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Spektakuläre Orte

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Was bleibt

Was bleibt

Ein militärisches Bollwerk aus Stein, ein Zeichen kriegerischer Zeiten. Wer die Wege kontrollierte, kontrollierte das Land zwischen den Bergen. Heute ist die Festung Mahnmal und Ort der Begegnung und der Kunst. Eine Stätte voller Geschichte und Geschichten

Text — DEBORA LONGARI VA Bau und Zweck 1833 wird mit der Errichtung der heutigen Anlage unter Kaiser Franz I. von Österreich begonnen. Ziel ist es, die Durch- und Übergänge vom Inn bis zum Po zu sichern. Tirol ist eine wichtige Achse zwischen Süddeutschland und Oberitalien. Nach nur fünf Jahren wird die Franzensfeste 1838 von Kaiser Ferdinand I. eröffnet.

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Neun Fußballfelder 65.000 Quadratmeter Fläche machen die Franzensfeste zur größten historischen Anlage Südtirols. Neben geschätzten 20 Millionen Ziegeln und 250.000 Kubikmetern Granit werden viele Tonnen Holz, Sand und Kalk verbaut. Dafür werden täglich

mehrere hundert Fuhren herangeschafft. Es ist die damals größte Baustelle Europas, auf der 3.500 bis 5.000 Mann aus dem gesamten Habsburgerreich arbeiten. Zum Vergleich: Die Stadt Brixen hat zu dieser Zeit um die 3.000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Teure Mauern Die Festung kostete fast drei Millionen Gulden. Umgerechnet wären das etwa 55 Millionen Euro – die Kosten für den Bau wären heute aber deutlich höher. Kaiser Ferdinand I., der vom Umfang des Vorhabens wohl keine Vorstellung hatte, soll während der Einweihung gefragt haben, ob die Franzensfeste aus Silber sei.

Planerisches Meisterwerk Die Franzensfeste steht für eine der letzten Entwicklungsstufen des oberirdischen Festungsbaus. Die Anpassung an das Gelände, die Feuerfronten und bombensicheren Geschützstellungen, die Planung der einzelnen Werke sowie die mehrfache Sicherung der Tore, aber auch Unterkünfte und Materiallager machen die Festung zu einem Glanzstück österreichischer Militärarchitektur.

Nutzung und Waffenlager Ihre strategische Bedeutung hat die Festung zum Zeitpunkt der Fertigstellung bereits verloren. Obwohl geplant, werden nie Geschütze im ursprünglichen Sinne installiert. Nur während der Kriege von 1848, 1859 und 1866 stehen Kanonen hinter den Mauerscharten. Ansonsten schiebt eine Stammbesatzung von 70 Mann Wache. Hin und wieder werden Kompanien einquartiert, die aber nur auf einen Einsatz im Süden warten. Schließlich dient die Festung bis 2003 hauptsächlich als Waffen- und Munitionslager für das italienische Militär.

127,5 Tonnen Gold Während des Zweiten Weltkrieges bringt die deutsche Militärverwaltung 1943 italienisches Währungsgold in einen Felsstollen der Franzensfeste. Bis zur Kapitulation transportiert das Nazi-Regime einen Großteil des Goldes nach Deutschland ab. Die im Felsstollen verbliebenen Tonnen stellen die Amerikaner 1944 sicher und geben sie an Rom zurück. Die übrigen knapp 100 Tonnen findet man zu Kriegsende nach und nach an verschiedenen Orten in Deutschland, Österreich und der Schweiz wieder. Kunst und Tunnelbau Die Festung kann seit 2005 besichtigt werden. 2008 war sie Austragungsort der Kunstbiennale Manifesta 7. Seither bieten die alten Gewölbe unterschiedlichsten Ausstellungs- und Veranstaltungsformaten ein temporäres Zuhause. So füllen sich die gut erhaltenen und behutsam sanierten Räumlichkeiten zum Beispiel mit den Werken lokaler Kunstschaffender oder mit Orchesterklängen. Seit 2015 beherbergt die Festung eine Dauerausstellung zum Brenner Basistunnel.

Kapelle Die 1844 erbaute kleine Kirche im Innenhof der Anlage zählt zu den ersten neugotischen Bauten in Tirol. Hier wurden für die Wachmannschaft Messen abgehalten. Seit der Sanierung 2009 ist sie Johannes dem Täufer, Schutzpatron der Steinmetze, und der heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, Artillerie und Festungsbauten, geweiht.

Bahnlinien Nach Fertigstellung der Brennerbahn zwischen Bozen und Innsbruck wird 1871 die Bahnlinie durch das Pustertal gebaut. Die Gleise führen mitten durch die Festung – auf Wunsch des Militärs: So konnten die vorbeifahrenden Züge nach feindlichen Passagieren untersucht werden.

Stausee 1939 veranlasst die faschistische Regierung aufgrund des steigenden Energiebedarfs den Bau eines Stausees am Fuße der Festung. Für den Bau muss der Weiler Unterau versenkt werden, auch ein Teil der Festung wird dabei geflutet. Der etwa 23 Hektar große See ist bis zu 59 Meter tief. Begrenzt wird er von einer rund 65 Meter hohen Staumauer. Der aus dem Kraftwerk gewonnene Strom wurde ursprünglich für die Energieversorgung der Brennerbahn verwendet.

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