Brennpunkt Recht / Gesellschaft
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Erbrecht (Ausgabe für Lehrperson)
Pflichtteile müssen berücksichtigt werden
Wer über einen Teil seines Nachlasses individuell verfügen will, muss dazu nach bestimmten Regeln eine Verfügung von Todes wegen aufstellen. Damit können irgendwelche Personen als Erben eingesetzt werden. In der Verteilung seines Nachlasses ist man jedoch nicht vollständig frei. Die gesetzlichen Erben dürfen – sofern sie pflichtteilsgeschützt sind – nicht vollständig übergangen werden. Je näher die gesetzlichen Erben in verwandtschaftlicher Beziehung zum Erblasser stehen, desto stärker werden ihre erbrechtlichen Ansprüche geschützt. Der «Pflichtteil» ist jener Teil des gesetzlich vorgesehenen Erbanspruches, der bestimmten Erben mindestens zusteht. In der Schweiz sind nur die Nachkommen und der überlebende Ehepartner der Erblasserin «pflichtteilsgeschützt». Ab 2023 beträgt ihr Pflichtteil die Hälfte ihres gesetzlichen Erbanspruches. Diesen Mindestanspruch muss ein Erblasser bei der Formulierung seines Testaments zwingend berücksichtigen. Erbrecht 7 ■ Übersicht über die über Pflichtteilsregeln geltend bis 31.12.2022 (altes Erbrecht) Übersicht die Pflichtteilsregeln geltend bis 2022
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Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich seit der ursprünglichen Schaffung des Erbrecht Anfang des 20. Jahrhunderts grundlegend verändert. Die Ehe gilt nicht mehr als alleinige und «auf ewig» ausgerichtet Form des Zusammenlebens; Zweit- und Drittbeziehungen sind häufiger und die familiären Lebensformen vielfältiger geworden. Im revidierten Erbrecht (gültig ab 1.1.2023) wurde deshalb der Pflichtteil der Nachkommen reduziert und der Pflichtteil der Eltern vollständig aufgehoben. Dadurch wird die Verfügungsfreiheit für die Erblasserin vergrössert. So können etwa in einer Patchworkfamilie weitere, ausserhalb der gesetzlichen Erbfolgeregelung nahestehende Personen begünstigt werden.
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Erbrecht
■ Übersicht über die Pflichtteilsregeln geltend ab 01.01.2023 Erbrecht) Übersicht über die Pflichtteilsregeln geltend(neues ab 2023
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Ab 2023 entfällt der Pflichtteil für die Eltern; für «Ehepartner und Eltern erben gemeinsam» gilt alleine die Pflichtteilsregelung für Ehepartner.
Wirtschaft und Gesellschaft
Brennpunkt Recht / Gesellschaft @ by STR Teachware: Urs Saxer, Thomas Tobler, Heinz Rüfenacht
1 Werden einzelne Erben auf den Pflichtteil gesetzt, so wird ein Anteil des Erbes für die Begünstigung weiterer Erben – ausserhalb der gesetzlichen Erbfolge – frei. Dieser Anteil, über den der Erblasser frei verfügen kann, heisst freie Quote.
Wenn einem pflichtteilsberechtigten Erben sein Erbanspruch vollständig entzogen wird, so spricht man von einer Enterbung. Eine solch schwerwiegende Massnahme ist nur dann gültig, wenn sie in Form einer letztwilligen Verfügung unter ausdrücklicher Angabe der Brennpunkt Recht @ by STR Teachware: Urs Saxer,(Art. Thomas Tobler, Rüfenacht Wirtschaft und Gesellschaft Gründe erfolgt. Gemäss Gesetz gibt es/ Gesellschaft zwei Enterbungsgründe 477 Heinz ZGB): schweres Ver- 2 brechen (z. B. ein Mordversuch) oder schwere Verletzung familienrechtlicher Pflichten gegenüber dem Erblasser bzw. deren Angehörigen.