stilwerk Magazin | anders | 01/2019

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Ausgabe 1 | 2019 € 5,50


Außergewöhnliche Momente erleben Sie in einer Umgebung, in der alles stimmt. Mit Formen, die einfach und klar sind.

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EDITORIAL


HOTEL KENIA Text und Foto: Tatjana Groß


„Als das ,Kaskazi Beach Hotel‘ in Kenia vor einigen Jahren eröffnete, beschloss man, Menschen vor Ort in dem Betrieb eine Ausbildung nach deutschen Richtlinien zu ermöglichen. Beeindruckt hat mich ein Massai, der mit seinem Stamm in Lehmhütten wohnte, aber nach einem modernen Job strebte. Seine größte Herausforderung waren nicht die Inhalte, sondern der Kleidungsstil in Form eines Anzugs. Nach erfolgreichem Abschluss konnten wir ihn für die Buchhaltung des Hotels gewinnen; für ein Budgetmeeting stand für ihn die erste Reise – nach Düsseldorf – an. Nachhaltig in Erinnerung ist mir geblieben, dass er schon damals feststellte, dass wir Deutschen ja gar keine Zeit für das Leben hätten, so gehetzt und unglücklich wirken… Begeistert hat ihn die Architektur und die Sauberkeit. Ende der 90erJahre erreichte mich eine Mail, dass er sein eigenes Hotel gebaut habe. Ich war zur Eröffnung eingeladen – und was soll ich sagen? Ganze vier Zimmer, einfache Ausstattung, Rezeption im Freien. Doch sein Mut und Stolz, einen Ort für Reisende geschaffen zu haben, die mehr von seinem Volk wissen wollen, faszinieren mich immer noch. Nicht schneller, höher, weiter, sondern stringent das, was er sich vorgestellt hat. Ich wünsche ihm von Herzen, dass er seinen Weg weitergeht, der immer anders war, als das, was ich kannte.“


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VOM GANZ GROSSEN BLING... Text: Silke Roth Fotos: Carlos Fernández Laser

…versteht Jonathan Johnson viel. Wer sein Atelier im Hamburger Stadtteil Neustadt besucht, staunt nicht schlecht: schwere Panzerketten, Kalaschnikow-Anhänger und dicke Ringe. Kauft hier die deutsche Rap-Szene ihr standesgemäßes Geschmeide ein? Auch, aber Anderssein gehört einfach zum Konzept. Erst recht auf die elitäre Etikette von Juwelieren zu verzichten. In der einen Ecke steht eine übergroße Star-Wars-Figur, in der anderen thront Spitzzwerg Wippo wie ein frisch frisiertes Elvis-Double. Die neueste Kollektion mit vergoldeten Siegelringen zieht man mit Münzen aus Kaugummiautomaten. Statt Familienwappen gibt es darauf emaillierte Motive wie die eines Einarmigen Banditen. Spätestens jetz ist man in der Welt von Jonathan Johnson, der eigentlich Oliver Pfeiffer heißt, angekommen. Der Goldschmiedemeister liebt es mit Gold und Prunk zu provozieren. „Schriftzüge wie 'Lehmann


Brothers', 'Hustler' oder 'Scheiße' zu tragen ist eine AlltagsRevolution. Es soll dem Träger Kraft verleihen“, so der Meister über seine Arbeit. Aber es geht hier mehr um Spaß in Las-VegasManier als wirklichen Tabubruch.


ZUKUNFTSMUSIK Text: Natali Michaely Fotos: Winkel van Sinkel und Malte Dibbern

Bereits zum 26. Mal wird dieses Jahr der Lucky Strike Junior Designer Award verliehen. Ein Tusch für den Design-Nachwuchs – und eine Olive. Eine Olive, die die Form einer Olive hat, intensiv nach Olive schmeckt, aber keine Olive ist? Für sein Restaurant „El Bulli“ anatomisierte Ferran Adria Lebensmittel in ihre Bestandteile, vereiste sie, bearbeitete sie mit Hightech aus der Medizintechnik und setzte sie neu zusammen. Heraus kamen Wunderwerke für den Gaumen – wie besagte Olive, die übrigens aus Mousse und Olivenöl bestand. Warum wir Ihnen das alles erzählen? Weil herausragendes Design soviel mehr aus einem Gegenstand macht als die Summe seiner Teile. Ein Erlebnis, das wir sehen, schmecken, fühlen – und nie wieder vergessen. Um zu zeigen, wie weit Design seine Fühler ausstrecken kann, wurde 1991 der Lucky Strike Designer Award ins Leben gerufen. Richard Sapper, Donna Karan, Ingo Maurer, Dieter Rams und Molekularküchen-Pionier Ferran

Adria – es sind berühmte Namen, die mit ihm gekürt wurden. Egal, ob für einen funktionalen Rasierapparat, ein Businesskleid oder smarte Nahrungsmittel. Namensgeber des Awards ist schließlich ein auf den ersten Blick ebenfalls eher simples Konstrukt, das Weltruhm erlangte. Das Logo einer Zigarettenschachtel. Roter Kreis auf weißem Grund. Einfach (und) unvergesslich. Anders als in den meisten Jahren stehen im 26. Jahr der Preisvergabe aber keine Stars im Rampenlicht. Seit das stilwerk 2013 die Führung der Raymond Loewy Foundation, die 1991 von British American Tobacco Germany gegründet wurde, übernommen hat, werden ausschließlich Nachwuchstalente gefördert. Ob Mode, Produktdesign oder Start-up, das Motto für alle lautet: „Designing the future matters“. Und – nicht vergessen – manchmal kann das eben auch eine „simple“ Olive sein. Die 25 ausgewählten Arbeiten können noch bis zum 8.12.2018 im stilwerk besichtigt werden. stilwerk.com/raymondloewyfoundation


ONE Soho leicht - elegant - elektrisch Dieser silberne Provokateur verwandelt dein Straßenpflaster zum Szeneviertel. Vom einflussreichen Swinging London der 60er Jahre hat sich unser ONE Soho den Retrolook abgeschaut. Gebürstetes Aluminium, edle Brooks Komponenten und die sportliche Rahmengeometrie mit 13,7 kg geben dem ONE Soho einen Rennrad-Charakter, den man erlebt haben muss. Du willst ein Coboc Bike Probe fahren?! Dann schreib uns eine E-Mail an stilwerk@coboc.biz

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Kay Alexander Plonka schrieb für uns über den Designer Dieter Rams. Als Korrespondent für ein österreichisches Fachmagazin beschäftigt sich Plonka mit Nachhaltigkeit, Trends und Design. Er hat keinen Amazon-Account, liebt Klassiker und lässt sein Fahrrad auch dann nochmal reparieren, wenn es sich gar nicht mehr lohnt.

Manuel Almeida Vergara berichtete von den Frauen des Bauhauses und erzählte die Geschichte der Kunstschule so einmal anders als bekannt. Das macht der Journalist ohnehin gern: Als freier Autor, Redakteur und Modekolumnist der "Frankfurter Rundschau" beleuchtet er neben den ästhetischen Prämissen des Designs auch seine soziologischen und gesellschaftlichen Facetten.

Thomas Geisler ist Fahrradfan durch und durch. Ob Citybike, Rennrad oder Mountainbike – gerne ist er auf zwei Rädern unterwegs und zieht sogar zum Transport eines Trockners mittlerweile das Cargobike dem Lieferwagen vor. E-Bikes sind für ihn kein Rentnerrad, sondern eine praktische Mobilitätshilfe im Alltag.

Verena Berg

MITMACHERINNEN

Natali Michaely ist zu je 50 Prozent Sizilianerin und Schleswig-Holsteinerin. Unsere Textchefin arbeitet als freie Autorin/Textchefin für u.a. „Couch“, „Gala“ und „B’eat“. Anders ist nicht nur die Schreibweise ihres Vornamens: Natali liebt französische Chansons und Sixties-Raritäten — mit Charts kann man sie jagen.

Nicole Niewandomski begrüßt in ihrem Leben alles, was irgendwie anders oder neu ist. Als jemand, der viel Abwechslung braucht, um sich lebendig zu fühlen, hat sie die Fähigkeit entwickelt, in (fast) allem etwas Schönes, Interessantes oder Inspirierendes zu finden. Für uns guckte die Autorin hinter die Fassade des Ballett-Neudenkers John Neumeier und entdeckte ein Stückchen des Menschen hinter der Legende.

Bazon Brock bezeichnet sich selbst als Denker im Dienst und Künstler ohne Werk. Er ist emeritierter Professor am Lehrstuhl für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Bergischen Universität Wuppertal. Seit 2011 betreibt er die "Denkerei/Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand" mit Sitz in Berlin.

Stephanie Neubert findet: Anderssein begleitet uns alle ein Leben lang — den einen mehr, den anderen weniger. Für uns traf die Mode-Journalistin die Macher des Berliner Modelabels WDMC, das Altkleider aus Afrika als letzten Schrei der Fashion Industrie verkauft. Kunstprojekt, Provokation oder High Fashion? Auf jeden Fall: ziemlich anders.

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Kay Tkatzik

Silke Roth ist freie Journalistin aus Hamburg. Irgendwann hat die frühere Moderedakteurin ihre High Heels gegen ein Surfbrett eingetauscht. Heute schreibt sie ihre Geschichten für Magazine wie "Gala", "JWD" und "Couch" von den Stränden zwischen Portugal und Kalifornien aus. Mit ein bisschen Sand in der Tastatur beschäftigte sie sich mit den Ausmaßen des Plastikmülls in den Weltmeeren und erklärte, wie befreiend es sein kann, nach der japanischen WabiSabi-Lehre auf Dinge zu verzichten.


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LESS. BUT BETTER. Die große Kunst von Dieter Rams: das Design selbst denken zu lassen. So entstanden Möbel, Hifi- und Haushaltsgeräte mit globalem Kultstatus. Doch Rams ist auch ein Vordenker der Nachhaltigkeit, wie ein neuer Film über Leben und Werk der deutschen Industriedesign-Ikone zeigt. Text: Kay Alexander Plonka Fotos: Bo Lund

hatte ich das Gefühl, dass sein Werk und sein Einfluss auf das Design zumindest jenseits von Deutschland nicht die Wertschätzung erfahren, die sie eigentlich verdienen. Seine Arbeit hat fast alle Objekte, die uns heute umgeben, maßgeblich geprägt. Sein visuelles Vokabular der fünfziger und sechziger Jahre hat Auswirkungen bis heute. Seine ganze Philosophie ist einfach beeindruckend.“ Wie beeindruckend, sieht man auch daran, dass Hustwits Film schon das zweite filmische Porträt über den legendären Braun-Designer ist. Bereits im Jahr 1996 erschien der vom WDR produzierte Beitrag „Wer ist Mr. Braun? – Der Designer Dieter Rams“, ebenfalls ein sehenswertes Porträt. In dessen Fokus steht der Werdegang des 1932 in Wiesbaden geborenen Rams, der in seiner Heimat Architektur studierte, eine Ausbildung zum Tischler absolvierte und ab 1955 jahrzehntelang gestalterisches Mastermind beim Elektrogeräte-Hersteller Braun war. Erwin und Artur Braun, die nach dem Tod ihres Vaters die Firma übernommen hatten, waren dabei, das Unternehmen radikal zu modernisieren und engagierten Rams für die Gestaltung der Firmen-

räume. Die Designabteilung von Braun arbeitete damals unter der Leitung von Fritz Eichler eng mit der Hochschule für Gestaltung in Ulm zusammen, unter anderem mit Hans Gugelot und Otl Aicher. Schnell erkannte man Rams’ Talent und bezog ihn in die Entwurfsarbeit mit ein. Ein bis heute berühmtes Ergebnis war der Plattenspieler „Phonosuper SK4“ von 1956, dessen Plexiglasdeckel ihm den Spitznamen „Schneewittchensarg“ einbrachte. Ziel der Entwürfe von Rams war immer die Klarheit der Form, Materialgerechtigkeit und eine einfache Bedienbarkeit Von 1961 bis 1995 leitete Rams die Designabteilung und war zusammen mit seinem Team für viele wegweisende Elektrogeräte des 20. Jahrhunderts verantwortlich. Mehrer von ihm entworfene Objekte und Möbel gehören zum Bestand des Museum of Modern Art in New York. Als Rams 1959 Erwin Braun um Erlaubnis bat, Möbel für Niels Vitsœ und Otto Zapf zu entwerfen, wurde ihm diese sofort gewährt: „Das wird dem Absatz unserer Radios helfen“, befand Braun. Im darauffolgenden Jahr wurde das wandmontierte Regalsystem „606“ auf den Markt gebracht. Die zweigleisige Karriere von Dieter Rams dauerte bis zu seiner Pensionierung bei Braun 1997 an. Bis heute arbeitet er für den Möbelhersteller Vitsœ. Reminiszenzen an die Designs von Dieter Rams findet man auch heute noch bei zahlreichen Herstellern. Große Fans waren Steve Jobs und Jonathan Ive, Chief Design Officer bei Apple, die sich bei den Entwürfen für iPod, iPhone und Co maßgeblich durch Arbeiten und Prinzipien von Rams beeinflussen ließen. Und auch wenn der Designer einst sagte, „Die Firmen, die Design wirklich ernst nehmen, können Sie an zehn Fingern abzählen. Apple gehört dazu“, dürfte er von der Arbeitsweise und Haltbarkeit der Apple-Produkte nur wenig beeindruckt sein. Bereits 1976 hielt Rams in New York eine vorausschauende Rede, in der er seine Vorstellung von verantwortungsvoller Gestaltung erläuterte. Mit dem Hinweis auf die zunehmende und unumkehrbare Knappheit natürlicher

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„Rams“ heißt der Film. So schnörkellos wie das Design seiner Titelfigur. Denn nur was so konsequent reduziert und funktional daherkommt, hat Anspruch auf die Ewigkeit. Nun ist Dieter Rams mittlerweile zwar ein älterer Herr, aber von der Ewigkeit noch weit entfernt, doch immerhin stammen seine berühmtesten Design aus den 50er bis 70er-Jahren. Und hier kommt Filmemacher Gary Hustwit ins Spiel: „Ich wollte Rams’ Wissen einer jüngeren Generation vermitteln. Denn ich mache eigentlich nur Filme, die ich selbst gern gucken würde und die es noch nicht gibt“, erklärte er im AD-Magazin und führte aus: „Dieter Rams traf ich das erste Mal 2008. Nach unseren Gesprächen


Ressourcen fordert er dazu auf, mehr Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen. „Ich glaube, dass zukünftige Generationen erschaudern werden angesichts der Gedankenlosigkeit, mit der wir unsere Häuser, unsere Städte und unsere Landschaft mit aller Art Plunder vollstopfen“, sagte der damals 44-Jährige fast seherisch. Seither hat er sich für ein Ende des Verschwendungszeitalters eingesetzt und beharrlich die Frage gestellt, wie wir auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen überleben wollen, wenn wir Kaputtes oder Ungeliebtes einfach nur wegwerfen. Diesem Credo folgt der Möbelhersteller Vitsœ, Rams’ zweiter Arbeitgeber, seit mehr als 50 Jahren. Das Ziel: nachhaltiger zu leben, mit Wenigem, das dafür lange hält. Deshalb wird beispielsweise das schienenbasierte Regalsystem „606“ nahezu unverändert hergestellt. Auf Preisreduzierungen warten die Kunden vergebens, dafür können sie sicher sein, dass wenn sie mit ihrem Regal umziehen oder es erweitern wollen, die erforderlichen Modulbausteine zur Verfügung stehen, damit der Klassiker auch in Zukunft zum Einsatz kommen kann. Nur folgerichtig, dass Dieter Rams, heute 86, mit seiner Frau Ingeborg eine nach dem Ehepaar benannte Stiftung gründete, die uns alle zu einem rücksichtsvolleren Leben ermutigen will. Denn gutes Design ist eben nicht nur innovativ, ehrlich, ästhetisch, brauchbar, unaufdringlich, verständlich, konsequent bis ins letzte Detail und so wenig Design wie möglich. Gutes Design ist auch langlebig und damit umweltfreundlich. Wer wissen will, in welchem Maße, sollte sich „Rams“ angucken. Denn Dieter Rams berühmte zehn Thesen zu gutem Design reflektieren letztlich auch seine Lebensweise: sich von Ablenkung und visuellem Überfluss frei zu machen und nur mit dem auszukommen, was man wirklich braucht. Nach der Deutschland-Premiere im Frankfurter „Museum für Angewandte Kunst“ ist Regisseur Gary Hustwit mit dem Film noch bis Ende des Jahres auf Tour durch Europa und die USA.

Dieter Rams erklärt seine Erfindung des portablen Plattenspielers "Phonotransistor TP1" für 7" Vinyl, für welchen er 1961 einen Designpreis erhielt. Alle Screenshots aus dem Film „Wer ist Mr. Braun?, ein Film von Susanne Mayer-Hagmann. Im Vertrieb von Jo Klatt Design + Verlag, Hamburg © 2008


Diese 7 Produkte der Firma Braun entstanden unter anderem in den 70/80er-Jahren. Sie fanden viele begeisterte Käufer und später auch eine ständig wachsende Zahl von Designsammlern. Aus dieser Sammlergruppe bildete sich ein gut organisiertes Zentrum für Freunde des Braun-Designs. Ein kleiner Meilenstein in der Designentwicklung war der in hohen Stückzahlen hergestellte Braun-Trockenrasierer „sixtant SM 31“. Markant und neu waren die mattschwarze Gehäusefarbe und der silbermetallene Scherkopf, beides in einer damals neuartigen, strichmattierten Oberfläche. Diese Farbkombination wurde signifikant für die Gestaltung späterer Braun-Geräte. Design G.A. Müller, H. Gugelot, 1962.

Der sehr beliebte und gebrauchstüchtige Taschenrechner „ETS 77“ wird mit Solartechnik betrieben. Die wichtigsten Tasten sind farblich gekennzeichnet, die Oberflächen sind nach außen gewölbt, haben genügend seitlichen Abstand und machen den Rechner besonders bedienungsfreundlich und tippsicher. Design D. Lubs und D. Rams, 1987.

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BROWNIES MIT GESCHICHTE


Im Mittelpunkt stand die Informationszeitschrift „Design+Design“ die von 1984 bis 2012 jeweils 4 mal im Jahr erschien und umfassende Informationen zum Braun-Design und zu BraunErzeugnissen veröffentlichte.

Das Feuerzeug „mach 2“ mit seiner kompakten klaren Form und der robusten Piezozündung ist ein überzeugendes Beispiel für langlebiges Design. Das Feuerzeug wurde fast 15 Jahre lang unverändert hergestellt. Design D. Rams, F. Seiffert, 1971.

Die Digital-Tischuhr „phase 1“ funktioniert mit Segmentwalzen, die getrennt Zeit und Datum anzeigen. Für jede Ziffer ist ein komplettes Anzeigefeld vorgesehen. Design D. Rams und D. Lubs, 1971.


Magazin Anders _________ 18 Als die Kaffeemaschine KF 20 Aromatic auf den Markt kam, wurde sie als die schönste Kaffeemaschine der Welt bezeichnet. Aus diesem Grund war sie auch ein begehrtes Accessoire bei Küchen- und Einrichtungsfotos: der 70er Jahre. Die KF 20 arbeitet nach dem klassischen Filtersystem, mit einer Brühfunktion in Stufen und hat zwei aufwändige Heizsysteme. Design F. Seiffert, 1972.


Produkttexte: „Braun+Design Collection“, Jo Klatt Design+Design Verlag, Hamburg. www.joklatt@design-und-design.de 1000 Dank für die Leihgaben an Andreas Billip und an Jo Klatt für den spontanen und tollen Support

Quadratisch, praktisch und gut ist der kleine Tisch- und Reisewecker „AB 7“. Es gibt ihn in mehreren Farben und er überzeugt durch das klar gestaltete, gut ablesbare Zifferblatt. Design D. Lubs, 1992.

Den Haartrockner „PX 1600“ mit seinem abgewinkelten Griff gibt es in den Farben Weiß und Schwarz. Aufsteckbare Vorsatzteile für die Luftstromgestaltung, Aufhängeöse und Antirutschauflage machen ihn zu einem praktischen Alltagsgerät. Design R. Oberheim, 1993.


Foto: Bauhaus-Archiv Berlin

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Die Geschichte des Bauhauses ist eine Geschichte der Männer. Sie hatten an der legendären Kunstschule nicht nur das Sagen, sondern drängten die Studentinnen systematisch ins Abseits. Höchste Zeit also, Geschichte anders zu erzählen — und zu zeigen, dass die Bauhaus-Frauen alles andere als Randfiguren waren. Text: Manuel Almeida Vergara

KEIN NETTES HOBBY FÜR NETTE MÄDCHEN

Keine Lust auf brave Hausarbeit: Marianne Brandt und Kommilitoninnen.

Alle Zeichen stehen auf Rot. Und auf Blau. Und Gelb. Den Bauhaus-Farben eben. Schon vor dem 100. Gründungsjubiläum der legendären Kunstschule im kommenden Jahr überschlagen sich Firmen mit Sonder-kollektionen zum Thema, üben sich Marken im radikal nüchternen Stil, laden Museen und Kunsthäuser zu Schauen rund um das Erbe des Bauhauses ein. Das Unternehmen Rasch zum Beispiel – durch die Entwicklung der ersten Bauhaus-Tapeten in den 30er-Jahren ohnehin eng mit der Kunstschule verbunden – bringt einmal mehr eine von feinen Strukturen und klaren Farben bestimmte Bauhaus-Kollektion heraus. Die britische Modemarke Paul Smith wiederum lässt sich für Pullover und Schals von Anni Albers inspirieren. Allein für sie, die Bauhaus-Studentin, die virtuose Handwerkerin und vielschichtige Künstlerin, wurde auch die Retrospektive „Anni Albers“ erarbeitet, die noch bis zum Januar in der Londoner Tate Modern läuft, nachdem sie in der Kunstsammlung NRW zu sehen war. „Die Idee zu der Ausstellung lag zwischen beiden Häusern in der Luft“, sagt die Düsseldorfer Kuratorin Maria Müller-Schareck. Nicht wegen des anstehenden BauhausGeburtstages allerdings, „sondern weil wir in den letzten Jahren einen Fokus auf vergessene Künstlerinnen gelegt haben“.

Vergessen, übersehen, unterschätzt – lange Zeit passte das zu Anni Albers und ihren prägnant gemusterten Geweben. Genauso passte das zu Marguerite Friedlaender und ihren schlichten Teeservice und zu Gunta Stölz und ihren abstrakten Wandteppichen. Es passte zu der Spielzeugdesignerin Alma SiedhoffBuscher, der Fotografin Gertrud Arndt, der Bildhauerin Ilse Fehling. Denn die nur 14 Jahre währende Geschichte der in Weimar gegründeten und in Dessau zu internationalem Ansehen gelangten Kunstschule ist nicht nur eine Geschichte des avantgardistischen Konzepts, der Vereinbarkeit von Kunst und Kunsthandwerk, der Freundschaft beider Gattungen. Die Geschichte des Bauhauses ist auch eine Geschichte der Männer. Zumindest waren sie selbst davon überzeugt, die Männer, die Lehrenden und Studenten um Schulgründer Walter Gropius. „In diesem Sinne war das Bauhaus kein Vorbild“, sagt Uta Brandes. Die emeritierte Professorin lehrte „Gender und Design“ an der Köln International School of Design und setzt sich heute als Mitbegründerin des International Gender Design Networks für geschlechtersensible Gestaltung und eine gerechte Rollenverteilung in der Branche ein. Ihre Stimme wird ein bisschen spitz, als sie Gropius’ Programm zur Schulgründung 1919 verliest: „Als Lehrling aufgenommen


„Sie alle eint eine Suche nach dem Zeitlosen, dem Zeitüberdauernden. Und der absolute Wille, etwas zu gestalten, in

Foto: Rasch

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die Welt zu bringen, was nicht schreiend ist, was nicht Aufmerksamkeit heischt, sondern eine stille Kraft entwickelt.“

Signalrot: Die Bauhaus-Kollektion der Firma Rasch spielt mit den prägnanten Farben und Strukturen der Kunstschule.

wird jede unbescholtene Person, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, deren Begabung und Fortbildung vom Meisterrat als ausreichend erachtet wird.“ Überrascht und schockiert, vielleicht ein bisschen beleidigt sei der Architekt Walter Gropius dann gewesen, als sich viele Frauen auf die Studienplätze bewarben, schließlich im ersten Jahrgang sogar mehr Frauen als Männer studierten. Wenig später habe es dann geheißen, man brauche „eine scharfe Aussonderung gleich nach der Aufnahme, vor allem bei den Zahlen nach zu stark vertretenen weiblichen Geschlecht“, liest Brandes vor. „Und wenn die dann schon da waren, dann sollten sie wenigstens das machen, was Frauen sowieso schon konnten“, ergänzt sie in eigenen Worten. „Häkeln, stricken, sticken, hegen und pflegen.“ Es ist bekannt, dass den weiblichen

Studentinnen am Bauhaus früh nahegelegt wurde, sich den Weberei- und Keramik-Klassen zu widmen. Sie wären gedrängt worden, heißt es sogar. Noch galt die Annahme – selbst am progressiven Bauhaus –, Frauen seien für zartere, einfachere Aufgaben besser geschaffen als für die Arbeit an Metall oder Staffelei. Umso bemerkenswerter, dass die Frauen in eben diesen Klassen dann Herausragendes leisteten. „Letztlich war es die Textilwerkstatt, die der Schule am meisten Geld eingespielt hat“, sagt Kuratorin MüllerSchareck. „In Dessau haben die Frauen immer mehr Kooperationen mit der Industrie angeschoben, haben Messen bestückt und für große Firmen Entwürfe gemacht.“ Sie haben erdacht und produziert – nicht nur dekorative Wandbehänge mit hübschen Mustern, sondern echte textile

Innovationen. Anni Albers etwa hat für ihre Abschlussarbeit 1929/30 ein schallschluckendes Gewebe erfunden und wurde sodann Nachfolgerin von Gunta Stölz als Leiterin der Werkstatt. „Auch Anni Albers hat später in Interviews gesagt, dass sie in diese Richtung geschoben wurde“, sagt Müller-Schareck. „Aber es ist doch gerade beeindruckend zu sehen, was die Frauen dann aus ihrer Situation gemacht haben.“ Bei Marianne Brandt war das anders. Sie hatte sich bis zu den harten Formen durchgekämpft. „Zuerst wurde ich nicht freudig aufgenommen. Eine Frau gehöre nicht in die Metallwerkstatt, war die Meinung“, schrieb sie später in ihrem „Brief an die junge Generation“. Doch mit verstellbaren Nachttischlampen, die unter dem Markennamen „Kandem“ vertrieben wurden, schuf sie schon 1926 eines der


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Rechts Ein hochkomplexes Verfahren: Anni Albers an ihrem Webstuhl.

Foto: Christoph Sandig Foto: Anni Albers: Tate

Unten Das passt: Unter anderen wird das „Mokkaservice Hallesche Form" von 1930 jetzt in Halle an der Saale ausgestellt.

kommerziell erfolgreichsten Produkte der ganzen Bauhaus-Geschichte. Und trotzdem: Das Interesse an den Bauhäuslerinnen und ihren mannigfaltigen Werken wurde erst zum Ende des 20. Jahrhunderts hin größer. Heute stehen sie mehr im Fokus denn je: Bis weit in den Februar kommenden Jahres hinein stellt die Kunsthalle Talstrasse in Halle an der Saale Arbeiten von Marguerite Friedlaender aus, darunter zeitloses Porzellan und Keramiken. Im März kommt dann eine Neuauflage des Buches „Bauhaus-Frauen“ von Ulrike Müller heraus, das den Meister innen in Bild und Text ein Denkmal setzt. Und die Anni-Albers-Ausstellung in der Tate zeugt während der nächsten Wochen

davon, dass die Künstlerinnen am Bauhaus aller Widrigkeiten zum Trotz nicht nur Großes geleistet, sondern auch für die Kunst und das Leben gelernt haben. „Sie alle eint eine Suche nach dem Zeitlosen, dem Zeitüberdauernden“, sagt Kuratorin Maria Müller-Schareck. „Und der absolute Wille, etwas zu gestalten, in die Welt zu bringen, was nicht schreiend ist, was nicht Aufmerksamkeit heischt, sondern eine stille Kraft entwickelt.“ Höchste Zeit also, die BauhausGeschichte anders zu erzählen, die Arbeiten der Bauhaus-Frauen, der Weberinnen und Keramikerinnen allen voran, anders zu betrachten. Als funktional, innovativ und wertvoll – und nur darüber

hinaus als dekorativ, ästhetisch und wohlgefällig. Eben nicht bloß als nettes Hobby für nette Mädchen. „Die Weberei zum Beispiel ist ein hochkomplexes und herausforderndes Verfahren, das nichts zu tun hat mit den kleinen handwerklichen Näharbeiten, die Frauen im 19. Jahrhundert gemacht haben, weil sie nichts anderes machen durften“, sagt Uta Brandes. Sie holt nochmal ihre Zitatliste raus, diesmal wählt sie eines von Oskar Schlemmer, dem vielseitigen Künstler und Leiter der Wandbildmalerei-Werkstatt: „Wo Wonne ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib“, liest sie vor. Und ihre Stimme wird ein bisschen spitz dabei.


ZWEITBERUF: PSYCHOLOGE Magazin Anders _________ 26


Seit 44 Jahren leitet John Neumeier das Ballett Hamburg und führte die Kompanie an die Spitze der internationalen Weltklasse. Vor kurzem wurde sein Vertrag bis 2023 verlängert. Was macht einen 79-Jährigen so unverzichtbar? Wir sprachen mit Alban Pinet, der vier Jahre unter Neumeier tanzte, über die Faszination des ewigen Ballett-Revolutionärs. Interview: Nicole Niewiadomski Fotos: Kiran West


Unterscheidet ihn das von seinen Kollegen? Ich glaube, man kann ohne Zögern sagen, dass er der Meister des Erzählens ist. Er wird ja auch oft als Nachfolger des britischen Choreografen John Cranko bezeichnet. Cranko war der erste, der die Entwicklung einer Geschichte innerhalb einer Szene dargestellt hat. Davor existierte dies wenig. Wie ist es, mit John Neumeier zu arbeiten? Er soll gern die Namen seiner Tänzer vergessen. Das stimmt. Da ich aber selbst Probleme habe, mir Namen zu merken, habe ich hiermit Nachsicht. Das Besondere ist, dass es bei John viel um psychologische Zustände geht. Jede der Bewegungen, die er choreografiert, hat etwas mit einer persönlichen Erfahrung gemeinsam. In Kameliendame sieht man zum Beispiel die Figur Armand, die auf dem Boden kniet. Dann nimmt Margeritte seine Hand und legt ihren Kopf darauf. Sie bittet um Erlösung von ihren Schuldgefühlen. Das ist eine Erfahrung, die John genauso mit einer kranken Freundin gemacht hat: Es hatte in all den Jahren ihrer Freundschaft Reibungen gegeben, wie das eben manchmal zwischen Freunden so ist, und nun lag sie im Sterben. Sie hatte ihm ihre Hand hingehalten und er seinen Kopf in sie hingelegt. Für ihn war dies ein Moment voller Vergebung. Viele solcher persönlichen Erlebnisse kommen in seinen Choreografien vor und er erzählt auch sehr oft davon. Das ist schon sehr besonders. Man hat den Eindruck, durch seine Arbeit viel über sein Leben zu erfahren.

Dabei wird John Neumeier oft als distanziert dargestellt. Ich habe mich nie auf persönlicher Ebene mit ihm ausgetauscht, man versucht aber natürlich, ein Verhältnis zu diesem „Gott des Tanzes“ aufzubauen. Man möchte das Gefühl haben, dass man ihm in irgendeiner Weise nahesteht. Dazu gibt es aber wenig Gelegenheiten: Er kommt ins Studio, er sagt „hallo“, und dann geht es auch schon los. Aber dadurch, dass er im Ballett mit sehr vielen unterschiedlichen Charakteren zu tun hat, kann er sehr gut mit Menschen umgehen und sie auch schnell durchdringen. Ein guter Psychologe? Absolut! Das muss man aber auch sein, um eine Kompanie zu leiten. Er hat eine sehr gute Menschenkenntnis. John Neumeier sagte einmal, er sei früher „ein großer Schreier“ gewesen. Können Sie das bestätigen? Wenn er ungeduldig wurde, ist das schon mal passiert. Aber er ist generell ein sehr lieber Mensch. Ich habe ihn allerdings auch oft im positiven Sinne schreien hören. Er schreit gern, um seine Tänzer anzuspornen. Wenn man rennt, dann muss man um sein Leben rennen, und wenn man zusammenbricht, dann muss man auch wirklich zusammenbrechen.

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„Nijinsky“ ist eins der Schlüsselstücke in John Neumeiers Karriere. Bis heute inspiriert die tragische Geschichte des russischen Tänzers Vaslav Nijinsky, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Ballett revolutionierte, ihn sehr stark. Können Sie diesen Einfluss nachvollziehen? Auf jeden Fall. Nijinsky war ja der Star der Ballets Russes. Ich glaube, John will zeigen, dass der Ursprung des modernen Tanzes in den Ballets Russes liegt. Dass vieles, was heute als sehr fortschrittlich bezeichnet wird, schon damals in irgendeiner Form existiert hat. John hat sich aber auch in „Le Sacre du Printemps“ und in „Vaslav“ mit Nijinsky auseinandergesetzt. Dieser Einfluss zieht sich wie ein roter Faden durch seine Arbeit. Das Ballett Nijinsky ist teils biografisch, teils erzählerisch. Das ist gerade das Spannende an der Arbeit von John: Er choreografiert sehr erzählerisch, wie in einem Buch. Es gibt Ellipsen, Erinnerungen, Allegorien.


Alles nur nicht halbherzig? Genau. Und wenn es eine Rolle ist, in der man Qualen erleiden muss, wie zum Beispiel in „Sacre du Printemp“, dann findet er es nicht gut, wenn man nicht auch tatsächlich selbst leidet. Manchmal haben wir Tänzer versucht, aus den Kulissen heraus die Hauptdarstellerin ein bisschen anzufeuern, denn das Ende dieses Balletts ist einfach furchtbar für sie. Es ist sogar schon einmal passiert, dass sich die Kollegin in den Kulissen übergeben musste. Weil das so extrem zu tanzen ist oder weil das so extrem anzuschauen ist? Beides. Die letzte Szene ist einfach körperlich und geistig unfassbar anstrengend. Und wenn man bedenkt, dass vier Mal pro Woche Vorstellungen stattfinden, ist das für die Tänzer schon eine unglaubliche Belastung. Wobei ich nicht denke, dass man vier Mal die Woche wirklich „authentisch zusammenbrechen“ kann. Irgendwann muss man auch seinen Körper schonen, damit man am nächsten Tag noch aufstehen kann. Aber Authentizität ist John sehr wichtig. Da kommt also der Perfektionist durch. Definitiv, aber mit John ist Perfektion auch immer eine heikle Sache, weil er teilweise auch Dinge schön findet, die nicht perfekt sind. Zum Beispiel möchte er, dass Figuren, die als jung und unerfahren dargestellt werden sollen, etwas Ungelenkes mit den Armen machen. Und der Kopf muss ein bisschen verwirrt aussehen. Aber die Beinarbeit, die soll bitteschön perfekt sein!

Totale Kontrolle — oder gibt es auch Raum für Spontanität? Nun, John findet es zum Beispiel nicht schlimm, wenn Tänzer durch die Leidenschaft so mitgenommen werden, dass sie auf der Bühne hinfallen. Es gab eine Situation, in der meine Kollegin und ihr Partner in einer Aufführung rückwärts auf den Hintern gekracht sind. Das hat ihm sehr gefallen. Ist Neumeier ein Proben-Schreck? Nein, das war eher eine Art humorvoller Wettkampf. John tanzt die Bewegungen vor, und jeder möchte sie möglichst gut nachmachen, aber gleichzeitig noch einen eigenen Twist hinzufügen. So, dass der Meister am Ende sagt „ja, genau das ist es – das nehmen wir!“ John Neumeier ist 79 und hat seinen Vertrag beim Hamburg Ballett gerade bis 2023 verlängert. Was kann da noch kommen? John hat so viel Einfluss auf die Kompanie, dass ich bezweifle, dass er jemals aufhören wird. Aber ob er noch viel Neues kreieren wird – keine Ahnung. Das weiß wahrscheinlich niemand, außer seine engsten Mitarbeiter. Welches seiner Ballette ist Ihr Favorit? Ich finde alle wunderschön, aber ich liebe den „Tod in Venedig“. Es ist so herrlich choreografiert und durchdacht. Und auch die sehr spezielle Art und Weise, wie John Musiksequenzen verbindet, finde ich genial. In „Tod in Venedig“ waren es zum Beispiel Wagner und Bach und dazu noch Rockmusik. Wunderbar!

Alban Pinet absolvierte seinen Ballettunterricht u.a. am Konservatorium von Bordeaux und an der Ballettschule der Opéra National de Paris. Von 2009 bis 2013 war er Mitglied in John Neumeiers Hamburg Ballett, für das er auch als Solist in „Nijinsky“ brillierte. Danach wechselte der Franzose zum Düsseldorfer Ballett am Rhein, wo er nach Beendigung seiner aktiven Karriere als Dramaturg und künstlerischer Produktionsleiter tätig ist.


… das glaubt man Norbert Bretz aufs Wort. Sein Familienunternehmen macht Sofas mit Krönchen oder im Wolken-Look. Mit Carolin Kutzera kommt nun der Generationswechsel. Interview: Silke Roth

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MÖBEL HABEN AUCH GEFÜHLE


Hatten Sie von Anfang an eine Vorstellung von Ihrem Signature-Stil? Der war relativ schnell klar, als wir anfingen, Sofas zu bauen, die unseren Persönlichkeiten entsprechen. „True Character“ nennen wir sie. Goldene Füße und Zebramuster für ein Luxussofa zu wählen, ist recht mutig für ein deutsches Unternehmen... Der Wunsch, dem Minimalismus etwas entgegenzusetzen, lässt uns sehr kreativ werden. Wir finden, dass man Regeln durchaus brechen sollte, um Innovation zu kreieren. Dies erfordert Mut, ja, und so typisch deutsch scheint es auch nicht zu sein … Dann sind deutsche Wohnzimmer für Sie eine emotionale Sache? Sie sind klarer geworden, da zum Beispiel Wohnwände weggefallen sind – das bietet Raum für großzügige Sofas. Wir merken aber, dass eine Sehnsucht nach Rückzug und Gemütlichkeit besteht. Im Wohnraum darf man sein, wie man ist. Viele trauen sich in dem Zuge auch, ein

farbenfrohes Bretz-Sofa zu wählen. Es spendet dem Raum direkt eine Prise Wärme, so dass gar nicht viel in Bezug auf Dekoration getan werden muss. Ihre Nichte Carolin Kutzera hat kürzlich die Geschäftsführung ihres Bruders Hartmut übernommen. Was verändert sich in Zukunft? Carolin ist es wichtig, die DNA des Unternehmens fortzuführen: Tradition, regionale Fertigung und höchste Qualität. Sie wird die Marke weiter zuspitzen, vor allem die Brand Stores. Gleichzeitig ist ihr Ziel, Bretz international bekannter zu machen. Aktuell sind unsere Hauptabsatzmärkte die deutschsprachigen Länder. Verrückt, groß, bunt — welche Länder mögen das? Europäisch liegen für uns Frankreich und Holland im Fokus. Darüber hinaus haben wir auch in Übersee Ambitionen, uns zu vergrößern. In China findet vor allem das Thema hochwertige Marken und Made in Germany Gefallen. Die erfolgreichsten Design-Ideen entstanden oft im brüderlichen Zwist. Kann Carolin da mithalten? Carolin hat sich als Creative Director schon in den letzten zehn Jahren in den brüderlichen Streit eingeklinkt und so etwa unseren Topseller „Ohlinda“ kreiert. Wie unsere gesamte Familie brennt Carolin für Sofas. Sie ist wahnsinnig stolz, das Leben unserer Kunden farbenfroh zu machen.

Fotos: Bretz

stilwerk: Herr Bretz, wie wird man mit knalligen, extrovertierten Möbeln erfolgreich? Norbert Bretz: Man muss den Stil konsequent leben und keine Abstriche in Qualität und Komfort machen. Wir möchten etwas für Menschen kreieren, die Einzigartiges suchen. Dabei nehmen wir in Kauf, dass es einigen so ganz und gar nicht gefällt.


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HEISSE SACHE


Gewächshaus im Morgenlicht: Hinter diesen Wänden befinden sich die Salatbeete der Zukunft – „Farmers Cut“ am Hamburger Oberhafen. Drinnen wachsen die Grünpflanzen streng bewacht und bei besten Bedingungen: Hohe Luftfeuchtigkeit, 18 Stunden künstliches Tageslicht – bei sechs Stunden Nachtruhe. Aufwand, der sich lohnt: Auf dem Teller entfaltet sich ein unglaubliches Aroma.

Fotos: Farmers Cut

Salat, der in der Wüste wächst? Kein Traum aus 1001 Nacht, sondern die Vision eines Unternehmers. Auf den Spuren eines grünen Wunders mitten in der Hamburger Großstadtsteppe. Text: Roland Rödermund Eine eher unwirtliche Laborwelt am Hamburger Oberhafen. Die Technik dröhnt, draußen ist es grau in grau. Doch die 1200 Quadratmeter große Halle wurde durch Mark Korzilius und sein Team von „Farmers Cut“ zum Zaubergarten. 30 Sorten Salat und anderes Grünzeug wachsen hier: Rucola, Pak Choi, Kresse, Sauerampfer. Ohne Sonnenlicht, Erde oder Pestizide. Auf Knopfdruck fahren zwei Rolltore hoch, der Blick fällt auf eine Armee winziger Setzlinge. „Irre, oder?“, fragt Korzilius, selbst immer noch erstaunt. 2017 gründete er „Farmers Cut“ mit seiner Kollegin Isabel von Molitor, um die Lebensmittelindustrie aufzumischen. Im Container wachsen die Pflanzen auf Decken in Nährstofflösung, in Regalen übereinandergestapelt. Neun Etagen vertikale Landwirtschaft – platzsparend und selbst für kleinsten (Stadt-)Raum geeignet. Auch der Wasserverbrauch soll um 90 Prozent niedriger sein als bei herkömmlichem Anbau. Aber lohnt der Aufwand auch in Hinsicht auf den Energieverbrauch? LED-Leuchten ersetzen das Sonnenlicht. Hohe Luftfeuchtigkeit, konstante 21 Grad und künstlicher Tag-NachtWechsel sorgen für optimale Bedingungen. Nach 19 Tagen wird geerntet. „Ich hätte lieber eine Solaranlage“, gesteht Korzilius. „Die macht nur in Norddeutschland keinen Sinn.“ Er und sein Team seien aber auf Hochtouren dabei, für die kommenden Standorte stets das Energieoptimum für energieeffizienteres, nachhaltiges Arbeiten zu finden. 40 bis 50 Kilo Salat entstehen am Tag. Derzeit gibt es aber nur eine Handvoll Abnehmer in Hamburg: Tim Mälzers Restaurant „Die gute Botschaft“ oder die Betriebskantinen vom Logistik-Unternehmen Jungheinrich.

Sinn macht das Ganze eher in heißer, karger Umgebung. Wo es selten regnet und man sich um Stromkosten wenig Gedanken machen muss. „Nächstes Jahr legen wir im Nahen Osten auf einem Viertel Hektar los“, sagt Korzilius. „Wenn es uns gelingt, die reichlich vorhandene Sonnenenergie intelligent einzufangen, ist es nur logisch, ,Farmers Cut‘ dahin zu erweitern.“ Nur das Wasser wird bei dem Geheimprojekt vorerst mit dem Tanklastzug kommen müssen. „Wir stehen dort buchstäblich in der Wüste.“ Nicht nur im nahen Osten hätten es die Menschen satt, faden, überdüngten, mit Pestiziden und Glyphosat versetzten Salat zu importieren. Das sei auch hier das Problem, selbst bei biozertifiziertem Anbau. „Da wird ja auch mit Gülle gedüngt. Bei Tomaten, die in der Luft hängen, ist das vielleicht ok. Aber Salat wächst am Boden und damit buchstäblich in der Scheiße.“ Noch immer gäbe es ein völlig verklärtes Bild in unseren Köpfen: die rotwangige Bauernfamilie, die gesunde, schadstofffreie Salatköpfe für 29 Cent im Discounter anbiete. Den Welthunger von den bald neun Milliarden Menschen kann „Farmers Cut“ leider auch nicht lösen – für Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln oder Getreide ist Vertical Farming ungeeignet. „Probieren Sie mal“, sagt der 54-Jährige und zupft flink was vom Rucola ab. Äh, waschen? „Ist doch nix dran“, sagt Korzilius. Die Blätter zergehen auf der Zunge wie ein hoch dosiertes Salat-Konzentrat. Das Highlight des Mini-Tastings, ein Wasabi-Mustard-Mix, schmeckt scharf, nussig, reichhaltig. Eben fast so märchenhaft wie eine Geschichte aus 1001 Nacht.


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Fotos: Felix Gärtner (Kampagne), Jojo Gronostay (Ghana) Produktion: Amsterdam Berlin GmbH Styling: Christian Stemmler (Studio), Peninah Amanda (Filmstills) Styling-Assistent: Rhianedd Dancey Schmuck-Design: Malaika Raiss Casting: Kyra Sophie Wilhelmseder




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Gerade wurde die zweite DWMCKollektion in Paris gezeigt. Wie kamt ihr darauf, ausrangierte Klamotten aus Ghana in Form eines Labels in Europa weiterzuverkaufen? Mein Kollege Jojo, der Halb-Ghanaer ist, hatte die Idee letztes Jahr, als er in Ghanas Hauptstadt Accra den Kantamanto-Markt entdeckte. Dort werden Unmengen billig produzierter Replikaware aus China und gebrauchte Klamotten aus aller Welt angeboten. Als Künstler beschäftigt sich Jojo schon länger mit unserer Konsumgesellschaft. Aus einer Idee, die anders war, wurde dann ein Label. Übrigens: Die gebrauchte Kleidung wird in der Landessprache „Obroni wawu" genannt, was so viel heißt wie „Dead White Men's Clothes“. Als in den 70er-Jahren die ersten Secondhandstücke in Ghana eintrafen, wunderten sich die Einheimischen, dass jemand einwandfreie Kleidung einfach so wegwirft. Man vermutete, dass die Spenden von Verstorbenen stammten. Daher unser Name. Die DWMC-Strategie zielt auf die Luxusindustrie ab: teure Preise, High-Fashion-Kampagne und cooles Logo. Warum? Wir platzieren unsere Mode bewusst im hochpreisigen Segment, weil wir so eine neue Wertigkeit schaffen. Wenn die Teile frisch gereinigt und ordentlich aufgereiht vor einer weißen Wand hängen, sehen sie plötzlich nicht mehr aus wie Secondhand. Uns geht es nicht um den tatsächlichen Preis, sondern um den emotionalen Wert.

IST DAS MODE ODER KANN DAS WEG?

Aus beinahe wertlosen Abfallprodukten werden plötzlich Objekte der Begierde. Ist das nicht provokant und zynisch? Klar provozieren wir, aber das ist gewollt. DWMC ist in erster Linie ein Kunstprojekt – in Form eines Modelabels. Wir wollen Fragen aufwerfen und Mode in einen anderen Kontext stellen. Mit dem Projekt thematisieren wir den kapitalistischen Kreislauf der Mode, den Irrsinn unserer Wegwerfgesellschaft, unser westliches Wertesystem, aber auch den Postkolonialismus. Übrigens bereichern wir uns nicht damit. Wir sind gerade dabei, mit unserem Gewinn an einer Modeschule in Ghana ein DWMC-Stipendium einzurichten. Was unterscheidet DWMC von Marken wie Vetements? Wir stellen keine Imitationen her. Wir verwerten die Originale und bieten sie unverändert und mit eigenem Logo versehen an. So treiben wir die Absurdität der Modeindustrie auf die Spitze und treffen damit genau den Zeitgeist. Wie sieht die Zukunft der Mode aus? Nachhaltigkeit und Moral sind die neue Form von Luxus. Immer mehr Menschen setzen sich mit diesen Themen auseinander und beginnen, die Dinge zu hinterfragen.

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Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Mischung aus Vetements und Balenciaga, ist Secondhandware aus Afrika: Das Modelabel Dead White Men’s Clothes (DWMC) kauft gespendete Kleidung aus westlichen Ländern in Ghana ein und verkauft sie bei uns als hochpreisige Unikate. Wir sprachen mit den Gründern Jojo Gronostay, Künstler, und Moritz Grub, Gründer der Agentur „Amsterdam Berlin“, über das Anderssein, Provokation und die Zukunft der Modeindustrie. Interview: Stephanie Neubert



NUR DIE RUHE


Stellen Sie sich vor, Sie verreisen und dürfen bis zum Ziel nicht die Augen öffnen. Jetzt mal blinzeln: Wow! Landscape Hotels in einzigartiger Natur sind die neue 5-Sterne-Kategorie des Nischentourismus. Ach so, Luft holen dürfen Sie jetzt wieder. Text: Silke Roth

Foto: Leonardo Finotti

Sieht so ein modernes Weingut aus? In Uruguay schon. Schnell umblättern!


Fotos: PR

HOTEL ROOMS KAZBEGI, GEORGIEN An wohl keinem anderen Ort im nördlichen Georgien bricht das Licht über dem Berg Kazbegi so magisch wie auf der Außenterrasse des „Rooms“. Im Haus selbst sind Bibliothek, Indoor-Pool und Casino mit Blick auf das Kaukasusgebirge ausgerichtet. Fürs Interieur haben sich Jungdesigner aus der 150 Kilometer entfernten Hauptstadt Tiflis einen Mix aus ursprünglichem georgischen Charme und rustikalem Industrie-Chic ausgedacht: roomshotels.com


LA PEDEVILLA, SÜDTIROL Ein modernes Chalet, das alten, ladinischen Gehöften nach-

Fotos: PR

empfunden ist – so die Idee der Architekten Armin Pedevilla und Caroline Willeit. 2013 bauten sie zwei Häuser in der Dolomiten-Gemeinde San Vigilio Di Marebbe – eins für sich selbst, das andere für Gäste. Die schwarz-weiße Ästhetik auf 1200 Höhenmetern wirkt futuristisch, doch innen wurde auf traditionelle Materialien Wert gelegt. Boden und Türen sind aus Zirbenholz, die Vorhänge aus Loden und die Wände aus weißem Dolomiten-Beton. lapedevilla.it, buchbar über welcomebeyond.de


ANNANDALE FARM, NEUSEELAND An der Südspitze des Inselstaats liegt Akora. Wenn man

Fotos: PR

sich das Ende der Welt vorstellt – et voilà, so könnte es aussehen! Dass Abgeschiedenheit der neue Luxus ist, hat Geschäftsmann Mark Palmer früh erkannt und hier ein eigenes Dorf geplant. Luxus-Apartments treffen auf Design-Farmhaus und -Schäferhütte, die stattliche Herrenvilla und eine eigene Bucht. Abends hört man nur ein paar Schafe blöken und das Meer rauschen. annandale.com, buchbar über welcomebeyond.de


Fotos: Hanna Michelson

BERGALIV, SCHWEDEN In der nordschwedischen Provinz Häsingland wohnt man auf Stelzen. Eines der insgesamt vier geplanten, auf Holzpfählen stehenden Häuser ist schon fertig: Über eine Hängebrücke gelangt man zum Wohnbereich, der so reduziert ist, dass man fast meint, in Japan zu sein. Die Futon-Betten hängen tagsüber aufgerollt an der Wand, eine Eckbank am Fenster ist Sofa und Esszimmer gleichermaßen. Nichts im Loft lenkt vom entspannenden Blick über das lange Flusstal ab. bergaliv.se


Magazin Anders _________ 48 SACROMONTE, URUGAY Eine gigantische Spiegelfront mitten in der Sierra Carapé ist

Fotos: Leonardo Finotti

nicht gerade das, was man im Nirgendwo des südlichen Uruguays erwartet. Auf 101 Hektar Land entsteht hier zwischen jungen Reben und grünen Hügeln ein Naturresort für Weinliebhaber, ausgeheckt vom brasilianisch-uruguayischen Architektenbüro MAPA. Auf weiter Flur gibt es zehn Villen und vier Gästehäuser, ein Farm-to-tableRestaurant wird im März 2019 dazukommen. sacromonte.com


Heimhuder Str. 16 | 20148 Hamburg | +49 (0) 40 41 333 00


S Erleben Sie live die nächste Dimension des Möbel-Shoppings:

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»Unser Stil: Lässiger Luxus, persönlich kuratiert, von Designklassikern bis zu jungen Wilden.« Alexander Raab, Inhaber clic Inneneinrichtung | 2.OG

Hamburg | Berlin | Düsseldorf


PATAGONIA CAMP, CHILE Glamping ist Camping für anspruchsvolle Stadtmenschen.Im Boutique-Hotel schläft man in Jurten,

Fotos: PR

der luxuriösen Variante des mongolischen Nomadenzelts. Von hier hat man eine spektakuläre Aussicht auf den Toro-See und den Nationalpark Torres del Paine. Gebaut wurde alles im Einklang mit der Natur: Es gibt eigene Wasseraufbereitungsanlagen und selbst die verwendeten Reinigungs- und Waschmittel sind umweltverträglich. patagoniacamp.com, buchbar über welcomebeyond.de


Das Erfolgsrezept des größten französischen Möbelherstellers: nicht auf aktuell gehypte Designer zu setzen, sondern Newcomer langfristig an die Marke zu binden – und sich zu freuen, wenn sie berühmt werden. Wir sprachen mit Nouri-Georg Gharbi, dem Inhaber des ligne roset Stores im stilwerk Düsseldorf.

Wofür steht ligne roset? Für einen modernen, urbanen und ungezwungenen, kreativen Lebensstil. Wir fertigen in Frankreich, und zwar in einem Unternehmen, das seit 1860 in Familienbesitz ist. Mit über 207 Exklusivgeschäften und 540 Handelspartnern in knapp 60 Ländern bietet Ligne Roset heute weltweit die Kompetenz von engagierten Fachhändlern. Die Zusammenarbeit mit berühmten Designern wie Inga Sempé oder den Brüdern Bouroullec hat die Marke zu einer wichtigen Größe in der Welt des Designs gemacht.

Ein persönlicher „Design-Rat“? Meine Empfehlung orientiert sich an der BauhausTradition: Weniger ist mehr. Denn in vollgestellten Räumen kommen wir in unserer hochkomplexen und anstrengenden Zeit nicht zur Ruhe. Das Auge und die Seele benötigen klare Konturen und zurückhaltende Farben, um sich im wahrsten Sinn des Wortes zuhause und wohl zu fühlen. Was erwartet Besucher im ligne roset Store im stilwerk Düsseldorf? Ein engagiertes Team um den Inhaber Nouri-Georg Gharbi, Beratung, die auf die spezifischen Bedürfnisse eingeht, Planungskompetenz und natürlich eine profunde Kenntnis der gesamten Kollektion von ligne roset.

Wo sehen Sie die aktuellen Trends? Der Trend geht seit einigen Jahren in Richtung flexible Einzelmöbel. Keine großen Wohnwände, sondern leichte Regale, Anrichten und Einzelschränke, die in kleinere Wohnungen passen oder bei häufigen Umzügen einfach abzubauen sind. Bei den Bezugsstoffen sind Creme- und Beigetöne eine gute Wahl, weil sie sich gut kombinieren lassen. Auch dunkles Grün und die Farbe Curry sowie feine Wollstoffe sind im Kommen.

Was war Ihre Initialzündung für die Arbeit in der Designbranche? Ich habe mich schon früh für Einrichtung und Design interessiert. Und von ligne roset waren mir schon einige Modelle aus dem Freundes- und Familienkreis bekannt. Umso schöner war es dann für mich, 1989 bei ligne roset in Düsseldorf als Einrichtungsfachberater starten zu dürfen.

Foto: PR

Haben Sie ein Lieblingsstück aus der ligne-roset-Kollektion? Eindeutig unser Klassiker „Togo“, das erste Vollschaummöbel aus einem Guss. Seit den Siebzigerjahren steht dieser Sofa-Klassiker für den legeren, ungezwungenen Lebensstil, den wir mit ligne roset verkörpern.

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LA VIE EN ROSET


PLOUM Sofa, Design Ronan & Erwan Bouroullec Katalog: www.ligne-roset.com www.facebook.com/lignerosetDE/AT

Ligne Roset Exklusivgeschäfte finden Sie in den Stilwerken Hamburg, Berlin und Dßsseldorf.


HIER WOHNEN DIE GRÜNEN Diese Tankstelle definiert grüne Energie neu. Benzin gibt es keines, dafür aber Kakteen in allen Größen und Formen. Text: Marie Pfeiffer


Fotos: Winkel van Sinkel und Malte Dibbern

Die „Plant Station“ des ConceptStores Winkel van Sinkel ist seit Mai 2018 Untermieter der denkmalgeschützten Tankstelle im 50er-Jahre-Stil vor dem Bezirksamt im Grindelhochhaus. Ein Gewächshaus vor der Behörde, in dem mehr als hunderte stachelige Bewohner ein neues Zuhause gefunden haben. „Bei uns tanken die Kunden grün. Pflanzen sind Nahrung für unsere Seelen. In einer Zeit, in der alles technischer wird, schaffen wir Gegenpole“, erzählt Besitzerin Zelda Czok, die ein weiteres Geschäft in

der Wexstraße führt. Die Idee der „Plant Station“ ist mehr als ein smartes Konzept. Es ist der beste Beweis, dass Locations anders gedacht und umweltfreundlich genutzt werden können. Das Gebäude eignet sich nämlich von den Begebenheiten hervorragend für den Verkauf von Zimmerpflanzen. Durch die Fensterfronten scheint wie in einem Gewächshaus viel Tageslicht hinein und das große Dach garantiert gleichzeitig Schattenplätze, ideale Bedingungen für Kakteen und für naturhungrige Großstädter.


WER SCHÖN SEIN WILL, MUSS LEBEN Noch in Hygge-Stimmung? Dann empfehlen wir, die Kuschelkissen wegzuräumen. Die neue Glücksformel heißt Wabi-Sabi und mag es deutlich weniger flauschig – nicht nur im Wohnbereich. Text: Silke Roth.


Fotos: Imaxtree (Chantell Brown-Young), imago/China Foto Press Beijing, China (Wang Deshun)

Wang Deshun wurde mit 80 als Model entdeckt. 30 Sekunden auf dem Catwalk reichten aus, um ihn in der Welt berühmt zu machen.

Die Halbwertzeit von Wohntrends ist in der Regel kurz. Nicht weil sie irgendwann langweilig werden, sondern weil sie oft zu schnell auserzählt sind. Während man gerade noch der dänischen Kuscheligkeit „Hygge“ nacheifert, klopft schon die nächste Welle an: Gestatten, Wabi-Sabi – japanischer Purismus. Wird er länger bleiben? Ganz sicher! Kein Chichi, keine Lieblichkeit. Wesentliches rückt hier in den Mittelpunkt. Wabi-Sabi feiert die Lehre des Verzichts, die Wertschätzung von einfachen Dingen, die Schönheit des nicht Perfekten. Wörtlich übersetzt ist „Wabi“ die Traurigkeit, der Schmerz, allein zu sein. Erst in Verbindung mit „Sabi“,

Auffallende Pigmente als Alleinstellungsmerkmal. Mit ihren „Schönheitsflecken“ ist Model Chantelle Brown-Young gut im Geschäft.

dem Altern, bekommt der Begriff seine tiefere Bedeutung: Akzeptiere Makel und Risse, nutze den Platz der Lücke für neue Kreativität. Den Trend als neues „Hygge“ auszurufen, wäre allerdings fast etwas beleidigend, schließlich ist die Stilkunde tief im Zen-Buddhismus verankert und schon einige Jahrhunderte alt.

BLOS KEINE ALM-ROMANTIK Das klingt ja alles schön und gut. Aber muss man dafür nun in kalten Räumen darben, das Heim mit depressiver Farbpalette schmücken und Blumen aus dem Haus verbannen? Mitnichten, Lebendiges ist sogar erwünscht. Individuell gefertigte Dinge,

natürliche Formen, Materialien und Farben sind das Maß der Ästhetik. Unbehandeltes Holz und knitterige Leinenstoffe bringen den Stil am besten hervor. Lichteinfall ist wichtig, genauso wie Geschirr, das nicht zueinander passt. Keramik darf Sprünge und Unebenheiten haben, die Wände sind nicht fein verputzt, sondern aus rauem Beton. Eine Art rustikaler Landhausstil, aber bitte ohne Fellteppiche und Alm-Romantik. Im Herzen von München hat im Frühjahr 2018 ein Konzept-Lokal eröffnet. Wabi-Sabi-Shibui (Ludwigstraße 11) war früher eine Galerie, dann Bäckerei und jetzt Bar, Restaurant und Magazin-Store. Blumen gibt es übrigens auch. Drinks


ARVA WOHNART - EG im Stilwerk - Große Elbstraße 68, 22767 Hamburg Web: www.wohn-art.com - Mail: info@wohn-art.com - Tel: 040 525 943 21


Fotos: PR (blomus), Nicholas Worley (Mater), Leonie von Carnap (Wabi Sabi Shibui)

Makel zu akzeptieren und Anmut darin zu sehen, findet sich auch in Branchen wieder, die gesättigt sind vom schönen Schein.

Natürliche Materialien haben auch in der Welt von Hersteller blomus ihre Berechtigung. Das ruhige Wabi-Sabi-Konzept wirkt auf dem Tisch weder kahl noch langweilig.

Der Showroom der Marke Mater im stilwerk Hamburg, die das Wabi-Sabi-Konzept in Designobjekte übersetzt, ist der ideale Ort für den umwelt- und qualitätsbewussten Verbraucher, der sich ethisch und handwerklich gut gefertigtes Design wünscht.

Wabi Sabi Shibui heißt das neue Münchner GastroKonzept. Die Idee von Bar-Restaurant-Concept-Store kommt aus Tokio. Japanisch ist nicht nur der Look, sondern auch die Karte mit antiken Spirituosen.

bestehen aus maximal zwei Spirituosen; kein Mensch hortet hier 20 Gin-Sorten, weil es nun mal zum guten Stil gehört. Den hat Barchef und Gründer Klaus Stephan Rainer anders in seinen Laden gebracht: mit rauen Wänden, Holz und viel Entschleunigung. Beim Wabi-Sabi ist es die Einstellung, die zählt. Wenn man länger darüber nachdenkt, hat diese Philosophie doch etwas mit dem hyggeligen Superhype gemein: Beides passiert offline, ohne Likes und Filter. Diversität zu akzeptieren und Anmut darin zu sehen, findet sich deshalb auch in Branchen wieder, die gesättigt sind vom schönen Schein. Chantelle BrownYoung leidet seit ihrem vierten Lebensjahr an der Hautkrankheit Vertiko, ist heute aber hochbezahltes Model. Es begann mit einem weißen Fleck am Bauch, dann breitete sich die Pigmentstörung weiter aus. In der Schule wurde sie gehänselt, oft als Kuh oder Zebra beschimpft. Brown-Young zog aus ihrem Anderssein früh Konsequenzen.

„Natürlich haben mich die Sprüche getroffen. Aber ich hatte zwei Möglichkeiten – klarkommen oder kaputt gehen“, erinnert sich die 24-Jährige. Sie entschied sich für ersteres und arbeitete weiter darauf hin, Model zu werden. US-Kollegin Tyra Banks gab ihr die nötige Starthilfe; heute ist Brown-Young, die sich jetzt Winnie Harlow nennt, als Wäschemodel begehrt. Gerade weil Makel erwünscht sind. Ein Werdegang wie aus dem Wabi-SabiLehrbuch: Schöpfe Kraft aus den Dingen, die dir widerfahren und nutze sie.

sorgt er für Gesprächsstoff; die Presse feiert ihn als „sexy Opa“. Seinen Körper zur Schau zu stellen, war für Wang nie ein Problem. Als Pantomime-Künstler und Aktmodell reiste er in seiner ersten Lebenshälfte durch die Welt. Seine strengen Trainingseinheiten begann er erst mit 48 Jahren, dafür vier Stunden täglich. „Mit 70 habe ich mein Pensum auf zwei Stunden am Tag reduziert“, erzählt Deshun Wang. Das Fitnessstudio, in dem er Mitglied auf Lebenszeit ist, liegt vor seiner Haustür. „Um 22 Uhr liege ich im Bett und schlafe bis sechs Uhr durch. Ohne die acht Stunden Schlaf schafft es mein Körper nicht, sich selbst zu regulieren, von den Blutwerten bis zur Verdauung.“ Seine grauen Haare mag er aus Prinzip nicht färben: „Die Natur legt fest, wie alt du bist. Aber du bestimmst, wie alt du dich fühlst.“ Könnte fast der Slogan für eine Altersvorsorge sein. Oder eben die Einsicht, endlich die Zeichen der Zeit zu zelebrieren. Adieu Skandi-Chic, Konnichiwa Wabi-Sabi!

DOPPELSEITE: PATINA STATT GLAMOUR Auch Best-Ager-Model Deshun Wang ist ein beindruckendes Beispiel dafür, dass Natürlichkeit und Patina der echte Glamour sind. Der Chinese ist 82 Jahre alt. Mit seinem Hipster-Bart und dem straff trainierten Körper stiehlt er auf Laufstegen sogar denen die Show, die locker seine Enkel sein könnten. Und nicht nur dort, auch als Werbegesicht für Reebok China


VOGELFREI

Designer Florian Vogel liebt Gestaltung, die keine Kompromisse eingeht. Bei seinem Label Victor Foxtrot ebenso wie bei den Motorrädern der Marke Husqvarna, mit der er aktuell kooperiert. Humor darf übrigens trotzdem sein — aber bitte gut versteckt im Detail.

Kein Designer bekennt sich heute mehr zu Schnörkeln. Der Funktionalität zu folgen, hat sich ein Jahrhundert nach Adolf Loos und Bauhaus als Standardprogramm etabliert. Aber diese Funktionalität zum Tanzen zu bringen, gelingt nur den wenigsten Designern. Florian Vogel zeigt mit den Möbeln und Leuchten seiner Marke Victor Foxtrot lightning & furniture, dass man Reduktion auch ohne mathematische Strenge umsetzen kann. Seine Entwürfe wie der Tisch „Same Same“ werden für ihre humorvolle Poesie gefeiert, die in kleinen Details aufblitzt. Sein Arbeitscredo klingt, als knüpfe Vogel an den Strang von Arts and Crafts bis zur Moderne an: „Meine Herangehensweise ist handwerklich. Ich komme vom Fräsen, Schweißen, Flexen. Das Geradlinige ist das, was ich mache. Bei all meinen Entwürfen steht die Benutzbarkeit im Vordergrund. Es geht mir nicht darum, Technik zu verstecken, sondern Technik als das schöne Detail herauszuheben.“ So wie bei seiner floralen Leuchte „Leaf“, bei der die orangefarbenen Kabel einen entscheidenden Kontrast zu der BallerinaHaftigkeit der hauchzarten Schirme setzen. „Wenn ein Detail zum Wesentlichen wird, dann entsteht etwas Besonderes“, sagt der Hamburger, der unter anderem bei Lichtdesign-Star Ingo Maurer in die Lehre ging. Die gleichen Ansprüche stellt Florian Vogel auch an ein Motorrad: „Der Minimalismus fasziniert mich auch an der

'VITPILEN 701', die Reduktion auf das Wesentliche, die pure Technik. Das Design geht keinerlei Kompromisse ein“, erklärt er seine Vorliebe für das Modell von Husqvarna Motorcycles. Das Unternehmen mit schwedischen Wurzeln stellt seit 1903 Motorräder in Manufaktur her und blickt auf über 50 Jahre internationale Rennerfolge zurück. Doch der Mann, der gern mit dem Bike durch den Hamburger Verkehr wedelt und in seiner Wohnung ein „Everything is shit“-Plakat hängen hat, ist alles andere als ein rückwärtsgewandter Dogmatiker des „Form Follows Function“. Auf die Postmoderne folgt keine Retro-Moderne, sondern eine Moderne 2.0: Funktionalität mit einem Twist. Vogels eigene Arbeiten bei Victor Foxtrot könnten nicht weiter weg sein von den comichaften Knalleffekten, die er bei Ingo Maurer ausgelebt hat. Das Objekt „Abgefahren“ zum Beispiel, ein unter der Decke einer Konzerthalle hängendes Auto, das von den Lichtblitzen aus seinem Inneren aufgesprengt wird, wirkt wie ein jugendlicher Ausrutscher unter Speed. Und doch ist es dieser Sinn für Humor, der Schalk im Nacken eines Hamburger Jung, der auch den geradlinigsten Entwürfen von Victor Foxtrot ihren ganz speziellen Charme verleiht. Wie gut Vogel und das Bike harmonieren, kann man sich übrigens auf stilwerk.com/de/sponsored/victor-foxtrot ansehen.

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Fotos: Husqvarna


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NEUER SPEICHERPLATZ

Die Dielen knarzen. „Riechen Sie das? Koriander.“ Karin Renner mustert den Boden. Die Hamburger Architektin steht im dritten Stock eines schlichten, kubischen Backsteingebäudes, das auf einer Halbinsel am Rhijn- und Maashaven von Rotterdam dem rauen Wind trotzt. „Jede Etage riecht anders.“ Der Grund: In dem 1901 entworfenen Pakhuis lagerten früher Kaffee und Gewürze. Jetzt soll das Haus am Brede Hilledijk Nummer 95 erste Anlaufstelle für Designliebhaber werden. 2020 eröffnet hier ein stilwerk-Ableger, der erste außerhalb Deutschlands. Auf ca. 7500 Quadratmetern Nettogrundfläche wird es dann unter anderem eine komplette Etage für holländisches Design geben, eine Markthalle im Erdgeschoss, aber auch – und das ist neu – Coworking Spaces und Serviced Apartments, in denen man stilvoll für ein paar Tage oder auch Monate absteigen kann.


Fotos: Luc Buthker für RCE, Rijksdienst voor het Cultureel Ergoed (Cultural Heritage Agency)

Rotterdam traut sich was – in keiner anderen holländischen Stadt wird so viel experimentiert wie hier. Und auch stilwerk ist mutig. Die Designinstitution eröffnet im Hafenviertel einen neuen Showroom – in einem Speicher, der zurzeit noch unter Wasser steht. Eine Ortsbegehung mit der Architektin. Text: Annika Thomé In dem Speicher, den stilwerk und das Hamburger Architekturbüro Renner Hainke Wirth Zirn vor zehn Jahren entdeckten, lagerte vor allem brasilianischer Kaffee. Daher wurde das Haus nach Brasiliens größtem Hafen, Santos, benannt. Es hatte für die damaligen Verhältnisse ein sehr fortschrittliches Ladesystem, bei dem Winden auf dem Dach die Güter in die verschiedenen Stockwerke hoben. Mit seiner kubischen Form, den beiden fast identisch verzierten Frontseiten und den geschlossenen Seitenwänden war der nüchterne Bau als eines von mehreren Lagerhäusern in einer Reihe geplant – doch der Speicher bekam nie Nachbarn. So steht das Gebäude heute frei, die dunkelroten Backsteine und die grünen Klapptüren der Ladeluken warten auf ein Makeover. Eine Gratwanderung. Denn einen über Hundertjährigen kann und darf

man nicht auf Biegen und Brechen verändern. Die alte Kaffeelagerhalle ist ein Rijksmonument: Ein kulturhistorisches Erbe, das aufgrund seines Alters, seiner Konstruktion und Lage unter Denkmalschutz steht. Ein Gebäude ist dann ein Kulturerbe, wenn es von vergangenen Generationen geerbt wurde und aufgrund seiner Schönheit, wissenschaftlichen oder kulturellen Bedeutung für zukünftige Generationen erhalten werden soll. Als Karin Renner den SantosSpeicher auf der Halbinsel Katendrecht zum ersten Mal sah, wusste sie sofort, dass sie etwas besonderes vor sich hatte. „Er stand dort ganz allein, wie ein großer Würfel in einer Wüste.“ Authentisch, unsaniert, mit puren Böden und Patina. Egal ob Toiletten, Stromkästen oder großflächige Stahlkonstruktionen und Ladeluken, bei allem stellt sich Renner jetzt die Frage, ob es historisch relevant

ist und wie es bearbeitet werden kann. „Das Ziel ist es, so viel wie möglich zu erhalten“, sagt die 55-Jährige. Das ist mühsam, denn ob die Graffitis, die Hafenarbeiter an die Wände gemalt haben, oder die alten Lichtschalter kulturhistorisch von Bedeutung sind, ist nicht immer einfach zu entscheiden. „Aber wir arbeiten ja nicht allein.“ Renners Team teilt sich den Job mit dem holländischen Architektenteam um Sander Nelissen von Wessel de Jonge architecten. Was gut passt: Die Niederländer sind spezialisiert auf den Denkmalbereich, Renner kommt aus der Moderne. Von ihr stammt zum Beispiel der „fliegende Rochen“, das Lufthansa-Empfangsgebäude. Außerdem steht den Kreativen die Welstandscommissie zur Seite, eine Kommission von Fachleuten, die auf das baukünstlerische Konzept schaut. „Jedes Projekt in den Niederlanden geht durch


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Und auch das Mauerwerk bleibt größtenteils bestehen. Die Stahlstützen des Gebäudes, zusammengehalten durch markante Schrauben, bekommen lediglich einen Brandschutzanstrich. Die Neugestaltung sei dennoch keine Restauration. „So sehr wir das Denkmal lieben, stehen wir auch zur Moderne“, sagt Renner. „Wir möchten alt und neu so verbinden, dass ein sensibler Kontrast entsteht, aber auch ein Dialog zwischen historischem und modernem Design.“ Dafür hat das Architektenteam die Kommission überzeugt, das Dach des Gebäudes teilweise abtragen zu dürfen. In der Mitte des Gebäudes wird ein Atrium entstehen, durch das Tageslicht bis zum Erdgeschoss dringt. Ganz oben auf das Dach kommen noch zwei weitere Ebenen, die wie eine schwebende goldene Skulptur geformt sind und die Apartments beheimaten sollen. Ein großer Vorteil für die Umbauten: Der Speicher war auf schwere Lasten ausgelegt. „Trotzdem darf man den Kubus nicht überfrachten, man darf nicht zu viel machen. Das war die Aufgabe: eine gute Proportion zu finden, so dass das Neue nicht das Alte erdrückt, aber das Alte auch nicht zu dominant wirkt.“ Gelöst hat das Architekturbüro diese Aufgabe durch eine gläserne Fuge, die als zurückgenommene Zwischenetage fungiert, in der die Coworking-Spaces entstehen sollen. „Durch diese Fuge sieht es aus, als würde die Dachkonstruktion schweben. Die alte Substanz wird nicht überstrahlt, jedes der Teile hat seine eigene Identität, aber sie korrespondieren miteinander.“ Die goldene Dachskulptur sei wichtig, um den Blick auf den Santos-Speicher zu lenken, denn um das Gebäude herum werde hoch gebaut. Die Stadtverwaltung wertet Katendrecht, das mit seinen Amüsierlokalen und Seemannskneipen

Renderings: Renner Hainke Wirth Zirn Architekten / Wessel de Jonge architects

diese Organisation, auch Neubauten“, so Renner. „Es macht die Arbeit nicht unbedingt einfacher, aber es ist gut, wenn das Projekt einen ganz unabhängigen Anwalt an seiner Seite hat.“ Einen Teil des Vorschlags zur Neugestaltung wies der Beirat so auch zurück: eine Treppe, die sich vertikal wie ein Schraubenzieher spiralförmig nach oben drehen sollte. „Das war der Kommission zu dominant. Wir haben die Treppe jetzt etwas ruhiger gemacht“, erklärt Renner. Sie bewege sich nun orthogonal im Raum und betone die diagonal ausgelegten Holzböden des Speichers. Auch die Leitungsführung musste überdacht werden. Ursprünglich waren die Installationsleitungen im Kern des Treppenhauses vorgesehen, dafür hätte aber eine Holztreppe weichen müssen. „Dann kam die Entscheidung: Die Treppe muss bleiben, sie ist ein wichtiges Zeitdokument.“ „Man ist mit jeder Aufgabe neu gefordert. Das ist das Spannende an unserem Job“, sagt Renner, die schon lange nicht mehr um Aufträge betteln muss. „Das zu finden, was der Ort braucht, mit einem Super-Team ein Konzept zu entwickeln, macht mir am meisten Spaß.“ Trends seien der Architektin relativ egal. Zumal sie nicht mehr so einfach festzunageln seien wie früher. „Da gab es den Klassizismus, dann den Jugendstil. Aber die Moderne ist so extrem breit gefächert – ich lasse mich lieber vom Ort inspirieren.“ Und es müsse auch nicht jedesmal ein Mammutprojekt sein. „Wir machen auch kleine Sachen. Das Thema ist uns wichtig.“ Ladeluken anscheinend auch. Die maroden Klapptüren im Santos-Speicher möchten die Architekten auf jeden Fall erhalten. Sie sollen jetzt allerdings nach innen öffnen, die Luken werden verglast.


„Das entwickelt sich gerade. Hier sehe ich stilwerk, wie vor 20 Jahren auch in Hamburg, als wichtigen Pionier im städtischen Entwicklungsraum.“

lange eher als Brennpunktviertel bekannt war, gerade konsequent auf. Neben Sozialwohnungen und Studentenwohnheimen kommen Cafés und Restaurants in die Nachbarschaft. „An den nördlichen Seiten des Wilhelmina-Piers sind Hochhäuser entstanden, es gibt ein Filmmuseum und das alte Reedereigebäude von der HollandAmerika-Line“, erklärt Renner. Im südlichen Katendrecht werde noch gebaut: „Das entwickelt sich gerade. Hier sehe ich stilwerk, wie vor 20 Jahren auch in Hamburg, als wichtigen Pionier im städtischen Entwicklungsraum.“ Und nachhaltig sei das Projekt auch noch: Für die Dachskulptur nutzt das Architektenteam die vorhandene Tragstruktur. Der neue Körper wird auf den Stahlträgern der alten Konstruktion ruhen. Renner ist über diese Idee besonders glücklich: „Das ist total nachhaltig, die gute Bausubstanz zu nutzen, anstatt abzureißen und im Zweifel eine schlechtere Substanz zu stellen.“ Die Skulptur selbst besteht aus einer dünnen

Metallhaut, deren Löcher den Blick aufs Wasser freigeben. Denn Wasser gehört zu Rotterdam wie das Anker-Tattoo zum Seefahrer. Das merkt man auch, wenn man in das Kellergewölbe des SantosSpeichers hinabsteigt. Es steht komplett unter Wasser. Die dicken Säulen spiegeln sich still auf der Oberfläche. Ansatzweise vergleichbar muss es sich anfühlen, wenn man Atlantis entdeckt. „Schön, oder? Ich könnte mir das hier gut als Club oder als Bar vorstellen“, überlegt Renner. „Rotterdam ist nicht mehr die heruntergekommene Arbeiterstadt, die sie mal war. Sie ist jung und aufregend. Hier passiert gerade so viel.“ Was auch der Hauptgrund war, dass sich stilwerk-Geschäftsführer Alexander Garbe für Rotterdam und den alten Kaffeespeicher im Rhijnhaven entschied. Zudem sei die Stadt nicht so stark denkmalgeschützt wie Amsterdam. Das gibt Kreativen die Freiheit, sich auszutoben. „Rotterdam traut sich was. Und das steckt an.“


Der zweite Frühling der einstigen Wagenhallen des Paketpostamts in Köln-Deutz: ein Showroom für Design-Produkte. Doch die Vergangenheit darf im Industriecharme des Gebäudes stylish weiterleben. Text: Julia Neumann

Foto: Design Post Zeichnung: Jucho

Einst reisten von hier aus Tante Gretels Weihnachtspäckchen per Eisenbahn in die Welt. 1914 baute die Kölner Oberpostdirektion eine Dreigelenkbogenhalle, um sie als Postbahnhof zu nutzen. Die Bahnsteighalle erinnerte stilistisch an den Frankfurter Hauptbahnhof, denn auch in der achtschiffigen Kölner Halle waren Gleisanlagen verbaut. Das Paketpostamt galt als eine der wichtigsten Schaltstellen im weltweiten Logistikverkehr, doch irgendwann überrollte es der Fortschritt. 1988 wurde es unter Denkmalschutz gestellt, bis 1995 diente es noch als Post-Bahnhofshalle – aber dann? Zum Abreißen war der Kasten zu geschichtsträchtig, zur Nutzung für neue Zwecke die Architektur zu speziell. So wurde es erstmal ziemlich leise in den einst lärmdurchtosten Hallen. Bis das niederländische Büro „architecten O III“

2006 das Potenzial des Industriegebäudes erkannte und in Abstimmung mit dem Stadtkonservator ein Konzept zur Umnutzung entwickelte. Heute ist das alte Postamt unter dem Namen „Design Post“ ein Showroom für internationale Designprodukte und lockt mit industriellem Charme. „Die Stahlkonstruktion ist wirklich hervorragend erhalten“, schwärmt Frank Kirschbaum, Mitarbeiter des Teams „Design Post“. Die denkmalgeschützte Tragstruktur blieb nicht nur von außen, sondern auch im Innenbereich sichtbar, dazu wurden Glasfassaden eingebaut. Die eingestellten Baukörper sind eher offen gehalten, technische Details wie Elektrobrücken werden offen gezeigt. „Die Architekten haben es geschafft, eine Sprache zu finden, die es mit wenigen Informationen

erlaubt, das neu Dazugesetzte von dem historisch Vorhandenen zu unterscheiden“, so Kirschbaum. Die alte Konstruktion hat einen grau-blauen Ton, neue Elemente sind in hellen Farbtönen gehalten. „Man spürt diesen Kontrast zwischen dem modernen Design und der Industriearchitektur. Ich sehe überall auf Nieten und andere historische Verweise – das funktioniert sehr gut.“ Doch bei aller Euphorie sollen auch die Probleme der baulichen Gegebenheiten nicht verschwiegen werden. „Wir brauchten eine gute Glasisolierung und nutzen Fernwärme“, erklärt Kirschbaum. „Heute wird alles durch eine Fußbodenheizung temperiert. Aber was die Energiebilanz angeht, wird das Gebäude wohl immer eine Herausforderung bleiben.“

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Fotos: Grillwerk

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EINFACH GUT Zwei Männer wollen grillen. Und zwar richtig. Mit Holzkohle, Stil und viel Geschmack. Aber kein Grill entspricht ihren Ansprüchen und ihrer Leidenschaft. Die Rettung kommt schließlich in Form eines alten, rostigen Geräts aus Afrika.

Grillen ist im Prinzip eine einfache Sache: Feuer machen, Fleisch drauf, fertig. Seit der Steinzeit hat es aber eine rasante Entwicklung durchlaufen. Seit Essen nicht mehr nur der Nahrungsaufnahme dient, wurde das Barbecue zum sozialen Event. Auch wenn das Ergebnis oft zwischen fast roh und verkohlt einzuordnen ist, der wachsenden Begeisterung schadet dies offenbar nicht. Dementsprechend tummeln sich heute tausende Geräte am Markt – vom Billigrost von der Tanke bis zur kompletten Outdoorküche. Trotzdem gibt es Menschen wie Christian Knütel und Georg Paulsen, die mit dem Equipment nie zufrieden waren. Design und Qualität ließen in den Augen des Juristen und des Ingenieurs ebenso zu wünschen übrig wie die Funktionalität. Den jahrelangen Frust bündelten die beiden in dem Start-up „Grillwerk“: „Uns eint die Unfähigkeit zu halben Sachen, die Überzeugung, dass die Variante mit Holzkohle das bessere Grillen ist, und der Wille, den ultimativen Holzkohlegrill selbst auf die Beine zu stellen.“ Das Ergebnis heißt „Kenia“ und hat – nomen est omen – seine Wurzeln in Afrika. Ideengeber war der Straßengrill der Nachbarn, die ihn von dort mitgebracht hatten. Alt und rostig, aber ausgesprochen funktional: Kohlenrost, höhenverstell-

Technische Daten: – Gewicht: 53 kg mit Haube – Maße: (H x B x T): 816 x 672 x 461 mm – Edelstahl 1.4301 / 1-6 mm – Stahl S235 / 5 mm, Messing und Räuchereiche – Grillfläche 368 x 531 mm – Haube – Thermometer www.grillwerk.eu

barer Grillrost, Belüftungsklappe. Fasziniert entwickelten Knütel und Paulsen mit Ingenieuren aus den Bereichen Kraftwerkstechnik, Ofenbau und Metallverarbeitung ihren High-End-Straßengrill. Ebenso simpel wie das Vorbild, aber aus unverwüstlichem, bis zu 3 mm starkem Edelstahl und geräuchertem Eichenholz. Dazu ausgestattet mit einem Thermometer und einer Haube, die punktgenaues und indirektes Garen ermöglichen, ist der „Kenia“ die zeitgemäße Interpretation des ursprünglichen Grillens mit Feuer. Eingebunden in die Entwicklung waren Designstudenten der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Der Holzkohlegrill mit

dem Komfort eines Gasmodells sollte nicht nur perfekte Resultate liefern, sondern auch ästhetisch überzeugen. Herausgekommen ist ein solides Stück deutscher Ingenieurskunst, die sich in der puristischen Optik widerspiegelt. Form und Gestaltung folgen der Funktion, wie die ausgestanzten Logos, die als Belüftungsöffnungen dienen. Insofern ist auch das Design eine Hommage an den Afrika-Grill. Zeitlose Ästhetik, an der man sich auch in 20, 30 Jahren nicht satt sieht, was bei der zu erwartenden Lebensdauer des „Kenia“ auch Sinn macht. Die Macher sind zufrieden: „Damit ist das Grillen endlich das, was man sich darunter mal vorgestellt hat: ursprünglich, mit Röstaromen, die in der Luft hängen, trotzdem hochfunktional – Grill-Glück pur!“ Das werden beide aber wohl mit einem eher überschaubaren Kreis von Gleichgesinnten teilen. Mit einem Preis von knapp 3000 Euro wird der „Kenia“ wohl kein Massenprodukt. Die Fertigung geschieht – anders als bei der Konkurrenz – der vielen Kanten wegen zu einem Großteil von Hand. „Wir sehen diesen Grill tatsächlich als eine Anschaffung über Generationen, die man vererben kann“, meint Knütel. So gesehen dann schon fast wieder ein preiswertes Vergnügen.


FUTURAMA


Fotos: stilwerk

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Let’s Wanderlust! Nun gut, kein Begriff, den wir neu entdeckt haben. Dennoch eine große Challenge, die wir jetzt wagen. Ciao Komfortzone, hallo Abenteuer! Unsere stilwerk Standorte in Hamburg, Berlin und Düsseldorf stehen wie Felsen in der Brandung, aber wir stecken mit den Baggerschaufeln in neuen Geschäftsfeldern. Kleiner Spoiler: Vier Projekte zwischen Stadt, Land, Bergen und Wasser.


Magazin Anders _________ 74 HAMBURG Eine Stadtvilla hat es uns angetan. Ein Rohdiamant mit gerade mal vierundzwanzig Zimmern, familiär und authentisch. Ein bisschen leise müssen wir noch mit Umbauten und Sanierung sein, aber richtig verliebt sind wir schon seit der ersten Besichtigung. Für unser Stadthaus in Alsternähe haben wir schon die Schlüssel und ein paar Sachen zum Übernachten liegen immer bereit. Koffer von Rimowa, Rucksack „Journeyman“ von Filson


TRAVEMÜNDE Ein bisschen verschlafen gefällt uns ganz gut. Dicke Pötte, feiner Sandstrand und eine leichte Meeresbrise: Das Ostseebad hat uns mit seinem Charme um den Finger gewickelt. In einem Gemeinschaftsprojekt mit Parksicht bauen wir ein Zuhause für gestrandete Urlauber. Taschen und Koffer nehmen wir gerne schon entgegen. Dufflebag „Medium“ von Filson, Rucksack Vintage 30er Jahre privat

HARBURGER BERGE Stolz und unverwüstlich stehen sie da: die Hamburger Alpen. Herrschaftlich herausragend, inmitten von Wäldern und Wiesen. Hier wird bis 2020 verändert und gebaut, um ein inspirierendes Haus entstehen zu lassen. Die Aktentasche voller Pläne ist schon dort und wir genießen bis zum ersten Spatenstich die Aussicht südlich der Elbe. Bürobag „Original Briefcase“ von Filson Koffer privat.

ROTTERDAM Move over Amsterdam! Offenes Hafenflair statt enger Grachten und die Kontraste zwischen alten Giebelhäusern und aufgemotzten Lagerhallen - so geht innovative Stadtentwicklung ohne Massentourismus. stilwerk ist bald mittendrin an der Waterkant, genauer gesagt in einem denkmalgeschützten Lagerhaus. Handel, Wohnen, Kreativzone oder gute Küche mit Hafenblick? Am liebsten alles zusammen und bis der Bautrupp kommt, trinken wir noch ein Bier auf diese Stadt! Rucksack „Ranger“ von Filson


D O P P E L T E R E S O N A N Z

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Klassische Musik? Fßr viele Menschen ein unnahbarer Kosmos. Hier kommt das Ensemble Resonanz ins Spiel: Mit dem Piano-Genie Kit Armstrong holt es die Kunst von ihrem Sockel — und macht sie nur noch spannender. Text: Hannah Schmidt


Foto Ensemble Resonanz: Tobias Schult Foto Kit Armstrong: Florian Schmuck

Von außen betrachtet ist der ehemalige Luftschutzbunker in der Hamburger Feldstraße nicht gerade einladend. Ein Kriegsklotz, 1942 aus dem Boden gestampft: Dumpf und kaltschultrig wirken seine Betonwände, wie urzeitliche Festungsmauern mitten im quirligen Sankt Pauli. Doch das Flakturm-Massiv beherbergt einen ganz besonderen Ort, der regelmäßig Menschen aus der ganzen Stadt anzieht: den „resonanzraum“, in dem das Ensemble Resonanz probt, debattiert, Konzerte spielt. Er ist ein Wohnzimmer der Musik, wenn man so möchte, eine Art blubberndes Reagenzglas für neues Hören und Reden über Klassik. Das 18-köpfige, demokratisch organisierte Residenzensemble der Elbphilharmonie zelebriert hier in seinen Gesprächskonzerten, Themenabenden und Recitals die klassische Musik als eine zeitgenössische Kunst. Man strebt nach „lebendiger“, „nahbarer“ Klassik, wie es ihr Geschäftsführer Tobias Rempe ausdrückt. Das Ensemble Resonanz brennt für sprühende Interpretationen Neuer Musik, dafür, „großartige zeitlose Kunstwerke auf ihre Aktualität hin zu befragen“, so Rempe.

Mit aktivem Publikum: Zu Formaten wie „urban string“ kommen Leute vom Hamburger Kiez, zum „bunkersalon“ bekannte Philosophinnen und in die „werkstatt“ Neugierige, die bei der Probe dabei sein wollen. Es gibt Rotwein und Mate, Sofas für die Zuhörer, Stuhlkanten und anderes Improvisiertes fürs Ensemble. Fast nebenbei entsteht dabei höchste musikalische Qualität. Das Ensemble hat sich längst auf dem Klassikmarkt etabliert – und ist trotzdem nicht in klassische Kategorien einzuordnen. Vor drei Jahren hat hier der damals 23-jährige Ausnahmepianist Kit Armstrong das erste Mal auf der Bühne gestanden. Einer, der die größten Säle des Planeten bespielt hat, der gefeiert wird als „Mozart des 21. Jahrhunderts“ – und dabei so rational, so reflektiert und bescheiden ist wie nur wenige seiner Altersgenossen. Das erste Konzert dieser beiden Instanzen war magisch: Armstrong, der Solist, verließ die Bühne nicht ein einziges Mal. Er war das Bindeglied zwischen zwei Orchestern, die das Ensemble bildete. Gemeinsam verwoben sie Werke von Mauricio Kagel, Dmitri Schostakowitsch, Frédéric Chopin und Johann Strauß; und schufen ein eigenes Universum, in dem die Stücke im starken, aber gleichzeitig freischwebenden Bezug aufeinander ungewohnt zu schillern begannen. Wie Spiegel, die sich ineinander spiegeln. Wie Gedanken, die sich selbst mitdenken. „Es gibt Sachen, die man mindestens einmal im Leben gemacht haben muss“, erzählt Armstrong später am Telefon – ihn persönlich zu treffen, ist bei seinem Terminkalender so gut wie unmöglich. „Das Konzert war eine wertvolle Reise für mich. Ich höre die Stücke seitdem anders als vorher.“ Der US-Amerikaner spricht fließend akzentfreies, gepflegtes Deutsch. Er hat es sich mit dem Wörterbuch beigebracht, wie er sich so vieles scheinbar völlig leicht aneignet. Mit sieben Jahren war er der jüngste Student, der je an der Chapman University of California aufgenommen wurde. Neben der Musik studierte er noch Mathematik. Beides sind für ihn Sprachen wie Deutsch oder Englisch – und eine Art sie zu sprechen, ist das Anwenden der


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Foto: Jann Wilcken

Mit sieben Jahren war Armstrong der jüngste Student, der je an der Chapman University of California aufgenommen wurde.

Formeln oder eben das Musizieren. „Es geht mir nicht ums Klavierspielen“, sagt er einmal im Nebensatz, „sondern um die Musik. Die Aussprache am Instrument macht nur vielleicht zehn Prozent des eigentlichen Musizier-Vorgangs aus. Der Rest ist viel interessanter: der Vortrag des Inhalts. Es geht um den Moment auf der Bühne. Und es ist sehr schön, Menschen zu finden, die ähnlich denken.“ Natürlich denkt er dabei ans Ensemble Resonanz. „Es gibt menschliche Sympathie und musikalische Sympathie“, erklärt er. „Beide waren bei diesem Ensemble von Anfang an vorhanden.“ Seit dem ersten Zusammentreffen im September 2015 spielten Armstrong und die Hamburger Instrumentalisten mehrere Programme miteinander und konzertierten auch außerhalb des Bunkers. Die Chemie stimmt. Es sei „wirklich beachtlich“, sagt Armstrong, „was aus diesem Beton-Raum gemacht wurde. Mir hat es imponiert, ein gefühlt so maßgeschneidertes Publikum vorzufinden, zu

verstehen: Musik existiert nicht in einem Vakuum.“ Tobias Rempe sitzt im Büro der Ensemble-Verwaltung an einem runden Tisch, eigentlich nur wenige Stufen entfernt vom Bunker-Konzertsaal, und erzählt vom ersten Kontakt mit Armstrong: „Als wir Kit das Programm vorgeschlagen haben, kannten wir ihn noch nicht persönlich. Aber uns war klar: Wenn er sich drauf einlässt, dann passt er zu uns.“ Es sei vor allem seine Neugier und sein Mut, sich auf Dinge einzulassen, auf der auch die weitere Zusammenarbeit basierte. „Kit ist ein einzigartig denkender und spielender Musiker“, sagt Rempe. „Er hat einen sehr besonderen Kopf. Das ist ungeheuer inspirierend.“ Man spürt im Konzert: Diese beiden Organismen ticken zwar nicht total gleich. Doch sie beginnen sich im Spiel seltsam unmittelbar zu beflügeln. Ein bisschen sind sie wie die Werke auf ihren Programmen: Sie resonieren im Kontext. Im französischen Hirson kaufte Armstrong im Jahr 2012 selbst einen

besonderen Raum – die Kirche SainteThérèse-de-l’Enfant-Jésus. Ein romanisches Bauwerk mit verzierter Front und roten Eingangstüren. Armstrong ist in die Sakristei eingezogen, versucht, so oft es eben möglich ist, dort zu sein. „Wohnen“, sagt er, „ist bei meinem Leben ein schwieriger Begriff“. Er habe es durchgerechnet: 340 Tage im Jahr sei er unterwegs. Die Kirche jedoch, sein Wohnzimmer, das wünscht er sich, soll ein Ort der Begegnung werden, an dem er Konzerte spielt, wo sich Zuhörer und Musiker treffen, ins Gespräch kommen. Ein Ort, „der die Musik zu den Leuten bringt und nicht anders herum“. Im Grunde schafft Armstrong damit so etwas wie einen zweiten Resonanzraum in Nordfrankreich. Akustisch hervorragend, mitten in der Stadt, nah an den Menschen – und er und seine befreundeten Gastmusiker sind die Vermittler. Abseits der großen Konzertsäle, abseits der Scheinwerfer. Im Dienst der Sache: der Kommunikation durch Musik.


Reduced to the Max.

Eine Hommage an den afrikanischen Straßengrill. Einfach, robust, hoch effizient. Schnörkellose Sachlichkeit und ein puristisches Design, das sich an der Funktion orientiert. Zeitgemäßes Grillen mit Feuer, reduziert aufs Maximum.


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DA KOMMT WAS INS ROLLEN Bisher als „Rentner-Rollis“ belächelt, erleben Elektroräder nun einen generationsübergreifenden Boom: Mit E-Mountain-Bikes, E-Rennrädern und High-Tech-Gimmicks geht hier die Mobilität der Zukunft an den Start. E-Bikes sind heute weit mehr als Fahrräder mit angeschraubtem Motor und Akku. Bei den großen Herstellern sorgen Teams von Designern und Produktentwicklern für den optischen Kick. Bekannte Zulieferer aus der Automobilbranche wie Bosch oder Continental arbeiten an neuen Motoren. Es gibt bereits Fernlicht, Automatikgetriebe, Airbag und ABS für Pedelecs. Doch die Elektromobilität bietet auch Platz für kleinere Schmieden, die mit interessanten Entwicklungen den Markt erobern. Ein Beispiel ist Coboc mit Sitz in Heidelberg. Die E-Fahrräder dieses Herstellers sind so gestaltet, dass man auf den ersten Blick den Elektroantrieb nicht erkennt. Der Akku ist in das Unterrohr des Fahrrads integriert, der Motor versteckt in der Hinterradnabe. Das E-Bike wiegt gerade einmal 11 Kilogramm und ist somit deutlich leichter als viele Trekkingräder ohne E-Motor. Ein urbaner Begleiter, den man getrost diebstahlsicher in der Wohnung parken kann. Anstatt einer Fahrradkette gibt es einen wartungsarmen Riemenantrieb – bekannt von den Harley-Davidson-Motorrädern. Wie bei der Motorradlegende sorgt auch beim Elektrorad der Carbonriemen für ein Vorankommen ohne Öl und Schmierung.

Fotos: coboc

Die Haare wehen im Wind, die Landschaft zieht vorbei wie im Film. Auf der Harley tuckert man entspannt seinem Ziel entgegen. Mobilität als ganz große Freiheit. Der Alltag jedoch sieht anders aus. Als Autofahrer kaut man sich im Stau die Fingerkuppen wund; als ÖPNV-Angewiesener versucht man in verstopften Bussen und Bahnen, dem Döner des Nebenmanns zu entgehen. Das Fahrrad ist sicher eine Alternative, aber für größere Distanzen und Steigungen nur für die Lance Armstrongs dieser Welt geeignet. Hier kommt nun das Elektrozweirad ins Spiel. Ok, der Begriff klingt nicht gerade sexy und lässt an gemächlich dahinrollende Pensionäre auf dem Donauradweg denken. Doch vom „Rentner-Rolli“ ist bei der Elektromobilität schon lange keine Rede mehr. Rund 720.000 Elektrofahrräder wurden allein im letzten Jahr deutschlandweit verkauft – Tendenz steigend. Die Zielgruppe wird stetig jünger, die Modellvielfalt ausgewogener. Es gibt kaum noch etwas, was es nicht gibt: Mit dem E-Mountainbike entwickelt sich ein komplett neues Sportsegment, dazu steht eine Vielzahl an E-Rennrädern in den Startlöchern. Die E-Schwalbe verspricht italienisches Flair in deutschen Städten.


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WAVE OF CHANGE Vergessen wir für einen Moment den Wortmüll von Donald Trump. Mindestens so brisant ist die Verschmutzung der Weltmeere. Die Welle machen jetzt engagierte Kreative mit ihren Ideen. Text: Silke Roth

Der Herbstmonsun peitscht die Wellen bis zu fünf Meter hoch an die Strände der Insel Java. Der sonst dicht besiedelte Staat gleicht in den frühen Morgenstunden einem Niemandsland. Profisurfer Dede Surinaya ist in Indonesien aufgewachsen und weiß genau, wann die perfekte Welle draußen im Ozean auf ihn wartet. An jenem Herbsttag im Jahr 2013 ist Fotograf Zakary Noyle aus Hawaii mit ihm unterwegs. 24 Stunden Anreise haben die beiden Freunde hinter sich. Zuerst mit dem Auto von der Hauptstadt Jakarta in den Süden, dann mit einem Fischerboot weiter nach Java. Wenn die Wellen hier am höchsten Punkt brechen und sich als „Barrel“ bis fast zum Strand austanzen, springt Surinaya ins Wasser und paddelt los. In diesem Moment wird Fotograf Noyle Zeitzeuge des wohl traurigsten Naturschauspiels seiner Karriere. Im Wellenkanal fliegen Einwegverpackungen, leere Bierdosen und Essensreste um den erfahrenen Surfer. Wo man einst im klaren


Foto Surfer: Zak Noyle Alle anderen Fotos: Parley for the Oceans

Badewannenwasser schwamm, erstickt nun der Ozean in einem Teppich aus Müll. „Traumwellen, von denen man tagelang zehren kann, umarmt von Müll, der für eine Ewigkeit bleibt“, so wird Noyle später sein berühmtestes Foto beschreiben. Titel: „Wave of Change“. Die Verunreinigung der Weltmeere durch Plastikmüll ist im Jahr 2018 präsenter denn je. Die Naturschutzorganisation WWF schätzt, dass jedes Jahr 12,7 Millionen Tonnen davon in die Ozeane gelangen. Eine Lastwagenladung pro Minute. 450 Jahre wird die Umwelt brauchen, um jede einzelne weggeworfene Plastikflasche verrotten zu lassen. Mindestens. Bereit für eine weitere Zahl? Gerade mal 250.000 Tonnen Plastikmüll schwimmen an der Oberfläche, der Rest liegt in der Tiefe vergraben. MüllsammelAktionen an beliebten Badestränden und der Appell zum Mehrweg-Kaffeebecher sind da eher ein winziges Pflaster auf einer bereits eiternden Wunde. Sind

Entwicklungs- und Schwellenländer an den Müllsünden schuld? Fehlende Infrastrukturen und die Frage „Trennen die überhaupt nach Wertstoffen?“ wären als Gründe doch offensichtlich. Tatsächlich sind es SaubermannNationen wie Deutschland und Großbritannien, die ihre Kunststoffreste nach Asien schicken. Deutschland war jahrelang Müll-Europameister, seit Januar 2018 hat China die Einfuhr gestoppt. Alternative Auffangbecken unserer PET-Flaschen-Schwemme sind nun Vietnam, Malaysia und Thailand. Die Leidtragenden sind Meeressäuger und Seevogelarten. Verschlucktes Plastik ruiniert ihren Verdauungstrakt, wölbt sich in den Mägen und lässt die Tiere anschließend verhungern. Gefährlicher Nebeneffekt: Plastik zerfällt nach einiger Zeit im Meer und Mikropartikel gelangen direkt in die Organismen von Fischen, Muscheln und Menschen. Höchste Zeit, dass die Politik eingreift.

In der Tat will das Europaparlament die Plastikverschwendung eindämmen. Ein neuer Richtlinien-Entwurf soll EUweit Einwegprodukte aus Plastik verbieten: Trinkhalme, Besteck, Teller, Luftballonstäbe, Rührstäbchen für den Kaffee, dünne Plastiktüten, Wattestäbchen und Getränkeverpackungen. Realisierbarkeit? Nicht vor 2021. Lösungen, die aufklären, wachrütteln und Aktion einfordern, kommen derzeit nicht aus der Politik, sondern von Kreativen. Cyrill Gutsch ist einer von ihnen. Auf die Idee, seine New Yorker Kreativagentur in ein Aktionsbüro für Ozeanmüll zu verändern, kam der gebürtige Freiburger schon 2012. Er gründete „Parley for the Oceans“. Ein Anstoß für den Wandel war die Verhaftung von GreenpeaceMitgründer Paul Watson, der eine Aktion gegen Haiflossenjäger anzettelte. Gutsch besuchte den Umweltaktivisten Watson im Frankfurter Gefängnis. Sein Wissen über den Zustand der Weltmeere wuchs, doch


Magazin Anders _________ 84 Aufklärung in Meerestiefe. Parley for the Oceans macht Druck vor Ort und im Netz auf parley.tv.

ein radikaler Eco-Krieger zu werden, wie Watson es war, kam für Gutsch nicht in Frage. Seine Idee: mit smartem Design den Kampf gegen den Meeresmüll anzutreten. Ein Ersatz-Rohstoff aus recyceltem Meeresmüll musste her. Gutsch führte „Ocean Plastic“ ein, in der Hoffnung, bald mit namhaften Lifestyle-Marken gemeinsame Sache zu machen. Mit dem niederländischen Jeanshersteller G-Star entwickelte er ein „Bionic Yarn“. Die dazugehörige Kollektion bestand aus Baumwolle und recyceltem Plastik. USMusiker Pharell Williams war ein Fan der ersten Stunde und kooperierte – was dem jungen Projekt viel Aufmerksamkeit brachte. Heute ist „Parley for the Oceans“ ausgewachsen, leistet aber immer noch viel Aufklärungsarbeit. Der bislang größte Gewinn war die Partnerschaft mit Sportriese Adidas im April 2017. Der FC

Bayern München und Real Madrid spielen seitdem im Trikot aus recycelten Abfällen. Der gemeinsame Sneaker „Ultra Boost x Parley“ verkaufte sich über eine Million Mal. Das Nachfolgermodell soll es bald auf fünf Millionen schaffen. Dafür entwickelte „Parley“ mit Adidas eine Sohle, die mittels 3D-Drucker entsteht. Doch am Ziel ist Kreativkopf Gutsch noch lange nicht. „Wir müssen Plastik gehen lassen, nur der Akt, es aus dem Wasser zu holen, hilft nicht. Plastik ist ein großer Designfehler. Selbst unser Ocean Plastic ist nur eine Übergangsphase“, klärte er in einem Interview auf. Es braucht mehr Unternehmen, die radikal umdenken und endlich agieren. Global Player zu gewinnen steht auch auf der Wunschliste der beiden Kanadier Shaun Frankson und David Katz. 2013 gründeten sie das Startup „The Plastic Bank“: ein Sozialunternehmen, das aus

Müll eine Währung macht. Ihr Recycling-Betrieb auf Haiti bezahlt die Bevölkerung dafür, Plastikmüll zu sammeln und ihn zu einer offiziellen Stelle zu bringen. Pro Kilo bekommt man 30 Cent oder Sozialleistungen wie Strom, einen kostenlosen Internetzugang, Briketts zum Heizen oder die Chance, ein Smartphone zu laden. „The Plastic Bank“ recycelt den Plastikmüll vor Ort und verkauft den Wertstoff als „Social Plastic“ weiter. Gerade stieg Henkel Deutschland in den Verpackungsdeal ein. Plastik so wertvoll zu machen, dass es sich nicht mehr lohnt, es einfach wegzuwerfen, ist sicherlich ein genialer Schachzug. Wie sehr Henkel das Thema Umweltschutz weitertragen kann, bleibt allerdings fraglich. Dass Reinigungs-,Waschmittel und Klebestoffe hergestellt werden, die so gar nicht unsere Gewässer belasten, bis dahin ist es noch ein sehr weiter Weg – für uns alle.


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»Gute Einrichtung sollte dem Bewohner und dessen Lifestyle dienen.« Oliver Kuhlmey, Inhaber allrooms by OK Oliver Kuhlmey | 3.OG

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Guter Stil ist nicht sesshaft, sondern stets in Bewegung. Wir haben die Trend-Synergien von Mode und Mรถbeln auf einem Hausboot getestet. Freihafen, ahoi!



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INTERIOR EDITOR GORDON ZACHARIAS

ASSISTENT ERIK

FOTOGRAF BÖRGE SIERIGK

KREATIVDIREKTION STEFAN HEYER (STILWERK) FLORIAN KAHLE (UPGRADE)

PRODUKTION VEIT SCHULZE (UPGRADE) SARAH SCHÖNING (STILWERK)

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Kreative Direktion Alexander Garbe & Stefan Heyer Art Direktion & grafische Gestaltung Stefan Heyer Reinzeichnung Stefanie Schwarzbach

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Herausgeber & Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Alexander Garbe stilwerk Center-Management GmbH Große Elbstraße 68 22767 Hamburg Tel. +49.40.28809460 magazin@stilwerk.de www.stilwerk.com

Chefredaktion Alexander Garbe Redaktion Silke Roth, Elena Recke, Sarah Schöning,Gordon Zacharias, Stefan Heyer

Text & Lektorat Natali Michaely Korrektorat Karoline Schulz

stilwerk Magazin anders 1/2019 Chef vom Dienst Sarah Schöning Objektleitung Gordon Zacharias

Konzept und Realisation stilwerk Center Management GmbH Geschäftsführung Tatjana Groß Große Elbstraße 68 22767 Hamburg Druck Evers-Druck GmbH Ernst-Günter-Albers-Straße 9 25704 Meldorf Vertrieb PressUp GmbH Postfach 70 13 11, 22013 Hamburg Wandsbeker Allee 1, 22041 Hamburg Heftpreis € 5,50 Erscheinungsjahr 2019

Bildredaktion Stefan Heyer Interior Editor Gordon Zacharias

Standorte stilwerk Hamburg Große Elbstraße 68 22767 Hamburg hamburg@stilwerk.de stilwerk Berlin Kantstraße 17 10623 Berlin Berlin@stilwerk.de stilwerk Düsseldorf Grünstraße 15 40212 Düsseldorf Duesseldorf@stilwerk.de Produktion mit 100 % Ökostrom aus regenerativer Stromerzeugung und ohne Einsatz von fossilen Brennstoffen, sowie Einsatz von 100 % Gas, das über ein UNFCCC-Projekt (Registration Ref. No. 0258) klimaneutralisiert ist. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird nicht gehaftet. Titel und Vorspänne stammen i.d.R. von der Redaktion. Datenschutzbeauftragter im Sinne der DSGVO Christian Mehnert, stilwerk Center-Management GmbH, Große Elbstraße 68, 22767 Hamburg, datenschutz@stilwerk.de

Anzeigen & Kooperationen Daniela Walter, Sarah Schöning, Patrick Woydt, Gordon Zacharias

Autoren Bazon Brock, Thomas Geisler, Tatjana Groß, Jo Klatt, Natali Michaely, Stephanie Neubert, Julia Neuman, Nicole Niewiandomski, Marie Pfeiffer, Kay Alexander Plonka, Silke Roth, Hannah Schmidt, Petra Schwab, Annika Thomé, Johann Tomforde, Franziska Underberg, Manuel Almeida Vergara


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gemeint sein, als es gesagt wird. Wenn man etwas anderes meint, als man sagt, sei es aus Formulierungsschwäche oder Bekenntnisirrtum, weiß man doch, was man meint, und dann könnte man es so sagen, dass das Gegenüber einen entsprechenden Bescheid erhält: „Ich meine das so und so und nicht anders.“ Dennoch gilt es als häufigste Erklärung für Missverständnisse, dass man das andere und wahrhaft Gemeinte nicht getroffen hat, sondern sich auf das Gesagte verließ. Der pseudophilosophische Tiefsinn verkündet triumphal, dass eben alles vieldeutig und mehrwertig sei. Oberschlau, denn dann könnte ja jeder mit dem Gesagten anfangen, was er will, weil eine bestimmte Aussage gar nicht möglich ist! In der Tat: Die wahrhaft gelungenen Mitteilungen sind jene, die es dem Adressaten ermöglichen, Missverständnisse produktiv werden zu lassen. Das heißt, selbst alle Erwartungen zu übersteigen und damit wirklich informativ zu werden. Das Andere ist also dasselbe und bekanntlich ist Dasselbe nicht das Gleiche. Wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht das Gleiche, sondern das Andere als dasselbe. Wohl bekomms, wenn Sie nun „heute Abend mal etwas ganz anderes essen“ gehen! © Bazon Brock, Cronenberg 2018

Bazon Brock bezeichnet sich gernals Denker im Dienst und Künstler ohne Werk. Er ist emeritierter Professor am Lehrstuhl für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Bergischen Universität Institute, darunter das Institut für Gerüchteverbreitung und eines für theoretische Kunst, das Labor für Universalpoesie und Prognostik, das Büro für Evidenzkritik, das Pathosinstitut Anderer Zustand und die Prophetenschule. Seit 2011 betreibt er die "Denkerei/Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand" mit Sitz in Berlin. www.denkerei-berlin.de

Magazin Anders _________ 98

Eine im Politischen wie Privaten extrem beliebte Verwendung des Gedankens an das ganz Andere beruft sich darauf, dass ja alle Gesetze, Sitten und Gebräuche, Verfahren, Meinungen und Zielsetzungen als menschengemachte auch ganz anders sein könnten als sie sind. Man müsse nur das Andere wollen, um anders zu denken und die „eingefahrenen Sehweisen, Auffassungen und Bewertungen“ zu verändern. Seit mehr als hundert Jahren wird z.B. die Veränderung der Sehweisen als entscheidende Leistung neuer Kunst feuilletonistisch gefeiert. Woran misst man denn die Veränderung der Sehweisen, wenn sich der Bezugspunkt für die Veränderung ständig selber verändert hat? Abgesehen davon, dass dem propagierten Neuen gegenüber wieder der Verweis auf etwas ganz anderes, auf ein neues Anderes droht, gilt es zu bedenken, dass das von Menschen Gemachte nicht schon deshalb in einen anderen Zustand überführt werden kann, weil es ja von Menschen gemacht wird; denn die Menschen leben von Voraussetzungen, die außerhalb ihrer eigenen Macht stehen. Die Wissenschaft kennzeichnet mit dem Begriff Kontingenz die Tatsache, dass z.B. Sitten und Gebräuche irgendwie und irgendwann entstanden, aber nicht willkürlich zu ändern sind: willkürlich nicht, aber nach Plan schon zu ändern? Die Technikevolution ist von Menschen gemacht, kann aber nichtsdestotrotz nicht wieder von Menschen ungeschehen gemacht werden und jede ihrer Veränderungen ist nur eine Überführung in einen Zustand, dem wieder ein anderer befürchteter oder gewünschter gegenübersteht. Auf allen Ebenen der Kommunikation hat sich als scheinbar überzeugend der Gedanke etabliert, alles könnte auch ganz anders

Foto: Verena Berg

Kann das denn anders sein? Wir haben das alles zwar gemacht, können es aber nicht ändern.


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