Surprise Strassenmagazin 278/12

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Ruhestörer Ein Abgesang auf die Strassenmusik Kritik am WWF: Kuschelt der Panda mit Umweltsündern?

Das andere Ölgeschäft – Frauenkooperativen in Marokko

Nr. 278 | 29. Juni bis 12. Juli 2012 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


Ist gut. Kaufen! Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache. Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute. Alle Preise exkl. Versandkosten.

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278/12

*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Titelbild: Lucian Hunziker

Editorial Auf der Strasse

Die Strassen und Plätze unserer Städte bilden ein Kernthema von Surprise. Hier spielt sich das öffentliche Leben ab, hier treffen die unterschiedlichsten Menschen aufeinander. Und nicht zuletzt sind es die Standplätze unserer Verkaufenden, die an manchen Orten zum Strassenbild gehören. Der öffentliche Raum ist auch der Ort, wo sich an den unterschiedlichen Bedürfnissen und Ansprüchen Konflikte entzünden. Und weil wir in einem Rechtsstaat leben, besteht die Reaktion darauf meist im Erlass neuer Regeln und Gesetze.

BILD: DOMINIK PLÜSS

Wenn Sie regelmässig Surprise lesen, finden Sie vielleicht, dass wir in letzter Zeit etwas oft über den Umgang mit öffentlichem Raum schreiben. Dem können wir nicht widersprechen. In der Ausgabe 270 erzählten wir ausführlich von den Folgen des Wegweisungsartikels, in Nummer 274 thematisierten wir die Konflikte zwischen Nachtschwärmern und Anwohnern und in diesem Heft widmet sich die Titelgeschichte den strengen Regeln für Strassenmusiker.

RETO ASCHWANDEN REDAKTOR

Ab Seite 10 können Sie nachlesen, mit welcher Vielzahl von Vorschriften das Musizieren auf der Strasse reglementiert ist. Die Fülle an Regeln mutet schon fast lächerlich an. Lustig ist das aber nicht. Denn jedes neue Gesetz, jede zusätzliche Verordnung schränkt die Freiheit ein. Und: Die Bevölkerung gewöhnt sich daran, Missliebiges mit Verboten zu belegen. Das Leben ist schon schwer genug. Darum suchen wir Erleichterung durch die Beseitigung von Stressfaktoren. Dummerweise empfinden verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge als störend. Wenn lediglich noch erlaubt ist, was niemanden nervt, können wir uns am Ende nur noch in den hermetisch abgeschlossenen eigenen vier Wänden aufhalten. Dort sind wir ungestört und stören auch niemanden. Allerdings gibt es dann auch keine Begegnungen und keinen Austausch mehr. Sie finden vielleicht, ich übertreibe. Schon klar: Nur weil Strassenmusiker nicht mehr jederzeit und überall spielen dürfen, erstirbt das öffentliche Leben noch lange nicht. Und ich habe vollstes Verständnis, dass Leute die Wände hochgehen, wenn sie an Orten arbeiten, wo unfähige Musikanten unaufhörlich falsche Töne tröten. Aber wollen wir wirklich dereinst in Städten leben, wo die Klangkulisse nur noch aus dem Kurvenkreischen der Trams und gelegentlichem Baulärm besteht? Ich hoffe, Sie finden ein ruhiges Plätzchen für die ungestörte Lektüre. Reto Aschwanden

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@vereinsurprise.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 278/12

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10 Strassenmusik Vorschriften geben den Takt an Anna Rossinelli und ihre Band brauchen sie noch heute, um neue Songs zu testen, andere Musiker, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen: die Strasse als Ort des freien Musizierens. Nach Reklamationen von Anwohnern, Café-Besuchern und Ladeninhabern haben die Schweizer Städte die Regulierungsschlinge zugezogen. Musiziert wird seither im Takt der Vorschriften. Drohen die Strassenmusiker zu verstummen? Begegnungen mit Basler Freiluftmusikanten.

BILD: LUCIAN HUNZIKER

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Inhalt Editorial Gestört Basteln für eine bessere Welt Blasattacke Aufgelesen Nackt in der WG Zugerichtet Das Baby der Psychiaterin Leserbriefe Urin in der Altstadt Starverkäufer René Metzger Porträt Energiebündel Umweltschutz Wie grün ist der WWF? Le mot noir Der Hund der Mutter der Anwältin Stadtgarten Gemüse aus dem Hinterhof Kulturtipps Binoche auf Recherche Ausgehtipps Meeresplastik Verkäuferporträt «Meine Kinder sollen studieren» Projekt Surplus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP

16 Schönheit Herrlich helle Haut BILD: LUCA CHRISTEN

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Die Grünflächen sind voll mit Sonnenbadern, die möglichst braun werden möchten. Menschen aus Asien und Afrika können das nicht nachvollziehen – für sie ist die Haut umso schöner, je heller sie strahlt. Kosmetikerinnen aus südlichen Ländern bieten ihren Landsleuten in der Schweiz allerlei Behandlungen zur Hautaufhellung an. Gefahrlos ist das nicht, aber der Wunsch nach vornehmer Blässe ist oft stärker.

BILD: YVONNE KUNZ

19 Emanzipation Schmiermittel der Selbstbestimmung Unterdrückt und fremdbestimmt – so sieht das westliche Klischee die Frauen aus dem Maghreb. Doch in Markokko nehmen viele Frauen ihr Schicksal selber in die Hand. Gemeinsam stellen sie aus den Früchten des Arganbaumes ein hochwertiges Öl her. Damit erhalten sie eine uralte Tradition am Leben und machen gute Geschäfte in der modernen Welt. Zu Besuch bei der Kooperative «al Amal».

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1. Zersägen Sie ein Kunststoff-Isolierrohr (13,5 mm Durchmesser, im Do-it-yourself erhältlich) in acht Stücke (Längen siehe in der Tabelle unter Rohrlänge):

C'

D'

E'

F'

G'

A'

H'

Rohrlänge:

17,80

16,00

14,50

13,70

12,40

11,30

10,20

09,60

Abstimmlänge:

16,29

14,48

13,03

12,22

10,86

09,77

08,69

08,15

Ton:

C''

2. Schmirgeln Sie die Kanten oben und unten glatt.

3. Nehmen Sie einen Holzstab von circa 20 cm Länge und einem kleineren Durchmesser als das Kunsstoffrohr, sodass er gut hineinpasst. Markieren Sie darauf die verschiedenen Abstimmlängen.

4. Dichten Sie von unten her jedes Rohr mit Knetmasse ab und stellen Sie sicher, dass jedes die richtige Länge für seinen Ton hat, indem Sie von oben her Knetkügelchen hineinfallen lassen und mit dem Abstimmstab andrücken – bis genau die richtige Länge erreicht ist (für längere Haltbarkeit verwenden Sie Bienenwachs). Sollten Sie ein musikalisch geschultes Gehör haben, können Sie das Stimmen natürlich auch von Ohr machen.

5. Legen Sie alle acht Pfeifen nebeneinander auf ein Stück gebogenen Karton, der Grösse nach, die längste Pfeife rechts, und kleben Sie die Röhren mit Heissleim aneinander. 6. Sobald der Leim trocken ist: Suchen Sie sich die Noten von «El Condor Pasa» auf dem Internet heraus und beginnen sogleich mit Üben. Und dann: ab auf die Strasse!

Basteln für eine bessere Welt Während sich die Banken immer noch erfolgreich gegen eine effektive Regulierung ihrer riskanten Geschäfte wehren, geht es der Strassenmusik ans Lebendige (siehe S. 10). Wir wollen nichts gesagt haben, aber wir stellen uns vor, dass ein paar «El condor Pasas» mit der selbst gebauten Panflöte unter dem Sitzungszimmer der Stadtregierung eine effektive Form des Protests sein könnten. Zu beachten wären dabei die in Ihrer Stadt gültigen Regelungen: Allenfalls bleibt Ihnen nur ein kurzes Zeitfenster, in welchem das Flöten zur Weltverbesserung keine Strafe nach sich zieht. SURPRISE 278/12

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Obdachlosen-Yoga Washington D.C. Business-Yoga? Obdachlosen-Yoga! In der US-amerikanischen Hauptstadt können Obdachlose einmal pro Woche gratis Yogalektionen besuchen. «Wenn du keinen permanenten, sicheren Ort zum Leben hast, dann ist dein Geist unruhig», sagt Yogalehrerin Julie Eisenberg, da könne Yoga helfen. Und: «Die Obdachlosen sind mit die besten Schüler, die ich je hatte – sie kommen nicht mit einem grossen Ego und trauen sich zu sagen, wenn ihnen bei einer Übung nicht wohl ist.»

Arme Jugend München. Renate Knaup (64), Frontfrau der legendären deutschen Psychedelic-Band Amon Düül, plaudert aus dem Nähkästchen der wilden 68er: wie Uschi Obermaier bei ihrem Besuch nackt durch die WG lief und um Ruhe bettelte, oder wie Knaup und Wohngenossen einst die flüchtigen RAF-Terroristen Meinhof und Ensslin aus ihrer WG «rausstaubten», als sich diese bei ihnen einnisteten. Die heutige Jugend tut Knaup leid: «Die stehen vor einem grossen Scheisshaufen aus Finanzkrise und Umweltkatastrophe, das ist alles.»

Beliebte Wanderjahre Stuttgart. Gesellen auf Wanderschaft – eine aussterbende Gattung? Mitnichten! Der spätmittelalterliche Brauch der Wanderjahre ist schwer im Kommen. Waren Mitte der 70er-Jahre gerade noch ein Dutzend westdeutsche Bauhandwerker unterwegs, sind es heute wieder gegen 1000, zehn Prozent davon Frauen. Sie leben den Traum des einfachen Lebens ohne Terminkalender und Handy und reisen CO2-neutral zu Fuss oder per Anhalter – manche schaffen es so bis nach Buenos Aires oder auf die Tonga-Inseln, wie Interneteinträge belegen.

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Zugerichtet Gestohlenes Glück Sie wählten eine ganz mondleere Nacht für ihre Aktion. Mit der Drahtschere schnitt Herr Huber* ein Loch in den Zaun des Parks, seine Ehefrau Valentina zwängte sich hindurch und eilte zur Hintertüre des Kinderspitals. Auf leisen Sohlen schlich sie zum Schlafsaal und hob den zwei Monate alten Säugling aus dem Gitterbettchen. Von der rumänischen Grenze würden sie mit dem Auto in 16 Stunden zu Hause sein, im Zürcher Oberland. Und endlich würden sie eine vollständige Familie sein: Der 50-jährige Ingenieur, die 40jährige Psychiaterin, ihre zwei Söhne – und das so lange ersehnte Mädchen, Melinda. Tags darauf meldeten die Hubers auf der Gemeinde ihren Familienzuwachs an. «Sophie Lia Huber, geboren am 14. Oktober in Zürich.» Eine Hausgeburt seis gewesen, sagte Herr Huber noch zur Beamtin. Frau Huber ist ziemlich kräftig und trägt wallende Röcke, schwanger oder nicht, das macht keinen grossen Unterschied. In ihrem Bekanntenkreis merkte niemand, an welchem Wahngebilde die Hubers bauten. «Ich war nicht ganz normal», analysiert die Psychiaterin Frau Huber sich selbst. «Es tut mir unendlich leid, dass ich mich dazu habe hinreissen lassen», sagt der Ingenieur Hans Huber, der sogar auf der Anklagebank Solidität ausstrahlt. «Ich war meiner Frau hörig.» Das Ehepaar hatte die erstinstanzlichen Schuldsprüche wegen Freiheitsberaubung, Entführung und Erschleichung einer Falschbeurkundung anerkannt; im Berufungsverfahren vor Obergericht fordert der Staatsanwalt aber ein strengeres Urteil für beide, nämlich je viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe. Der Kinderwunsch der Frau war nicht zu stil-

len, alles hätten sie versucht, künstliche Befruchtung, Adoption, Psychotherapie – vergebens. Schliesslich besuchte sie einen Schamanen, wo sich die fixe Idee in ihrem Hirn festsetzte, dass ihre früh verstorbene Mutter im rumänischen Mädchen Melinda wiedergeboren sei. Das schien ihr plausibel, denn auch sie stammt aus Rumänien. «Und heute?», fragt der Richter, «glauben Sie noch immer, dass das Mädchen die Reinkaration Ihrer Mutter ist?» Eine Fangfrage, die Psychiaterin spürts, doch schliesslich will sie ihre Mutter nicht verraten. «Ja, das glaube ich.» Und sie fände es nach wie vor ungerecht, dass Melinda bei einer minderjährigen, analphabetischen Mutter aufwachse, die jetzt auf den Strassen von Paris mit ihr betteln gehe. Aber heute wisse sie, dass es ethisch falsch war, ein Kind zu entführen, denn es habe das Recht, bei seiner Mutter aufzuwachsen, seien die Umstände noch so misslich, sagt Frau Huber schmallippig. «Skrupellos, menschenverachtend, egoistisch», donnert der Richter herunter. Eine Kindsentführung sei ähnlich wie ein Tötungsdelikt, nur dass dabei die Leiche nie auftauchte. «Etwas Schlimmeres kann man Eltern gar nicht antun.» Den Ehemann lässt er mit einer bedingten zweijährigen Freiheitsstrafe davonkommen. Doch die Frau verurteilt er zu einer teilbedingten dreijährigen Freiheitsstrafe, wovon sie ein Jahr absitzen muss. Diese kann sie in Halbgefangenschaft erbringen, so fern sie tagsüber ihren Beruf als Psychiaterin weiterhin ausüben darf. * Name geändert ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 278/12


Leserbriefe «Wohnquartiere sind wichtig für eine lebendige Stadt» Nr. 273: Parkwelten Verkäuferporträt Eine Stimme für Jenische Ein Magazin, in dem Jenische zu Wort kommen, eine Stimme haben, freut mich sehr. Meine Buchempfehlung: «Fuchserde», ein Roman von Thomas Sautner. Angelika Würmlin, Müllheim

Daheim in der Altstadt Für die, die sich nie über das Stadtleben Gedanken gemacht haben: Die Stadt erwacht spätestens um sechs Uhr mit dem öffentlichen Verkehr, dem röhrenden Töffli des Zeitungsverträgers und den Lieferwagen. Die Strassenreinigungsmaschine kehrt den Unrat der Partygänger zusammen. Und wer ist davon betroffen? Leute, die 40 Stunden in der Woche arbeiten; nicht wenige, die sich weder ein Auto noch ein sonniges Haus im Grünen leisten können. Andere sind in der Altstadt geboren und möchten trotz der vermehrten Immissionen ihr Daheim nicht aufgeben. Isabelle Wanner, Baden

Nr. 274: Politiker Mitbestimmung – Kinder machen ernst

Nr. 274: Clubsterben – Gute Nacht, Nachtleben Nicht hinnehmbare Kotze In den frühen Morgenstunden wird auf Strassen und in den Hinterhöfen laut gesungen, gelärmt, gelacht, geschwatzt. Dass auch gekotzt, geschissen, uriniert wird, kann einfach nicht hingenommen werden. Der Aspekt der gegenseitigen Rücksichtnahme kommt in Ihrem Artikel zu kurz. Häufig waren die Wohnungen vor den Clubs und Bars und Discos da – und Wohnquartiere sind ein wichtiger Bestandteil einer lebendigen Stadt. Verena Schlapfer, Hausen am Albis

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@vereinsurprise.ch

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Nr. 275: Die letzte Rolle Mit scharf! Lasst die Züge doch von Autos ziehen! Ahnungslos im SBB-Reisebüro «Nach Istanbul mit dem Zug?» Bravo, Florian Blumer. Da hatte ich ein ähnliches SBB-Erlebnis: Frau und ich wollten in die Südtoskana. Sie fliegt nicht gern. Auskunft von den SBB: «Es gibt hervorragende Tagesverbindungen nach Italien. Es gibt seit 2009 keine Nachtzüge mehr.» Also circa zehn Stunden in Tageszügen, mit drei bis vier Mal umsteigen? Eigene Lösung gefunden: City Night Line München – Rom, von Innsbruck direkt in die Südtoskana. Der Zug nach Innsbruck hat bloss zwei Stunden, und schon schlafen wir schön bis Rom. Tipptopp. Warum hat man im SBB-Reisebüro davon keine Ahnung oder verschweigt es? Warum gibt es gar keine Nachtzüge nach Italien? Niente capito. Nico Tschanz, Russikon ZH Zersiedelung durch ÖV Auch der öffentliche Verkehr belastet die Umwelt und trägt zur Zersiedlung bei. Vollends daneben sind die Bahngrossprojekte, die zurzeit wieder erwogen werden. Damit wird nur Mehrverkehr erzeugt, weil es durch die kürzere Reisedauer noch attraktiver wird, zwischen Zürich und Bern zu pendeln. Micha Siegrist, Geschäftsführer VCS Aargau

BILD: ZVG

Angst vor den Kindern Im Kinderparlament können Kinder und Jugendliche motiviert werden, aktiv an unseren Entscheidungsprozessen teilzunehmen und ihr Wissen um die gesellschaftlichen Zusammenhänge zu vertiefen. Was mich einmal mehr irritiert, ist die Fundamentalopposition der SVP. Mir nährt sich der Verdacht, dass sie Angst vor den Bedürfnissen und Wünschen ihrer eigenen Kinder hat. Martin Kamber, Biel/Bienne

Starverkäufer René Metzger Lotte Rettich aus Zürich nominiert René Metzger als Starverkäufer: «Ich habe wegen René Metzger zum ersten Mal Surprise gekauft. Er ist ein äusserst höflicher, netter, freundlicher Mann, den man sofort in sein Herz schliessen muss. Er geht die Leute diskret, zurückhaltend aber aktiv an. In der heutigen Zeit der Überschwemmung durch Gedrucktes mag ich eigentlich keine weitere Zeitung kaufen. Ich anerkenne aber, dass durch die Präsenz der Surprise Verkäufer die erwerbstätigen, gut verdienenden Leute darauf aufmerksam gemacht werden, dass es auch Menschen gibt, die ebenso arbeiten möchten.»

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Porträt Die Vulkanfrau «Mutter Teresa vom Triemli» oder «weiblicher Napoleon» – so beschreiben Leute Eufemia Stadler, mal irritiert, mal bewundernd. Die Frau aus Costa Rica ist Waffenläuferin, Bügel-Rekordhalterin und noch viel mehr. VON ISABELLA SEEMANN (TEXT) UND ANDREA GANZ (BILD)

«Zuerst einmal», doziert die Dame hinter dem Bügelbrett, das ihr bis zum Busen reicht, «zuerst geht es dem Hemd an den Kragen.» Dann kommt die Knopflochleiste dran, die Knopfleiste, die Manschetten, die Ärmel, «und zwar genau in dieser Reihenfolge», dann die beiden Hälften der Vorderseite «und zum Schluss müssen Sie den Rücken bügeln». Wobei sie die Üs spitz intoniert wie ein «I». Die Dame hört auf den schönen griechischen Namen Eufemia, was «Frau mit gutem Ruf» bedeutet, und Bügeln zählt zu ihren ungezählten Berufen und Berufungen. Sie führt eine Büglerei-Wäscherei-Schneiderei und ist zweifache Weltmeisterin im Dauerbügeln, «555 Herrenhemden in 57 Stunden und 38 Minuten faltenfrei gebügelt», bestätigt das «Guinnessbuch der Rekorde» 2009. Ein widersinniger Wettbewerb? Die Welt braucht ihn nicht, aber Eufemia schon. Noch dieses Jahr will sie sich den Titel zurückholen, der jüngst an einen Konkurrenten ging, «auf unfaire Weise», wie sie findet, denn er habe hauptsächlich Tücher gebügelt. Dass jemand mit weniger Leistung gewinnt, will sie nicht auf sich sitzen lassen. Eufemia, 55-jährig, verheiratet, zwei Kinder, kommt aus einem Dörfchen am Fusse des Vulkans Tenorio in Costa Rica, wo ihre Mutter sie und ihre neun Geschwister alleine aufzog, ihr Indio-Vater hatte das Weite gesucht. Der Liebe wegen kam Eufemia vor 30 Jahren in die Schweiz und fällt hier durch eine Diszipliniertheit auf, wie sie den Eidgenossen zwar nachgesagt wird, aber kaum noch zu finden ist. «Wie soll man etwas erreichen im Leben, wenn man nicht bereit ist, sich anzustrengen, zu leiden und Schmerzen in Kauf zu nehmen?», fragt sie. «Wenn Sie es wissen, dann verraten Sie es mir!» Sie hat mehr vollbracht, als die meisten Menschen vollbringen – und ist dabei kein bisschen hart geworden. In ihrem Umfeld gilt sie als «Mutter Teresa», als «weiblicher Napoleon», aber auch als «Powerfrau mit Hang zur Selbstdarstellung». Jetzt hat der Publizist Urs Rauber ein Buch über diese gar nicht alltägliche Alltagsperson geschrieben mit dem wohlgezielten Titel: «Eufemia. Indianisches Kraftwerk am Uetliberg». Ihr Tag scheint mehr als 24 Stunden zu haben, umtriebig ist sie, oder freundlicher ausgedrückt: engagiert. Ihr Mobiltelefon klingelt pausenlos: Für ihr zweites Unternehmen Flexipers, das Tag und Nacht funktioniert, vermittelt sie kurzfristig Personal an Krankenhäuser und Altersheime. Doch wenn der Auftrag erledigt ist, konzentriert sie sich voll auf das Gespräch. Zeit also für die Frage, die ihr jeder stellt: «Woher nehmen Sie die Energie für all Ihre Aktivitäten?» – «Alles, was ich mit Hingabe mache, erfüllt mich, befreit mich und gibt mir Energie.» Jeden Morgen steht sie um vier Uhr auf und rennt von ihrem Haus im Zürcher Triemli-Quartier den Uetliberg hoch. Die 150 cm kleine und 45 Kilo leichte Zentralamerikanerin absolvierte zwei Mal den Jungfrau-Marathon sowie mehrmals den 100-Kilometer-Lauf in Biel. Vor zehn Jahren nahm sie erstmals an einem Waffenlauf teil, als «San Sdt Stadler Eufemia» – man machte aus der Pflegefachfrau aus dem armeelosen Costa Rica kurzerhand eine Sanitätssoldatin. Am 20. Oktober 2002 in Kriens wars, das weiss sie so genau, als

wäre es ihr Hochzeitstag. Und es war Liebe auf den ersten – Lauf, sagt Eufemia. Heuer wird sie zum zehnten Mal die 42,195 Kilometer des legendären «Frauenfelders» rennen. Die Lippen rot geschminkt, die Ohren mit Goldringen geschmückt, im obligatorischen Kampfanzug mit fünf Kilo Gewicht im Rucksack. Zu Hause und auch im Schaufenster ihres Geschäfts zeigt sie mit unverhohlenem Stolz ihre zahllosen Urkunden, Pokale, Zeitungsausschnitte. Sie scheut das Rampenlicht nicht, talkte mit Kurt Aeschbacher, Patrick Rohr und Hugo Bigi, bewertete bei «Glanz & Gloria» die MissPerfect-Finalistinnen und brachte im Camp der Sat-1-Show «Kämpf um Deine Frau» den Männern das Bügeln bei. Dabei weiss sie ihre Weiblichkeit in Szene zu setzen mit atemberaubenden Decolletés. «Sexy zu sein und mich gut zu präsentieren, mache ich aber nicht wegen der Männer, sondern weil ich mir selber gefallen will.» Nonsense und Tiefsinn, Selbstverwirklichung und Selbstlosigkeit schliessen sich in ihrem Leben nicht aus. Eine Erbschaft, die ihrem Mann zugefallen war, ermöglichte ihr, sich einen weiteren Lebenstraum zu verwirklichen: Zusammen kauften sie ein Mehrfamilienhaus und richteten darin nicht nur ihre Wohnung, sondern auch eine therapeutische WG ein. Eufemia wäscht Kranke, pflegt Demente, bewirtet Junkies an ihrem Familientisch, leistet Lebenshilfe für psychisch Angeschlagene und begleitet Sterbende. Wenn jemand stirbt, greift sie zum Schwyzerörgeli – auch diese Kunst hat sie erlernt – und spielt bekannte Schweizer Lieder. «In der indianischen Kultur bleibt die Seele eines Menschen bis 24 Stunden nach dem Tod im Körper. Die Musik erleichtert mir den Abschied, bringt mir Frieden und Trost.» Verankert ist sie im Glauben an Gott, aber auch bei den griechischen und deutschen Philosophen findet sie Wegweisungen. «Ich richte mein ganzes Leben auf den Tod aus. Wer richtig lebt, braucht den Tod nicht zu fürchten.» Richtig leben, heisst Gutes tun – das ist ihre Überzeugung.

«Man soll sich nicht mit anderen vergleichen, sonst wird man so wie die anderen.»

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Ihrer schwer nierenkranken Freundin hat sie ein Organ gespendet. «Ich konnte gut eine Niere entbehren. Es wäre nicht richtig gewesen, ihr diese vorzuenthalten», sagt sie ohne viel Aufhebens. Kurz nach der Operation begann Eufemia wieder mit dem Lauftraining und bereute es keinen Tag, dass sie ein Organ gespendet hatte. Es sei ihr gegeben, ein positiver Mensch zu sein, sagt sie. Und bei negativen Menschen renne sie davon. Mehr als jeder andere Mensch beeindruckt sie ein kleiner Korse, der Weltgeschichte schrieb: Napoleon. Über sein Leben und Wirken hat sie alles gelesen, auf seinen Spuren wandelt sie in ihren Ferien. Dafür lese sie keine Motivationsbücher. «Man soll sich nicht mit anderen vergleichen, sonst wird man so wie die anderen», sagt Eufemia, die dennoch Inspirationsquell für so viele Menschen ist. ■

Urs Rauber: «Eufemia», Xanthippe Verlag, März 2012, CHF 29.80

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Strassenmusik Im Rhythmus der Reglemente Die Toleranz von Anwohnern und Passanten gegenüber Strassenmusikern sinkt. In allen Schweizer Städten gelten strenge Reglemente, die immer mehr dazu führen, dass in den Strassen nur noch Verkehrslärm zu hören ist. Ein Augenschein in Basel, das sein Regime gerade massiv verschärfte – im schweizweiten Vergleich aber dennoch zu den liberalsten Städten zählt.

VON MICHAEL GASSER (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILDER)

len zeigt: Im wettermässig schönen März kam es zu 77 Reklamationen, im April noch zu 17. Allerdings bei deutlich schlechterer Wetterlage. Schütz glaubt, die Informationsarbeit der Kantonspolizei mit Flyern oder Plakaten habe sich ausbezahlt, selbst wenn es noch zu früh sei, eine abschliessende Bilanz zu ziehen. Bereits formiert haben sich die Kritiker: Am 6. Juni protestierte der Surprise Strassenchor unterstützt von verschiedenen Organisationen mit einem musikalischen Umzug gegen die neuen Regeln.

Gleich vorneweg: Strassenmusik nervt bisweilen ganz schön. Etwa, wenn man sommers draussen im Café sitzt und innert einer halben Stunde gleich mehrmals Musikanten aufmarschieren und spielen sieht. Vielmehr: hört. Hören muss. Entrinnen gibts da nämlich keines. Ausser man ist bereit, seinen Cappuccino stehen zu lassen, ungetrunken. Grantig werde ich auch, wenn Strassenmusiker nicht auf der Strasse, sondern im Tram auftreten. Weniger, weil das seit je verboten ist, vielmehr, weil Musizieren auf die Minute ich wenigstens im Tram meine Ruhe haben möchte. Womit ich wie ein Ich mache mich auf, in Begleitung eines Fotografen, selbst ein erstes nörgelnder Leserbriefschreiber klinge, zugegeben. Fazit zu ziehen. Bei trügerischem, aber trockenem Wetter. Kaum biegen Anderen ergeht es da ziemlich ähnlich, wie eine kleine Umfrage im wir um die erste Ecke, stossen wir in der Innenstadt auf den ersten Bekanntenkreis zeigt. Da der Kollege aus Zürich, der sich ebenfalls Strassenmusiker. Und – wie sich bald herausstellen sollte – auch den über die Tramsänger auslässt, die nicht «zum Aushalten» seien. Er sagt auch: «Was ich als Anwohner hasse: wenn derselbe Musiker Tag für Tag am selben Ort Pénzes Tivador, Drehleierspieler aus Ungarn: «Es gibt in dieselben Stücke spielt.» Ähnlich der Kollege Basel zu viele Bettler, die vorgeben, Musiker zu sein.» aus Basel, der erklärt, er möge «keine schlechten oder gelangweilten Musiker, die zwischen beinahe einzigen. Cyprian Kohut hat sich seinen Schemel bereits zudrei Melodien wechseln oder nur ein paar Töne zupfen, um an Geld zu rechtgerückt, auch sein Hut sitzt, nur sein Cello ist noch schutzumkommen». Worte, denen ich mich bloss anschliessen kann. Selbst hüllt. Denn es dauert noch einige Minuten bis zu dessen Einsatz. Einen wenn damit nur die dunkle Seite der Medaille hervorgekehrt wird. VorEinsatz, den Kohut keinesfalls verpassen will. Strenge Regeln würden erst. neuerdings in Basel herrschen, meint er. Welche er schon zu spüren bekommen habe: Er musste 80 Franken Bussgeld hinblättern, weil er die Erst liberalisiert, dann verschärft neuen Spielzeiten nicht exakt einhielt. Was ihn heute noch schmerzt, In Basel ist seit Anfang März ohnehin vieles anders. Seit da gilt nämwie seiner Mimik unschwer zu entnehmen ist. Der junge Pole, der auf lich per Regierungsbeschluss: Sonn- und feiertags darf gar nicht in der der anderen Seite der Grenze im deutschen Grenzach-Wyhlen wohnt, Öffentlichkeit musiziert werden, von Montag bis Samstag nur noch zwiist Profimusiker. Und eigentlich auf der Suche nach einer Orchesterschen 11 und 12.30 Uhr sowie zwischen 16 und 20.30 Uhr. Und das bloss Stelle. Kürzlich hätte er beinahe wieder mal vorspielen dürfen – als zur vollen Stunde. Unverstärkt. Ohne lauten Gesang. Maximal zu viert. einer von etwa 200. Doch im letzten Moment wurde die BewerbungsHöchstens eine halbe Stunde lang. Weder an Haltestellen des öffentrunde abgesagt. Weswegen Kohut weiterhin Strassenmusik macht. Und lichen Verkehrs noch vor Boulevard-Cafés. Ganz schön viele VorschrifStücke von Vivaldi, Bach, Boccherini oder seinem Vater, einem Komten, die klar machen: Das Pendel in Basel hat wieder in Richtung Reponisten, spielt. striktion ausgeschlagen. 2010 wurde das Reglement liberalisiert, jetzt Drei- bis viermal täglich gibt er seine Kunst zum Besten. Läuft es wieder verschärft. Weil Anwohner und Gewerbetreibende zunehmend gut, hat er am Ende des Tages 100 Franken zusammen, läuft es reklamierten. schlecht, dann auch mal bloss deren zehn. Ob der neuen Regelungen Aus Sicht der Behörden haben die Massnahmen gegriffen. Martin R. ist Kohut nicht begeistert, dauert es doch aufgrund der verordneten Schütz vom zuständigen Justiz- und Sicherheitsdepartement des KanSpielpausen länger, bis er ein bisschen Geld beisammen hat. «Für meitons Basel-Stadt sagt: «Die meisten Strassenmusikerinnen und Strassenne Technik sind die Pausen aber gar nicht so schlecht», sagt er, lässt seimusiker halten sich an die neuen Regeln.» Was sich alleine an den ZahSURPRISE 278/12

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Anna Rossinelli: «Wer in einer Stadt wohnt, sollte gegenüber Musik schon ein bisschen tolerant sein.»

Quai und der Badeanstalt Mythenquai, und «immer auf der Seeseite», ne Augenbrauen leicht zucken und macht sich an die Arbeit. Denn die wie die Stadt schreibt. In Biel ist Strassenmusik sowohl bewilligungs- als Kirchenglocken haben eben zur vollen Stunde geschlagen. auch kostenpflichtig. 25 Franken sind im Voraus zu bezahlen und jeder Dass die neuen Vorschriften zu restriktiv seien, glaubt Martin R. Spieltag kostet fünf weitere Franken. Wer nicht aus der Schweiz oder Schütz vom Justiz- und Sicherheitsdepartement nicht. Schliesslich solaus einem EU-Land stammt, darf überhaupt nicht und als besonderes len diese, so die Behördensicht, tunlichst wenig «Erschwernisse» mit Zückerchen behält es sich die Gewerbepolizei vor, die Musik einer Hörsich bringen. «Es soll für hiesige Musiker weiterhin möglich sein, bei schönem Wetter ohne grosse Vorausplanung spontan Strassenmusik zu machen», erklärt In Genf und Winterthur werden sämtliche Strassenmusiker Schütz. Und betont: «Basel hat im Vergleich zum Vorspielen auf den Polizeiposten vorgeladen. mit anderen Schweizer Städten eine der liberalsten Regelungen.» Das trifft zu: So darf sich probe zu unterziehen. In Genf und Winterthur geht man einen Schritt in Luzern ein Musiker oder eine Gruppe frühestens ab 17 Uhr ans Werk weiter und lädt gleich sämtliche Strassenmusiker zum Vorspielen auf machen, unverstärkt. In der Zentralschweiz geht die mittägliche Ruhe den Polizeiposten vor. Und nur wer mehr als die Tonleiter spielen kann, eben allem vor. Die Künstler dürfen maximal an vier Tagen pro Monat hat in Winterthur Aussicht auf eine kostenpflichtige Bewilligung. aufspielen, was wohl verhindern soll, dass man immer dieselben GeDas erinnert an Regeln von Metropolen wie New York. Wer sich im sichter und Stücke vorgesetzt bekommt. Ähnliches gilt in Bern: Auch Big Apple zu jenen gut 350 Künstlern gesellen will, die in der Subway hier darf – und das maximal zu zweit – nur viermal monatlich der Strasauftreten dürfen, muss erst eine Kostprobe einreichen und dann zur senmusik gefrönt werden. Aber nicht etwa an vier aufeinanderfolgenTalentprobe anrücken. Was Anna Rossinelli und ihre beiden Bandbeden Tagen, sondern nur einmal pro Woche. gleiter, Manuel Meisel und Georg Dillier, einst knapp verpassten. «Wir waren mit unserem Tape einen Tag zu spät dran», entsinnt sich die SinGeld fürs Aufhören ger/Songwriterin. Man habe zwar versucht, die Zuständigen noch zu Die weitaus strengsten Vorschriften gelten in St. Gallen: In der Osterweichen, aber nichts da. Stattdessen ging man in den Central Park schweiz ist eine Bewilligung vonnöten und mehr als deren drei werden spielen. Offensichtlich eine gute Entscheidung, denn das Trio gerät pro Tag nicht erteilt. Sollte es mehr Bewerber geben, entscheidet das beim Erzählen ins Schwärmen. Los. Vergleichsweise grosszügig gibt man sich in Zürich: Gemäss der Schon als 13-Jährige habe sie mit einigen Freundinnen a cappella auf «Information für Strassenmusikantinnen und -musikanten» darf dort Basler Strassen gesungen, sagt Rossinelli, die seit ihrem Auftritt am Euzwischen 8 und 22 Uhr musiziert werden, wenngleich nur an wenigen rovision Song Contest 2011 und ihrem Debütalbum «Bon Voyage» als fiausgesuchten Strassen und Plätzen, etwa zwischen General-Guisan-

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Profimusiker Cyprian Kohut aus Polen: «Für meine Technik sind die Pausen gar nicht so schlecht.»

xe Grösse der Schweizer Popszene gilt. Die Erinnerungen an die ersten musikalischen Gehversuche auf der Strasse sind der heute 25-jährigen Sängerin im Gedächtnis haften geblieben. So seien sie und ihre Mitstreiterinnen für ihre Darbietung einmal mit 1000 Franken beschenkt worden. «Wir waren ausser uns vor Freude und haben gleich eine Party gefeiert.» Weit weniger begeistert waren die Teenager, als ihnen Geld geboten wurde, damit sie mit Singen aufhören. Zivilisationslärm statt Musik Als ich Rossinelli und ihre zwei Musikerkollegen im Café unter offenem Himmel treffe, haben die drei gerade einen spontanen Strassenauftritt absolviert. Früher, vor ihrem Bekanntwerden, hätten sie sich schon gesorgt, ob überhaupt irgendwelche Leute bei ihren Aufführungen stehen bleiben würden. «Unterdessen sind wir natürlich selbstsicherer.» Wenn die Zuschauer ihre Handys zückten und sie fotografierten, sei klar, dass man sie erkannt habe. Selbst dann würde aber noch Geld im Spendenkörbchen liegen bleiben. «Den Menschen ist bewusst, dass man als Künstler nicht reich ist», so Rossinelli. Aufgrund anderer Verpflichtungen sind die Basler mittlerweile nur noch selten als Strassenmusiker unterwegs. «Im Winter gar nicht, im Sommer vielleicht zweimal.» Aber: «Es ist und bleibt eine super Vorbereitung, um neue Lieder einzuüben», betonen sie unisono. Von den strikteren Strassenmusik-Regeln in ihrer Heimatstadt sind Rossinelli, Dillier und Meisel nicht angetan, denn: Die neuen Vorschriften seien viel zu einschränkend. «Wer in einer Stadt wohnt, sollte gegenüber Musik schon ein bisschen tolerant sein», erklären sie. Dennoch erachten sie Basel als vergleichsweise gutes Pflaster, um der Strassenmusik nachzugehen. SURPRISE 278/12

Eine Meinung, die Pénzes Tivador nicht teilen mag. Auf Basel und die Vorschriften angesprochen, winkt er mit seinen Händen, welche die Grösse von Ping-Pong-Schlägern haben, gestenreich ab. Der Drehleierspieler aus dem ungarischen Jászberény ist für drei Wochen in der Schweiz, lebt in dieser Zeit bei Freunden («sonst könnte ich mir das nicht leisten hier») und meint: «Es gibt in Basel zu viele Bettler, die vorgeben, Musiker zu sein.» Deshalb würde es der Mann mit dem gemütlichen Seehundschnauz bevorzugen, er könnte seine Musik von einer Jury absegnen lassen. Nur so wäre die Spreu vom Weizen zu trennen. Dann würde vielleicht auch wieder etwas mehr Geld in seinem Beutel landen. Denn es werde zunehmend weniger. «Aber die Spendenfreudigkeit hängt nun mal vom Wetter ab», sagt er und blinzelt in Richtung Sonne. «Und natürlich vom Biorhythmus der Menschen.» Worauf er so schallend lacht, dass er sich eine Träne aus seinem rechten Auge reiben muss. Ausser Tivador begegne ich auf meiner Tour durch die Stadt keinem weiteren Strassenmusiker. Zumindest keinem, der sein Handwerk versteht. Ich treffe nur noch auf die alte Dame, die ihrem Akkordeon seit Jahrzehnten maximal vier Noten entlockt und kein Deutsch verstehen will, und auf einen unwirschen Rumänen, ebenfalls mit Akkordeon, der nach meiner zweiten Frage zu fluchen beginnt, sich schwerfällig umdreht und das Weite sucht. Als er auf und davon ist, kommt mir die Stadt plötzlich schal und leer vor. Statt Melodien höre ich nur noch Zivilisationslärm. Tram, Auto, Strassen, Menschengeschnatter. Und mir fallen die Worte ein, die mir meine Kollegin auf den Rechercheweg mitgegeben hatte: «Strassenmusik bringt Farbe und Leben in die Stadt.» Stimmt. Strassenmusik beginnt einen plötzlich unheimlich zu fehlen, wenn sie unverhofft nicht mehr da ist. ■

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BILD: REUTERS/ARND WIEGMANN

Umweltschutz Der Panda im Zwielicht Der WWF setzt sich für die Natur ein und erreicht mit seiner Nähe zu Politik und Wirtschaft manchmal mehr als radikale Umweltschützer. Ein «Schwarzbuch» erhebt nun schwere Vorwürfe: Die Umweltorganisation kooperiere mit Multis, die den Regenwald abholzen, und erteile Gen-Soja das Siegel der Nachhaltigkeit. Das lässt sich der WWF nicht bieten. Der Panda fährt die Krallen aus.

VON RETO ASCHWANDEN

Putzig blickt der Panda vom Logo des WWF. Je nach Blickwinkel wirkt das Tier derzeit aber ziemlich belämmert. Denn die Naturschutzorganisation kommt nicht aus der Kritik. Vor einem Jahr strahlte die ARD erstmals Wilfried Huismanns Dokumentation «Der Pakt mit dem Panda» aus, die massive Vorwürfe gegen den WWF erhebt. Ende April doppelte der Journalist mit dem «Schwarzbuch WWF – Dunkle Geschäfte im Zeichen

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des Pandas» nach. Im Trailer zum Buch heisst es: «Der WWF paktiert mit den grössten Umweltsündern der Erde. Konzerne wie BP und Cargill (ein amerikanisches Lebens- und Futtermittelunternehmen, das immer wieder wegen Menschenrechtsverletzungen, verunreinigten Lebensmitteln und Abholzungen in die Kritik gerät, Red.) zerstören die Regenwälder, um Biosprit aus Soja- oder Palmöl herzustellen. Der WWF gibt seinen Segen, das Ganze sei nachhaltig. (…) Energie- und Agrarkonzerne erobern die letzten Naturparadiese der Erde – Arm in Arm mit dem Panda.» SURPRISE 278/12


Wilfried Huismann ist nicht irgendwer. Der Autor und Filmemacher erhielt drei Mal den Grimme-Preis, eine der renommiertesten Auszeichnungen für Fernsehsendungen in Deutschland. Als Folge des Films verlor der World Wildlife Fund For Nature, wie der WWF ausgeschrieben heisst, in Deutschland über 3000 Mitglieder. Entsprechend heftig fiel die Reaktion der Umweltorganisation aus. Auf der Homepage der deutschen Sektion (und diskreter auch beim WWF Schweiz) stehen umfangreiche Stellungnahmen, im «Faktencheck» versucht die Umweltorganisation, die Vorwürfe zu entkräften. Zudem übt sie juristisch Druck aus. Sowohl gegen den Film wie auch gegen das Buch erwirkte der WWF einstweilige Verfügungen und verlangte ein Verbot einiger Passagen. Dabei ist die Organisation nicht zimperlich. Sie engagierte Christian Schertz, laut der «Süddeutschen Zeitung» «einer der teuersten Medienanwälte Deutschlands», der nicht nur gegen den Verlag vorging, sondern auch gegen Grossisten und Onlinehändler, sodass das Buch zeitweise kaum noch erhältlich war. «Buchhandel kuscht vor WWF», titelte die Sonntagsausgabe der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» auf ihrer Frontseite. Mitte Juni entschied das zuständige Gericht in Köln, das Buch dürfe vorerst ohne Änderungen weiter vertrieben werden. «Der WWF muss sich Kritik gefallen lassen», befand die zuständige Richterin.

Umgang mit Gentechnik angeht, rückt Huismann den WWF in ein schiefes Licht. Er behauptet auch, die Organisation sei mitverantwortlich für Brandrodungen zugunsten von Palmölplantagen in Indonesien. Dadurch würden Orang-Utans, für deren Schutz sich die Umweltschützer mit dem Pandawappen stark machen, ausgerottet. Schwarze Flecken In den Schweizer Medien fand die Kontroverse bislang kaum statt. Als die NZZ Ende Mai Thomas Vellacott, den neuen CEO des WWF Schweiz (und ehemaligen Mitarbeiter der Unternehmensberater-Firma McKinsey) porträtierte, wurde auch das «Schwarzbuch» gestreift. «Wir

Das Schwarzbuch wirft dem WWF Greenwashing vor: ökologischen Ablasshandel, durch den Konzerne wie Monsanto ein grünes Gütesiegel erhalten.

Der runde Tisch an der Hohlstrasse Für die deutschen Medien ist der Streit ein gefundenes Fressen. Neben der «Süddeutschen» berichteten unter anderem auch «Kulturzeit» und «Die Welt» ausführlich, der «Spiegel» brachte die Geschichte Ende Mai unter dem Titel «Kumpel der Konzerne». Da war zu lesen, dass für ein Tigerschutzprojekt in Tesso Nilo auf der indonesischen Insel Sumatra Tausende von Kleinbauern vertrieben worden seien. In Afrika unterstütze der WWF Wildparks, in denen Touristen mit dem nötigen Kleingeld auf Safari gehen können. Schlimmer noch: Mancherorts ist sogar die Trophäenjagd erlaubt – etwa in 38 Schutzgebieten in Namibia sowie in Botswana, wo sich im April der spanische König und WWF-Ehrenpräsident Juan Carlos bei der Elefantenjagd die Hüfte gebrochen hat. Imagefördernd sind solche Extravaganzen für die Naturschutzorganisation nicht. Noch schwerer aber wiegt einer von Huismanns Hauptvorwürfen, sie betreibe Greenwashing, eine Art ökologischen Ablasshandel: Der WWF kooperiere mit multinationalen Konzernen wie Monsanto, einem umstrittenen Hersteller von genetisch verändertem Saatgut und Herbiziden, und verpasse ihnen ein grünes Deckmäntelchen. Als Argument für diese These dient der sogenannte Runde Tisch für verantwortungsvollen Soja (RTRS), wo der WWF und andere NGOs mit Konzernen wie Monsanto, Syngenta, Bayer, Nestlé und Cargill über Mindeststandards für nachhaltigen Sojaanbau debattieren. Das RTRSLabel wird von den Konzernen als grünes Gütesiegel benutzt, dabei fallen auch gentechnisch veränderte Sojabohnen unter die Norm. Der WWF spielt seine Rolle beim RTRS herunter: Man sei nur einer von vielen Teilnehmern: «Eine Kooperation des WWF mit Monsanto erwächst hieraus nicht. Die Behauptung, der WWF habe Monsanto zu einem Nachhaltigkeitssiegel verholfen, ist abwegig. Richtig ist, dass der WWF keine Nachhaltigkeitssiegel vergibt.» Bloss: Bis Juni 2009 hatte der RTRS seinen Sitz an der Hohlstrasse 110 in Zürich – das ist die Adresse des WWF Schweiz. Wie hältst dus mit der Gentechnik? Das ist die Gretchenfrage unter europäischen Umweltschützern, und deshalb betont der World Wildlife Fund immer wieder: «Der WWF lehnt Gentechnik bis zum Nachweis ihrer Unbedenklichkeit ab. Einzelne Länderorganisationen vertreten eine andere Position (…), etwa in den USA oder Argentinien.» Genauer wäre: Jason Clay, Vize des WWF in den USA, ist ein Vorkämpfer der Gentechnik und auf du und du mit den Agrar-Multis. Nicht nur, was den SURPRISE 278/12

könnten uns viel Kritik ersparen, wenn wir das Gespräch mit der Wirtschaft nicht suchten», sagte Vellacott. Trotzdem beharrte er auf einer konsequenten Grundhaltung: «Wir wollen keinen Wischi-Waschi-Umweltschutz.» Einer von Vellacotts Vorgängern, der langjährige Schweizer WWF-Direktor Philippe Roch, kritisierte in der welschen Zeitung «Le Temps», die Organisation stelle heute mehr Manager ein als Umweltschützer mit einem Herz für die Natur. Wenn es um seinen Ruf geht, kennt der Umweltmulti mit 260 000 Mitgliedern allein in der Schweiz kein Wischi-Waschi. Als die Schweizer Onlineplattform «Infosperber» in mehreren Artikeln über Huismanns Recherchen sowie eine unschöne Personalgeschichte des WWF im Wallis berichtete, äusserte sich der WWF-Medienleiter in den Kommentarspalten in einer Weise, die weniger ans übliche Schönreden von PR-Profis als an die Amokschreiber beim Online-«Tagi» erinnerte. Die Umweltorganisation sieht sich in der Opferrolle: «Der Autor Wilfried Huismann hat es auf den WWF abgesehen», heisst es auf der Internetseite der deutschen Sektion. Im Interview mit der FAZ differenzierte Huismann allerdings. Der WWF sei «eine schizophrene Organisation. Und wenn er die gute Seite nicht hätte, würde auch die andere nicht funktionieren. Denn der Wert der Marke Panda für einen Grosskonzern wie Coca-Cola (…) ist ja, dass er seine Waren besser verkaufen kann, wenn der Panda ihm ein grünes Image verleiht. Beim WWF ist der Einfluss echter Naturschützer, die über ihr ehrenamtliches Engagement gekommen sind, stark zurückgegangen. In führenden Funktionen sitzen Manager aus der Wirtschaft und PR-Spezialisten.» Der WWF hat sich seit seiner Gründung 1961 durch Wissenschaftler, Grossindustrielle und Hochadelige zu einer der einflussreichsten Lobbyorganisationen im Natur- und Artenschutz entwickelt. Diesen Einfluss verdankt er engen Kontakten zu den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft. Dass diese Positionierung Kompromisse verlangt, ist klar. Und niemand erwartet unter dem Pandabanner radikale Ökokämpfer. Die Nähe zu Grosskonzernen allerdings ist nicht ungefährlich. Denn im Zuge der Globalisierung werden insbesondere in Afrika und Asien ganze Landstriche von Agrarmultis übernommen – mit fatalen Folgen für Umwelt und Bevölkerung. Eine Umweltorganisation, die sich mit solchen Firmen an den Tisch setzt, setzt sich kritischen Fragen aus. Die hat Wilfried Huismann gestellt – und einige kontroverse Antworten dazu geliefert. Dass sich der WWF gegen die Vorwürfe wehrt, ist sein gutes Recht – und überlebensnotwendig. Denn wie jede NGO lebt auch der WWF von der Glaubwürdigkeit – diesbezüglich hat die Marke mit dem Panda laut Marktforschung die vierthöchsten Werte weltweit. Das ist das Kapital des WWF, das er vehement verteidigt. Die schwarzen Flecken um die Augen des WWF-Wappentiers wirken auf Menschen putzig. In der Welt des Pandas dienen sie zur Abschreckung von Gegnern. ■

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Schönheit Blass is beautiful Sonnenanbeter haben Hochsaison. Doch während wir hierzulande einen Bronzeteint chic finden, gilt in südlicheren Gefilden helle Haut als erstrebenswert. Vier Kosmetikerinnen aus Singapur, Ghana und Sri Lanka erzählen, warum viele ihrer Landsleute nicht gerne an die Sonne gehen und welche Risiken sie für die vornehme Blässe eingehen.

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VON MONIKA BETTSCHEN (TEXT) UND LUCA CHRISTEN (BILDER)

Hochsommer. In Badis und Parks drängt man sich wieder dicht an dicht in der brütenden Hitze. Das Ziel: ein schicker Bronzeteint, der nach mindestens zwei Wochen Saint-Tropez aussieht – entgegen aller Warnungen vor Sonnenbrand und Hautkrebs. Gerade sah sich der Moderiese H&M zu einer Entschuldigung für seine diesjährige Bademoden-Kampagne mit einem allzu braun gebrannten Model gezwungen. Kritiker befürchteten, ein solches Schönheitsideal verleite die Leute zu unvernünftigem Sonnenbaden. Dabei ist eine braune Haut längst nicht überall auf der Welt das Mass aller Dinge. Im Gegenteil: Von Lateinamerika über Afrika bis nach Asien dominiert das Ideal der noblen Blässe. Je heller die Haut, desto grösser das Ansehen in der Gesellschaft. Deshalb meiden viele Frauen aus dem Süden auch in unseren Breitengraden die Sonne. Wer asiatische Reisegruppen in der Schweiz beobachtet, sieht neben Schirmen oft auch breitkrempige Hüte, um die Sonnenstrahlen abzuwehren. Urlaubsbräune ist in diesen Ländern kein Statussymbol, sondern ein Makel.

aufhellenden Stoffen korrigiert werden.» Vor allem Afrikanerinnen und Thailänderinnen kommen zu ihr. Oft muss Lee die Frauen über die Grenzen des Machbaren aufklären. «Bleichen ist ein Eingriff, vergleichbar mit einer plastischen Operation. Neben dem Zustand der Haut ist mir daher auch der Zustand der Seele einer Kundin wichtig.» Lee verwendet in ihrem Studio sogenannte Pharmaceuticals, Produkte, die nach medizinischen Richtlinien hergestellt werden. «Wer irgendwelche Bleichcrèmes übers Internet kauft und ohne den Rat einer Fachperson anwendet, gefährdet seine Gesundheit», warnt sie. In hautaufhellenden Crèmes aus Asien oder den USA findet man nicht selten Bestandteile wie Kortison, Quecksilber, Säuren oder Hydrochinon. Die gebleichte Gattin aus Afrika «Hydrochinon ist ein aggressiver Stoff, den man zum Entwickeln von Fotos und Filmen verwendet», sagt Nana Zimmermann. Die gebürtige Ghanaerin hat in Bern praktisch aus dem Nichts ein Geschäft aufgebaut, das neben afrikanischen Lebensmitteln auch eine grosse Auswahl an Pflegeprodukten speziell für dunkle Haut im Sortiment hat. Am Empfangstresen bei der Kasse ist gut sichtbar ein Plakat mit gesetzlich verbotenen Substanzen angebracht. «Damit möchte ich ein klares Statement setzen. Mir ist es wichtig, dass meine Kundinnen eine gesunde Haut haben, auch wenn sie bleichen», betont Zimmermann. Deshalb führe sie ausschliesslich Produkte mit zugelassenen milden Stoffen, wie sie auch in der Natur vorkommen, zum Beispiel Zitrus- oder Milchsäurekomplexe. «Schon Kleopatra hat um die feuchtigkeitsspendende und bleichende Wirkung von Milchbädern gewusst», so Nana Zimmermann. Den Grundton der Haut kann man allerdings nicht verändern. Teilweise

Quecksilber als Aufheller «Genau wie das Bedürfnis nach Sonnenbräune bei den Europäern, so ist auch der Wunsch meiner afrikanischen oder asiatischen Kundschaft nach hellerer Haut eine Realität», sagt Seok Lian Lee. Die herzliche gepflegte Frau Mitte 40 stammt aus Singapur und führt in Pratteln ein Kosmetikstudio, das Aufhellungen dunkel pigmentierter Haut anbietet. Schon bevor Lee ihre Heimat vor 20 Jahren Richtung Schweiz verliess, arbeitete sie in einem Kosmetikgeschäft. Singapur ist ein ethnischer Schmelztiegel, ein spannendes Terrain für ihren Beruf: Menschen chinesischer, thailändi«Wer weisse Haut hat, dem verzeiht man hundert Makel», scher und indischer Abstammung leben dort, sagt ein chinesisches Sprichwort. ebenso Gastarbeiter und Ausländer aus allen Kontinenten. Auch in der Schweiz bleibt Lee hat ihre Kundschaft auch unrealistische Wünsche – eine hellere Haut in der asiatischen Lehre treu. «Der Gang zur Kosmetikerin gehört in Asien drei Tagen, das geht einfach nicht. «Einmal kam ein Schweizer zu mir, zum Alltag», erzählt sie. Ihr sei aufgefallen, dass in Europa nicht die der eine Afrikanerin geheiratet hatte und für sie nun Bleichcrème kausorgfältige, ganzheitliche Pflege der Haut im Vordergrund stehe, sonfen wollte, damit sie möglichst schnell hell werde. So etwas macht mich dern die «Deko», die Tendenz zum Überschminken. «Die Leute geben traurig.» Ein anderes Mal sei im Laden eine indische Familie mit einem viel Geld für teure Schminksachen oder den Coiffeur aus, aber bei den Mädchen aufgetaucht, das hell werden wollte wie ihre Schweizer KollePflegeprodukten knausern sie und kaufen günstige Crèmes aus dem ginnen. Da das Mädchen noch nicht volljährig war, durfte ihr Nana ZimSupermarkt, anstatt in passende Produkte zu investieren», wundert sich mermann nichts verkaufen. «Wie bei Solarien gelten bei Bleichmitteln Seok Lian Lee noch heute. zu Recht strenge Gesetze, denn Bleichen birgt wie Tätowieren oder das Der Wunsch nach möglichst heller Haut ist in Asien tief verwurzelt. Solarium ein gewisses Suchtpotenzial.» In Japan etwa gibt es seit Jahrhunderten das Ideal der «Bihaku»: FrauDas Idealbild einer möglichst hellen Haut reicht in Afrika bis in die en mit einem makellosen Porzellanteint. Ein japanisches Sprichwort beAntike zurück. So soll bereits Kleopatra ihre Haut aufgehellt haben. sagt, eine hellhäutige Frau sei in jedem Fall schön, auch wenn sie an«Was selten ist, ist kostbar, daher gilt helle Haut als edel. In Afrika hat sonsten wenig attraktiv wirke. Und auch das chinesische Pendant diese Ansicht heute aber vor allem mit dem Kolonialismus zu tun», finspricht für sich: «Wer weisse Haut hat, dem verzeiht man hundert Madet Nana Zimmermann. Je hellhäutiger man sei, desto mehr Anerkenkel.» Wie früher in Europa, erkennt man in Arabien und Asien die nung und Einfluss besitze man. Sie selbst hat eine straffe, glatte Haut, Adelsschicht bis heute an der helleren Haut, da diese im Gegensatz zu deren dunkel schimmernde Farbe an Edelholz erinnert. Als Kind sei sie den Bauern keine körperliche Arbeit an der prallen Sonne verrichten so dunkel gewesen, dass man praktisch nur die weissen Zähne und die muss. Augen gesehen habe. Ihre Mutter meinte einmal im Scherz: «Wo habe Eine makellose Haut wird rund um den Globus als schön empfunden. ich dich nur herbekommen?» Heute ist Zimmermann etwas heller als Um dieses Ziel zu erreichen, komme man sowohl bei heller als auch bei damals. Vor allem aber ist sie mit ihrer Haut zufrieden. «Gott hat mir dunkler Haut nicht um bleichende Stoffe herum, denn die allerwenigsdiese Haut gegeben, warum sollte ich daran etwas ändern?» Allerdings ten Menschen hätten von Natur aus einen ebenmässigen Teint, erklärt akzeptiere sie, wenn jemand, der in Europa lebe, heller werden möchte. Fachfrau Lee: «Leberflecken und Sommersprossen können nur mit leicht SURPRISE 278/12

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Nana Zimmermann: «Helle Haut gilt als edel.»

Für Nithja Shanmugalingam kommt Bleichen nicht in Frage.

Jeder Mensch habe das Bedürfnis, dazuzugehören und viele Afrikaner erlebten hier, dass sie ihrer Hautfarbe wegen negativ wahrgenommen würden, so die 35-jährige Geschäftsfrau. Die Anpassung an das westliche Ideal habe manchmal aber auch rein praktische Gründe. «Zum Beispiel das Glätten der Haare: Das Frisieren am Morgen geht mit geglättetem Haar einfach viel schneller, als wenn es kraus wäre.»

Rai. «Diese Frau fasziniert mich mit ihrem wandelbaren Gesicht und damit, dass sie sich sowohl westlich als auch asiatisch stylen lässt.» Dass Rai, wie viele indische Filmstars, sehr hellhäutig ist, stört sie nicht. Mit dem Aufhellen dürfe man es aber nicht übertreiben. «Das Gleiche gilt ja auch beim Solarium und beim Sonnenbaden: Zu viel ist ungesund», findet die zweifache Mutter und IT-Spezialistin, die gerne einmal als Visagistin in der Filmbranche arbeiten würde. Für sie selbst käme Bleichen nicht infrage. Der Stellenwert der Hautfarbe ist ihr besonders aufgefallen, als die Leute in Sri Lanka ihr genau ansahen, dass sie nicht dort lebt. «Meine Hautbeschaffenheit und Farbe sind offenbar anders, und weil meine Haut gut gepflegt ist, wurde ich auf der Strasse sogar einmal

Hellhäutig in Bollywood Eine besondere Rolle spielt helle Haut in Indien und Sri Lanka. In diesem Kulturkreis ist die Hautfarbe eine der Hauptsäulen des Kastensystems. Die oberste Kaste der Brahmanen ist hellhäutig, die Dalits, die indischen Ureinwohner – als «Unberührbare» taxiert und vom Kastensystem ausgeschlossen Das afrikanische Idealbild einer möglichst hellen Haut reicht – eher dunkelhäutig. Neben dem Kastensysbis in die Antike zu Kleopatra zurück. tem, das oft als Erklärung für den Wunsch nach hellerer Haut genannt wird, gebe es auch für eine Schauspielerin gehalten,» erzählt sie mit einem Schmunzeln. einen rein ästhetischen Grund, warum Aufhellen beliebt sei, so ThiruAuch ihre Kollegin Thirupuratharasu hat ein entspanntes Verhältnis zur sajini Thiripuratharasu. «Auf Fotos wirken Gesichter vorteilhafter und Hautfarbe. Es gebe in der Schweiz zwar Leute aus Indien und Sri Lanebenmässiger, wenn sie ein, zwei Nuancen heller geschminkt sind.» ka, die Bleichcrème verwenden würden und in der Badi im Schatten Thiripuratharasu hat tamilische Wurzeln, ihre braune Haut ist beneiblieben. Ihr selber ist diese Ansicht eher fremd, da sie in der Schweiz denswert rein, die Brauen perfekt in Form. Die 20-jährige Berner Seegeboren und aufgewachsen ist. Sie orientiert sich weder an Stars noch länderin ist im zweiten Lehrjahr zur Pharma-Assistentin und hat gean Trends, sondern kreiert ihren ganz eigenen Stil. «Schönheit bedeutet meinsam mit der Tamilin Nithja Shanmugalingam eine Ausbildung zur für mich gepflegt sein, ganz unabhängig von der Hautfarbe», findet ThiKosmetikerin absolviert. Beide haben ihre Freude am Schminken an rusajini Thiripuratharasu. Ein Satz, den sich Menschen aller Couleur vor Hochzeiten und traditionellen Feiern entdeckt. dem nächsten Sonnen- oder Schattenbad durch den Kopf gehen lassen Die «Muse» der 26-jährigen Bernerin Shanmugalingam, die Schminkönnen. ken als Kunstform sieht, ist Model und Bollywood-Beauty Aishwarya ■

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Emanzipation Das Öl des Argan Wie ein Märchen aus 1001 Nacht: Frauenkooperativen sind in Marokko zu einflussreichen lokalwirtschaftlichen Kräften geworden. Zu erblicken ist darin nicht weniger als eine Zukunftsvision. Ein Besuch bei der Kooperative «al Amal».

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VON YVONNE KUNZ (TEXT UND BILDER)

der Kooperation – und ihr eigenes Fortkommen. «Die Kooperativen machen die Frauen unabhängig von ihren Männern und Söhnen», wie die «al Amal»-Sprecherin sagt. Gerade in der Landwirtschaft sind ausschliesslich von Frauen betriebene Kooperativen keine Seltenheit in diesem Land, das bei Frauen eine Alphabetisierungsrate von gerade Mal 43 Prozent aufweist. Diese ist zwar sehr viel besser als etwa jene von Mali (18 Prozent), aber bedeutend schlechter als die des Nachbarlandes Algerien (66 Prozent).

Würden sich die Menschen dieser Welt als eine Gemeinschaft verstehen, wären die 70 Frauen der Kooperative «al Amal» wohl niemandem einen Zeitungsartikel wert. Es wäre völlig normal, seine Kräfte zu vereinen und Gewonnenes wie Verlorenes fair zu teilen. Es würde nicht erstaunen, dass eine Gruppe von verwitweten oder geschiedenen Marokkanerinnen, die in einer patriarchalischen Gesellschaft leben und kaum lesen oder schreiben können, in Zusammenarbeit mit der LandesregieKugeln auf kargen Hügeln rung und der Unesco einen substanziellen Beitrag zum Erhalt der Während die Frauen von «al Amal» ihre Produkte – Speiseöl, Haaröl Artenvielfalt leistet. Und nebenbei eine vom Staat unabhängige Sozialund Lippenbalsam – im Zentrum des Städtchens Tamnar durch die gut struktur errichtet, indem sie für ihre alt oder krank gewordenen Mitausgebildete Meryem Moussa präsentieren, stehen ihre männlichen glieder sorgt. Doch die Dinge liegen nun mal anders. Konkurrenten alle paar hundert Meter mit ein paar Petflaschen des Öls Entlang der staubigen Strassen Südmarokkos reihen sich streckenam Strassenrand. Und geben ein eher erbärmliches Bild ab, wenn sie weise die Hinweistafeln auf Frauenkooperativen aneinander wie die Palaufgeregt fuchteln, sobald sich ein Fahrzeug nähert, und vollends die men oder Arganienbäume. Nicht jede Tafel steht für eine seriöse Kooperative. Als sich Mitte der Neunzigerjahre Frauen in einer «Coopérative feminine» zu or«Warum sollten die Männer etwas dagegen haben, wenn ganisieren begannen, glaubten nicht viele an auch ihre Frauen Geld verdienen?» die Idee – zu stark waren die Widerstände der Männer aus der Politik und dem Ehebett. Die Fassung verlieren, wenn es sich dabei um ein französisches Wohnmobil Vorstellung, dass damit schon zehn Jahre später Etikettenschwindel behandelt, das sich durch die Arganienwälder wälzt. Hier sehen die knortrieben werden würde, war noch undenkbar. Missbrauchen nun etwa rigen Gewächse aus wie grosse Kugeln, die breit verstreut in Richtung dieselben Männer das Label der inzwischen erfolgreichen Frauen zu eider Küste die kargen Hügel hinunterkullern. Im den fruchtbaren Tälern genen Marketingzwecken? des Hinterlandes stehen sie grün und dicht an dicht. Nirgends sonst auf der Welt wachsen Arganien (siehe Kastentext) und auch hier ist ihr BeKooperativ zur Unabhängigkeit stand wegen der mehrfachen Übernutzung gefährdet. Das lokale BevölMeryem Moussa schaut zwei, drei Momente lang in die Luft in Richkerungswachstum bedeutet weniger Land für immer mehr Vieh und die tung des Fensters, das auf die geschäftige Strasse hinausgeht, und sagt neuen Hotelanlagen samt Golfplätzen für Touristen kappen das ohnehin dann mit kaum wahrnehmbarer Verachtung: «Es sind einfach die knappe Wasser aus dem Atlasgebirge. Ein Teil der sogenannten «ArganKapitalisten.» Dies soll das einzige Mal bleiben, dass sie für einen Auerie» wurde deshalb von der Unesco 1998 zum internationalen Biogenblick ihre ganz persönliche Haltung aufblitzten lässt; ansonsten sphärenreservat erklärt. bleibt ihr Auftreten stets absolut sachlich. Die junge Frau ist die KomDie Verarbeitung der Arganfrüchte ist seit jeher reine Frauensache. munikationsverantwortliche von «al Amal», die an der Hauptstrasse Und äusserst aufwendig: Erst wird mit einem Stein das Fruchtfleisch abzwischen Agadir und Essauira liegt. Als solche darf sie selbst nicht Mitgeschlagen. Dabei entstehen wertvolle Nebenprodukte: Die Schalen glied der Kooperative werden, sondern ist deren erste und einzige Anwerden als Brennmaterial verwendet, das Fruchtfleisch wird zu kleinen gestellte. Die 70 Frauen, für die sie spricht, hielten es für besser so. «JeLaiben geformt, Tazgamoutes, und als Viehfutter verkauft. In einem mand, der in einem Arbeitsverhältnis mit der Kooperative steht, blickt zweiten Arbeitsschritt werden die Kerne mit einem Stein geknackt und mit mehr Distanz darauf», sagt Moussa dazu. die ein bis drei Samen entnommen. Diese werden nun über dem Feuer Ein altes arabisches Sprichwort besagt: «Die Zunge ist die Übersetzegeröstet, gemahlen und unter Zugabe von Wasser so lange geknetet, bis rin des Herzens.» Moussas Kontaktfreudigkeit wirkt gleichermassen ehrdas Öl austritt. Das ist alles andere als ökonomisch: Für einen Liter arlich wie professionell. Ihr Trenchcoat sitzt so gut wie ihr Sprechton und beitet eine Frau mindestens zehn Stunden. Doch dabei entsteht ein die Sätze, mit denen sie in geschmeidigem Englisch Auskunft gibt. Im hochwertiges Produkt, das nicht nur in der Küche verwendet wird, sonInnenhof des neu errichteten Haupthauses – ein moderner Bau im aradern auch in der Haar- und Hautpflege. bischen Stil – erläutert sie im Detail die Herstellung von Arganöl und die Als «al Amal» 1996 gegründet wurde, war es schlecht bestellt um die Produkte der Frauengemeinschaft. Später, im Verkaufsraum, beantworWettbewerbsfähigkeit des Arganöls und die Produktion war entspretet sie Fragen zu den Grundsätzen, der Geschichte und der Zukunft der chend stark zurückgegangen. Das hatte Zoubida Charrouf, Chemiepro1996 gegründeten Kooperative «al Amal». Anfangs sei es nicht leicht gefessorin an der Universität Rabat, intensiv beschäftigt. Sie hatte in den wesen für die Frauen, aber immerhin hätten sie das Königshaus und Jahren zuvor die heilenden Wirkstoffe des Arganöls identifiziert. Der Geinternationale Organisationen wie die EU auf ihrer Seite gewusst. «Die danke, dass das alte Wissen ihrer berberischen Vorfahren verschwinden Kooperative hat sich als tragfähige Partnerin erwiesen. Die Geschäfte könnte – und damit das Aussterben der Baumart beschleunigt würde –, laufen gut und wir können inzwischen regelmässig Mittel in Infrastrukwar ihr unerträglich. Sie gelangte zur Überzeugung, dass es möglich sein tur und Weiterbildung investieren», sagt Moussa, die dem westeuropäimusste, auf Traditionen zu bauen und den Umfang der kommerziellen schen Erstaunen über diese schon fast radikale Form der Emanzipation Produktion von Arganöl zu steigern. Da die Frauen die Bewahrerinnen mit Gelassenheit, gar mit Grazie begegnet. der Traditionen sind, wandte sie sich mit der Idee einer Kooperative an Im Gegensatz zu früher sind die Mitglieder von «al Amal» längst nicht sie. Bestechend einfach und offensichtlich erfolgreich. Das Arganöl erlebt mehr vorwiegend alleinstehende Frauen. «Die meisten Männer finden derzeit einen kleinen Boom und inzwischen exportiert «al Amal» bereits es gut, wenn auch ihre Frauen geschäften. Warum sollten die Männer einen kleinen Teil ihrer Produktion und erweitert ihrerseits das eigene etwas dagegen haben, wenn auch ihre Frauen Geld verdienen?» Dass eiAngebot mit Jojobaöl aus Frauenkooperativen in Indien. nige dieser Männer ein Problem hätten, wenn ihre Frauen mit Männern Rund um «al Amal» ist inzwischen das Netzwerk «Targerine», bestezusammenarbeiten würden, wie Moussa anmerkt, findet die 24-Jährige hend aus sechs Hauptkooperativen und einer Vielzahl von kleineren normal. So ist es auch für sie Tradition und den marokkanischen FrauDorfkooperativen, gewachsen. Es verbindet insgesamt rund 2000 Frauen scheint dies ganz recht zu sein. Ihr Fokus ist ihre Arbeit, der Erfolg

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Teure Frucht: Ein Liter Öl braucht zehn Stunden Arbeit.

Die Tafeln der Frauenkooperativen prägen das Strassenbild in Südmarokko.

en, die über das Netzwerk ihr traditionelles Handwerk professionalisieren, eigenes Geld verdienen und sich fortbilden. Zugleich verpflichten sich die Mitglieder, jedes Jahr mindestens zehn Arganbäume zu pflanzen. Zehn Prozent ihres Gewinnes legen die Kooperativen für gemeinsame Projekte zusammen, wie Moussa erklärt, für Alphabetisierungskurse und Kampagnen zum Schutz der Arganwälder, und in Kürze eröffnet die «Targerine» ihre erste Produktionsstätte mit Kinderkrippe. In Vorbereitung ist auch ein Fonds für zinslose Darlehen für Frauen, für Notsituationen oder Anschaffungen. «Was uns besonders stolz macht, ist, dass sich inzwischen auch wieder junge Frauen für diese Arbeit entscheiden und bei einer Kooperative eintreten», freut sich Meryem Moussa.

rechtere Verteilung des Reichtums fordert. Die marokkanischen Arganbäuerinnen sind es längst. «Es ist einfach», konstatiert Moussa. «Würden wir die Produktion rationalisieren, wären viele der Frauen wieder erwerbslos.» Weniger ist manchmal eben doch mehr. ■

«Petit Commerce» statt «Big Business» «Amal» ist das arabische Wort für «Hoffnung». Es ist mehr als nur ein Name. Für viele der Frauen war der Beitritt zu «al Amal» gleichbedeutend mit einem neuen Leben jenseits der Armut. Mit der Kooperative kam das Einkommen – mit den monatlich 100 Franken das Selbstbewusstsein, das Frau Moussa perfekt verkörpert. Niemand zweifelt mehr an der Idee. Mit ihrem gemeinschaftlichen Geschäftssinn haben diese Marokkanerinnen gesellschaftliche und ökonomische Regeln ausser Kraft gesetzt. Die Frauen haben mit ihrer Klarheit und ihrer Aufgeschlossenheit selbst Anlass zur Hoffnung. Darauf, dass ihr Beispiel weltweit einen wegweisenden Unternehmensstil begründet, der den vielschichtigen aktuellen Herausforderungen entspricht. «Get organized!», steht an einem besetzten Haus in Zürich geschrieben, ganz im Geiste der «Occupy»-Bewegung, die derzeit weltweit eine geSURPRISE 278/12

Der Arganbaum (Argania spinosa) Es ist das Postkartensujet Südmarokkos schlechthin: Eine oder mehrere Ziegen auf einem Arganbaum. Das Verbreitungsgebiet der im Deutschen auch als Eisenholzbaum bekannten Pflanze beschränkt sich auf nur 700 000 Hektaren im Südwesten Marokkos. Es erstreckt sich von Safi im Norden zum Draatal im Süden, von der Atlantikküste im Westen zum Westabfall des Djabal Siroua. Der durchschnittlich fünf bis sechs Meter hohe, immergrüne Baum ist das derzeit einzige bekannte Tertiärrelikt Europas und Nordafrikas, das die klimatischen Veränderungen bis ins heutige Quartär überlebt hat. Während ihn ein Frost dahinraffen würde, können ihm Trockenheit und Temperaturen bis 50 Grad wenig anhaben. Das Geheimnis: Die Arganie ist sowohl Flach- als auch Tiefwurzler (die Wurzeln können bis zu 50 Meter in die Tiefe reichen). Ihre Frucht ist oliven- bis traubengross, gelb und wird für kulinarische und kosmetische Zwecke genutzt. Bis heute ist der Arganbaum von beachtlicher sozialer und wirtschaftlicher Bedeutung: Mehr als zwei Millionen Menschen leben direkt oder indirekt von ihm. (yku)

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BILD: ANDREA GANZ

Le mot noir Dieser Jules Kürzlich auf dem Weg aufs Land. «Ein kleiner Tapetenwechsel tut Ihnen gut», tritt meine Familienanwältin aufs Gas. «Unbedingt», nicke ich. «Wo fahren wir denn hin?» «Ins Altersheim zu meiner Mutter. Sie ist frisch verliebt und ich dachte, wir sehen uns diesen neuen Jules mal an.» «Okay, einfach so?» «Einfach so. Irgendwas stimmt da nicht.» «Los, lauf zu Mami, Laila!», scheucht die Anwältin den kleinen Wuschelhund durchs Altersheim, während wir auf ein turtelndes Paar zusteuern: «Ich glaube, da sind sie.» «Das ist Jules und ja, er ist jünger, als ich anfangs dachte», gibt die verzückte Mutter fröhlich zu. «Aber er liebt meine Laila!» «Darf ich mit dem Hund eine Runde drehen?», fragt ihr neuer Jules ganz galant. «Sicher», sieht meine Anwältin alert zu mir herüber. «Also ich finde es gut, wenn man sich im Alter nach unten orien-

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tiert», sehe ich zurück. «Und er ist so galant!», schwärmt die alte Dame weiter. «Vielleicht nimmt er Tranquilizer?», überlegt meine Anwältin später in der Kantine. «Die nehm ich auch», tätschelt ihre Mutter ihre Hand. «Und glaube mir, die braucht man hier. Meine Zimmerkollegin schreit sich jeden Abend in den Schlaf.» «Aber dafür ist das Essen doch ganz ordentlich. So ähnlich wie – ähm – Spaghetti, oder?», sage ich. «Kochen die das Leitungswasser hier ab?» «Haben Sie was ausgefressen, dass Sie meine Tochter brauchen?», beugt sich die alte Dame irritiert zu mir herüber. «Alles bestens», tätschelt die Anwältin zurück. «Die Stiefmutter und die Schwester haben nur ihren sterbenden Vater beklaut.» Und zu mir: «Sehen Sie sich bitte mal unauffällig um!» «Können Sie das ‹nur› aus ihrem Satz streichen?», zische ich zurück. «Nennen sie mich Schöbi.» «Gerne», schiebe ich einen fremden Strauss Blumen vor mir her in einen muffigen Raum. «Und Sie sind der – ähm – Zimmergenosse von diesem Jules?» «Mit dem stimmt was nicht», sortiert der Schöbi ein Paar Pantoffeln. «Der ist doch viel zu jung fürs Altersheim.» «Vielleicht mag er Gesellschaft», überlege ich. «Obwohl, freiwillig würde ich hier nicht einchecken.» «Natürliche Reaktion!», stimmt Schöbi mir zu. «Und dann sagt dieser Jules, ich hätte einen an der Bimbe! Mein Leben nicht gelebt! Dabei bin ich 20 Jahre älter als der!»

«Was haben Sie herausgefunden?», will meine Anwältin in der Kantine wissen. «Sein Zimmergenosse Schöbi sagt, Jules halte nicht viel von ihm, aber das scheint hier Standard zu sein, glaube ich.» «Wenn Laila weg ist, ist es vorbei!» «Der Hund ist alt und aus dem Tierheim», überschlage ich. «Mehr als 5000 kriegt dieser Jules dafür nicht.» «Mir egal, ich rufe jetzt die Polizei!» Satte drei Stunden später flaniert Jules gut gelaunt in der Eingangshalle. «Wo waren Sie!», stürzt meine Anwältin ungehalten auf ihn zu. «Sie können meine Mutter doch nicht einfach so sitzen lassen! Haben Sie eine Ahnung, wann sie das letzte Mal verliebt war?» «Kennen wir uns?», lächelt Jules ganz galant. «Wenn ich mich den Damen erst mal vorstellen darf, ich bin der Schöbi und das da ist mein Hund Laila.»

DELIA LENOIR (LENOIR@HAPPYSHRIMP.CH) ILLUSTRATION: IRENE MEIER (IRENEMEI@GMX.CH) SURPRISE 278/12


Stadtgarten Gemüsebeet im Einkaufswagen Mitten im Zürcher Chreis Cheib entsteht eine Oase der ungewöhnlichen Art. Der Verein Brauergarten hat von der Stadt eine Brache gepachtet, um darauf einen Garten für alle zu schaffen, die Freude an Pflanzen und am Zusammensein haben.

Lärmig ist es an der Brauerstrasse im Zürcher Kreis 4. Doch ein paar Schritte abseits auf einer Brache in einem Hinterhof schlucken die Häuser bereits einen Grossteil der urbanen Geräuschkulisse. Von metallenen Absperrungen umzäunt tut sich hier ein kleines Paradies auf: In unzähligen Einkaufswagen, Körben und anderen mobilen Pflanzboxen gedeihen die Setzlinge von Kräutern, Gemüsen und Früchten. Einige angrenzende Sträucher neigen sich am hinteren Ende über den Zaun. Meisen und Spatzen beobachten aus sicherer Warte, was eine Gruppe junger Zürcher hier geschaffen hat: eine grüne Begegnungszone, die künftig während der Gartensaison allen offensteht, die gemeinsam gärtnern und staunen wollen, wie die gemeinsam angebauten Nutzpflanzen grösser werden. Nikolaus Güttinger ist diplomierter Bio-Landwirt, Sozialpädagoge und Initiant des Vereins Brauergarten. Inspiriert von ähnlichen Projekten in New York und Berlin, hat er sich das Ziel gesetzt, eine auf Zürich abgestimmte Variante zu entwickeln. «Zürich bietet weniger Brachfläche als andere Grossstädte, daher mussten wir den von der Stadt gepachteten Raum ökonomisch und mit viel Fantasie nutzen», erzählt er. Die Gartenarchitektur wurde so konzipiert, dass die Pflanzen einfach in der Pflege und gut zugänglich sind und rasche Standortwechsel kein Problem darstellen. Kunst und Alltag begegnen sich hier ganz entspannt und wachsen gemeinsam. Statt in den sonst üblichen festgelegten Beeten wachsen die Pflanzen in einzelnen mobilen Einheiten: In Einkaufswagen, Körben, Taschen oder Milchkartons. Durch das dauernde Umplatzieren der Behältnisse ändert sich jeden Tag die Architektur des Gartens. Gleichzeitig wachsen die Setzlinge, treiben Blüten, während andere schon Früchte tragen. Die Natur und die Gärtner verwandeln das Gesicht des Brauergartens Hand in Hand. Güttinger findet: «Ein Garten ist nichts Fertiges, er verändert sein Aussehen jeden Tag, das schärft die Beobachtungsgabe der Leute, die sich regelmässig darin aufhalten.» Wer gerne mitmachen möchte, bekommt im Brauergarten ab Mitte Juli die Möglichkeit, ganz nach seinen Fähigkeiten zu jäten und zu pflegen. Setzlinge und Werkzeuge werden den angehenden Hobbygärtnern vom Verein bereitgestellt. Die angebauten Produkte dürfen gegen einen finanziellen Beitrag geerntet werden. «So entsteht sozusagen der frischeste Gemüse- und Blumenmarkt der Stadt», freut sich Güttinger. Bald soll der Brauergarten finanziell selbsttragend sein. Der Verein möchte sein Gartenprojekt im Quartier einbinden und heisst deshalb ausdrücklich jeden, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft, willkommen. «Dadurch wird dieser Ort zu einem eigentlichen Sozio- und Biotop», sagt Güttinger. Da die mobilen Pflanzboxen gut erreichbar sind, möchte Güttinger auch gezielt soziale Projekte mit dem Garten verknüpfen und zum BeiSURPRISE 278/12

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VON MONIKA BETTSCHEN

Sieht bald schon anders aus – der Brauergarten bleibt mobil.

spiel mit behinderten oder älteren Menschen aus dem Quartier arbeiten. Ganz allgemein soll der Wert einer Nutzpflanze anerkannt und das Bewusstsein, wie Nahrungsmittel entstehen und wo sie herkommen, gestärkt werden. Um genau daran zu erinnern, quellen hier die Einkaufswagen und Körbe über, aber eben nicht mit abgepackten Produkten, sondern mit den wachsenden Pflanzen. Nikolaus Güttingers Faszination für die Gesetzmässigkeiten der Natur begann schon früh. Er reiste viel, unter anderem nach Irland, Neuseeland und in die USA. Darauf folgte eine dreijährige Ausbildung zum Bio-Landwirt im Wallis. «Für mich ist zum Beispiel die Kartoffel ein kleines Wunder. Man pflanzt diese unscheinbare Knolle in die Erde und erntet Monate später ein Mehrfaches.» Der Brauergarten ist eine Einladung an die Zürcher Stadtbewohner, ebenfalls Zeugen eines solchen Wunders zu werden. ■

Der Brauergarten an der Brauerstrasse 28 in Zürich wird am Samstag, 14. Juli ab 11 Uhr mit einem grossen Fest eröffnet und bleibt bis am 21. Juli täglich von 11 bis 21 Uhr geöffnet. Die genauen Öffnungszeiten werden danach auf der Website www.brauergarten.ch aufgeschaltet.

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Kulturtipps

Schiffbruchgeschichten ohne RobinsonRomantik von Lucien Deprijck.

Explizit: Juliette Binoche als Journalistin auf heikler Recherche.

Buch Grausame Gestade

Kino Lustvolle Abgründe

18 Mal lässt der Autor Lucien Deprijck seine Ich-Erzähler auf Inseln stranden – in Episoden zwischen Albtraum und Aberwitz.

In «Elles» bringt eine Recherche über Studentinnen Unruhe in das gutbürgerliche Leben der Journalistin Anne. Juliette Binoche überzeugt in einem erstaunlichen Film über verborgene Sehnsüchte und Käuflichkeit.

VON CHRISTOPHER ZIMMER

Zu Beginn ist es ein von den Wogen überspültes Riff in der endlosen Weite des Ozeans, auf dem der Schiffbrüchige keine Chance hat zu überleben. Den Abschluss macht eine Kette von Inseln, die der Gestrandete mühsam eine nach der andern erreicht, schwimmend oder auf zerfallenden Flössen, immer hoffend, die nächste werde die letzte sein, das ersehnte rettende Festland. Dazwischen reiht sich Insel an Insel, wie in einer Versuchsanordnung. Als gelte es, alle nur denkbaren existenziellen Situationen auszuloten. Das kommt mal mit der unerbittlichen Wucht einer antiken Tragödie daher, dann wieder ist es von einer aberwitzigen Komik, die das Drama zur Farce macht. So etwa, wenn der Schiffbrüchige sich an einen von Touristen bevölkerten Nobelstrand rettet und dies als stillos empfindet. Oder in der kürzesten Geschichte von gerade mal vier Zeilen, in der ein gestrenger Herr den Entkräfteten darauf hinweist, dass Schwimmen hier verboten sei. Da liegt die Grausamkeit in der Absurdität der Szene, nicht weniger als in der Härte eines Schicksalsschlags. Wen es unfreiwillig auf eine Insel verschlägt, der hat nur einen Gedanken: Fort von hier! So bald wie möglich gerettet zu werden. Was folgt, ist der nackte Überlebenskampf, zwischen Hoffnung und Verzweiflung, Angst und Wut, und immer in Gefahr, den Verstand zu verlieren. «Es ist nichts Romantisches daran, auf einer einsamen Insel zu überleben», schreibt Deprijck. Die Verklärung bleibt allein Abenteuer- und Aussteigerfantasien überlassen. Davon ist bei Deprijck nichts zu finden. Weder im Drama noch in der Komödie. Und tröstlich ist nur eine der Geschichten. Sie erzählt von einer Insel der Kindheit, irgendwo im Mississippi, es könnte aber auch in jedem anderen Fluss oder Bach sein. Hier auf diesem Eiland der Fantasie findet sich der einzige Ort, an dem der Traum von der Insel nicht an einem Riff oder einer Illusion Schiffbruch erleidet. Doch wie erschreckend die Episoden auch sind, wie geheimnisvoll oder aberwitzig, sie sind vor allem eins: lesenswert. Ein Genuss, der sich noch dadurch erhöht, dass diese Texte in einem der wunderbar gestalteten Mare-Bücher versammelt sind, mit Farbschnitt und Leseband und Illustrationen von Christian Schneider, die für sich schon eine Augenweide sind.

VON MONIKA BETTSCHEN

Lucien Deprijck: «Die Inseln, auf denen ich strande», Mare 2012. 39.90 CHF

Anaïs Demoustier, Joanna Kulig, u.a. Ab 5. Juli in den Deutschschweizer Kinos.

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«Wer sind Ihre Kunden?», fragt die Pariser Journalistin Anne (Juliette Binoche) ihr halb so altes Gegenüber. «Gelangweilte Familienväter», antwortet die polnische Studentin Alicja. Die Andeutung eines Lächelns umspielt ihre sinnlichen Lippen, bevor sie herausfordernd die entscheidende Gegenfrage stellt: «Sind Sie glücklich?» Eigentlich müsste es die erfolgsverwöhnte Medienfrau sein. Zusammen mit Ehemann und zwei Söhnen lebt sie in einer grosszügigen Wohnung, umgeben von den Statussymbolen einer bürgerlichen Elite: klassische Musik, stilvolle Kleidung, teurer Wein, Eames-Stühle auf dem Parkett. Und doch hat sich eine Routine in die Ehe eingeschlichen, die auch von den Söhnen nicht unbemerkt bleibt. Die Konfrontation mit Studentinnen, die Sex gegen Geld anbieten, lässt Anne ihre eigene Beziehung hinterfragen. Pikant: Die Kunden ihrer Gesprächspartnerinnen entstammen jener Schicht, in der sich Annes Leben abspielt, und diese Männer sind in ihren Sehnsüchten und Wünschen meist derart normal, dass auch ihr eigener Gatte zu diesem Kreis gehören könnte. Freimütig berichtet auch die französische Studentin Charlotte, warum sie sich für diese Tätigkeit entschieden hat. Für Charlotte bieten die Einkünfte aus der Prostitution eine Möglichkeit, ihrem «Sozialbau» zu entfliehen. Studieren und Flaubert lesen allein würde in ihrem Leben nichts ändern, stellt sie zugleich abgeklärt und verletzlich fest. So sehr sich Anne bemüht, eine professionelle Distanz aufrechtzuerhalten, verliert sie sich zunehmend in den ungeschönten Schilderungen der beiden Studentinnen, die sich prostituieren, um sich genau jene Dinge leisten zu können, die Anne besitzt. In einer teilweise expliziten Bildsprache macht Regisseurin Malgoska Szumowska den Alltag der beiden Frauen abseits vom Uni-Campus fassbar, ohne zu werten: Vom ersten Telefongespräch, in dem die Konditionen ausgehandelt werden, bis hin zu den sexuellen Begegnungen spannt sich der Bogen. Ein erstaunlicher Film über verborgene Sehnsüchte und Käuflichkeit – mit einer leidenschaftlichen Juliette Binoche. Malgoska Szumowska: «Elles», Frankreich 2012, 96 Min., mit Juliette Binoche,

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BILD: JUSTIN BROADBENT

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Metric liefern die knackigsten Popsongs des Sommers.

Musik Synthetische Wärme Metric spielen nach den eigenen Regeln und könnten trotzdem bald den Mainstream erobern. Auf ihrem neuen Album «Synthetica» verbindet die kanadische Band Rock mit Elektronik zu fast perfekten Popsongs. VON RETO ASCHWANDEN

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Unternehmensberatung AbtConsulting, Wohlen

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Klimaneutrale Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

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Inova Management AG, Wollerau

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Grenzenlos GmbH, Binningen

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projectway GmbH, Köniz

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Balcart AG, Carton Ideen Lösungen, Therwil

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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

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Velo-Oase Bestgen, Baar

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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Otterbach

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fast4meter, storytelling, Bern

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

«I'm just as fucked up as they say» – welch nette Eröffnungszeile. Bei Rüpelrockern wäre eine solche Einleitung wenig erstaunlich, Metric aber sind eine Band, die lehrbuchwürdige Popsongs produziert. Wundern sollte einen die Irritation zum Auftakt allerdings nicht, denn die kanadischen Musiker entziehen sich klaren Zuordnungen. Die Ambivalenz spiegelt sich auch in der Person von Frontfrau Emily Haines. Die Doppelbürgerin wuchs in Kanada auf, lebt aber, seit sie erwachsen ist, in den USA. Mit Metric zählt sie in Nordamerika zu den angesagten Acts, in Europa hingegen kennt man sie eher für ihr Mittun bei Broken Social Scene und für ihre spartanischen Klavierstücke als Emily Haines And The Soft Skeleton. Die Sängerin und Pianistin inszeniert mit Vorliebe Gegensätzliches. Sie steigt in glänzenden, knappen Kleidchen auf die Bühne, singt dann aber über politische Missstände (früher) oder Authentizität im Digitalzeitalter (heute). Das letzte Album «Fantasies» brachten Metric ohne Label im Rücken heraus und landeten dank pumpenden Popsongs den grössten Hit der Bandgeschichte. Beflügelt vom Erfolg, präsentieren Metric nun ihre fünfte Platte – diesmal wieder bei einer Plattenfirma. Das Album heisst «Synthetica», und so klingt es auch. Zumindest beim oberflächlichen Hinhören. Man habe eine «retrofuturistische» Klangästhetik gesucht, erzählte Emily Haines in einem Interview. Tatsächlich prägen Synthesizer den Sound, und zwar ältere Modelle, die so brummen und orgeln, wie die Zukunft in der Zeit vor der Digitalära geklungen hat. Die alten Geräte bringen Wärme in die Elektropopsongs. So viel zur Ästhetik. Wissen müssen Sie aber eigentlich nur dies: Metric liefern mit ihrem neuen Album ein paar der knackigsten Popsongs des Sommers. «Youth Without Youth» und «Lost Kitten» kombinieren gut gelaunte Grooves mit herzzerreisenden Melodien, «Speed The Colapse» und das Titelstück preschen, von Gitarren unterstützt, voran und reissen mit. Unnötig ist eigentlich nur der Gastauftritt von Lou Reed, wobei auch sein Grummelgesang «The Wanderlust» nicht kaputtmachen kann. Seit dem Debüt von Garbage hat niemand mehr derart überzeugend Rock und Elektronik vereint. Diese Band ist alles andere als «fucked up».

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Brockenstube des Reformierten Frauenvereins

Metric: «Synthetica» (Mom & Pop/MV)

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Aesch-Pfeffingen 14

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Schweiz. Tropen- und Public Health-Institut, BS

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Migros Zürich, Kulturprozent

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Psychiatrische Dienste Aargau AG (PDAG)

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Locher, Schwittay Gebäudetechnik GmbH, BS

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Weingut Rütihof, Uerikon

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AnyWeb AG, Zürich

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Niederer, Kraft & Frey, Zürich

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Musikschule archemusia, Basel

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Paulus-Akademie Zürich

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

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Thommen ASIC-Design, Zürich

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Der kleine Nemo und die Prinzessin.

Basel Surreal und schwerelos Fantasien, Manien, Träume – der amerikanische Comicpionier Winsor McCay beeinflusst mit seinen mehrdeutigen Themen und Bildfindungen bis heute Künstler auf der ganzen Welt. Etwa mit Nemo: dem kleinen Jungen, der eines Nachts im Schlaf vom König in sein Reich gelockt wird, um dort der Spielgefährte seiner Tochter zu werden. Auf den grossformatigen Comicseiten der Sonntagszeitungen veröffentlichte der Zeichner zu Beginn des 20. Jahrhunderts als einer der Ersten fortlaufende Geschichten mit einem festen Figurenpersonal. «Little Nemo in Slumberland» begeisterte damals Millionen von amerikanischen Zeitungslesern mit einer endlosen Fülle von surrealistischen Metamorphosen und schwerelosen Bewegungsabläufen. (mek)

BILD: ZVG

BILD: LINDSEY HOSHAW BILD: © WINSOR MCCAY, LITTLE NEMO IN SLUMBERLAND (DETAIL), 25. 2. 1906

Ausgehtipps

Müll im Meer des Plastikplaneten.

Brillen rocken! Sallie Ford And The Sound Outside.

Zürich Plastic fantastic

Zürich Buddy Hollys Enkel

Der aufmerksame Surprise-Leser kennt das Problem, wir haben in Ausgabe 268 ausführlich darüber berichtet: Unser Plastikmüll landet im Meer, dort löst er sich nicht auf, sondern wird zerkleinert, von den Fischen für Nahrung gehalten und kommt so wieder zu uns auf den Teller zurück, sehr zum Nachteil unserer Gesundheit. Das Ausmass der Verschmutzung ist gigantisch: Bereits heute gibt es keinen Kubikmeter Meerwasser mehr, der frei ist von Plastikteilen. Schwerverdauliche Facts, die uns das Museum für Gestaltung in attraktiver Form präsentiert. Mit einer Plastikausstellung, Gesprächen, Film, Designwerkstatt und Erzähltheater für Kinder und Erwachsene kann man sich über das Ausmass der Misere informieren – und Lösungsansätze für das Problem kennenlernen. Denn: den Kopf in den Sand zu stecken, hilft nicht. Auch dort ist schon alles voller Plastik. (fer)

Sallie Ford und ihre Band The Sound Outside sehen wirklich nicht aus wie Rockstars. Schon eher wie der Mathe-Klub aus dem Gymi. Doch damit steht das Quartett aus Portland, Oregon in bester Tradition. Schon Buddy Holly wurde als Brillenträger ausgelacht, was ihn nicht daran hinderte, den Rock’n’Roll mit zu definieren. An die Fifties erinnert manches auf Sallies Debütalbum «Dirty Radio». Das Schlagzeug swingt, der Bass ploppt und der Gitarrist raffelt schmissige Riffs. Und dann Sallies Stimme: dunkel, druckvoll und durchdringend, als wäre sie die Inkarnation einer Ella Fitzgerald. Die 50Revivalisten Kitty, Daisy & Lewis sehen zwar besser aus. Das ultimative Gebräu aus frühem Rock, Soul, Blues und Country servieren aber Sallie Ford And The Sound Outside. (ash) Sallie Ford And The Sound Outside, Mo, 9. Juli, 20.20 Uhr, El Lokal, Zürich.

«Endstation Meer? Das Plastikmüll-Projekt», 4. Juli bis 23. September, Museum für Gestaltung Zürich, www.PlasticGarbageProject.org

Anzeige:

«Winsor McCay, eine Retrospektive». Noch bis zum 28. Oktober im Cartoonmuseum Basel. www.cartoonmuseum.ch

Hier könnte Ihre Werbung stehen. Werfen Sie Ihr Werbegeld nicht auf die Strasse. Investieren Sie es dort. Anzeigenverkauf, T +41 76 325 10 60, anzeigen@vereinsurprise.ch

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Kein Couch Potatoe: der Sofa King.

Kunst der Verwirrung: Compagnie Buffpapier

Basel Sofa King

Basel Groteskes Openair-Cabaret

Mason Casey ist ein dynamischer, verwegener und wirklich einzigartiger Mundharmonika-Virtuose. Masons Musik reflektiert die rohe und kraftvolle Energie, die charakteristisch für New York ist, wo er geboren und aufgewachsen ist. Nach drei eher erfolglosen Alben, die er selbst in Frankreich aufgenommen hat, kreierte er mit seinem Album «Sofa King Badass» 2007 ein Meisterwerk des zeitgenössischen Blues. Gesegnet mit einem Talent zu grossem Entertainment, ist er unterdessen ein häufiger Gast an internationalen Festivals. Seine Lieder brechen den puristischen und traditionellen Blues mit Elementen aus Soul, Funk, R’n’B bis hin zu Acid Jazz auf. Ein Muss für den wahren Blues-Fan und -Kenner. (mim)

Isabelle la Belle, Madame Jocaste und der Elefant: Klingt schräg, ist schräg. Die drei Figuren aus dem Stück «Le petit Cabaret Grotesque» sorgen mit ihrem schwarzen Humor und ihrer liebenswerten Schrulligkeit für heitere und skurrile Szenen. Das Trio Compagnie Buffpapier überzeugt durch seine Liebe zum Detail und Zueinander. Der Verzicht auf grosse Gesten und Effekthascherei ermöglicht den Zugang zu einem Szenario, das sowohl fantastisch als auch verwirrend ist – für den Zuschauer genauso wie für die Figuren im Stück. So eröffnet sich dem Publikum eine skurrile Welt, in welcher Nebensächlichkeiten plötzlich an Zauber und Witz gewinnen. In der Compagnie Buffpapier haben Meister in der Kunst der Verwirrung zusammengefunden und bringen damit so einiges auf die Bühne, das in normale Worte nicht zu fassen wäre. Zwei Menschen und ein Elefant warten auf Sie. (mim)

Mason Casey: Mo, 9. Juli, 20.30 Uhr, Grand Casino Basel www.grandcasinobasel.com

«Le petit Cabaret Grotesque»: Mi, 11. Juli bis Sa, 14. Juli, Mi und Do je 20 Uhr, Fr 20 Uhr, Sa 21.30 Uhr, Aktienmühle, Gärtnerstrasse 46, Basel

BILD: ISTOCKPHOTO

www.aktienmuehle.ch

Basel Ahoi und Augenklappe In den Gewässern des Drei-Niemandsländerecks treiben wieder Piraten ihr Unwesen. Flusspiraten, versteht sich. Immer wieder verschwinden voll beladene Handelsschiffe und gut betuchte Geschäftsleute. Als auch noch der Bürgermeister entführt wird, macht sich seine Tochter, die flotte Lotte, auf den Weg zur Schildkröteninsel, um ihren Vater aus den Händen der Freibeuter zu befreien. Das turbulente Piratenspektakel, das im Basler Hafen stattfindet – oder eben: auf der Schildkröteninsel –, ist für Kinder ab drei Jahren geeignet. Angeschippert wird mit der MS Baslerdybli, an Bord gegangen wird an der Schifflände. (mek) «Ahoi – die Flusspiraten sind wieder los», ein Stück von Nathalie J. Sameli für die ganze Familie. So, 8. Juli,

An der Augenklappe zu erkennen: Piraten. SURPRISE 278/12

Schifflände ab: 14 oder 16 Uhr, Schifflände an: 16 oder 18 Uhr. www.bpg.ch

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Verkäuferporträt «Ich bleibe Optimist» Zeru Fesseha (29) hat beim Heftverkauf Deutsch gelernt. Nun arbeitet er als Pflegehilfe im Altersheim und freut sich auf sein zweites Kind. Für die Zukunft wünscht er sich eine Festanstellung und eine gute Ausbildung für seine Kinder.

«Ich bin sehr zufrieden hier. Seit vier Jahren lebe ich nun in der Schweiz. Ende 2008 bin ich hierhergekommen. Wenn man in ein anderes Land kommt, ist es ein bisschen wie bei einem Kind. Man muss lernen, wie die Dinge funktionieren: die Sprache, die Kultur und die Werte. Der Anfang fiel mir schwer. Sobald die Menschen einen kennen, öffnen sie sich, aber ich musste lernen, dass man hier zuerst ein bisschen zurückhaltend ist. Zudem sind die Leute in der Schweiz sehr ernst. Die Landschaft hier gefällt mir sehr. Die Berge waren für mich nichts Neues, die gibts in Eritrea auch. Natürlich ist das Wetter ganz anders, viel wärmer. Schnee gibt es dort keinen, den habe ich zum ersten Mal in der Schweiz gesehen. Warum ich aus meinem Heimatland Eritrea fliehen musste, ist eine lange Geschichte. Wir leben unter einem Diktator. Die jungen Leute werden ins Militär eingezogen. Es ist schwer, eine gute Ausbildung zu machen und Jobs zu finden. Ich habe dort als Krankenpfleger gearbeitet, aber nie einen Lohn erhalten. In Eritrea ist es nicht ungewöhnlich, dass auch Männer in der Krankenpflege arbeiten, das ist ein Beruf für beide Geschlechter. Bald nach meiner Ankunft in der Schweiz habe ich angefangen, Surprise zu verkaufen. Dadurch konnte ich viele Leute kennenlernen. Das half mir beim Deutsch Lernen, denn ich hatte Gelegenheit, mit den Kunden zu kommunizieren. Beim Heftverkauf habe ich viele freundliche Menschen kennengelernt. Mittlerweile habe ich den B-Ausweis, also die Aufenthaltsbewilligung, erhalten. Surprise verkaufe ich nur noch einen Tag pro Woche. Und zwar in meiner Freizeit, denn ich arbeite als Krankenpfleger. Ich konnte beim Roten Kreuz ein einjähriges Praktikum absolvieren. Das war nötig, weil ich in meinem Heimatland kein Diplom als Krankenpfleger erhalten hatte. Nun habe ich Arbeit gefunden, in einem Altersheim in Binningen. Leider ist mein Vertrag auf drei Monate befristet, bis Ende Juli dauert dieser Einsatz. Ich hoffe, dass meine Anstellung verlängert wird. Die Arbeit mit alten Menschen finde ich toll. Ich merke, dass sie im Altersheim mit mir zufrieden sind. Wenn ich ein paar Tage frei hatte, fragen sie mich: Wo warst du? Sie haben mich gern und zeigen, dass sie Freude an mir haben. Am Anfang habe ich mich gefragt, warum sie in der Schweiz im Heim leben. Haben sie keine Angehörigen? In Eritrea leben die alten Leute mit ihrer Familie zusammen. Als ich dann aber sah, dass sie Besuch bekommen, habe ich gelernt, dass hier auch viele Frauen arbeiten und die alten Leute deshalb anders betreut werden müssen. Mein Leben hier gefällt mir. 2010 bekamen meine Frau und ich unser erstes Kind, eine Tochter. Im August erwarten wir unser zweites Kind. Ich hätte gerne studiert, hatte aber leider nicht die Möglichkeit dazu. Deshalb hoffe ich, dass meine Kinder diese Chance bekommen. Es geht

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AUFGEZEICHNET VON RETO ASCHWANDEN

mir nicht darum, dass sie einen bestimmten Beruf wie zum Beispiel Arzt lernen. Sie sollen selber entscheiden, was sie werden möchten, Hauptsache, sie können studieren. Es ist mir wichtig, dass sie eine gute Ausbildung machen können. Ich blicke mit Zuversicht in die Zukunft. Ich glaube, dass für mich als Familienvater und auch im Beruf gute Zeiten kommen. Es braucht Geduld, denn ich muss noch viel lernen, damit ich hier dauerhaft als Krankenpfleger arbeiten kann. Am liebsten in Basel, die Stadt gefällt mir sehr. Wichtig ist mir auch, dass ich noch besser Deutsch lerne. Vor allem schriftlich möchte ich mich noch besser ausdrücken können. Zudem ist es nicht immer leicht mit dem Dialekt. Die alten Leute im Heim sprechen meistens Basler Dialekt mit mir. Ich verstehe das zwar schon recht gut, aber ich möchte es noch besser können. Man muss sich anstrengen, damit es vorwärtsgeht. Ich habe eine Familie, für die ich selber sorgen will, damit wir nicht zum Sozialamt müssen. Ich muss also Ausbildung und Arbeit parallel machen. Das ist nicht einfach, aber ich bleibe Optimist, denn ich gehe zuversichtlich durchs Leben.» ■ SURPRISE 278/12


Eine Chance für alle! Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich

Andreas Ammann Bern

Ausserdem im Programm SurPlus: Marika Jonuzi, Basel Bob Ekoevi Koulekpato, Basel Jovanka Rogger, Zürich

selber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkaufende werden von Surprise gezielt unterstützt. Die Teilnehmer am Programm SurPlus sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit). Mit der Programmteilnahme übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Verantwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarkt zu werden.

Fatima Keranovic Baselland

Peter Gamma Basel

Jela Veraguth, Zürich Wolfgang Kreibich, Basel Kurt Brügger, Basel Anja Uehlinger, Baden

Marlis Dietiker, Olten Tatjana Georgievska, Basel René Senn, Zürich Josiane Graner, Basel

Ja, ich werde Götti/Gotte von: 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 500 Franken

278/12 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 278/12

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

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Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

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Datum, Unterschrift 278/12 Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Herausgeber Verein Surprise, Postfach, 4003 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Reto Aschwanden (Nummernverantwortlicher), Florian Blumer, Diana Frei, Mena Kost redaktion@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit texakt.ch (Korrektorat), Yvonne Kunz, Delia Lenoir, Irene Meier, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Luca Christen, Andrea Ganz, Michael Gasser, Lucian Hunziker Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 15000, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 61

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Patrick Würmli, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller o.joliat@vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 278/12


Macht stark.

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Von Aarberg bis Zuoz. Surprise gibt es beim Strassenhändler Ihres Vertrauens. Oder im Abo per Post.

24 Ausgaben für 189 Franken oder als Gönner-Abo für 260 Franken. Gutes lesen, Gutes tun und gleich bestellen! www.vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch, Spendenkonto PC 12-551455-3 Verein Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99


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