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European Green Deal

DIE EU SOLL BIS 2050 ZUM ERSTEN TREIBHAUSGASNEUTRALEN WIRTSCHAFTSRAUM WERDEN. DABEI SOLL DIE „FARM TO FORK“-STRATEGIE ZENTRALER INHALT FÜR DIE LEBENSMITTELWIRTSCHAFT WERDEN. EIN ERSTER ÜBERBLICK.

OLIVER DWORAK

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Am 11. Dezember 2019 haben Ursula von der Leyen, neue Präsidentin der EU-Kommission, und Frans Timmermanns, Vizepräsident der Kommission und EU-Klimaschutzkommissar, den European Green Deal vorgestellt. Bereits im März 2020 soll ein Vorschlag zur gesetzlichen Verankerung der Treibhausgasneutralität bis 2050 vorgelegt werden. Neben neuen Zielen und Maßnahmen in den zentralen Bereichen der Energie- und Klimapolitik, wie insbesondere Emissionshandel, Energieeffizienz, Erneuerbare Energie, Energiebesteuerung, nachhaltige Mobilität, Gebäudestandards und nachhaltiges Finanzwesen, umfasst der Fahrplan der Kommission zum Green Deal auch neue EU-Strategien für die Industrie, die Forstwirtschaft und die Biodiversität sowie die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ („Farm to Fork“) zur besseren Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Gemeinsamen Agrarpolitik.

Neue EU-Klimaarchitektur

Mit der 2018 vorgelegten Strategie „A clean planet for all“ hat die europäische Kommission bereits Vorschläge und Sze narien präsentiert, wie in Europa bis 2050

Klimaneutralität erreicht werden kann. Dies erfordert Minderungen von über 90 % der Treibhausgase, verbunden mit der Kompensation unvermeidlicher Emis sionen (insbesondere aus industriellen Prozessen und der Landwirtschaft) durch die Entnahme von CO 2 aus der Atmosphäre mittels natürlicher und technologischer Speicherung. „Der europäische Grüne Deal ist unsere neue Wachstumsstrategie – für ein Wachstum, das uns mehr bringt, als es uns kostet“, so Ursula von der Leyen. Europa solle zu einer fairen und wohlha benden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfä higen Wirtschaft werden, in der im Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und Wirtschafts wachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist. Als Zwischenschritt wird die Kommission bis Sommer 2020 einen Vorschlag zur Anhebung des 2030-Treibhausgas reduktionsziels von derzeit 40 % auf 50 oder sogar 55 % veröffentlichen, begleitet von einer umfassenden Fol genabschätzung. Damit verbunden werden soll die Überarbeitung und gegebenenfalls Zielverschärfung der Erneuerbaren-Richtlinie (RED) und der Energieeffizienz-Richtlinie (EED) sowie die Evaluierung und Erweite rung der Emissionshandels-Richtlinie (ETS) und der Effort Sharing Verord nung inklusive Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF).

Verknüpfung von Klimaschutz, Wirtschafts-, Finanzsowie Handels- und Umweltpolitik Die EU strebt weiters eine führende Rolle in internationalen Klima-Verhandlungen an, um andere große Emittenten © WIRTSCHAFTSKAMMER ÖSTERREICH Oliver Dworak

bis 2021 zu überzeugen, in ihren Klimaschutzaktivitäten ehrgeiziger zu werden. Weitere geplante Maßnahmen des Green Deals sind u. a. • die Erweiterung des EU-Emissionshandels auf Seeverkehr und Gebäudesektor, • die Überprüfung und schrittweise Einführung eines CO 2 -Grenzausgleichssystems (Carbon Border Adjustment) in ausgewählten Sektoren auf Basis von Impact Assessments,

Quelle: COM(2019) 640 final)

© ADOBE STOCK – PROSLGN

• ein Europäischer Klimapakt zur Verknüpfung mit regionalen und lokalen Initiativen, • ein Masterplan für die Umgestaltung der Wirtschaft durch eine moderne europäische Industrie- und Innovationsstrategie mit dem Ziel, die EU zum globalen Technologieführer bei Kreislaufwirtschaft und Low-Carbon-Technologien zu machen, • saubere und kompetitive Mobilität, • die Förderung von Infrastruktur zur

CO 2 -Abscheidung, -transport und -speicherung, • eine umfassende Sustainable Finance Strategie, insbesondere mit –der Finalisierung und Umsetzung der Verordnungen zu Disclosure, Benchmarking, Taxonomie, –der Überarbeitung des Corporate Reportings (Non-Financial-Information RL), –der Erarbeitung eines EU Green Bond Standards und –der Neuausrichtung der Finanzierungspolitik der Europäischen Investitionsbank. • ein neuer Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft • sowie die Initiative „Zero Emission“ (saubere Böden, Luft, Wasser, Lärm, sichere Chemikalien usw.).

Vom Hof auf den Tisch

Im Frühjahr 2020 plant die Kommission, die „Farm to Fork“-Strategie vorzulegen und damit eine Debatte über alle Stufen der Lebensmittelkette anzustoßen. Zentrale Instrumente zur Unterstützung der ambitionierten Klima- und Umweltziele bleiben die gemeinsame Agrarpolitik und die Gemeinsame Fischereipolitik. 40 % der Gesamtmit

© ADOBE STOCK – PROSLGN

tel der GAP und 30 % der Mittel des Meeres- und Fischereifonds sollen für klimapolitische Maßnahmen verwendet werden. So sollen auch die nationalen Strategiepläne für die Landwirtschaft zur Nutzung von nachhaltigen Verfahren wie Präzisionslandwirtschaft, ökologischem Landbau, Agrarökologie, Agrarforstwirtschaft und strengeren Tierschutzstandards führen. Die Kommission will mit den Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten, um die Potenziale von nachhaltigem Fisch und nachhaltigen Meereserzeugnissen als Quelle CO 2 -armer Lebensmittel auszubauen. Weiters soll der Einsatz und das Risiko chemischer Pestizide sowie die Verwendung von Düngemitteln und Antibiotika deutlich verringert und die Stellung der Landwirte in der Wertschöpfungskette verbessert werden. Die EU soll gemäß Europäischer Kommission innovative Wege zum Schutz der Ernten vor Schädlingen und Krankheiten entwickeln und die Nachhaltigkeit im Lebensmittelsystem mittels innovativer und sicherer neue Verfahren verbessern. Die Strategie soll auch darauf abzielen, einen nachhaltigen Lebensmittelverbrauch sowie erschwingliche und gesunde Lebensmittel für alle zu fördern. Eingeführte Lebensmittel, die nicht den einschlägigen EU-Umweltnormen entsprechen, werden auf den EU-Märkten nicht mehr zugelassen. Die Kommission wird schließlich auch Maßnahmen vorschlagen, um Verbrauchern dabei zu unterstützen, eine gesunde und nachhaltige Ernährung zu wählen und die Verschwendung von Lebensmitteln zu verringern. Dabei sollen neue Wege ausgelotet werden, um Konsumenten besser über Einzelheiten wie den Ursprungsort des Lebensmittels, seinen Nährwert und seinen ökologischen Fußabdruck zu informieren.

Grundsätzliche Anmerkungen aus Sicht der Bundessparte Industrie

Der Green Deal bietet Unternehmen neue Chancen, stellt sie aber zugleich vor enorme Herausforderungen. Klimaschutz und Wirtschaftswachstum enger zu verknüpfen, wird begrüßt – das Versprechen der Politik, dass dies auch eintreten wird, ist aber nicht genug. Ein derart umfassendes Projekt, das die Transformation unserer Gesellschaft und Wirtschaft zum Ziel hat, benötigt jedenfalls klare Perspektiven für die Planungs- und Investitionssicherheit von Unternehmen. Nur so kann die Entwicklung und Anwendung neuer CO 2 -armer Technologien auch zum „Business Case“ werden. Die betroffenen Branchen – und das sind nahezu alle Bereiche der Industrie – müssen daher mit industriepolitischen Begleitmaßnahmen und innovativen Anreizmodellen unterstützt werden, um den Umbau zu neuen, treibhausgasarmen bzw. -freien Technologien zu ermöglichen. Die Implementierung des EU-Binnenmarkts, der Abbau von Bürokratie und die Sicherstellung von fairem internationalem Wettbewerb sind vorrangige Ziele. Darüber hinaus benötigt die Industrie vor allem die Versorgung mit geeigneten Rohstoffen und Energieträgern zu kompetitiven Kosten. Solange sich die EU als Frontrunner lediglich zusätzliche Vorgaben auferlegt, ohne dem Aspekt des dringend notwendigen

ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 44 | 01. 2020 internationalen Level Playing Fields näher zu kommen, bleiben die notwendigen Fortschritte im Klimaschutz unerreichbar.

Faire Wettbewerbsbedingungen durch Grenzausgleichsmaßnahmen?

In Bezug auf die österreichische Nahrungsmittelindustrie ist grundsätzlich anzumerken, dass Zugangsbeschränkungen für Lebensmittel zum EU-Binnenmarkt, insbesondere jene, die für Weiterverarbeitung und Export produziert werden, kritisch zu betrachten sind. Die Betriebe der österreichischen Lebensmittelindustrie arbeiten sehr energieeffizient, ressourcenschonend und CO 2 -arm. Über den 20-MW-Schwellenwert sind einige Anlagen aus unserer Branche auch im EU Emissionshandel, einzelne NACE-Codes (z. B. für Öle und Fette, Stärke, Zucker und Malz) sind auch auf der Carbon Leakage Liste 2021–2030. Die Branche ist stark exportorientiert, deshalb wäre es aus dem Blickwinkel der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wichtig, international vergleichbare Verpflichtungen in der Produktion und für den Außenhandel zu erreichen. Der EU ETS könnte dafür ein Anknüpfungspunkt sein. Bis das gelingt, könnten EU-weit gültige, WTO-konforme und international anwendbare Klimazölle in einer Übergangsphase dazu beitragen, dass Importe in die EU auf Basis CO2-intensiver Produktionstechnologien nicht wettbewerbsschädigend für heimische Produzenten sind. Unabdingbare Voraussetzung für ein solches CO2-Regime ist aus unserer Sicht jedenfalls, dass es zu keiner Verteuerung von Nahrungsmittelrohstoffen (z. B. Fruchtsaftkonzentrat, Gewürze, Kakao usw.) und in weiterer Folge von Lebensmitteln kommt, über die Österreich nicht bzw. nicht in ausreichender Menge verfügt und auf deren Import wir täglich angewiesen sind.

DI Oliver Dworak Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich, Wien

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