Brennpunkt Volkswirtschaft
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Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik (Ausgabe für Lehrperson)
Seite 27
Aufgabe 1 Wirtschaftspolitische Eingriffe: Vergleich Schweiz – Venezuela Am 22. 11. 2013 verbreitete die Schweizerische Depeschenagentur folgende Nachricht: Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro hat seine neuen Sondervollmachten genutzt und zwei Dekrete1 zur Wirtschaftspolitik erlassen. Am Donnerstagabend (Ortszeit) unterzeichnete er ein Gesetz, das unter anderem die Preise bestimmter Warengruppen senkt. Zudem beschränkt das Gesetz Unternehmensgewinne auf 15 % bis 30 %. «Dieses Gesetz hat das einzige Ziel, die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der arbeitenden
Bevölkerung zu schützen», sagte der Staatschef laut Medienberichten bei der Unterzeichnung. Ein zweites Gesetz regelt den Aussen- und Devisenhandel. Am Dienstag hatte die Nationalversammlung das Ermächtigungsgesetz «Ley Habilitante» gebilligt. Maduro kann nun ein Jahr mit Dekreten und ohne Beteiligung des Parlaments regieren. Die Opposition hatte kritisiert, das Gesetz demontiere die Demokratie, die Verfassung und den Rechtsstaat.
c) Welche langfristigen ökonomischen Folgen dürfte die Massnahme haben?
Die Unternehmungen werden sich aus diesen Bereichen zurückziehen, weil sie keine Gewinne mehr erwirtschaften können. Das Angebot wird deutlich zurückgehen. Langfristig wird sich die Versorgungslage folglich verschlechtern. d) Welche anderen Folgen muss Herr Maduro befürchten?
Soziale Spannungen, weil nicht alle Menschen davon profitieren. Rückzug investitionswilliger Unternehmungen, weil die Rechtssicherheit nicht mehr gewährleistet ist.
a ) Was bezweckt der venezolanische Präsident mit seinem Dekret?
Die arbeitende Bevölkerung soll sich bestimmte Güter leisten können, die sie sich aufgrund der Marktpreise nicht leisten könnte.
e) Nennen Sie Bereiche, in denen der Staat auch in der Schweiz in die Preisbildung eingreift? Erläutern Sie mögliche Gründe, warum er dies tut.
Subventionen, z. B. im öffentlichen Verkehr, Krankenkassenprämien,
b) Welche kurzfristigen ökonomischen Folgen dürfte die von Präsident Maduro verlangte Preissenkung haben?
Medikamentenpreise, Schutzzölle (z. B. im Agrarsektor).
Gemäss dem Preis-Mengen-Modell dürfte die Nachfrage infolge
Es soll damit sichergestellt werden, dass ein übergeordnetes
der tieferen Preise deutlich zunehmen (Nachfrageüberschuss).
gesamtgesellschaftliches Ziel besser erreicht wird.
Die Geschäfte werden gegebenenfalls schnell leergekauft.
f ) Was unterscheidet die Markteingriffe in der Schweiz grundsätzlich von den beschrie benen Massnahmen in Venezuela?
Die Eingriffe in Venezuela basieren auf einem Entscheid der
▼ Hinweis zur Situation in Venezuela (Stand: 02/2022) Die Wirtschaft schrumpfte bis 2021 um mehr als 75%. Die Dollarisierung ab 2019 hat zwar für volle Regale im Einzelhandel gesorgt, die Kaufkraft ist jedoch um 40% gesunken. 95% der Bevölkerung gilt heute als arm; ein Drittel leidet an Unterernährung oder Hunger. Seit 2014 haben über 6 Millionen Menschen aus Venezuela ihr Land verlassen
Regierung (eine Art Notrecht). Die Eingriffe in der Schweiz basieren auf Gesetzen, die vom Parlament erlassen und vom Volk akzeptiert wurden. 1
Ein Dekret ist ein vom Staatsoberhaupt mit Gesetzeskraft ausgestattetes Dokument.