Surprise Strassenmagazin 273/12

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Parkwelten Babys, Bünzlis, Büchsenbier Grundeinkommen – wenn es gratis Geld gibt

30 Jahre HIV: Sterben in Afrika, Stigma in der Schweiz

Nr. 273 | 20. April bis 3. Mai 2012 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Hier könnte Ihre Werbung stehen. Werfen Sie Ihr Werbegeld nicht auf die Strasse. Investieren Sie es dort. Surprise erreicht 120 000 Leserinnen und Leser. Und das in den grössten Städten und Agglomerationen der Deutschschweiz.* Denn dort stehen die 380 Surprise-Verkaufenden für Sie auf der Strasse. Tagtäglich. Ganze 80 Prozent der überdurchschnittlich verdienenden und ausgebildeten Käuferinnen und Käufer lesen die gesamte Ausgabe oder zumindest mehr als die Hälfte aller Artikel. Das Strassenmagazin steht für soziale Verantwortung und gelebte Integration. Mit Ihrem Inserat zeigen Sie Engagement und erzielen eine nachhaltige Wirkung. Anzeigenverkauf, T +41 76 325 10 60, anzeigen@vereinsurprise.ch

*gemäss MACH Basic 2011-1.

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Titelbild: fotolia.com

An einem guten Tag wirkt es wie eine wahrgewordene Utopie: Auf der Bäckeranlage in Zürich tummeln sich Junge und Alte, Arme und Reiche, Ausländer und Schweizer friedlich vereint. Auf den ersten Blick scheint mitten im berüchtigten Kreis 4 der Traum von der multikulturellen Gesellschaft Realität geworden zu sein. Wer genauer hinschaut, merkt aber bald, dass die unterschiedlichen Kulturen die Grünanlage nicht miteinander nutzen. Sondern nebeneinander. Unsichtbare Grenzen trennen knutschende Teenager von Geburtstag feiernden Thailändern, die Alkoholiker von den schönen «Bäcki»-Mamis mit ihren Kids. Es gibt keinen Austausch zwischen den Bierbüchsen-Bänken und der Prosecco-Zone. Dass die Randständigen in ihren Schranken bleiben, dafür sorgt die mobile Einsatzgruppe SIP sowie die Polizei, die mehrmals täglich über den Kiesweg rund um die Grünfläche fährt und in der RETO ASCHWANDEN Aussenseiterecke gerne für eine Leibesvisitation Halt macht. Die anderen «Bäcki»- REDAKTOR Nutzer nehmen das routiniert zur Kenntnis. Nur vereinzelt schimpft an den Tischen vor dem Quartierzentrum einer über die Polizeirepression und singt den Blues auf ein Quartier, dem der ruppige Charme der Unterschicht ausgetrieben wird. «Alle bleiben in ihrer Ecke und lassen sich gegenseitig in Ruhe», schreibt Redaktionskollegin Diana Frei in ihrem Artikel. Was sie als Quartierbewohnerin und regelmässige «Bäcki»-Besucherin sonst noch zu erzählen weiss, lesen Sie ab Seite 18. Redaktionskollege Florian Blumer wäre vielleicht auch gerne ein bisschen ins Grüne gegangen. Weil sein Artikel in dieser Ausgabe aber dem Thema Grundeinkommen gewidmet ist, führte ihn seine Recherche in die theoretischen Gefilde widerstreitender Weltanschauungen. Die Unterschriftensammlung zur Volksinitiative, die verlangt, dass jeder und jede ohne Gegenleistung ein Grundeinkommen erhält, startet in diesen Tagen. Die Debatte schlägt bereits Wogen. Interessanterweise verläuft die Diskussion nicht entlang den politischen Gräben und auch in der Surprise-Redaktion liegen die Meinungen weit auseinander. Worum es geht und was Menschen unterschiedlicher Couleur von der Initiative halten, lesen Sie ab Seite 16. Schliesslich möchte ich noch eine dritte Redaktionskollegin erwähnen. Mena Kost ist nach ihrem Mutterschaftsurlaub in unser Büro zurückgekehrt. Wir freuen uns, wieder mit ihr zusammenarbeiten zu dürfen. Umso mehr, als unser Trio dank einer kleinen Pensenerhöhung damit zum Quartett gewachsen ist. Wir hoffen, dadurch noch mehr hintergründige und spannende Geschichten erzählen zu können. Ich wünsche Ihnen anregende Lektüre Reto Aschwanden

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@vereinsurprise.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 273/12

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BILD: DOMINIK PLÜSS

Editorial Jeder in seiner Ecke


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10 Integration Neustart auf dem Bauernhof Wenn Jugendliche durch alle Maschen fallen, landen sie manchmal im Stall. So wie Yves. Auf dem Hof der Familie Kropf im Berner Oberland lernte der 16-Jährige während der letzten drei Jahre den Umgang mit Tagesstrukturen, Verantwortung – und Traktor fahren. Doch diese Entwicklung verlangte von Yves und seiner Pflegefamilie viel Kraft und Disziplin. Das gemeinsame Ziel: den Jungendlichen fit für den eigenen Lebensweg zu machen.

16 Grundeinkommen Erlösung oder Untergang? ILLUSTRATION: PATRIC SANDRI

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Inhalt Editorial Nebeneinander Basteln für eine bessere Welt Freunde im Flug finden Aufgelesen Armes Griechenland Zugerichtet Virtuelle Vorverurteilung Leserbriefe Haltung darf sein Starverkäuferin Regula Weilenmann Porträt Briefträger hinterm Schlagzeug HIV Global infisziert Wörter von Pörtner Sinnloses Sonnenanbeten Stadtrundgänge Weibliche Spuren suchen Kulturtipps Unsterblicher Blutsauger Ausgehtipps Klassik für Kids Verkäuferporträt Geprügelt und doch ungebrochen Projekt Surplus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP

BILD: ANNETTE BOUTELLIER

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Seit diesem Monat läuft die Unterschriftensammlung für eine Initiative, die ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen will. Gratisgeld für alle, das klingt nach einer linken Utopie – doch die Idee wird auch von nüchternen Ökonomen vertreten. Befürworter versprechen sich die Erlösung des Menschen, Gegner fürchten um den Wohlstand und das geordnete Leben. Wir haben genauer hingeschaut. Und die Surprise-Verkäuferin wie den Wirtschaftsprofessor gefragt: Würden Sie dann noch arbeiten?

BILD: LUC-FRANÇOIS GEORGI

18 Bäckeranlage Panoptikum Park

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In einem Park verbringen Menschen ihre Freizeit, und zwar ganz ungezwungen. Trotzdem ist es nicht allein der Zufall, der entscheidet, wie und mit wem sie sich dort beschäftigen. Sondern es sind Gestaltungselemente und politische Entscheidungen. In der Zürcher Bäckeranlage wird augenfällig, wie die Mischung an verschiedenen Bevölkerungsgruppen gezielt hergestellt wird. Dabei würde man denken, sie sei so natürlich gewachsen wie die Bäume auf der Wiese.

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ILLUSTRATION: SIMON DREYFUS | WOMM

1. Nehmen Sie Stoffreste, zeichnen Sie mithilfe einer Pfanne zwei Kreise darauf, und schneiden Sie diese aus.

2. Nähen Sie die Kreise etwa einen Zentimeter vom Rand zusammen, die schöne Seite jeweils nach innen, am besten mit der Nähmaschine. Lassen Sie eine Öffnung von rund 3 Zentimetern.

3. Schneiden Sie den Rand knapp bis zur Naht in Abständen von 1 bis 2 Zentimetern ein.

4. Stülpen Sie das Ganze um, und nähen Sie eine zweite Rundnaht, etwas mehr als nähmaschinenfüsschenbreit weiter innen. Ziehen Sie eine Metallkordel für Vorhänge (im Stoffladen erhältlich) durch, am besten, indem Sie das eine Ende mit Nähgarn an einer Sicherheitsnadel festmachen.

5. Knoten Sie die Enden mit Nähgarn zusammen, schneiden Sie das Überflüssige weg und nähen Sie die Öffnung zusammen. Fertig.

Basteln für eine bessere Welt Es ist Frühling! Ab in den Park! Das denken sich nun wieder die unterschiedlichsten Leute, vom Schweizer Rentner-Ehepaar über die türkische Familie bis zu kiffenden Teenies oder dem Alkigrüppchen – was meist ein mehr oder weniger friedliches Nebeneinander ergibt. Machen Sie es zu einem Miteinander! Ein gezielter Frisbeewurf wirkt Wunder – mit unserem Stofffrisbee erst noch risikofrei, denn der tut nicht so weh, auch wenn Sie etwas zu gut gezielt haben. SURPRISE 273/12

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Armes Griechenland Hannover. In Griechenland gab es bis vor Kurzem noch keine Obdachlosen. Das heisst, in den Augen der Regierung nicht. Bislang sprachen die Behörden allenfalls von «Arbeitslosen». Das hat sich mit der Staatskrise und der damit auf rund 20 000 angewachsenen Zahl an Menschen ohne Unterkunft nun geändert. Neu erhält Griechenland auch eine Strassenzeitung. Die ist bitter nötig: In gewissen Gegenden liegt die Arbeitslosigkeit bei 50 Prozent und das Arbeitslosengeld beträgt 359 Euro pro Monat.

Zugerichtet in Österreich Wien. Während Studentenprotesten brannten im Sommer 2010 vor dem Gebäude der Arbeitsvermittlungsbehörde drei Mülleimer. Die Ermittler nahmen vier Studierende zwei Monate lang in U-Haft. Nachdem aber die vom Verfassungsschutz befürchteten Anschläge ausblieben und sich eine vermeintliche Anleitung zum Bombenbau als Schaltplan für Audioverstärker herausstellte, reduzierte sich der Verdacht vor Gericht dann doch auf «Mistkübelzünderei».

Verzweifelte Klimatologen London. Klimawissenschaftler haben einen deprimierenden Job. Während viele von ihnen einen globalen Temperaturanstieg mittlerweile für unabwendbar halten, werden ihre Botschaften von Politik, Wirtschaft und Konsumenten ignoriert. In ihrer Verzweiflung wandten sich US-Klimatologen an führende Pastoren evangelikaler Kirchen. Einem von ihnen trieb es das Tränenwasser in die Augen: «Ich schämte mich, dass diese Jungs – die Wissenschaftler – mehr Herz für Gottes Schöpfung zeigten als wir.»

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Zugerichtet Wenn Journalisten urteilen Nicht nur Richter urteilen. Die Kommentarforen der grossen Medien sind voll von selbst ernannten Dr. iur. Jedermanns. Als staatspolitische Genies kennen sie nicht nur die Gesetze, sie wissen auch, wie diese zu gestalten und anzuwenden wären. Herr und Frau Jedermann als Judikative, Legislative und Exekutive in einer Person. Radikaler kann die Gewaltenteilung nicht aufgehoben werden. Sind die Medien bezogen auf diese Gewaltenteilung die «vierte Gewalt», dann ist der virtuelle Souverän der Kommentierer deren zweite Instanz. Ihre Stimme erhebt sie, sobald eine Straftat bekannt wird, lange bevor die Justiz urteilt. Schon wenn sie die verpixelten Gesichter der Schläger von München oder der ermordeten Lucie sehen. Oder in einer Kurzmeldung lesen, dass ein «Balkan-Raser» einen Unfall mit Todesfolge verursachte. Auch wenn eine ruchlose Femme fatale ihren kranken, 40 Jahre älteren Freund um Millionen betrogen haben soll, ist der Fall klar. Das ist Vorverurteilung in ihrer juristischen Nacktheit. Stereotypen sitzen tief und tragen ein Stück Wahrheit in sich. Die Grossmeister im Umgang mit ihnen wie Monty Python, Loriot, Borat und John Stewart nutzen Stereotypen, um eben jene zu hinterfragen. Fehlt die Virtuosität, sind sie jedoch hinterhältig. Je mehr sie zuzutreffen scheinen, desto mehr verschwindet der Mensch dahinter. Die erwähnte Sugardaddy-Betrügerin war so blondiert, schulterfrei und vollbusig, dass sie der Verfasserin dieser Zeilen letzten Oktober ein «Zugerichtet» wert war. Eine grobe Karikierung eines billigen Vamps in

nicht mehr nur leicht höhnischem «Selber Schuld»-Ton. Nun ist sie tot. Ermordet aufgefunden im Fensterschacht einer Turnhalle in Langenthal. Und im Tod wieder Mensch geworden. Eine Störköchin namens Claudia. Sie trug eine Perücke – aber nicht nur, um blond zu sein. Wegen einer Krankheit fielen ihre Haare aus. Eine «quirlige Persönlichkeit» sei die 43-Jährige gewesen, meldete der Boulevard betroffen. Die Betroffenheit wich kurzer Erregtheit, als erste Erkenntnisse vorlagen. Die Tote habe nicht nur ihre Kochkünste angeboten. Eine Escort-Dame sei sie gewesen, mit mehr als einem Namen. Als Petra habe sie ihren reichen, alten Ex ausgenommen. Als Edelprostituierte Christina sei sie wohl im Zusammenhang mit ihrer «Tätigkeit im Rotlichtviertel» Opfer eines Sexualmordes geworden. Und schon ist sie ein tragischer Stereotyp. Claudias Geschichte geht zu Ende und das Spiel von vorne los. John K. gesteht, die Frau vergewaltigt und erschlagen zu haben. Trotz des schwarzen Balkens in seinem Gesicht ist ein wüster junger Mann zu erkennen. Die Frisur rasiert, der Blick dumpf, die Zähne schlecht. Er stamme aus einem «schwierigen sozialen Umfeld». Das kommt nicht überraschend. Ebenso wenig, dass Herr und Frau Jedermann zum Schutze der Bevölkerung bereits über die lebenslange Verwahrung des Täters entschieden haben. Ein (Vor)Urteil reicht aber nicht. Denn es bleibt die weit unangenehmere Frage, was man mit dem Menschen John K. tun soll, wenn er zum Täter wird. Ein Moment des Innehaltens würde bei der Suche nach Antworten nicht schaden. YVONNE KUNZ (YVONNE.KUNZ@GMAIL.COM) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 273/12


Leserbriefe «Die Verkäufer sind Opfer unser aller Politik» Nr. 270: Aussenseiter

Nr. 271: Strassenkunst

«Pinto müsste über Verhaltensweisen aufklären» Ich kaufe das Strassenmagazin Surprise regelmässig bei den Verkäufern. Ich vertrete klar die Auffassung, dass Randständige als Teil unserer Gesellschaft zu akzeptieren sind. In meiner Wahrnehmung ist es so, dass oft nicht die Person an sich infrage gestellt wird, sondern die negativen Begleitumstände, weil elementare Ordnungskriterien, die in unserer Gesellschaft fest verankert sind, nicht respektiert werden (Abfälle liegen lassen, Sitzbänke verschmutzen, Drogenrückstände usw.). Anstelle von baulichen Beschränkungen wäre vielleicht ein vermehrter Einsatz der Pinto-Mitarbeiter im Bereich der Aufklärung über Verhaltensweisen erforderlich, um die Vorurteile gegenüber Randständigen abzubauen. Karl Schaer, Küsnacht

«Ich bin beeindruckt von den Strassenverkäufern» Das Heft über die Arts urbains et Imagination gibt mir Gelegenheit, Ihnen für Ihr Magazin mein persönliches Lob auszusprechen. Ich kaufe es beim Einkaufen in der Schweiz und ich staune immer wieder über die Qualität der verschiedenen Artikel, über die Wahl der Themen, das hervorragende Deutsch, das benutzt wird (ich denke, auch als Ausländerin kann ich meine Meinung dazu haben, da ich zweisprachig aufgewachsen bin). Und ich bin beeindruckt von den Strassenverkäufern, die immer nett und nie aufdringlich sind. CHAPEAU! Marcelle Biry, Huningue

«Ein mündiger Surprise-Käufer interessiert sich für verschiedene Haltungen» Warum Surprise nicht auf politische Artikel verzichten darf, zeigt das Verkäuferporträt von Kibrom Mesfun und seiner Familie aufs Deutlichste: Die «armen liebenswürdigen Verkäufer» sind Opfer unserer (unser aller!) Politik. Ausserdem gehe ich als Leserin davon aus, dass ein mündiger Käufer von Surprise Interesse hat an anderen Einschätzungen und Haltungen, auch am «sozialistischen Glaubensbekenntnis». Ich jedenfalls kaufe dieses einmalig gut gemachte Magazin nicht, um mein eigenes Wissen, Denken und Empfinden gespiegelt zu bekommen. Katharina Geiser, Wädenswil

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@vereinsurprise.ch

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Nr. 272: Mission Europa Eine Freude Herzlichen Dank für die neuste Surpriseausgabe. Es war eine Freude den sorgfältig geschriebenen Bericht «Mission Europa» zu lesen. Elisabeth Zuaboni, Winterthur

BILD: ZVG

Antwort auf Leserbrief «Surprise allgemein» in Surprise Nr. 271

«Das Heft zur Strassenkunst ist selber ein Kunstwerk» Ihre Surprise Nr. 271 mit dem Titel «Strassenkunst» ist selber ein Kunstwerk. Wunderschön und gescheit in jeder Beziehung. Ich werde sie aufbewahren und als Fortbildung nochmals studieren, obwohl ich schon 90 Jahre alt bin! Zu einigen Verkaufenden habe ich eine flüchtige, aber nette Beziehung. Margrit Moritzi, St. Gallen

Starverkäuferin Regula Weilenmann Kumar Marianne Frehner aus Winterthur nominiert Regula Weilenmann Kumar als Starverkäuferin: «Seit längerer Zeit kaufe ich mein Surprise bei Regula Weilenmann Kumar. Sie ist eine aufgestellte, fröhliche, immer hilfsbereite und intelligente Frau. Sie versteht es, auch nicht so freundlichen Kunden ein Lächeln zu entlocken, und hat Verständnis für die Probleme ihrer Mitmenschen. Ich freue mich immer, wenn ich sie sehe und kaufe ihr gerne ein Strassenmagazin ab. Ich würde mich freuen, Regula Weilenmann Kumar in einem der nächsten Surprise als Starverkäuferin zu sehen.»

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Porträt Der Bad Seed aus dem Seefeld Als Junge aus dem Zürcher Seefeld wollte Thomas Wydler Fussballprofi werden. Doch dann ging er erst zur Post und später nach Berlin. Nun ist er seit 27Jahren Schlagzeuger bei Nick Cave And The Bad Seeds. VON RETO ASCHWANDEN (TEXT) UND ANDREA GANZ (BILD)

sich: «Das habe ich gut durchgehalten – auch ohne Hilfsmittel.» «Hilfsmittel» sind damals unter Musikern recht verbreitet, insbesondere Speed, ein Aufputschmittel auf Amphetaminbasis. «Damals kamen viele auf den Speed-Trip. Für mich war das nichts, denn man kann nicht richtig Schlagzeug spielen auf diesem Zeug.» Heutzutage trinkt Wydler beim Interview zwar gern ein, zwei Bier, «aber nach dem dritten ist jeweils gut». Auch die andern Bad Seeds legen die ungesunden Angewohnheiten zunehmend ab, während der Erfolg wächst. Ab den 90er-Jahren interessiert sich auch das Feuilleton für Nick Caves wortgewaltige Songs zwischen morbider Ballade und krachendem Drama. Der Erfolg manifestiert sich für Wydler 1997 in einem Auftritt in der ehrwürdigen Londoner Royal Albert Hall, den er allerdings nicht etwa als triumphal, sondern als «merkwürdig» in Erinnerung hat. Seither ist der Bad-Seeds-Drummer nach eigener Einschätzung ein mittelgut verdienender Musiker – «und ich lebe sparsam». Das Einkommen schwankt, denn als Drummer erhält er kaum Tantiemen. «Ausser für ‹Red Right Hand›, diesen Song habe ich mitkomponiert», betont Wydler und lässt für einmal ein bisschen Stolz aufblitzen. Von seinen Mitmusikern spricht er mit viel Zuneigung. Er schwärmt vom «absolut eigenständigen» Spiel des langjährigen Bad-Seeds-Gitarristen Blixa Bargeld und meint: «Ich bin sehr traurig, dass er ausgestiegen ist.» Er sagt das in einem sachlichen Tonfall und doch wirkt es rührend. Wohl fühlt sich Wydler bei den Bads Seeds noch heute, trotzdem bezeichnet er das aktuelle Verhältnis zu den anderen Bandmitgliedern als Geschäftsbeziehung. Er bewundert Caves Fähigkeiten als Songwriter, sagt aber auch: «Ich bin ja nicht mit ihm verheiratet.» Und grinst. Thomas Wydler hat auch mehrere Alben unter eigenem Namen veröffentlicht, seine Kompositionen tauchen öfter auf Soundtracks auf. «Ich habe die Stücke darauf angelegt. Sie sind eher spartanisch arrangiert, damit sie für Filme nutzbar sind.» Er packt eine Reihe seiner Aufnahmen für den Journalisten auf den Tisch und entschuldigt sich, dass

Am Anfang war er nur ein Lückenfüller. «Die Bad Seeds fragten mich: Kannst du für die England-Tournee einspringen? Dann habe ich nicht aufgepasst und auf einmal war ich 27 Jahre dabei.» Thomas Wydler lacht, als er erklärt, wie ein Zürcher Schlagzeuger das dienstälteste Mitglied der Kultband Nick Cave And The Bad Seeds wurde. Eigentlich wollte Thomas Wydler Fussballprofi werden. Er spielte bei den Junioren des FC Seefeld in Zürich. Ein Meniskusriss als 15-Jähriger beendete diesen Traum. «Danach versuchte ich es mit Radsport, bis ich einsah, dass ich da wohl eher zum Wasserträger würde.» Nach der Sekundarschule wusste Wydler nicht, was er beruflich machen wollte, also ging er erst mal zur Post. «Das war ein Superjob. Als Sportler hatte ich keine Mühe, um fünf Uhr morgens aufzustehen. Um sechs begann die Arbeit, dafür war um zwei Feierabend.» Musik interessierte ihn zunächst nicht. Erst als er schon als Briefträger arbeitete, erwachte sein Interesse am Jazz, den sein Vater immer gehört hatte. Er eignete sich die Geschichte dieser Musik an, bis er irgendwann fand: «Jazzdrummer sind ziemlich cool, das könnte ich auch mal probieren.» Also ging er zu einem Schlagzeuglehrer. Der meinte, Jazz sei kompliziert, und riet seinem Schüler: Fang lieber mal mit Rock’n’Roll an, damit verdienst du übrigens auch mehr Geld. Seit 1978 spielt Wydler in Bands. Zunächst bei Hertz, dann mit dem Zürcher Ur-Punker Rudolph Dietrich bei Mutterfreuden. Er arbeitet weiter morgens als Pöstler, geht nachmittags üben und spielt abends mit der Band. «Das schaffte ich mit links, denn ich war gesund und munter: sportlich, Nichtraucher und kein Tropfen Alkohol.» 1980 tritt er mit Mutterfreuden in Berlin auf, «und da bin ich hängen geblieben». Berlin ist schon damals ein Biotop für experimentierfreudige Künstler aller Sparten, die dank günstigen Wohnungen und Proberäumen mit wenig Geld durchkommen. Wydler entdeckt das Nachtleben: «In Zürich gabs noch die Polizeistunde, Berlin hingegen war rund um die Uhr offen. Tagsüber lernst du «Briefträger war ein Superjob: Um sechs begann die Arbeit, ja keine Leute kennen», sagt der Drummer und dafür war um zwei Feierabend.» grinst. Das tut er oft. Er hat eine lebhafte, leicht leierende Art zu reden. Nach 30 Jahren in Deutschland fällt er oft vom Zürcher Dialekt in ein berlinerndes er die CDs brennen musste: «Ich habe fast keine mehr.» Die AufnahHochdeutsch. Als er die Nase putzen muss, zückt er ein altmodisches men zeigen Wydler als vielseitigen Musiker: von der Begräbnismusik Stofftaschentuch. Das wirkt ein bisschen kauzig. Die Selbstverständfür den Maler Walter Stöhrer über das avantgardistisch swingende Allichkeit aber, mit der er erzählt, wie er ohne Zögern von Zürich nach bum «Soul Sheriff» bis zu unveröffentlichten Aufnahmen mit der JazzBerlin zog, offenbart einen unbeirrbaren Charakter. Zudem hat er einen formation Tanger Trio. trockenen Humor, der aufblitzt, wenn er erzählt, dass er mit der MusiAuch der Aufenthalt in Zürich diesen März ist einem Engagement kerin Beate Bartel seit 1989 liiert, aber erst seit 2005 verheiratet sei: «Wir geschuldet. Dieter Meier von Yello bringt ein Soloprogramm auf die hatten halt 16 Jahre Probezeit.» Bühne und hat Wydler dafür als Schlagzeuger geholt. «Das ist prakIn der Mauerstadt wird Thomas Wydler Teil der Underground-Szene tisch, denn ich besuche sowieso drei Mal im Jahr meine Mutter, die um Bands wie Die Einstürzenden Neubauten. Er gründet 1982 die Grupnoch immer im Seefeld wohnt.» Eine Rückkehr in die Schweiz plant pe Die Haut, die von Insidern bis heute für ihren innovativen InstruThomas Wydler hingegen nicht. «32 Jahre in Berlin sind eine lange mental-Sound geschätzt wird. Bei Die Haut musiziert Wydler auch das Zeit», überlegt er. Vorläufig werde er nur schon aus beruflichen Grünerste Mal mit Nick Cave, der für ein Album als Gastsänger fungiert. Als den dort bleiben. «Das ist ein ernstes Thema. Ich kann nichts anderes Cave später ebenfalls nach Berlin zieht, wohnt er die erste Zeit in Wydund muss diese Schlagzeugsache deshalb durchziehen.» Als Briefträlers WG. Nach dem Einstieg bei den Bad Seeds 1985 hat Wydler acht ger wird Thomas Wydler in diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr Jahre lang zwei Bands. «300 Tage im Jahr habe ich gespielt», erinnert er arbeiten. ■

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Integration Nestwärme im Stall Auf dem Hof der Bauernfamilie Kropf lernt der 16-jährige Yves Selbständigkeit und Eigenverantwortung. Nach vielen Kämpfen bildet die Arbeitsgemeinschaft nun fast eine Familie.

VON RAHEL BUCHER (TEXT) UND ANNETTE BOUTELLIER (BILDER)

So richtig nach Hause gehen, zu Vater und Mutter, kann Yves nicht mehr. Sein Zuhause ist jetzt die Familie Kropf – seit drei Jahren lebt er bei ihnen in Schwarzenegg im Berner Oberland. Zwischen Kühen, Traktoren und Jodlermusik fühlt er sich inzwischen daheim. «Obwohl», Yves überlegt kurz, «die Jodlermusik gehört in den Stall.» In seinem Zimmer

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hört er lieber «ä chli aues usser Jodel». Bei der Familie Kropf geht es ihm gut, das sieht und hört man. Nicht nur die roten Wangen auf dem feinen Gesicht, auch die Art, wie er spricht, hat der 16-Jährige von Wale übernommen. Wale, so nennt Yves seinen Gastvater Walter Kropf. «Er ist wie ein Vater», sagt Yves, «aber Papi nenne ich ihn nicht». «Yves ist ein Familienmitglied», sagt auch Wale. Über die Jahre haben sie sich sehr gut kennengelernt – inklusive aller Macken. Sie lachen herzhaft. SURPRISE 273/12


Ausser einem schmalen Weg zum Bett, ist alles verstellt. Schuhe türmen Heute haben sich Yves und Wale herausgeputzt – das Arbeitsgewand sich auf Büchern, Kleiderberge auf dem Boden und mittendrin steht ein wartet neben dem Stall. Frisch geduscht, mit frisiertem Haar und in sauComputer. Zwölf Quadratmeter gross sei das Zimmer, sagt Yves. Zu viel berer Kleidung sitzen sie am Tisch auf der Veranda. Hanni Kropf, die Platz sei das. «Je grösser das Zimmer, desto grösser die Unordnung.» Er Gastmutter, schlüpft lautlos weg. Sie holt Kaffe und Güetzi. muss schmunzeln. Doch nun möchte er lieber den Stall und die Kühe Reden Yves und Wale, sprudelt die Energie. Ihre Wangen verfärben zeigen. Ungefähr 18 seien es. Die kennt er alle beim Namen. «Meistens», sich noch röter. Manchmal kann das Temperament mit den beiden korrigiert er sich selbst. Über die Jahre hat er auch das Melken gelernt, durchbrennen. Yves drückt es so aus: «Geraten wir aneinander, ist es auch bei der Geburt von Kälbern war er schon oft dabei. «Einmal muswie wenn zwei Tonnen Felsen aufeinanderprallen.» Mittlerweile ist es glücklicherweise meist die Leidenschaft für die Arbeit, welche die beiden Männer zu«Er ist wie ein Vater», sagt Yves über Bauer Wale, «aber sammenprallen lässt. Und geht es ums TrakPapi nenne ich ihn nicht.» torfahren, ist Yves noch euphorischer als Wale, wenn dieser erzählt, was für enorme ste ich sogar ziehen», erzählt er. Da müsse man ganz vorsichtig vorgeEntwicklungen Yves in den letzten Jahren bei ihnen durchgemacht hahen, weil es sonst für das Kalb gefährlich sei, und trotzdem müsse es be: «Er hat sogar den Führerschein fürs Traktorfahren gemacht.» Die schnell gehen. Die kleinen Kälber haben sich im Stall einen Platz in der Freude lässt Wale kurz in die Hände klatschen. Am Anfang hätte das Sonne gesucht und liegen zufrieden im Heu. niemand gedacht – auch Yves nicht. Leben und Arbeiten auf dem BauAuch Yves ist lieber in der Sonne als bei den Arbeiten drinnen im ernhof war für ihn eine fremde Welt. «Zuerst bin ich nur rumgestanden Stall. Draussen auf dem Feld und im Wald kann ihm die Freiheit nicht und habe zugeschaut», erzählt Yves. Langsam konnte er aber mithelgross genug sein. Am liebsten fährt er mit dem Bagger oder Traktor fen und Verantwortung übernehmen – so etwa die Hühner füttern oder durch die Gegend. Im Sommer sitze er von morgens bis abends auf dem im Stall arbeiten. Es kam immer mehr dazu. Melken, Holzen, einen Traktor und kehre Heu. Schopf bauen. Trotz der eben beschriebenen Landidylle kommt es natürlich zwischendurch zu Krisen. Anfangs sei Yves oft ausgerastet, erinnert Frühes Aufstehen, klare Regeln sich der Gastvater. «Wegen nichts.» Mit Arbeit oder auf langen SpaJetzt mischt sich auch Samuel Lindt, die Bezugsperson von Yves, ins ziergängen durch den Wald versuchte er ihn zu beruhigen. Ging es gar Gespräch. Der sozialtherapeutische Mitarbeiter vom Projekt Alp spricht nicht mehr, wurde die Bezugsperson von Yves beigezogen. Lindt kann ruhig und klar. Auf dem Bauernhof sei es möglich, dass Klienten schrittsich noch gut erinnern: «Meine Aufgabe in solchen Momenten ist es, weise in die Selbständigkeit geführt werden, erklärt er das Konzept des die Familie zu coachen.» Immer wieder mal musste er auch MotivieProjekts Alp. Dadurch steigen Verantwortung und Selbstbewusstsein. rungsarbeit leisten. Die Kropfs hätten stets durchgehalten, lobt er die «Der Klient wird gebraucht, das gibt ein gutes Gefühl.» Gastfamilie. Wie alle Klienten beim Projekt Alp lebt und arbeitet Yves im Rhythmus und Tagesablauf der Gastfamilie mit. Ins Projekt kam er, weil er Männergespräche im Stall sich in seinem privaten und schulischen Umfeld überhaupt nicht zuDie grossen Krisen gehören der Vergangenheit an. «Jetzt hat er kaum rechtfand. Mit der Tagesstruktur auf dem Hof kam er zuerst gar nicht noch Ausraster», rühmt Wale. Einzig die Weihnachtszeit, die sei ganz klar. Am Schlimmsten war das Aufstehen am Morgen. «Die Nacht ist schwierig. Yves habe im Stall einmal zu ihm gesagt: «Die Weihnachtszum Leben, der Tag zum Schlafen», habe Yves der Familie Kropf einmal zeit kann man abschaffen.» Oft kommt es bei der Arbeit zu offenen Geerklärt, erinnert sich Hanni. Kaffee und Güetzi sind genauso lautlos auf sprächen zwischen den beiden Männern. «Der Stall biete gute Geleden Tisch gekommen, wie Hanni weggeschlüpft ist. Die Gastmutter vergenheiten dafür», weiss Wale aus Erfahrung. Über die Jahre habe er strömt eine angenehme Ruhe. «Ja, ich fühle mich Yves gegenüber schon auch seine Taktiken entwickelt, wo und wie der die Klienten am besten fast wie eine Mutter», sagt sie. Obwohl sie sehr still ist, wirkt die zierlipacke. che Frau stets präsent. «Jetzt haben wir das mit der Tagesstruktur gut im Dann gibt es da noch die Sache mit der Schule. Einst ein heikles TheGriff. Das ist später im Leben auch wichtig.» Hanni kümmert sich um ma. In der neuen Schulklasse hat sich Yves nicht so schnell wohlgefühlt die Herzensangelegenheiten in der Familie, doch sie ist auch standfest wie auf dem Hof. «Das war ganz schwierig», sagen Yves, Wale und Lindt zwischen den lauten Männern – wie der Fels in der Brandung. «Bei uns gleichzeitig und lachen. «Vor allem mit den Kollegen und dem Lehrer», herrschen klare Regeln, an die hat sich Yves zu halten», sagt sie. Und da fährt Yves fort. «Es ging um die Rangordnung.» Mittlerweile hat er seigebe es kein Pardon, fällt ihr Wale ins Wort. «Ich schränke mich wegen nen Platz in der Klasse gefunden. «Yves ist eines der Zugpferde in der den Klienten nicht ein.» Hanni nickt bestätigend. Irgendwie scheint das Klasse», sagt die Bezugsperson Lindt. ihr Erfolgsrezept zu sein. Durch sein authentisches Auftreten verkörpert Dass er sich hier, so abgelegen von allem, einst wohlfühlen würde, das Ehepaar Kropf eine natürliche Autorität. So ist es ihnen auch stets hätte Yves nicht geglaubt, als er im März 2009 in Schwarzenegg bei der gelungen, den Spagat zwischen den Bedürfnissen des Klienten und jeFamilie Kropf ankam. Überall lag Schnee. Wie hoch bin ich denn hier nen der eigenen Töchter zu machen. gelandet?, fragte er sich. Seit drei Jahren lebt er nun hier. Das ist ungewöhnlich lange, sagt Lindt. Normalerweise bleiben die Klienten nur für Freiheit auf vier Rädern ein paar Monate bei den Gastfamilien. Für Yves sei es jedoch wichtig, Ein wichtiger Grundsatz, damit dies gelingen kann, ist laut Wale die eine Familie zu haben. Nach mehreren unglücklichen Heimaufenthalten Trennung von Arbeit und Freizeit sowie die Trennung des Wohnraums. habe es ihm die Familie Kropf ermöglicht «Fuss zu fassen». Auch Kropfs Bei der Arbeit sei das Zusammensein mit den Klienten einfacher als in sehen die Länge des Aufenthaltes als Vorteil. «Je länger jemand bei uns der Freizeit, sind sich Kropfs einig. «Beim Schaffen kann ich Yves etwas ist, desto mehr kann man verändern», sagt Wale und schaut stolz zu bieten. Wenn ich seine Unterstützung spüre, ist auch meine Toleranz Yves hinüber. grösser», sagt Wale. In der Freizeit dagegen komme es schneller zu KonDie Kropfs sind seit 14 Jahren Gastfamilie beim Projekt Alp. Wie kam flikten. Deshalb sei es wichtig, dass alle Beteiligten auch mal etwas es dazu? Wale zögert nicht lange mit der Antwort. «Wir brauchten jeRaum für sich hätten. manden, der uns auf dem Hof unterstützt, konnten dafür aber keinen So hat Yves im Parterre des Bauernhauses sein eigenes Reich. Das Lohn bezahlen.» Zufällig hörten sie vom Projekt Alp. Nachdem Wale Zimmer unterscheidet sich kaum von dem eines anderen Jugendlichen. SURPRISE 273/12

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«Wenn ich jemanden ans Ziel bringe, gibt mir das Kraft für den nächsten Klienten.» Wale Kropf mit Frau Hanni und Yves.

das Wohnhaus umgebaut hatte, sodass die «Yves hilft mir auf dem Hof, deshalb gebe ich ihm auch Wohnräume von Familie und Klient etwas gegerne etwas zurück», sagt Wale Kropf. trennt waren, wurde die erste Person aufgenommen. «Wir wollten es probieren.» Ums gen? Das kennt er nicht. «Wenn ich jemanden ans Ziel bringe, gibt mir Geld sei es ihnen dabei nie gegangen, sagt er laut und deutlich. Auch das Kraft für den nächsten Klienten.» wenn die Gastfamilien finanziell entschädigt werden: «Das Geld darf Noch ist es nicht so weit. Yves bleibt vorerst bei der Familie Kropf danicht im Vordergrund stehen. Yves steht im Vordergrund.» heim. Hier hat er alles, was er braucht – Nestwärme, spannende Arbeit und ein Töffli. Dieses will er bald mal noch etwas aufpeppen. Tunen, Keine Ermüdungserscheinungen verchromen und lackieren – ein bisschen so, wie er es mit seinem LeDie Gastfamilien würden abgeklärt, bevor sie den ersten Klienten ben bereits gemacht hat. aufnehmen, sagt Lindt. So werden die Platzverhältnisse, die Familien■ verhältnisse aber auch die Arbeitsmöglichkeiten genau unter die Lupe genommen. Diese müssen vor allem abwechslungsreich sein. Wichtig sei zudem, dass der Hof auch ohne die Hilfe des Klienten weiterläuft. «Der Klient darf nicht zum Knecht verkommen», sagt Lindt. Auch muss die Familie bereit sein, den sozialtherapeutischen Mitarbeiter in ihre Wohnung und ein Stück weit auch in ihr Leben reinzulassen. Lindt: «Die Projekt Alp Gastfamilie macht harte Arbeit.» «Aber wir können auch immer wieder Das Projekt Alp ist ein zertifiziertes Unternehmen im Gesundheitsbeetwas über uns selbst lernen», erwidert Kropf. «Die Dankbarkeit kommt reich, Vertragspartner der Gesundheits- und Fürsorgedirektion Bern, direkt zu uns zurück», sagt Hanni. Es ist kurz ruhig am Tisch. Sie rückt des Jugendamtes Bern und des Sozialdepartementes der Stadt Zürich die Aprilglöcklein in der Vase zurecht und lehnt sich zurück in den und bietet betreute Einzelplätze in Gastfamilien für Jugendliche ab Stuhl. Sogleich erhebt Wale wieder das Wort: «Yves hilft mir auf dem zwölf Jahren, die bei der selbständigen Bewältigung ihres Alltages Hof, deshalb gebe ich ihm auch gerne etwas zurück», sagt er. nicht zurechtkommen. Jede Platzierung wird von einer Fachperson Ans Aufhören haben Kropfs noch nie gedacht. Nein. Hanni schüttelt des Projekts Alp in Form wöchentlicher Gespräche begleitet. Das Proden Kopf. «Ich war schon oft wütend auf einen Klienten, dann muss ich jekt gibt es seit 15 Jahren. Angefangen hat es mit einem Klienten auf ihm halt den Meister zeigen», sagt Wale. Aber Ermüdungserscheinuneiner Alp. Heute bietet das Projekt Alp 30 Plätze in Gastfamilien an.

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HIV Im Heimatdorf von Aids Als in Uganda vor über 30 Jahren Aids ausbrach, war die Todesrate verheerend. Und noch immer nehmen viele Ugander die Krankheit auf die leichte Schulter. Der Vergleich mit der Schweiz zeigt: Hier haben Ärzte wie Betroffene Wege gefunden, mit dem Virus im Blut umzugehen. Dafür hinkt die gesellschaftliche Akzeptanz dem medizinischen Fortschritt hinterher. VON PHILIP HEDEMANN (TEXT UND BILDER)

Nantongo Rose war die Erste. Ihre Haut wurde gelb, ihre Haare grau, sie magerte ab, während ihre Arme und Beine anschwollen. Sieben Monate später erlöste ein Fieberschub sie von ihren Qualen. Die Bewohner des kleinen Fischerdorfs Kasensero am Ufer des Victoriasees in Uganda dachten zunächst, die 30-Jährige sei von einem Muteego-Fluch, der ganze Familien auslöschen kann, belegt. Vielleicht hatte sie einen Händler im nur wenige Kilometer entfernten Tansania bestohlen? War der tödliSURPRISE 273/12

che Fluch die Rache? Erst Jahre später erklärten Forscher den Dorfbewohnern, dass die Händlerin nicht einem Fluch, sondern einer neuen Krankheit zum Opfer gefallen sei. Vor 32 Jahren brach in Kasensero Aids erstmals als Epidemie aus – und auch heute sind viele der Bewohner des trostlosen Dorfes mit der tödlichen Krankheit infiziert. «Mister Kawnaga war der Zweite. Er hatte die gleichen Schwellungen wie Nantongo. Doch seine Haut wurde nicht heller, sondern immer dunkler. Er magerte ab, hatte Durchfall, ein paar Monate später war auch er tot. Wer Nummer drei war, weiss ich nicht mehr», erzählt Abdu Sen-

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kima, während der Regen auf das Wellblechdach seiner armseligen Hütte trommelt. Mit seinen 60 Jahren gehört der Bauer zu den Ältesten in Kasensero. Über 20 seiner Familienangehörigen sind an Aids gestorben.

Franken), ohne ab 20 000 Schilling. Die meisten wollen es ohne», erzählt Proscovia Birungi. Bis zu fünf Männer empfängt sie jeden Tag in ihrer Hütte, die nicht viel grösser als ihr Bett ist. Dass sie HIV-positiv ist, erzählt sie ihren Freiern nicht. Die meisten wollen es ohnehin nicht wissen. Seit drei Jahren arbeitet die 25-Jährige als Prostituierte in Kasensero. «Viele Mädchen machen es ohne Kondom, ich nur mit, auch wenn ich dafür weniger Geld kriege und eigentlich nichts zu verlieren hätte», flüstert die Frau mit den ausgeschlagenen Vorderzähnen. Nur mit dem

Die Schneider nähten enge Hemden Der Bauer erinnert sich, wie Familienangehörigen und Freunden Gliedmassen abfaulten, während Ärzte hilflos zusahen. Wie Töchter ihre Eltern verloren und später selbst Kinder zur Welt brachten, die bald als Waisen aufwuchsen. «Weil die Kranken so schrecklich abmagerten, haben wir die un«Weil die Kranken so schrecklich abmagerten, haben wir heimliche Krankheit, die bald jede Familie bedie unheimliche Krankheit ‹Slim› genannt.» fallen hatte, ‹Slim› (dt. schmal, dünn) genannt. Das Leben in unserem Dorf kam fast ganz zum Vater ihres Sohnes will sie ungeschützten Sex gehabt haben. «Erst hat er Erliegen. Kaum jemand hatte noch Kraft, zum Fischen auf den See zu mich angesteckt, dann hat er mich verlassen», sagt Birungi. Eigentlich fahren. Die, die noch Kraft hatten, mussten die Toten begraben. Die war die gelernte Friseurin nach Kasensero gekommen, um in einer der Schneider waren damit beschäftigt, enge Hemden für die Abgemagerten vielen Bars den Durst der Fischer zu stillen, doch als ihr Chef ihr mehzu nähen», erzählt Abdu Senkima. rere Monate keinen Lohn zahlte, begann die alleinerziehende Mutter, Da lange niemand wusste, woher die Krankheit kam und wie sie übersich für ihren Sohn zu verkaufen. «Ich habe meine Würde verloren. Ich tragen wurde, breitete die Seuche sich schnell im ganzen Dorf und auf weiss, dass Gott mich jederzeit zu sich nehmen kann. Aber mein Sohn die Fischer an den Ufern des Victoriasees in Uganda, Kenia und Tansaist erst fünf Jahre alt. Er ist gesund. Er soll einmal Doktor werden und nia aus. Danach verbreiteten Trucker und Prostituierte das Virus über AidsKranken helfen», sagt die Frau, die heute noch keinen Kunden hatden East African Highway in ganz Ostafrika. «Ich glaube, in einem Jahr te. Dann muss sie los. Die Männer sind zurück vom See. starben in unserem Dorf über 300 Menschen. Wenn wir irgendwo anders hinziehen wollten, wurden wir geächtet. Die Ärzte spritzten den Leuten «Ich benutze nie ein Kondom» irgendwelches wirkungsloses Zeug und benutzen immer die gleiche NaAm schmutzigen Strand heben die Fischer ihren Fang aus ihren del. Wir wussten nicht, dass es dadurch nur noch schlimmer wurde. Und schlanken Holzbooten. Viele der Männer sind betrunken, einige von ihKondome gab es hier damals nicht», berichtet Abdu Senkima. nen werden heute noch Proscovia oder eine ihrer Kolleginnen in ihren Heute gibt es Kondome, aber der Gebrauch ist nicht gerade populär. dunklen Kammern aufsuchen. «Natürlich nur mit Kondom», lallen der «Mit kostet 5000 bis 10 000 Schilling (umgerechnet etwa 1.75 bis 3.50

HIV «Die Leute liefen mit Timer und Stoppuhr herum» Der Berner Walter B. lebt seit 23 Jahren mit der Diagnose HIV-positiv. Dank Medikamenten geht es ihm körperlich gut, doch das Stigma bleibt. AUFGEZEICHNET VON MONIKA BETTSCHEN

Nach der Diagnose brach ich mein Studium ab, weil ich darin keinen Sinn mehr sah. Da waren zu viele Baustellen auf einmal. Ich lebte von einem Tag auf den nächsten und begann nach dem Motto ‹Who cares› meine Grenzen neu auszuloten. Ich ging kaum mehr sexuelle Beziehungen ein aus Angst, für andere eine Gefahr darzustellen. Eine Therapie lehnte ich ab, denn die ersten Medikamente wurden, da es noch keine Kombitherapien gab, derart hoch dosiert, dass sie oft nicht nur das Virus, sondern auch den Patienten schwächten. Meine Wahrnehmung

«Im Herbst 1989 fiel ich in einen komaähnlichen Zustand und konnte nicht einmal mehr selbständig trinken. Daran, dass ich mich mit dem HI-Virus angesteckt haben könnte, dachte ich nicht, denn ich konnte mich an keine Risikosituation erinnern. Erst zwei Monate nach dieser akuten Phase der Infektion, die kurz nach einer Ansteckung auftreten kann, liess ich mich testen. Das war kurz vor Weihnachten 1989, und in der Altjahrwoche erhielt ich das Ergebnis. Die Diagnose HIV-positiv war ein grosser Schock. «Manchmal lernt man Leute kennen, und sobald man Mein erster Gedanke war, dass mein Leben in sagt, dass man HIV-positiv ist, schweigt das Telefon.» maximal fünf Jahren zu Ende sein würde. Ich resignierte, denn ich war schon seit den 80erwar, dass man die Wahl hatte, entweder am Virus oder an den MedikaJahren in meinem Umfeld mit dieser neuen Krankheit konfrontiert, hamenten zu sterben. Die Patienten waren ausserdem an strenge Einnahbe viele Freunde und Bekannte daran sterben sehen. Das Unwissen und mepläne gebunden: Die Leute liefen mit Timer und Stoppuhr herum, um die Ängste waren anfangs riesig, Betroffene waren gezeichnet und wurja den richtigen Zeitpunkt der Einnahme nicht zu verpassen. 2005 verden stigmatisiert. Ich schämte mich, dass ausgerechnet ich, der sich in schlechterte sich mein Allgemeinzustand und man riet mir dringend, der Aids-Aufklärung engagierte, nun selbst davon betroffen war.

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27-jährige Vincent Kiyimba und seine Kollegen, die alle schon Familienmitglieder und Freunde an Aids haben sterben sehen, und lachen. «Ich benutze nie ein Kondom. Das macht doch überhaupt keinen Spass», brüllt Dan mitten ins Gelächter. Der 45-jährige Fischer weiss seit sieben Jahren, dass er HIV-positiv ist. Was mit seinen oft wechselnden Partnerinnen passiert, ist dem nach billigem Schnaps und Fisch stinkenden Mann ziemlich egal. Männer wie Dan sind es, die Moses’ Kampf wie einen Kampf gegen Windmühlen erscheinen lassen. Der ehemalige Fischer erfuhr vor acht Jahren, dass er HIV-positiv ist, seitdem arbeitet er ehrenamtlich als HIVBerater in Kasensero. «Ich kläre über die Ansteckungsgefahren auf, verteile Kondome und achte darauf, dass die Patienten regelmässig ihre Medikamente nehmen. Aber die Fischer sind oft völlig verantwortungslos. Vor allem, wenn sie HIV-positiv, betrunken oder beides sind», stöhnt der 42-Jährige. Er sah drei seiner Kinder sterben. Die Todesursache ist nie untersucht worden, aber Moses, der mittlerweile von der ebenfalls HIVpositiven Mutter seiner Kinder geschieden ist, kann es sich denken. Laut Unaids, dem HIV/Aids-Programm der Vereinten Nationen, hatte Ende 2010 fast die Hälfte der Bevölkerung in den armen Ländern Zugang zu Aids-Medikamenten, ein Jahr zuvor waren es nur 39 Prozent. Doch in Kasensero freuen sich nicht alle darüber. Dorfvorsteher Abdu Senkima: «Als wir Aids noch Slim nannten, konnte man zumindest sofort sehen, wer gesund und wer krank ist. Jetzt ist es gefährlicher.» ■

www.street-papers.org / Street News Service

Abdu Senkima, Dorfältester: «Wir wurden geächtet.»

nun doch mit einer Therapie zu beginnen. Schliesslich willigte ich ein. Ich erinnere mich, wie ich in einem Migros-Restaurant ganz bewusst meine Tabletten eingenommen habe, fast wie bei einer Zeremonie. Es war ein Schritt in ein neues Leben. In der ersten Nacht mit den Medikamenten litt ich an starken Nebenwirkungen, hatte Gleichgewichtsstörungen, sodass ich kaum mehr ins Badezimmer kam. Am Tag danach fühlte ich mich belämmert wie nach einem Vollsuff. Aber schon in der zweiten Nacht ging es besser. Als mich mein Arzt nach einem Monat anrief, um mir das Ergebnis des ersten Viren-Screenings mitzuteilen, liefen mir vor Aufregung Schweiss und Tränen über das Gesicht. Er sagte, dass das Virus in meinem Blut dank der Therapie kaum noch nachweisbar sei. Heute können die Medikamente viel gezielter auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden. Ich bin 51 Jahre alt, führe ein eigenes Geschäft und fühle mich ausgeglichen und gesund. Nie hätte ich nach der Diagnose gedacht, dass ich noch eine Zukunft hätte. Bis heute erlebe ich es immer wieder, dass man als Positiver ein Stigma trägt, vor allem im privaten Umfeld. Manchmal lernt man Leute kennen und sobald man sagt, dass man HIV-positiv ist, schweigt das Telefon. Ich möchte die Krankheit nicht an die grosse Glocke hängen, da ich keine Geschäftskunden verlieren möchte. Auch in meiner Familie wissen nicht alle Bescheid. Bei den Versicherungen gelte ich als Risikopatient, sofern ich überhaupt eine Police abschliessen darf. Es ist frustrierend zu wissen, dass man die Kosten für die Medikamente selber tragen könnte, wenn man Zugang zu günstigen Generika hätte. Die HIV-Therapie kostet in der Schweiz pro Jahr mindestens 15 000 Franken, gleichwertige Generika zwischen 50 und 200 Franken. Überhaupt: Die Diskussion rund um die Patentrechte an diesen Medikamenten ist zynisch. Wer heute zum Beispiel in einem Schwellenland wie Brasilien oder China lebt, bekommt, nur weil sein Land nicht mehr bedürftig genug ist, einige günstige Generika nicht. Gewinnmaximierung steht über dem Wohl der Patienten.» ■

Moses, HIV-Berater: «Die Fischer sind völlig verantwortungslos.»

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Grundeinkommen Traum der grossen Freiheit Was wäre, wenn wir nicht mehr dem Geld hinterherrennen müssten? Eine neue Initiative konfrontiert uns mit dieser Frage – mit einem auch von Ökonomen als realistisch beurteilten Vorschlag. VON FLORIAN BLUMER (TEXT) UND PATRIC SANDRI (ILLUSTRATION)

«Das würde ja das ausser Kraft setzen, was unser Leben im Wesentlichen ausmacht, nämlich den Druck, produktiv sein zu müssen!» «Weltwoche»-Chef Roger Köppel ereiferte sich letztes Jahr an einer Podiumsdiskussion über den «Unsinn, den man da den Leuten verkaufen will». Die Leute im Publikum antworteten mit Buhrufen und höhnischem Gelächter. Doch auch der Nationalrat hat sich letztes Jahr mit einer überwältigenden Mehrheit gegen die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens ausgesprochen: Zu viele Risiken seien damit verbunden. Ganz anderer Meinung sind die beiden Ökonomen Christian Müller und Daniel Straub. Sie sehen die Chancen: In einem von ihnen verfassten Büchlein versprechen sie nichts weniger als «die Befreiung der

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Schweiz», so der Titel. Sie beschreiben die Utopie einer Schweiz im Jahr 2050, in der die Leute nicht mehr gezwungen sein werden, sich für den Arbeitsmarkt unzumutbar anpassen und verbiegen zu müssen. Das «Bedingungslose Grundeinkommen» (BGE) ist eine Idee, die seit über hundert Jahren an verschiedenen Orten der Welt am Gären ist und mit der sich selbst neoliberale Ökonomen wie Milton Friedman beschäftigt haben. Müller und Straub halten die Zeit nun reif für die Umsetzung: Diesen Monat starten sie die Unterschriftensammlung für eine eidgenössische Initiative. Denn, so erklärte Müller vor Kurzem in der DRS3-Sendung «Input», etwas ändern müssen wir sowieso: «Die Gesellschaft fährt vollgas gegen die Wand. Die Leute sind immer unzufriedener, die Krankheiten, vor allem im psychischen Bereich, nehmen zu, wir stossen an ökologische Grenzen und die Wachstumsproblematik ist ungelöst.» SURPRISE 273/12


Darum gehts Kurz erklärt, geht es den Initianten um Folgendes: Jeder dauerhaft in der Schweiz Ansässige bekommt ein Grundeinkommen – ohne Arbeitsleistung, ohne Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit. Dieses soll die Existenz sichern und «ein bescheidenes Leben in Würde» ermöglichen. Der konkrete Betrag soll nach Annahme der Initiative in einer öffentlichen Auseinandersetzung und in einem demokratischen Verfahren ermittelt werden. Als Vorschlag warfen die Initianten den Betrag von monatlich 2500 Franken in die Diskussion. Kinder und Jugendliche sollen einen Viertel davon bekommen, also 625 Franken. Bei Erwerbstätigen käme der Betrag nicht zum bestehenden Lohn hinzu, sondern würde einfach ein Teil davon. Sprich: Wer schon heute über 2500 Franken verdient, würde auch mit Grundeinkommen gleich viel verdienen. Er hätte aber neu die Option, die Arbeit hinzuschmeissen und von den 2500 Franken zu leben. Und könnte sich voll der Familie widmen, ein Buch schreiben, sich vollamtlich im Schwingverein oder in der Entwicklungsorganisation engagieren – oder es sich in der Hängematte bequem machen. Ist der Mensch nicht zu faul? Womit wir bei den Bedenken wären. Die Befürchtungen sind gross, dass bei Auszahlung eines BGE niemand mehr arbeiten gehen würde. Interessanterweise bezieht sich diese Angst jedoch hauptsächlich auf die anderen: Bei einer repräsentativen Umfrage in Deutschland gaben 90 Prozent der Befragten an, auch mit einem BGE weiter arbeiten zu gehen. 80 Prozent der Befragten befürchteten jedoch, dass andere wegen der Einführung eines BGE auf der faulen Haut liegen würden. Wer soll das bezahlen? Grundsätzlich gehen die Befürworter davon aus, dass die enormen Produktivitätssteigerungen, die durch den Einsatz immer besserer Maschinen und Computer erreicht wurden, für das Auszahlen eines BGE genutzt werden könnten. Konkret wären laut Müller und Straub

200 Milliarden Schweizer Franken nötig. 128 Milliarden davon wären durch Lohneinsparungen gedeckt, 70 Milliarden kämen von Einsparungen bei den Sozialwerken (Diese sollen nicht gänzlich abgeschafft, aber deutlich reduziert werden.) Der Rest soll mit einer Erhöhung der Mehrwertssteuer erwirtschaftet werden. Wer macht dann die schlecht bezahlte Arbeit? «Ich möchte nicht, dass ein grosser Teil der Niedriglohnempfänger nicht mehr arbeitet», wird Peter A. Fischer, promovierter Ökonom und Wirtschaftschef bei der NZZ, in «Die Befreiung der Schweiz» zitiert. Tatsächlich ist fraglich, ob jede, die 3300 Franken im Monat für einen Job in der Reinigung oder an der Supermarktkasse bekommt, diese Arbeit noch machen wollte, wenn sie für 2500 Franken auch zu Hause bei den Kindern sein oder etwas Kreatives oder Karitatives machen könnte. Es würde wohl kein Weg daran vorbeiführen, diese Jobs besser zu entlöhnen. So wäre doch unser Lebensstandard nicht zu halten! Tatsächlich ist denkbar, dass wir vom Prinzip einer ewig wachsenden Wirtschaft abrücken müssten. Was aber, wie Müller andeutet, angesichts ökologischer Grenzen sowieso zwingend ist. Dies klingt nach links-grüner Argumentation, doch Müller betont, dass das bedingungslose Grundeinkommen eine urliberale Idee sei: Das Individuum könnte, frei von wirtschaftlichen Zwängen, sein Leben selber gestalten. Tatsächlich hat die Idee Anhänger auf allen Ebenen des politischen Spektrums. Auch den Ex-UBS-Chefökonomen Klaus Wellershoff bringt das BGE nach eigener Aussage ins Träumen von einer Welt mit mehr Eigenverantwortung, mehr Freiheit und mehr Solidarität. Klar ist: Die Einführung eines Grundrechts auf bedingungslose Existenzsicherung wäre ein Sprung ins kalte Wasser. Und wir müssten uns der Frage stellen: Wüssten wir überhaupt, was mit dem Leben anzufangen, wenn uns nicht, frei nach Köppel, der Zwang zur Erwerbsarbeit den Lebenssinn aufdiktiert? ■

«Hätte ich ein bedingungsloses Grundeinkommen …» «Ich würde alles genau gleich machen. Ich würde trotzdem weiterhin arbeiten gehen und mit dem zusätzlichen Geld einfach meine Eltern entlasten, die sehr viel für mein Studium bezahlen. Ich denke, das würde jeder Student so machen, weil ja alle in der schwierigen Lage sind, von den Eltern abhängig bleiben zu müssen. Das wäre die Chance, aus dem herauszukommen.» Vanessa Mahler (21) studiert in Basel Medienwissenschaft und Kulturanthropologie, jobbt im Service und gibt Nachhilfe.

«Ich nehme nicht gerne Geld vom Staat, ich verdiene mein Geld lieber selber. Wenn ich ein Grundeinkommen bekommen würde, würde ich genau diese Arbeit weitermachen. Ich bin zufrieden mit dem Lohn, komme sehr gut aus mit dem Chef und habe immer Spass mit den Kunden.» Ahmad Darbaz (28) arbeitet Vollzeit als Koch in einem türkischem Restaurant mit Take-Away in Bern.

«Ich hätte weniger Druck, etwas zum Familieneinkommen beizutragen. Trotzdem würde ich weiterhin einen Teilzeitjob suchen, denn für mich fühlt sich diese direkte Verbindung zwischen Arbeit und Lohn logisch an. Meine Ehrenämter im Kindertheater und beim Ferienspass könnte ich entspannter wahrnehmen. Denn diese Arbeit ist sehr befriedigend, bringt aber kein Geld.» Irene Siegenthaler (37) ist Hausfrau und Mutter in Altdorf.

«Ich würde meinen Traum verwirklichen: Einen Kosmetiksalon eröffnen. Das ist, was ich aus tiefstem Herzen möchte, aber in meiner jetzigen Situation nicht tun kann. In meiner Freizeit würde ich weiterhin Surprise verkaufen. So kann ich Kontakte knüpfen und Deutsch lernen. Ich bin ein Mensch, der Arbeit braucht. Zuhause herumsitzen mag ich nicht.» Biljana Velyanovska (39) ist Surprise-Verkäuferin aus Mazedonien.

«Ich habe schon so oft im Leben anders reagiert, als ich es erwartet hätte. Und die Forschung zeigt, dass es allen anderen auch so geht. Zum Beispiel hat man Lotto-Gewinner gefragt, wie sich ihr Leben durch den Millionengewinn ändern werde. Gar nicht, wurde geantwortet, man wolle auch in Zukunft arbeiten gehen. Nach zwei Jahren hatte keiner der Befragten mehr einen Job, dafür eine Jacht oder ein Haus.» George Sheldon (64) ist Professor für Arbeitsmarkt- und Industrieökonomie an der Universität Basel. SURPRISE 273/12

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Bäckeranlage Im Wohnzimmer des Quartiers Die Bäckeranlage in Zürich ist ein Lifestyle-Park, ein Mütterbiotop und Lustgarten für Verliebte, aber auch ein Randständigenpark. Die friedliche Koexistenz ist aber keine Selbstverständlichkeit, denn reguliert ist jeder Park – die «Bäcki» ein bisschen mehr als andere.

VON DIANA FREI (TEXT) UND LUC-FRANÇOIS GEORGI (BILDER)

Es wird wärmer, und das Leben in der Zürcher Bäckeranlage erinnert wieder an Szenen aus Disneys Bambi-Film: Mit den ersten Sonnenstrahlen kriechen alle aus ihren Höhlen hervor, Kinder, die wieder ein Jahr älter geworden sind, Mütter, die unterdessen ein weiteres Baby bekommen haben. Aber auch die Alkoholiker, die wieder wissen, wo sie ihren Tag verbringen werden, und die Barbecue-Freunde mit ihrem Grillgut. Die «Bäcki» wird im Sommerhalbjahr zum Biotop, in dem Kulturen gedeihen und unterschiedlichste Lebensformen ihre Blüten treiben. Man wundert sich ob so vielfältigem friedlichem Nebeneinander und es scheint, als ob es schon immer so gewesen wäre. Als ob ein Park ganz natürlich funktionieren würde. Alle bleiben in ihrer Ecke und lassen sich gegenseitig in Ruhe. Nur ab und zu stolpert ein Zweijähriger von Grill zu Grill, um fasziniert dem Rauch zuzusehen. Und die Mutter, die so von Geburtstagsfeier über Bierparty zum Tête-à-Tête mitgeht, um zu mahnen «Nicht anfassen, heiss, gäll!», steht manchmal recht verloren daneben. Sie wird unfreiwillig Zeugin leidenschaftlicher Zungenküsse und steht deplatziert inmitten kiffender Teenies herum. Es sind Welten, die sich eigentlich nie berühren; unsichtbare Grenzen scheinen gesteckt zu sein.

den Zähnen kleben bleiben – so sehen sie jedenfalls aus. Immer begleitet von einer Vielzahl Taschen mit aufwendig zubereitetem Essen. Die älteren Männer mit den strähnigen, fettigen Haaren, abgewetzten Jacketts und dem Bier sitzen derweil auf den einsamen Bänken in der Ecke hinter dem Gebüsch. Die Alkoholiker und Drogenabhängigen mit den Hunden platzieren sich auf den Steinstufen bei dem Wasserbecken, wo die Kinder im Sommer planschen. Und die Mütter treffen sich mit ihren Freundinnen beim Restaurant, wo sie ihren gespritzten Weissen auf dem Sandkastenrand abstellen können. Ein fragiles Gleichgewicht Die Bäckeranlage ist knapp 14 000 Quadratmeter gross, nicht viel mehr als ein Fussballfeld. Viel Platz ist das nicht, wenn man bedenkt, dass hier Vertreter aller sozialen Schichten anzutreffen sind: TV-Prominenz, die Teppichetage der ART Basel und auch mal eine Buchpreisträgerin genauso wie die Loser, Randständigen und Süchtigen. Das war aber nicht immer so. Die erste Parkanlage wurde hier 1901 erstellt, streng geometrisch. Ein Landschaftsgarten, der die Bürger inmitten des Arbeiterviertels zum Flanieren anlocken sollte. Es kamen keine Bürger, dafür Randständige. 1939 wurde der Park neu eröffnet und bot nun Möglichkeiten der Nutzung, die über den Sonntagsspaziergang hinausgingen: Man durfte fortan den Rasen betreten, es wurden ein benutzbares Wasserbecken eingerichtet und ein Musikpavillon. Die Quartierbevölkerung kam jetzt, aber es folgte eine bewegte Geschichte der Nutzung, ein Hin und Her zwischen offener Drogenszene und Freizeitpark. Ein Park ist immer auch ein Abbild des Quartiers, in dem er liegt. Das friedliche Nebeneinander, das heute so natürlich scheint, besteht

Gespritzter Weisser auf dem Sandkastenrand Nur Ismael ist da eine Ausnahme. Deutsch kann er nicht gut, aber er hat einen sehr natürlichen Draht zu seinen Mitmenschen und speziell zu Kindern, und da landet des Schweizers Baby schnell mal auf Ismaels Armen, und zwar nicht nur kurz – «Darf ich mal?» – sondern richtig lange, sodass der «Früher war das unser Quartierpark, heute kommen die Schweizer unterdessen in Ruhe seine GemüseLeute von auswärts hierher.» wähe essen kann. Ismael ist eigentlich immer hier, wenn es das Wetter zulässt, genauso wie erst seit einigen Jahren. Es wurde hergestellt. Die Mittel dazu waren geseine Freunde, ein Trupp Italiener oder Spanier, darunter eine lebensluszielte Gestaltungselemente und soziokulturelle Angebote, Polizeikontige Frau mit ihrem schwer behinderten Sohn, der im Rollstuhl sitzt und trollen und Einsätze der SIP (Sicherheit Intervention Prävention). Die blökende Geräusche in die Baumwipfel sendet. Er ist glücklich, nimmt Bäckeranlage war zentraler Bestandteil der Aufwertungsmassnahmen man an, im lauen Frühlingswind. Hier, auf der Pergola neben dem Kinim Kreis 4. Das Quartierzentrum wurde bewusst in den Park hineingederbad, das jetzt noch leer ist, wird für die nächsten Monate ein mediholt, ein Restaurant eröffnet, es wurden Konzerte und andere Veranterranes Beisammensein stattfinden. staltungen organisiert. «Rückeroberung» nannte man das damals. Hinter dem grossen alten Baum in der Mitte der Wiese veranstalten «Man schafft gezielt ein Angebot, damit die Leute kommen. In der die Thailänder einen Sommer lang Geburtstagspartys mit grossen Zelten ‹Bäcki› war das ganz klar so», sagt Heidi Kaspar. Sie hat die Bäckeranund Pappbechern, die sie mit Süssigkeiten füllen, die stundenlang in SURPRISE 273/12

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Nikolaj (ganz rechts) und seine Kumpels. Sie haben den Park schnell «entziffert».

schon mal vor, dass sich eine Mutter über die Hunde der Randständilage in der 2010 erschienenen Nationalfonds-Studie «Sozial nachhaltige gen beschwert, die sich mit ihrem Baby im Sommer das Wasserbecken Parkanlagen» mit einem modernen Architekturpark in Neu-Oerlikon und teilen. einer einfachen Parkanlage am Zürichsee verglichen. «Der Bäckeranlage «Da wählt das ganze Quartier SP, wenn aber ein Alki auf der Treppe kommt heute die Bedeutung eines Integrationsraumes zu», heisst es in sitzt, holt man die Polizei», kommentiert ein junger Mann im weissen der Studie, und weiter: «Die Regulierungsmassnahmen sind erfolgreich Hemd mit Cüpli in der Hand, und findet das «heuchlerisch». Dass der darauf ausgerichtet, dass der Park nicht durch einzelne Gruppen monopolisiert wird, und dass hier auch Menschen am öffentlichen Raum teilhaben können, die «Da wählt das ganze Quartier SP, wenn aber ein Alki auf aus dem gesellschaftlichen Produktionsprozess der Treppe sitzt, holt man die Polizei.» ausgeschieden sind.» Der Begriff «Rückeroberung» gefällt der Sozialgeografin der UniverPingpongtisch, den die Polizei letztes Jahr auf Klagen der Anwohner hin sität Zürich allerdings nicht: «Als wir in der ‹Bäcki› vor vier Jahren Interabmontiert hat, als Drogenumschlagplatz gedient haben soll, mag er views durchführten, begann sich bereits abzuzeichnen, dass es schon nicht glauben: «Ich habe viele Bekannte, die dort gespielt haben.» Mit fast wieder zu einer neuen Art von Verdrängung kommt. Viele Leute Freunden und deren Eltern hat er auf der Wiese einen schicken Apéro sagten uns: ‹Früher war das unser Quartierpark, heute kommen die Leueingerichtet: Zwei gestreifte Strandstühle und eine Auslage an Häppte von auswärts hierher.›» Auch die Einrichtung des Restaurants wurde chen, die aussieht wie in einer Globus-Werbebeilage, Weisswein und kritisiert, weil es an Konsum gebunden ist und damit eine Mittelschicht Prosecco stehen im Weinkühler bereit. Man wohnt ganz in der Nähe, anlockt – und so einige Menschen ausschliesst. kein Garten, kein Balkon, also serviert man in der «Bäcki». Und ab und Es ist ein fragiles, genau überwachtes Gleichgewicht, das auf der zu hält man es da auch ein bisschen feudaler. Bäckeranlage so natürlich wirkt wie die alten knorrigen Bäume auf der Wiese. Das Bier der Dänen In den Sommermonaten ist die Polizei mehrmals täglich mit uniforWas auf dem Zürichberg auf dem eigenen Grundstück stattfindet, mierten und zivilen Kräften in der Bäckeranlage unterwegs. Betäuwird im Langstrassenquartier in die «Bäcki» ausgelagert, weil hier kaum bungsmittelkonsum und -handel werde nicht geduldet und «rigoros jemand einen Garten hat. Der Park als erweitertes Wohnzimmer. Hier verzeigt», so Polizeisprecher Marco Bisa. Die Alkoholiker werden grundflaniert man nicht wie in einem Bürgerpark des letzten Jahrhunderts, sätzlich toleriert, hier spielt die Verhältnismässigkeit eine Rolle: Nicht zu hier bleibt man im Sommer auch einmal den ganzen Tag hängen. «Die viele dürfen es sein, und sie müssen sich korrekt benehmen. Die SIP Leute müssen verschiedenste Möglichkeiten zu verweilen haben, damit wiederum kümmert sich vor allem um «Nutzungskonflikte». Es kommt

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Statt auf dem Malkon: Der schicke Apéro unter freiem Himmel.

Sitzen und Plaudern: So fühlt man sich einem Ort zugehörig.

gegen ist anderer Meinung: Er würde mit seinen zwei Kindern nie hiersie sich einem Ort zugehörig fühlen», sagt Heidi Kaspar, «hier kann ich herkommen, sagt er, in schon recht redseligem Zustand, und stützt sich zuerst Ball spielen, dann auf der Wiese ein Buch lesen und nachher im auf die Ellbogen. Die Parks in Dänemark seien ruhiger. Restaurant etwas essen.» Ein Parkbesuch ist nicht nur ein Gratisangebot und damit eine willDabei geht es auch um die «Lesbarkeit» eines Parkes. Darum, ob die kommene Freizeitbeschäftigung für Eltern mit schmalem Budget genauBesucher intuitiv verstehen, was sie tun können. Klassische Elemente in so wie für Ausgesteuerte, er ist auch ein Stück Alltag. «Hier geht man der Bäckeranlage sind die Wiesenfläche und die grossen alten Bäume, die Schatten geben. Dazu das Wasserbecken, das die Kinder anzieht. Wozu Sandkästen und Für viele entsteht eine Art von Nachbarschaft mit andeBänke da sind, ist ebenfalls leicht verständlich. ren «Bäcki»-Bewohnern, die unter echten Nachbarn nicht Heidi Kaspars Untersuchungen im zeitgenössimehr besteht. schen Architekturpark Wahlenpark in NeuOerlikon haben gezeigt, dass gestalterisch unnach dem Einkauf schnell schauen, was los ist. Und dann trifft man die gewohnte Konzepte die Leute irritieren: «Da ging es in den Gesprächen Nachbarin und nochmals eine, und dann bleibt man. Oder das Kind hat mit den Nutzern immer darum, dass keine Leute da sind.» Im WahlenHunger und man geht halt wieder. Das macht einen Quartierpark aus», park in Neu-Oerlikon erklären sich der Rotbuchenwald, die sattgrüne sagt Heidi Kaspar. Für viele entsteht so eine Art von Nachbarschaft mit Spielwiese und der Betonbalken – in der Theorie zum Verweilen geanderen «Bäcki-Bewohnern», die unter echten Nachbarn nicht mehr bedacht – offenbar nicht von selbst. steht. Man trifft sich im gemeinsamen Wohnzimmer im Freien. Eine Gruppe von Dänen hat die Bäckeranlage schnell «entziffert»: Die Ganz so kitschig schön wie in Bambi gestaltet sich das ZusammenStudenten, zwischen 21 und 39 Jahre alt, Marineingenieure auf Bilsein in der «Bäcki» natürlich nicht. Der Park bleibt der Spiegel des Quardungsreise in Zürich, besuchen während zehn Tagen Schweizer Firmen, tiers, und es ist ein Quartier, das man schon immer als «prekär» beabends und am Wochenende liegen sie in der «Bäcki». Die Jeans hinzeichnet hat. aufgekrempelt, die Turnschuhe ausgezogen, Bierdose in der Hand. NiUnd trotzdem, findet die Sozialgeografin: «In anderen Parks hört kolaj, 37, sagt: «Wir wohnen in der Langstrasse um die Ecke in einem man oft: ‹Die mit den Hunden!›, ‹Die mit der lauten Musik!› Dass man Hotel und könnten uns das Pub nicht jeden Tag leisten. Ein Park ist bilso über andere Parkbenutzer herzieht, habe ich in der «Bäcki» viel sellig, hier bringt man sein eigenes Bier mit.» Es gefällt ihnen auf ihrem Hütener erlebt. Hier sagt man – selbst wenn man sich gestört fühlt: Ja, gelchen, sie geniessen die Sonnenstrahlen und plaudern. Sein Kollege die mit dem Bier, das ist ein Mist, aber sie müssen ja auch irgendwo Kenneth findet es erstaunlich, dass hier Kleinkinder direkt neben den sein.» Alkoholikern spielen, «fantastic», dass das hier möglich sei. Nikolaj da■ SURPRISE 273/12

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BILD: GUIDO SÜESS

Wörter von Pörtner Schönes Wetter Ich war vier Wochen in Valencia, in Spanien. Blauer Himmel, Sonnenschein, Wärme. Im Februar jeden Tag zum Kaffeetrinken und Zeitunglesen draussen zu sitzen, das hat schon etwas. Nachts trotz deutlicher Abkühlung Konzerte unter freiem Himmel, auch nicht schlecht. Am Sonntag am Meer spazieren gehen, tipptopp. Am Abend Nachrichten schauen, in denen von Wasserknappheit und Dürre im Land berichtet wird, nicht ganz so erbaulich. Das anhaltende schöne Wetter erweist sich als wahre Geisel, die Saat ist schon eingegangen, mehrere Flüsse sind versiegt, die Speicherseen leer und das alles, bevor die traditionelle Trockenperiode überhaupt begonnen hat. Trotzdem gibt es kein schädliches Phänomen, das so viele begeisterte Anhänger hat – auch in der Heimat, wo es bei meiner Rück-

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kehr ebenfalls lange Zeit viel zu warm war. Das Sonnenanbeten ist fester Bestandteil unserer Alltagskultur geworden. In praktisch jeder E-Mail ist es ein Thema. Kurz vor der Grussformel wird sich bei Leuten, die nicht am selben Ort wohnen, nach der Sonne erkundigt, von ihrem Scheinen oder eben Hinter-Wolkenoder-Hochnebel-Verborgensein berichtet. Es wird Sonne gewünscht, gegönnt, erhofft, zum Genuss empfohlen. Dies, obwohl die meisten, die solche Mails schreiben, den Tag in Gebäuden und am Schreibtisch verbringen, also vom allfälligen Sonnenschein nur sehr marginal profitieren können. Es wäre darum logischer, sie würden sich über das sinnlos schöne Wetter aufregen. Es gibt ja nichts, über das sich keiner aufregen würde. Das halbe Internet ist von Hassgruppen, -kommentaren und -seiten verstopft. Leute ereifern sich über Computersysteme, die sie nicht benutzen, über Mobiltelefone, die sie nicht wollen, Mannschaften, die sie nicht unterstützen, Musik, die sie nicht hören. Dagegensein ist Teil der Identität. Darum erstaunt es, dass das schöne Wetter von dieser Tendenz weitgehend verschont wird. Spätestens seit dem Aufkommen des Massentourismus, erst in den Mittelmeerraum, später in jeden regelmässigem Sonnenschein ausgesetzten Landstrich, hat sich unsere Wahrnehmung verändert. Wir sind darauf programmiert, Sonne mit Freizeit, Unbeschwertheit und Abenteuer zu verbin-

den, selbst wenn wir sie nur durch eine Dreifachverglasung sehen. Die Toleranz Kälte gegenüber sinkt hingegen beträchtlich. Als es diesen Winter kalt war, löste das heftige Diskussionen aus, ob das rechtens sei oder verboten gehöre. Es wurde argumentiert, dass die Kälte den ihr zugeteilten Lebensraum, die Bergwelt mit dem angegliederten Skizirkus, gefälligst nicht zu verlassen habe. In der Stadt hätten Kälte, Schnee und Regen definitiv nichts verloren und seien blosse Ärgernisse. Hiess es. Die Los-Angelisierung wäre also die Lösung. Nur noch Städte, in denen es warm ist, die Sonne scheint und möglichst Meer vor der Haustür. Wenn der technische Fortschritt es schafft, dem Klimawandel ein Schnippchen zu schlagen, steht dem nichts im Wege. Dann führe man in die Ferien aufs Land oder in die Berge und schriebe zurück: Es regnet jeden Tag! Die Antwort: N-E-I-D.

STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER (MILENA.SCHAERER@GMX.CH) SURPRISE 273/12


Stadtrundgänge Den Frauen auf den Fersen Zuerst waren Männer oft gar nicht erwünscht, dann mussten sie zur Teilnahme gezwungen werden und heute kommen sie freiwillig an die Frauenstadtrundgänge. Diese vermitteln Geschlechtergeschichte auf unterhaltsame Art und sind selber ein Teil davon.

Ein Frauenstadtrundgang – was soll das eigentlich sein? Ein Stadtrundgang für Frauen? Von Frauen? Über Frauen? Oder alles zusammen? Jedenfalls sind die Rundgänge in der Schweiz weit verbreitet und oft ausgebucht, und jetzt im Frühling beginnt von Basel über Zürich bis Bern und Luzern die neue Saison. «Klassische Sehenswürdigkeiten spielen bei uns eine sekundäre Rolle», sagt Christine Wüest, die im Verein Frauenstadtrundgang Zürich für Koordination und Administration zuständig ist. «Wir schauen uns die Stadt aus der Geschlechterperspektive an und gehen den Fragen nach: Was lebten hier für Frauen und Männer? Und was haben sie mit ihrem Frau- oder Mann-Sein hier erlebt?» So führe einer der Rundgänge etwa zum ersten Frauen-WC Zürichs, während ein anderer das erste vegetarische Restaurant der Limmatstadt ansteuere. «Dort gingen übrigens vor allem Männer hin, die oft nicht selber kochten – in der Küche hingegen wirkten die Frauen», verrät Christine Wüest. Geschlechterperspektive, Mann-Sein – die Stichworte machen deutlich, dass auch aus einem Frauenstadtrundgang die Männer nicht wegzudenken sind. Und zwar nicht nur wegen des männlichen Henkers, der im bald aktuellen Walpurgisnacht-Special des Basler Rundgangs «Hexenwerk und Teufelspakt» eine wichtige Rolle spielt. Was vor dem Hintergrund des heute allgegenwärtigen Geschlechterdiskurses naheliegend erscheint, musste allerdings erst erarbeitet werden. Ein Teil dessen war auch die Geburt des ersten Schweizer Frauenstadtrundgangs, der 1990 anlässlich von «100 Jahre Frauen an der Universität Basel» von der Basler Geschichtsprofessorin Regina Wecker und ein paar ihrer Studentinnen organisiert und unter die Füsse genommen wurde. «An der 5. Historikerinnentagung in Bern 1988 berichtete eine Teilnehmerin von ihren Erfahrungen mit frauenspezifischen Rundgängen in Köln», weiss Nadja Müller, Koordinatorin und PR-Verantwortliche des Vereins Frauenstadtrundgang Basel. Der erste Basler Rundgang zum Thema Frauenarbeit sei so gut angekommen, dass sogleich der Verein gegründet wurde. Die Sache ging aber über eine blosse Jubiläumsveranstaltung hinaus, wie Müller betont. «Der Rundgang wollte auch darauf aufmerksam machen, dass damals in Basel ein Lehrstuhl zur Geschlechterforschung fehlte.» Ein solcher wurde wenige Jahre später eingerichtet. Das Publikum der Basler Frauenstadtrundgänge sei nie explizit festgelegt worden, sagt Nadja Müller. Das «Frauen» im Namen beziehe sich auf die Führerinnen und die bevorzugten Themenfelder. «Das Ziel war von Anfang an, Forschungsergebnisse der Frauen- und Geschlechtergeschichte bekannt zu machen. «Da wäre es ja kontraproduktiv, die Männer auszuschliessen», hält Nadja Müller fest. In Zürich war das einmal anders. «Damals waren männerfreie Zonen ein Bedürfnis», weiss MarSURPRISE 273/12

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VON MICHÈLE FALLER

Frauenstadtrundgang in Zürich: Alte Rollenbilder hochhalten? Nicht unbedingt.

tha Rohner, die seit seiner Gründung im Jahr 1991 beim Verein Frauenstadtrundgang Zürich dabei ist. Nach ein paar Jahren habe man sich gesagt: Die Frauen haben das doch gar nicht nötig, die Männer auszuschliessen. Wer sich nun fragt, warum das eine Weile dauerte und weshalb man erst über die Frauengeschichte und die ‹Gender›-Debatte zur heute aktuellen Erforschung der Geschlechterverhältnisse gelangt sei, dem wird die schlichte Erklärung Martha Rohners einleuchten: «In den 90er-Jahren kamen die Frauen in der Geschichte gar nicht vor; man musste sie erst hervorholen.» Und wie war der Ansturm, als die Männer an den Zürcher Frauenstadtrundgängen offiziell zugelassen waren? «Zuerst kamen nur die Ehemänner – und die wurden quasi gezwungen», schmunzelt Martha Rohner. Mittlerweile seien Männer aber gar keine Exoten mehr. Sie seien interessiert, kämen immer zahlreicher und sogar in reinen Männergruppen. «Und sie kommen freiwillig.» ■ Walpurgisnacht: «Hexenwerk und Teufelspakt», Montag, 30. April, 20 Uhr, Treffpunkt: Lohnhof, Basel. Neuer Rundgang: «Mit Sang und Klang. Das musikalische Basel zum Hören und Erleben». www.frauenstadtrundgang-basel.ch «Fräulein, zahlen bitte!», Publikation und neuer Rundgang zu 100 Jahren Zürcher Beizengeschichte. www.frauenstadtrundgangzuerich.ch

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Kulturtipps

Das Grauen kommt auf leisen Pfoten.

Zum ersten Mal verliebt: Sohn Laurent.

Buch Verdammnis und Verführung

Kino Lied des Abschieds

Vor 100 Jahren starb Bram Stoker. Sein Roman «Dracula» wurde erst nach seinem Tod zum Welterfolg – im Kino.

«Café de Flore» ist ein Film wie ein hitzeschwerer Traum am Sommernachmittag, der nichts weniger will als Antwort geben auf die schwere Frage: Wie komme ich von der grossen Liebe los, wenn sie plötzlich zu Ende geht?

VON CHRISTOPHER ZIMMER

Mit Dracula schuf der irische Schriftsteller Bram Stoker (1847–1912) eine der unvergänglichsten Figuren der Gothic Tales. Doch was heute Kult ist, dem war zu Stokers Lebzeiten nur ein bescheidener Erfolg vergönnt. Erst nachdem die Filmindustrie den Stoff für sich entdeckte, brannte sich die Gestalt des Urvaters aller Blutsauger ins kollektive Gedächtnis ein – nicht zuletzt dank einer Reihe legendärer Darsteller. Draculas Siegeszug auf der Leinwand schrieb Filmgeschichte. Was 1922 mit Murnaus «Nosferatu» und dem Schauspieler Max Schreck (nomen est omen!) begann, erreichte 1931 und 1958 mit den wohl berühmtesten Dracula-Mimen Bela Lugosi und Christopher Lee erste Höhepunkte. 1967 folgte Polanski mit seinem ausgelassenen «Tanz der Vampire». Düsterer wurde es wieder in Werner Herzogs Remake «Nosferatu» mit dem unvergesslichen Klaus Kinski (1979) und in Coppolas barockem «Dracula» mit Gary Oldman (1992). 1994 trumpfte «Interview with the Vampire» mit einem Jungstar-Ensemble auf (u.a. Brad Pitt, Tom Cruise, Christian Slater und Kirsten Dunst), und 1995 parodierte Mel Brooks den Meister des Schreckens in «Dracula – Tot aber glücklich» mit Ulknudel Leslie Nielsen. Auch die Neuzeit hat sich den Mythos einverleibt. Blockbuster wie die «Blade»-Trilogie mit Wesley Snipes, die «Underworld»-Filme mit Kate Beckinsale und das futuristische «Ultraviolet» mit Milla Jovovich haben den Stoff ins Action-Zeitalter übersetzt. Kinder wurden mit «Der kleine Vampir» beglückt – ab 1979 als Buchreihe und 2000 auch als Film. Ganz aktuell schliesslich lässt Stephenie Meyers «Twilight»-Serie die Teenagerherzen höher schlagen. Offensichtlich bedient der zeitlose und schillernde Mythos Dracula, der Schrecken und Lust, Verdammnis und Verführung, Tod und ewiges Leben in sich vereint, die Urängste und Träume der unterschiedlichsten Generationen und Zeitalter. Nach all dem Leinwandgeflimmer und all den Adaptionen tut es gut, auch wieder einmal nach dem Original zu greifen. Dank der Neuübersetzung von Andreas Nohl ist Stokers Schauermär erstmals in einer vollständigen Fassung zu haben, die sicher dazu beiträgt, dass sich Draculas Sarg auch in Zukunft immer wieder quietschend öffnen wird. Iiiiiäääähhh!

VON THOMAS OEHLER

Bram Stoker: «Dracula». Neu übersetzt von Andreas Nohl.

Jean-Marc Vallée: «Café de Flore», Kanada 2011, 121 Min., mit Vanessa Paradies,

Verlag Gerhard Steidl 2012. 39.90 CHF.

Kevin Parent, Hélène Florent u. a. Der Film läuft derzeit in den Deutschweizer Kinos.

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Wahrscheinlich kennen das alle Liebenden: das Lied, das zum Symbol der ganzen Beziehung wird und – gemeinsam gehört – zur stets neuen Bestätigung des Zusammengehörens. Und wenn die Beziehung in die Brüche gegangen ist, erträgt man dieses Lied nicht mehr, weil die Erinnerung so wehtut. Solche Musik orchestriert den neuen Film von Jean-Marc Vallée. Der kanadische Regisseur nahm – ähnlich wie in seinem bekannten Debüt «C.R.A.Z.Y» (2005) – das Stück «Café de Flore» von Matthew Herbert als Anlass für einen Film, den er auch gleich so benannte. Das Stück ist ebenso verträumt wie tieftraurig. Passend für einen Film, indem es ums Adieu sagen geht und darum, den scheidenden Liebespartner gehen zu lassen. Erzählt werden zwei solcher Abschiedsszenarien. Antoine ist erfolgreicher DJ im Jahr 2011 – und glücklich verliebt in Rose. Für sie hat er sogar Carole verlassen, seine grosse Jugendliebe, der er eigentlich ewige Liebe geschworen hatte. Und auch wenn Carole kein Wellness- und Selbstfindungsprogramm auslässt: Über diesen schmerzlichen Verlust kommt sie einfach nicht hinweg. Die alleinerziehende Jacqueline (Vanessa Paradis, die für diese Rolle mit dem kanadischen Genie Award ausgezeichnet wurde) liebt 1969 ihren Sohn Laurent, der ein Down Syndrom hat, über alles. Als er sich in eine Schulkameradin verliebt und sich seiner Mutter deshalb zu entziehen beginnt, versucht sie, diese Trennung zu verhindern. Mit allen Mitteln. Jean-Marc Vallée verschränkt diese beiden Geschichten zu einer – in seinen Worten – «Gefühlspartitur». Traumwandlerisch greifen sie ineinander, bis die Grenzen verschwimmen. Mit Montage, symbolträchtigen Bildern und mit Musik wird hier eine Seelenverwandtschaft zwischen den Protagonisten geschaffen. In ihr liegt die Möglichkeit des unendlich schweren Abschieds. Man kann dies für künstlichen Mystizismus halten. Aber ist der Film nicht das beste Medium, um Wunder zu schaffen? Ist es nicht das Kino, das uns Geschichten erzählt, die so schön, berührend und – in diesem Fall – erlösend sind, wie sonst nur Musikstücke?

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BILD: MONEYBOX, SAMMLUNG MIGROS MUSEUM FÜR GEGENWARTSKUNST ZÜRICH,© GIANNI MOTTI

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Knapp nicht zu erreichen: 20 000 Eindollarnoten.

Ausstellung Geld vom Hofnarr Gianni Motti ist ein Kunstanarchist. Er ist politisch, sozial engagiert und sehr unterhaltsam. Sein Werk gehört zum festen Inventar des Migros Museums für Gegenwartskunst. VON DIANA FREI

Gianni Motti ist eigentlich keiner, der in ein Museum passt. Denn er ist besonders gerne an Orten, wo er nicht hingehört. Zum Beispiel auf einem Fussballfeld, wo er sich in einem Erstliga-Spiel 1995 im Clubdress zwischen die elf Spieler des FC Neuchâtel Xamax gestellt hat. Seine Spezialität sind krude Aktionen. Aber auch bleibende Werte schafft er, so hat er aus Berlusconis abgesaugtem Fett schon Seife hergestellt: «Mani Pulite» heisst das Werk. «Hofnarr des Kunstestablishments» wurde der italienisch-schweizerische Künstler schon genannt, und als solcher übt er fleissig Kritik an Gesellschaft und Politik. Die Motti-Ausstellung schliesst die Reihe «Tour d’Horizon» ab, die Werke aus der Sammlung des Migros Museums für Gegenwartskunst zeigt und damit die Herausforderungen des Sammelns an sich genauer unter die Lupe nimmt. Umso interessanter wird das, weil sich wieder einmal bestätigt: Motti ist nicht einfach so ausstellbar. Das hat man schon 2004 in «Plausible Deniability» gesehen, die als Retrospektive gedacht war. Zu sehen gab es einen langen Brettergang. Sonst nichts. Auf Wunsch allerdings konnte man sich vom Personal einiges über Mottis Universum erzählen lassen und so einen Ausflug in seine Denkweise erleben. Und jetzt also die «Moneybox». Hier hängt der Himmel voller Dollarscheine, aber sie sind ganz knapp nicht erreichbar für die Besucher. Das mag einigen schade scheinen, sind sie doch echt, aber sie bringen so den Wert des Kunstwerks umso deutlicher auf den Punkt, und ganz speziell die Tatsache, dass der Wert der Kunst schwankt. Denn das Geld gehört nicht dem Museum und auch nicht Gianni Motti, sondern der Bank. Nach der Ausstellung wird es wieder in Umlauf gebracht. «Die Frage, was ein Kunstwerk wert ist, ist ein spannender Punkt, wenn es um Aspekte des Sammelns geht», sagt Kuratorin Judith Welter, «und dass bei der ‹Moneybox› der Betrag konkret vom Wechselkurs abhängt, hat im Zusammenhang mit der Hildebrand-Affäre nochmals an Aktualität gewonnen.» Ein perfekter Kommentar zur Macht des Geldes, zur Finanzkrise wie auch zum Kunstmarkt.

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Balcart AG, Carton Ideen Lösungen, Therwil

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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

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Velo-Oase Bestgen, Baar

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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Otterbach

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fast4meter, storytelling, Bern

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Brockenstube des Reformierten Frauenvereins Aesch-Pfeffingen

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Schweiz. Tropen- und Public Health-Institut, BS

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Migros Zürich, Kulturprozent

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Psychiatrische Dienste Aargau AG (PDAG)

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Locher, Schwittay Gebäudetechnik GmbH, BS

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Weingut Rütihof, Uerikon

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AnyWeb AG, Zürich

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Niederer, Kraft & Frey, Zürich

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Musikschule archemusia, Basel

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Paulus-Akademie Zürich

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

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Thommen ASIC-Design, Zürich

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BEVBE Ingenieurbüro, Bonstetten

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homegate AG, Adliswil

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ratatat – freies Kreativteam

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Kaiser Software GmbH, Bern

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bölsterli hitz gmbh, 8005 Zürich

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www.rechenschwaeche.ch

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

«Tour d’Horizon: Gianni Motti», 18. April bis 20. Mai, Di bis Fr 12 bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa und So 11 bis 17 Uhr, Migros Museum für Gegenwartskunst/ Hubertus Exhibitions, Albisriederstrasse 199a, Zürich. www.hubertus-exhibitions.ch/www.migrosmuseum.ch SURPRISE 273/12

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Wenn der Bär aufgebunden wird …

Liestal Kurze Beine, lange Nasen Die Lüge bewegt die Welt, auch Ihre. Doch, doch! Glaubt man der Wissenschaft, lügen Sie durchschnittlich alle sieben Minuten. Oder sagen wir etwas schmeichelhafter: schummeln, täuschen, tricksen, bluffen. Schliesslich müssen Sie ja irgendwie auf Ihr Tagessoll von 200 Unwahrheiten kommen. Sie denken, Sie seien eine Ausnahme? Ehrlicher als andere eben? Dann statten Sie doch dem Museum Baselland einen Besuch ab. Der Umstand, dass wir Menschen regelrechte Profis im Verdrehen der Wahrheit und im Verdrängen unserer Lügen sind, hat die Museumsleitung zu einer Ausstellung bewogen. Und siehe da, nicht nur uns liegt das Lügen im Blut, auch Tiere und Pflanzen tricksen mit Erfolg. Irgendwie beruhigend, oder? (mek)

BILD: ZVG

BILD: ZVG BILD: ANDREAS ZIMMERMANN/MUSEUM.BL

Ausgehtipps

Von Kids für Kids: Zauberuhr im düstern Wald.

Finstere Veteranen: Killing Joke.

Luzern Klassik für Kids

Zürich Zum Weltuntergang

Wie nur kann man Beethoven, Strauss, Prokofjew und Co. dem Kinde näherbringen? Vielleicht, indem man die Musik in eine Geschichte verpackt? Die sich nicht wohlmeinende Erwachsene, sondern Kinder selbst ausgedacht haben? Die Story, die Kindergärtler für das Luzerner Sinfonierorchester kreiert haben, klingt jedenfalls gut: Zazou, die Zauberuhr, kann nicht nur ticken, sondern auch sprechen – und helfen, wenn es gefährlich wird. Was leicht passieren kann, im tiefen, dunklen Wald … Für Kids mit starken Nerven und offenen Ohren ab vier Jahren. (fer)

Jaz Coleman war schon immer ein ziemlicher Spinner. Bereits 1982 glaubte der Frontmann von Killing Joke, die Apokalypse stünde kurz bevor und verkroch sich auf Island. Mit Blick auf den Maya-Kalender erwartet er das Weltenende nun im kommenden Dezember. Bevors soweit ist, gehts auf eine weitere – letzte? – Tournee – und zwar in Originalbesetzung. Denn bei der Beerdigung des zwischenzeitlichen Bassisten Paul Raven 2007 hatten sich die Urmitglieder Jaz, Geordie, Youth und Paul Ferguson wieder einmal getroffen und gleich beschlossen, erneut gemeinsam zu musizieren – Killing Joke, fürwahr. Das pressfrische, programmatisch betitelte Album «MMXXII» knüpft mit der Single «In Cythera» und ein paar Keyboards da und dort an den Popflirt «Love Like Blood» aus den 80ern an. Meistens aber brüllen, ballern, dröhnen und knüppeln die Veteranen auch mit über 50 all ihre Epigonen in Schutt und Asche. Der Soundtrack zum Weltuntergang eben. (ash)

«Zazou – die Zauberuhr», Sinfonieorchester Luzern, So 29. April, 11 Uhr und 13.30 Uhr, Mo 30. April, 10.30 Uhr, Probebühne LSO, Südpol.

Di, 24. April, 20 Uhr, Abart, Zürich.

Anzeigen:

«Bschiss! – wie wir einander auf den Leim gehen», 20. April bis 30 Juni, Museum.Bl, Liestal. www.museum.bl.ch

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BILD: PETER EICHENBERGER

BILD: ZVG

Hymne um Hymne: Die Manic Street Preachers.

Ausländerpolitik geht durch den Magen.

Zürich Das grosse Versprechen

Bern Einbindung per Saucenbinder

Rockmusik bedeutet oft bloss Pomp und Posen. Dabei war Rock einst ein grosses utopisches Versprechen. Dass sich nämlich Wut und Traurigkeit durch ein paar verzerrte Akkorde und eine prägnante Melodie verwandeln lassen in eine Kraft, die zumindest für die Dauer eines Songs glücklich und unbesiegbar macht. Die Manic Street Preachers haben diese Kraft. Seit den 90ern hauen die Waliser Hymne um Hymne raus, die jenseits der britischen Inseln nie das ganz grosse Publikum fanden. Dabei schrieben die Manic Street Preachers mehr grosse Rocksongs als, sagen wir, Oasis. Beweis: die aktuelle Singles-Sammlung «National Treasures», die auch das Programm für die anstehende Tour liefert. Eine der fähigsten Live-Bands mit einem der stärksten Songkataloge des Brit-Rock – die Manic Street Preachers machen die Utopie wahr. (ash)

Kulturelle Vielfalt bereichert nicht nur unsere Speisekarte, sondern auch unsere Gesellschaft, lautet das Motto des Restaurants CULTina in Bern. Der Fotograf Peter Eichenberger hat viele Tage in der dortigen Küche verbracht und diejenigen fotografiert, welche hier kochen: Flüchtlinge, die eine einjährige gastronomische Ausbildung machen. Das Diplom soll es ihnen erleichtern, sich beruflich und gesellschaftlich in ihrer neuen Heimat einzugliedern. Eichenberger hat Menschen kennengelernt, denen er ein Gesicht geben will, wenn es mal wieder um abstrakte Diskussionen zur Ausländerpolitik geht. Das tut er nun, indem er seine Reportagebilder ausstellt. (dif)

Manic Street Preachers, Mo, 30. April, 20.30 Uhr, X-Tra, Zürich.

www.lacultina.ch

«Ein Tag im la CULTina», Fotoreportage von Peter Eichenberger, Vernissage am Di, 24. April, 17 bis 19 Uhr, Ausstellung bis Fr,1. Juni,

BILD: GERHARD LUDWIG

Mo. bis Fr. 7.30 bis 17 Uhr, Schulrestaurant La Cultina, Seftigenstrasse 1, Bern.

Bern Theatralisch Nachdenken Bereits zum 30. Mal wird in Bern unter dem Label «Auawirleben» über knapp zwei Wochen zeitgenössisches Theater aus aller Welt aufgeführt. Mit «Future Memories» ist die Jubiläumsausgabe übertitelt – «Auawirleben» will uns mit theatralischen Mitteln zum Nachdenken über die Zukunft anregen. Und über die Erinnerung: Haben wir unser Gedächtnis nicht längst an iPhone und Google ausgelagert? Gute Frage, nicht wahr? Also: Laptop und Handy runterfahren, Neugier und kritisches Denken hochfahren und sich vom auf der Bühne Gebotenen überraschen und anregen lassen. (fer) «Auawirleben», 30. Zeitgenössisches Theaterfestival, 2. bis 13. Mai,

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diverse Spielorte. www.auawirleben.ch

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— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 — SURPRISE 273/12

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Verkäuferporträt Einer, der gerade ist Alois Kappeler (58) wurde als Säugling seiner fahrenden Mutter weggenommen. Die Hälfte seines Lebens verbrachte er in Kliniken und Knästen, doch dann nahm er sein Schicksal in die eigenen Hände. Heute freut sich der Surprise-Verkäufer aus Chur auf die allerersten Ferien mit seiner Frau.

«Zu Surprise bin ich gekommen, weil ich in Chur vor der Migros immer einen Verkäufer stehen sah. Das war Ruedi Kälin, den kenne ich schon über 20 Jahre, denn mein Pflegesohn hat eine Schwester von Ruedi geheiratet. Ich fragte ihn, was er da tue und was dieses Heft sei. Da hat er mir die Überraschung gezeigt – mit den spannenden Artikeln ist es ja wirklich immer wieder eine Überraschung. Am anderen Tag bin ich nach Zürich runter. Und dann habe ich im Juni letztes Jahr angefangen. Nach den ersten drei Tagen begann es zu laufen und jetzt verkaufe ich an verschiedenen Orten in Chur, zeitweise auch in Landquart und Sargans. Ursprünglich stamme ich aus einer Familie von Fahrenden. Als ich zwei Tage alt war, wurde ich von der Pro Juventute von meinen Eltern weggerissen. Kinder der Landstrasse hiess dieses Projekt. Ich kam weit herum, war in 28 Kinderheimen, in 46 psychiatrischen Kliniken, zudem auch in Männerheimen. Wir Jenischen wurden nicht akzeptiert. Uns hat man nur kaputtgemacht, statt dass sie uns geholfen hätten. In den Heimen wuchs ich zusammen mit Behinderten auf. Eine rechte Schule konnte ich nicht besuchen und hatte dadurch einen massiven Bildungsrückstand. Ich war allerdings auch kein Heiliger, das muss ich sagen. Ich wurde schikaniert und habe mich gewehrt, allerdings auf eine falsche Art. Sie gaben mir Elektroschocks und Medikamente, doch die verschlimmerten alles. Und als sie mich schliesslich mit Gewalt kastrieren wollten, bin ich ausgerastet und habe vier Pfleger schlimm zusammengeschlagen. Danach warfen sie mich für fünf Jahre in eine Strafanstalt im Berner Jura. Sie wollten mich einfach nicht mehr rauslassen. Irgendwann hab ich einem entlassenen Mithäftling einen Brief an den ‹Beobachter› mitgegeben. Daraufhin besuchte mich ein Redaktor, ich gab ihm ein Interview und dadurch wurde ich freigelassen. 1986 kam ich raus, aber die Behörden steckten mich wieder in ein Heim in Frauenfeld, das war so eine Art Arbeitserziehungsanstalt. Ein Rechtsanwalt aus St. Gallen besuchte mich dort, der hat viele Fälle von Jenischen übernommen. Nach noch mal drei Jahren kam ich endlich aus dieser behördlichen Aufsicht heraus. Da war ich schon über 30. Man hat mich dauernd als Gauner oder als unzurechnungsfähig hingestellt. Ich aber sagte mir: Ich bin der Alois, ich schaue selber für mich. Ich bin einer, der gerade ist, der die gerade Linie zieht. Einmal in Freiheit, tauchte ich auf einer Alp im Engadin unter. Zwei Jahre war ich da, ganz allein mit einer Rinderherde. Eines Tages verlor ich im dichten Nebel die Orientierung und stürzte 24 Meter ins Tobel runter. Dank dem Sennenhund wurde ich gefunden. Vier Monate lag ich im Koma. Beide Beine gebrochen, ein doppelter Schädelbruch, mein Kleinhirn war angerissen, dazu innere Verletzungen – vier Jahre verbrachte ich in Kliniken. Gehen, reden – ich musste alles neu lernen. Insgesamt dauerte es sieben Jahre, bis ich wieder in Form kam. Auch später musste ich viele Medikamenten nehmen und durch die bekam ich irgendwann ein Magengeschwür, das vor vier Jahren operiert wurde.

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BILD: ASH

AUFGEZEICHNET VON RETO ASCHWANDEN

Das ist die traurige Geschichte, die ich habe. Doch irgendwann schob ich alles Negative weg. Ich wurde wieder Älpler und arbeitete in verschiedenen Kantonen. Ich habe das Fahrende im Blut, darum bin ich gern unterwegs. Vor 20 Jahren ging ich aber doch zurück nach Graubünden und dort lernte ich über ein Inserat in der ‹Tierwelt› meine Frau kennen. Wir schrieben uns und schickten einander Fotos. Sie war verwitwet, hatte drei Kinder und eine eigene Landwirtschaft. Diesen Bauernhof haben wir zusammen bewirtschaftet, so gut es mein Körper zuliess, bis wir ihn vor ein paar Jahren dem jüngsten Sohn übergeben haben. Durch den Unfall bin ich IV-Rentner. Mit dem Surprise-Verkauf kann ich ein bisschen zusätzliches Geld verdienen. Jeden Monat lege ich ein paar Franken auf die Seite. Denn dieses Jahr wollen meine Frau und ich nach 19 Jahren Ehe das allererste Mal Ferien machen. Wir haben uns entschieden, dass wir für eine Woche nach Grindelwald fahren. Dank Surprise kann ich mit meiner Frau in die Ferien – das stellt mich schampar auf.» ■ SURPRISE 273/12


Eine Chance für alle! Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich

Jovanka Rogger Zürich

Ausserdem im Programm SurPlus: Marika Jonuzi, Basel Fatima Keranovic, Baselland Jela Veraguth, Zürich

selber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkaufende werden von Surprise gezielt unterstützt. Die Teilnehmer am Programm SurPlus sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit). Mit der Programmteilnahme übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Verantwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarkt zu werden.

Bob Ekoevi Koulekpato Basel

Peter Gamma Basel

Wolfgang Kreibich, Basel Kurt Brügger, Basel Anja Uehlinger, Baden Andreas Ammann, Bern

Marlies Dietiker, Olten Tatjana Georgievska, Basel René Senn, Zürich Josiane Graner, Basel

Ja, ich werde Götti/Gotte von: 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

Vorname, Name

Telefon

Strasse

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PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 500 Franken

273/12 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 273/12

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren!

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Geschenkabonnement für: Vorname, Name

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden von der Strassenmagazin Surprise GmbH geführt, die vom gemeinnützigen Verein Strassenmagazin Surprise kontrolliert wird. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

Strasse Impressum PLZ, Ort

Rechnungsadresse: Vorname, Name

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Datum, Unterschrift 273/12 Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Herausgeber Verein Surprise, Postfach, 4003 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Reto Aschwanden (Nummernverantwortlicher), Florian Blumer, Diana Frei, Mena Kost redaktion@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit texakt.ch (Korrektorat), Yvonne Kunz, Delia Lenoir, Irene Meier, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Rahel Bucher, Michèle Faller, Andrea Ganz, Luc-François Georgi, Philip Hedemann, Thomas Oehler, Patric Sandri Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 15000, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 61

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Claudia Pleuss, Patrick Würmli, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller l.biert@vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 273/12


Ist gut. Kaufen! Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache. Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute. Alle Preise exkl. Versandkosten.

Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50 neon-orange schwarz

Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.– rot blau schwarz

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

Surprise Rucksäcke (32 x 40 cm); CHF 89.– schwarz rot

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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

Dazu passend: Leichtes T-Shirt, 100%Baumwolle, für Gross und Klein.

Schön und gut. Grosses Badetuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und von A bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschiedenfarbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.

Herren CHF 25.– S (schmal geschnitten) Kinder CHF 20.– XS S Alle Preise exkl. Versandkosten.

Strandtuch (100 x 180 cm) CHF 65.–

50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.

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PLZ, Ort

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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch SURPRISE 273/12

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Macht stark.

www.strassenmagazin.ch â?˜ www.strassensport.ch â?˜ Spendenkonto PC 12-551455-3 Strassenmagazin Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, Tel. 061 564 90 90, Fax 061 564 90 99


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