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Alles in Bewegung
Das tanzmainz festival # 4 (8.–19. März) bringt die internationale Szene zurück (2)
Wer jetzt kein Ticket hat, kauft sich keines mehr. Das gilt, frei nach Rilke, schon für eine ganze Reihe der 25 Vorstellungen des 4. Internationalen Tanzfestivals in Mainz. Kein Grund für niemand, es nicht trotzdem zu versuchen. Nach den drei Erstaufführungen von La Baraka, dem Nuovo Baletto di Toscana und von Jonas & Lander im Februar-Strandgut sei hier – völlig subjektiv und ungeprüft – zunächst die Produktion »Graces« hervorgehoben. Und das nicht nur, weil der hier allverantwortliche Tanzdirektor der Mainzer, Honne Dohrmann mit der Arbeit von Silvia Gribaudi einen »Abend zum Verlieben« ankündigt. Die als »Revolutionärin« und »Prophetin des befreiten Körpers«, aber auch als »Arlecchino ohne Maske« gefeierte Turiner Choreografin stellt ihren jedem Idealmaß spottenden Körper in das Zentrum der Schau. Mit drei jungen tanzenden Apollos feiert ihre die Skulptur »Die drei Grazien« des Bildhauers Antonio Canova zitierende Performance, Schönheit, Anmut und Proportionen – nur in Unterwäsche und Socken gekleidet. (15. März, 18 Uhr).
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Eine Körperforscherin ganz eigenen Zuschnitts ist die ehemalige Forsythe-Tänzerin Rafaële Giovanola, deren jüngste Arbeit am Haus (»Sphynx«) erst kürzlich mit dem Faust-Preis als beste deutsche Choreografie ausgezeichnet wurde. Im U17 ist Giovanola wieder mit ihrer eigenen Compagnie CocoonDance zu Gast. Ihre Choreografie »Standard« hinterfragt und zerlegt den hier allein als Körperkonzept betrachteten Gesellschaftstanz. Wer das Glück hatte, ihre Arbeit »Vis Motrix« zu sehen, weiß, was gemeint ist, wenn das Programm hier »alienhafte Figuren (…) in einer Welt schwankender Eleganz« verspricht. Es wird kurzum magisch, am 16. März um 21 Uhr.
Zwischen expressionistischer Plastizität und gegenwartsbezogenen hartem »physical dance«, zwischen extrem strukturiert und aufbrausend wild siedeln die Auftritte des Ballet national de Marseille »(La) Horde«. Der Abend »Childs/Carvalho/Lasseindra/Doherty« präsentiert vier hochangesagte weibliche Choreografie-Handschriften. Hart und gegenwartbezogen legt die
Belfasterin Oona Doherty ihrer Arbeiten an, als queere Ikone des Vogueing Dance gilt die Französin Lasseindra Ninja, als durchdacht und klar gelten die Choreografien der New Yorker Ikone der Postmoderne Lucinda Childs, während die Neukreation von Tânia Carvalho Expressivität verspricht. Wie lebendig gewordene Malereien wirken ihre bisherigen Arbeiten. Kein Wunder also, dass dieser State-of-Art-Abend im Großen Haus mit zwei Terminen aufwartet. (16./17. März je 19.30 Uhr) mehr davon und alles andere unter www.staatstheater-mainz.com
Eins geht noch, unbedingt: »Wakatt«: Die vom belgischen Faso Danse Théâtre dargebotene Choreografie von Serge Aimé Coulibaly verhandelt brisante Zustände der gesellschaftlichen Verunsicherung.
Ein Stück zwischen Angst, Niedergeschlagenheit und Wahnsinn einerseits und Revolte, Hoffnung und Ekstase auf der anderen, das gleichwohl auf eine versöhnende Zukunft weist. Als Grande Finale am 19. März um 19.30 Uhr im Großen Haus.