Recht 13 - LV

Page 2

13

Brennpunkt Recht / Gesellschaft

1

Verträge auf Arbeitsleistung (Ausgabe für Lehrperson)

Arbeitsvertrag, Werkvertrag oder Auftrag?

Auf den ersten Blick sieht es simpel aus: Ein Arbeitsvertrag liegt immer dann vor, wenn gearbeitet wird. Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass nicht jeder Vertrag, der eine Arbeitsleistung gegen Bezahlung beinhaltet, auch auf einem Arbeitsvertrag beruht. ■ Arbeitsvertrag (Art. 319–362 OR) Die Merkmale eines Arbeitsvertrages sind gemäss Art. 319 ff. OR die Verpflichtung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin, für eine gewisse Zeit Arbeit im Dienste des Arbeitgebers zu leisten und dessen Anordnungen zu befolgen. Auf der Gegenseite steht die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entrichtung eines Lohnes. Dieser ist die Entschädigung dafür, dass der Arbeitnehmer während der vereinbarten Arbeitszeit seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Wird der Lohn nach der geleisteten Arbeitszeit entrichtet, sprechen wir von Zeitlohn, wird er aufgrund der erbrachten Leistung vergütet, bezeichnen wir dies als Akkordlohn. Die individuellen Abmachungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden im Einzelarbeitsvertrag (EAV) festgelegt. ■ Schuld- und Forderungsverhältnis im Arbeitsvertrag Arbeitnehmerin (AN) ist verpflichtet, während einer bestimmten Zeit Arbeit im Dienst der AG zu leisten (Schuldnerin) ist berechtigt, den vereinbarten Lohn zu fordern (Gläubigerin)

Schuld Arbeitsleistung Forderung Schuld Lohnzahlung Forderung

Arbeitgeberin (AG)

ist berechtigt, während einer

bestimmten Zeit Arbeit zu fordern und Anweisungen zu erteilen (Gläubiger) ist verpflichtet, den vereinbarten Lohn auszuzahlen (Schuldner)

Ein weiteres Merkmal des Arbeitsvertrages ist die Unterordnung des Arbeitnehmers unter die Weisungsgewalt des Arbeitgebers während einer gewissen Zeit. Die Direktorin einer Unternehmung gilt demnach ebenso wie eine Kauffrau EFZ als «unselbstständige» Arbeitskraft. Obwohl die Direktorin in ihrem Arbeitsbereich viel mehr Entscheidungsbefugnisse und -kompetenzen hat als eine Kauffrau, ist auch sie letztlich dem Verwaltungsrat der Unternehmung unterstellt; für beide Personen gelten – wenn auch inhaltlich sehr unterschiedliche – Einzelarbeitsverträge. Die «Befehlsgewalt» des Arbeitgebers über sein Personal ist selbstverständlich nicht absolut. Der Arbeitgeber muss die Persönlichkeit seiner Angestellten achten und auch auf ­deren Gesundheit gebührend Rücksicht nehmen.

Seite 2

■ Werkvertrag (Art. 363–379 OR) Bei einem Werkvertrag erstellt ein Werkunternehmer im Dienste des Bestellers einen konkreten Gegenstand nach den persönlichen Wünschen des Bestellers. Im Vordergrund steht das «Werk», das Ergebnis, und nicht das «Wirken», die Arbeit, wie im Arbeitsvertrag. Das betreffende Werk kann eine materielle oder eine immaterielle Sache sein, z. B. die Herstellung einer Website. Ebenfalls unter den Werkvertrag fallen Veränderungen an Werken wie z. B. Reparaturen. Ein typisches Beispiel eines Werkvertrages ist der Bau eines Hauses. Der Bauunternehmer plant und koordiniert den Arbeitseinsatz seines Personals unabhängig von den Weisungen des Bauherrn (Bestellers). Er muss dafür sorgen, dass das Haus zum vereinbarten Termin in der vereinbarten Art (Grösse, Ausstattung usw.) sowie entsprechend den gesetzlichen Bauvorschriften fertig erstellt ist. Auch eine selbstständige Beim Bau eines Hauses werden viele Arbeiten auf der Basis von Aufträgen oder Werkverträgen ausgeführt. Schneiderin, die für eine Kundin ein FestDer Maurer eines Baugeschäftes ist aber in der Regel kleid anfertigt, steht nicht in einem Unterim Rahmen eines Arbeitsvertrages tätig. ordnungsverhältnis zu ihrer Kundin. Sie ist gegenüber der Bestellerin lediglich dafür verantwortlich, dass das «Werk», das fertige Kleid, zum vereinbarten Termin in der vereinbarten Art (Stoffqualität, Farbe, Schnitt usw.) ausgeliefert wird. ■ Auftrag (Art. 394–406 OR) Aufträge haben die Besorgung von Geschäften oder einzelnen Diensten als Vertragsinhalt. Wir können uns merken, dass alle «Arbeitsverträge», die nicht Einzelarbeits- oder Werkverträge sind, rechtlich als «Aufträge» gelten. Zwar besitzen frei berufstätige Personen wie beispielsweise freie Mitarbeiter einer Zeitungsredaktion die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit selber einteilen zu können. Diese grössere Freiheit bedeutet jedoch häufig weniger Lohn und weniger soziale Sicherheit, weil die freien Mitarbeiter nicht den Vorschriften des Arbeitsrechts unterstehen. Wenn z. B. ein Unternehmen seine Buchhaltungsarbeiten durch einen selbstständigen Treuhänder erledigen lässt, so handelt es sich rechtlich um einen Auftrag. Ebenso steht ein Rechtsanwalt in einem Auftragsverhältnis zu einem Auftraggeber, der ihm das Mandat zur Führung eines Prozesses übergibt. Gleichermassen gilt die Arbeitsleistung eines freiberuf­ lichen Arztes rechtlich als Auftrag.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.