WARM UP
von Thomas Kofler TH O M A S KO FLE R
17:30 Uhr. Laufschuhe angezogen. Schuhbänder sorgfältig gebunden. Jetzt aber schnell los, sonst verspäte ich mich. Gemeinsamer Laufausflug mit meinem Lauffreund. Das war einmal so etwas wie ein Ritual. Ein ungezwungenes, entspannendes, FOTO//envatoelements
lockeres. Sorgenfreies, wohltuendes, inspirierendes. Fixpunkt und flexible Abwechslung zugleich. Es mag ein Freitag gewesen sein. Oder ein Samstag, oder ein Sonntag. Irgendwann im Spätsommer 2019. Oder 2018, oder 2017. Es hatte 28°C. Oder 31, oder 33. Tough! Aber es gibt schlechtere Varianten, einen heißen Sommertag ausklingen zu lassen. Man darf, man soll sich fordern.
Laufen geht auf diese Weise viel einfacher. In Gesellschaft, in der man sich wohl fühlt. In der man entspannt Gedanken fla-
Mit aufgewärmten Muskeln legten wir los. Ein
nieren lässt und in Worte fasst, sich in einen Ausgleich hievt. In
gemütliches Tempo zum Einrollen. Denn mein Lauf-
der man zusätzlich zum sportlichen und gesundheitlichen Profit
freund hat Lust auf vertikale Streckenelemente.
auch noch soziale Kompetenz einbringen und pflegen kann.
„Das tut dir gut!“, grinste er. Sein schelmischer Gesichtsausdruck schrie nach tatkräftigen Antwor-
Der innere Jubelschrei beim Überqueren der imaginären Ziel-
ten. Die Belohnung nach dem Laufen sollte verdient
linie war laut. Kein Wunder, bei diesem hohen Endorphin-Auf-
werden. Einleuchtend. Ich lechzte nach dem Schat-
kommen in meinem Körper. Zuhause habe ich mir einen zusam-
ten eines jeden einzelnen Blattes auf den Bäumen
mengerollten Zehner in die Tasche meiner Shorts gewurschtelt.
über uns, als wir den Stadtberg hinauf hechelten.
Hat mein Lauffreund dasselbe gemacht, gehen sich zwei Halbe
Die ersehnte Ziellinie im Gastgarten motivierte
pro Schlund aus. Sportwissenschaftlich und trainingstechnisch
in diesen schwierigen Momenten entscheidend.
fraglos nicht der optimale Übergang in die Regeneration. Dass es
Der männliche Ehrgeiz, der sich auch dann kaum
den Benefit der Laufrunde abschwächt, ausnahmsweise ausge-
ausblenden lässt, wenn die Schritte schwer wer-
blendet. Denn angesichts des herrlichen Sommerabends und der
den. Kopfsache. Und das übliche Laufgespräch,
perfekten Kulisse war an diesem Tag die Alternative – kein Bier
das die Redepausen in den steilen Stücken wieder
zu trinken – subjektiv nicht sehr attraktiv. Ich konnte hautnah
ablöste. Natürlich sprachen wir über Fußball. Was
beobachten, wie die Schweißperlen auf meiner Haut verdampften. Und die trockene Zunge am Gaumen kleben spüren.
Wie geht es dir? Was beschäftigt dich? Erzähl! Ich höre zu.
Die Idee eines Erfrischungsgetränks hatten an diesem Tag viele. Wir waren nicht die einzigen im völlig verschwitzten Sportoutfit. Erkältungsgefahr null bei dieser Affenhitze. Die mit Mineralstoffen versetzte Flüssigkeit erfrischte und hielt die kol-
sonst? Ein tiefgründiges, anregendes, analytisches
lektive Stimmung im Gastgarten hoch. Ausgelassenheit anstatt
Gespräch. Eine Diskussion mit erzählerischen Ele-
Alltagsstress. Nach dem ersten Schluck Balsam für die Seele
menten. Inhaltsstark, für uns interessant und die
wechselte der Gesprächsinhalt auf eine höhere Ebene. Wie geht
gesamte Denkkapazität beanspruchend. Der Kopf
es dir? Was gibt es Neues? Bei der Arbeit, zu Hause, in der Frei-
vergaß beinahe, dass der Körper massiv leistete.
zeit. Was beschäftigt dich? Erzähl! Ich höre zu und rede mit.
WarmUp
7