frauen", Veranstaltungshinweise, wo man uns erlegen kann. Blockade ist das Motto, hat aber auch dieses lahr, mit über siebentausend Lebensrechtlern und neun-
hundert Polizisten, nicht funktioniert. Sollten Sie uns in den Medien suchen, googlen Sie die Schlagwörter umstritten, homophob, anti-feministisch, antichoice, fundamentalistisch, extremistisch, ich hoffe, ich habe nichts vergessen. Aber selbst die kommen nicht an uns vorbei, auch wenn katholische Radiosender
die,,Lebensschützer" in Anführungszeichen setzen und ein Amtskirchler bei seiner Berliner Amtseinführung unsere parallel laufende Veranstaltung nicht einmal erwähnt, während am nächsten Tag in Pressburg/Bratislava alle denkbaren Landesgeistlichen unter den achtzigtausend Teilnehmern dabei sind. Zurück zum Anfang: Die Kreuze sind noch da. Dazu Luftballons, bunte Schilder mit klaren Aussagen, Kinderbilder, wir sind bunt. Das Themenspektrum hat sich erweitert, um PID, Euthanasie, assistierten Suizid und Verwandtes. Vom Neugeborenen bis zum Neunzigjährigen ist alles dabei. ,,Fährst du auch? Super, dann sehen wir uns. Da müssen wir unbedingt wieder hin!" Kommen Sie doch mal mit. Kürzlich
wurden Bischöfe gesichtet.
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NIEDERGANG ZU NEUEM LTBEN ERWECKT Unbestechlich: Die Richter Seiner Heiligkeit - Die Römische Rota ist das Vatikangericht, das vor allem in Ehefragen entscheidet VON ULRICH NERSINGER
Durch zwei Verfügungen des Heiligen Vaters wurden die kirchlichen Ehenichti gkeit sv erfahr e n ein er Reform unterzogen und vereinfacht - eine Gelegenheit, den Blick auf die ,,Rota" ztt werfen.
er Heilige Stuhl verfügte schon früh über eine eigene Gerichtsbarkeit. Die richterlichen Funktionen lagen ursprünglich allein in den Händen des Papstes, später dann auch in seinem Auftrag und mit seiner Auto-
- in denen seiner engsten Mitarbeiter, der Kardinäle. Um die |ahrtausendrität
wende fanden sich als Richter die,,Kapläne des Papstes", die der Papst beauftragte, die Prozesse zu leiten, denen er nicht persönlich vorzustehen beabsichtigte oder den Kardinälen überweisen wollte. Diese Kapläne waren zunächst
Vernehmungsrichter
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daher die noch
heute gebräuchliche Bezeichnung ,,Auditor" (Hörer). Von Innozenz III. (Lotario dei Conti di Segni, 1198-1216) wurde ihnen die Vollmacht zugesprochen, Urteile zu fällen.
Erst im vierzehnten lahrhundert, als die Päpste in Avignon regierten, erhielt der päpstliche Gerichtshof eine fest umrissene Gestalt. In dieser Zeit kam erstmals die Bezeichnung ,,Rota" auf. Worauf sie zurückgeht, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Vielleicht rührt sie daher, dass der Fußboden
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des Sitzungssaales
mit einer runden Plat-
te (rota) geschmückt war; vielleicht auch
von dem auf Rädern rollenden Gestell, auf dem sich die Gesetzbücher befanden und das während der Sitzungen vor dem Richtertisch stand. Aber auch die kreisförmige Anordnung der Richterstüh-
le oder die Tatsache, dass die
Prozesse nach einem bestimmten Turnus den
verschiedenen Kollegien von je drei oder fünf Auditoren zur Behandlung überwiesen
-,
wurden
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gewissermaßen ,,rotierten"
könnte zu der Namensgebung geführt
haben.
Papst Martin
V. (Oddo di Colon-
na, 1417-).431) legte fest, welche Eigenschaften von den Richtern der Rota verlangt wurden. Für die Ernennung zum Auditor musste der Kandidat eine dreijährige öffentliche Lehrtätigkeit als Jurist an einer Universität vorweisen können. Doch schon bald wurde von dem Nachweis einer Lehrtätigkeit dispensiert; stattdessen verlangte man den Titel eines
Doktors des kirchlichen und des bürgerlichen Rechts und zwar ohr.re jede Ausnahme und Dispens. Der Kandidat sollte zudem über einen bestimmten Besitz
verfügen, damit gegen ihn nicht der Verdacht der Käuflichkeit aufkam. Die Blütezeit des Gerichtshofs fiel in das sechzehnte und siebzehnte ]ahrhundert. Fünf Auditoren wurden damals zu
Päpsten gewählt. Papst Alexander
VIII.
(Pietro Ottoboni, 1689-1691) nannte das Tribunal der Rota Romana, deren Richter er gewesen war, ,,den kostbarsten Edelstein in der päpstlichen Krone". Der Ruf der Unbestechlichkeit der Rota war legendär - so unter anderem dokumentiert in dem Eheprozess, den Heinrich VIII. von England angestrengt hatte. Auf die Glanzzeit des Gerichtshofs folgte im achtzehnten Jahrhundert eine Zeit des Niederganges, so dass nicht wenige europäische Höfe die Vollstreckung der Rota-Urteile verweigerten oder verhinderten. Nach der Französischen Revolution fristete die Rota nur noch ein kümmerliches Dasein. Im Jahre l83l musste die alljährlich mit großem Prunk zelebrierte Reiterprozession zur Eröffnung
des Gerichtsjahres unterbleiben, weil sie für die Römer ein Gegenstand des Spottes geworden war. Drei Jahre später beschränkte Gregor XVI. (Bartolomeo Alberto Cappellari, 1831-1846) die Zuständigkeit der Rota auf das Gebiet der Päpstlichen Staaten, so dass der Gerichtshof nach dem Ende der weltlichen Herr-
AUS DEM LOGBUCH DES SCH IFFS PETRI
schaft der Päpste im fahre 1870 zu völliger Bedeutungslosigkeit hinabsank.
Die Römische Rota schien
dem
Untergang geweiht zu sein. Doch im
ten. Gemäß des Kirchlichen Gesetzbuches von 1983 urteilt sie ,,in zweiter Instanz über Sachen, die von ordentlichen Gerichten in erster Instanz entschie-
Jahre 1908 wurde sie durch den heiligen Pius X. (Giuseppe Sarto, 1903-1914) zu neuem Leben erweckt. Die Rota handelt
den worden sind und durch rechtmäßige Berufung an den Apostolischen Stuhl
vornehmlich als Berufungsgericht.
höherer Instanz über Sachen, die von der Römischen Rota selbst und von anderen Gerichten entschieden worden sind" (can.1444).
Sie
sorgt für die Einheitlichkeit der Rechtssprechung und hilft durch die eigenen Urteile den untergeordneten Gerich-
herangetragen werden;
in dritter oder
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In erster Instanz urteilt die Rota in den Streitsachen hoher kirchlicher Würdenträger sowie über die Diözesen und sonstige physische oder juristische Personen in der Kirche, die keinem anderen Oberen als dem Papst selbst unterstehen (cann. 1405 und 1444). Sofern nichts anderes festgelegt ist, behandelt die Rota diese Fälle auch in zweiter oder höherer Instanz. Ferner fällt sie ihre Urteile in den Verfahren, die ihr vom Papst eigens übertragen wurden (can.l444). In der Praxis ist die Rota jedoch überwiegend mit der Berufung in Ehenichtigkeitsverfahren beschäftigt. Ein Ansuchen um die Annullierung einer Ehe kann die Rota auch direkt unter Umgehung diözesaner Gerichte übernehmen. In dem Fall, dass es sich in einem Verfahren um die Ehe eines Staatsoberhauptes oder Angehörigen eines regierenden Herrscherhauses handelt, wird der Prozess grundsätzlich in Rom verhandelt, da die Gefahr einer Beeinflussung des örtlichen Gerichtes besteht.
Die Rota Romana ist ein Gerichtshof, der seine Urteile kollegial fällt und nicht
durch einen Einzelrichter. In der Regel behandelt er die an ihn herangetragenen Verfahren durch ein Gremium von drei Auditoren, den so genannten Trrnus. In dem jeweiligen Dreierkollegium führt der dienstälteste Richter den Vorsitz. Die Rota kann aber auch in besonde-
ren Fällen in der Gesamtheit ihrer Audi-
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toren tätig werden. Alle Richter werden vom Papst direkt ernannt und stammen aus allen Teilen der Weltkirche. Sie müssen die Priesterweihe empfangen haben und Doktoren beider Rechte sein; sie sollen sich durch große Rechtserfahrung auszeichnen und über persönliche Klugheit verfügen. Die aus der Geschichte gewachsene Tradition, bei der Berufung der Richter bestimmte Nationen zu berücksichtigen, wird auch heute noch beachtet. Alle Auditoren sind dem Rang nach gleich; die einzige Unterscheidung ist das Dienstalter. Dem Auditoren-Kollegium steht ein Dekan als pripares (Erster unter Gleichen)
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Hochverehrter Freund, ich darfSie und Ihre teuren Landsleute der geflissentlichen Beruhigung aussetzen. Niemand hat die Absicht, im Vatikan eine Mauer zur Tradition hin zu bauen oder eine Rebellion zu entfesseln - zumindest nicht mehr als in den vergangenen Jahrzehnten und Iahrhunderten. Die fur ihre Berufsgruppe eher unübliche Erregung der in abgeschotteten Büroräumen gewaltige Aktenberge durchgrabenden und vergilbte Fachliteratur wälzenden kirchlichen Eherechtler wurde durch zwei Verfugungen des Heiligen Vaters zur Reform der Ehenichtigkeitsverfahren hervorgerufen. Sehen sich doch nun die bisher einer akademischen Betulichkeit verpflichteten Kanonisten der Forderung einer zügigeren und menschenfreundlichen Behandlung der Fälle gegenüber, die sich durchaus auch weiterhin, zumindest vorerst, an und in der Treue zur kirchlichen Lehre zu orientieren hat. Seine Heiligkeit scheint kasuistischen Spielereien und selbstgewählter Weltfremdheit eher abgeneigt zu sein.
Monsignor Sottosegretario zeigt sich überrascht davon, dass man in konservativen Kreisen der Kirche eine unverhohlene Abneigung gegegüber der Ausübung päpstlicher Vollmacht Iautstark vernimmt. War doch bisher stets und unablässig der Aufruf zu hören, der Pontifex Maximus möge von der ihm von unserem Herrn fesus Christus verliehenen höchsten Autorität mit aller Kraft und Deutlichkeit Gebrauch machen. Aber steht nicht in den Schriften der Bibel, dass man das, was man von Gott erflehe, auch erhalte? Der himmlische Vater, so unser verehrter Monsignore, habe in seiner unendlichen Güte das inständige Gebet erhört - aber der Dank dafür stehe aus. In beeindruckender Harmonie von päpstlicher Machtfülle und dem überquellenden Erguss der Barmherzigkeit wurden vom Heiligen Vater auch Kardinäle von biblischem Alter in die Arena der kommenden Bischofssynode berufen, um ihre
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eigenen Erfahrungen auf dem Campus der Ehe, der Vereinigungen, die sich mit ihr gleichzusetzten beabsichtigen, und der mit der Heiligen Schrift bisher nicht zu vereinbarenden Praktiken kundzutun. Barmherzigkeit in erstaunlichem Maße wurde in diesem Kreise einem ehrwürdigen, emeritierten Purpurträger aus der unmittelbaren Nachbarschaft Ihres Heimatlandes zuteil. Er konnte seine Berufung als eine öffentliche demonstrierte Absolution und einen vollkommenen Ablass von der Duldung gewisser Vorfälle ,,contra naturam" und der Missachtung der Würde unschuldiger Geschöpfe Gottes feiern - mit belgischem Starkbier und süßen Brüsseler Waffeln. Unter dem Eindruck der Woge päpstlicher Barmherzigkeit hat der Magistrat der Ewigen Stadt auf dem Colle Oppio, dort wo einst Nero sein prachtvolles, aber vergängliches Domizil aufschlug, Professor Dr. Martin Luther, einem ehemaligen ,,teutschen" Ordensmann und Verfechter einer außerordentlichen ehelichen Gemeinschaft, im Schatten des Kolosseums die Ehre einer Piazza zugestanden. Monsignor Sottosegretario meinte, seit Rom unter weltlicher Herrschaft stehe, habe deren Verwaltung die Leidenschaft gehegt und gepflegt, auch Straftätern ihren Platz, einen ,,locus significans", in der Öffentlichkeit zu gewähren. Unser verehrter Monsignore verwies auf das düstere Denkmal des Giordano Bruno, das sich über dem so lebensbejahenden Campo de'Fiori erhebt. Doch in dieser Nähe dem ,,furor teutonicus" und erbitterten Feind des alttestamentarischen Gottesvolkes eine wie auch immer geartete Lokalität zu widmen, habe man im Anblick der Silhouette einer Synagoge wohl doch nicht wagen wollen. Pax et Misericordia
lhr Monsignore Origlio alle Porte Wirklicher Ehrenprölat S einer Heiligkeit
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-.'.'-T-! AUS DEM TOGBUCH DES SCHIFFS PETRI
Was wichtig war
im Vatikan
SCHNELLVERFAHREN FUR OFFENS ICHTLICH KLAR GELAGERTE FAIIT Franziskus beschleunigten Prozesse zur Annullierung einer Ehe. Entschieden hat er allein - ohne die römische Kurie Dienstag, den 8. September
Mit
zwei Apostolischen Schreiben hat
Papst Franziskus das kirchliche Gesetz-
buch geändert, um eine Beschleunigung der Prozesse zu bewirken, mit denen die Kirche die Nichtigkeit einer sakramen-
halb von dreißig Tagen feststellen können. Bei diesen Schnellverfahren muss immer der Bischof der zuständige Kirchenrichter sein.
,,Codex Iuris canonici" (CIC), das zweite
Papst Franziskus hebt in den beiden Schreiben hervor, dass er mit seiner Reform nicht die Nichtigkeitserklarung von Ehen fördern, sondern lediglich die Prozessdauer verkürzen wolle. Die Gläubigen sollten nicht zu lange im
Motu proprio ,,Mitis et misericors Iesus"
Ungewissen über den Ausgang ihres Pro-
(Der gnädige und barmherzige
zesses
tal geschlossenen Ehe feststellt. Das Motu proprio ,,Mitis Iudex Dominus Iesus"
(Der Herr |esus, der gnädige Richter) betrifft die lateinische Kirche und ihren
fesus)
die mit Rom verbundenen Ostkirchen und ihr kirchliches Gesetzbuch. Beide Papsterlasse tragen das Datum vom 15. August dieses Jahres und lagen zunächst nur auf Latein und Italienisch vor. Heute wurden sie im Pressesaal des Heiligen Stuhls der Öffentlichkeit vorgestellt. Die neuen Regelungen des Kirchenrechts treten am 8. Dezember, mit Beginn des Hei-
ligen lahres, in Kraft.
Kernpunkte der Reform sind vor allem die Abschaffung des bisher üblichen zweiten Urteils durch eine Berufungsinstanz, die bisher das Verfahren
in erster Instanz zu bestätigen verwerfen
-
- oder zu hatte, die Aufwertung der
Ortsbischöfe als erste Richter ihrer Diö-
zesen, auch in Ehenichtigkeitsverfahren, sowie die Einführung von ,,Prozessen kurzer Dauer", die in Fällen, in denen das Nicht-Bestehen einer sakramentalen Ehe evident ist, deren Nichtigkeit inner-
über Gott oder die Ablehnung der sakralen Dimension des Ehebundes und seines Wertes in der Ordnung der Gnade" die Gültigkeit dieses Ehebundes in Frage stellen könnte. Es war eine Frage, die der deutsche Papst formulierte, er wollte, dass sich die Kanonisten eindeutiger
mit
keit der Ehe infrage stellen könnten, so Franziskus weiter. Um dem entgegenzuwirken, habe er für diese besonders ver-
ihr befassen. Benedikt XVI. wusste damals schon, dass er bald zurücktreten würde, und hat das heikle Thema der Ehenichtigkeit in die Hände seines Nachfolgers gelegt. Und der hat jetzt entschieden - in der Weise, wie es für Franziskus typisch ist. Er hat den theologischen Faden seines Vorgängers nicht weitergesponnen, sondern in seiner auf Reformen bedachten Art ein
kürzten Verfahren einen Bischof anstelle
Verfahren geändert: den Eheprozess.
eines Richters vorgesehen.
Ein Mann der Praxis eben, der auch entschlossen durchgreifen kann. Was im Vatikan jetzt fi.irr Erstaunen gesorgt hat: Der Papst hat seine Reform
bleiben. Er sei sich durchaus des
Risikos bewusst, dass die verkürzten Prozesse auch das Prinzip der Unauflöslich-
Vorbei sind die Zeiten, in denen Johannes Paul II. bei seinen regelmäßigen Ansprachen vor Kanonisten und Eherichtern dazu aufrief, bei Annullierungsverfahren Strenge walten zu lassen und das Eheband gewissenhaft zu verteidigen. Die Wende kam unter Benedikt XVI. Was ist, wenn beim Eingehen einer
der Eheannullierungen an allen Instanzen vorbei durchgesetzt. Die beiden Dekrete wurden von der Kommis-
sakramental geschlossenen Ehe der Glau-
sion vorgestellt, die diese auch erarbeitet hatte. Da saßen der Präsident des Rates für die Gesetzestexte, der Dekan der
be fehlt? Ist diese Ehe dann überhaupt noch ein Sakrament? In einer seiner letzten Ansprachen als amtierender Papst stellte der deutsche Papst am 26. larutar 2013 vor der römischen ,,Rota Romana" lest, dass ,,das Verschlossensein gegen-
Rota Romana, ein Ostkirchen-Exarch, der Sekretär der Glaubenskongregation sowie Monsignore Alejandro Bunge von der Rota Romana und Pater Nikolaus Schöch OFM von der Apostolischen Signatur. Sie waren aber alle ,,ad personam"
in die Kon.rmission berufen worden und zum Schweigen verpflichtet - auch ir.r ihrem eigenen Dikasterium. Bei Gesetzgebungsverfahren ist es jedoch vorgesehen und üblich, dass alle betroffenen Vatikanbehörden wie in der Regel die Glaubenskongregation, der Rat für die Gesetzestexte und die Vatikangerichte
Aber die Kritik geht noch weiter: Grur.rdsätzlich stellen zahlreiche Kirchenrechtler und Gelehrten einen Paradigmenwechsel fest. War es bisher die Aufgabe der Kirchengerichte, das Ehe-
Das Verfahren selbst dauere nur dreißig Tage, die Verhandlung gehe an einem Tag über die Bühne. Da sei es nicht mehr
vertiefen. Bei den Umständen, die die Kirchengerichte veranlassen können, eine Ehean-
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nullierung im Schnellverfahren herbei-
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die Ostkircher.r-Kongregation einbezo-
band zu verteidiger.r, erweckt die Reform den Eindruck, als gehe es Papst Franziskus darum, möglichst vielen die Eheannullierung zu ern-röglichen. Für entscheidend halten Kritiker der neuen Richtlinien zur Eheannullierung die Ein-
gen werden müssen, da das zweite Motu
führung der Schnelh,erfahren. Hier
proprio in ihren Zuständigkeitsbereich
der Schritt zu einer ,,katholischen Scheidung" nicht mehr weit. Es rnüsste sich ein Ehepaar nur darin eir.rig sein, ihre Ehe beenden zu wollen, dann könnten sie sich bei dem abgekürzten Verfahren rnit gleichlautenden Aussagen innerhalb von 45 Tagen ihre Annullierung holen.
die entsprechender.r Dokumente zur Prüfung erhalten. In diesem Fall hätte auch
fiel. Auch werden bei Dekreten dieser Art die Bischofskonferenzen, die Fakultäten für Kirchenrecht und einzelne ausgewiesene Fachleute befragt. Bei der Reform der Ehenichtigkeitsverfahren hat das alles nicht stattgefunden.
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sei
inöglich, der Frage nach der Gültigkeit der Eheschließung ausreichend zu
zuführen, ftihrt der Artikel 14 der dem
Motu proprio angefügten Prozess-Regel auch den Mangel an Glauben auf. Die Diskussion darüber, ob die Ablehnung Gottes und das Fehlen des Glaubens die Gültigkeit eines Eheschlusses beeinträchtigen können, war ja von niemand geringerem als Benedikt XVI. eröffnet worden. Aber die Frage ist überhaupt noch nicht abschließend geklärt.
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AUS DEM LOGBUCH DES SCHIFFS PETRI
Bergoglios Provokationen FNNXZISKUS UND DAS HOHT LIED DER FRTT'IIIIT Aus derAnsprache des Papstes in der Kathedrale,,Nuestra Sehora de la AsunciÖn" am 22. September zot5 in Santiago de Cuba: fesus beginnt sein öffentliches Auftreten ausgerechnet auf einer Hochzeit. Er ftigt sich ein in diese Geschichte von Aussaat und Ernte, von Träumen und Bestrebungen, von Anstrengung und Engagement,
von harter Arbeit, die den Boden gepflügt hat, damit er seine Frucht bringt. )esus beginnt sein Leben im Schoß einer Familie, im Innern eines Zuhauses. Und gerade dort, in das Innere unserer häuslichen Gemeinschaften fugt er sich immer noch ständig ein, nimmt immer noch daran teil. Es gefällt ihm, sich in die Familie einzufugen.
ist interessant zu beobachten, wie sich auch bei den Mahlzeiten, bei Jesus den Abendessen offenbart. Mit verschiedenen Menschen zu speisen, verschiedene Häuser zu besuchen, war für |esus ein bevorzugter Ort, um den Plan Gottes Es
bekannt zu machen. Er geht ins Haus seiner Freunde - Marta und Maria -, doch er schließt sich nicht aus - nicht wahr?
es stört ihn nicht, wenn dort Zollner oder Sünder sind wie Zachils. Er geht ins Haus des Zachäus. Nicht nur er handelte so, sondern als er seine fünger aussand-
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te, die Frohe Botschaft vom Reich Got-
tes zu verkünden, sagte er ihnen: Bleibt
in
dem Haus, das euch aufnimmt; esst und
trinkt, was sie haben (vgl. Lk 10,7). Hochzeiten, Hausbesuche, Abendessen - diese Momente werden etwas ,,Besonderes" im Leben der Menschen haben, weil Jesus bevorzugt, sich dort zu offenbaren. Ich erinnere mich, dass in meiner früheren Diözese viele Familien mir erzählten, dass der einzige Moment, den sie hatten, um beisammen zu sein, normalerweise das Abendessen war, zu später Stunde, wenn man von derArbeit zurückkam und die meisten Kinder mit den Schulaufgaben fertig waren. Das war ein besonderer Moment im Familienleben. Man erzählte vom Tag, das, was jeder getan hatte, man räumte das Haus auf, brachte die Kleider in Ordnung, organisierte grundlegende Aufgaben für die übrigen Tage, die Kinder zankten sich... aber das war eben der Augenblick. Es sind Momente, in denen einer auch müde ankommt, und da kann die eine oder andere Diskussion aufkommen, der eine oder andere ,,Streit" zwischen den Eheleuten, doch davor muss man keine Angst haben... Ich
fürchte mich mehr vor Ehen, von denen mir gesagt wird, dass sie nie, nie eine Dis-
kussion miteinander hatten... Selten, ßLICK IN DIE KATTIEDI1ALE,,NUESTRA SENORA DE LA ASUN-
cIÖN.,sEIN4 TREFFEN
MIT FAMrrtrN,ttr,t SEI,.f EMI]ER
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AUI- KUBA.
das ist selten. Iesus wählt diese Momente, um uns die Liebe Gottes zrt zeigen.
wählt diesen Rahmen, um in unsere Häuser einzutreten und uns zu helfen, die lebendige Gegenwart des Heiligen Geistes zu entdecken, der in unseren Häusern Jesus
und in unseren alltaglichen Dingen wirkt. Im Hause lernen wir die GeschwistervATrcAN rolzot5
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lichkeit, lernen wir die Solidarität, lernen wir, die anderen nicht zu überfahren. Im Hause lernen wir, das Leben als Segen zu empfangen und dafür zu danken, und wir lernen, dass jeder den anderen braucht, um voranzukommen. Im Hause erfahren wir Vergebung und sind aufgefordert, ständig zu vergeben und uns verwandeln zu lassen. Es ist interessant: Im Hause gibt es keinen Platz für ,,Masken"; wir sind die, die wir sind, und so oder so sind wir eingeladen, nach dem zu streben, was das Beste für die anderen ist.
Darum bezeichnet die christliche Gemeinde die Familien als ,,Hauskirchen", denn in der häuslichen Wärme durchdringt der Glaube jeden Winkel, erleuchtet jeden Raum und bildet Gemeinschaft. Denn in solchen Momenten haben die Menschen Schritt für Schritt gelernt, die konkrete Liebe und die wirkende Liebe Gottes zu entdecken.
In vielen Kulturen verschwinden heutzutage diese Räume, verschwinden diese familiären Momente, und alles führt dazu sich zu trennen, zu isolieren. Gemeinsame Momente, um beisammen zu sein, um in Familie zu sein, werden seltener. Daher ist man nicht imstande varrc,AN tol2ot5
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abzuwarten, versteht nicht, um Erlaubnis zu bitten, versteht nicht, um Vergebung zu bitten, weiß nicht zu danken, weil das Haus allmählich leer wird, nicht
menschenleer, sondern leer aus Mangel an Beziehungen, Mangel an Kontakten, Mangel an Begegnungen zwischen
Eltern, Kindern, Großeltern, Enkelkindern, Geschwistern. Vor Kurzem erzähl. te mir jemand, der mit mir zusammenarbeitet, dass seine Frau und seine Kinder in die Ferien gegangen waren und er allein geblieben war, weil er in diesen Tagen arbeiten musste. Am ersten Tag war das Haus ganz still, ,,in Frieden", er
war glücklich, nichts war unordentlich. Am dritten Tag, als ich ihn fragte, wie es ihm gehe, sagte er mir: ,,Ich wollte, sie kämen schon alle zurück." Er spürte, dass er ohne seine Frau und seine Kinder nicht Ieben konnte. Und das ist schön. Das ist schön.
Ohne Familie, ohne die hausliche Wärme wird das Leben leer, beginnen die Netze zu fehlen, die uns im Unglück unterstützen, die Netze, die uns im Alltag versorgen und das Ringen um Wohlergehen motivieren. Die Familie bewahrt uns vor zwei gegenwärtigen Phänomenen, vor
zwei Dingen, die heutzutage vorkommen: vor der Zersplitterung, das heißt der Spaltung, und vor der Vermassung. In beiden Fällen verwandeln sich die Menschen in isolierte Individuen, die leicht zu manipulieren, zu regieren sind. Und daher finden wir in der Welt gespaltene, zerbrochene, berührungslose oder stark uniformierte Gesellschaften, die eine Folge des Zerreißens der familiären Bindungen sind - wenn die Beziehungen verloren gehen, die uns zu Personen machen, die uns lehren, Person zu sein. Ia, und so verlernt man, Papa, Mamma, Sohn, Tochter, Großvater, Großmutter zu sagen...man vergisst gleichsam diese Beziehungen, die das Fundament sind. Sie sind das Fundament des Namens, den wir haben.
Die Familie ist eine Schule der Menschlichkeit, eine Schule, die uns lehrt, uns die Bedürfnisse der anderen zu Herzen zu nehmen, aufmerksam zu sein auf das Leben der anderen. Wenn wir gut in der Familie leben, bleiben die Egoismen ganz klein - sie efstieren, denn alle haben wir etwas davon in uns -; wenn man aber kein Familienleben lebt, entwickeln sich diese ,,Persönlichkeiten", die wir so benennen können: ,,ich, mich, mein, mit
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mir, fur mich", völlig auf sich selbst konzentriert, die nichts verstehen von Solidarität, von Brüderlichkeit, von gemeinsamer Arbeit, von Liebe, von Aussprache unter Brüdern. Das kennen sie nicht. Trotz der vielen Schwierigkeiten, die heute unsere Familien in aller Welt quälen, wollen wir bitte eines nicht vergessen: Die Familien sind nicht ein Problem, sie sind in erster Linie eine Gelegenheit. Eine Gelegenheit, die wir hüten, schützen und begleiten müssen. Das ist eine Weise, zum Ausdruck zu bringen, dass sie ein Segen sind. Wenn du beginnst, die Familie als ein Problem zu erleben, dann wirst du
müde, kommst nicht weiter, weil du sehr aufdich selbst konzentriert bist. Es wird heute viel über die Zukunft
diskutiert, darüber, rvelche Welt wir unseren Kindern hinterlassen wollen, welche Gesellschaft rvir uns für sie wünschen. Ich glaube, dass sich eine der möglichen Antworten im Blick auf euch - auf diese Familie, die gesprochen hat, auf
jeden von euch - findet: Hinterlassen wir eine Welt mit Familienl Das ist das beste Erbe: Hinterlassen wir eine Welt mit Familien. Sicher, es gibt keine perfek-
te Familie, es gibt keine perfekten Eheleute, keine perfekten Eltern und Kinder
und, wenn sie es mir nicht tibel nimmt, wlirde ich sagen: auch keine perfekte Schwiegermutter. Es gibt sie nicht, es gibt sie nicht. Das ist aber kein Hindernis dafür, dass sie die Antwort für ein Morgen sind. Gott spornt uns an zur Liebe, und die Liebe engagiert sich immer für die Menschen, die sie liebt. Die Liebe engagiert sich immer für die Menschen, die sie liebt! Lasst uns deshalb für unsere Familien sorgen, die wahren Schulen für morgen! Sorgen wir für unsere Famiiien, die wahren Räume der Freiheit! Sorgen wir für unsere Familien, die wahren Zentr en der Menschlichkeitl
DIT WTIT STEHT VOR EINER FLÜCHTLINGSKRISE VON UNGEHEUREM
ATJSMASS
Aus der Ansprache vor dem Kongress der Vereinigten Staaten am 24. September:
In den letzten Jahrhunderten sind Millionen von Menschen in dieses Land gekommen, um ihren Traum vom Aufbau einer Zukunft in Freiheit zu verfolgen. Wir, die Menschen dieses Kontinents, haben keine Angst vor Fremden, denn die meisten von uns sind einst selber Fremde gewesen. Ich sage Ihnen das als Sohn von Einwanderern, da ich weiß, dass viele von Ihnen ebenfalls von Einwanderern abstammen. Tragischerweise sind die Rechte derer, die lange vor uns hier waren, nicht immer respektiert worden. Diesen Menschen und ihren Nationen möchte ich vom Herzen der amerikanischen Demokratie aus erneut meine
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größte Hochachtung und Wertschätzung versichern. Diese ersten Kontakte waren oft turbulent und gewaltsam, doch es ist schwierig, die Vergangenheit mit den Kriterien der Gegenwart zu beurteilen. Den-
in Verbindung stehen und die Mentali-
noch dürfen wir, wenn ein Fremder in unserer Mitte eine dringende Bitte an uns richtet, nicht die Sünden und Fehler der
zuversichtlich, dass uns das gelingt. Unsere Welt steht vor einer Fltichtlingskrise, die ein seit dem Zweiten Welt-
Vergangenheit wiederholen. Wir müssen uns jetzt entscheiden, so großherzig und gerecht wie möglich zu leben, indem wir die nachfolgenden Generationen lehren, unseren ,,Nachbarn" und unserer Umgebung nicht den Rücken zu kehren. Der Aufbau einer Nation fordert uns auf zu erkennen, dass wir ständig mit anderen
krieg unerreichtes Ausmaß angenom-
tät der Feindseligkeit ablehnen müssen, um eine Haltung der gegenseitigen Subsidiarität anzunehmen, in dem ständigen Bemühen, unser Bestes zu tun. Ich bin
men hat. Das stellt uns vor große Herausforderungen und schwere Entscheidungen. Auch in diesem Kontinent ziehen Tausende von Menschen nordwärts auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und ihre Lieben, auf der Suche nach größeren Möglichkeiten. Ist es nicht
das, was wir für unsere eigenen Kinder wünschen? Wir dürfen nicht über ihre Anzahl aus der Fassung geraten, sondern müssen sie vielmehr als Personen sehen, ihnen ins Gesicht schauen, ihre Geschich-
ten anhören und versuchen, so gut wir können, auf ihre Situation zu reagieren. In einer Weise zu reagieren, die immer menschlich, gerecht und brüderlich ist.
Wir müssen eine heute allgemeine Versuchung vermeiden: alles, was stört, auszuschließen. Erinnern wir uns an die goldene Regel: ,,Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen" (Mt 7,12). Diese Regel weist uns in eine klare Richtung. Behandeln wir die anderen mit derselben Hingabe und demselben Mitgefühl, mit dem wir behandelt werden möchten! Suchen wir für die anderen nach denselben Möglichkeiten, die wir uns selber wünschen! Begleiten wir die anderen in ihrem Wachstum, wie wir gerne selber begleitet werden möchtenl Kurz gesagt: Wenn wir uns Sicherheit wünschen, dann sollten wir Sicherheit geben; wenn wir uns Leben wünschen, dann sollten wir Leben geben; wenn wir uns Möglichkeiten wünschen, dann sollten wir Möglichkeiten bereitstellen. Der Maßstab, den wir an die anderen anlegen, wird der Maßstab sein, mit dem die Zeit uns messen wird. Die goldene Regel erinnert uns auch an unsere Verantwor-
tung, menschliches Leben in jedem Stadium seiner Entwicklung zu schützen und zu verteidigen. Diese Einsicht hat mich von Anfang meines Dienstes an dazt geführt, mich auf verschiedenen Ebenen für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen. Ich bin überzeugt, dass dieser Weg der beste ist, denn jedes Leben ist unantastbar, jeder Mensch ist mit einer unveräußerlichen Würde begabt, und die Gesellschaft kann aus der Rehabilitation
derer, die aufgrund von Verbrechen verurteilt sind, nur Nutzen ziehen. Vor kurzem haben meine Mitbrüder im Bischof-
samt hier in den Vereinigten Staaten ihren Aufruf zur Abschaffung der Todesstrafe erneuert. Ich unterstütze sie nicht nur, sondern ich ermutige auch alle, die davon überzeugt sind, dass eine gerechte und notwendige Bestrafung niemals die Dimension der Hoffnung und das Ziel der Rehabilitierung ausschließen darf.
VON NATALIE NORDIO
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ln Santa Maria della Vittoria verbirgt sich eine der schönsten Skulpturen des römischen Barocks. Wie ein Vorhang im Theater rahmen grüne Marmorsäulen das Figurenpaar aus
weißem Carraramarmor. Auf einer Wolke steht ein Engel, der in seiner rechten Hand einen goldenen Pfeil hält. Unterhalb des Engels, den Oberkörper in seine Richtung gewandt,
liegt eine Frau. lhr
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Cewand verschmilzt fast mit der Wolke. Mit leicht geöffnetem Mund und geschlossenen Augen erwartet die Frau den nahenden Schmerz des Pfeils, mit dem sie der Engel durchbohren wird. ln einer Visionen war der Mystikerin Teresa von Ävila ein Engel erschienen, der ihr einen brennenden Pfeil ins Herz stieß. 1614war Teresa selig, t6zz heilig gesprochen
worden. lhr Cedenktag ist der
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Oktober. An ihrem eigentlichen Ster-
betag, dem 4. Oktober 1582, feierte man schon den heiligen Franziskus. So wurde ihr Festtag um einen Tag
nach hinten verschoben. Das war aber aufgrund der Kalenderreform Cregors Xlll. im Jahr r58z nicht der 5., sondern der r5. Oktober. Cianlorenzo Bernini hatte die Figurengruppe um t65o geschaffen, dafür aber nicht nur Lob geerntet. Viele empfanden die
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Heilige mit ihrem geöffneten Mund als zu lasziv. Aller Kritik zum Trotz blieb die Figur unverändert und verzaubert noch heute mit ihrem Liebreiz die Besucher.
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AUFBRÜCHE
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DAS ToNMODELL EINER STATUE VON ßENEDIKT XVI NACH DEM DIE HOCHSCHULE IN HEILIGENKREUZ
BENANNT IST,AM I. OKTOBERWUI{DE DIE FERTICE lrA\Tu. DLR ÖFFEN It.lcHKFu PRA5tN't'trRT.
VON STEPHAN BAIER 'enn es in Heiligenkreuz etwas zu feiern gibt, und das ist recht häufig der Fall,
sche Fröhlichkeit verbinden sich hier, im geschichtsträchtigen Zisterzienserstift vor den Toren Wiens, in vollendeter
dann riecht es nach Weihrauch und
Harmonie.
nach gegrillten Wildschweinbratwürsteln, dann fließt Bier und der stiftseige-
,,Wir sind die Gemeinde Österreichs mit dem höchsten Anteil an Zölibatären -
ne Wein, dann sammeln sich alter Adel und alte Bauern aus dem Umland - und
eine kleine Mönchsrepublik", scherzte der kraftvoll-fröhliche Hochschulrektor, Pater Karl Wallner, jüngst bei der Segnungsfeier des Hochschulausbaus mit Blick auf den Zustrom im Kloster, dem aktuell 92
immer mehr Jugendliche, mitunter im doppelten Sinne von weither kommend.
Liturgische Feierlichkeit und katholi-
Mönche angehören, und im überdiözesanen Priesterseminar Leopoldinum. Tatsächlich kann Heiligenkreuz mittlerweile einen dritten Rekord vermelden: Die seit 2007 nach Papst Benedikt XVI. benannte Lehranstalt ist nicht nur die einzige Hochschule des Zisterzienserordens weltweit und zugleich die einzige Ordenshochschule Österreichs, sondern auch die größte Priesterausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Einen vier-
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S* ten Weltrekor"cl verf'ehlt HeiI i ger.rkreuz n ur knapp: Es ist clas zweitülteste durchgehend
seit seilrer Gründung besiedelte Zisterzienserkloster der Welt - r'rur das steirische Stifi Ilein ist nocl.r drei Iahre iilter. Gegrlindet rvurcle clirs auch arcl.ritek-
toniscl.r prachtvollc Kloster vom heiligen Leopold von Österreich, auf Anregung seines Sohnes Otto. Der wal Zisterziensermönch und Schrilisteller, aber ar-rch Biscl.rof vor.r Freisins - noch ein becleuter.rcler Vorgänger Joseph llatzingers auf clenr Bischof.sstuhl cles heiligen Korbinian.
Nicht 24
rver.riger als zehn llabenberser, dar-
und alles wird zu
Llnter vier regierencle Herrscl-rer, und zlvei
Heiligenkreuz boomt
Habstrurger farnden im Kapitelsaal dieses Klosters il'rre letzte Ruhestiitte. Nicht zufiillig heilit cler barocke Pn-rnksirirl des Klosters ,,Kaisersaal". Hier dningt sich bei den zal'rlreichen Fcstvcranstaltungen und akademischen Ereignissen allerlei u,issbegieriges Volk, r,or allcm Thcolosiestuclentc'n mit und (noch) ol.rne Oldenshirbit. Binnen eineir.rhalb Ial.rrzel'rnten hirt
ens: an der Hochscl-rule, im irberdiözesanen Priesterserninar Leopoldinur-r-r, wo 36 Serrinaristen ar,rs zwölf L)iözesen und acht
sich die Zahl der Stuclierenc'len an der Phi-
bar-r
losophisch-Theologischen Hochschu le Heiligenkreuz nrehr als ven,iertacht: von 62 im ]ahr 1999 aLrf 274 rn'r Vorial.rr.
ten Hochschule. Im Frühling 2015 konrt-
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verschiedenen Ordensgemeinscharfien leben - ur.rd sogar inr Kloster selbst. Vor zrvei fahren rvagte das clvnamische Teirn'r r.rn'r Zisterzienseriibt Maxin.riIian Hein'r
uncl Hochschulrektor Karl Wallner den z.rL einenr arnbitionierten Aus
Spatensticl-r cl
er traciitior.rsreicl.ren,
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te cler neue Crrmpus bercits fcierlicl.r eingerveiht wercler.r. Auf 5,5 Millionen EtLro rvar
der Ausbau veranschlagt. 5,8 N{illionen
Benediktbeuern, die ihre Hochschule
verschlang er tatsächlicl.r. Schulden musste
schließer.r mLrssten, schenkten nicht bloß eir.r paar alte Bücher, sondern eine gut sor tierte theologische Bibliothek von 260.000 Bärrderr. An diese Schcnkung erinnert nurt ein Gemälde am Eingang der neu geschaf-
die I 133 gegründete Zisterzienserabtei im Wienerwald deshalb aber r-richt machen. ,,Schuldenfreil", verkündete der Abt bei der Einweihung, sichtlich erleichtert.
Neben Geldspenden kamen Sachspenden von Gewicht. Die Salesianer vort
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fener.r Studienbibliothek
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kreuz. Das Werk des aus dem Geburtsort des Abtes, aus dem fränkischen Kronach, stammenden Kunstmalers Martin Ludwig zeigt die Basilika von Benediktbeuern. Die Salesianer hatten bereits 20i0 beschlossen, ihre dortige PhilosophischTheologische Hochschule zu schließen.
Ftir die Zukunft der Bibliothek wurden zunächst unterschiedliche Überlegungen angestellt. Dass dabei schließlich die Entscheidur.rg fiel, sie Heiligenkreuz zu schenken, freut vor allem Pater Alkuin Schachenmayr, der nicht nur Professor frlr Kirchengeschichte und Vorstand des Instituts
für zisterziensische Geschichte, Spirituali-
ffirur,
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tiit, Kunst und Liturgie ist,
sottclert-r iruch
Vizerektor cier Hochschr.rle. Det in Theriterwissenschafi und Tl.reologie cloppelt
promovierte Gelehrte mit
cleLltsch-i1r1te-
rikanischer.n N4igrationshir.rtergrund wirkt
strnz nebenbei r.riir.r.rlich aLrch als Stitisbibliothekar. I)ie r.run realisierten 9,5 Kilo-
meter Regalfliiche seier.r zu 75 Plozent gefüllt. ,,Weil ich ftir die nächsten 25 lahre geplant habe", lächelt Alkuir.r Schachenn-rayr verschnritzt. Weitere Schenktrr-rgen sollen sich bereits anberhnen.
Zurn beeindruckenden Ausbau, bei clen-r nicht nur auf viel n-rehr Platz, sortdern auch auf moderue Technik Wert gelegt wurde, trlrqen auch die Österteichische Bischof.skonferenz tttrcl clas Lancl
Niederristerreich bci. l)er.r Grurtdstock jedoch bilcleten jene fiinfiigtattsend Ettro, clie Abt Maximilian r.r.rit clcm ersten ,,Pre-
\.
mio Rirtzinger" - dem neuen ,,Nobelpreis der Theologie" - einheinrste. Der.t Löwenar-rteil der 5.8 Millionen Euro, die die Erweiterung kostete, brirchten private Sper.rder auf. Mit r.rach Päpsten und Heiligen bentrnnten ,,Bausteinen" - vom ,,Seliger-Otto-Baustein" ftir zehn Euro bis zr,tn'r ,,
Papst- Frirnziskr,rs - Ila ustei
n" ab zehn tau -
gclang es, ir-rseesarrt zwölf fiir die Finanzicruug cler Hochschulerweiterung zu gewir-rnen.,,Die Heiligen haben unsere Hochschule autgebar.rt", r'neinte Pater Karl darurn, uncl send Euro
-
tausencl Sper.rder
ttigte verschrnitzt schrnunzelnd hinzu: ,,Martin Luther, del ja kein Heiliger war, rveire r.richt dan.rit zufrieden gewesen, dass
rvir Heilige mit Geldsummen verbundet.t haber.r." [)en Grundstein ftir cler.r Hoch-
*; ,/1. il rll -)ilil,
schulrrusbau l.ratte Papst Beneclikt XVI., der Nirr-nens1'ratron der Hochschule, r-roch irr.n letzten Arbeitstag seines Porttiflkates
nenvarld zuntichst aLrf ftinf Jahre befristet die Ar.rerkennung als Hochschule püpstlichen Rechts. ciirekt cler vatikanischen Bil-
litait rvar in Heiligenkrelrz stets die Rede. [)arum krckt nrar-r schon r-nal Grö1ien rvie Remi Brague, Kardinal Kurt Koch, Karcli-
persirnlicl.r gesesnet.
dr.rneskongreqation unterstellt, aber mit staatlicher Anerkennung ihres,,lVlagister"s der Theologie". Einige Wietrer Prof'essoren gifieten danrals noch, in Heiligenkreuz eehe es vielleicl'rt fl'ornm, aber rvcnig intellektr"rcll zu. Mittlerweile gibt es sct.ueit.rsirr-ne akaclemische Plojckte, ztrletzt eitte Fachtagunu tiber Edith Stein. Von ,,knie-
nal Walter Brandmtiller. Bischof Rudolf Voderholzer r"rr.rd nattirlich Heerscharett
ender Tl.reologie", r'on ciuer Verbirtdung von Intcllektualitiit r-rncl Spiritua-
Lrnd Rcligion" irufzubarttetr. Alle Dozen-
Studiert wurcle
in Heiligenkreuz
clen zu rl-rckliegeIr cler-r neun
Jirh rh
irr
ttt-rder-
ten rvohl irnmer. Aber erst 2007 konnte sich clie Heiligenkreuzer Hochschule qanz atus der die Verleil.rung der Magis-
ter-Titel
betreffenc1en - Voruruuclschati cler Katholiscl.r-Theologischen Fakultiit cler Universitiit Wien befl'eien. Danrrrls erhielt clie Ordensl.rochschule inr Wie-
26
renomr-nierter Fachtheologen als Vortragende in den Wienerrvald. Die Philosophin Hanna-Barbirrar Gerl-Falkovitz Iiell sich nach ihrer Pensionierutrg ir-r Dresclen gervinnen, in Heiligenkrettz eit-t tteues
,,Europiiisches Institut ter.r
ltir
Philosophic
lehren in Heiligenkreuz ribrigetrs um
tr 'i: : j
#
s€'l Gottes Lohn, und sichel auch in'r Vertrauen auf diesen. Es sind starke, doch girnz unterschiecl-
Dor.rnersrnarck, ein Graf und eir.rstiger Mar.rager', der das Stifi zu einer wc'it tiber C)sterreichs Grenzen bekannten,,Marke"
Iiche Persönlicl.rkeiten, die clerr Heiliqenkreuz vou hcute ihren Ster-npel ar.rf: gedrtickt haben: Da ist tler nocl'r imrner
und in dessen Ar-r-rtszeit nicht nur der Besuch von Papst llenedikt XVI. 2007, sonclern auch clie grandiosen Erfblge der
jLrgendlich rvirkende
Abt Maxinrili-
Heiligenkrer,rzer (}'esorianik-CI)s tallen.
an Heir.r.r, ein gebürtiger Kronacher, der 198-l mit 22 Jal.rlen in Heiligenkreuz eintr;rt und n-rit seiner Dissertation irber clie Ekklesiologie Joseph Ratzir.rgers selbst in Rom Anerliennung eefunden hirt. Dann sein Vorgiineer, Altabt Gregor Hencliel-
SchIielilich der dynamische Hocl.rscl.rr-rl-
r-nachte,
rektor, Dogr.natikprof'essor, Bestsellerautor, Stifis-Sprecher r-urd Jugendseelsorger Karl Wallner, den r-r'ritrt schotr r-nal schwitzencl r.nit .lugencllichen in der klostereigenen Krafikan-rr-ner fir-rder-r künn. r,venn er
r.ricl'rt gerade irgendr'vo
in Euro;ra auf Vor-
tr:r5lsreisen ist. Es sind nicht diese l(aliber alleir.r, sonclern clie feierliche Litr-rrgie die wie die hochromtrnisch-gotischc Architektr-rr der Abteikirche clen menschlichen Geist nacl'r oben hebt - und clie klare, ir.r Treue und [-iebe ar-r-r Leh rar-r-rt hrineer]de Orientierun g des Stities, die viele jr-rnge Berufr.rngen
qcl-adezll uragnc'tisch anziehen. Wie sor-rst sollten sich wohl ein Berliner Künstler, ein deutscl.r er W i rtschafis',vissenschafiler oder
ein'l'heirtenvissenschafiler aus Amerika 27
I k*i
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J-
- ,.- 'rl1;nr.-ra'6#i
,ti -
tiber Osterrcich hinausstlirl.rlt", I.ttcilt-
ten? t)en sonclerbarcn Kontrast zu,ischen
tc Abt Nlarinriliirn cinnral. \\'arLrnr Hcili-
dcnr Zulatrl in Hciligcnlir-euz uncl
scnlirer.rz tlirs Klostcr rvie clie I lochschtrle - cinc solcire Anzichr.rngskrati entn'iclieln Iionntcn. t'rklitrtc I)atcr Krtrl \\'rrll
ausgerechnet n r'lcn i
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icn errvalcl r.erla
r,r
clenr
Pricstcrnran gr'l i nr rcstl ichcn cleutschspra
clriscn lLaunr inr lllicli, bcnriihtc Patcr Karl sclron nral scinc Asterix f-xpcrtisc: ,,\\Iir l'lil'rlcrr r,rns u,ic cin kleines gallischcs I)orf']" LInr abe r sle ich hiuzuzusetzen: ,,\\tir lciclcn nicht ur-lr r.lntcr Pricstcrnrangcl, sonclern untcr eit.tcnt cklatantert (llirubiscn
nra
nscl."
[)arunr blcibcn dic Hci]isenkrcuzcr Nliinchc nicht hintcr ihrcn clickcn. irltcn Klostcrnraucrn vcrborgcrt, ar-rch nicl-rt Stifi vcrsorgtcn I1 l)firrcles llursenlands. Hciligcnkreuz sei n'rit sciner Iloch schLrle liinrrst,,cin I\'lissionszentruItt, clrts allcin in dcn
vor.r.r
rcicn Nieclertisterrcichs unrl
28
ner inr (,cspriich nrit clenr ÄLltor so: ,,\\'eil rr,ir norr.nal liatholisch sincl. \\'ir qlar.rbcr.t
aufrichtig an clic von (iott geofflnbarte \\'ahrhcit r.rncl sehcn cicrt (ilitr,rben als ctn,as llcslrickcnclcs, ()rientierung Schen
kcncics Lrnci \\'cllr'criindcnrd-(;utcs. \\'ir licbcn clie Kirchc, sind rlit clcnr Hciiiqcn \ratcr vor.r Ilcrzcu yerbunclcn, t'cil rvir an clic Vcrl.rciliung, (.hristi glar,rbcn, class cinc ar.rf PctrLls scqrilnclctc Kirchc nicruals ru n tcrgeh en u,i rcl. \\r i r si n cl selbst"'crstii n cl -
lich ctrcharistiscl'r uncl nrarianisch utrcl u,«rllcn clic
\\relt ftir Christus crobern."
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So dynamisch das alte Kloster mit dem sinkenden Altersdurchschnitt auch wirkt:
,,Konservativ" bleibt man hier im Spirituellen. Auf Latein wird hier das zisterziensische Stundengebet im prachtvollen
VIC TOR INOX
Chorgestühl der Abteikirche verrichtet, an
Weihrauch und barocken Ornaten spart man auch nicht gerade. Und die Mönche tragen ihren Habit mit einer Selbstverständlichkeit, die auch vor Fernsehstu-
dios und Sportevents nicht Halt macht. Breit grinsend erzählte der frühere Abt Gregor dem Autor einmal, dass bereits 1983 ein Wiener Kleriker
ihn
echauf-
fiert anherrschte, wenn Heiligenkreuz
das
Latein nicht endlich abschaffe, werde man
wohl ,,nie wieder Berufungen haben". ]edoch, mit den Moden zu kommen - und
- ist nicht Heiligenkreuzer Stil. Ein Kloster, das 1683 von den Türken in Brand gesteckt wurde, später den K1öster stürmenden fosephinismus und ab 1938 den anti-monastischen Nazi-Terror überstand, wird doch nicht vor dem Moderniszu gehen
-f
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mus kapitulieren.
?
FUNCTIONALITY IS PART OF OUR FAMILY
29
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,,
- ,'t:i.,
Buch
ren und dem subjektiven \\rillen ernheim
talt" soll erreicht werden, älle
in Deutsch-
zu stellen, ein AngritTaLLf die menscl.rliche
der Sexualitr.it r-rnd alle Forr.ncn der Far.r.ri-
land. Konsequenzen für Staat, Gesell-
Natur und die Geschlecl.rterdualität. Die
lie trls gleicl-rrangir anzuerliennen. Die
schaft und Kirchen", dass die Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Peking 1995 die Strategie Gender-Mainstreaming ,geboren" hat. Was war das Ziel der dafür Verantwortlichen? Ger.rder-Mair-rstretrming ist das Dach über einem Br"indel letztlich unvereinbarer Ziele. Die einen verstehen darun-
Gender-Lobby auf der \Veltfrar-renkont'erenz 1995 in Peking zielte mit ihrer Ahtionsp lattfbnn a u f clie,,NIirch tgleicl.rstelIung der Frau". Sie hatte also ein politi-
sexr-relle Identität soll nicl.rt naturgegeben, sondern Resultat einer subjektivert Willensentschcidur.rs sein. Hier trit.ttut das Gender-Mainstreirnring die Gesterlt
sches Zicl.
ciner letztlich leibfeindlichen
will
ter etwas r-raiv clie Gleichberecl'rtigr-rr.rg cler
oder erreichen?
Gescl.rlechter, clie ancleren die Dekon-
Gender-Mainstreaminc will i-rns beleh-
struktion des Geschlecl.rts schleclrt-
ren, class die weibliche r-rnd die rnännliche Natur des Menschcn rveuiger eine Vot'gabe der Natur als vieh.r.rel'rr gesellschaltliche
Sie schreiben
in Ihrem jüngsten
,,Gender-Mainstreaming
hir.r. Wiil.rrend die Gleichberechtieung der Gescl-rlechter r.richt nur ein Vertarssungsgebot, sonclcrn iruch eit-t Gebot clcs
christlichen Glaubens ist, verbirgt sicl'r hir.rter der Absicht, die geschlechtliche Ider.rtität des Menschcn zu dekonstrr-rie-
Forr.net.t
gr.rosti-
schen Häresie an.
Könnten Sie kurz zusammenfassen: Was
Gender-Mainstreaming bewirken
und kulturclle Konstruktionen seien, die jeclerzeit dekonstruicrt werden kör'rnteu.
tiir die Familie gelten. ,,Sexr-ralpädagogik der Viel-
Das soll dann iruch
Mittels der
Bleiben wir noch bei der Zeitvor zwanzig lahre. Jüngere Menschen standen damals noch ganz klar unter dem Ein-
druck der Geschlechterpolarität. Das ,,Spiel" zwischen )ungen und Mädchen, zwischen Teenagern unterschiedlichen Geschlechts war doch der Reiz, die,,Musik" in der Freizeit- und |ugendkultur. Für ältere Menschen galt das erst recht. Sie waren noch ganz unter dem
DAS I NTERVI EW
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Eindruck aufgewachsen, dass der Hansl seine Gretl sucht und umgekehrt. Wie erklären Sie sich da den schnellen Erfolg
gab. Nicht dass Koedukation, Fernsehen und Sexualkunde alles zum Schlechten verändert hätten. Verantwortlich genutzt
von Gender-Mainstreaming?
beziehungsweise unterrichtet, können sie
Dass der Hansl seine Gretl sucht und umgekehrt und Teenager unterschiedlichen Geschlechts im spielerischen Hin und Her von Distanz und Nähe einander kennenlernen, dürfte auch vor zwanzig Iahren schon überholt gewesen sein. Das gilt wohl eher für die Zeit vor ftnfzig Jahren, als es noch kaum Koedukation, wenig Fernsehen und keine Sexualkunde
auch zu einem unverkrampften, natürli-
32
chen Umgang der Geschlechter beitragen. Ob dem Gender-Mainstreaming ein schneller Erfolg beschieden ist, wage ich zu bezweifeln. Einen schnellen Erfolg verzeichnet es zweifellos, wenn es um Stel-
len in der Verwaltung und in Hochschulen geht. Solche Stellen für Gleichstellungsbeauftragte und Gender-Pro-
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fessuren sind in den letzten zehn lahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Es gibt inzwischen weit mehr Professuren für Gender-Studies als für alte Sprachen. Aber die große Mehrzahl der Menschen lässt sich kein X für ein U vormachen. Sie weiß, dass die geschlechtliche Identitat als Mann oder als Frau eine Vorgegebenheit des Schöpfers und der Natur ist und kein gesellschaftliches oder kulturelles Produkt. Das können auch Verwaltungsvorschriften nicht ändern, die vorschreiben, ,,Vater" und ,,Mutter" in stan:\
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desar-ntlichen l)okut.tlenten durch Elter 1 ur.rcl Elter 2 oder Proger.ritot A urrd Proge-
nitor
B zLl ersetzell.
Die Entwicklung ist in unterschiedlichen Erdteilen unterschiedlich verlaufen. Konzentrieren wir uns auf Deutschland. Was waren die Schritte zur Implementierung der Gender-Theorie in die politische Agenda in Bund, Ländern und Gemeinden?
Die politische It.t.tplen.rentierung des Gen-
der-Mainstreaming ir.r Der-rtscl.rli.rnd l.rat
4\
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r-neines Erirchteus viel' Etapper-r. Erstens: Die Beschlirsse der Regierur.rg Schröder/
Fischer 1999 und 2000, per Geschäftsordnuns der Bttndesr-nirlisterier-r dirs Gender-Mainstreantit-tg ztt förden'r und der-t-t Familien- beziel.ruttgsrveise Frauenministeriuu eitre herausragel.rde Stellung in
der Br-rndesresieruttg zrvecks Kontrolle de
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Gesetzgeb
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zu lassen. Zweitens: Die Legalisierr-rng der gleichgeschlecl.rtlicl.ren Partnerschtrtl 200 1,
der bis zur Regelut.rg der Sr-rkzessivadoption 2014 weitere Beschltisse zur At.t1'rt.ts-
der eingetragenen Lebeuspartnerschafi ar-r die Ehe von Mann ut.rd Frau
sur-rg
fbtgten. Vom Bundesverfassungsgericht wurden diese Gesetze r-rnter Missachtur.rg von Artikel 6 des Glr-rr.rdgesetzes mehrfach untersttitzt. Drittens: Die Krippen-
politik der Bur.rdesregierung seit 2006, die der sttratlichen Betreuut.tg der Kleir.rkinder
einen Vorraug vor der familiärer.r Erziehr.rng einrär-rmt ul.rd deren theoretische Grur.rdlage irn rver-rig beachteter.r 7. Far.ni-
lienbericht der Bundesregierung nachzulesen ist: Das Modell der lebenslangen Ehe 33
DAS I NTE RVI EW
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CENDhß.-MAINSTREAN4 INCI LJLICK IN I)AS P['KlNCER CONVENTION CEN].I11. IN I)I'M 1C)C)s DIE VIERTE WEL.fIRAL]ENCELILJRT
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KONFEI{ENZ I)EIT. VIt\E]NI-EN NATIONEN MII MEIIR AtS FL]NFTAUSEND DELLGIERTEN UNt)
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MEHREREN TAUSEND ßEOBACH IERN AUS iJßER 180 LANDERN STATTFAND.
^#, sei abgelöst worden durch das Zusammenleben wechselnder Partner, die ,,serielle Monogamie", in der die Betreuung der Kleinkinder der Gesellschaft übertragen wird. Die vierte Etappe ist schließlich die ,,Sexualpädagogik der Vielfalt", um die in verschiedenen Bundesländern zur Zeit heftig gestritten wird. Durch sie sollen die Kinder bereits im Kindergarten lernen, alle Formen sexueller Beziehungen und alle Familienformen als gleichrangig zu betrachten.
Und ein Wort zur Kirche in Deutschland: Was sagen die Bischöfe, was sagen die Laien, etwa das Zentralkomitee der deutschen Katholiken? Und was sagt die Evangelische Kirche in Deutschland?
Einzelne Bischöfe in Deutschland haben sich hellsichtig und mit deutlicher Kritik an dieser Verleugnung der Natur von Ehe und Familie zu Wort gemeldet: Voderholzer, Hanke, Algermissen und Renz. Ich hoffe, keinen vergessen zu haben. Das gilt im übrigen auch für die Schweiz (Huon34
der) und Österreich (Laun) und einige mitteleuropäische Bischofskonferenzen. Ein \\rort der Deutschen Bischofskonferenz jedoch fehit noch. Es iväre längst fallig. Das Zentralkomitee ist in dieser Frage leider durch eine Gruppe gendersensibler Theologinnen blockiert. Da ist keine Kritik am Gender-Mainstreaming zu erwarten. Im Gegenteil, mit den famiIienpolitischen Papieren von 2008 und 2015 hat es sich ganz dem Gender-Mainstreaming angepasst und in dem gerade zu Ende gegangenen Dialogprozess hat es auch noch die Forderung nach einer ,,geschlechtergerechten" Kirche untergebracht. Das gilt noch mehr für die Evangelische Kirche in Deutschland. Ihre familienpolitische Orientierungshilfe,,Zwischen
Autonomie und Angewiesenheit" und die Errichtung eines Studienzentrums für feministische und geschlechterbewusste Theologie 2013 üben sich gegen zurn Teil heftigen Widerstand darin, das GenderMainstreaming in die evangelischen Landeskirchen zu implantieren.
Hat Rom bisher nur zugeschaut? Wie denken die Päpste, gibt es Außerungen vatikanischer Dikasterien?
Rom hat keineswegs zugeschaut. Die Päpste Benedikt XVI. und Franziskus haben die anthropologische Revolution, die von der Gendertheorie intendiert
wird, mehrfach deutlich kritisiert. Bene-
dikt in seiner Weihnachtsansprache
an
das Kardinalskollegium 2012, aber auch schon in seiner Rede im Deutschen Bundestag am 22. September 201 1 und bei der Eröffnung der Pastoralsynode der Diözese Rom zum Thema Familie 2005, Franziskus in mehreren Interviews und vor allem in Ziffer 155 seiner Enzyklika ,,Laudato si"'. Die heute so häufig beklagte Manipulation der Natur werde in der Gendertheorie, so Benedikt, zum Grundentscheid des Menschen im Umgang mit sich selbst. Der Päpstliche Rat für die Familie hat sich in dem von ihm herausgegebenen Familienlexikon 2003 mit dern Gender-Mainstreaming auseinandergesetzt und der Päpstliche Rat ,,lustitia et Pax" hat die Kriv^-iiaAN 1\:t2o1i.)
t
DER ZwEITE WICHTICE SCHRITT DER IMPLEMENTI ERUNC DES GENDER.MAI NSTREAMINC WAR DER 2006 VON FAMILIENMINISTERI N URSULA VON DER LEYEN VERÖFFENTLICHTE 7. FAMI LI EN BERICHT DER BUNDESREGIERUNC.
tik
2004 im Kompendium der Soziallehre 2004 itZiffer 224 aufden Punkt gebracht:
,,Gegenüber denjenigen Theorien, die die Geschlechteridentität lediglich als ein kulturelles oder soziales Produkt der Interaktion zwischen Gemeinschaft und Individuum betrachten, ohne die personale sexuelle Identität zu berücksichtigen oder
die wahre Bedeutung der Sexualität in irgendeiner Weise in Betracht nt ziehen, wird die Kirche es nicht müde, ihre eigene Lehre immer wieder deutlich zu formulieren: Jeder Mensch, ob Mann oder Frau, muss seine Geschlechtlichkeit anerkennen
und annehmen. ...Die Harmonie des Paares und der Gesellschaft hängt zum Teil davon ab, wie Gegenseitigkeit, Bedürftigkeit und wechselseitige Hilfe von Mann und Frau gelebt werden." Dass die Päpste oder die zuständigen Päpstlichen Räte die Entwicklung verschlafen hätten, kann wirklich niemand behaupten. Papst Benedikt sprach von einer ,,anthropologischen Revolution", Papst Fran-
valcAN rolzor5
ziskus nannte die Gender-Theorie
sames Haus zu empfangen
,,dämonisch". Findet derzeit in der Welt
tieren... Zu lernen, den eigenen Körper anzunehmen, ihn zu pflegen und seine
ein Generalangriff auf die traditionelle Gestalt von Ehe und Familie statt, wie sie nicht nur von der katholischen Kirche, sondern auch von anderen Religionen hochgehalten wird? Gender-Mainstreaming ist ein Generalangriff auf Ehe und Familie. Benedikt XVI.
und Franziskus haben das wiederholt deutlich ausgesprochen. Auch die interreligiöse Konferenz von zahlreichen Religionen und christlichen Konfessionen zu Ehe und Familie, die die Glaubenskongregation im November 2014 in Rom veranstaltet hat, sah das so. Benedikt XVL hat
und zu akzep-
vielschichtige Bedeutung zu respektieren,
ist für eine wahrhafte Humanökologie wesentlich. Ebenso ist die Wertschätzung des eigenen Körpers in seiner Weiblichkeit oder Männlichkeit notwendig, um in der Begegnung mit dem anderen Geschlecht sich selbst zu erkennen." Das wäre ja mal ein Thema für eine römi-
daran erinnert, dass die Offenbarung in
Der Gag ist nur: Die findet ja gerade statt, genau zum Thema Ehe und Familie. Sind Sie vor dem Hintergrund des bisher Gesagen mit dem bisherigen Verlauf des synodalen Prozes-
der Sprache der ehelichen Liebe geschieht
ses
und die Familie heiligt. Insofern ist das Gender-Mainstreaming ein Angriff auf
Mit dem bisherigen Verlauf der Debat-
die Schöpfungsordnung. In ,,Laudato si"' schreibt Franziskus: ,,Das Akzeptieren des eigenen Körpers als Gabe Gottes ist not-
wendig, um die ganze Welt als Geschenk des himmlischen Vaters und als gemein-
sche Bischofssynode.
zufrieden?
ten um die Bischofssynode zu Ehe und Familie kann meines Erachtens nie-
mand zufrieden sein. Die Diskussion um die Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion, die längst entschieden ist, wie fohannes Paul 35
DAS INTERVI EW
Ftt
MANFRED SPIEKER IST BERATER DES PAPSTLICH EN
RAT5 ,,IUS I ITIA ET IAX,.
alenzyklika,,Caritas in veritate" besonders hingewiesen hat. Auch diese Bedrohungen hat die Bischofssynode 2014 weitgehend ignoriert. Es ist zu erwarten, dass dies jetzt
te ausgeben, gehört auch die Forderung,
tierten Reproduktion einschließlich der Samenspende unabhängig von der sexu-
larbiologie fames Watson, der in einem Interview mit der ,,Welt" 2005 meinte, ,,wenn wir eines Tages ein Gen hinzufügen können, um Kinder intelligenter oder schöner oder gesünder zu machen, dann sehe ich keinen Grund, das nicht zu tun... Wenn wir in der Lage sind, die Menschheit zu verbessern, warum nicht"? Die Molekularbiologie kennt aus sich heraus kein Hindernis, das sie daran hindern würde, auf dem Weg zur Menschenzucht und zu
bei der Synode 2015 korrigiert wird.
ellen Orientierung gesetzlich ermög1ichen. Dies öffnet den Weg zu einer eugenischen
Huxleys schon 1932 beschriebenen ,,schönen neuen Welt" voranzuschreiten. Bene-
Wenn man die Fortpflanzung von der Sexualität trennt und letztere zu einer Spielwiese macht, wo jeder mit jedem
Selektion, die vom Erfinder der AntiBaby-Pille Carl Djerassi ebenso befürwor-
dikt XVI. hat diese eugenische Mentalität in ,,Caritas in veritate" als die eigentliche
tet wurde wie vom Pionier der Moleku-
Gefahr der Zukunft kritisiert.
II. auch in ,,Familiaris Consortio" unterstrichen hat, absorbiert alle Energien. Ehe und Familie stehen im Übrigen nicht nur durch das Gender-Mainstreaming unter
einer besonderen Bedrohung, sondern auch durch die Entwicklung der Biomedizin, auf die Benedikt XVI. in seiner Sozi-
alles machen kann, ohne dass Nachwuchs kommt, die Fortpflanzung aber in die Hände einer irgendwie gearteten Allianz von Staat und Biowissenschaft legt, hätte man eines der Szenarien, das uns gewisse Spielarten der Eugenik beschert haben. Könnte man Gender-Mainstreaming auch vor diesem Hintergrund sehen? Die Abspaltung der Sexualität von der Weitergabe des Lebens ist eine Quelle des Gender-Mainstreaming. Gendersensib-
le Theologinnen werfen der Kirche und insbesondere der Enzyklika,,Humanae vitae" denn auch eine Ideologisierung der Fruchtbarkeit oder eine,,Fortpflanzungs36
zentrierung" vor. Sie wollen die Schonheit und die prophetische Kraft dieser EnzykIika und der ihr adäquaten Theologie des Leibes nicht sehen. Zu den 2006 von einer
Gender-Lobby formulierten Yogyakarta-Prinzipien, die das Gender-Mainstreaming als ein Gebot der Menschenrechdie Staaten müssten den Zrtgang zur assis-
DER AUTOR, VON 1983 BIS 2C)OB I'ROFESSOR FÜR CHRISTLICH E SOZIALWISSENSCHAFTEN AN DER UNIVERSI' TAT OSNABRÜCK. HAT ZU DEM THEMA IETZT EIN BUCH VE RÖ F F E NI'L IC HT:
G ENDER-MAI NSTREAMI
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UND KIRCHEN
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Was sich auf denVerkehrswegen auf dem Balken oder in Österreich und in den Aufnahmelagern Deutschlands abspielt, ist erst derAnfang. Eine nachlässige Politik hatverpasst,sich überdieMillionen FlüchtlingeCedanken zu machen,dievorden Toren E u ropas gewa rtet ha ben. Jetzt werden d ie meisten von i h nen kom men
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dcn. In Iorclanien I-raltcn sich insqesar-nt r.rr-n clic 630.000 svrischc Fliichtlinge auf - bei 6,7 Mio. Ilinrvohner sincl das lirrapp zehn Prozcr.rt cler ller,ölkerung. Auf Dctrtschlancl
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Millionen Flüchtlinge aufnchr.nen
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Waftcnhanclel lvcit tibcrstc'igen soll. Mar.r spricl.rt r,on eitretr.t
Markt vou rr-rnd 35 Milliarclen US-Dollars.
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-1_, Die Aunahm e zeigt ein Flüchtlingslager im Libanon. Jeder Kenner der Situation weiß, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge ihre Heimat schon seit Iahren verlassen hat und ein erbärmliches Dasein in den Flüchtlingslagern von Iordanien, dem Libanon oder der Türkei fristete. Hier zeigt sich das wahre Versagen europäischer Politik. Experten, die sich seit Iahren mit dieser Problematik befassen, warnten vor der Lage, in der sich Europa jetzt befindet. Die meisten Flüchtlir-rge, die derzeit in Europa unterwegs sind, haben nicht die Ruinen syrischer Städte und Dörfer verlassen, sondern lebten in Lagern der umgebenden Länder Syriens, wo sie rnit arabischer Gastfreundschaft aufgenommen wurden. Inzwischen hat sich aber auch dort die Lage drastisch verschlechtert. Heroisch trägt der Libanon die Last der Fliehenden im Nahen Osten. Dort sind .4'
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Millionen Syrer amtlich
als Flüchtlinge erfasst. Dazu kornmen mehrere Hunderttausend,
die nicht registriert sind, einige Tausend Schutzsuchende aus der-n Irak und eine halbe Million Palästinenser, die hier seit Jahrzehnten in tlberfüllten Carnps leben. Der Libanon ist halb so groß wie Hessen und hat eine einheimische Bevölkerung von rund vier Millionen Menschen. Das ergibt einen Flüchtlingsanteil von über dreißig Prozent - ein Weltrekord, den sicherlich niemand übertreffen rvill. Auf deutsche Verhältnisse hochgerechnet, hieße das, über 24 Millionen
Flüchtlinge innerhalb von vier )ahren aufzunehmen.
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Wer heute von den Nacl-rfirl-rren Mohamr.neds spricht, cler.rlit ofi iur den Islamischen Stirat n.rit seinen Her.rker-Brrnden. Tatsache ist aber auch, dtrss Lrinder
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Jordar.rier.r oder clie Ttirkei beispielhaft bei der Sorqe ur.r.r tlie Flticlitlir.rge vorar.rgehen. Die Flüchtlingslager r'r,ie das hier abgebiltlc-
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VON STEPHAN BAIER
Das Europa der .Schrebe rgärtner Vor einem Vierteljahrhundert fielen der Eiserne Vorhang und die Berliner Mauer. Im Namen der Freihe ilr.letzterrichten manche mitten in Europa neue Zäune, wollen ihre Staaten regelrecht einmauern. Im Namen der Sicherheit
ieles kann man am vereinten Europa beanstanden, aber die Grundidee stimmt: eine solidarische Rechtsgemein-
schaft demokratischer Staaten zu bilden - frei und vielfaltig nach innen, sicher und stark nach außen. Tatsächlich gab es nicht wenige mutige Schritte in diese Richtung: etwa die Personenfreizügigkeit in der EU, die ja nicht nur Touristen, sondern Arbeitnehmer, Unternehmer und Studenten betrifft. Immer mehr wurde das vereinte Europa zum Lebensraum für immer mobilere Generationen. Mit dem Zerfall der kommunistischen Tyranneien und dem Fall des Eisernen Vorhangs vor einem Vierteljahrhundert dehnte sich der in Iahrzehnten aufgebaute Raum des Friedens, der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts langsam - vielleicht zu langsam - nach Osten aus. Mehr noch: Das Solidaritätsbewusstsein der vereinten Europäer ging so weit, dass die Wohlhabenderen in Europa seit vielen Jahren via Brüssel reichlich Kleingeld nach Osten pumpen. Nicht immer ohne Hintergedanken, Gegengeschäfte und Bedingungen, doch in Summe recht beachtlich. All das scheint jetzt in Gefahr: Seit der Flüchtlingsstrom uber die ,,Westbalkan-Route" Mitteleuropa erreicht hat und nicht mehr zu enden scheint, schmilzt die europäische Solidarität wie Butter in der Sonne. Griechenlar.rd warf die DublinVereinbarungen einfach über Bord und registrierte und versorgte die aus der Türkei herüberquellende Masse von Syrern, Irakern, Afghanen und Pakistani nicht einmal, sondern jagte sie über die Grenze nach Mazedonien. Athen mochte sich darauf berufen, dass auch Italien abertausende Flüchtlinge unregistriert über
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den Brenner nach Norden schickt, doch werden hier erstmals in der Geschichte der europäischen Einigung Schutzsuchende von einem EU-Mitgliedsland in einen armen Nicht-EU-Staat abgeschoben. Mazedonien, hilflos und überfordert, reicht das Problem an Serbien weiter, das seinerseits die Flüchtlingsströme möglichst rasch an Ungarn und Kroatien loswerden will. Spätestens hier hätte eine europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik greifen müssen. Doch die Regierungen der Europäischen Union, die in Sonntagsreden allerlei Mahnworte an ,,Europa" zu richten wissen, haben Kommissionschef ]ean-Claude Juncker mit seiner Migrationsagenda seit Mai ins Leere laufen lassen. Nicht die Union hat angesichts der Völkerwanderung versagt, sondern ihre Mitgliedsstaaten. Verfangen in der Illusion, den eigenen Schrebergarten sichern zu können, haben sie eine solidarische Lösung des offensichtlichen Problems abgelehnt. Auch der viel zu spät eir.rberufene, viel zu zaghafte EU-Sondergipfel blieb auf halbem Weg stecken: Mehr Geld für die syrischen Flüchtlinge in ihrer Region und ,,Hotspots" zur Registrierung der Migranten an den EU-Außengrenzen - das hätte den Europäern zu Beginn dieser Völkerwanderung einfallen müssen. Dass die h-rnenminister nicht einmal 160.000 Flüchtlinge im Konsens auf die 28 EU-Staaten aufteiien können, zeigt angesichts der tatsächlichen Dimensionen, wie schlecht es um die Solidarität in Europa bestellt ist. leder versucht, das Problem irgendeinem Nachbarn zuzuschieben: manche (wie die Regierung Llngarns) härter und brutaler, mit Zäwen und Mauern, mit Strafandrohung und Tränengas; andere (wie Kroatien) sanft, doch hilflos, mit Chaos auf Dorf-
bahnhofen und an der Grenze; wieder andere (wie Österreich und Deutschland) überfordert, mit Ignoranz gegenüber geltendem Recht und mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Überraschend ist an alledem, dass offenbar die vielgerügte Türkei - von der Einwohnerzahl Deutschland vergleichbar zwei Millionen Syrien-Flüchtlinge unterbringen kann, dass der
kleine und fragile Libanon
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ein Land von der Größe Kroati-
- eineinhalb Millionen syrische neben einer halben Million palästinensischer Flüchtlinge aufnehmen und mehr schlecht als recht versorgen kann, dass aber das vereinte Europa mit seinen fünfhundert Millionen Einwohnern bei einem Flüchtlingszuens
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strom von fünfhunderttausend Menschen (also 0,1 Prozent der Bevölkerung) völlig aus dem Leim geht. Was wir in diesen Wochen erleben, wirkt wie eine Bankrotterklärung europäischer Staatlichkeit: Die geltende Rechtsordnung bei der Aufnahme und Registrierung von Asylsuchenden, bei der Sicherung der Außengrenzen und bei der Freizügigkeit wird nicht mehr angewandt. Recht wird nicht durch besseres Recht ersetzt, sondern einfach ausgesetzt. Jeder versucht, die Schutzsuchenden weg- und weiterzuschieben: darauf bauend, dass ohnehin ,,alle" nach Deutschland wollen. Dieses uneuropäische Chaos wird begleitet von wechselseitigen Beschimpfungen, die vor Jahresfrist
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unter europäischen Regierungen noch undenkbar gewesen wärett. Während ehrenamtliche Heller in München, Wien, Zagreb und Budapest selbstlos Zeit und Geid einsetzen, um Kinder, Frauen und Männer mit Essen, Wasser, Kleidung und Decken auszustatten, ja Dolmetscherdienste und Notquartiere anbieten, beflegeln sich Regierungschefs in einem Ton, der an schlechtere Epochen Europas erinnert. Gottlob sind die Zeiten vorbei, da Nlillionen Europäer von Irland bis Italien, von Spanien bis Russlar.rd vor Armut und Hunger aus ihrer Heimat nach Übersee flohen, um dort ein neues Leben zu begir.rnen. Warum aber können sich die Staaten Mitteleuropas, die sich heute gegen den Flüchtlingsstrom abschotten, nicht mehr an ihre eigene Zeitgeschichte erinnern? Daran, wie viele Ungarn nach dem sowjetischen Einmarsch in Budapest 1956 nach Westen flohen? Daran, wie Tschechen und Slowaken nach der Niederschlagung des ,,Prager Frühlings" 1968 in Westeuropa aufgenommen wurden? Daran, dass Millionen Polen, Ungarn und Kroaten heute ein ganz selbstverständlicher und selbstbewusster Teil der Gesellschaften Westeuropas und Amerikas sind?
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Der Mut zur europäischen Solidarität hat die Staatsmänner in Europa über viele Krisen und Katastrophen hinweggerettet: von der Agrarmarktkrise bis zur Banken- und Finanzkrise oder dem drohenden Staatsbankrott Griechenlands. Nun hat dieser Mut sie offenbar verlassen - in einem Augenblick, da Solidarität am nötigsten gewesen wäre, weil sie nicht Banken, Volkswirtschaften oder Staaten betrifft, sonden.t Menschen.
Europa befinde sich ,,in keinem guten Zustand", meinte Kommissionspräsident |uncker vor wenigen Wochen vor dem Europäischen Parlament. In der Tat: Es ist beschämer.rd, dass der wohlhabendste und stabilste Kontinent dieser Erde angesichts des Sterbens vor seiner Haustüre nicht die Kraft hat, Kriege zu stoppen und Krisen zu entschärfen. Es ist erschütternd, dass die Staaten Europas über Grenzen ihrer Belastbarkeit streiten und sich logistisch überfordert zeigen, währer.rd Syriens Nachbarn im Orient ein Vielfaches an Flüchtlingen aufnahmen. Und es ist ein Alarmsignal fur alle Europäer, dass die Einigkeit im angeblich vereinten Europa zerbröse1t, wo die Regierungen gefordert wären, Solidarität zu zeigen und gemeinsam anzupacken.
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VON ROBERI SPAEMANN ohe Scheidungsziffern gelten manchen liberalen Soziologen als Indiz für fortschrittliche Gesellschaften. Wer die Worte ,,Fortschritt" und ,,fortschrittlich" benutzt, ohne seinen Maßstab für Fortschrittlichkeit zu benennen, verschleiert in der Regel etwas. Fortschritt gib es nämlich nur im Plural, zum Beispiel Fortschritte in der Nanotechnik oder im Tunnelbau, in der Entwicklung von Vernichtungswaffen, von Foltermethoden oder in Narkoseverfahren. Manche Fortschritte sind gut, manche schlecht oder sogar böse. Hohe Scheidungsraten sind wünschenswert, wenn man den Maßstab eines hedonistischen Individualismus zugrunde legt. Auch niedrige Geburtenraten oder Kinderlosigkeit gelten dann als Indiz fur einen hohen Grad von Selbstverwirklichung und Freiheit. Paradoxerweise sind es gerade die Protagonisten dieses Verständnisses von Freiheit, die dem Menschen so etlvas wie Willensfreiheit absprechen und die Fähigkeit, ein ihn selbst bindendes Versprechen zu geben - nach Nietzsche die höchste Auszeichnung des Menschen. Mit ihr emanzipiert er sich vom Ausgeliefertsein an
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die eigenen naturwüchsigen Zustände, Launen, Befindlichkeiten. Er räumt einem anderen Menschen einen Anspruch ein. Versprechend erlaube ich dem anderen, von mir etwas zu erwarten. Das Eheversprechen ist die höchste Form von Versprechen. Mit ihm bindet jemand die Entwicklung seiner Person an die einer anderen. Es ist wie eine Jazzimprovisation nt zweit, wo jeder der beiden so spielt, dass seine Improvisation sich in die Improvisation des anderen fügt. Maßstab für das Gelingen ist nicht die Leistung des einzelnen, sondern das Gelingen des Kunstwerkes, des pas de
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deux. Das liberale Ideal beruht auf einer falschen Anthropologie, die den Begriffder Person nicht kennt. Personen sind nämlich soziale, sprachlich verfasste Wesen. Sie bringen Sprachfähigkeit als natürliche Ausstattung mit auf die Welt. Und ohne eine bestimmte, konkrete Sprache verkümmert diese Fähigkeit. Dennoch sprechen Menschen keine ,,natürliche Sprache", sondern Sprachen lernen sie innerhalb einer sozialen, geschichtlichen Sprachgemeinschaft. Erst die Sprachgemeinschaft ermöglicht es den Menschen, ihre Individualität auszubilden. In der Geschichte von Kain und Abel fragt Gott nicht, ob Kain seinem Bruder etwas zuleide getan hat. Er fragt nur: ,,Wo ist dein Bruder?" Und Kain antwortet mit der Gegenfrage eines Liberalen: ,,Bin ich denn der Hüter
meines Bruders?" Das Buch Genesis entlarvt die Gegenfrage Kains als rhetorischen Ausdruck der Gesinnung des Mörders. Der Mensch als Person trägt Verantwortung für seinen Bruder. Er soll wissen, wo der Bruder ist. Einen schönen Beleg
für die Selbsttranszendenz des Menschen sah ich einmal auf einem Lastwagenaufkleber: ,,Denk an deine Frau, fahr vorsichtig!" Hier ist nicht die Rede von der Sorge, ein zu mir gehörendes Wesen zu verlieren, eine Sorge, die auch Tiere haben, sondern hier denkt sich jemand als dem anderen zugehörig, als Teil der Welt des anderen, der dem anderen zuliebe mit sich selbst behutsam umgeht. Was nun die eheliche Gemeinschaft betrifft, so ist die
katholische Kirche die einzige Institution der Welt, die das vor Gott gegebene Versprechen ernst nimmt, den Bund als mit diesem Versprechen entstandene Entität als ein neues Rechtssubjekt ernst nimmt, und seine Entstehung durch die Anwesenheit freier Zetgen und den Segen des Priesters dokumentiert. Es ist ein Versprechen, das in die Sterne geschrieben ist, wo niemand, kein Papst, kein Standesamt und auch nicht die Ehepartner selbst es wieder herunterholen können. Natürlich ist eine lebenslange enge Gemeinschaft Belastungen ausgesetzt. Das tiefe Glück, das sich mit diesem Bund verbindet, erfährt nur der, der von Anfang an
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auch willens ist, das Kreuz, an das er sich nageln lässt, von Herzen anzunehmen. Dazu gehört eine Einstellung zum Leben, die die Bereitschaft zum Opfer einschließt. Diese
kann nicht in einer Stunde grundgelegt werden. Und das besonders heute, im Zettalter des selfish system. Die katholische Kirche lehrt, dass das verlässliche Halten des Eheversprechens ohne besonderen Beistand nicht möglich sei. Aber dieses besonderen Beistands können wir gewiss sein, weil die Ehe ein Sakrament ist, also ein Ort der Vergegenwärtigung des Mysteriums von Kreuz und Auferstehung. Was aber durch das Sakrament wiederhergestellt wird, ist, wie Christus sagt, die ,,Ordnung des Anfangs", das heißt die natürliche Ordnung der Dinge. Ein Versprechen halten ist nun einmal ,,von Natur" richtiger als es brechen. Dass die fünger zunächst entsetzt sind über die Verkündigung von der Unauflöslichkeit der Ehe, zeigt nur, dass die gesellschaftliche Normalität sich bereits damals von dem ,,von Natur" Richtigen weit entfernt hatte. Die Wiederherstellung des ,,Anfangs" ist für die erbsündige Natur mit Mühe verbunden. ,,Geh hin und sündige nicht mehr" sagt Christus zur Ehebrecherin, nachdem er ihr verziehen und sie vor der Steinigung gerettet hat. Die katholische Kirche hätte allen Grund, in der Nachfolge Jesu mit Stolz dem Zeitgeist die Stirn zu bieten, statt nach Schlupfwegen Ausschau zu halten, die die Botschaft verwässern. ,,Ihr seid das Salz der Erde", sagt der Herr. Wenn das Salz schal wird, salzt es nicht mehr. ,,Es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten." Sind wir heute da angelangt? Ist die Kirche im Begriff zu kapitulieren? Wo es doch ihre Aufgabe ist, die Schönheit der Botschaft des Evangeliums zum Strahlen zu bringen. Erschüttert müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Ehescheidungen bei Katholiken fast so häufig sind wie bei Nichtkatholiken. Und in den Annullierungsverfahren spielen mangelnder Konsens oder mangelnder Zeugungswille eine Rolle, die sie nicht spielen dürften, wenn die kirchliche Ehevorbereitung in Ordnung gewesen wäre. Dann wäre nämlich dieser Defekt schon vor der Heirat manifest geworden, und eine kirchliche Trauung hatte nicht stattfinden dürfen. Der Kursleiter hätte die Brautleute fragen müssen, ob sie wirklich willens seien, einen unwiderruflichen Bund einzugehen und bis zum Tod eines der beiden alle Brücken hinter sich abzubrechen. Wenn stattdessen die Brautpaare - wie ich bezeugen kann - darauf hingewiesen werden, dass ja beim eventuellen Scheitern der ersten Ehe die Möglichkeit des Gelingens einer zweiten bestehe, dann wird ja schon ein später geltend zu machendes Ehehindernis aufgebaut. Es sei denn, das Brautpaar weist das ihm in Aussicht
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DISPUTA
gestellte Gift entschieden zurück. Die meisten der annullierten kirchiichen Trauungen hätter.r gar nicht stattfinden dürfen. Sie waren ungültig, und das war in den meisten Fällen
rechtzeitig zu erkennen. Und Eltern und Großeltern sollter.r ihre Kinder nicht zur kirchlichen Trauung drängen, sondern
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eher davon abrater.r,'wenn sie wissen, dass die Zutrittsbedingungen nicht erfüllt sind. Was aber ist nun im Fall des Ehebruchs? Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden, erstens der einrnalige oder kurzfristige. Er gibt den.r betrogenen Teil das Recht zur Tren-
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nLrng. Wenn dann der Ehebrecher die Beziehung bereut
und aufgibt, kann der Betrogene verzeihen und die eheliche Gemeinschaft wieder aufnehmen, und ein Christ wird dies in der Regel tun und Gottes Verzeihung nachahmen. Zweiter.rs und anders der Fall der Aufkündigung der ehelichen Gemeinschaft durch den Ehebrecher, die staatliche Scheidung und Wiederverheiratung des Ehebrechers. Die zur Zeit ir.r der katl.rolischer.r Kirche diskutierte Frage ist: Kann der Geschiedene und Wiederverheiratete zur heiligen Kommunior.r zugelasser.r werden? Und: Kann die Kirche für das neue Paar einen Segnungsgottesdienst einführen?
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Dieser Vorschlag wird gemacht. Man muss sich klarmachen, Antwort bejahend ausfiele. Es würde bedeuten, dass der Standesbeamte eine schwere Sünde - den außerehelichen Beischlaf- in eine gottgefä1lige Handlung verwandeln könnte, auf die ein Priester den Segen Gottes herabrufen darf. Es ist ein absurder Gedanke, was es bedeuten würde, werrn die
dass zum Beispiel ab dem sechzigsten Mal diese wunderbare Wandlung stattfinden würde. Oder doch lieber ab dem vierzigsten Mal? Tummelfeld ftlr moralische Kasuistik. Nun möchter-r die Promotoren der Vergebung als Bedingung der eucharistischen Gemeinschaft Schuldbekenntnis
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und Reue verlansen, r-richt abe r das einzige, rvas l]ekenntnis rund Rer.re glaubwlirdig r.nacl.rt, clie Beer.rdigung des ehebrccherischen Verhriltnisses. So als l-riitte Jesus zur Ehebrecherin eesagt: ,,lch will clicl.r nicl.rt verurteilen. Sündige frrihlich rveiter. Mit der Zeit u,ircl auf cleine lleziehuns Gottes Scce n herrrbkommen." Das hiclie: tlcclingung der eucl.raristischcr.t Gt'nreinschalt ist letzten Endes nicht [].eue und Vorsatz, sou-
tlclrr 7.eit urttl Cier,^t,hnltcit. Zcit uncl Gewohnheit sollen ein ehebrccherisches Konkubinat unter der Hirnd verwiiucleln in eine gottgefällige Bczichur.rs, auf clie vou der Kirche der Segen Gottes herab-
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DISPUTA
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wird mit dem Schwinden der Schuld. Es ist ein absurder
Gedanke, ein ehebrecherischer Beischlafhöre beim soundsovielten Mal aul ehebrecherisch zu sein, und verwandle sich auf einmal in eine gottgefällige Handlung, die von der
Kirche gesegnet werden könne. Schon Aristoteles lehrte, dass eine zur Gewohnheit gewordene Sünde eine tiefere Depravation darstellt als ein einmaliger Fehltritt, der noch von Gewissensbissen begleitet ist. Das gilt vor allem im Fall des Ehebruchs, wenn durch ihn und durch seine Legalisierung neue Strukturen entstanden sind, die ohne Schmerzen und Gewaltsamkeit meist nicht wieder aufgelöst werden können. Thomas von Aquin spricht in solchen Fällen von perplexitas, das heißt von Situationen, aus denen man sich nicht befreien kann, ohne so oder so schuldig zu werden. So im Fall eines einmaligen Ehebruchs: Soll der Ehebrecher seinem Ehepartner den Ehebruch bekennen oder nicht? Wenn er bekennt, rettet er eventuell die Ehe und zerstört nicht dauerhaft das Vertrauensverhältnis durch eine Lüge. Wenn er die Wahrheit sagt, kann es aber auch sein, dass er die Ehe erst recht gefährdet. Beichtväter raten deshalb wohl oft vom Geständnis ab. Thomas von Aquin schreibt übrigens, dass man in eine solche perplexitas nicht ohne eigene Schuld gerät, was er als Strafe Gottes für die anfängliche Sünde betrachtet. Mitchristen in solchen Situationen beistehen, ihnen mit Empathie begegnen, sie der Solidarität der Gemeinde vergewissern, sind Werke der Barmherzigkeit. Die Spendung der Eucharistie aber ohne Reue oder ohne Beseitigung der irre-
gulären Situation wäre eine Versündigung gegen das Sakrament, die heute sehr häufig ist. Warum haben die Liturgiereformer ausgerechnet sowohl am Gründonnerstag als auch an Fronleichnam aus dem Text der Lesung aus dem Korintherbrief tiber die Eucharistie die Pointe dieser ganzen Epistel gestrichen, in der vor dem ,,unwürdigen Empfang des Leibes Christi" gewarnt wird: ,,Wer unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht"? Wenn man sieht, wie Sonntag für Sonntag alle Messbesucher zur Kommunion gehen, so fragt man sich, ob die katholischen Gemeinden nur noch aus Katholiken bestehen, die frei von schwerer Sünde sind. Aber noch ein Letztes, das eigentlich das Erste sein müsste: Die Kirche bekennt, dass sie im Umgang mit dem Kindesmissbrauch zu wenig die Opfer im Blick hatte. Das geschieht hier wieder. Wer redet eigentlich über die Opfer? Wer redet von der Frau mit vier Kindern, denen Ehemann
und Vater weggelaufen ist? Sie wäre vielleicht bereit, ihn wieder aufzunehmen, und sei es aus Gründen der Versorgung. Aber er hat sich eine neue Familie zugelegt und denkt gar nicht an Rückkehr. Inzwischen ist Zeit vergangen. Der Ehebrecher möchte gern wieder zur Kommunion. Er ist
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bereit, ein Schuldbekenntnis abzulegen, nicht aber den Preis at zahlen: ktlnftige Enthaltsamkeit. Die verlassene Frau ist gezwungen, mit anzusehen, wie die Kirche den neuen Bund akzeptiert und segnet. An die Stelle der Formel ,,bis der Tod euch scheidet" müsste die neue Formel treten, die im Ernst schon vorgeschlagen wird: ,,bis die Liebe eines der beiden erkaltet". Das Verlassen des schuldlosen Partners wird noch zusätzlich von der Kirche abgesegnet. Die Ersetzung der Eheschließung durch einen Segnungsgottesdienst ist Augenwischerei und betrügt die Leute. Der Unterschied zwischen Trauung und kirchlicher Segnung würde für die meisten Katholiken gleichgültig sein. Der außereheliche Beischlaf wird legitimiert. Was also kann und soll geschehen, um den jetzigen Zustand zu beenden? Nietzsche schrieb, Versprechen sei die höchste Auszeichnung des Menschen. Es ist der höchste Ort der Freiheit. Im Versprechen mache ich mich unabhängig von den inneren und äußeren Zwängen, von den Zffällen einer augenblicklichen Befindlichkeit. Zwei Personen stiften gemeinsam etwas, das sie übersteigt. Sie entziehen sich dem Wankelmut endlicher Wesen. In der Zeit des Wütens der deutschen Terroristen, der so genannten ,,Rote Armee Fraktion", als deutsche ,,Prominente" als Geiseln gefangen und getötet wurden, baten diese mehrmals über das Fernsehen um Erfül-
lung der Forderungen. Ein mir befreundeter Verfassungsrichter gab bei Antritt seines Amtes zu Protokoll, dass er keinen solchen Hilferuf senden werde. Und wenn er es doch tun würde, so wünsche er, dass man es ignorieren solle. Sein eigentlicher und wahrer Wille sei allein der hier und jetzt bekundete. So ließ sich Odysseus von seinen Leuten an den Schiffsmast binden, um den Verlockungen der Sirenen nicht zu erliegen. Er verfügte, dass sein Betteln, ihn loszubinden, vergeblich sein sollte. Die Ehe ist ein Ort der Selbstverwirklichung des Menschen, also dessen, was die Alten ,,Glückseligkeit" nannten. Aber sie ist das nur, weil sie auch ein Kreuz ist und mit der Bereitschaft zum Opfer angenommen wird. Christliche Ehevorbereitung muss deshalb schon viel früher einsetzen, nämlich dort, wo die christlichen Grundhaltungen gelehrt und eingeübt werden. Entsprechend soll man jungen Paaren davon abraten, kirchlich zu heiraten, wenn sie nicht fahig oder willens sind, ein definitiv bindendes Versprechen zu geben. Dass kirchliche Ehenichtigkeitsprozesse so oft stattfinden, beweist meines Erachtens, dass die Ehevorbereitung nicht realistisch war. Es wird auch geltend gemacht, dass in zweiten Beziehungen auch sittliche Werte verwirklicht werden, und dass deshalb solche Konkubinate der Promiskuität und VerwahrIosung vorzuziehen seien. Der heilige Thomas von Aquin geht auf dieses Argument ein mit einem Boethius-Zitat,
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fünfzig Mal anführt: ,,bonum ex integra causa, malum ex quocumque defectu" - Gut ist etwas, wenn es im Ganzen stimmt, schlecht, wenn es an einem Fehler krankt. Was ist die Treue zum Komplizen im Ehebruch wert, wenn jeder Akt der Treue zugleich ein Akt der Untreue gegen den rechtmäßigen Ehepartner ist? Auch in der Mafia werden Haltungen und Handlungsweisen hochgehalten, die für sich das er an die
genommen Tugenden wären, zum Beispiel Treue, Zuverlassigkeit, Einstehen für den anderen, interne Gerechtigkeit, Mut. Himmler rühmte in einer Rede vor SS-Leuten, dass ihre Gräueltaten selbstlos seien. Sie müssten verborgen bleiben. Und bei den Massentötungen ,,anständig" geblieben zu sein, verdiente die höchste Anerkennung. Lauter sittliche Werte im Dienste gigantischer Verbrechen. ,,Meine Ehre heißt Treue" stand aufdem Koppelschloss der SS. Nicht als ob ich eine Zweitehe mit diesen Verbrechen vergleichen wollte. Die Beispiele sollten nur zeigery wie absurd die Berufung auf sittliche Werte sein kann. Noch etwas gehört in diesem Zusammenhang gesagt, worüber zu Unrecht geschwiegen wird: Auch dort, wo der Ehebruch verurteilt wird, wird der voreheliche Beischlal sozusagen als Vorbereitung auf die Ehe, gebilligt - auch von Beichtvätern. Er ist deshalb inzwischen zur Regel geworden und wird ohne Schuldbewusstsein vollzogen. Dass die Kirche ihn im neuen Katechismus als Sünde bezeichnet, ist bedeutungslos, wenn sie ihre Seelsorger und Religionslehrer das Gegenteil lehren lässt - mit der Begründung, dass ja hier oft ein ehestiftender Konsens gegeben sei. Mein Sohn machte seinem Religionslehrer, der so lehrte, den Einwand, diese |ugendlichen dürften ja dann nie mehr auseinandergehen und sich mit einem anderen liieren, ohne Ehebruch zu begehen. Das sei ja eine schreckliche Belastung. Die Antwort des Lehrers: ,,Du bist ein Opfer deines Milieus." Der Beischlaf mache, so sagt das Evangelium, aus Zweien ,,ein Fleisch", also eine neue Entität, die sich in Kindern objektiviere, deren Bruch aber eben deshalb dem Mord nahekomme, mit dem er auch in der christlichen Tradition in einem Atem genannt wird. Wer das Anormale, das Unnatürliche der Scheidung und Wiederverheiratung am unmittelbarsten erlebt, sind die Kinder. Von ihnen sollte deshalb eigentlich vor allem die Rede sein. Von ihnen war ja schon in den Missbrauchsfällen leider zuletzt die Rede. Und sie sind auch bei Scheidungen die Hauptleidtragenden. Aber auch der verlassene Teil scheint, wo es um diese Fragen geht, viel weniger der Aufmerksamkeit wert als der ,,Täter". Es ist zu hoffen, dass die Bischofssynode sich die Akzente nicht von den Medien diktieren lässt. Alles liegt daran, dass die Schönheit der Botschaft des Evangeliums erneut zum Leuchten gebracht wird.
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Wenn eine Sprache zerfälh, glauben ihre Sprecher, sie verjünge sich. Über der lugendfrische
heutiger Prosa liegt ein Hauch verendeten Fleisches. .l\:
Auch in Kunst und Literatur hat der Industrielle den Handwerker verdrängt. Einfähige politische Thesen üben eine unwiderst ehli ch e
Anzi ehun gskr aft au s.
Der fortschrittliche Katholik spricht von der ,,hi stor i s chen D imensi on" des Chr i st entum s,
um die Geschichtlichkeit seines Ursprungs in die Endlichkeit seiner Ziele zu Pervertieren. ,,Reich Gottes" ist im Wortschatz des Fortschrittlers das kirchliche Synonym zu ,,Reich des Menschen". Ohne religiöse Einbindung wird die ,,conditio humana" zum rein ökonomischen Problem.
Der Niedergang der modernen Welt ist kaum interessanter als die Auflösung einer erbärmlichen Intrige in einem schlecht geschriebenen Roman. ,,Versöhnung des Menschen mit sich selbst"
-
die
treffendste Definition der Dummheit. Beginn der Individuation in der Gesellschaft ist der Glaube an die Seele.
Irren ist menschlich,lügen ist demokratisch. Der Fremdling macht den Einheimischen keine Konzessionen.
Eine Person, die nicht ein wenig absurd ist, erweist sich als unerträglich.
aSankt Grignion Verlag
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Coldene Hochzeit Von Wislawa Szymborska
(1
923-2012)
5ie mußten früher verschieden gewesen sein, Feuer und Wasser, sich jäh unterscheiden, sich gegenseitig berauben und sich beschenken in der Begierde, im Angriff auf ihre Unähnlichkeit. Umarmt, nahmen sie sich an und gaben sie sich hin so lange, bis nur noch Luft in den Armen war,
transparent nach dem Abflug der Blitze'
»Aktualität« bezeichnet
Eines Tages fiel die Antwort vor der Frage. Eines Nachts errieten sie den Ausdruck ihrer Augen nach der Art des Schweigens, im Dunkel.
den Gipfel des Unbedeutenden. (Nicoläs Gömez Dävila)
Das Ceschlecht verblaßt, die Ceheimnisse verglimmen,
im Ahnlichen treffen sich die Unterschiede wie alle Farben im Weiß.
Dennoch: Till lQnzel: Nicoläs Gömez Dävila. Par te igänger v e r I o r en er
Wer von ihnen ist doppelt, wer nicht da? Wer lächelt mit zwei Lächeln? Wessen Stimme hallt zweistimmig wider? ln wessen Bejahung nicken die Köpfe? Mit wessen Ceste heben sie den Löffel zum Mund? Wer ist hier wem aus dem Cesicht geschnitten? Wer lebt hier, wer ist hier gestorben, versponnen in die Linien - wessen Hand?
Sachen
Langsam wachsen Zwillinge aus dem Starrblick. Vertraulichkeit ist die vollendetste der Mütter von ihren beiden Kindern zieht sie keines vor, sie weiß sie kaum zu unterscheiden.
-
Am Tag der goldenen Hochzeit, am Freitag, setzte sich eine einerlei betrachtete Taube auf das Fenster' ,,Deshalb leben wir", Cedichte, übertragen und herausgegeben von Karl Dedecius, Suhrkamp ry97 Aus
v.ATrcAN
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4., erweiterte, überarbei-
tete und aktualisierte (l) Auflage: zt; 5., rz,go €, ISBN: gz8-:-gq 2605..o -6
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oder bei Ihrem Buchhändler vor Ort.
ten Durchblickers.« (Stefan Meetschen, D ie Tagespost, z7.6,zot5)
LrpaNro
VTRLAG
Katholischer Verlag für Theologie und Philosophie
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LESEPROBE
VON DER ANISCFTAUI.JNG
GOTTES IN .DER FRAI.J Unseren Lesern ist dergebürtige Rheinländer und Sohn iranischer Einwa nderer woh I beka n nt. Der gläu bige Muslim ersta unt i m merwieder d u rch seinefast liebevol len Annä herungen a n die künstlerischen Zeugnisse des Ch ristentu ms. Der nachfolgende Text ist seinem jüngsten B uch-Erfol g,,U nglä u biges Staunen" entnommen
VON NAVTD KERMANI ftir mich Rettung bedeute, wo in mernem Leben ich einmal gerettet worden sei. Erst wollte I bisherigen I ich die üblichen Situationen nennen, Unf?ille, die wie durch 6n Wunder glimpflich ausgingen oder in letzter Sekunde abgewendet wurden, Heilung nach bedrohlicher Krankheit, Versöhnung der Liebenden, in meinem Fall außerdem, klar, die Reisen, auf denen es mal brenzlig wurde. Aber dann sprach ich über meine früheste Erinnerung überhaupt: den medizinisch gewiss harmlosen, ftir mich jedoch ganz ungewohnten, schockierenden Ohrenschmerz, wegen dem ich schreie, und meine Mutter - es muss Nacht gewesen sein, Nacht oder Abend, weil ich das tiefe BIau der Vorhänge vor Augen habe - meine Mutter holt mich aus dem Gitterbett und nimmt mich in ihre Arme, dieses Gefuhl des umfassenden Trostes, das den Schmerz nicht verscheuchte, aber nicht mehr als das schlechthin Unheimliche erschienen ließ, dieses Geftihl, mit dem Schmerz nicht mehr allein zu sein - wie lang mag ich geschrieen haben, bis meine Mutter mich aufhob? -, die Sicherheit, von der Mutter gewiegt zu werden, im konkreten, physischen Sinne geherzt: Es ist jemand fiir dich da, dieser Umschlag von der bodenlosen Einsamkeit und Verlorenheit in die Geborgenheit und eitle Befriedigung, im Zentrrm der Aufmerksamkeit und Liebe zu stehen, zumal mein Vater ebenfalls herantrat und beruhigend aufmich einsprach.
Jemand
fragte, was
Ia, das war Rettung, das war Rettung, wie jeder Mensch sie
ein-
erlebt haben sollte - und im Gedächtnis bewahrt. Der Koran lehrt, dass das Bedürfnis nach Gott den Menschen mit der Geburt eingegeben ist, die sie als Schock, als Schmerz,
mal erlebt hat
-
aber wohl auch als ein Aufgefangenwerden erleben, sonst würden sie sich, von der Mutter geherzt, kaum so schnell beruhigen. Und seltsam genug, erkennt der Koran, obwohl er die Sohnschaft 58
vATrcAN rolzor5
i
LESEPROBE
]esu strikt ablehnt, die Mutterschaft Mariens dennoch an, und bereitet die jungfräuliche Geburt orthodoxen Muslimen weniger Kopfzerbrechen als aufgeklärten Christen. Dabei tun die Katholiken so gut daran, dass sie die Schöpfung mit beiden Elternteilen assoziieren - schon weil Gott alle Menschen nach Seinem Ebenbild geschaffen hat, muss er zugleich Mann und Frau sein. ,,Gott ist Vater und Mutter", sagte der frühverstorbene Papst Johannes Paul I. in seiner einzigen Angelus-Ansprache (und wurde deswegen der Ketzerei bezichtigt). Ibn Arabi, der als Größter Meister der islamischen Mystik selbst mehr weibliche als männliche Lehrmeister hatte, geht so weit zu behaupten, dass die Anschauung Gottes, die sich für den Menschen notwendig in konkreten irdischen Erfahrungen vermittele - der Natur, der Liebe, des Traumgesichts und am stärksten der Sexualität -, in der Frau die vollkommenste sei. Denn in der Frau verkörperten sich beide Aspekte des Göttlichen, das Passive und das Schöpferische, Empfängnis und Gebären, patiens und agens. Hingegen der Mann werde geboren, gebäre jedoch nicht. Das bedeutet, dass Ibn Arabi Gott ausdrücklich auch das Passive zuspricht und dessen Verhältnis zum Menschen als ein wechselseitiges begreift, bei dem wir auf Ihn, aber Er ebenso auf unsre Liebe angewiesen ist. ,,Tadle mich nicht, wenn ich Gott Braut nenne", weiß Ibn Arabi selbst um das Provokante seiner Lehre innerhalb einer patriarchischen Welt und deren Theologie. Adam und Eva seien, da die Schöpfung des Mannes vorausging, nicht vollständig gewesen als Urbild der menschlichen Liebe, sagt Ibn Arabi, sondern hätten komplementär Marias und Iesu bedurft, innerhalb dieser Typologie sind Eva und lesus wie Geschwister, deren Eltern Adam und Maria sind. Deshalb habe der Prophet als erstes die Frau genannt, als er von den Segnungen sprach, die ihm die teuersten sind, und die Männer ganz übergangen. Oft haben die Mystiker darüber nachgedacht, dass die höchste, im Koran mit Abstand am häufigsten genannte Eigenschaft Gottes, die Barmherzigkeit, rahma, im Arabischen die gleiche Wurzel hat wie Gebärmutter, rahim (und Gottgedenken, dhikr, das dem Menschen zugeordnet ist, hat die gleiche Wurzel wie dhakar, Penis). Wenn der Prophet sagt, dass das Paradies zu Füßen der Mütter liege, dann haben das die Mystiker nicht nur als Aufforderung verstanden, die eigene Mutter zu ehren (etwa nicht den Vater?); nein, sie haben das Wesen Gottes als des Barmherzigen immer auch weiblich gefasst. ,,Was verdient am meisten Liebe und Fürsorge?", fragte ein junger Mann den Propheten. ,,Die Mutter", antwortete der Prophet. ,,Und an zweiter Stelle?" -,,Die Mutter." -,,Und an dritter Stelle?" Abermals sprach der Prophet, der selbst eine Vollwaise war: ,,Die Mutter". Genauer als die meisten Theologen, die das Hauptgewicht auf Kreuz und Auferstehung legen, besser selbst als die feministische Theologie, die mit Maria nur noch erstaunlich wenig anztfangen vermag und lieber die Sprache zurechtbiegt (bis es kracht!), haben im Christentum die katholische Volksfrömmigkeit und
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die östlichen Kirchen ein Gespür dafür, dass ftir die Menschwerdung Gottes das weibliche Prinzip konstitutiv ist. ,,Strenger Richter aller Sünder, der du uns so schrecklich drohst...", singen (sangen?) die Gläubigen in der Messe voller Inbrunst und finden in der mütterlichen Liebe Marias Trost. Muttergottes mag strenggenommen nur ein Ehrentitel sein und wird doch im Gebet, dessen Erfahrung sich nicht an die Logik hält, die Entsprechung zum Herrgott, ohne dass die Dualität ganz aufgeht. Deutlicher noch klingt die Gleichzeitigkeit des Gegensätzlichen in der ,,Gottesgebärerin" an, theotokos, sosehr sich die katholische Kirche auch bemüht hat, den Titel zu rationalisieren, also dem Verstand plausibel zu machen. Eher hat die byzantinische Theologie anerkannt, dass das religiöse Erlebnis allein im Paradox auf Begriffe zu bringen ist. ,,Maria ist die Ursache all derer, die vor ihr waren", sprach der berühmte Mystiker der Ostkirche, Gregor Palamas, der Gottesgebärerin eine vorzeitliche Existenz zu. Es war diese östliche, orientalische und dem Ursprung nach gnostische Mariologie, die auf die Sufis wirkte: ,,Ich bin die Mutter meines Vaters", wie es in der so genannten Brontö heißt, die in Nag Hammadi gefunden wurde, oder ,,Meine Mutter gebar ihren Vater", wie in seiner Verzückung al Halladsch rief, der als Ketzer gekreuzigt wurde: ,,Wahrlich, das ist seltsam." Die wohlgemerkt äußeren Schwingungen einer Wahrheit, die Gregor Palamas und Halladsch in der inneren Schau zuteil wurde, spüren selbst wir - denke nur, wie du im Photoalbum der eigenen Eltern blätterst: Bist du nicht ebenfalls erstaunt oder gar wie ich jedes Mal leise erschüttert zu sehen, dass die Mutter so jung war, als sie uns zur Welt brachte, viel jünger als wir selbst, wenn sich die Frage nach der Mutter ernsthaft für uns stellt, also erst in der zweiten Hälfte des Lebens, da uns ihre Sterblichkeit von Jahr zu lahr schmerzhafter bewusst wird und wir ihre Hinfälligkeit nicht mehr ignorieren. Sie ist jung, die Mutter, so jung wie die Muttergottes in der Rosenlaube, regelrecht ein Mädchen und selbst für Viertgeborene wie mich immer noch eine sehr anziehende Frau und muss es sein, damit sie unsere Angste kennt und uns nicht nur Behüterin, Ernährerin, Erzieherin ist, sondern ein wenig auch Schwester, Freundin und sogar Geliebte. Denn so viel schillernder, mächtiger, durchaus bedrohlicher und umfassender ist die mütterliche Liebe als diejenige des Vaters, weshalb die Literatur an der Mutter, wenn, dann eher das Übermaß der Gefühle, indes am Vater, wenn, dann seine Ferne beklagt. In seinen Mekkanischen Offenbarungen berichtet Ibn Arabi, dass er, während er über die Allnatur schrieb, einschlief und im Traum seine eigene Mutter erblickte, die ihm ihre Scham und ihre Brüste enthüllte, er betrachtete sie, und sie lächelte; nach einiger Zeit wurde ihm klar, dass an der Gebärde der Mutter - oder seinem Blick? - etwas Unstatthaftes war, da verhüllte er sie mit einem weißen Mantel: ,,Genauso bedecke ich mit schönen Worten einen bestimmten Anblick der Natur, den auszusagen der Vernunft nicht erlaubt ist". VATICAN 1Oi2O1q
Die Muttergottes ist jung, die in der Rosenlaube vor einem Brokatvorhang sitzt, ihr Baby erst vor ein paar Tagen oder höchstens Monaten geboren, aber der Frieden, der in ihrem Gesicht und ihrer Körperhaltung lie5, ist nicht der eines Mädchens oder einer jungen Frau, die von dem Martyrium des Sohns bloß noch nichts weiß. Sie trägt die Krone, ist also bereits auferstanden und hat das vATtcAN 1O
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schlimmstmögliche Unglück einer Mutter erlebt. Der Frieden, der in ihrem Gesicht und ihrer Körperhaltung liegt, ist Erlöstheit oder kleistisch gesprochen die Unschuld, für die wir erst vom Baum der Erkenntnis essen müssen. Deshalb der Garten, deshalb der goldene Grund und deshalb der Apfel, den Evas Bruder nehmen darf; die Apfel werden ihm von den Engeln sogar gereicht. 61
LESEPROBE
Im Zentrurn freilich, genau auf Höhe der betrachtenden Augen, ist die Mutter, die für Ibn Arabi wie ein erster Mensch und damit Gott noch ähnlicher ist. Nie wäre eine Christusdarstellung vergleichbar kostbar ausgefallen. Die Krone zum Beispiel muss man unter dem Vergrößerungsglas gesehen haben, um den Aufiarand zu begreifen, den Stefan Lochner betrieb. Jede Perle, jeder Edelstein, jede Einkerbung im Edelmetall, jede Lücke hat hier eine eigene Gestalt und einen theologischen Gehalt: So formen die Iuwelen Blütenblätter, die den echten, blutroten Rosen der Laube gleichen, und spiegelt sich im Saphir an der Kronenspitze das Fensterkreuz, das auf den Opfertod Christi als ,,Licht der Welt" verweist. Der extrem gute Zustand, in dem sich das Bild nach mehr als einem halben Iahrtausend befindet, verdankt sich nicht allein der handwerklich perfekten Verarbeitung oder der sorgsamen Verwahrung; die bleibende Leuchtkraft hat auch mit der außerordentlichen materiellen Qualität der Holztafel und der Pigmente zu tun, wie ich gelesen habe. Das Ultramarin, in dem das Kleid gemalt ist, gewann man aus Lapislazuli, einem ANTFICF
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botschaften Warum ich weiß, dass meine
Mutter im Himmel lebt
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Halbedelstein, der einzig in den Minen von Badachschan abgebaut wurde: in Afghanistanl Teurer war nur das Blattgold, das großflachig den Hintergrund bedeckt. Es bildet das Himmelslicht nicht bloß ab, sondern.leuchtet selbst, wenn nur ein wenig Licht der Sonne oder einer Kerze auf Die Muttergottes in der Rosenlaube
fallt. Ahnlich ahmt die penible Ordnung der Motive den himmlischen Heilsplan nach, etwa im Zentrum des Bildes die trichterförmige Falte über dem Nabel Mariens, in deren genauer Verlängerung auch der Nabel des Kindes liegt, oder die neun Blüten an der Krone, die für die neunte, die Todesstunde Christi und zugleich die Anzahl der Planetensphären stehen, durch welche die Seele in den Himmel aufsteigt. Weiter las ich, dass Höhe und Breite der Laube exakt drei Mal drei kölnische Zoll messen, womit die Dreifaltigkeit und zugleich das Himmlische Jerusalem symbolisiert seien, dessen Architektur ebenmäßig sein soll. Und so viel mehr! Jeder Punkt und jede Linie, jede Fläche und jede Farbe ,,nach Maß und Zahl und Gewicht geordnet", wie es das Buch der Weisheit verlangt ( I 1 ,20). Wenn der Größte Meister des Sufismus behauptet, dass die Anschauung Gottes in der Frau die vollkommenste sei, geben ihm die Bilder der Christen recht. Nie ist es gelungen, den Vater auch nur halbwegs glaubhaft zu malen. Bei Stefan Lochner kommt ebenfalls nur ein Märchenonkel heraus, der irgendwie aus dem Fenster hinabschaut. Selbst das Iesuskind ist bestenfalls so putzig wie ein molliger Engel und als Erwachsener auch nur ein Mann, dessen Schönheit allenfalls in der Gestalt des jungen Hirten theoIogisch interessiert. Die Mutter hingegen, obwohl sie eine Mutter ist, Behüterin, Ernährerin, Erzieherin, zieht als das Weibliche noch aufjeder Andachtspostkarte hinan. Auf dem herrlichsten Bild, das je in Köln gemalt worden ist, greift sie mit der rechten Hand nach dem Handgelenk des Sohns. Unter dem Vergrößerungsglas findet man die Geste auf der Brosche Mariens wiederholt: Ihre rechte Hand liegt aufdem rechten, erhobenen Vorderlauf des Einhorns, das mit Christus gleichgesetzt wird. Das lvar, so las ich, die offizielle Geste der Vermählung und stellte Sohn und Mutter zugleich als Braut und Bräutigam des Hohenliedes dar. Auch uns soll sie Schwester und Freundin und ein rvenig sogar Geliebte sein. Erst später trat der Vater an mich heran und sprach beruhigend auf mich ein.
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IÜNCSTEN BUCH: NAVIt) Kt llMANt. U..lt,t \ri. L]ICES STAUNEN. Üt]ER DAS CHRISIENTUM. VERTAC C. t] I]ECK 20I5. GEBUNDENE AL]S.
cABF 24.9.5 EURO.
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VAT](AN ]'
2O11
HAUT
UNTER
Ieder, der sich mit dem Wort Gottes beschäftigt; jeder, der das
Alte und Neue Testq-
ment studiert; jeder, der die H eili ge S chnft
b
etr a chtet,
macht dieselbe Erfahrung
Man kann noch so vertraut sein mit der Bibel - man ist mit dem lebendigen Wort Gottes niemals fertig, man kann nie sagen: letzt weil3
ich alles, jetzt kenne ich alles, jetzt ist mir nichts mehr neu.
lmmer wieder kommt
es vor,
FI,ORIAN KoLFHAUS. MITARBEITER IN DER ZWEITEN SEKTION DES VATIKAEN STAATSEKRI-TARIATS, LASST FOLCENDE STELLE NICHT LOS: N ISCH
dass ein einzelner Vers, ein
kurzer Abschnitt
- jahrelang
bekannt und immer wieder
,,WIR HABEN DER LIEBE GEGLAUBT..
über- oder mitgelesen plotzlich eine ganz neue Bedeutungbekommt. Er springt dich an, geht dir unter die Haut, bringt eine Saite in dir zum Klingen, macht dich traurig oder wütend oder froh. Das Wort Gottes lösst dich nicht kalt und es lässt dich nicht los.
(1 Ioh la,16)
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VATICAN 1Or2O1q
KETNE MORAI, KETNE IDEE, SONDERN ETNE PTRSON Was es bedeutet, dass Cott die Liebe ist
Beispiel: ,,Am Anfang schuf die Liebe Himmel und Erde" (vgl. Gen 1,1). ,,Dann sprach die Liebe, lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich." (vgl. Gen 1,26). Liest man so die Heilige Schrift, bekommt sie einen neuen Klang, der ,,unter die Haut geht". Immer, wenn von Gott die Rede ist, handelt es sich um die Liebe. Gerade wir Theologen können Gefahr laufen, diese tiefste und innerste Wahrheit unseres Glaubens zu vergessen und mit
ie überrascht rvar die Welt, als Papst Benedikt XVI. seine erste Enzyklika ,,Deus caritas est" der Liebe gewidmet und damit schon im Titel die Grundbotschaft des Christentums in die Welt hinausposaunt hat: ,,Gott ist die Liebe" (l Ioh 14, 16). Nehmen rvir dieses Wort des heiligen |ohannes mit gleichsam mathematischer Genauigkeit ernst, so dürfte man immer dann, wenn in der Bibel das Wort ,,Gott" auftaucht, an seiner Stelle ,,Liebe" einsetzen. Dann hieße es zum
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UNTER DIE HAUT
,,historisch-kritischen" Operationen Bibeltexte zu zerlegen, bis nur noch der tote Buchstabe übrigbleibt. Hatte man nicht auch von fosef Ratzitger, für manche der berühmte, für nicht wenige der gefürchtete und darum so oft geschmähte Präfekt der Glaubenskongregation, anderes erwartet als ein Lehrschreiben über die Liebe? Mit seiner ersten Enzyklika aber hat er sich als wirklicher Theolo ge gezeigt, der allein von Gott spricht. Und dieser ,,Gott ist die Liebe". Die Kirchen des Ostens nennen den Apostel |ohannes den ,,Theologen", weil er beim Abendmahl sein Haupt an die Brust fesu gelegt hat, um auf sein Herz zu hören. Sicherlich ist sein Evangelium, das mit dem berühmten Prolog über den Logos, das Ewige Wort, das Fleisch wird, anhebt, das theologisch dichteste von allen, aber doch nur deshalb, weil der Verfasser auf die Liebe schaut und hört. Schon in 1 Ioh 14, 16, aus dem der Titel von Papst Benedikts erster Enzyklika stammt, macht der Apostel mit der Gleichung
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,,Gott-Liebe" ernst. ,,Wir haben der Liebe geglaubt", schreibt er. Er spricht hier nicht von Gott und auch nicht von Jesus, sondern von der Liebe, als ob sie tatsächlich eine Person wäre, der man Glauben schenken könnte. Er sagt nicht ,,Wir haben an die Liebe geglaubt", wie es vielleicht Eheleute tun mögen, wenn sie erklären wollen, warum sie trotz so vieler Schwierigkeiten einander treu geblieben sind. Iohannes glaubt nicht einfach nur ,,an die Liebe", sondern er glaubt ,,derLiebe", das heißt, er hört auf sie, vertraut ihr, folgt ihr - liebt sie. ,,1a, wir haben der Liebe geglaubt", schreibt der Apostel, um gleichsam auf den Auftrag des Herrn in seiner Abschiedsrede zu antworten: ,,Glaubt an Gott, glaubt an die Liebe und glaubt an mich" (loh 14, 1). Das Christentum ist keine Morallehre, und Liebe nicht eine Tugend unter vielen. Die Liebe ist auch keine platonische Idee, an der man als Ideal festhalten kann, sondern eine Person, mehr noch, drei Personen in einem göttlichen Wesen. Als Christen glauben wir, trauen wir dieser Liebe - lieben wir die Liebe. Wie anders klänge es, wenn wir auf die Fragen kritischer Mitmenschen, warum wir beten oder in die Kirche gehen, warum wir Ehe und Familie verteidigen und das Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod beschützen wollen, nicht sagen würden: ,,Weil wir an Gott glauben!", sondern ,,Weil wir der Liebe glauben"? Viele von uns, und ich spreche hier zuerst auch von mir, wollen in Gesprächen mit Nichtglaubenden sehr oft vor allen Dingen Recht haben, und dabei ginge es doch darum, ,,die Liebe zu haben". |ohannes sagt nicht, obwohl das vollkommen zutreffend wäre, ,,Wir haben der Wahrheit geglaubt", sondern ,,wir haben der Liebe geglaubt" und ,,wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott", um deutlich zu machen, dass wir die Wahrheit nicht deshalb glauben, weil ein schlauer Professor oder ein netter Pfarrer sie uns erklärt, sondern weil Gott sie offenbart, weil ,,die Liebe" sie uns sagt. Wir halten für wahr, was )esus sagt und was die Kirche lehrt, weil wir der Liebe glauben und weil wir in dieser Liebe, in Gott, sein und bleiben wollen.
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§
DER AUSSCHNITT DES FRESKOS AUS DEM RUMANISCHEN KLOSTER PROBOTA ZEICT JESUS CHRISTUS VOR PONTTUS PILATUS.
f'DAS
FRESKO ENTSTAND
IM JAHR
1532.
Pontius Pilatus, der Schutzpatron all derer, die Feigheit Kompromissbereitschaft und ethischen Relativismus vorausschauende Realpolitik oder pastorale Klugheit nennen, stellt achselzuckend die Frage: ,,Was ist Wahrheit?" Im Lateinischen lässt sich aus eben diesem Wort ,,Quid est veritasl'ein schönes Anagramm bilden, das die Antwort grbr: ,,Est vir qui adest" - Es ist der Mann, der da (vor Dir) steht. )esus ist die Wahrheit und die Liebe in Person. Verspottet, bespuckt, geschlagen und mit Dornen gekrönt: Das ist die Wahrheit, das ist die Liebe in der Welt, aber gerade hier liegt das Geheimnis des Christentums. Dieser geschundevarrcAN rolzot5
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Mensch vor dem römischer.r Richter ist die Wahrheit, ist die Liebe, der wir glauben. ,,Ecce honto" heil3t dann nichts anderes iils: Schaut her, das ist die Liebe. Wir beker.rr.ren die Dogr.r.ren cler Kirche als wahr, obwohl sie vor den Richterstühleu der säkularen Medien verurteilt werden, weil wir der Liebe glar.rben. Wir lebert nach den Prinzipien christlicher Moral, nicl.rt weil wir gesellschaftlichen Anstandsregeh.r folgen - das ist ohnehin längst vorbei -, sondern weil wir der Liebe glauber.r. Der Liebe die Wahrheit giauben und deshalb die Liebe in der Wahrheit leben, auch unter dern Gespött der Masse, - das ist truthentisches Christetrtunr. r.re
_t.-31'*a.' .- +: r
Noch tiefer trifft mich das Wort des heiligen Johannes, noch rnehr geht es mir unter die Haut, wenn ich mich frage, warum ich Katholik und Priester bin, warum ich den Zölibat gewiihlt habe ur.rd warum ich so manche Schwierigkeiten meines Berut'es ertrage. Ja, warum eigentlich? Nicht weil ich hoffnungslos rornantisch bin und nirch vielen Enttäuschur-rgen imurer noch ,,an die Liebe glaube", sondern weil ich immer noch und trotz allen-r der Liebe glauben will, die die Wahrheit ist und Leben irr Fülle scher-rkt (loh 10, l0) wie nicl.rts r-rnd niernand anderes in dieser Welt. 67
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ALEXANDRA MARIA LINDERS FAMILI ENKOLUMNE
Das
Cutfffeisch
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ama, was heißt Chrismon?" Wie kommt das Kind jetzt daraufr Ach, diese Zeitschrift, das evangelische
ich fast so weit, dass C-Kind den mühsam aufgetanen christlichen Schlussakkord einfach hinnimmt und das Interesse verla-
Magazin, kam als Zeitungsbeilage und wirbt mit der Schlagzeile: Urwald im Kopf. Pubertät, ein spannendes Thema für C-Kind, sie ist ja auch schon elf. Man erkennt das zum Beispiel an Telefonaten: ,,Ja, das finde ich nett. Also eigentlich wollte ich ja was anderes sagen, aber meine Mutter ist grad hier." Nein, habe ich gar nicht gehört. Zurück zu Chrisn-ron. Erklärung, Zeit-
gert. Aber der große Bruder hat denselben gottähniichen Status wie die große Schwester. Regelmäßig bekommt Mama Linder, die eine unmögliche Farbkombination moniert, Klamotten, Musik oder Filme aus verschiedensten Kinderschutz- oder ästhetischen Gründen nicht zulassen will, zur Antwort: ,,Aber Anti hat gesagt....l" Damit sind sämtliche Gegenargumente ad acta gelegt und es hilft nur noch bedingungslose Kapitulation. Ach ja, die Zeitschrift. C-Kind greift den Kommentar des Bruders, der natürlich längst wieder, mit etwas Essbarem beladen, hinausgestromert ist, dankbar aui um die Diskussion zu verlängern. Sie will wissen, was ein Gutmensch ist. Na toll. Jen-rand, der relativ tiefgedankenlos einen auf sozial macht? Kapiert sie nicht. Mhm. Wir spenden ftir die Suppenküche und fahren n.rit dem Bus statt mit dem Auto, essen ehrliches Essen, trennen brav unseren Müll, freuen uns über die Crystal Meth-Selbsthilfegruppe. Dann legen wir das hinten angebotene Legespiel mit der Farbspirale, benutzen den Zauberstempel und den Scheibenturm. Beim Abendessen verwenden wir das Servierbrett Dackel aus Nussbaumholz, nachdem wir Salz und Pfeffer aus dem Eiche-Gervürzregal geholt und die Suppe mit dem Kipp-Kochlöffel aus geöltem Kirschbaumholz gerührt haben - alles ökologisch wertvoll. Und zur guten Nacht hören wir noch ,,Der Mond ist aufgegangen", setzen uns rnit einem Gias Wein auf die Terrasse und fühlen uns gut. Und weil wir so gut sind, kommen wir alle in den Hinlmel. C-Kind findet das gar nicht schlecht. Sie möchte unbedir.rgt den
schrift, christlich, fertig. Nein, nicht fertig, C-Kind beginnt interessiert zu blättern, nachdem sie den Pubertätsartikel überflogen hat. Mama, was ist Porno? Ach blätter einfach mal weiter. Den Artikel über die Sexologin und den Theologen im Gespräch müssen wir ja nicht durcharbeiten. Es folgen ein Bericht über eine Kriegsreporterin, ein längerer Text über ehrlich essen. Dann fragt
ein Reporter Leute in der Bahn, wohin sie denn so fahren. Ein Artikel behandelt Wildpflanzen, ein weiterer Menschen, um die sich alles dreht, es geht um Deckenfresken, Sudoku, Flüchtlinge, Traumata aus der Kindheit. C-Kind findet das alies schon recht spannend: ,,Aber woran merkt man denn, dass das eine christliche Zeitung ist?" Ah, mal sehen. Also erstmal steht es auf dem Deckblatt. Mhm, ein Interview über Banker, Filme, die Lust auf Schule machen... ach hier: Das Quiz, da geht es um Bibelfragen, und hier, sieh mal, da ist ein Spruch Salomons. Und hier, die Schriftstellerin, die wird nach ihrem Glauben gefragt. Und da ist ein ganzer Artikel, der sich mit der Frage beschäftigt, ob die Kirchen mehr wissen als anderel Die Bücher, die beworben werden, sind auch alles christliche Bücher. B-Kind stromert vorbei und wirft einen kritischen Blick des fachmännischen und weltgewandten Siebzehnjährigen hinein: ,,Was für Gutmenschen", lautet sein lakonischer Kommentar. ,,Würde mich nicht überzeuger.r." Danke, Sohn. Gerade war
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Dackel haben. Das war so grob das Fazit aus dem Durchforsten dieser Zeitung. Kuschelreligion, gespickt mit einigen sozialen Hammerschlii-
fild
DIE AUTORIN IST MUTTER V()N t)REI KINDERN UNt) C;ENIESS'I DII: FR[L]t)EN DES ET.TERLICHEN DASEINS IM SCH()NEN SAUERLANT.)
gen, damit
sich engagiert, gelegentlich spendet, bestit.ttnrte Dinge liest und tut oder eben auf keinen Fall liest r-rnd tut. Miinner komr.nen im Blatt übrigens eher sporirdiscl.r vor, klar, die sind ja meistens auch nicht so kuschelig. Was in dieser Zeitschrift rvohl generell auch nicht so ther.r.ratisiert wird, sind Begriffe rvie Glaubenskampl Hrirte, Stärke, Holle, Teufel, mögliche Gefäl.rren des Islar.r.rs, mögliche Probleme n-rit zu vielen Asylbewerbern ur.rd mit abgelehnten Asylbewerbern, Artikel darüber, was der christliche Glaube bedeutet und uns abverlangt, die Möglichkeit, dass andere vielleicht gar nicht mitkuscheln wollen, sondern die Waffen auspacken, die wir gerade so schön mental eingepackt haben. r.r.rarn
Dass denen Kochlöffel aus Kirschbaur.nholz ebenso schnuppe sind wie das r.rächstenliebende Händchenhalten beir.r.r Vater unser, ohne dessen Ir.rhalt zu registrieren. Wir haben ur.rs einfach alle lieb. Der Rest wird sich schon finder.r. Irgendwie bin ich froh, dass unsere Fraktion all diese rnerkrvürdiger.r Heiligen urrd sonstigen Vorbilder hat. Leute, die heidnische Bäume fällen, mitten in den Winen bei ihren-r Christenvolk bleiben und notfalls damit untergehen, die eindeutig formulieren, was eine Ehe, was Lebensrecht und was Christentum ist, die Klartext reden, Härten, Ecken und Kanten haben - die überzeugen auch den Siebzehnjährigen.
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GETSTLICHE PAARE
DAS
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UND FRAU,
DIE ETNAI{DER LIEBEN
DIE COTISCHE KATHEDRALE NOTREDAME D,ALENqON IN DER NoRMANDIE, IN DER ZELTE UND LOUIS IM JULI 1858 HEIRATETEN.
Wie ihreTochter,die kleine Theröse von Lisieux, gela ngen auch sie zur Ehre der Altäre:Zum Abschluss der Bischofssynode wird Papst Franziskus das Ehepa arZelie und Louis Martin heiligsprechen
VON BARBARAWENZ ie mächtige, turmlose Kathedrale Notre Dame d'Alengon
in der Normandie war in jener Nacht vom 12. auf den 13. Iuli 1858 nur von den großen Kerzen aufdem Altar, den kleineren in den Händen der Hochzeitsgäste und des Ehepaares sowie vom unsichtbaren Glanz des ausgesetzten Allerheiligen auf dem Altar erhellt. Kein Lichtschimmer drang durch die uralten Buntglasfenster, erst zwanzig fahre später würde anlässlich der Weltausstellung in Paris das elektrische Licht, die elektrische Beleuchtung einer staunenden Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die Anwesenden hatten sich zusammengefunden, weil die 26 lahre alte Spitzenklöpplerin Marie-Az61ie Gudrin und der 34-jährige Uhrmacher Louis Martin einander das Sakrament der Ehe spenden wollten - zu einer heute unüblichen, damals aber in
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DI E I'OIII }1AI-S ZEICEN.MARIE ZELI E CUETIIN UND LoUIS MARTIN. t]EIDE GEMALDE SIND SEIT 2012 IN DER BASILIKA N()TRE-DAME DES VICTOIRES IN PARIS ZU SEHEN.
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frommen Kreisen beliebten Uhrzeit -, nämlich im Rahmen einer
Als Hochzeitsgabe überreicht der Bräutigam seiner Braut eine
Mitternachtsmesse. Das schon nicht mehr ganz jrnge Paar heiratete nach einer relativ kurzen Verlobungszeit von drei Monaten, nachdem ihre Bekanntschaft von der Gottesmutter höchstselbst vorhergesagt worden war: Marie-Az€lie,kurz Zdlie genannt, vernahm, als sich die beiden aufder St. Leonardsbrücke in Alengon begegnet waren, in ihrem Inneren eine Stimme, die sie bereits kannte: Vor einigen Jahren hatte die lungfrau Maria ihr geraten, in das Geschäft mit einer besonders feinen und begehrten Spitze einzusteigen, eben jener Alenqon-Spitze. Diesmal bestätigte die Gottesmutter ihr beim Anblick des würdevollen, Stärke und Ruhe ausstrahlenden Uhrmachers Louis: ,,Diesen hier habe ich für dich bereitetl"
silberne Medaille mit einer Gravur, die Sarah und Tobias aus dem Buch Tobit darstellt. Mit der Hilfe des Erzengels Raphael konnte Tobias den Dämon überwinden, der Sarahs sieben Männer jeweils in der Hochzeitsnacht getötet hatte. Doch um diesen Aspekt wird es Louis wohl nicht gegangen sein; vielmehr betrachtete er diese Eheschließung als vom Himmel gestiftet. Die meisten Darstellungen von Sarah und Tobias zeigen sie kniend vor dem Erzengel, der ein Band um sie legt. Beide Eheleute sind fromm und tiefgläubig, beide wollten vor ihrer Ehe einer Ordensgemeinschaft beitreten und scheiterten: Louis, der sich bei den Augustiner-Chorherren am Großen Bernhardpass beworben hatte, wurde die Aufnahme verwehrt, weil
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GEISTLICHE PAARE
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-\ er kein Latein konnte, Z(lie war zuvor bei den Vinzentinerinnen aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt worden. Ganz selbstverständlich betrachten sie also ihren neuen Stand, ihre Ehe, als einen Ruf zur Heiligkeit. Zunächst hatten sie beschlossen, keusch Ieben, eine so genannte ]osefsehe führen zu wollen. Doch nach
einiger Zeit erwachte in Zölie der Wunsch, dem Himmel Seelen zu schenken und Kinder zu bekommen. Auch ihr Beichtvater bestärkt das junge Paar darin; Louis und Z6lie werden alle ihre Kinder Gott und der Jungfrau Maria weihen. Die Familie Martin lebte in einem ausgesprochen marianisch geprägten fahrhundert: 1830 erscheint der Vinzentinerin Cathe-
rine Labour6 in Paris die Gottesmutter und erteilt ihr den Auf72
trag, die so genannte Wundertätige Medaille anfertigen zu lassen. 1846 erblicken zwei Hirtenkinder die weinende Gottesmutter in dem Dörfchen La Salette. 1854 verkündet Papst Pius IX. das Dogma von der unbefleckten Empfängnis. Im Iahr der Eheschließung von Louis wd Z€lie zeigt sich Maria in Lourdes der vierzehnjährigen Bernadette Soubirous und 1871 schließlich erscheint Maria als Mutter der Hoffnung im bretonischen Pontmain.
Alle neun Kinder, die in dieser Ehe zur Welt kommen der werden nur fünf überleben
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tragen als ersten Vornamen den
Namen der heiligen Gottesmutter. Die Familie besucht jeden Morgen die heilige Messe und pflegt das hausliche Gebet vor vATlcaN 1o 2o15
einer Statue der Madonna, die im Mai besonders üppig und liebevoll von den Kindern geschmückt wird. In einem Brief an ihre Tochter Pauline schreibt Zdlie über ihren Ehemann: ,,Unsere Gefühle waren immer im Einklang, und er war mir immer ein Trost und eine Stütze." Es scheint, als hätte das Ehepaar Martin ein großes Stück der ,,Zivilisation der Liebe" verwirklicht und gelebt, wie fohannes Paul IL in seinem ,,Brief an die Familien" schreibt: ,,Für die ,Zivilisation der Liebe' kommt es wesentlich darauf an, dass der Mann die Mutterschaft der Frau, seiner Ehefrau, als Geschenk empfindet: Denn dies wirkt sich außerordentlich auf den gesamten Erziehungsprozess aus. Es hängt viel von der Bereitschaft ab, in richtiger Weise an dieser ersten Phase des Geschenks des Menschseins teilzunehmen und sich als Ehemann und Vater in die Mutterschaft der Frau hineinversetzen zu lassen."
lJmZölie bei der Herstellung von Spitzen und dem Verkauf ihrer Produkte besser unterstützen zu können, verkauft Louis 1871 sein Uhrmachergeschäft. Trotz der geschäftlichen Verpflichtungen, die Zölie oft auch psychisch belasten, sind sie im Katholischen Zirkel und in der Vinzenz-von-Paul-Gesellschaft
weiter, sie waren in den alltaglichen Mühen und Nöten, Freuden und Argernissen auf ihre Weise missionarisch tätig: Nicht nur in ihrer kleinen Hauskirche und durch tätige Hilfe für den Nächsten in Not, sondern auch in ihrer Ergebenheit in Gottes Wille: Von den neun Kindern starben vier sehr jung, von den überlebenden fünf Mädchen geriet jede ebenfalls noch in ihrer Kindheit an den Rand des Todes. Als Z€lie an Brustkrebs erkrankt, nimmt sie auch dieses Kreuz mutig an: ,,Gott gab mir die Gnade, keine Angst vor dem Tod zu verspüren. Ich bin erfüllt von seinem Frieden, fast glücklich. Ich würde mit niemandem tauschen wollen." Zdlie stirbt am 28. August 1877; zr diesem Zeitpunkt ist ihre älteste Tochter siebzehn Jahre, die jüngste gerade vier Jahre alt: Es ist die spätere heilige Thdröse von Lisieux. Louis, der seine geliebte Ehefrau am Ende wie ein Kind in seinen Armen gehalten hatte, nimmt danach ergeben seinen Witwenstand an und zieht mit seinen Töchtern nach Lisieux, zu seinem Schwager. Auf allen Kindern liegt die Hand Gottes: Vier treten in den dortigen Karmel ein, eine wird Salesianerin: AIs die letzte ihm verbliebene Tochter ihm 1888 eröffnet, dass auch sie
engagiert, pflegen sie weiterhin regelmäßig die mitternächtliche Stille Anbetung. Er nimmt die Kinder zum Angein mit, auf ihren Spaziergängen lernen die Mädchen auch, lvlünzgeld bei sich zu führen und Almosen zu geben. Alljährlich nimmt die Familie an der Prozession zu Fronleichnam und an Prozessionen für die heilige Johanna von Orldans und die heilige Katharina von Alexandrien teil, letztere ist auch die Patronin der Spitzenmacherinnen. ,,Der liebe Gott hat mir einen Vater und eine Mutter gegeben, die mehr des Himmels a1s der Erde würdig waren", schreibt die jüngste Tochter Marie-Frangoise-Th6röse in ihren Erinnerungen; aus ihr wird einmal die berühmteste Heilige der Neuzeit werden: die Karmelitin Thdröse von Lisieux. Und an ihren Vater erinnert sie sich als einen von Frömrnigkeit zutiefst erfassten Mann: ,,Manchmal füllte sein Antlitz sich mit Tränen, die er vergeblich zurückzuhalten suchte, er schien bereits nicht mehr der Erde anzugehören, so sehr liebte es seine Seele, sich in die ewigen Wahrheiten zu versenken." Doch Louis liebte nicht nur Gott, wenn auch vor allem anderen aufdieser Erde, sondern auch seine Frau, die er in allem, was sie tat, zu unterstützen und zu ermutigen verstand. Nicht nur in geschäftlichen Dingen, die so häufig seelisch sehr belasteten, auch mit der Kindererziehung stand er ihr zur Seite. In einem seiner Briefe an Z€lie,die sich erhalten haben, unterzeichnet er als ,,Dein Ehemann und treuer Freund, der dich für das ganze Leben liebt". Fnr Z€lie war diese Liebe und treue Freundschaft ein wahres Geschenk des Himmels, denn in ihrer Kindheit hatte sie unter einer strengen und lieblosen Mutter gelitten. Die zärtliche Hingabe ihres Mannes war ihr ein Beispiel, und die Liebe, die sie von ihm empfing, gab sie an ihre Kir.rder weiter. Ihr Familienleben war überglänzt vom Licht des Glaubens an lesus Christus, in ihrer Liebe zueinander machten Louis und Zölie die Liebe Gottes sichtbar, erfahrbar für andere Menschen. Sie gaben das Evangelium VATICAN 1O rOl5
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LISIEL,IX
ALS IUNCE KARMELITIN
"Ä1weine Berufung zum Ordensleben verspüre, ist in Louis keinerlei Bitterkeit, sondern begeisterter Opferwille und tiefe Dankbarkeit. ,,Komm", sagt er, ,,treten wir zusammen vor das Allerheiligste, um dem Herrn dafür zu danken, dass er mir die Ehre erweist, alle meine Kinder zu nehmen." Louis' Ietzte Jahre sind von schwerer Krankheit geprägt. Zunächst erleidet er mehrere Schlaganfälle, danach siecht er noch fünf )ahre dahin. Als seine Familie eine Novene zum heiligen Iosef um seine Heilung beten möchte, wehrt er das Ansinnen ab: Einzig Gottes Wille soll an ihm geschehen. Immer wieder stößt er in den Momenten, in denen er sprechen kann, hervor: ,,Alles zur größeren Ehre Gottes!" Doch besonders für die spätere Th6röse von Lisieux wird die Krankheit ihres geliebten Vaters zu einem Prüfstein ihres Glaubens werden, eine Prüfung, die sie mit Gottes
Hilfe besteht.
Am 29.luli 1894 beschied ihm der Herr nach einer langen Zeit der Prüfung und des Leids einen sanften Tod nach einem Herzanfall. Das letzte, was seine Töchter von ihm bei einem
im Karmel hörten, waren die Worte ,,Auf Wiedersehen im Himmel!" Etwas mehr als hundert Iahre danach werden am 19. Oktober 2008 Louis und Z6lie Martin, die Eltern der heiligen Th€röse von Lisieux, als zweites Ehepaar in der Kirchengeschichte und als erstes Elternpaar einer Heiligen gemeinsam in Lisieux selig gesprochen. Auf ihre Fürsprache hin, so befand die zuständige Kongregation, ist der italienische Junge Pietro Schiliro, der mit einer schweren Missbildung der Lunge in Monza zur Welt gekommen Besuch
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war, geheilt worden. Die Eltern hatten eine Novene zu Louis und ZölieMartin gebetet. Bei dem für die Heiligsprechung erforderlichen Wunder ging es ebenfalls um die medizinisch nicht erklärbare Heilung eines Kindes.
In der Generalaudienz vom 29. April 2015 erklärte Papst Franziskus in seiner Katechesenreihe zu Ehe und Familie: ,,Jesus beginnt seine Wunder auf einer Hochzeitsfeier. So lehrt uns Iesus, dass das Meisterwerk der Gesellschaft die Familie ist: Der Mann und die Frau, die einander lieben! Das ist das Meisterwerk!" Die Eheleute Martin, die Familie der Martins, sind ein solches Meisterwerk für Kirche und Gesellschaft gewesen. Ihre Heiligsprechung am 25. Oktober zum Abschluss der Synode über die ,,Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt" setzt ein glühendes Ausrufezeichen der Kirche zu einem Anliegen, dass der Papst in seiner Generalaudienz vom 16. September 2015 so formulierte: Dass Familien wahre Leuchttürme der Gemeinschaft und der Solidaritat in der Gesellschaft sein können. Louis und Zdlie werden nicht zur Ehre der Altäre erhoben, weil sie Eltern einer Heiligen waren, sondern weil sie heiligmäßig ihre Berufung zum Ehestand gelebt und die Liebe Gottes vom Himmel auf die Erde geholt haben. Sie haben anderen Menschen das Lächeln ]esu und seiner barmherzigen Mutter gezeigt, selbst unter großen Schicksalsschlägen, und sie können das immer noch tun. Heiliger Louis und heilige Z€lie, bittet für unsere Familien, unsere kranken und sterbenden Kinder, unsere Witwen, unsere Waisen! v,ATrcAN
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Bei nahezu
allen wichtigen Ereignissen in der Bibelsind Engel zugegen und spielen von Anbeginn eine tragende Rolle im Christentum. Neben ihrer Aufgabe als Boten Cottes sind sie daf 端r da, die Menschen zu sch 端tzen. U nd a n
jedem z.Oktober feiert die Kirche seit t67o diesen Tag a ls Fest der Sch utzengel
DAS N,,[OSAIK 1N DEIT APSIS DER KIiI.CHE SANTA PUDENZIANA IN ROM AL]S I)E,\1 SPATEN VIERTEN IAHRHUNDERT ZEICT CHRISTUS IM KREIS DER APOSTEL. DAS KREL]Z L]ND IN DERÄPOKAL\PSE
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VON NATALIE NORDIO icht nur das Christentum, sondern auch der Islam und das Iudentum kennen Engel. Und auch den SumereLn, den Babyloniern und Agyptern waren die himmlischen Boten nicht unbekannt. Beschreibungen geflügelter, göttlicher oder gottgleicher Wesen finden sich bei den Agyptern beispielsweise im Zusammenhang mit den Mythen um die Gottheiten Isis und Osiris, ebenso auch bei den Babyloniern und den Assyrern, bei denen Darstellungen engelsgleicher Figuren ganze Paläste zierten. Die Griechen und Römer der Antike kannten zwar gefTigelte Gestalten wie die Siegesgöttin Nike mit ihren Vogelschwingen, doch war ihnen die Aufgabe der Engel als Überbringer göttlicher Botschaften unbekannt. Die Götter der Antike griffen meist lieber selbst in das Schicksal der Menschen ein oder betrauten den dafür zuständigen Gott, den Götterboten Hermes, mit der Überbringung einer Nachricht. Abgesehen von Hermes gab es keine weiteren direkten Mittler zwischen den antiken Göttern und den Menschen. Die Wurzeln der christlichen Engelvorstellung sind daher eher im Orient als in der römisch-griechischen Antike zu suchen. Im Christentum hatten Engel von Anbeginn an große Bedeutung. In der Bibel sind sie bei nahezu allen wichtigen Ereignissen direkt beteiligt oder aber zumindest anwesend. Es ist ein Engel des Herrn, der im ersten Buch Mose zu Abraham spricht, worauf v/\ftcAN rcl:or5'
dieser ihm ant\,vortet: ,,Hier bin ich" (1 Mose 22,11). Im Neuen Testament ist es natürlich ein Engel - in diesem Fall der Erzen-
Gabriel -, der Maria die Geburt Jesus verkündet. Wiederum sind es Engel, die die Hirten in den Stall von Bethlehem geleiten, in dem soeben der Messias geboren wurde. Und schließlich ge1
deuten Engel den Frauen am leeren Grab das soeben Geschehene, die Auferstehung des Herrn, und beauftragen sie, das Erlebte weiterzusagen.
Als erste christliche Engelsdarstellung gilt heute eine in ihrer Deutung allerdings recht umstrittene Szene in der Priscillakatakombe in Rom aus dem dritten Iahrhundert. Der Engel erscheint hier als junger Mann in bodenlanger Tunika, Flügel besitzt er jedoch keine. Sowohl das AIte wie auch das Neue Testament berichten immer wieder von Engeln als geflügelten Boten Gottes. Doch in der darstellenden Kunst sollte einige Zeit vergehen, bis die Engel zu ihren Flügeln kamen. In der westlichen Kunst erscheint zum ersten Mal ein geflügelter Engel auf dem Apsismosaik der römischen Kirche Santa Pudenziana. Das Mosaik aus dem späten vierten Jahrhundert zeigt in der Mitte, unterhalb eines mit Edelsteinen verzierten Gemmenkreuzes, Jesus auf einem nicht minder kostbaren Thron. Zu seiner Linken und Rechten reihen sich die Apostel und weitere Figuren. In der himmlischen Sphäre flankieren vier geflü-
,,DIE BEFREIL]NG DES PETRUS AUS DEM KERKER.VON PIETRO NOVELLI, UM 1634. CAL,LERIA RECIONALE DELLA SICILIA, I'ALERMO.
gelte Wesen das Kreuz. Ganz links ist die Gestalt eines Engels zu
erkennen. Bei den vier Figuren handelt es sich um die Symbole der Evangelisten nach einer Vision aus dem Buch des Propheten Ezechiel. So steht der geflügelte Engel demnach ftir Matthaus. Doch die Darstellung in der Apsis von Santa Pudenziana zeigt nicht nur den ersten geflügelten Gottesboten in der westlichen Kunst, sondern zudem den ersten nackten Engel. Die bis dahin übliche lange Tunika ist verschwunden und der Engel zeigt sich mit freiem Oberkörper. Sein Blick und seine Arme sind der Figur Jesus zugewandt.
Die Bibel kennt verschiedene Arten von Engeln, die meist ohne eine feste Ordnung genannt werden. Sowohl im Christentum als auch im Judentum und dem Islam entwickelten sich jedoch im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Varianten von Engelshierarchien. Im Christentum hat sich vor allem in der westlichen Welt die Engelslehre des Pseudo-Dionysius durchgesetzt - eines unbekannten christlichen Autors aus dem sechsten ]ahrhundert. Seine Schriften erlangten später durch die ErwähvATicAN tol,zot5
nung unter anderem bei Thomas von Aquin große Berühmtheit. Dieser Lehre zufolge lassen sich die Engel in neun Chöre unterteilen, die wiederum zu Dreiergruppen, den Triaden, zusammengefasst werden und je eine von drei Hierarchien bilden. Seraphim, Cherubim und Thronoi bilden die erste Hierarchie. Ihnen folgen Kyriotetes, Dynameis und Exusiai. Archai, Archangeloi, die Erzengel und zu guter Letzt die Angeloi, die Engel, bilden die dritte und letzte Hierarchie. Die Engel der ersten Gruppe sind die ranghöchsten und existieren allein in der göttlichen Sphäre. Nur die Engel der dritten und letzten Hierarchie treten unmittelbar mit dem Irdischen in Kontakt, indem sie von Gott gesandt seine Botschaft zu den Menschen bringen. Von ihrer Aufgabe als Mittler zwischen Gott und den Menschen abgesehen kommt den Engeln aber noch eine weitere nicht minder wichtige Aufgabe zu, die des Beschützers. Und wieder ist die Grundlage dieser Schutz-Funktion der Engel in der Bibel zu suchen. So heißt es im Buch Exodus: ,,Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg schützen 79
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clich irn clen ort bringen, den ich bestir.nntt habe." (Exodus 23,20) Larut Jesus l.rat jedes Kincl einen Schr'rtz-engel, der.rn ,,htitet euch darvctr, einen vor-t cliesert Kleillell ztl verirchten! l)erln icl-l n.reisaqe euch: Il.rre Engel ir.n Hir.nr.nel sehen stets das Ar.rgesicht (N'It I4'I0) Vrrters." ncs hir.r*lischett In cler Ktrnst ist clas nlit Abstand am l.raiufigsten dargcstellte schLrtzcr.rqclnrotiv clie Geschichte von Tobias und clenr Engel. Das Alte J'estatlletlt crzrihlt inl lluch'fobit vot.r cler Reise, auf die sich Tobias in tlegleitung eines jttt.rgctr Nlannes begibt, der sicll ur.rc.l
[,ar.rlt dcr C]eschichtc als ciet' Erzcnsel ll.aphael elltpttPPt Llnd l'obias hilfl.cich uncl beschützend zur Seite steltt. Übergroli unci
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n,eit irusqcbrcitetcn Schrvirtgerl hrilt Ilaphacl licbcvoll clie Hand cles klcincn Tobias auf clcr.r.t Gcrliilcle votr Tiziarl, unl ihrl so vor jeclrveclcr Gcfarhr zu schtitzcn. Aber auch die Darstclltr[rg clcs inr Kerkcr.gefirngcncr-r l)etrus, clen'r clurch dic Hilf'e clcs Erlgels clie Flucl-rt gelingt, otler dic heilige Fanrilic irttf illrcrll Weg nach Agypten, clie Dank der sie beglcitenclen Errsehr wie attf Giottos Frlesko rvol-rlbel.ralten ihr- Ziel erreicht, erfre'ten sich i. cler Darr.r.rit
grolier Bcliebtheit. Ab den.r spiiten fünfzehrlten )ahrhunclert setzte eine nicht abreiljencle welle cler llegeisteruns in der verehrr.rng der Schtrtz-
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engel ein. Ausgeher.rd vou spanien und l-rier zunächst eng verbunder.r mit c'ler Verehrut.tg des Erzengels Michaels, den die Kirche am 29. Septenlber feiert' schwirPPtc die Wclle ar'rf Italien uncl Frankreich über r.rnd schorr bald rvirr clas gesar]lte Eurtlpa ir.n Schtrtzengel-Fiebcr' Viele Maler setT'terl n'ie Tizian ttnd seine Schule clirs Theurtr r-nalerisch in szene. Ilrurlerschafien clcr Schutzer-rgel rvurclen gegrtindct urlcl Kircl-ren sowie gat-rzetl Ptirrrciell unter cliesel galz besttttdcretl Scl-rutz gcstellt. Irl llorll lyeihte papst Urban vlll. l(r24 die von Fclice clella Grcca und Nlattia cle l{ossi et.rtworf-ene ,,Cl.riesa clei Santi Ar.rgeli
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Von tler einstigcn Schutzengcleupl.rorie ist bis ar'rf derl Festtag in.r litr-rrgiscl.ren Kalender hcutc t.tur weniq gcblieberl' Die Kirche der ,,Santi Angeli Ctrstodi" wr'rrde zwiscl.ren 1928 uncl 1919 bei U rbar.risierur.r gstrrbeiten ei ner nal.regelegenen stralie konl plett abgcrissen. Heute traigt lediglich t.roch eine kleine Pfiirr"ei
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ZWISCHEN EUPHRAT UND NTL
SKIZZEN EI NES ORIENT_REISENDEN DAS TACEI]UCH VoN OLIVER MAKSAN
Von Ferne lockt Frau Merkel Christen in Syrien, die nach Europa und Deutschland flüchten: Für die Bischöfe des Landes ein Horrorszenario. Ihr Appell lautet: ,,Bleibt hier um der Kirche und um eurer Heimat willen!"
ie Bilder aus Europa, das seine Tore jetzt weit für Flücht-
linge aus Syrien öffnet, haben sich in dem Kriegsland selbst wie ein Lauffeuer verbreitet. Jeder ist dort auf Facebook. Ein Priester von ,,Kirche in Not", del kürzlich S,vrimir,
häufig von Christer.r angesprochen worden sei, ob er ihnen bei der Einreise nach Deutschland helfen könne. Deutschland und Angela Merkel sind die neuen Helden vieler syrischer Christen. en bereist hat, sagt
dass er
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Für die Bischöfe Syriens ist das ein Horrorszenario. Zusammen rnit christlichen Hilfswerken bemühen sie sich seit Jahren, den Menschen im Lar.rd eir-r Leben zu ermöglichen - und sei es nur das eines Flüchtlings. Der melkitische Patriarch Gregorios
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aus
Damaskus hat sich jetzt deshalb an die fugend Syriens gewandt und sie aufgefordert zu bleiben. Auswanderung sei wie ein Tsunami, der die Zukunft der Kirche in Syrien gefährde. ,,Die allgemeine Auswanderungswelle unter )ugendlichen in Syrien verwundet mich tief und versetzt mir einen Todesstoß", so der greise Patriarch. Trotz aller Probleme, die er nicht verschwieg, flehte er: ,,Bleibt! Seid geduldig! Bleibt hier um der Kirche und um eurer Heimat willenl"
Niemand weiß, wie viele Christen genau zu Flüchtlingen geworden sind. Es ist schon strittig, wie viele Christer.r in Syrien vor Beginn des Krieges lebten. Zehn Prozent heißt es stets. Das wären bei eir.rer Gesamtbevölkerung von einst 22 Millionen etwas über zwei Millionen Menschen gewesen. Doch wahrscheinlich war die Zahl niedriger. Manche schätzen, dass es nicht viel mehr als
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1,2 Millionen waren. Etwa ein Drittel, ungefähr 450.000, musste Haus oder gar ganz die Heimat verlassen. Damit nähert sich Svr ien irakischen Verhältnissen. Waren es vor 2003, als die An-rerikaner im Irak einmarschierten, vielleicht eine Million Christer.r, so
sind es heute weit unter 300.000
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Tendenz fallend.
Doch alles gute Zureden d". Sir.höf. und Priester hilft wenig angesichts des Terrors, den Syriens Christen vor Augen l.raben. Die Einnahme des Ortes Karjatain durch die Dschihadisten im Sommer hat sie einmal mehr entsetzt. Über 270 Christen wurden von den Dschihadisten festgesetzt. Einige wurden jetzt gegen eine Geldzahlung freigelasser.r. Pater Jacques Mourad, ein syrisch-katholischer Priester, ist seit Ende Mai noch imr.uer in der Hand der Dschihadisten. Ein ktirzlich aufgetauchtes Video zeigt ihn schmal, aber bei guter Gesundheit. Unklar ist, wann die Bilder aufgenommen wurden. Mag Pater Jacques irger.rdwann einmal freigelassen werden: Das Mar Elia-Kloster, in den-r er lebte - ein Bau, der auf das fünfte lahrhundert zurückgeht - gibt es nicht mehr. Der ,,lslamische Staat" hat es in die Luft
gesprengt.
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Nicht tlberall stößt der Apell des Patriarchen zu bleiben auf taube Ohren. Kürzlich sprach ich per Skype mit einer jungen syrischkatholischen Christin aus Marmarita. Der Ort liegt in-r Tal der Christen nahe der libanesischen Grenze. Explosionen und Bot.t.tben kenne man dort r.richt, sagt sie mir. Der Krieg finde weitet entfernt statt. Doch die Folgen hat sie täglich vor Augen. Hunderte christliche Flüchtlingsfamilier.r aus Aleppo, Damaskus und
anderen Orten haben hier Zuflucht gefur.rden. Der Ort platzt aus allen Nähten. Sie selbst leitet eir.r Team vor.r freitvilligen Helt-ern, die sicl.r un-r die Flüchtlinge kür'nmern. ,,1cl.r kenne Leute, die
gegangen sind. Meir-re Eltern leben ir.r An-rerika. Ich kör.rr.rte jeder-
zeit dort hin. Aber ich rvill nicht. Ich nill hier bei meir.ren Leutet.t bleiben und ihnen helfer.r. \\ras r.r,ürde icl.r für ein Zeichen senden, rvenn auch ich gir-rge?", berichtet die junge Zahnärztin, die selbst aus Homs fliehen rnusste. Syriens Christen schauen r.nit ar.rgehaltenet.n Aten auf die Entrvicklungen in ihrer.r-r Land. Der ,,lslar.r.rische Staat" reicht nahe an
von Dar-naskus heran - und damit auch an die christlichen Vierteh.r jener Stadt, die - ausweislich der Apostelgeschichte - seit dem ersten Iahrhundert eir.re christliche Präsenz ker-rr-rt. Ein anderes von Islamister.r dominiertes Rebellenbündnis ist in-r Norder.r ebenfalls auf dem Vorrnarsch und bedroht Assads alarvitische Kernlande. Der Präsident, dem die meisten Christen die Daumen dr'ücken, ist schwach wie nie. In einer Fernsehansprache hat er ersttnals selbst zugegeben, dass es ihn.r an Soldaten mangelt. Dass die Russen jetzt ihre militärische Präsenz in Syrien erhöhen, trägt der zunehmenden Schwäche ihres Schützlings das Stadtzentrum
Rechnung.
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TABGII{AI\A STLBERSEE Aufruf zuei ner Friedensbewegu ng, die den Namen wie keine andere verdient
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TEXT UND FOTOS: PAUL BADDE ie Morgenröte Europas, ach was, der ganzen Christenheit ist über diesem Hügel zuerst erglüht. Hier hat Jesus das Himmelreich ausgerufen. Hier hat er das erste Vaterunser gesprochen. Hier, hier, hier! Es ist der Berg der Seligpreisungen am Nordufer des Sees Genezareth. Der neue Berg Sinai ist eine Art Felsnase, wo die ,Magna Charta' der Christenheit verkündet wurde, die aller Hinwendung zu den Schwachen, Ausgestoßenen und Verfolgten zugrunde liegt, der die westliche Zivilisation ihre schönsten Zige verdankt. Hier oben wollte Papst |ohannes Paul II. deshalb das Licht dieser Kultur im März 2000 der fugend der Christenheit wie eine Fackel zur Dämmerung des neuen Jahrtausends weitergeben: ,,Selig, die Verfolgung leiden! Gesegnet seid ihr, die ihr wie Verlierer erscheint!"
Weiter unten liegt die Eremos-Höhle, wo die Pilgerin Ege-
ria aus Galicien schon im vierten Iahrhundert die Tradition beschrieb, nach der dies die ,,einsame Stelle" sei, in die sich Jesus immer zum Gebet zurückgezogen habe. Ein paar Kilometer öst-
lich liegen die Ruinen von Kapharnaum. Am Fuß des Hügels aber liegt Tabgha, ein Priorat deutscher Benediktiner über Ruinen einer byzantinischen Basilika, wo zwischen uralten Mosaiken seit der Antike unter dem Altar ein Fels als die Stelle verehrt wird, an der Jesus ein paar Brote und Fische für tausende vermehrt hat. Der biblische Klippdachs auf diesen Mosaiken, von dem es im 104. Psalm heißt, dass ihm ,,die Felsen Zuflucht" bieten, springt hier auch jetzt noch leibhaftig zwischen den Felsen am Ufer umher. Die Vielfalt der Pflanzen, Tiere und Blumen ist atemberaubend. Lapislazuliblaue Eisvögel schwirren durch das Gefieder der Bäume. Bargil Pixner, der legendäre Benediktiner, der nicht weit von hier in einem verlassenen Ruinenfeld Bethsaida entdeckte, den Geburtsort von Petrus und vier anderen Aposteln, hat das Ufer von Tabgha hingegen als jenes mysteri-
,,Dalmanuta" aus dem Markus-Evangelium identifiziert, das er aus dem Aramäischen als den ,,Lieblingsort" des Herrn deutete. Das war archäologisch gewagt und hat dennoch viel für sich. Der Flecken ist ein kleines Stück Paradies, durchformt vom benediktinischen Geist der ordnenden Gottessuche. ,,Als ich am öse
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ersten Morgen in Tabgha erwachte und auf das Galiläische Meer hinaussah," schrieb H. V. Morton, ein britischer StarJournalist, im |ahr 1934, ,,empfand ich ein so unbeschreibliches Gefuhl des Friedens, ein so starkes Losgelöstsein von der Welt, dass ich Adam hätte sein können, wie er staunend den Garten Eden betrachtete. Mein Zimmer war von einem tropischen Dschungel umgeben. Große, wohlriechende Blumen, deren Namen ich nicht kenne, rankten sich an dem kleinen eisernen Balkon empor und umrahmten die Fenster. Obwohl die Sonne eben erst aufgegangen war, erbebten die Blüten unter der Last der Bienen; unter mir lag der blaue See ruhig im ersten Sonnenlicht. Alles war still, ruhig, lieblich." Wen will da wundern, dass sich terroristische jüdische Siedler im letzten funi gerade Tabgha als Ziel eines verheerenden Brandanschlags in ihrem Wüten gegen christliche ,,Götzendiener" ausgesucht haben? Sie haben schon recht erkannt: Tabgha am Silbersee, gerade unter dem Berg der Seligpreisungen, ist ein Herzstück aus der Topografie der Menschwerdung Gottes. Auf diesen Angriff darf es deshalb nur eine Antwort geben. Pilger müssen das Heilige Land so fluten wie Flüchtlinge derzeit gegen die Grenzen Europas drängen. Immer mehr Christen verlassen das Land, deren Vorfahren hier schon seit rund 2000 Jahren gelebt haben. Das Gegenteil müsste stattfinden, um den armen Völkern des Heiligen Landes zu helfen. Kommt also, kommt jetzt und furchtlos und kommt in Scharen! Zt dem Ufer des Sees, in dem sich Gottes Gesicht gespiegelt hat. AIs eine Friedensbewegung, die den Namen wie keine andere verdient. Kommt
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DIE PILGERNDE REDAKTIONSKONFERENZ
Heute: Da Romolo alla Mole Adriana Vicolo del Campanile, 12 00193 Roma
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Tel.: (0039) 06 I 68 61 603 Montags Ruhetag
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.VON Tv4AHL ZU AANHI Das ist mal eine Reform, wie wir sie gerne haben. Seit ewigen Zeiten saß unser Romulus direkt gegenüber der Engelsburg, einen
Steinwurf entfernt vom ,,passetto", der Fluchtmauer der Päpste quer durch den Borgo. Doch dann nahte vor vier Iahren das Ende, in Gestalt einer Abrissbirne, die krachend und splitternd Plalz schuf für
zessen abgeschafft hat. Das soll uns jetzt
ren auf ihrer Flucht über das Mittelmeer
aber nicht daran hindern, bei Romo1o noch einmal durch alle Instanzen zu gehen - nicht nur mit zwei, sondern den kompletten vier Gängen des Mahls. Die
ertrunken? Wer hat sie gesehen? ]etzt sahen wir eins, und Frau Merkel konnte nicht mehr anders, als den Fliehenden die Grenzen zu öffnen. Geheimnisvolle
Steinpilze im Korb am Eingang sahen verführerisch aus, doch das Antipasto ver-
Macht der Bilder. Mit Bildern gehen deshalb auch wir der neuen Völkerwanderung nach. Von Syrien, wo die Popen und Patriarchen über jeden Christen weinen möchten, der sein Land verlässt, über die Lager in Jordanien, im Libanon und der Türkei, bis hin zu den Stacheldrahtzäunen
wenn wir sehr römisch, einfach, preiswert speisen und todsicher einen freien Tisch
spricht mehr Vielfalt: gegrilltes Gemüse, Salami, köstlicher Prosciutto, ein MiniSupli nebst in Fett ausgebackenem Mozzarella-Kügelchen und saftige MelonenScheiben. Da ist dann auch schon klar, was der Antipasto dieses Hefts sein soll:
finden wollten (wie für unser Märzheft 2010, wie unsere treuen Leserinnen und
Der Zug der Siebentausend beim Berliner Marsch fur das Leben - mit einer Novität:
Leser wissen). Vor wenigen Wochen dann
Bischöfe gesichtet! Der Wein ist kühl, das Wasser kalt, die
einen eleganten Neubau, der heute der Elite-Uni ,,Lumsa" als Hauptgebäude dient. Wir waren zu ,,Da Romolo" gegangen,
die Wiedergeburt, genauer die Auferstehung von den Toten, auch wenn der alte Romulus ein alter Heide war, wie jeder weiß. Jetzt erhebt er sich jedenfalls nicht aus der Asche, sondern direkt am ,,passetto" - und die alte Mannschaft steht wie eine Eins vor unseren Augen. Die Haus-
wand zur Fluchtmauer ist weggelassen fur eine gewaltige Glasfront, die den Blick freigibt auf das altrömische Ziegelmav erwerk und auch sonst alles besser sehen lässt. Auf der Terrasse oben ist es noch zu heiß. Wir setzen uns in den Saal mit
Mauerblick. Aus den geöffneten Fenstern
strömt ziegelstein-gektihlte Luft herein. Die können wir gebrauchen. Denn die Gemüter waren hochgekocht
in Rom, nachdem Papst Franz im Handstreich die Schnell-Verfahren zur Annul-
lierung einer Ehe eingeführt und das Urteil in zweiter Instanz bei diesen Pro94
Geschichte über die,,Mönchsrepublik" im Wienerwald prickelnd. Also gibt es sie doch, die Aufbrüche in der Kirche. Der kraftstrotzende Pater Karl Wallner hat uns ein Foto des Tonmodells geschickt, aus dem die Statue Papst Benedikts entstanden ist. In zweiter Instanz lassen wir uns hausgemachte Gnocchetti mit Ragü servieren. In dritter Instanz eine Goldbrasse (orata), mit dem Löffel zerlegt und simsalabimm von den Gräten befreit. Sehr zart und sehr meerig. Wir aber: sehr traurig und ratlos, wenn wir an den verblühenden Sommer und das Meer denken. Das Foto eines dreijährigen Kindes, ertrunken an einem Strand der Türkei, hat in Italien wie in Deutschland die Stimmung im Flüchtlingsdrama kippen und die Herzen vieler Menschen aufgehen lassen. Wie viele Kinder sind in den letzten Monaten und Jah-
Ungarns und anderer Staaten der EU, die ihre Länder einhegen möchten wie Schrebergärten. Kräftiger als der Papst vor dem Kongress der Vereinigten Staaten hat keiner dazu gesprochen. Da mögen wir nur noch ganz still werden. Der Chef geht heute keine rauchen. Stattdessen gibt es Mousse al cioccolato, weil sie uns aus der Vitrine so anlacht.
Vierte Instanz. Sollen wir noch
etwas
dazu sagen, was Robert Spaemann, der scharfe Unterscheider der Geister, über Ehebruch, Wiederheirat und den Kommunionempfang schreibt? Wo der Mann Recht hat, hat er Recht. Da mag die Synode alles Mögliche und Unmögliche ven-
tilieren. Würden doch nur mehr Männer ihre Frau so anschauen wie Navid Kermani Unsere Liebe Frau im Rosenhag. Die Liebeserklärung eines Kölner Muslims an die Gottesmutter! Ave Maria und Allahu akbar! Dazu einen Espresso und einen Amaro. Unser Mahl ist beendet. Ihr Oktober-Magazin, liebe Leserinnen und Leser, ist angerichtet! vATrcAN 1A 20t5