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– GUSTAV KLIMT –FRAUEN MIT GESCHICHTE
1. Teil:
Werkst Tte
Er war einer der prominentesten Vertreter der Wiener Moderne und porträtierte in den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens einige der einflussreichsten, klügsten und schönsten Frauen der Wiener Gesellschaft. Diese Gemälde üben auf den Betrachter eine Faszination aus, der man sich kaum entziehen kann, und erzielen heute in Auktionen bis zu 110 Millionen Euro. Distanziert, emanzipiert und dennoch erotisch wirken die Dargestellten wie ikonenhafte Objekte der Verehrung. Ihre Schicksale jedoch waren oft tragisch.
Wien um das Jahr 1900: Hauptstadt von 53 Millionen Einwohnern aus 15 Nationen, Schmelztiegel vieler Kulturen, Stadt des Hochadels, der sich um den alten Kaiser schart, sowie des neuen Geld- und Industrieadels aus allen Ländern der Donaumonarchie. Durch das kaiserliche Dekret, welches nun auch jüdischen Bürgern Grundbesitz erlaubt, entstehen viele der prachtvollen Palais auf dem Gelände der ehemaligen Befestigungsanlagen. Wie sonst nirgendwo in Europa konzentrieren sich in Wien Höchstleistungen der Architektur, Musik, Literatur sowie Malerei, und unter der neuen Gesellschaftsschicht zählt es zum guten Ton, sich als Mäzen und Förderer zu betätigen.
Durch prominente öffentliche Aufträge in den ersten 30 Jahren seiner Tätigkeit hatte Gustav Klimt (1862–1918) Zugang zum vermögenden Wiener Großbürgertum gefunden. Um ihren sozialen Status zu betonen, ließen diese ihre Frauen und Töchter von ihm porträtieren und sicherten dem Maler so dessen finanzielle Unabhängigkeit.
„… die Sehnsucht ist groß, über dem Alltag zu stehen … wie Fürstinnen und Madonnen … in einer Schönheit, die von gierigen Händen des Lebens nicht zerpflückt und verwüstet werden kann.“
Josef August Lux (1871–1947), Kunstschriftsteller, Förderer der Moderne, des Jugendstils und der Wiener Werkstätten
SONJA KNIPS (1873–1959)
FÖRDERIN VON JOSEF HOFFMANN UND DER WIENER WERKSTÄTTE
Durch ihr Engagement für die Wiener Werkstätte wurde Sonja Knips zu einer der bedeutendsten Wegbereiterinnen der Wiener Moderne. Das 1898 gemalte Porträt der 25-jährigen Sonja Knips gilt als Archetyp für Klimts spätere Porträts; neu sind die lebensgroße Darstellung sowie das quadratische Format.
Sonja Knips, geborene Sophie Amalia Maria Freifrau Potier des Echelles, wird in Lemberg (heute Ukraine) geboren. Sie entstammt einer alten, ursprünglich aus Belgien kommenden Offiziersfamilie. Aufgrund seiner Tapferkeit bei der Schlacht von Saint-Julien und Les Echelles wurde ihr Großvater Leopold Potier im Jahre 1814 in den Adelsstand erhoben. Wegen der finanziellen Notlage ihrer Familie muss Sophie einen Beruf erlernen. Sie besucht das Lehrerinnenseminar und unterrichtet nachmittags die Kinder der Wiener Familie von Krassl-Traissenegg, Besitzer des Eisenwerks Petzold & Co, deren Teilhaber der aus Sachsen stammende schwerreiche Anton Michael Knips (1865–1946) ist.
Obwohl die beiden nicht viel gemeinsam haben –der freundliche und schlichte Anton Knips soll sich hauptsächlich für seine Firma interessiert haben –, heiraten sie 1896 in der Augustinerkirche in Wien. Im selben Jahr erwerben sie ein Seegrundstück in Seeboden am Millstätter See und Sonja beauftragt für die Planung der Villa samt Einrichtung Josef Hoffmann und Koloman Moser.
Offenbar fühlt sich die junge Frau in den Kreisen des Wiener Adels nicht mehr wohl und verkehrt meist in Künstlerzirkeln. Aus Familienkreisen wird berichtet, dass sie in der Ehe unglücklich war und depressiv wurde. 1898 erhält Gustav Klimt von ihrem Mann den Auftrag, seine blasse und kränkelnde Frau für die Ahnengalerie zu malen. Es wird angenommen, dass Gustav Klimt Sonja bereits vor deren Eheschließung kennengelernt und ihr bei dieser Gelegenheit einen Fächer verehrt hatte.
Da Sonja Knips nicht immer im Atelier des Malers anwesend sein kann, fotografiert Klimt sie und malt nach diesen Vorlagen – eine damals viel bestaunte Neuheit, die auch zum weiteren Ruhm Klimts beiträgt. Während der Arbeit an dem Bild notiert Klimt seine Ideen in einem roten Skizzenbuch. Auf dem Gemälde hält Sonja Knips dieses Notizbuch, welches Klimt ihr später schenkt, in der Hand. Heute befinden sich Gemälde und Buch in der Sammlung des Belvedere.
1903 wird die WIENER WERKSTÄTTE, eine Künstlergemeinschaft und Produktionsstätte für angewandte Kunst, von Josef Hoffmann, Koloman Moser und dem Industriellen Friedrich Waerndorfer gegründet. Deren Ziel war es, eine neue Ästhetik auf dem Gebiet des Kunstgewerbes zu schaffen, ein „Gesamtkunstwerk“ des täglichen Lebens. Namhafte Künstler entwerfen eine Vielzahl von Objekten, darunter Grafiken, Textilien, Möbel, Glas, Keramiken, Metallobjekte und Alltagsgegenstände. Von hoch qualifizierten Handwerkern hergestellt, zeichneten sich die Produkte durch eine hohe Qualität und künstlerische Feinheit aus. 1905 wird Gustav
Klimt Mitglied der bereits über 100 Künstler zählenden Gemeinschaft. Kunden der WIENER WERKSTÄTTE sind Künstler sowie viele der einflussreichen jüdischen Industriellen, darunter Klimts wichtigste Auftraggeberinnen und Auftraggeber.
Die eheliche Wohnung in der Gumpendorfer Straße in Wien lässt Sonja Knips im Jahr 1903 – zum großen Missfallen ihres Mannes – von Josef Hoffmann einrichten. Anton Knips teilt weder das gesellschaftliche Engagement seiner Frau noch ihre Begeisterung für moderne Kunst, doch er zahlt alle ihre Ausgaben. Da sich die Eheleute nur mehr wenig zu sagen haben –er ist ein Stadtmensch, sie liebt das Land –, kommt es schließlich zur räumlichen Trennung. Sonja Knips verbringt den Großteil des Jahres nun in Seeboden in Kärnten, wo sie den Kontakt zur feinen Gesellschaft und zur Kunstszene pflegt sowie regelmäßig Musikund Künstlerabende veranstaltet.
Das Ehepaar hatte zwei Söhne. Als der jüngere 1919 an der Spanischen Grippe stirbt, beauftragt Sonja den
Architekten Josef Hoffmann mit dem Bau des Familiengrabes in Hietzing. In den Jahren 1923/1924 lässt Sonja die „Villa Sonja Knips“ in der Nußwaldgasse 22 von Josef Hoffmann umbauen. Künstler und Intellektuelle, darunter der Maler Carl Moll, der Schriftsteller, Journalist und Kunstkritiker Josef August Lux sowie der belgische Architekt Henry Clement van de Velde, einer der vielseitigsten Künstler des Jugendstils, sind regelmäßig bei ihr zu Gast.
1947 stirbt Anton Knips und wird im Familiengrab in Hietzing beigesetzt; Sonja Knips verstirbt 1959 im Alter von 86 Jahren in Seeboden und ist dort begraben. Ihre Villa wurde von den Erben verkauft und später abgerissen, die Einrichtungsgegenstände sind zum Großteil verschollen; allein im Museum für angewandte Kunst in Wien ist ein Bett aus der Villa ausgestellt.
Sonja Knips war eine der bedeutendsten KlimtSammlerinnen; sie besaß neben ihrem eigenen Porträt noch das Gemälde „Obstbäume“ von 1901 sowie die unvollendete Allegorie „Adam und Eva“. Über Vermittlung von Josef Hoffmann kaufte die Österreichische Galerie Belvedere 1950 beide Gemälde an.
Text: Eva von Schilgen
Wiener
Antiquit Ten
Kaiser, König, Edelmann … Allesamt kamen sie einst in eine ganz bestimmte Gasse: die Dorotheergasse. Dort, wo Wiens Adel vor vielen Jahren flanierte, findet man heute rund um diese Gasse die Antiquitätenmeile von Wien. Sie ist somit eine Brücke zwischen der glanzvollen Vergangenheit Wiens und dem modernen Kunsthandel, der den Geist der alten Zeiten bewahrt.
1. Bilderuhr C. L. Hof(f)meister, „Die Ferdinandsbrücke in Wien“ (heutige Schwedenbrücke), zweites Viertel 19. Jahrhundert, Ochsenaugenrahmen, blattvergoldet, Öl auf Metall, Spindelgang, Wiener 4/4-Schlag auf Tonfedern, Repetition, Walzenspielwerk mit zwei Melodien von „Slawik und Preiszler in Prag, No. 516 3724“, 76 x 103 cm, bei lillys-art.com, Preis auf Anfrage | 2. Paar Holzkandelaber, Wien um 1915, Umkreis Dagobert Peche, Höhe 150 cm, von susannebauer.com, um € 12.000 | 3. Keramikrelief, Franz Barwig (um 1900), Sammlung Magda Mautner von Markhof, 31 x 27 cm, von susannebauer.com, um € 4.500 | 4. Betonvase, von Laura Limbourg (2023), Höhe 70 cm, von suppan.art, um € 3.500
Café Central in der Herrengasse in Wien