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Drei große Premieren in Frankfurt

Neue Inszenierungen im Schauspielhaus, in der Naxoshalle und dem Bockenheimer Titania

»Die Traumnovelle« im Schauspielhaus

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Sebastian Hartmann gehört zu den Regisseuren, deren Inszenierungen sich seitens der Kritik bundesweiter Aufmerksamkeit erfreuen, das Publikum oft aber so strapazieren, dass allenfalls die Premieren ein volles Haus garantieren – wenigstens zu Beginn. Fast sieben Jahre war Hartmann nicht mehr in Frankfurt aktiv. Arthus Schnitzlers »Die Traumnovelle« wird nach »Dämonen« (Dostojewski) und »Der Revisor« (Gogol) seine dritte Arbeit in der Mainmetropole sein.

Die 1925 in einer Modezeitschrift erstmals veröffentlichte Erzählung handelt von den unbewussten erotischen Wünschen und Begierden des Arztes Fridolin und seiner Frau Albertine. Und von deren Entdeckung in einer rauschhaften abenteuerlichen Nacht. Fridolin wird in einem Schloss während einer Festgesellschaft enttarnt, Albertine legt ihr sexuelles Verlangen nach anderen Männern offen. Der Text bricht mit der Verquickung von Traum und Wirklichkeit die persönlichen Sicherheiten seiner Figuren auf.

Sigmund Freud sprach Schnitzler seine Anerkennung dafür aus, all das, was ihm selbst erst nach mühseliger Arbeit offenbar geworden sei, intuitiv entdeckt zu haben.

In Frankfurt wurde Schnitzlers Novelle zuletzt vor zwölf Jahren für die Bühne adaptiert. Bastian Kraft hat sie im Frankfurter Kammerspiel mit der Doppelbesetzung Torben Kessler/ Franziska Junge und Marc Oliver Schulze/ Valery Tscheplanowa in einem spektakulären Spiegelkabinett inszeniert. Für das Stalburg Theater setzte Nenad Smigoc den Stoff im Bahnhofsviertel im Environment des Nachtklubs »Pik Sieben« mit Patricia Aulitzky in Szene. Hartmanns Inszenierung wird auf der großen Bühne des Schauspielhauses gezeigt, wobei man annehmen darf, dass diese sich kaum auf Schnitzlers Vorlage beschränkt. Mit dabei sind Caroline Dietrich, Heidi Ecks, Christian Kuchenbuch, Manja Kuhl, Sebastian Kuschmann, Annie Nowak, Christoph Pütthoff, Matthias Redlhammer und selbstverständlich wie immer bei Hartmann der Kabarettist Holger Stockhaus. Feste Rollen, so viel ist zu erfahren, gebe es keine.

Termine: 4., 13., 16., 17., 20., 22., 31. märz, 19.30 Uhr www.schauspielfrankfurt.de

Das klingt doch großartig: ein enfant terrible der Regisseurs-Szene an den Städtischen Bühnen, ein veritabler Tschechow in der Spielstätte des Theaters Willy Praml und ein theatralisches Porträt einer politisch engagierten Französin, die kaum bekannt ist hierzulande, beim Freien Schauspiel Ensemble in Bockenheim.

»Der Kirschgarten«

auf Naxos

Es fällt einem ja schon beim Tippen schwer, das »Abholzen eines Kirschgartens« in die Tasten zu geben. Auf einen Frevel ohnegleichen läuft in unseren Augen Anton Tschechows 1903 uraufgeführtes Stück hinaus, das seinerseits, wen wundert’s, jetzt voll in der Blüte, sprich: auf zahllosen Spielplänen steht. Und dies meist in eindeutiger Absicht: In Hamburg etwa hat die Regisseurin Katie Mitchell die Bäume selbst in den Mittelpunkt ihrer Inszenierung gestellt und diese den Menschen zuhören lassen.

Beim Theater Willy Praml in der Naxoshalle nimmt sich Michael Weber des Stoffes an, der vom Ende einer Sommerfrische der besseren, aber auch abgehalfterten Gesellschaft erzählt. Und davon, wie eine Generation von geschäftstüchtigen Machern sich daran macht, an die Stelle der Altvorderen in Russland zu treten.

Die Figur des zum Kaufmann avancierten Leibeigenen-Sohnes

Lopachin steht für eine neue Zeit, die Kirschbäume zu Datschen machen will.

Und was wäre eigentlich so verkehrt daran? fragt da provokant

(» Die Axt ist eine gute Erfindung

– ein Werkzeug hat keine Gefühle.«) Regisseur Weber in einer Ankündigung, die so wunderbar argumentiert, dass wir sie hier gerne wiedergeben.

»Alle haben Recht: der Baum und der Baumfäller. Man kann sich in die Generationen, die Tschechow auf- und abtreten lässt hineinversetzen; es fällt einem schwer, die einen zu verdammen und die anderen zu bemitleiden. Wer alt ist hat viel erlebt und will nicht sterben. Wer jung ist, will noch viel erleben und hat keine Angst vor dem Tod. Und die Kirschbäume sind sowieso bei bester Laune, selbst als Kirschholzkommode oder Kirschmarmelade.«

Termine Fr./Sa.: 10., 18., 24., 25., 30., 31. märz, 20 Uhr; So. 12., 19., 26. märz, 19 Uhr www.theaterwillypraml.de

»Annette. ein Heldinnenepos« im Titania, So stellt das Freie Schauspiel Ensemble die Protagonistin seiner Frühlingsproduktion vor: »Anne Beaumanoir, genannt Annette, wird 1923 in der Bretagne geboren und wächst in einfachen Verhältnissen mit nichts weniger als der Überzeugung auf, dass die Welt ein gerechterer Ort sein sollte. Annette – eine Heldin? – Ja. Aber keine Penthesilea, und auch keine Revolutionärin wie Rosa Luxemburg. Sondern eine politisch wache Bürgerin, die nicht redet, sondern handelt. Als Frankreich im zweiten Weltkrieg von NaziDeutschland besetzt wird, ist sie Studentin der Medizin und geht in die Résistance. Und 1954, inzwischen Ärztin in Marseille, engagiert sich Beaumanoir in der algerischen Befreiungsbewegung. » Regisseur Reinhard Hinzpeter legt seiner Arbeit eine eigene Adaption des ungewöhnlichen, mit dem Deutschen Buchpreis 2021 ausgezeichneten Werkes von Anne Weber zugrunde: »Annette, ein Heldinnenepos«. Die Autorin nutzt darin ein literarisches Genre, das gewöhnlich der Glorifikation von Männern vorbehalten ist, ohne aber das Handeln der Protagonistin zu glorifizieren. Das Freie Schauspiel Ensemble versucht sich an einer adäquaten theatralischen Umsetzung für die sich in freien Versen äußernde Erzählweise: eine vielschichtige ästhetische Partitur aus Klang, Bewegung, Sprache, Rhythmus, assoziativen Bildern, wechselnden Räumen und Atmosphären. Die Premiere bestreiten nur wenige Tage nach dem ersten Jahrestag des Todes von Beaumanoir die Ensemble-Mitglieder Michaela Conrad, Bettina Kaminski und Ivan Pancera.

Termine: 18., 23., 24., 31. märz, 20 Uhr www.freiesschauspiel.de

>> Maifestspiele Schauspiel: Stefanie Reinsperger vom Berliner Ensemble, inzwischen auch im Tatort unterwegs, macht mit ihrem Auftritt in Thomas Bernhards

»Der Theatermacher« (Regie Oliver Reese) zu einem der TopEvents des Wiesbadener Festivals (16.). Ebenfalls vom BE kommen passend zum Tag der Arbeit (1.)

»Big Brecht« mit Tilo Nest und Constanze Becker und am 18. »It’s Britney, Bitch« mit Sina Martens in die Landeshauptstadt. Das Thalia Hamburg bringt Molières »Der Geizige« (18.). Das Burgtheater Wien zeigt Christian Krachts »Eurotrash« (30./31.). Thorsten Lensings grandioses »Verrückt nach Trost« (20./21.) war kürzlich am Mousonturm zu Gast.

>> Maifestspiele Tanz: Das Koreanische Nationalballett bringt mit der Neuinszenierung von Marius Pepitas »Le Corsaire« endlich auch mal wieder klassisches Ballett in die Region (12.) Angesagt sind – bis jetzt noch – die unter dem gemeinsamen Titel »geradeNOW« firmierenden Choreografien »Midnight Raga« von Marco Goecke und »Of Prophets and Puppets« von Martin Harriague. (27./28.). Ein Tanzdoppel bestreiten auch Starchoreograf Sidi Larbi Cherkaoui mit »Faun« und Fouad Boussouf mit »VIA« (20./21.). In Kooperation mit dem Mousonturm kommt Angélica Liddells »Liebestod« (23.). Wer Karten will, sollte sich sputen. www.staatstheater-wiesbaden.de

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