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Gipfel vs. Alm Eine Ode ans Bergsteigen –und eine ans Wandern

Gipfel Alm

Zum wahren Glück braucht’s den Gipfelsieg. Oder reicht eine gemütliche Almwanderung völlig aus? Eine Ode ans Bergsteigen – und eine ans Wandern

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WENN ICH IRGENDWO EINEN BERG SEHE, muss ich rauf. Auch wenn es nur ein Gipfelchen ist. Das steckt tief in mir drin. Ich kann nicht anders. Ich will nicht anders. Es ist ein Kick, ganz oben zu stehen: da, wo es nicht weitergeht. Da, wo die Welt ein Stück zu Ende ist. Da, wo du dich wie ein König fühlst – und gleichzeitig wie der unwichtige kleinste Wimpernschlag der Unendlichkeit. Der Mix dieser wogenden Gefühlskombination ist so stark, dass er beinahe süchtig macht.

Es gibt Menschen, die sagen, der Gipfel sei nicht so wichtig. Hauptsache Natur, Hauptsache draußen sein, Hauptsache in eine schöne Alm einkehren. Glauben Sie diesen Menschen nicht! Der Gipfel ist Magie. So gut wie das Gipfelspeckbrot kann ein Almknödel nie schmecken. Einen Gipfel zu erreichen bedeutet immer auch: Grenzen austesten, einen Schritt weiter wagen, verstehen, wenn man umzudrehen hat, das hochgesteckte Ziel erreichen – oder es zumindest versucht haben. Wer wandert, mag einen schönen Tag erleben. Wer den Gipfel erklimmt, dem gehört die Welt. Er entdeckt neue Horizonte – auch in sich selbst.

LENZ KOPPELSTÄTTER

WENN ICH WANDERE, gehe ich einfach los, um unterwegs zu sein. Ziel brauche ich keines, Wandern ist kein Wettlauf. Manchmal weiß ich selbst nicht, ob ich überhaupt irgendwo ankommen will – und müssen tue ich schon gar nichts. Ich möchte Zeit haben, nach links und rechts zu schauen. Ich will meinen Blick und meine Gedanken schweifen lassen. Ich gehe durch kühle Wälder und über weite grüne Almwiesen und schaue mir die majestätischen Bergspitzen von unten an. Ich spüre eine tiefe Ruhe in mir und halte ehrfürchtig inne vor der Schönheit der Natur. Will ich da oben stehen und so tun, als ob ich größer als das alles wäre? Nein! Wandern um des Wanderns Willen? Ja!

Es geht nicht darum, seine Grenzen auszutesten. Es geht darum, Teil des Ganzen zu sein und sich dabei unendlich frei zu fühlen. Wer dafür auf Gipfel rennen muss, hat die Natur nicht verstanden. Ich will einfach mal sehen, wohin der Weg führt, und selbst entscheiden, wann ich umkehre. Und wenn ich doch ein Ziel brauche, sind mir eine Almhütte und ein gutes Gulasch tatsächlich lieber als jedes Gipfelkreuz.

DEBORA LONGARIVA

Alte Bauernregel

Hat die Geisl an Huet, wird's Wetter guet. Hat die Geisl an Sabel, wird's miserabel.

Das Ziel muss nicht immer der Gipfel sein. Speck und Kaminwurzen auf einer Almhütte mit Blick auf die Geislergruppe machen auch glücklich.

Die Geisler- gruppe

Die „Geisler“ sind eine Gebirgsgruppe in den Dolomiten – ein Kamm zwischen dem Villnößtal und dem Grödner Tal. Der höchste Gipfel ist der Sass Rigais, er liegt 3 025 Meter über dem Meeresspiegel. Die zerklüfteten Felszacken und schlanken Felstürme bieten viele Wanderwege, alpine Kletterouten und zwei Klettersteige. Zahlreiche Almhütten säumen die Wege.

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