Politik und Pandemie Essenz einer Strategiedebatte für die Agenda Postpandemie Herausgegeben von Hans-Robert Metelmann
Hans-Robert Metelmann (Hg.)
Mensch und Land Auskopplung aus Band 8
Politik und Pandemie Essenz einer Strategiedebatte für die Agenda Postpandemie Herausgeber Hans-Robert Metelmann
Schibri-Verlag • Milow - Strasburg - Berlin 3
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet und über http://dnb. de abrufbar. Band 1: Status und Entwicklungsbericht im Masterplanprozess Band 1, Ergänzungsheft: Operationalisierung der Handlungsempfehlungen durch die Landesregierung Band 2: Lauter Lieblingsplätze – „… wo uns Mecklenburg-Vorpommern besonders gut tut!“ Band 3: Lauter Lieblingsplätze – „… warum wir uns in der Uckermark so wohl fühlen.“ Band 4: Masterplanprozess Mensch und Land 3.0 Band 5: Lauter Lieblingsplätze Bachwoche „… in den Spielstätten der Greifswalder Bachwoche und im Spiegel ihrer Fördergesellschaft.“ Band 6: Muckepuckeswinkel – Eine Reise in das alte Jarmen Band 7: Alles fließt. Jarmen an der Peene und im Fluss der Zeit © Schibri-Verlag 2021 Milow 60 • 17337 Uckerland Tel.: 039753/22757 E-Mail: info@schibri.de www.schibri.de Covergestaltung: Kerstin Böttger, Weitenhagen Foto: Photo by Brian Sumner on unsplash Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch darf nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Verlages vollständig oder teilweise vervielfältigt werden. Das gilt auch für die Speicherung in einem Datenerfassungssystem und die Weiterverarbeitung mit elektronischen oder mechanischen Hilfsmitteln, wie Fotokopierer und andere Aufzeichnungsgeräte. Insbesondere die Übersetzung und Verwendung in Schulungunterlagen bedürfen der Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany ISBN 978-3-86863-231-6
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Inhaltsverzeichnis - Handlungsbedarf
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- Vorträge und Vortragende
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- Diskussion und Konsens · Vorbemerkungen · Leitsätze · Kernpostulat
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- Empfehlungen
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Handlungsbedarf Die Welle läuft aus. Ob es auf Sicht die letzte war? Wie ein Tsunami hat die Pandemie auch unser Land überrollt. War sie zu verhindern? Etwas wie ein Seebeben kann man wohl nicht verhindern. Gab es Frühwarnsysteme? Sie müssen noch weiter verbessert werden. Konnte Menschenleben gerettet werden? Ja, aber es hat unsäglich viele Tote und leidende Menschen gegeben. Ist das Land stark zerstört? Einiges ist kaputt gegangen, manches davon wohl nicht mehr zu retten. Funktioniert das Krisenmanagement? Die Politik arbeitet mit allen Kräften im ad-hoc-Modus. Sehr harte Maßnahmen mussten ergriffen werden, um die Gewalt der Pandemie und ihrer hohen Wellen einzudämmen… Noch viel härter wird es jetzt zugehen bei dem gesellschaftlichen Kraftakt, mit den Folgen der Pandemie fertig zu werden. Es gibt viel aufzuräumen, zu reparieren oder besser gleich neu zu machen. Plünderungen müssen verhindert werden. Manches ist auch unverhofft auferstanden aus der Krise und blüht im Glanze des Erfolges, und wir wollen es uns bewahren. Gemeinsames gesellschaftliches Handeln wird notwendig sein und gut beratene politische Führung. Haben wir dafür eine Strategie? Sind wir vorbereitet auf die Zeit nach der Pandemie? Derartige Fragen liegen einer Generation nahe, die von den Erfahrungen des 9.November 1989 geprägt worden ist und die erlebt hat, wie unvorbereitet wir auf dieses historische Geschenk waren. Heute wissen wir, dass vieles richtig gemacht worden ist in einem guten Gespür für den Augenblick und im ad-hoc Modus der Politik. Aber stand dahinter auch eine echte und als 7
solche zu bezeichnende Strategie? Wenn es sie gab, dann hat sie jedenfalls nicht manche schnelle Plünderung und einige nachwirkende Fehlentwicklungen verhindern können… Wir brauchen ein Programm von konkreten Maßnahmen, eine Agenda Postpandemie, und dazu als Grundlage eine Strategie für die Zeit nach der Pandemie, und die muss weit über das Aktionsfeld Gesundheit und Öffentliches Gesundheitswesen hinaus reichen: Globalisierung und Regionalisierung sind neu auszuwiegen; die Bewahrung der Schöpfung hat eine unvorhergesehene Chance erhalten; Wirtschaft und Finanzen brauchen lange Perspektiven; Kunst und Kultur dürfen als Lebensmittel nicht verderben; Bildung und Wissenschaft leben von breiter Teilhabe und freier Wahrheitsermittlung; gesellschaftliche Prioritäten sind schon lange zu überdenken. Motivation genug für einen Gedankenaustausch mit Freunden, Weggefährten und weiteren Menschen, denen man gerne zuhört, weil sie etwas zu sagen haben. Und anspruchsvoll genug, um daraus ein strukturiertes Zusammentragen zu machen, lat.: eine Konferenz. Sie muss allerdings virtuell stattfinden, zwischen zwei Buchdeckeln, weil zu den harten Maßnahmen der Pandemieeindämmung auch Kontaktbeschränkungen und Versammlungsverbote gehörten… Diese Konferenz unter dem Titel „Politik und Pandemie“ wird in Kürze in einem Buch wiedergegeben.1 Hier werden zunächst die Ergebnisse der Konferenz vorgestellt, die Essenz. 1
ISBN 978-3-86863-230-9 8
Vorträge und Vortragende Dem Ehrendoktor der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Dr. Helmhold Schneider, der über Krisenbewältigung und den Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen gearbeitet hat und seine Auszeichnung gleich nach Berthold Beitz und kurz vor Jacques Delors erhielt, ist ein wichtiger Impuls für diese Konferenz zu verdanken. „Anlässlich eines Geburtstagsessens im Frühjahr 2020 in Baden-Baden sprach ich lange mit meinem langjährigen Freund, Hans Metelmann. Beim Thema ´Corona-Pandemie´ wurde mir bewusst, dass es sich hierbei nicht nur um ein medizinisches Problem der Ansteckung handelt, sondern auch besonders um gravierende Veränderungen unseres gesamten Gemeinwesens. Das politische und wirtschaftliche System des Rechtsstaates und des Gesundheitswesens bekommt die Auswirkungen zu spüren. Die Corona-Pandemie hat auch tiefgreifende Veränderungen auf die Finanzmärkte und führt zu einer finanziellen Belastung, die unsere gesamte Volkswirtschaft überfordert und den Arbeitsmarkt belastet. Wir haben allen Grund für einen intensiven und breit angelegten Gedankenaustausch zu den Fragen, die unsere Zukunft bestimmen und auch unsere nachfolgenden Generationen herausfordern.“ Dieser Gedankenaustausch beginnt damit, einen Grundstock von Lagebeschreibungen, Auswertungen und Wegweisungen anzulegen, gebündelt in Themenkreisen. 9
Die Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, eröffnet die Konferenz mit dem Vortrag: „Krisenfest, digital, innovativ und gemeinsam – der Weg Mecklenburg-Vorpommerns aus der Corona-Pandemie“, und im Themenkreis Konzepte schließen sich an - die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Bettina Martin: „Für die Wissensgesellschaft von morgen“, und - der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion ihres Koalitionspartners, Franz-Robert Liskow: „Weichen neu stellen“. Zum Themenkreis Reflektionen äußern sich - die langjährige Finanzministerin des Landes MecklenburgVorpommern, Sigrid Keler: „Corona-Krise, DemokratieKrise, Klima-Krise“, - der Direktor der Greifswalder Universitätsaugenklinik, Prof. Dr. Andreas Stahl: „Was haben wir aus einem Jahr Pandemie gelernt?“, - die Geschäftsführerin der Braun Hanse-Holding GmbH und der Braun Beteiligungs GmbH, Mitglied im Präsidium des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Prof. Dr. Dagmar Braun: „Was mir für eine Agenda Postpandemie durch den Kopf geht.“, - der Bariton und Lehrer für Gesang am Institut für Kirchenmusik der Universität Greifswald, Lars Grünwoldt: „Was wird aus unserem Berufsstand?“,
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- der Reporter des Nordkuriers und die ehemalige Landtagsabgeordnete, Dr. Frank Wilhelm und Kerstin Fiedler-Wilhelm: „Von Bildung, Daseinsvorsorge und Staatsschulden“, - der gesellschaftskritische Mediziner, Prof. Dr. Dr. Ulrich Westermann: „Ein dunkler Schleier“, - der Pastor von Jarmen, Arnold Pett: „Geschlagen wollen wir uns noch lange nicht geben.“, - die Heimatforscherin aus Jarmen, Margot Peter: „Thiefuß“ und - der Rektor der Universität Rostock, Prof. Dr. Wolfgang Schareck: „Nebenbeibemerkungen“: Um den Themenkreis Perspektiven geht es - der Lehrerin und Forscherin im Schwerpunkt Pädagogische Psychologie und dem Facharzt für Radiologie, Dr. SelmaMaria und Dr. Hans Ulrich Behrndt: „Wie wollen wir leben?“, - dem ärztlichen Ehepaar aus dem Universitätsklinikum im Ruhestand, Dr. Barbara und Prof. Dr. Fritz-Ulrich Meyer: „Wird die Pandemie ein nachhaltiges Überdenken eröffnen?“, - dem Generalmajor a.D., Hans-Wilhelm von Bornstaedt: „Innerer Dialog“ - dem klimapolitisch, aktiven Hautarzt und Laserspezialisten, Prof. Dr. Michael Drosner: „Abkehr vom ´Weiter so´“, - dem Laborarzt und Geschäftsführer des Institutes für Medizinische Diagnostik, Kristian Meinck: „Was gehört zu einer guten Strategie?“, 11
- dem Albert Guerard Professor in Literature an der Stanford University/USA, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Ulrich Gumbrecht: „Überlebensstrategien -oder Abschied in Würde?“, - der engagierten Katholikin und Musikwissenschaftlerin Prof. Dr. Adelheid Geck: „Aufbruch in eine neue Epoche“ und - der Mitorganisatorin der Konferenz, Kerstin Böttger: „Pandemie 2020/21 – Meine Sicht der Dinge“. Auf den Themenkreis Positionen beziehen sich - die Künstlerin und Greifswalder Referentin für Inklusion, Claudia Lohse-Jarchow: „Der Mensch, die Krone der Schöpfung“, - der Berliner Philosoph und Arzt, Dr. Dr. Stephan Schlesinger: „Corona ist ein Memento.“, - der Direktor der MKG-chirurgischen Klinik der TU München, Prof. Dr. Dr. Klaus-Dietrich Wolff: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“, - der Musik- und Kunstwissenschaftler mit Schwerpunkt Architekturtheorie, Prof. Dr. Christoph Metzger: „Die Sicht eines Neuroarchitekten“, - die Waldorfschullehrerin, Biografin und Mediatorin und der Chemiker, Arzneimittelforscher und ehemalige Vorstand einer pharmazeutischen Entwicklungsfirma, Barbara und Dr. Armin Scheffler: „Eine Vision ist notwendig.“ - der frühere Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Leiter des Bundesamtes für Migration und Flücht-
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linge und heutige Präsident der Johanniter Unfallhilfe, Dr. Frank-Jürgen Weise: „Ehrenamt und Freiwilligkeit“ und - der Gründungsdirektor des NDR-Landesfunkhauses Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin, Prof. Gerd Schneider: „Die Medien – ein Kommentar“. Das Themenfeld Recht und Staat fällt in die Kompetenz - des Juraprofessors, Altrektors der Universität Greifswald und ehemaligen deutschen Hochschulvertreters im Ausschuss des Europarates für Hochschulbildung und Forschung, Prof. Dr. Jürgen Kohler: „Die Pandemie und das Politische – eine Lagebeschreibung“, - des Juristen und Mitglieds des Deutschen Bundestages, Philipp Amthor: „Pandemiebekämpfung als Bewährungsprobe für den Parlamentarismus: Der Deutsche Bundestag zwischen Funktionserwartung und Wirklichkeit“, - des Rechtsanwaltes mit Kanzlei in Greifswald, Jost von Glasenapp: „Rechtsgüter abwägen“, - des Botschafters i.R., Eckart Herold: „Drei bewährte Prinzipien“ - des früheren MdB und Staatssekretärs a.D. des Bundesverkehrsministeriums, Tilo Braune: „Einige Gedanken und Beobachtungen zur Pandemie“ und - des Gründungsdirektors des Institutes für Philosophie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Prof. Dr. Werner Stegmaier: „Vom Wissens-Modus in den OrientierungsModus. Umstellung in Zeiten der Corona-Krise“.
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Zum Themenfeld Schule und Bildung äußern sich - die ehemalige Vorsitzende des Stiftungsrats der Schulstiftung der Nordkirche, Katja Tovarek: „Schule und Bildung – die verlorene Generation?“ - der Vorsitzende des Stiftungsvorstands der Evangelischen Schulstiftung in der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang von Rechenberg: „´Siehst Du die Schrift nicht an der Wand?´ Anhaltspunkte aus der jüdisch-christlichen Tradition – neu gesehen im Kontext weltanschaulich-religiöser Bildung in Schulen evangelischer Schulträger und im ordentlichen Unterrichtsfach Evangelische Religion in einer Krisenzeit.“ und - der ingeniöse langjährige Leiter der Abteilung Hochschulen im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Hermann Fischer: „Drei Impulse“. Das Themenfeld Gesundheitswesen und Medizin gehört zur Kernkompetenz - des Klinikdirektors und Lehrstuhlinhabers für Anästhesiologie und Intensivmedizin, derzeitigen Ärztlichen Vorstandes und Leiters des Corona-Krisenstabes an der Universitätsmedizin Greifswald, Prof. Dr. Klaus Hahnenkamp: „Herausforderung Universitätsmedizin in ländlicher Struktur – Erfahrungen aus der Pandemie“, - des ehemaligen Medizinischen Vorstandes des Bereichs Humanmedizin der Universität Göttingen, Prof. Dr. Je-
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kabs Leititis: „Die aktuelle Pandemie legt die Schwächen des Gesundheitssystems frei.“, - des Präsidenten der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern und Vorstandsmitgliedes der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dr. Dietmar Oesterreich: „Lessons learned aus Sicht der Zahnmedizin“ und - des Direktors des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin am Universitätsklinikum Köln, Prof. Dr. Axel Karenberg: „Corona – unzeitgemäße Betrachtungen eines Medizinhistorikers“. Zum Themenkreis Kunst und Kultur äußern sich - die Leiterin des Gerhart-Hauptmann-Hauses, Kloster/Insel Hiddensee, Franziska Ploetz: „Ambivalenz und Unordnung“, - der Komponist, Produzent, Formatentwickler, Regisseur zahlreicher multimedialer Großraumprojekte und artist in residence bei der EinheitsEXPO 2020, Wolfgang Schmiedt: „Angst lähmt - Not macht erfinderisch – aus Nöten Tugenden machen: den Umgang mit Ungewissheiten lernen“, - die Künstlerische Leiterin der OPERNALE und Geschäftsführerin des Opernale INSTITUTs für Musik & Theater in Vorpommern, Henriette Sehmsdorf: „Kunst und Kultur sind harte Wirtschaftsfaktoren.“ und - der passionierte Freund der sogenannten „Alten Sprachen“ und Liebhaber der sogenannten „Alten Musik“, Heinz Sauer: „Die Kraft der Musik“
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Der Themenkreis Wissenschaft und Forschung gehört zum Kompetenzbereich - des Direktoriumsmitgliedes des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik und Wissenschaftlichen Leiters der Unternehmung ´Wendelstein 7-X´, Prof. Dr. Thomas Klinger: „Leitgedanken zur Forschungspolitik“, - des Wissenschaftssoziologen, Mitbegründers des Instituts für Klimaschutz-, Energie- und Mobilitätsrecht (IKEM) und Präsidenten des Greifswald University Club, Prof. Dr. Friedrich Hagemeyer: „Das erste Jahr der Pandemie: Lehren aus dem Ablauf, Aussicht auf die Konsequenzen“ und - des Präsidenten des Friedrich-Loeffler-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, und des Mitglieds vieler Akademien, darunter der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Mettenleiter: „Die Sicht des Virologen“. Zum Themenkreis Wirtschaft und Finanzen äußern sich - der Gründer und Leiter des Studiengangs ‚Wirtschaftspädagogik‘ und des ‚Hanseatic Institute for Entrepreneurship and Regional Development‘ an der Universität Rostock, Prof. Dr. Gerald Braun: „Abschied und Neustart“, - der Geschäftsführende Gesellschafter der WERIT Kunststoffwerke, Dipl.-Ingenieur Ekkehard Schneider: „Die Corona Pandemie aus Sicht eines mittelständigen Familienunternehmens“,
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- der stellvertretende Umweltminister, der in der letzten Sitzung des DDR-Ministerrates vor seiner Auflösung das Tafelsilber, die Nationalparks, rettete und dafür mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet worden ist, Prof. Dr. Michael Succow: „Agrarwende – ein finanzieller Aspekt“, - der virtuose Staatssekretär a.D. im Finanzministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Jost Mediger: „Finanzpolitik in Zeiten der Pandemie“ und - der Gründer der Steuerberatungsgesellschaft Seemann, Kalker & Partner, Jürgen Seemann: „Wirtschaftshilfen …“ Den Themenkreis Kommunale Verantwortung beherrschen - der Oberbürgermeister der Universitäts- und Hansestadt Greifswald, Dr. Stefan Fassbinder: „Die richtige Balance finden“, - der hauptamtliche Bürgermeister der Gemeinde Uckerland, Matthias Schilling: „Föderalismus – Entscheidungsvielfalt versus Vertrauensverlust“, und - der neugewählte Bürgermeister der Stadt Jarmen bald auch, André Werner: „Hier geht es nicht nur um Vereinssport“. Das Theologische Nachwort des Bischofs i.R. im Sprengel Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Hans-Jürgen Abromeit, rundet den Vortragsteil ab und stellt bereits die Schlüsselfrage für die anschließende Diskussion: „Was brauchen wir in Zeiten der Pandemie und nach der Pandemie am Nötigsten?“
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Diskussion und Konsens Was wir am Nötigsten brauchen, was wir aus den Erkenntnissen und Anregungen der Vorträge gewinnen, zu Thesen, Statements und Kommentaren verdichten, in mehrstufigen Verfahren prüfen und auslesen, das lässt sich zuletzt in 2 Vorbemerkungen, 9 Leitsätzen und 1 Kernpostulat abbilden. Wie viel Konsens steht dahinter? In Klammern ist die jeweilige Konsensstärke (Anzahl der zustimmenden Voten/Anzahl der insgesamt abgegebenen Voten) notiert, und in den Fußnoten finden sich Bemerkungen zum Abstimmungsgegenstand oder warum der Konsens nur eingeschränkt erteilt worden ist. I.Vorbemerkungen „Siehst Du die Schrift nicht an der Wand?“ 2 Es besteht weit verbreitete Übereinstimmung, dass es eines gesellschaftlichen Perspektivwandels bedarf, eines durchgreifenden Wandels -mit Augenmaß- unseres Selbstverständnisses und unserer Lebensformen. Dieser Wandel berührt viele Politikfelder. (59/62) 3 2 Heinrich Heine. „Belsatzar“. Buch der Lieder, Hoffmann und Campe, Hamburg (1827) 3 Bemerkungen zur Vorbemerkung 1: „Ich behaupte: alle Politikfelder.“ / „Die Notwendigkeit eines grundsätzlichen Perspektivwechsels wird infrage gestellt.“ 18
„Wie wollen wir leben in Deutschland?“ Der Erfolg einer Agenda Postpandemie wird abhängen von der ethischen Meta-Ebene ihrer Strategie, von der geistigen Klammer, die den Handlungsempfehlungen auf unterschiedlichen Politikfeldern den Blick von oben, eine gemeinsame Grundgewissheit, eine verbindende Sinnstiftung und einen Impuls zur Umsetzung gibt. Was den Menschen ausmacht, ihm seinen Wert und seine Rolle als Individuum gibt, sind Artikel 1 des Grundgesetzes, Ehrfurcht vor der Schöpfung, Respekt gegenüber der Natur „und dem einzigen Planeten, den wir haben“, Ehrfurcht vor dem Leben. Was die Gesellschaft ausmacht, ihr eine Klammer gibt, sind parlamentarische Demokratie, Rechtsstaat und Soziale Marktwirtschaft. (Konsens: 59/62) 4 II. Leitsätze 1. „Bildung vermittelt die Schlüsselkompetenzen zur Krisenbewältigung.“ Dieser Bildungsauftrag reicht von der frühkindlichen und der schulischen über die berufliche und hochschulische bis zur Bildung der Erwachsenen und auch hinein in das Familienleben. Schulpolitik steht im Mittelpunkt der Strategie. Ein wichtiger Begriff lautet Selbständiges Lernen. Erfahrungen aus der Zeit der 4 Bemerkungen zur Vorbemerkung 2: „In besonderer Weise gehört die stets neu zu reflektierende Verständigung auf das aus der Gottebenbildlichkeit herrührende jüdisch-christliche Menschenbild der unbedingten Gleichwürdigkeit aller Menschen dazu.“ 19
Schulschließungen haben gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler, die selbstständig lernen können, besser mit den Möglichkeiten des Distanzlernens umgehen konnten. Eigenständigkeit, Flexibilität, soziale Kompetenzen und Teamorientierung werden auch notwendige Eigenschaften in der Arbeitswelt von morgen sein. Die in der Pandemiezeit begonnenen Modernisierungsprozesse sollen fortgesetzt werden. Es geht dabei um Medienkompetenz, um neue Formen der Vermittlung von Wissen, um didaktische Konzepte, auch für traditionelle Bildungsinhalte. Es gilt, die in der Pandemie erworbene Sozial-, Methoden-, Organisations- und Digitalisierungskompetenz der Schülerinnen und Schüler weiterzuentwickeln. Die gemeinsame und abgestimmte Qualitätsentwicklung von Präsenzunterricht und Distanzunterricht soll mit einer sachgerechten und pädagogisch begleiteten Umstrukturierung des Lernumfeldes befördert werden. Gute Schule bewahrt die Freude am Lernen und eine Neugier, wie sie in der sich stetig wandelnden Wissensgesellschaft und kulturellen Vielfalt ein Leben lang benötigt wird. (Konsens: 54/60) 5 2. „Forschung ist nicht nur der Nährboden der Wissensgesellschaft, sondern sie liefert im kurz-, mittel- und langfristigen Krisenmanagement Leitplanken für politische Entscheidungen.“
5 Bemerkungen zum 1. Leitsatz: „Die kulturelle Bildung muss Berücksichtigung finden, die wirksame Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht und Kreativität fördert, die Ressource des 21. Jahrhunderts.“ / „Integrative Lehreinheiten sollten auf allen Bildungsstufen verpflichtend sein. Digitalisierungskompetenz ist gut, aber zu wenig.“ / „Diesen Leitsatz bitte nicht an die erste Stelle.“ 20
Wissenschaft und Politik brauchen einander im Krisenmanagement. Verantwortung der Wissenschaft ist es, ihr Wahrheitsverständnis zu erklären und ihre sich stetig neu entwickelnden Erkenntnisse entsprechend einzuordnen. Aufgabe der Politik ist es, die Wahrheitssuche der Wissenschaft, die auf dem Prinzip von Versuch und Irrtum beruht, vor gesellschaftlicher Instrumentalisierung zu verteidigen. Eine Agenda Postpandemie wird dann Erfolg und die Gesellschaft einen Nutzen davon haben, wenn ihre zugrundeliegende Strategie beides gewährleistet, die verantwortungsbewusst kommentierte, uneitle Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Gesellschaft hinein und die Freiheit der Wahrheitssuche. (Konsens: 59/60) 6 3. „Kunst und Kultur haben sich in der Krise als wichtige Lebensmittel bestätigt, und Kunstschaffende müssen nicht nur ideelle, sondern auch materielle Wertschätzung erfahren.“ Kunst und Kultur in allen ihren Verzweigungen und Ambivalenzen prägen mehr als vieles andere, was den Menschen ausmacht und was der Gesellschaft in der Pandemie fehlt. Sie nehmen eine wichtige gesellschaftliche Funktion wahr, weil sie Identität stiften und an kulturellen Berührungsflächen das Gefühl des Zusammengehörens. Kunstschaffende benötigen in der Krise mehr denn 6 Bemerkungen zum 2. Leitsatz: „Die Freiheit der Forschung muss unbedingt gewährleistet bleiben.“ / „Die Studierenden als Garanten für den wissenschaftlichen Nachwuchs könnten auch diesen wundervollen Ansatz des Grundeinkommens analog zu den Kulturschaffenden erhalten. Derzeit kümmert man sich erst sehr spät um die Nöte der Studierenden. Grundtenor: Wir brauchen guten Nachwuchs, und dieser muss die Garantie erhalten, ein Studium beenden zu können.“ 21
je Existenzsicherung in innovativen Förderstrukturen oder mit einer dauerhafteren Lösung in Form eines monatlichen Grundeinkommens über einen begrenzten Zeitraum für jeden Antragsberechtigten. Die Erfahrungen mit einer befristeten Grundversorgung für Kunstschaffende lassen sich verwerten für die allgemeine sozialpolitische Diskussion zu diesem Thema. (Konsens: 53/60) 7 4. „Das Gesundheitswesen hat in der Pandemie seine hohe Qualität, Zuverlässigkeit und Leistungsbereitschaft bewiesen, und die Erfahrungen werden genutzt, um Anpassungen vorzunehmen, wo Optimierungsbedarf besteht und Korrekturen notwendig sind.“ Nur durch ganz außerordentliche Anstrengungen aller Beschäftigten in Kliniken, Arzt- und Zahnarztpraxen, diagnosti7 Bemerkungen zum 3. Leitsatz: Ein bedingungsloses Grundgehalt wird abgelehnt.“ / „Die persönliche Künstler-Existenz muss riskant bleiben, wenn weiterhin Riskantes gewagt werden soll.“/ „Es geht nicht um eine temporäre Unterstützung für Künstler, sondern um die grundsätzlichen Probleme, die mit dem Vorhaben verbunden sind.“ / „Dieser Erweis der Funktion als wichtiges Lebens-Mittel trifft darüber hinaus auf Weltdeutungen und Unverfügbarkeitswissen zu, die in gleicher Weise wie durch Kunst und Kultur durch die Erfahrungsschätze aus Religion und Kultus bereichert werden.“ / „Eigentlich hat gerade erst das Herunterfahren von Kunst und Kultur das Bewusstsein geschärft, dass sie lebenswichtige Impulse für das Leben setzen, wichtige Lebensmittel sind. Dies impliziert, dass auch in Krisenzeiten ein gewisses kulturelles Angebot sichergestellt sein muss. Die ausbleibende materielle Unterstützung lag eher an dem Unverständnis an der Besonderheit künstlerischer Erwerbstätigkeit. Seinen Unterhalt als Künstler zu verdienen folgt anderen Gesetzmäßigkeiten als in anderen Berufen.“ / „Kein monatliches Grundeinkommen nur für Kunstschaffende, Kunstschaffende müssen aus eigener Kraft zu Erfolgen/Förderungen und damit zu Verdienst kommen.“ / „Lösung in Form eines monatlichen Grundeinkommens über einen begrenzten Zeitraum für jeden Antragsberechtigten, -der Satz stört!“ 22
schen Laboratorien, Gesundheitsämtern, Forschungsinstituten, Medizinprodukte- und Pharma-Unternehmen sowie in Impfzentren und durch ein vernunftgeprägtes, solidarisches Verhalten der allermeisten Bürgerinnen und Bürger konnte eine kritische Überlastung des Gesundheitswesens in der Pandemie verhindert werden, ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Chaos. Die unter diesen Belastungen gesammelten Erfahrungen müssen verwertet werden: Die Sektoren- und Berufsgruppen-übergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit in Clustern der medizinischen Versorgung, die Entwicklung der Notfallversorgung auf dem Land und die Nutzung hochinnovativer telemedizinischer Konzepte haben einen großen Schub erhalten. Probleme, die schon länger bestehen, sind in der Pandemie noch deutlicher hervorgetreten und müssen jetzt gelöst werden: Der sehr hochrangige Schutz von Patientendaten behindert schnelle medizinische Maßnahmen in Extremsituationen, die personelle und materielle Kapazitätsvorhaltung für Krisenlagen ist häufig unzureichend und Strukturveränderungen in der Krankenhauslandschaft sind überfällig. (Konsens: 52 /60) 8
8 Bemerkungen zum 4. Leitsatz: „Was mir fehlt, ist der Verweis auf die Zunahme seelischer Störungen und Krankheitsbilder in der Pandemie, hier ist verstärktes Augenmerk und Handeln gefragt.“ / „Es geht auch um gezielte Interventionen im Krisenfall, um besonders Gefährdete adäquat zu schützen.“ / „Dieser Leitsatz gehört an die erste Stelle!“ / „Ich möchte anregen, die überfälligen Strukturveränderungen sektorenübergreifend (Krankenhauslandschaft + ambulanter Bereich) zu gestalten, mit dem Primat Patient (bzw. Patientennutzen).“ 23
5. „Wirtschaftspolitik kümmert sich um langfristige, unbürokratische Begleitung und finanzielle Förderung von Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle nachhaltig, effizient und krisenfest machen.“ Für die wirtschaftliche Entwicklung nach der Pandemie sollten Unternehmen mit einer Überlebens-Perspektive die derzeitigen Umbrüche dazu nutzen, ihr Geschäftsmodell neu zu überdenken und Chancen zur zunehmenden Nachhaltigkeit und Effizienz nutzen. Sie werden dabei im Bedarfsfall und auf der Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft begleitet durch finanzielle Zuschüsse über begrenzte Zeit, steuerliche und sonstige Entlastung und Abbau bürokratischer Hürden. Wirtschaftshilfen müssen strategisch sinnvoll, transparent und handwerklich sauber eingesetzt werden. (Konsens: 52/60) 9
9 Bemerkungen zum 5. Leitsatz: „Vielleicht könnte man hier noch weitere Politikfelder ansprechen: Energie, Mobilität, Ernährung, Städteplanung, Bauwesen.“ / „Wirtschaftshilfen sollten da gewährt werden, wo im Sinne der Agenda 2030 (Zukunftsrat M-V) im Dreieck Ökologie-ÖkonomieSoziales gedacht und gehandelt wird.“ / „Zweifel an vernünftigen Kriterien für die Bewertung von Effizienz und Nachhaltigkeit“ / „Ich halte es für mindestens genauso wichtig, dass der Staat den individuellen Aufbau finanzieller Polster für zukünftige Krisenbewältigungen unterstützt – eine derartige Krisenfinanzierung wie aktuell werden wir uns auf lange Zeit nicht mehr leisten können!“/ „Zur ersten Phase der Postpandemiezeit muss zwingend eine Wirtschaftsförderung UND eine gesellschaftliche Solidarität aufgerufen werden, um die vom Lock-Down besonders stark betroffenen Branchen zu unterstützen und deren Überleben zu sichern.“ 24
6. „Sozialpolitik nimmt die Echtzeit-Erkenntnisse und historischen Erfahrungen des sozialen Miteinanders in der Pandemie-Bewältigung auf und fördert individuelle Resilienz.“ Quarantäne und andere Einschränkungen ihrer Lebensumstände haben Menschen in allen großen Seuchen ein Kreuz und viele Strapazen auferlegt, aber zugleich tätige Nächstenliebe angeregt. Menschen in Krisen brauchen Resilienz. In der aktuellen Pandemie sind mit Solidarität und Subsidiarität viele Initiativen der Nachbarschaftshilfe entstanden. Die vielfältigen Formen von gegenseitiger individueller Hilfe, von kirchlicher und anderweitiger Gemeindearbeit, von freiwilliger Tätigkeit und Ehrenamt als gesellschaftlichem Immunsystem und sozialem Kitt werden unterstützt, (Konsens: 53/61) 10 7. „Umweltpolitik widmet sich dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen unvermindert und ohne aktuelle Abstriche“ Die aktuellen Aspekte einer Postpandemie-Strategie müssen mit den langfristigen Aspekten der Umweltpolitik abgestimmt werden. Zum Beispiel sind bei aktuell gebotenen Projekten der Industrieansiedlung nach der Krise weiterhin Flächenverbrauch, Versiegelung des Bodens und Naturschutzanliegen zu bedenken und dazu, wo es relevant ist, ein Anstieg des Meeresspiegels. Im Querschnittsgebiet von Umwelt- und Agrarpo-
10 Bemerkungen zum 6. Leitsatz: „Von Anfang an müssen unsere Kinder lernen, dass Helfen und für andere da zu sein die Grundlagen für eine gute Gemeinschaft sind.“ / „Zweifel, dass hier das Prinzip der Subsidiarität zur Geltung kommt.“ / „Betonung der Stärkung der Familien, da diese neben dem Ehrenamt und den Institutionen die Hauptlast getragen haben. Eine Erwähnung wäre aus meiner Sicht angemessen?! Nein, wäre nötig!“ 25
litik wird angeregt, am Flächenbesitz orientierte Subventionierung agroindustrieller Produktion weiter einzuschränken und die freiwerdenden Mittel für Pandemie-bezogene und ökologische Projekte einzusetzen. Gerade im Hinblick auf die umwelt- und klimapolitischen Ziele soll das Kompetenzpotenzial der Europäischen Union genutzt werden, z.B. in einem neuen Club of Rome, was zugleich ihren Gemeinschaftsgedanken fördert. (Konsens: 53/59) 11 8. „Haushaltpolitik gewährleistet finanzielle Handlungsfähigkeit.“ Dafür muss das Leitbild des langfristig ausgeglichenen Haushalts Bestand haben, ist aber kein Selbstzweck, sondern darf temporär und gut begründet im gesetzlichen Rahmen für zusätzliche Kredite ausgesetzt werden, wo es die Bekämpfung der Notsituation und ihrer Folgen erforderlich macht und die Realisierung der strategischen Ziele einer Agenda Postpandemie. (Konsens: 52/59) 12
11 Bemerkungen zum 7. Leitsatz: „Die Einhaltung des Subsidiarität-Prinzips wird gefährdet.“ / „Die Anregung, am Flächenbesitz orientierte Subventionierung agroindustrieller Produktion einzuschränken und die freiwerdenden Mittel für Pandemie-bezogene und ökologische Projekte einzusetzen, wird strittig gesehen.“ / „Am Flächenbesitz orientierte Subventionierung agroindustrieller Produktion einzuschränken, -der Satz stört.“ 12 Bemerkungen zum 8. Leitsatz: „Die Ergänzung ist notwendig, dass im Hinblick auf unsere Finanzverfassung eine deutliche Unterscheidung zwischen eigenstaatlicher und EU-Haushaltspolitik geboten ist.“ / „Für zusätzliche Kredite ausgesetzt ausgeglichener Haushalt, -das gefällt mir nicht.“ 26
9. „Alle Politikfelder evaluieren und optimieren ihre Konzepte, Strukturen und Funktionen mit den frischen Erkenntnissen der Pandemiezeit.“ Dies betrifft Verwaltungsabläufe, Personalausstattungen, Organisationsformen Materialvorhaltungen. In besonderer Weise geht es im gegebenen Zusammenhang um wissenschaftlich begleitete Vorkehrungen zur Vorbeugung, Früherkennung und Frühbekämpfung neuer Pandemieereignisse, wobei die Bevölkerung durch transparente und umfassende Öffentlichkeitsarbeit auf konsequentes Handeln von Regierung und Parlament und auf harte Maßnahmen in der Anlaufphase exponentiell anwachsender Bedrohungen vorbereitet werden muss. (Konsens: 53/60) 13 III. Kernpostulat „Es kommt auf uns alle an.“ Dies ist das Kernpostulat der Strategie. Krise ist die Zeit der mit allen notwendigen rechtsstaatlichen Mitteln ausgestat13 Bemerkungen zum 9. Leitsatz: „Die aus dieser Pandemie gewonnen Erkenntnisse sollten so aufgearbeitet werden, dass sie für das ´Unbekannte´ nutzbar gemacht werden können.“ / „Wunschvorstellung“ / „Dies gilt auch für Datenschutzpolitik, Steuerung Digitalwesen, Förderung Entwicklung Künstliche Intelligenz.“ / „Es stellt sich die Frage, ob eine Priorisierung bei der Impfung (völlig unbenommen, dass Sie aus unserer Sicht völlig richtig erfolgte) für eine nächste Krise Auswirkung haben könnte. Dass Geimpfte priorisiert die „Grundrechte zurückerhalten“, könnte zu einer Änderung des Verhaltens der Bevölkerung führen, einer Nichtakzeptanz altersorientierter Zuordnung.“ / „Impfpflicht muss diskutiert werden, und ein jährliches Nachimpfen musss organisiert und finanziert werden.“ 27
teten Exekutive, aber Strategieentwicklung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und braucht die breite Aufmerksamkeit, das Mitdenken und die Mitwirkung von vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Es geht auch darum, die weiteren aktuellen Problemlagen nicht aus den Augen zu verlieren, darunter die Bedrohungen von Klima, Umwelt und Demokratie, und auf die nächsten Krisen vorbereitet zu sein, eine neue Pandemie, Naturkatastrophen, politische Krisen oder internationale Konflikte. Weiterentwickelte und neue Formen der Bürgerbeteiligung und der geordneten Teilhabe an Entscheidungsprozessen sind dabei willkommen, um sich im Wettbewerb der politischen Systeme zu behaupten, um ein Grundvertrauen in das Handeln von Regierung und Parlament zu erhalten und um die zivilgesellschaftliche Motivation zu fördern, die Strategie einer Agenda Postpandemie mitzutragen. (Konsens: 59/62) 14
14 Bemerkungen zum Kernpostulat: „Wie erreichen wir die Bürger mit diesem Strategiepapier? Die höchste Effizienz liegt bei Verbänden, Vereinen und Schulen.“ / „Dem Aspekt der Kommunikation könnte noch etwas mehr Raum gegeben werden.“ / „Die Empfehlungen sind unzweckmäßig zur Sicherung des gesellschaftlichen Konsenses und der repräsentativen Demokratie.“ / „Zum Kernpostulat gehören noch Kernprobleme, die sich in der Pandemie als erschwerend erwiesen haben: unklare Strukturen für ad-hoc Entscheidungen (wer darf was wann, wie sind die Parlamente zu beteiligen); (daraus folgend) unklare Verbindlichkeiten von Entscheidungen (und) viel zu langsame Entscheidungswege.“ / „Der Satz dieses Kernpostulates ist zu lang, um medial aufgenommen zu werden und die gewünschte öffentliche Wirksamkeit entfalten zu können.“ 28
Konsentierte Empfehlungen Was ist die Essenz der Konferenz Politik und Pandemie? Es besteht breiter Konsens, dass die Strategie für einen Maßnahmenkatalog nach dem Ende der Pandemie, d.h. für eine Agenda Postpandemie, einen gesellschaftlichen Perspektivwandel verwirklichen muss. In einer Agenda Postpandemie kann es nicht um Wiederherstellung und Weitermachen wie vor der Pandemie gehen, sondern im Mittelpunkt stehen Neudenken, Fortentwickeln, Bessermachen. Handlungsbedarf besteht für Schäden, die unter der Pandemie entstanden sind, und für vorbekannte Mängel und Schwächen, deren ganzes Ausmaß sich erst im Brennglas der Pandemie gezeigt hat. Konsentiert ist die Einbeziehung aller Politikfelder, namentlich Gesundheitswesen, Wirtschaft, Soziales, Umwelt und Haushalt, wobei ganz vorn in der strategischen Reihung Bildung, Forschung und Kultur stehen. Bildung ist die Grundlage für Denken und Handeln, Forschung liefert dabei Leitplanken, Sinnstiftung entsteht durch Kultur. Konsentiert ist, dass in der Bewältigung der Pandemiefolgen Freiwilligkeit und Ehrenamt noch mehr an Bedeutung gewinnen werden und zum sozialen Kitt beitragen. Es gibt einen breiten Konsens, dass eine Strategie nicht weiterführt, wenn sie der Agenda Postpandemie keine solide Beschlusslage mitgibt zu kontroversen, aber relevanten Themen. Genannt sind Selbständiges Lernen, Schlüsselkompetenzen, Qualitätsentwicklung von Präsenz- und Distanzunterricht, Existenzsicherung für Kunstschaffende, sektorenübergreifen29
de medizinische Versorgung, den Umständen angemessener Schutz personenbezogener Daten in der Medizin, Impfpflicht oder keine Impfpflicht, zeitgerechte Rückkehr zu einem ausgeglichenen Haushalt, gezielte Förderung selbstständig krisenfest gemachter Unternehmen, Begrenzung der Subventionierung agroindustrieller Produktion, neue Formen der Bürgerbeteiligung und geordneten Teilhabe an Entscheidungsprozessen. Am Ende der Pandemie-Krise ist die entstandene Problemlage bereits die nächste Krise, und es werden weitere Krisen ganz anderer Art folgen. Es gehört zum Konsens, dass die Strategie dies berücksichtigen und sich ohnehin abstimmen muss mit weiteren wichtigen Programmen der Krisenbewältigung z.B. im Zusammenhang der Europa-, Finanz-, Migrations- und Klimapolitik. Und schließlich besteht Konsens, der Strategie eine ethische Klammer zu geben, wie sie der Artikel 1 des Grundgesetzes anbietet, um die Agenda Postpandemie in ihrer Vielgestaltigkeit mit einer gemeinsamen gesellschaftlichen Grundgewissheit zu untersetzen. Ein Ausblick: Die Strategiedebatte zur Agenda Postpandemie wird schwierig. Die Konferenz endet dennoch optimistisch mit dem Zuruf des Vorstandsvorsitzenden der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Prof. Dr. Michael Göring: „Bleiben Sie mutig!“
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Vorträge und Beiträge von Hans-Jürgen Abromeit, Philipp Amthor, Till Backhaus, HansUlrich Behrndt, Selma-Maria Behrndt, Johann Blanchard, Kerstin Böttger, Hans Wilhelm von Bornstaedt, Dagmar Braun, Gerald Braun, Tilo Braune, Michael Drosner, Axel Ekkernkamp, Stefan Fassbinder, Kerstin Fiedler-Wilhelm, Hermann Fischer, Adelheid Geck, Jost von Glasenapp, Michael Göring, Lars Grünwoldt, Hans Ulrich Gumbrecht, Friedrich Hagemeyer, Klaus Hahnenkamp, Eckart Herold, Axel Karenberg, Sigrid Keler, Thomas Klinger, Jürgen Kohler, Jekabs Leititis, Markus Lerch, Franz-Robert Liskow, Claudia Lohse-Jarchow, Bettina Martin, Jost Mediger, Kristian Meinck, Thomas Mettenleiter, Christoph Metzger, Barbara Meyer, Fritz-Ulrich Meyer, Dietmar Oesterreich, Christian Pegel, Margot Peter, Arnold Pett, Franziska Ploetz, Wolfgang von Rechenberg, Stefan Rudolph, Heinz Sauer, Wolfgang Schareck, Armin Scheffler, Barbara Scheffler, Matthias Schilling, Stephan Schlesinger, Wolfgang Schmiedt, Michael Schmuck, Ekkehard Schneider, Gerd Schneider, Helmhold Schneider, Sebastian Schröder, Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld, Manuela Schwesig, Jürgen Seemann, Henriette Sehmsdorf, Andreas Stahl, Werner Stegmaier, Michael Succow, Katja Tovarek, Frank-Jürgen Weise, André Werner, Ulrich Westermann, Frank Wilhelm, Klaus-Dietrich Wolff
Schibri-Verlag ISBN 978-3-86863-231-6