LIteratur
Kolumne: Alf Mayers Blutige Ernte
Die Fackel weitergeben Gustav Schwabs »Griechische Sagen« in einer prachtvollen Neuausgabe Sie sind allgegenwärtig. Immer noch. Und wohl für alle Zeiten. Wir Menschen brauchen sie – anscheinend, deshalb sind sie unvergänglich. Heute nennt man sie Superhelden, wir Älteren kennen Sie noch als die Götter und Helden der griechischen Antike. Auch das Marvel-Universum und so gut wie jeder CGIBlockbuster ist direkt mit ihnen verbunden. Heroes forever.
Jetzt liegt die Bibel all dieser Heldengeschichten in einer neugefassten Prachtausgabe vor – und sie hat selbst das Zeug, ein Klassiker zu werden. Wie immer bei einem Band aus dem Verlag Taschen ist das Preis-Leistungsverhältnis sagenhaft: 30 Euro für fast eineinhalb Kilo bestens ausgestattetes, üppig illustriertes Buch. Auch auf der Textebene haben Herausgeber Michael Siebler und Cheflektorin Mahros Allamezade, die bei Taschen den Classics-Bereich verantwortet, ganze Arbeit geleistet, unterstützt von Tom Pitt-Brooke bei der Bildbeschaffung. Herkulische Arbeit war es vermutlich, um im Sujet zu bleiben. Das Buch ist sorgfältig editiert, bis in die Bildlegenden und die sehr nützlichen Seitenangaben und Register. Wo etwa taucht Achilles auf? Ikarus oder Penelope? Was hat Kirk Douglas damit zu tun oder Richard Strauss? Zudem gibt es ein Glossar klassischer Gestalten und Begriffe, die Biographien der 28 Buchkünstler, die zum Reichtum des Bandes beitragen und die des Illustrators Clifford Harper. Insgesamt 47 Sagen hat Herausgeber Siebler aus den Erzählungen von Gustav Schwab ausgewählt. Die Argonauten, Trojas Geschichten und die Fahrten und Heimkehr des Odysseus machen dabei den Löwenanteil aus. Der Text folgt der Ausgabe von 1888, wurde behutsam aktualisiert. Taugt zum Vorlesen. Gustav Schwab, 1792 in Stuttgart geboren, war Lehrer, Professor für Latein, Verlagsmitarbeiter beim Metzler-Verlag, dann Pfarrer und Leiter der höheren Schulen in Württemberg. »Seine« Sagen, 1838 bis 1840 in drei Bänden erschienen, bis heute in 17 Sprachen übersetzt und in schier unzählbaren Auflagen erschienen, sind die Nacherzählungen vieler Sagenkreise des griechischen und römischen Altertums in flüssigem Stil. Schwabs Zielpublikum waren ursprünglich Schüler und junge Frauen, er übersetzte selbst, grausame oder erotische Passagen schwächte er ab (wie ich heute weiß), war dabei aber immer noch härter als die späteren gekürzten, »kindgemäßen« Ausgaben, etwa die Fassung Josef Guggemos, 1960, oder die sich im Umlauf befindende aus dem Jahr 1955 von Hans Friedrich Blunck.
S. 33 Gustaf Tenggren Die Büchse der Pandora, 1950er-Jahre Copyright: © TASCHEN/Gustaf Tenggren Papers, Children’s Literature Research Collections, University of Minnesota Libraries
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