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Wunschkind Fake Babys wecken echte Muttergefühle Pet Shop Boys – der Popsong als Kunstwerk

Bologna-Reform: Und die Studenten werden trotzdem nie erwachsen

Nr. 284 | 21. September bis 4. Oktober 2012 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Titelbild: Roland Soldi

Editorial Ego Music BILD: ZVG

Babyjahre, Jugendjahre, Studium und die Helden meiner eigenen Teenie-Zeit, die unterdessen auch schon etwas ergraut sind – die Pet Shop Boys: Wir schlagen mit unseren Themen den Bogen über eine ganze Reihe von Lebensphasen. Und wir schauen uns Befindlichkeiten, Stimmungen und Veränderungen an, die uns beeinflussen, prägen. Wir haben künstliche Babys besucht, in den Arm genommen und festgestellt: In einer Zeit, in der über Sinn und Unsinn von Frauenquoten im Arbeitsleben diskutiert wird, gibt es tatsächlich Frauen, die ihren Baby-Attrappen täglich die Kleider wechseln. Seit einiger Zeit schleicht sich ein hochstilisiertes Ideal von Mutterschaft zurück in eine Welt, die sich gerne recht gleichberechtigt gibt. Letzten Endes geht es DIANA FREI REDAKTORIN hier um Rollenbilder und die Erwartungen, die man mit ihnen verknüpft. So führen uns auch die historischen Fotografien des Basler Fotografen Lothar Jeck und seines Sohnes Rolf Jeck vor Augen, wie im militärischen Vorunterricht 1945 die Marschtüchtigkeit der Jugend zwangsweise gefördert wurde und wie knapp 50 Jahre später ein paar Skater einen Wettbewerb daraus machen, wer auf einer Laufstrecke seinen Bierharass am schnellsten ausgesoffen hat. Die Bilder lassen ahnen, dass die Selbstverwirklichung vielleicht gar nicht so weit entfernt ist vom Drill früherer Jahre, weil die Heranwachsenden heute genauso gefangen sind: im Spass-haben-Müssen, aber auch im Funktionieren-Müssen. Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls das, was unsere Journalistinnen über das Bologna-System an den Unis herausgefunden haben. «Im Prinzip ist Bologna die konsequente Fortführung der kapitalistischen Leistungsgesellschaft: Du bringst eine Leistung, dann erhältst du einen Punkt», sagt ein Professor, und bemerkenswert ist die Tatsache, dass bei allem Druck die Leistung offenbar trotzdem ausbleibt. Nachdem sich die Pet Shop Boys musikalisch schon des Öfteren als Spezialisten für biografische Prägungen und Lebensgefühl erwiesen haben (man denke an «It’s A Sin» oder «Being Boring»), zeigen sie sich im Gespräch als ebenso geistreiche Kommentatoren des Zeitgeistes. Ihren Song «Ego Music» sehen sie als Blick von einer Generationen auf die nächste, und im Gespräch mit dem Musikjournalisten Hanspeter Künzler war Chris Lowe schon fast drauf und dran, eine Statistik hervorzusuchen, die belegt, dass in heutigen Songtexten dass Wort «ich» bedeutend öfter auftrete als noch vor 20 Jahren. Trotzdem: Wir wollen jetzt nicht behaupten, früher wäre alles besser gewesen. Aber es ist spannend, in welchen Facetten des Lebens sich der Zeitgeist besonders schön zeigt. Wir wünschen Ihnen eine unterhaltsame Lektüre Diana Frei

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@vereinsurprise.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 284/12

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10 Reborns Die Gefühlsattrappen BILD: ROLAND SOLDI

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Inhalt Editorial Zeitgeist Die Sozialzahl An der Armutsgrenze Aufgelesen Ramadan statt Randale Zugerichtet Eifersuchtsdrama Leserbriefe Die Tür vor der Nase zuschlagen Starverkäufer Ruedi Kälin Porträt Politik als Performance Historische Fotografie Jugend zwischen Autorität und Selbstverwirklichung Fremd für Deutschsprachige Nationen im Luftraum Freiluftkunst Hängende Weihnachtsbäume Kulturtipps «Ein Klavier, ein Klavier!» Ausgehtipps Musikalische Entdeckungsreise Verkäuferporträt Der 15-Jahre-Jubilar Projekt Surplus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP

In den USA begann man schon in den Neunzigerjahren, Säuglinge aus Vinyl oder Silikon herzustellen. Die Wissenschaft zeigt: Die Puppen sehen nicht nur lebensecht aus, sie können auch echte Muttergefühle auslösen. Und das wiederum lässt Rückschlüsse auf die Stellung der Frau zu. Nun hat der Boom der sogenannten Reborn-Babys auch die Schweiz erreicht. Ein Atelierbesuch bei einer Aargauer Reborn-Künstlerin.

14 Universitäten Studentenleben nach Bologna BILD: IRENE MEIER

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Als das Bologna-System an den Universitäten Einzug hielt, fürchteten Studierende und Professoren eine Verschulung des Lehrbetriebs und weniger Freiheiten. Man ging davon aus, dass Bologna die Studierenden zu karrieresüchtigen Lernmaschinen machen würde, unfähig zu eigenen kritischen Gedanken. Wir haben drei Thesen dazu aufgestellt, ob der Systemwechsel tatsächlich einen Mentalitätswandel mit sich bringt. Ein Professor, eine Studentin und ein Studienberater nehmen Stellung.

20 Pop Exil im Elysium

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BILD: PELLE CREPIN

In den Achtzigerjahren stürmten die Pet Shop Boys regelmässig die Singlecharts. Seither bewegt sich das Duo stilsicher zwischen Popbetrieb und Kunstwelt. Auf ihrem neuen Album «Elysium» singen sie über verblassende Berühmtheit und die Ego-Musik der Gegenwart. Die Zeit der ganz grossen Hits ist vorbei, denn Neil Tennant und Chris Lowe sehen mittlerweile keine Verbindung mehr zu aktuellen Musikern: «Wir sind ganz in unserer eigenen kleinen Welt versteckt.» Ins Radio wollen sie aber weiterhin.

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Muslime für Frieden London. «Ich bin ein bisschen parteiisch», sagt Ashley Chin, Schauspieler, Rapper und konvertierter Muslim, «aber ich glaube, der Islam hat die Antwort auf viele Probleme Britanniens.» Ähnlich sieht dies Nurul Ullah, islamischer Jugendarbeiter in London, der erfolgreich gewalttätige Jugendliche mit geläuterten Häftlingen zusammenbringt. Viele muslimische Jugendliche aus Problemvierteln hätten bei den letztjährigen Unruhen in London nicht mitgemacht – weil Ramadan war, «eine Zeit von Frieden, Spiritualität und Respekt».

Nonnen auf Tour Chicago. 14 katholische Nonnen tourten diesen Sommer in einem Bus durch die USA. Ihre Mission ist «ein faires und von Mitgefühl geprägtes Staatsbudget», sie kämpfen gegen den vonseiten der Republikaner drohenden Kahlschlag am Sozialstaat. Unterwegs trafen sie unter anderem eine Familie, die ihre 56jährige Mutter verloren hatte – weil sie sich keine medizinische Behandlung leisten konnte. Der Papst indes protestierte: Die Schwestern sollen sich weniger für soziale Gerechtigkeit einsetzen und mehr gegen Schwulenehe und Abtreibung kämpfen.

Mehr als Fussball Hamburg. Der FC St. Pauli ist nicht einfach ein Fussballclub. An Heimspielen wähnt man sich zuweilen eher an einem Punkkonzert als an einem Fussballspiel. Entsprechend umstritten war der Stadionneubau am Millerntor, der halt doch irgendwie fällig war. Zwei Fotografen – und Fans – haben die Zeit vor dem Abriss dokumentiert. Sie beschreiben das Dilemma des St.-Pauli-Fans: Man unterstütze den Club, damit er in die 1. Liga aufsteigt, hoffe dann aber, dass es doch nicht eintrifft – aus Angst um den «typischen St.Pauli-Charme».

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Zugerichtet Das Ende einer heissen Julinacht Eifersucht, schwarze Schwester der Liebe, krallt sich fest in der Brust, frisst die Seele auf. Wie öd wär’ die Literatur ohne das Heftigste aller Gefühle. In der Wirklichkeit enden solche Dramen häufig im Gerichtssaal, grosses Theater gibt es freilich auch da. Esmeralda*, seit zwei Jahren in Haft, sitzt heulend vor den Oberrichtern. Sie selbst wie auch der Staatsanwalt erhoben Einsprache gegen das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts Zürich, das sie wegen schwerer Körperverletzung zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilte. Die Staatsanwaltschaft fordert sieben Jahre für versuchte Tötung, sie will einen Freispruch. «Ich bin keine Mörderin!», wehklagt sie übertrieben auf Spanisch. Das hat der Angeklagten auch niemand vorgeworfen, das Opfer hat überlebt. Esmeralda, vor 48 Jahren auf den Dominikanischen Inseln geboren und mit 16 zum ersten Mal schwanger, lebte mit ihrem Mann in Spanien. Doch ihr Geld verdiente sie im Zürcher Kreis 4 als Prostituierte, «leider, leider», ergänzt sie auf Deutsch. In einer Bar lernte sie den Bosnier Murat kennen, ein kindlich machohafter junger Mann von 25 Jahren. Sie hatte vielleicht den Wunsch nach einer ernsthaften Verbindung. Denn eines verband sie ohnehin – sie waren Fremde im fremden Land, die einander gefunden hatten. Das ungetrübte Glück war es nicht. «Es war keine richtige Beziehung, wissen Sie», schränkt sie ein. «Er hat mich angerufen, er wollte dies und jenes, und wenn ich kein Geld hatte, dann wollte er auch nichts von mir.» Im Hochsommer vor zwei Jahren ging sie in die Bäckeranlage, da sah sie, wie er eine an-

dere Frau küsste. Eine Kränkung, die Esmeralda wütend machte. Sie explodierte, riss die Nebenbuhlerin an den Haaren, ohrfeigte ihren Geliebten. Die Zeugen hörten es klatschen. Danach ging jeder seines Weges. Kurz vor Mitternacht raste sie jedoch wie von der Tarantel gestochen ins Asylzentrum, wo der junge Bosnier wohnte. Erneut kam es zum Streit. Sie rangelten und schlugen sich. Er fiel zu Boden, japste nach Luft. Sie ging nach Hause. «Ich bin keine Mörderin», schluchzt Esmeralda. Auf ihrem Pult liegt ein Dutzend zusammengeknüllte Taschentücher. Sie sei eine unterwürfige, arbeitswillige Mutter, niemals würde sie jemanden töten. «Die Scham über eine solche Tat würde mich umbringen.» Doch sie hatte sich bereits bei der Einvernahme in tausenderlei Widersprüche verheddert, ständig neue Versionen erzählt. Der Oberrichter bestätigt das erstinstanzliche Urteil. Das Motiv sei klar: Eifersucht. Das Spurenbild sei ebenfalls eindeutig. Esmeralda habe ihren Freund niedergestochen. Ihrer Behauptung, wonach er von selber ins Messer gefallen sei, «widersprechen die Indizien». Zudem sei das Tatwerkzeug verschwunden. «Das Opfer hat kein Interesse, es verschwinden zu lassen, und davonfliegen kann das Messer auch nicht.» Ob ein Tötungsversuch vorliege, lasse sich nicht sagen, sicher aber handle es sich um eine schwere Körperverletzung. Der Richter spricht von einer spontanen Überreaktion in einer Beziehungskrise. Esmeralda muss zurück ins Gefängnis, noch bis Ende Jahr. Dann hat sie die Strafe abgesessen und kann wieder nach Spanien. «Mein Ehemann wartet auf mich», lässt sie den Richter wissen, «das hat er mir versprochen.» ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 284/12


Leserbriefe «Je grösser der Besitz, desto kleiner die Bereitschaft zu teilen»

Firmen verantwortlich für Verpackung Seit 38 Jahren lebe ich in Tunesien und möchte zum hochinteressanten Artikel übers Recycling folgendes vermerken: Das Sammeln von Abfall ist problematischer, als man vermutet. Hier wurden vor einigen Jahren Container aufgestellt, um Plastik vom übrigen Abfall zu trennen. Die Übung wurde eingestellt, weil viele Leute sich foutierten. Sammler von Plastik oder Petflaschen werden seither von spezialisierten Firmen für das Gesammelte bezahlt. Nun schmeissen die Leute auf der Suche nach Plastik den Abfall aus dem Container einfach auf den Boden und lassen natürlich alles liegen! Nun zur Schweiz: Der gewöhnliche Konsument ist nicht so verantwortlich für das immense Volumen an Abfall. Ich nehme da die Firmen und Händler in die Verantwortung. Alles wird überflüssig verpackt. Man sollte auch gefährliche Substanzen und somit hochgefährlichen Abfall (der oft in armen Ländern «entsorgt» wird) besser erst gar nicht herstellen. Marianne Traïki-Eigenheer, Hammamet/Tunesien

Basteln für eine bessere Welt Den Humor überstrapaziert «Basteln für eine bessere Welt» gehört zu meinen Lieblingsleckerbissen im Surprise, obwohl Basteln nicht zu meinen Hobbys zählt. Ich liebe den Humor und die sanfte Erziehung zum Guten. Mit den Reiskuchen haben Sie den Humor aber ein wenig strapaziert: Alle Ingredienzien ausser dem Fleisch stammen aus Übersee, und dann muss man die Dinger auch noch drei bis vier Stunden kochen! Reis, Bohnen und Fleisch lassen sich auch mit weniger Energie zu etwas Essbarem verarbeiten und in einem Behälter mit ins Büro nehmen, der nicht im Abfall landet. Yvonne Lenzlinger, Zürich

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@vereinsurprise.ch

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Nr. 282: Bella vista Lob für die neuen Kolumnen Oft können Bilder mehr aussagen als viele Worte! So ist es mir beim Fotoartikel über Kinderarbeit ergangen. Besonders berührt hat mich das Bild mit dem Plastik sammelnden Jungen aus Myanmar. Ihr unterschreibt dieses Bild mit: «Ein illegal eingereister Junge aus Myanmar …» Eine durchaus legitime Formulierung; obwohl sicher ist, dass sich das Kind keine Vorstellung von legal und illegal machen kann! Was hingegen sicher illegal ist, ist die Tragödie, dass sich ein Kind in diesem Alter so durchs Leben schlagen muss. Was mir sehr gut gefallen hat, ist die neue Kolumne «Fremd für Deutschsprachige» (geniales Wortspiel!!) von Shpresa Jashari und der neue Kulturtipp «Piatto forte» von Tom Wiederkehr. Beni Gnos Nr. 283: Feindbild Flüchtling Im Nichts Schweizerkreuz mit Stacheldraht Ihr Artikel über das Ausreisezentrum Flüeli hat mich zum einen Teil sprachlos und zum anderen Teil wütend gemacht. Was ist mit unserer humanitären Schweiz passiert? Wo sind die Grundgedanken von Henry Dunant und anderen humanitär denkenden Schweizern geblieben? Meine Beobachtungen zeigen, dass je grösser der Besitz, desto kleiner die Bereitschaft zu teilen ist. Peter Reber singt in einem Lied von offenen Türen in der Fremde. Hier in der Schweiz würden einem die Türen vor der Nase zugeschlagen. Ich finde die Zustände im Flüeli noch schlimmer. Der einzige Trost ist, dass es engagierte Leute wie diejenigen vom Verein Miteinander Valzeina gibt, die den Leuten helfen. Es wäre an der Zeit, das weisse Schweizerkreuz in unserer Flagge durch ein schwarzes «Sterbekreuz» zu ersetzen und es mit Stacheldraht zu umkränzen. Cuno Seiler, Thürnen

BILD: ZVG

Nr. 281: Weise Worte Wir sind Sammelweltmeister

Starverkäufer Ruedi Kälin Tamim Seradj und Marcel Giger aus Zürich nominieren Ruedi Kälin als Starverkäufer. Tamim Seradj: «Ruedi ist mein Starverkäufer, weil er mir jeden Morgen mit den neuesten Informationen über das Wetter, den Fussball oder das Eishockey die Türe öffnet. Dank ihm fängt der Tag mit einem Lächeln an!» Und Marcel Giger schreibt: «Ruedi Kälin weiss stets von jedem seiner Stammkunden, ob er das neue Heft bereits gekauft hat oder nicht. Jeder Verkauf wird akribisch in seinem Buch eingetragen, mit Standort, Wochentag, Uhrzeit und Wetter. Aufgrund dieser Daten plant er seine Einsätze. Ohne Ruedi würde im Strassenbild etwas fehlen.»

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Porträt Der Gesellschaftsgestalter Christian Mueller ist eidgenössisch diplomierter Künstler, doch zeitgenössische Kunst findet er belanglos. Stattdessen betreibt er Politik als Performance. Das Multitalent zeichnet und dichtet, fabriziert Taschen und arbeitet im Pornokino. VON RETO ASCHWANDEN (TEXT) UND DOMINIK PLÜSS (BILD)

Christian Mueller wartet an der Kreuzung Feldberg-/Hammerstrasse im Kleinbasel, bis die Ampel auf Grün schaltet. Dann schiebt er sein Velo, Typ alter Drahtesel, über den Fussgängerstreifen und weiter zum Café Hammer, das er mit Kollegen als Vereinslokal führt. Über der Bar hängen Spiegelglaskugeln in verschiedenen Grössen. So wie die unzähligen Spiegelteilchen das Licht brechen und in einzelnen Strahlen zurückwerfen, so facettenreich sind auch die Tätigkeiten von Christian Mueller. Auf die Bemerkung, er mache viele verschiedene Sachen, entgegnet er: «Ja, aber nichts richtig.» Er lacht dabei, ganz ernst meint er das nicht. Denn sobald der 31-Jährige zu sprechen beginnt, redet ein Überzeugungstäter: engagiert und um keine Antwort verlegen. Mueller hat an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel freie Kunst studiert. Seit dem Abschluss darf er sich «eidgenössisch diplomierter Künstler» nennen. Derzeit tritt er allerdings als Politiker in Erscheinung. Nachdem er letztes Jahr als einziger Vertreter seiner eigenen Partei Freistaat Unteres Kleinbasel (f-u-k) für den Nationalrat kandidierte, bewirbt er sich nun mit zwei Parteikollegen um einen Sitz im Grossen Rat, dem Parlament von Basel-Stadt. Ein Hauptanliegen ist die Abspaltung Basels von der Schweiz. Das klingt zunächst abwegig, der Gedanke dahinter ist es aber nicht. «Demokratie soll den Menschen ermöglichen, sich zu Fragen zu äussern, die sie betreffen. Ich muss nicht über Zweitwohnungen im Wallis abstimmen. Umgekehrt bin ich für ein Stimmrecht ab Wohnsitznahme.» Für Mueller bilden die beiden Basel, Teile von Solothurn, das Fricktal sowie Südbaden und das grenznahe Elsass einen gemeinsamen Lebensraum. Dass ein solcher nicht an politischen Grenzen endet, lernte Mueller schon früh. «Ich ging in drei Kantonen zur Schule, habe dabei aber nur einmal das Schulhaus gewechselt», erzählt er. Im solothurnischen Nunningen besuchte er die Primarschule, dann wechselte er aufs Gymnasium nach Laufen, das seinerzeit noch zu Bern gehörte und nach der Laufental-Abstimmung 1994 zum Kanton Basel Landschaft wechselte. Kandidaturen aus dem kulturellen Umfeld sind in Basel derzeit in Mode. Neben Mueller mischen im Wahlkampf auch Leute aus der Musikszene wie Bianca-Story-Frontmann Elia Rediger mit. Geht es also eher um eine Performance als um ein ernsthaftes politisches Engagement? «Das schliesst sich nicht gegenseitig aus», sagt Mueller. «Politik ist eine Art Performance. Performance heisst Aktion: Man verändert Dinge, indem man etwas macht, nicht indem man darüber redet.» Er komme gerade von der Documenta in Kassel, eine der bedeutendsten Ausstellungsreihen für zeitgenössische Kunst, doch Mueller klingt nicht begeistert: «Das meiste hat mich nicht interessiert. Es ist belanglos, dreht sich nur um sich selber.» Dabei habe die Documenta doch einst den Kunstbegriff ausgeweitet, auch dank Joseph Beuys. Mueller sieht sich in der Tradition des deutschen Aktionskünstlers: «Meine Philosophie bezüglich Kunst und Politik ist jener von Beuys ähnlich. Es geht um die Gestaltung der Gesellschaft. Dabei darf man auch provokant sein.»

Provokant klingen auch manche von Muellers Aussagen. Etwa wenn er erwähnt, dass er Zeitungen lese, jedoch keine Literatur. «Bücher langweilen mich. Die meisten sind einfach schlecht geschrieben.» Der schmal gebaute Mann wischt mit einem Satz die gesamte Weltliteratur vom Tisch. Er lese lieber Zusammenfassungen und Rezensionen: «Es nimmt mich schon wunder, was drinsteht, aber am Ende finde ich immer: Mach aus diesem Stoff doch einen Film.» Einen Film will Mueller bald selber drehen. Das ist sein Projekt fürs kommende Masterstudium in Bern, wo – ausgerechnet – Literatur seinen Schwerpunkt bildet. «Mir geht es darum, ein Drehbuch zu schreiben, und in diesem Studium triffst du auf viele Leute, mit denen du dich austauschen kannst.» Sein Film soll weniger einem linearen Storytelling, wie es im Kino üblich ist, folgen, sondern die Möglichkeiten des Mediums ausschöpfen, aber Genaueres kann Mueller noch nicht sagen: «Ich habe mir ein Denkverbot auferlegt, bis ich das Studium aufnehme.» Im Kino verdient Mueller auch einen Teil seines Einkommens. Genauer gesagt an der Kasse des Basler Pornokinos Mascotte. «Dort suchten sie jemanden und es ist ein praktischer Job. Du hast Zeit zum Lesen

«Bücher langweilen mich. Die meisten sind einfach schlecht geschrieben.»

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und zudem kann ich umsonst in alle Basler Kinos.» Beruflich bewegte er sich die letzten Jahre aber öfter in der Theaterwelt. Schon während der Ausbildung interessierte ihn diese Sparte am meisten, weil sie verschiedene Kunstformen vereint. Mueller hat schon mehrere Stücke geschrieben und arbeitet auch mit Jugendlichen. Er hat ein kleines Pensum beim Jungen Theater Basel und hat bis vor Kurzem immer wieder mit Gymnasiasten Stücke entwickelt. Als freier Künstler kennt Mueller keine Genregrenzen. Unter dem Label «gaggi» («einfach ein schönes Wort») stellt er Taschen her. Zudem schreibt er Gedichte und zeichnet. Vor vier Jahren veröffentlichte er je 27 Werke dieser beiden Sparten im Buch «12092001». Die Zahlenfolge verweist auf den Tag nach dem elften September. «Damals hat etwas Neues angefangen», sagt Mueller. «Darum fand ich den Titel spannend.» Die Angriffe auf die Wolkenkratzer können auch als politische Performance verstanden werden, denn die Bilder sind bis heute im kollektiven Gedächtnis verankert. «Visuell war das ungeheuer stark: die Flugzeuge, die in die Türme fliegen, Feuer, Rauchwolken, der Zusammenbruch.» Nicht dass Mueller Gewalt gutheissen würde, denn der einstige politische Sekretär der Basler Sektion der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) ist Pazifist. Und ein Menschenfreund: «Grundsätzlich ist niemand gern böse. Ausser es gibt einen Grund.» Den Einwand, das sei eine etwas naive Haltung, weil doch Gier und Missgunst auch zu den menschlichen Charakterzügen zählten, lässt er nicht gelten: «Missgunst entsteht nur, wenn du nicht die selben Möglichkeiten hast wie der andere.» Missgünstig muss man Christian Mueller nicht begegnen. Angesichts der vielen Ausdruckmöglichkeiten, die er sich zu eigen macht, könnte man aber schon ein bisschen neidisch werden. ■

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Reborns Die Babymacherin Marina Wieser stellt lebensechte Säuglingspuppen her, und die Frauen stützen unweigerlich deren Köpfchen, wenn sie sie in den Arm nehmen: Das Fake Baby wirkt wie ein Placebo für den Rausch des Mutterglücks.

VON DIANA FREI (TEXT) UND ROLAND SOLDI (BILDER)

Oft arbeitet Marina Wieser nach Fotos, die ihr die Kunden und Kundinnen schicken. Einmal war da ein Mann, der seine unterdessen vierjährige Tochter als Reborn-Baby bestellte. «Wahrscheinlich für seine Frau als Erinnerung», meint Marina Wieser. In solchen Fällen sucht sie unter Tausenden von Bausätzen nach einem, der der Vorlage ähnelt: «Meistens findet man etwas. Die Ähnlichkeiten sind schnell vorhanden, mit den Speckröllchen und den zerknautschten Gesichtern.» Wieser ist in ständigem Kontakt mit den Kunden und fragt nach, ob das Baby ihren Wünschen entspricht. «Da sagt vielleicht jemand, ich hätte gern noch ein bisschen geschlossenere Augen oder einen offeneren Mund. Dann suche ich weiter.» Entstanden ist das Rebornen in den frühen Neunzigerjahren in den USA, unterdessen sind die Fake Babys auch in England etabliert, und auch in der Schweiz haben einige Rebornerinnen bereits ihr Nest gebaut. Die meisten Webseiten von Reborn Artists hinterlassen einen emotions-, um nicht zu sagen hormondurchfluteten Eindruck. Die rosa

Härchen einzustechen dauert Stunden, das macht Marina Wieser am liebsten vor dem Fernseher. Mit einer Nadel zieht sie die Mohair- oder Alpaca-Haare einzeln in den Puppenkopf, bis er die schüttere Frisur eines Neugeborenen hat, Mikro- oder Monorooting heisst das im Fachjargon. Seit August widmet sich Wieser vollumfänglich dem Rebornen. Was heisst: Sie stellt lebensechte Puppen im Neugeborenenalter her. In ihrem Onlineshop bietet sie zudem Materialien für Kunden an, die selber ein Reborn – auch Fake Baby genannt – herstellen wollen, und sie gibt die nötigen Kurse dazu. Bis im Sommer war sie Betreuerin in einem Behindertenheim, doch unterdessen sind ihre Kurse innert Wochen ausgebucht. Momentan hat sie acht Fake Babys in Auftrag: «Grad ein bisschen viel», sagt die 23-jährige Aargauerin. Auf eine Decke drapiert liegen die fertigen Babys da: Frühgeburt Daisy mit zugekniffenen Augen, Bethany mit hilfesuchendem Blick, die Haut ganz sachte rot gefleckt, die einzelnen Äderchen schimmern durch die zarte BauchDie Puppen gibt es unter der Rubrik «Adoption» zu erdecke mit der kugeligen Form. Nimmt man ein werben. Und die Fotos erinnern an die Babygalerien von Reborn mit seinen krummen Beinchen und Geburtskliniken. dünnen Fingerchen in den Arm, spürt man seinen schweren Körper. Bei Luxusvarianten hinterlegten Fotos der Reborns erinnern an die Babygalerien von Gepocht das Herzchen, und Hersteller in den USA oder in England bieten burtskliniken, und die Puppen gibt es unter der Rubrik «Adoption» zu auch solche an, die sich warm anfühlen. «Die meisten Frauen stützen das erwerben, Grösse: 51 cm, Gewicht: 3948 g, geboren am: 15. April 2012, Köpfchen, wenn sie es auf dem Arm haben», sagt Marina Wieser, «und Geburtszertifikat und Klinikarmband inklusive. keine würde es wie einen Gegenstand einfach wieder hinlegen. Wenn ich sehe, wie die Leute drauf reagieren, ist klar, dass ein Reborn-Baby etwas «Mein Mann meint, ich hätte eine Schraube locker» in ihnen auslöst.» «Erweckt Emotionen» ist der Slogan ihres Shops, aber Den Namen suchen die Auftraggeber aus. «Es gibt auch solche, die Marina Wieser selber sieht die Sache nüchtern: «Für mich geht es um die sagen, wir überlegen es uns nochmals. Oder dann rufen sie drei- oder künstlerische Arbeit, ums Ausprobieren von neuen Techniken, Farben, viermal an und ändern ihn hin und her», sagt Marina Wieser. Um die IlNadeln, Haaren.» Sie setzt die Puppen aus einem vorgefertigten Vinyllusion perfekt zu machen, legt sie einen Lufterfrischer mit Puderduft ins Bausatz zusammen, trägt Farbschicht um Farbschicht auf, Hautton, AuBaby (nach einigen Minuten im Atelier vergisst man unweigerlich, von genfarbe und Haare ganz nach Wunsch, mit oder ohne rote Fleckchen «Puppe» zu reden) und packt zwei frische Windeln, Söckchen, eine Deund Überbleibsel der Geburtsstrapazen, Glasaugen rein, Wimpern auf cke und einen Haarspray zur Befeuchtung ins Paket, wenn sie ein ReBestellung, Mädchen oder Junge, mit oder ohne Heart Beat Box. Das Geborn in sein neues Zuhause verschickt. wicht ergibt sich durch die Füllung aus Edelstahl- und Glasgranulat, daGekauft werden die Reborns fast nur von Frauen, und die Gründe zu kommt der «Babyspeck», ein Softgranulat aus Plastik. sind unterschiedlich. Da gibt es die Puppenliebhaberinnen, die sich eins für ihre Sammlung leisten, «vielleicht wie ein Mann, der Modellautos Hormondurchflutete Webseiten sammelt», meint Wieser, «da gilt ja auch: Je echter es aussieht, desto «Der Bausatz ist aus Vinyl, weil er sich so hautähnlich wie möglich besser.» Als ehemalige Behindertenbetreuerin kennt sie berufsbedingt anfühlt, aber es kommen immer wieder neue Produkte auf den Markt», auch den Einsatz für therapeutische Zwecke. Reborns können in Alterssagt Marina Wieser. Es gibt auch schon Silikonbabys, die sind noch leheimen zum Einsatz kommen, um die Feinmotorik von dementen Leubensechter, aber teuer. Das letzte ging auf Ebay für 25 000 Dollar weg. ten zu trainieren. «Es gibt ähnliche Konzepte auch in der BehindertenWieser verkauft ihre Puppen zwischen 600 und 800 Franken, 50 bis 100 betreuung», sagt sie. «Ich hatte eine Kundin, die ihrer behinderten Arbeitsstunden investiert sie in jedes Exemplar. Das Resultat ist ein ganz Schwester ein Reborn machen liess.» Als sie eine Anfrage für ein Kind legales Designbaby. Ein Wunschkind ohne Nebenwirkungen wie Gehatte, das gestorben war, war es für sie durchaus traurig, zu wissen, schrei, volle Windeln oder längerfristige Einschränkungen des Famidass das Kind, nach dessen Bild sie arbeitete, nicht mehr lebt. «Aber ich lienbudgets.

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Kopf und Gliedmassen werden mit dem richtigen Hautton scheinbar zum Leben erweckt und zum Trocknen aufgehängt.

binden. Man kann sie ganz anders schmücken als einen Jungen. Man kann mir vorstellen, dass eine Mutter auf die Art besser mit dem Tod kann mit ihnen besser «bäbele». umgehen kann.» Dass eine Puppe so starke Gefühle auslösen kann, überrascht HenUnd dann gibt es jene, die das Reborn als Ersatz für ein echtes Baby ning Scheich nicht. Scheich ist der Direktor des Leibniz-Instituts für Neusehen. Fernsehbeiträge zeigen Fake-Baby-Mütter beim Spazieren mit robiologie in Magdeburg und ein Experte, wenn es um Muttergefühle dem Kinderwagen, und klickt man sich durch Internetforen aus den geht. Er hat die Hirnaktivitäten von Eltern und Nicht-Eltern beim AnhöUSA und aus England, liest man Beiträge folgender Art: «Ich habe kürzren von Babylauten untersucht, und schon länger, so Scheich, habe die lich Scarlett adoptiert und erlebe seither sehr gemischte Reaktionen. Forschung mit Attrappen-Versuchen klar gezeigt: «Gewisse Merkmale löEntweder erwähnen es meine Freunde schon gar nicht, oder sie bemitleiden mich. Wie weit geht Ihr mit Eurem Reborn? Geht Ihr mit ihm im Kinderwagen raus? «Wie weit geht Ihr mit Eurem Reborn? Geht Ihr mit ihm im Und wenn Leute sich für Euer Baby interessieKinderwagen raus?» ren, sagt Ihr, dass es ein Reborn ist, oder lächelt Ihr einfach und geht weiter?» Eine andesen in uns ein ganz bestimmtes Verhalten aus. Fake Babys sind nichts anre Reborn-Mami schreibt: «Mein Mann meint, ich hätte eine Schraube deres als Baby-Attrappen, mit denen angeborene Reflexe ausgenützt werlocker. Aber ich wollte schon früher mehr Kinder und konnte mir fiden.» An der Faszination für Reborns findet er nichts Pathologisches: Das nanziell nur zwei leisten. Nun habe ich Grosskinder, aber es scheint Reborn wirkt ganz einfach als Placebo, das einen Rausch des Mutterauch bei zwei zu bleiben.» glücks auslösen kann. Scheich spielte Müttern und Vätern, Eltern und Nicht-Eltern Aufnahmen von vergnügten und weinenden Babys vor und Mädchen bevorzugt mass ihre Hirnaktivität. Er fand deutliche Unterschiede: Die Reaktionen Auch Marina Wieser kennt die Fernsehsendungen, in denen Frauen hingen davon ab, wie viel Erfahrung eine Person bereits mit Kindern gemit den Tränen kämpfen, wenn sie ihr lang ersehntes Fake Baby ausmacht hatte. Ist ein Gehirn einmal auf Kinder eingestellt, braucht es keipacken, und Reborn-Mütter ihren Vinylsäuglingen je nach Tagestempene Hormonschübe mehr, um mütterliches Verhalten auszulösen. Es geratur die Kleidchen wechseln. «Ich kann nachvollziehen, dass das tatnügt der blosse Reiz: der Anblick eines Babys. Oder eines Fake Babys. sächlich gemacht wird», sagt sie, «aber ich glaube, in der Schweiz sind Neurobiologen vom University College in London scannten zudem die Hemmungen doch zu gross, dass jemand mit seinem Reborn-Baby die Gehirne von jungen Müttern beim Anblick ihrer Babys und regispazieren gehen würde.» Doch kommt es wahrscheinlich nicht von unstrierten dabei einen starken Anstieg im Belohnungsschaltkreis, zu dem gefähr, dass sie mehr Mädchen als Jungen verkauft: «Viel mehr.» Mädder Nucleus accumbens gehört. Er spielt eine zentrale Rolle bei der Entchen kann man in Röckchen einkleiden, rosa Maschen um die Köpfchen

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Schläft friedlich: Frühgeburt Daisy.

lautete die Devise erst vom 19. Jahrhundert an: Die Mütter müssen sich stehung von Sucht und könnte dazu beitragen, dass Mäusemütter, wie um die Kinder kümmern. Und Moralisten, Administratoren und Ärzte sich in Tests gezeigt hat, ein geradezu rauschhaftes Verlangen nach Bafanden in der Folge Argumente, «um die Mütter zu überzeugen, sich bys entwickeln können. Bloss: «Die Spielerei mit angeborenen Menwieder besseren Gefühlen zuzuwenden», schreibt Badinter. schen-Schemata birgt soziale Gefahren», sagt Henning Scheich: «Indem Heute hat die Pille die meisten Kinder längst zu Wunschkindern geman eine Maschine zum Ersatz für den realen sozialen Kontakt macht, macht. Das Kind ist Zentrum der Familie, Investition in die Zukunft und kreiert man eine Abhängigkeit.» oft auch Statussymbol. Der Rausch des Mutterglücks ist en vogue, und Vor allem Frauen, die sich ein Leben lang primär der Kindererzieso kann man sagen: Das Reborn ist nicht nur Placebo, sondern auch hung gewidmet haben, kommt ein Stück Lebensinhalt abhanden, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Was bleibt, ist ein Stapel Kinderzeichnungen und Fotos von «Fake Babys sind nichts anderes als Baby-Attrappen, mit glacéverschmierten Mündern, zerschlagenen denen angeborene Reflexe ausgenützt werden.» Knien und Zahnlücken-Grinsen. Und sonst: Leere in der Wiege, Lücke im Alltag, Loch im Symptom einer Gesellschaft, in der die Mütter in ihrer Rolle aufgehen, Herzen. «Empty Nest Syndrome» heisst die Fachbezeichnung: Leeresbis sie sich selbst in Nichts auflösen. Nest-Syndrom. Marina Wieser macht zwar ein Baby nach dem anderen, ihre Rolle hat sie aber als Geschäftsfrau gefunden. Da steht sie inmitten von BaMütter, die sich in Nichts auflösen bystramplern, Windeln und Körben voll Schnullern und gibt TV-LifeZwar sind die mütterlichen Gefühle aus neurologischer Sicht ein anstyle-Magazinen und der Presse Auskunft über ihre Arbeit – und muss geborener Reflex. Aber wie sehr sich eine Frau in ihre Mutterrolle hindabei eine bestimmte Frage des Öfteren über sich ergehen lassen: Sind einsteigern kann, hängt vom Wert der Mutterschaft und der Stellung des eigene Kinder ein Thema? Marina Wieser winkt ab: «Wir sind damit beKindes in der Gesellschaft ab. In den Achtzigerjahren sorgte die französchäftigt, mit dem Reborn-Shop ein Geschäft aufzubauen. Da hätte gar sische Philosophieprofessorin Elisabeth Badinter mit ihrem Buch «Die kein Kind Platz.» Obwohl, ihr Mann hat auch schon einer Puppe die Mutterliebe» für Aufsehen, in dem sie den Wandel der mütterlichen GeWindeln angezogen: «Er weiss, wie es geht.» Aber vorerst hat sie noch fühle historisch betrachtete: Jahrhundertelang war die Mutter-Kind-Benicht mal ein Fake Baby für sich behalten. ziehung von Gleichgültigkeit geprägt, und noch im 18. Jahrhundert star■ ben etliche Säuglinge in den Händen von Ammen und Pflegefamilien, ohne die leibliche Mutter je zu Gesicht bekommen zu haben. Aus Sorge Wiesers Reborns an der Creativa Zürich: 27. bis 30. September, Halle 7, Stand D21. um die Kindersterblichkeit und damit um die Grundfesten des Staates www.rebornshop.ch SURPRISE 284/12

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Universitäten Punktefressen alla bolognese Im Juni haben an der Universität Basel die letzten Studierenden ihr Studium mit einem Lizentiat abgeschlossen. Ab jetzt gilt das Bologna-System. Was bedeutet das für das Leben der Studierenden? Wir haben uns in den Geisteswissenschaften umgehört.

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VON DOROTHEE MINDER UND JANINE KERN (TEXT) UND IRENE MEIER (ILLUSTRATION)

Wir studierten Kunstgeschichte und Englisch, weil uns diese Fächer interessierten. Wir hatten kein Karriereziel, aber wir wollten etwas lernen, uns in Themen vertiefen und uns einen möglichst breiten Horizont erarbeiten. Wir genossen es, fachliche Schwerpunkte zu setzen. Die eine ging für einen Monat nach Rom, um Renaissancekunst im Original zu sehen. Die andere arbeitete in den Semesterferien, um in Zeiten vor Erasmus die exorbitanten Studiengebühren für ein Jahr in Edinburgh zusammenzusparen. Daneben jobbten wir im Service, als Hilfsassistentinnen oder als Kurierfahrerin. Wir waren Studentinnen. Und dann kam die Umstellung auf das Bologna-System. Weder die Studierenden noch die Dozierenden wollten diese Reform, so schien es. Alle fürchteten den grossen administrativen Aufwand für Prüfungen, Präsenzkontrollen und Statistiken. Es klang nach Verschulung, Kontrolle und Gängelei für die Studierenden. Trübe Aussichten für alle Verfechter der freien Geisteswissenschaften! Dieses System, so wurde geunkt, würde denkfaule Minimalisten produzieren, die ein Studium raschmöglichst abspulen. Schule und Hotel Mama bis zum ersten Job, und dann viel Geld verdienen. Haben sich diese Befürchtungen bestätigt? Wir fragten bei einem Dozenten, einer Studentin und einem Studienberater nach. Walter Leimgruber ist Professor und Leiter des Instituts für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie an der Universität Basel und hat einen scharfen Blick dafür, wie sich die Mentalität der Studierenden verändert hat. Tamara Posillipo absolviert zurzeit einen Master in Kulturwissenschaften. Markus Diem leitet die Studienberatung der Universität Basel und kennt die Sorgen der Studierenden. Mit ihrer Hilfe wollten wir unsere pessimistischen Thesen zu Bologna überprüfen. These 1: Heute sind die Inhalte des Studiums nebensächlich, es zählen nur Kreditpunkte. Wir selber besuchten an der Uni nur Veranstaltungen, die uns interessierten. In den Seminaren wurde angeregt diskutiert, denn alle waren aus Interesse da. Deshalb dauerte das Studium meistens sehr lange – fünf, sieben oder auch zehn Jahre waren keine Seltenheit. Vorgaben und Kontrollen waren minimal. Irgendwann veränderte sich die Stimmung in den Seminaren. Plötzlich wurde in den Seminaren ganz offen Zeitung gelesen oder am Handy herumgespielt. Das waren Bachelor-Studierende, die ihre Kurse wegen der rigiden Präsenzkontrollen absitzen mussten. Für Markus Diem stimmt die These voll und ganz: «Das Studium ist das Kässeli, und die Kreditpunkte sind die Währung der Studierenden.» Sie rechnen genau aus, welche Veranstaltungen ihnen mit minimalem Aufwand die nötigen Punkte bringen. Die Inhalte haben an Gewicht verloren. Auch Walter Leimgruber beobachtet diese Entwicklung: «Im Prinzip ist Bologna die konsequente Fortführung der kapitalistischen Leistungsgesellschaft: Du bringst eine Leistung, dann erhältst du einen Punkt.» Ohne Belohnung wird kaum mehr etwas gemacht. Niemand meldet sich für eine Exkursion an, die keine Kreditpunkte bringt, auch wenn sie von einem Mitstudenten initiiert und organisiert wird. Das ist schade, meint der Professor, denn in den Geisteswissenschaften geht es gerade auch darum, Haken zu schlagen und einen anderen Blick auf die Welt zu erhalten. SURPRISE 284/12

Tamara Posillipo sieht das genauso: «Ich belege eigentlich nur Veranstaltungen, die mich interessieren. Diese Freiheit nehme ich mir, denn es zwingt mich ja niemand, in der Regelstudienzeit fertig zu werden.» Auch das Auslandssemester in Seoul hat sie nicht für die Anerkennung im Studium gemacht, sondern um neue Erfahrungen zu sammeln. «Man muss sich lösen von der Idee, nur für Punkte zu studieren», sagt Tamara. Natürlich lesen die meisten nur das Kapitel im Buch, das besprochen wird. «Aber dafür kann man ja nicht das System verantwortlich machen.» Trotzdem ärgert sie sich über zu viele Kreditpunkte, die sie erarbeitet hat, die aber nirgends angerechnet werden. Kapital, das keinen Ertrag bringt. These 2: Bologna produziert stromlinienförmige Karrieristen. Der Berufsbildungsexperte Rudolf Strahm sagte einst in einem Interview mit Surprise, mit Bologna sei es doch so: «Reinfüttern, rauskotzen, und wenn du genügend Kreditpunkte hast, bist du Akademiker.» Und der nächste Schritt, so stellt man sich vor, wäre dann der gut bezahlte Job in einer grossen Firma, wo man sich einordnet und die geforderte Leistung bringt. Walter Leimgruber hat einen ganz anderen Eindruck. Die meisten seiner Studierenden haben keine beruflichen Ambitionen. «Das Bachelorstudium ist zu einer langen Orientierungsphase geworden», stellt er fest. Viele Studierende wollen sich erst nach dem Diplom für eine bestimmte Richtung entscheiden. Das bestätigt auch Markus Diem von der Studienberatung. Und das ist nicht nur beim Beruf so: Man will möglichst lange jung bleiben, keine Verantwortung übernehmen und alle Optionen offenhalten. Die Kehrseite davon ist ein Mangel an Durchsetzungsvermögen und Leistungsbereitschaft. Wer sich nicht festlegt, muss auch nie irgendeine Hürde überwinden. Die Frustrationstoleranz und Kritikfähigkeit der Studierenden ist geringer geworden. Manche Studierende hören von Walter Leimgruber zum ersten Mal, dass ihre Rechtschreibung mangelhaft ist, und brechen ob der Kritik in Tränen aus. Auch das ist ein Zeichen der Zeit: «Wir räumen unseren Kindern jeden Stein aus dem Weg und machen alles möglich», sagt Leimgruber. Manche lernen nie, dass sie auch eine Eigenleistung bringen müssen. Der Schritt in die fordernde Arbeitswelt wird diesen jungen Menschen

«Das Studium ist das Kässeli, und die Kreditpunkte sind die Währung der Studierenden.» Markus Diem

schwerfallen. Und die strenge Struktur des Bologna-Systems mit dem Bachelor löst dieses Problem nicht, im Gegenteil. «Er ist eher eine weitere Streichelphase», findet Leimgruber «und das Aufwachen ist je später, desto härter.» Tamara Posillipo sieht diese Einstellung nicht so negativ: «Karriere interessiert mich nicht, weil ich diesem gesellschaftlichen Druck nicht nachgeben will.» Lieber will sie ihr Leben frei gestalten und sich im Studium die dafür nötigen Denkweisen aneignen. Einem geregelten Job nachzugehen kann sie sich nur schwer vorstellen. «Wir haben alle die Hoffnung aufgegeben, dass wir unser Wissen einmal anwenden können», sagt Tamara. «Wir probieren verschiedene Dinge aus, schauen überall ein wenig rein. So lange das Geld für Miete, gutes Essen und Reisen reicht, ist uns das recht. Wir wissen, dass nichts sicher ist.»

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These 3: Das freie Studentenleben von früher gibt es nicht mehr. Heute ist ein Vollzeitstudium straff organisiert. Diese These bröckelt schon beim ersten Nachfragen. Denn die meisten Studierenden nehmen’s eher locker. Tamara Posillipo sitzt rund 15 Stunden pro Woche in Seminaren und Vorlesungen. Mit Nachbereiten und Arbeiten-Schreiben macht das ein Pensum von rund 50 Prozent. Daneben hat sie immer zwei bis drei Jobs und arbeitet ein paar Stunden pro Woche als Hauswartin, als Nachhilfelehrerin, als Kassiererin oder als Projektmitarbeiterin. Da bleibt ihr noch viel Zeit zum Kochen − «heute haben alle ein Biogemüse-Abo» − für den Ausgang, für Shopping und Reisen. Das Studium ist nicht ihre Hauptbeschäftigung, findet sie, sondern nur ein Teil im gesamten Puzzle des Lebens. «Wir studieren, um das Leben frei gestalten zu können – und nicht, um später Karriere zu machen.» Puzzeln als politisches Statement? Oder doch eher Angst, sich auf etwas richtig einzulassen? «Viele Studierende identifizieren sich nicht mehr mit ihrem Fach oder dem Institut. Sie studieren so nebenher und wollen sich nicht festlegen», sagt Walter Leimgruber. Sie arbeiten nicht, um sich das Studium zu ermöglichen, sondern um ihren Lebensstandard zu halten – die Reisen, das iPhone, die schicke Tasche. Im Zentrum steht immer der Genuss. Mit dieser Haltung kann man sich zwar alle Optionen offenhalten. Aber man erlebt auch nie die Befriedigung, sich mit Haut und Haar auf etwas einzulassen. Das stimmt den Professor nachdenklich: «Unsere Studierenden müssen aufpassen, dass sie nicht

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abgehängt werden», sagt Leimgruber. Denn der akademische Nachwuchs aus Deutschland, Osteuropa oder Asien ist eindeutig leistungsbereiter. «Die wissen: wenn sie etwas erreichen wollen, müssen sie sich anstrengen.» Fazit: Das Studium als Lifestyle-Option Bologna hat das Studentenleben in den Geisteswissenschaften nicht komplett auf den Kopf gestellt. Aber die Studierenden haben sich verändert. Studieren ist eine Lifestyle-Option, weniger eine Ausbildung für das Berufsleben. Die Reglementierung und Ökonomisierung der Universitäten bedeutet insbesondere für die Dozierenden einen gewaltigen Verwaltungsaufwand. Dem gegenüber steht der totale Individualismus vieler Studierender in den Geisteswissenschaften, für die nur zählt, was im Moment gerade stimmt. Das ist ein Zeichen der Zeit: Ich lebe den Moment, nehme das Beste zum günstigsten Preis und habe Spass. Mit der Individua-

«Wir haben alle die Hoffnung aufgegeben, dass wir unser Wissen einmal anwenden können.» Tamara Posillipo lisierung einher geht die Anonymisierung des Studiums. Unser Institut war ein zentraler Ort für uns, wo wir alle kannten, und alle kannten uns. Heute ist das anders. Man kommuniziert per E-Mail, arbeitet zu Hause oder im Café. Wer aber keine Zeit im Institut, in der Bibliothek oder im Gespräch mit den Dozierenden verbringt, wird sich nicht mit seinem Fach identifizieren und auch kein besonderes Engagement zeigen. Darunter leidet die Wissenschaft. Es gab auch früher gelangweilte Studierende, die sich nicht engagiert haben oder die mit der grossen Freiheit der Geisteswissenschaften nicht zurechtkamen. Die nahm man aber kaum wahr, und irgendwann meldeten sie sich einfach ab. Bologna bietet diesen Studierenden klare Leitplanken und ein Diplom nach drei Jahren. So steigen sie nicht als Studienabbrecher ins Berufsleben ein, sondern als Akademiker. Und das ist eine gute Nachricht. ■

Die Bologna-Reform 1999 unterschrieben die europäischen Bildungsminister in Bologna die «Bologna Deklaration». Darin erklärten sie die Absicht, bis 2010 einen einheitlichen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Die wichtigsten Ziele dieses einheitlichen Hochschulraums sind die Schaffung arbeitsmarktrelevanter Qualifikationen für europäische Bürgerinnen und Bürger, die Mobilität für Forschende und Studierende zwischen den Universitäten und die Schaffung international vergleichbarer Abschlüsse. Das Bologna-System sieht Hochschulabschlüsse auf zwei Stufen vor: Der Bachelor soll drei Jahre in Anspruch nehmen und eine Berufsqualifikation bieten, während der Master als vertiefendes Studium auf dem Bachelor aufbaut und mindestens eineinhalb Jahre dauert. Akademische Leistungen werden mit Kreditpunkten (ECTS) honoriert. Ein Kreditpunkt entspricht einem Arbeitsaufwand von 30 Stunden; in einem Studienjahr sollen 60 ECTS-Punkte erarbeitet werden. Im Herbstsemester 2009/10 haben alle Studierenden an einer universitären Schweizer Hochschule ihr Studium in einem Bachelorprogramm aufgenommen. An der Universität Basel, auf die wir für diesen Artikel fokussierten, gilt dies schon seit 2005. Hier haben die letzten Lizentiatsstudenten ihr Studium diesen Sommer abgeschlossen.

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«Vorunterricht 1945» von Lothar Jeck: Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die «Marschtüchtigkeit» der SchweizerJugend zwangsweise gefördert. Hier: Die vordersten Läufer eines 10-Kilometer-Marsches, der im Rahmen des «militärischen Vorunterrichts» durchgeführt wurde, aus dem später «Jugend + Sport» hervorging.

Jugend «Hauptsache Mitschwimmen» Der Basler Fotograf Rolf Walter Jeck führt fort, was sein Vater einst begann: Er rückt mit seiner Kamera immer wieder Kinder und Jugendliche ins Zentrum. So ist eine Bildersammlung entstanden, die über eine Zeitspanne von 80 Jahren Einblicke in die Welt der Jungen gibt.

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«Kriegshilfsdienst 1942» von Lothar Jeck: Zwei Pfadfinder im Kriegshilfsdienst sind

«Harassenlauf 2010» von Rolf Walter Jeck: Erstmals wurde der Basler Harassenlauf

mit dem Handkarren im Einsatz für eine «Züglete».

1994 von einer Gruppe Skater ausgetragen.

VON MENA KOST

fast immer ums Materielle.» Man versuche die Kinder von klein an auf die Arbeitswelt vorzubereiten, die sie erwartet. «Früher galt Ordnung und Disziplin als wesentliche Vorbereitung. Heute sind Erziehung und Schulunterricht zwar freier, aber die Leistung steht immer noch im Vordergrund. Der Eintritt in die Arbeitswelt ist schliesslich nicht leichter geworden.» Es werde alles dafür getan, dass die Kinder im Mainstream der Leistungsgesellschaft «mitschwimmen» können, das Wohlbefinden des Kindes hingegen, seine individuelle Entwicklung, stehe nicht im Vordergrund. «Die Hilflosigkeit unserer Gesellschaft und die Überforderung von Politikern und Polizei im Umgang mit den Jungen zeigt sich etwa in den Reaktionen der Erwachsenen auf die Revolten der Jugend», sagt Jeck und deutet auf ein Bild, das eine Frau zeigt, die vor dem geräumten alternativen Kulturzentrum Alte Stadtgärtnerei in Basel steht und weint, aufgenommen 1988. «Viele Erwachsene haben nicht begriffen, dass man den Menschen an sich ins Zentrum des Lebens stellen muss, nicht Erfolg, Leistung oder Prestige», sagt Jeck. «Viele meinen, wir seien heute weniger autoritätsgläubig als früher, aber bei genauem Hinsehen entpuppt sich das als grosse Täuschung.» ■

Rolf Walter Jeck sitzt vor einem Kaffee im LoLa und streicht sich über seinen weissen Bart. Warum interessiert einen 77 Jahre alten Mann die Jugend? «Kindheit und Jugend sind derart prägende Zeiten im Leben jedes Menschen. Die Gesellschaft sollte mehr darüber nachdenken, unter welchen Bedingungen sie stattfindet», findet der Basler Fotograf. An den Wänden des Basler Quartiertreffpunkts LoLa hängen seine Bilder – und die seines Vaters: seine hauptsächlich in Farbe, die des Vaters in Schwarz-Weiss. Die fotografischen Gegenüberstellungen der Epochen 1930 bis 1950 und 1970 bis 2012 zeigen, wie sich die Zeiten gewandelt haben. Hier Pfadfinder, aufgenommen während des zweiten Weltkriegs: Sie transportierten auf einem Handwagen Stühle im Einsatz für die Allgemeinheit. Dort ein Bild des Basler Bierharassenlaufs 2010: Bei diesem Trinkspiel geht es darum, einen Harass Bier zu trinken, während man eine gewisse Strecke zurücklegt. Der Sieger erhält das Pfand aller ins Ziel gebrachten Harassen. Dann das belgische Flüchtlingskind, aufgenommen 1941, das sich in einem Ferienlager in der Schweiz von den Kriegswirren erholt. Und im Vergleich dazu eine lebhafte Schulklasse während des Französischunterrichts an der Steinerschule Mayenfels in Pratteln, aufgenommen 1986. Oder heutige Schulkinder, die als Direktbetroffene die Bildungspolitik als Fasnachtsmotiv verwenden. «Der Jugend wird und wurde sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt», sagt Jeck und zieht seine Augenbrauen hoch: «Allerdings geht es dabei

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«Kindheit und Jugend im Wandel». Die Ausstellung im Basler Quartierzentrum LoLa, Lothringerstrasse 63, läuft noch bis 31. Oktober. Führungen: Do, 27. September sowie Di, 9. und Do, 25. Oktober, jeweils 14.30 bis 15.30 Uhr. SURPRISE 284/12


«Flüchtlingskind aus Belgien 1942» von Lothar Jeck: Ein vom Krieg gezeichnetes

«Der erste Schultag 1936» von Lothar Jeck: Eine Mutter bringt ihren Sohn ins Basler

belgisches Mädchen während eines Ferienaufenthalts in der Schweiz.

Gotthelfschulhaus.

Rolf Walter Jeck (* 1935) und Lothar Jeck (1898 bis 1983) In der Familie Jeck werden die Männer seit jeher Fotografen: Schon Rolf Walter Jecks Grossvater hat damit seinen Lebensunterhalt verdient, dann sein Vater Lothar Jeck, und auch sein Sohn Valentin arbeitet in der Foto-Branche.

«PISA? voll schreg!» aus dem Buch «Kreative Kinderfasnacht» 2009 von Rolf Walter

Rolf Walter Jeck selbst, 1935 in Basel geboren, absolvierte die Fotografenlehre bei SINAR in Schaffhausen und den Cours de perfectionnement an der Fotoschule Vevey. 1961 legte er die Meisterprüfung ab. Zehn Jahre später übernahm er das Geschäft seines Vaters in Basel, welches er gemeinsam mit seiner Frau Verena bis 2000 führte. 1991 war Rolf Jeck Mitgründer der Interessengemeinschaft für historische Fotografie Basel. Die aktuelle Fotoausstellung hat Rolf Walter Jeck aus eigenen Arbeiten und Bildern aus dem Archiv seines Vaters konzipiert. Einige Archivbilder waren bisher nur als Negativ vorhanden und wurden für die Ausstellung erstmals vergrössert. Lothar Jeck war 1925 bis 1948 als freier Fotoreporter für Ringier unterwegs. Dabei sind viele Reportagebilder von zeit- und sozialgeschichtlichem Wert entstanden: Er arbeitete zu den Themen Arbeitslosigkeit, Hitler wird Reichspräsident, Olympiade Berlin, Warschauer Ghetto, Generalmobilmachung, Anbauschlacht, Kriegszerstörung in Deutschland.

Jeck: Eine Schulklasse hat die PISA-Studie als Motto für die Kinderfasnacht auserkoren. SURPRISE 284/12

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BILD: PELLE CREPIN

Pop Die eigene kleine Welt der Pet Shop Boys Ein Vierteljahrhundert schon dauert die Gratwanderung der Pet Shop Boys zwischen hoher Kunst und der Instant-Welt der Pop-Charts. Neil Tennant und Chris Lowe sind Meister im Wechselspiel von stilvoller Eleganz und schrillem Theater – alleweil verbunden mit unwiderstehlichen Ohrwürmern. Im Gespräch zum neuen, bittersüssen Album «Elysium» präsentiert sich das Duo unterhaltsam, auch wenn es nicht auf die eigentlichen Fragen eingeht. VON HANSPETER KÜNZLER

«Sie sind ja schon eine ganze Weile im Geschäft, aber allzu übel sehen Sie noch nicht aus!» Ein Kompliment, wie es nur die nicht gerade für diplomatische Zurückhaltung bekannten Taxifahrer von London erfinden können. Oder: «Einige von Ihren frühen Sachen fand ich noch recht gut.» Oder: «Warum machen Sie’s noch? Brauchen Sie etwa das Geld?» Und zur Abrundung des munteren Geplauders beim Übergeben des Wechselgeldes: «Und wie war noch mal der Name?»

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Das Zwielicht erinnerter Omnipräsenz – selten sind die herbstlichen Gefühle eines Popstars, an den sich Menschen mittleren Alters allenfalls noch aus ihrer Jugend erinnern, in prägnantere Worte gefasst worden. «Your Early Stuff» (Deine frühen Sachen) heisst das Lied, zu finden auf «Elysium», dem neuesten Album der Pet Shop Boys. «Jeden einzelnen Satz in dem Lied», schmunzelt der Autor des Textes, Neil Tennant, «hat tatsächlich mal ein Taxifahrer zu mir gesagt. Es sind Sprüche, wie ich sie jeden Tag höre.» Tennant, 58, trägt das Lied in seinem unverkennbaren, lakonischen Gesangsstil vor. Sein musikalischer Partner Chris LoSURPRISE 284/12


«Ego Music» geht – ein Highlight des Albums –, mit dem Refrain «me we, der in diesen Tagen 53 wird, versieht es mit spacigem Bass, diskreme me me yes yes yes yes, you you you you, no no no no – ego music, ten, mit Nile Rodgers’ Disco-Band Chic verwandten Streichern und eiit’s all about me». Ein Manifest der grossen Pop-Band Pet Shop Boys genem Hintergrundchor, der wie ein Engelsheer die Zeile «hey, what’s gen die Popmusik von heute? «So weit würde ich nicht gehen», entgegyour name anyway» säuselt. net Tennant. Es sei halt «ein bisschen Humor auf einem ansonsten Solche melancholische Prägnanz ist im Umfeld von elektronischen recht ernsten Album». Ein Lied, wie es in den Achtzigerjahren die PupBeats und Diskotheken rar. Doch bei den Pet Shop Boys war das immer pen der satirischen englischen TV-Serie «Spitting Image» hätten singen so – schon bei der allerersten Single, dem super-trockenen Welthit können. «Es ist der Blick von einer Generation auf die nächste. Es geht «West End Girls» im Jahr 1984. Bei ihnen zählten nicht nur die Beats und das Versprechen einer Party. In den Songs wimmelte es auch von ironischen Zitaten aus «Heute singt man ganz direkt: ‹Ich hasse dich für das, was dem biederen Alltag, dazu kam eine Palette du mir angetan hast.› Früher hätte man sich Mühe gegevon Anspielungen und Verbindungen, die vom ur-englischen Romanautor Anthony Trolben, den Gedanken in ein poetisches Bild zu verpacken.» lope (1815–1882) bis zu dem inzwischen verstorbenen Filmemacher Derek Jarman und um die Art und Weise, wie sich Texte heute um die Ich-Person im Lied Fragen der Sexualpolitik reichte. Das Londoner Duo schaffte dabei das drehen», sagt Tennant weiter. «Heute singt man ganz direkt: ‹Ich hasse Kunststück, dies alles in Popsongs und -shows zu verpacken, die fürs dich für das, was du mir angetan hast.› Früher hätte man sich Mühe gePublikum auch dann unvergesslich blieben, wenn es die Doppelbödiggeben, den Gedanken in ein poetisches Bild zu verpacken. Als John keit des Gebotenen gar nicht wahrnahm. Lennon ein Lied über seine Jugend schreiben wollte, kam ‹Strawberry Das neue Album «Elysium» ist in Los Angeles aufgenommen worden, Fields Forever› heraus.» Es sei tatsächlich statistisch erhoben worden, aber die meisten Lieder komponierten Tennant und Lowe entweder im dass das Wort «ich» in heutigen Songtexten bedeutend öfter auftrete als Hotelzimmer während der letztjährigen Tournee (die man doch tatnoch vor 20 Jahren, erklärt Lowe im Brustton der Überzeugung: «Ich sächlich als «Special Guests» der als Mittdreissiger wiederauferstandemuss die Statistik suchen im Internet, damit ich sie das nächste Mal zur nen Boygroup Take That absolvierte) oder in Berlin. «Wir verlassen LonHand habe.» don gern zum Arbeiten», sagt Tennant. «Es gibt weniger Ablenkung und es ist leichter, sich zu entspannen.» Am Anfang sei diesmal der Wunsch «Wir wollen unsere Musik immer noch am Radio hören» gestanden, Musik mit mehr Wärme zu schaffen, mit viel Bass zum BeiÜber die vielen Jahre ihrer Karriere hinweg haben die Pet Shop Boys spiel, mehr Chorgesang im Hintergrund und Raum zum Atmen. Ihnen immer wieder mit den gerade angesagtesten Stars zusammengespannt, hatte der elektronische Sound von «808s Heartbreak», einem Album des um Alben, Filme, Videos, aber auch Theaterstücke, Musicals und geRappers Kayne West, gefallen. So verpflichteten sie mit Andrew Dawson waltige Live-Spektakel zu inszenieren. Auf der Tournee 1991 übernahkurzerhand den Mann als Produzenten, der dort als Toningenieur gemen David Alden und David Fielding von der English National Opera wirkt hatte. «Ich höre aus dem Album ganz deutlich Los Angeles herDesign und Kostüme, später stammte das Bühnendesign von der Künstaus», erklärt Tennant. «So flauschige Backing Vocals gibt es nur dort. So lerin Sam Taylor-Wood oder der Architektin Zaha Hadid. 2005 vertonten viel Raum hat es in unserer Musik bisher selten gehabt. Und auf zwei die Pet Shop Boys den Stummfilm-Klassiker «Panzerkreuzer Potemkin» Dritteln des Albums spielt ein Streichorchester mit – so subtil, dass man neu, und sie produzierten eine Ballett-Adaption von Hans Christian Anes kaum merkt. Aber Los Angeles ist nicht nur Sonnenschein. Die viedersens Märchen «The Most Incredible Thing», das im Sadler’s Wells len Läden ohne Kundschaft und die Armut auf der Strasse sind nicht zu Theatre aufgeführt wurde. Derzeit arbeiten sie zusammen mit dem Philübersehen …» harmonischen Orchester der BBC an einer Oper über das Leben von Alan Turing, dem Erfinder des Computers, der seiner Homosexualität Der Blick auf die nächste Generation wegen verfolgt und in den Selbstmord getrieben wurde. «Elysium» ist in der griechischen Mythologie die paradiesische Insel Die Gratwanderung zwischen teetrinkenden englischen Gentlemen am Rande des Erdkreises, wo die Götter ihre Lieblingshelden zur Beund schrillen Pop-Popanzen oder – im Fall von Lowe – wildem Partylohnung hinschickten. Ein selbstironischer Scherz der Pet Shop Boys Hengst hat ihnen nie Schwierigkeiten bereitet. Die herbstliche Stimüber ihren Status im Pop-Firmament – alte Helden, die nun einem lumung von «Elysium» scheint indes darauf hinzudeuten, dass das Duo xuriösen Ruhestand fernab vom Geschehen entgegenblicken? «Nach so sich im bunten Pop-Treiben unterdessen eher als Aussenseiter wahrvielen Jahren als Seele der Party», so singt Tennant im herrlich spätnimmt. «Ha!», lacht Lowe auf und wendet sich Tennant zu. Darüber sommerlichen Titel «Invisible», «ist es eigenartig, wenn man plötzlich hätten sie doch erst vor ein paar Tagen gesprochen! Sie hätten Radio unsichtbar ist … eigenartig, wie ich langsam aber sicher unsichtbar gegehört und seien zum Schluss gekommen, dass sie nicht einmal mehr worden bin. Goodbye …» Aber natürlich haben Tennant und Lowe zu annähernd eine Verbindung hätten zu dem, was die anderen Popstars viel Stil, als dass sie auf die Bedeutung ihrer Texte näher eingehen wollso trieben. «Wir sind ganz in unserer eigenen kleinen Welt versteckt», ten: «Ich glaube, Texte sind gar nicht so wichtig», sagt Tennant. «Worauf schliesst Lowe. Ein herrliches Elysium also, in welchem sie tun und lases mir ankommt, ist der Klang. Schlechte Texte sind für mich Texte, desen können, was sie wollen? «Schon. Aber wir wollen unsere Musik imren Silben nicht mit den Beats zusammenpassen. Ich finde es fasziniemer noch am Radio hören!», entgegnet Tennant. Ein ironisches rend, wenn Fans in Brasilien jedes Lied Wort für Wort mitsingen könSchmunzeln spielt um seine Mundwinkel: «Natürlich aber, ohne dass nen. Und wenn man später mit ihnen zu reden versucht, merkt man, wir irgendwelche Kompromisse eingehen müssten. Und das ist ein dass sie kein Wort Englisch verstehen.» schwieriger Trick.» Ein Gespräch mit Neil Tennant und Chris Lowe ist wie ein Vexier■ bild. Höchst unterhaltsam zwar, aber auch ein bisschen frustrierend. Beide reden sie gern und bereitwillig. Der ehemalige Musikjournalist Tennant wartet gewöhnlich mit den schlauen Pointen auf, Lowe mit den Scherzen. Dabei ergreifen beide jede Gelegenheit, der Essenz einer Frage auszuweichen, um sich mit grösstem Eifer über einen den Fragesteller überraschenden anderen Aspekt auszulassen. Etwa, wenn es um Pet Shop Boys: «Elysium» (EMI) SURPRISE 284/12

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BILD: ZVG

Fremd für Deutschsprachige Schweizer Luft Der Flieger Skopje-Kloten steht bereit. Eine riesige Metallpatrone, die uns nach dem Urlaub in den Schweizer Alltag und ins alltägliche Ausländersein zurück schiessen wird. Während der paar Wochen in Mazedonien konnte man sich davon erholen und Selbstverständlichkeit tanken: Keiner fragt, was das für ein Name sei, woher man komme, seit wann man da sei. Beim Einsteigen schlagen uns gutgelaunte, kehlige oder gerollte Grüezis aus den rot bemalten Mündern der Flugbegleiterinnen entgegen. Es handelt sich um dezent parfümierte, geduldige Krankenschwestern, die unseren Wiedereintritt in die helvetische Atmosphäre professionell begleiten werden. Zögernd grüsse ich zurück, mein Kehlkopf wehrt sich noch ein wenig und überspringt das tiefsitzende Schaffhauser «r». Anders der junge Mann hin-

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ter mir: Aus seinem Hals läuft es in breitem Zürichdeutsch heraus, als würde er darin ein nasses Handtuch auswringen. Wir schlüpfen wieder ins Albanische, als wir unsere Plätze suchen und ein paar Scherzworte wechseln. Noch darf man das doch? Hier ist Albanisch noch allen Ohren vertraut, klingt nicht komisch, stört nicht und hat nichts mit Rasern aus Gratiszeitungen zu tun. Es herrscht ausgelassene Privatheit, und der unbekannte Sitznachbar wird ohne einleitende Entschuldigung angesprochen. Aber die kulturellen Territorialverhältnisse sind bereits nicht mehr eindeutig. Gehört das Innere dieser Kapsel noch zum mazedonischalbanischen oder schon zum Schweizer Hoheitsgebiet? Sind wir schon Ausländerinnen? Die Türen werden geschlossen und die Crew übernimmt routiniert die Kontrolle: Handgepäck wird verstaut, Sicherheitsgurte werden geprüft, Zwischenverpflegung wird verteilt. All das natürlich mit dem Anspruch, uns Migranten, die balkanischen Berufstouristen, nicht spüren zu lassen, dass man uns für weniger kultiviert oder niveauvoll halten könnte als etwa den schwedischen Freizeittouristen mit seiner in helle Leinenstoffe gehüllten Kleinfamilie. Die alpenländische Willkommenswärme soll allen Passagieren in gleichmässiger Professionalität entgegenströmen. Das Wägelchen mit der Verpflegung wird, rhythmisiert durch die Frage nach dem Essens-

und Getränkewunsch, durch die Passagierreihen geschoben. Immer wieder gerät der Rhythmus ins Stocken, weil die Sprachen sich verheddern. Nachdem das Wägelchen dreimal nacheinander auf Nicht-Deutschsprachige gestossen ist, deren fragender Miene auch mit Englisch und Französisch nicht beizukommen war, landet es neben meinem Bruder. Die Kundenorientierung der Begleiterin lichtet sich für einen Moment und basale Zeigegesten kommen zum Vorschein: Sie hält ihm eine Käseund eine Fleischvariante vors Gesicht und wackelt etwas damit. Er greift nach Käse, und seine Fünf- bis Sechssprachigkeit guckt dumm aus der Wäsche. Bei der Landung ist unsere Akklimatisierung an Schweizer Verhältnisse weitestgehend vollzogen: Nur vereinzelt ist erleichtertes Klatschen zu hören, mit dem die schlechter Integrierten dem Piloten ihre Dankbarkeit zeigen wollen. Die Mehrheit jedoch nimmt die sichere Landung als technische Tatsache hin und gibt sich unbeeindruckt. Schweizer, Schweden und jetzt auch wir können fliegen, wie wenn wir Fahrstuhl fahren würden.

SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH) SURPRISE 284/12


Freiluftkunst Die Leuchttürme der Kultur Ein Skulpturenweg auf der Walliser Belalp und das international bekannte Bad RagARTz locken ihre Besucher zum herbstlichen Kunstgenuss in die freie Natur.

Kopfüber baumeln Tannen anstelle der Bügel an einem Skilift. Der Blick verfängt sich in dieser humorvollen Auflösung des Oben und Unten bevor man merkt, dass die Bäume aus Plastik sind. Die Arbeit «Sempervirent» von Martin Jakob ist eines von insgesamt 18 Werken, die einen Rundweg zwischen der Bergstation und dem Hotel Belalp rund 2000 Meter über Meer säumen. Entlang einer halbstündigen Strecke fügen sich Skulpturen, aber auch Installationen und performative Arbeiten zum Thema «Über der Baumgrenze» in die Walliser Bergwelt in unmittelbarer Nähe zum Aletschgletscher ein. Geschaffen wurden diese Werke von Masterstudierenden der Schule für Gestaltung Wallis und der Hochschule Luzern Design & Kunst. «Die Baumgrenze definiert nicht nur den Wechsel in eine andere Klimazone, sondern ist auch ein visuell reizvoller Übergang. Und über dieser Linie treten neben den Bergen auch Erhebungen wie Lawinenverbauungen oder Skilifte besonders markant hervor», beschreibt Hannes Brunner, Leiter des «Skulpturenweg Belalp», das gross angelegte Projekt. Die touristische Erschliessung der Belalp ab dem 19. Jahrhundert und die veränderte Sicht auf den Alpenraum seither werden ebenso thematisiert wie der Klimawandel und der damit einhergehende Gletscherschwund. So spuckt etwa die mit Solarenergie betriebene Maschine «Ice Cube» von Walter Eigenheer umso mehr Eiswürfel aus, je stärker die Sonne scheint, und hinterfragt mit diesem paradoxen Effekt die globale Erwärmung auf hintergründige Art. Daneben gibt es aber auch Arbeiten, die reglos bleiben, wie zum Beispiel die Betonskulpturen dreier Hunde. Es handelt sich dabei nicht um irgendwelche Vierbeiner, sondern es sind Nachbildungen der Dachshunde der dänischen Königin Margarethe und des Prinzen, geschaffen von der dänischen Künstlerin Christina Jonsson. In würdevoller Haltung überblicken sie, stellvertretend für die gekrönten Häupter, die ebenso majestätischen Berggipfel und den Aletschgletscher. Helike, Vega und Evita, wie die drei heissen, drücken jene eigentümliche Ergriffenheit aus, welche Reisende aus aller Welt überkommt, wenn sie hoch über der Baumgrenze aus der Gondel steigen und dieses traumhafte Panorama erblicken. Von stiller und monumentaler Erhabenheit sind auch die Skulpturen an der 5. Triennale der Skulptur in Bad Ragaz. Die Objekte von 80 Künstlerinnen und Künstlern aus 17 Ländern verschmelzen traumwandlerisch mit der Umgebung des berühmten Kurortes und regen zur entspannten Begegnung mit den gezeigten Arbeiten an. «Die Skulptur wird innerhalb des Kunstbetriebs oft unterbewertet. In diesem schnellen Markt finden vornehmlich Gemälde und Grafiken Beachtung, während die Skulptur ein Nischendasein führt», stellt Rolf Hohmeister, Kunstmäzen aus Leidenschaft und Mitbegründer dieser einzigartigen Ausstellungsreihe, fest. Gemeinsam mit seiner Frau Esther sowie einer SURPRISE 284/12

BILD: CÉDRIC ROQUIER

VON MONIKA BETTSCHEN

Dem Weihnachtsbaum stehen die Nadeln zu Berge: «Sempervirent» von Martin Jakob.

Projektgruppe, bestehend aus Familienmitgliedern und Freunden, ist es ihm deshalb zur Berufung geworden, alle drei Jahre die wahre Bedeutung der Skulptur sinnlich erfahrbar zu machen. «Skulpturen sind die Leuchttürme in der Kultur. Ihre Geschichte reicht bis in die Antike zurück, man denke nur an die Pyramiden. Solche Werke überdauern den schnelllebigen Zeitgeist der Epochen», so Hohmeister. Auf diesen Überlegungen gründet denn auch das diesjährige Motto «Werte sehen – sehenswert». Bad RagARTz möchte jedermann fernab von starren musealen Grenzen ansprechen. Objekte wie zum Beispiel jenes von Pascal Suter und Christiane Bult veranschaulichen, welche Werte bejaht und welche hinterfragt werden sollen. Die Skulptur der beiden Kunstschaffenden ist ein Stuhl, der auf meterhohen verlängerten Beinen in die Höhe ragt. Ein einsamer Thron. Auch die Kunst läuft manchmal Gefahr, sich unverstanden auf einen Elfenbeinturm zurückzuziehen. Damit dies gar nicht erst geschieht, gibt es für Rolf Hohmeister nur eine Lösung: «Kunst soll nicht nur eine intellektuelle Elite erreichen, sondern alle Menschen berühren.» Ein Ziel, das der Kunstliebhaber und sein Team auch dieses Jahr mit Sicherheit erreichen werden. ■

Skulpturenweg «Über der Baumgrenze», noch bis 7. Oktober auf der Belalp, www.belalp.info

Bad RagARTz «Werte sehen – sehenswert», noch bis 4. November in Bad Ragaz, www.badragartz.ch

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Kulturtipps

Der Herr von Format sprengt den Rahmen.

Mit viel Fingerspitzengefühl: Ein Film darüber, wie ein Mensch zerstört wird.

Buch Ein unseriöser Herr von Format

DVD Brutale Zweisamkeit

Zum ersten Todestag Loriots verneigen sich 73 Karikaturisten mit über 100 Cartoons vor dem grossen Humoristen.

Ein Mann entführt einen kleinen Buben, sperrt ihn ein und missbraucht ihn. Aus dieser Story hätte ein oberflächlicher Schocker werden können. Markus Schleinzer hat sie dagegen als kontroverses Drama inszeniert.

VON CHRISTOPHER ZIMMER

Der Karikaturist, Schauspieler und Regisseur Vicco von Bülow, bekannt als Loriot, stammte aus altem mecklenburgischem Adel. Und da dieser bekanntlich verpflichtet, tat er das, was er am besten verstand, nämlich die Menschen zum Lachen zu bringen, mit der gebotenen Noblesse. Sein Humor adelte die Menschen, da er sie zwar dazu trieb, die Masken fallen zu lassen, sie aber nicht blossstellte. Stets wahren seine Protagonisten ihre Würde im täglichen Kleinkrieg gegen die Tücken des Objekts und die Fallstricke der Kommunikation. Das macht seine Szenen aus dem Alltag, dem Familienleben und der bürgerlichen Gesellschaft, seine Cartoons, Sketche und Filme so liebenswert und unvergänglich. Kein Wunder also, dass viele seiner Einfälle, Figuren und Formulierungen sprichwörtlich geworden sind. Das Jodeldiplom und der Kosakenzipfel, die Nudel und die Steinlaus, die suizidfördernde Sitzgruppe und die zwei Herren im Bade, «Ein Klavier, ein Klavier!» und «Das Bild hängt schief!», die Titel seiner beiden Spielfilme «Ödipussi» und «Papa ante portas» bis hin zum schlichten und doch so aussagekräftigen «Ach was!» – all das und noch vieles mehr ist längst Allgemeingut geworden. Vor einem Jahr, am 22. August 2011, starb Loriot. Anlässlich des ersten Todestages haben sich nun 73 Künstler und Künstlerinnen der spitzen Feder für «eine Hommage an einen unseriösen Herrn von Format» zusammengetan. In über 100 Cartoons variieren sie auf spielerische Weise Motive und Figuren aus Loriots Werk und verneigen sich damit vor einem der grössten Humoristen Nachkriegsdeutschlands. Das Rennen um das beliebteste Motiv teilen sich, wie zu erwarten, die Nudel und die Herren im Bade nebst obligater Ente. Aber auch Loriot selbst wird des Öfteren zum Sub- oder Objekt seines eigenen Witzes. Dass sich dabei nicht selten der liebe Gott hinzugesellt, ist den gegebenen Umständen geschuldet. Das Schlusswort in diesem zwerchfellkitzelnden Büchlein aber hat – wohl ganz im Sinne ihres bescheidenen Schöpfers – die Nudel. Ach was!

VON PATRICK BÜHLER

Steffen Gumpert und Denis Metz (Hrsg.): Cartoons für Loriot. Lappan 2012.

Markus Schleinzer: «Michael» (Österreich 2011), 92 Min., mit Michael Fuith,

18.90 CHF

David Rauchenberger u. a., Sprache: Deutsch

Michael (Michael Fuith) ist ein irgendwo in den 30ern stehender Versicherungskaufmann, angepasst, langweilig, durchschnittlich, gut in seinem Job. In einem tristen Vorort von Wien hält er in einem Kellerverlies den zehnjährigen Wolfgang (David Rauchenberger) gefangen und vergeht sich sexuell an ihm. Sein Doppelleben weiss er perfekt zu verbergen. Er habe keinen Genre-Film machen wollen, sagt der Regisseur Markus Schleinzer über sein Regiedebut, dies wäre ihm zu oberflächlich, zu glatt und banal gewesen. Vielmehr geht es ihm darum, den Alltag zwischen einem erwachsenen Mann und einem entführten Kind zu zeigen, welche sich als Täter und Opfer begegnen: vom gemeinsamen Essen, Puzzlespielen, Weihnachtsliedersingen über den Ausflug in den Streichelzoo, alles im Kontext des totalen pädophilen Abhängigkeitsverhältnisses. Dies hätte auch ein voyeuristischer Schuss nach hinten werden können. Dank der präzisen Kameraarbeit und der dramaturgisch zurückhaltenden Inszenierung wird der Film aber zu einer Tour de Force, in der sich viel hinter den nüchternen Bildern abspielt: ein verstörendes Täter-Psychogramm, gezeichnet ohne jegliche Empathie. Das österreichische Filmschaffen zeigt generell wenig Berührungsängste und eckt immer wieder mit tabubrechenden Themen an. Schleinzer, der ehemalige Schauspieler und Casting-Direktor, der unter anderem an Michael Hanekes «Das weisse Band» mitgearbeitet hat, ist allerdings mit viel Fingerspitzengefühl an die Geschichte herangegangen. Eine forensische Psychiaterin, welche sich auf Missbrauchstäter spezialisiert hat, hat den Film fachlich begleitet und schreibt in einem begleitenden Essay zur DVD: «Dort, wo keine sozial verträglichen Mechanismen erlernt wurden, werden wir immer wieder fassungslos von unglaublichen Verbrechen hören.» «Michael» wurde letztes Jahr an den Filmfestspielen von Cannes gezeigt und mit dem Max Ophüls Preis 2012 ausgezeichnet.

Extras: Interviews mit Markus Schleinzer und Michael Fuith, inkl. Booklet mit Essays zum Film www.michaelfilm.com

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Der Geniesser weiss: Pesto zu Spaghetti, Auberginen zu Penne. 01

Balcart AG, Carton Ideen Lösungen, Therwil

02

Psychiatrische Dienste Aargau AG (PDAG)

03

Locher, Schwittay Gebäudetechnik GmbH, BS

04

fast4meter, storytelling, Bern

05

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

06

Schweiz. Tropen- und Public Health-Institut, BS

07

seminarhaus-basel.ch

08

Supercomputing Systems AG, Zürich

09

AnyWeb AG, Zürich

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VXL gestaltung und werbung ag, Binningen

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Cilag AG, Schaffhausen

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Coop

«Italiener denken immer nur an zwei Dinge. Das andere sind Spaghetti …» Das meinte zumindest Catherine Deneuve. Grund genug, uns etwas genauer um Pasta zu kümmern. Eines ist allen gekauften und getrockneten Teigwaren, also der klassischen «pasta asciutta», gemein: Sie werden immer aus Hartweizenmehl hergestellt, sofern es nicht Spezialitäten aus Dinkel oder Vollkorn sind. Im Gegensatz zum Weichweizen, welcher vor allem in unseren Breitengraden angebaut wird, hat der Hartweizen einen deutlich höheren Anteil an Klebereiweiss, dem Gluten. Das ist für die Elastizität des Teiges verantwortlich. Je höher der Kleberanteil, desto besser lässt sich der Pastateig verarbeiten und formen. Aus diesem einst so klassischen Produkt hat sich in der Zwischenzeit ein veritables Lifestyle-Produkt entwickelt. Der Vielfalt an Formen und Farben scheinen kaum mehr Grenzen gesetzt. Mit Ausnahme der gewalzten Varianten wie Nudeln und natürlich der gefüllten wie Ravioli werden alle Pastaformen durch Pressscheiben «gezogen». Die Ziehung bildet neben den Rohmaterialien den wichtigsten Faktor für die Qualität der Pasta. Die Umsetzung erfolgt mit der «trafila»: Die Knetmasse wird durch geformte Löcher gepresst, die die Teigwaren in die gewünschte Form bringen. Pastaliebhaber wissen, dass die Pressscheiben der «trafila» aus Bronze gefertigt sein müssen. Nur so bekommt die Pasta diese fein strukturierte Oberfläche, die es für eine optimale Verbindung mit der Sauce braucht. Welche Pastaform bevorzugt wird, bleibt dem Koch und seinen Gästen überlassen. Grundsätzlich passen fein strukturierte Saucen wie ein klassischer Tomatensugo oder ein Pesto Genovese besser zu langen Teigwaren wie Spaghetti oder Linguine, da sich hier die Sauce gut mit der Pasta verbinden kann. Wenn gröbere Zutaten wie die fingerdicken Auberginenstücke in der «salsa alla norma» verwendet werden, bietet sich eher «pasta corta» wie Penne oder Rigatoni an: So lassen sich sowohl Gemüse wie auch Pasta gut mit der Gabel aufstechen. Und falls es Saucen mit geschmolzenem Käse oder Rahm sind, dann sind oft Fusilli oder Farfalle die richtige Wahl, da sie über ihre spezielle Form die Sauce am besten an sich binden.

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Zürcher Kantonalbank

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Kibag Management AG

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Knackeboul Entertainment

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Brother (Schweiz) AG

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Musikschule archemusia, ‹ › Basel

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Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

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Proitera GmbH, Betriebliche Sozialberatung, BS

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responsAbility Social Investments AG

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BEVBE Ingenieurbüro, Bonstetten

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Judith Turcati, Englischunterricht, Wila

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Axpo Holding AG, Zürich

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Unternehmensberatung AbtConsulting, Wohlen

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Kaiser Software GmbH, Bern

Bezugsquellen und Rezepte: http://piattoforte.ch/surprise

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Piatto forte Prima Pasta Teigwaren sind die Allzweckwaffe der Küche. Einfach, schmackhaft, stets zur Hand. Doch in richtig guter Pasta steckt viel Wissen und Handwerk. VON TOM WIEDERKEHR

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Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Ausgehtipps

Eruptiver Lärm: A Place To Bury Strangers.

Winterthur Über die Schallgrenzen

Jay Rechsteiners freundliche Monster Boys.

Macht den Tiger: Newcomerin Foxes.

Basel Monstermässig

Auf Tour Entdeckungsreise

Kinder spielen manchmal den ganzen Tag lang mit Monstern in allen Formen und Farben; sie sind enge Vertraute, die die Kleinen aus Zeichentrickfilmen und Büchern kennen. Drachen und Fabelwesen bevölkern Werbung, Comics und Jugendliteratur; Vampire leben in unzähligen Geschichten unter Menschen. So werden Monster freundschaftlich in die Gesellschaft integriert – ihre Monstrosität kommt dabei abhanden. Gleichzeitig gewinnt die metaphorische Bezeichnung «Monster» an Bedeutung und wird auf moralisches Verhalten der Menschen angewandt. Bei Familiendramen wie erweitertem Suizid oder in Missbrauchsfällen ist schnell vom Monster die Rede, das die Tat begangen hat. Die Gruppenausstellung «How to Make a Monster» erforscht, was ein heutiges Monster sein kann und wo dessen Ursprünge und Abgründe verborgen liegen. Jay Rechsteiner arbeitet aus seiner eigenen Biografie, Tarek Abu Hageb, der islamisch-christliche Wurzeln hat, beschäftigt sich mit politischen und religiösen Aspekten, und Eddie Haras Malerei mutet ein wenig wie eine Traumwelt an: Seine traditionell indonesisch inspirierten Monster sind eigentlich verspielte, aber nicht gänzlich harmlose Monsterchen. (dif)

Arbeitgeber von entdeckungsfreudigen Musikliebhabern sollten sich nicht wundern, wenn ihre Angestellten in der letzten Septemberwoche übernächtigt wirken. Diese Leute haben’s nämlich streng. Das Clubfestival This Is Tigerr überflutet das Land mit Konzerten. Von Genf über Bern, Basel und Zürich bis St. Gallen besuchen Newcomer aus dem In- und Ausland 17 Klubs in neun Städten. Insgesamt treten über 40 Bands bei fast 100 Konzerten auf. Dabei gilt die Regel: Jeder Act spielt in der jeweiligen Stadt seinen ersten Auftritt. Bekannt sind folglich die wenigsten Musiker, doch das könnte sich schnell ändern, spielten doch bei früheren Konzerten unter dem Banner This Is Tigerr Acts wie James Blake und Anna Calvi ihre ersten CH-Gigs. Stilistisch bewegen sich viele Künstler zwischen Folk und Songwritertum, doch auch Indie- und Elektropop-Freaks kommen mit Newcomern wie dem Ein-Frau-Projekt Foxes (Bild), das in Zürich, Lausanne und Luzern zu erleben ist, auf ihre Kosten. Es wird spannend und schlafen kann man dann im Oktober wieder. (ash)

Eigentlich braucht Oliver Ackermann nicht selber Krach zu schlagen. Als Gründer der Firma Death By Audio beliefert er schon seit zehn Jahren Bands wie U2, Wilco und Nine Inch Nails mit Effektpedalen. Doch irgendwann wollte er nicht mehr nur die Gerätschaften bereitstellen, sondern eigenhändig die Schallgrenzen erweitern. Und so erspielte er sich mit A Place To Bury Strangers schnell den Ruf als lauteste Band von New York. Das Trio spielt eine eruptive Mischung aus Wave und Noise. Pate stehen unüberhörbar Jesus And The Mary Chain, die in den Achtzigerjahren neue Massstäbe im exzessiven Einsatz von Hall und Verzerrung setzten. Oliver Ackermann treibt diesen Sound mit seinen Effektgeräten noch weiter in die Extreme. Zwischendurch zieht er das Tempo an und verwandelt tendenziell schlurfigen Shoegaze in tanzbare Klanggewitter. Die Songs sind brachial und konfrontativ, doch weil sich im Lärm immer wieder unwiderstehliche Melodien winden, hält man die Ohren hin, bis es pfeift. (ash) Mo, 24. September, 20 Uhr, Salzhaus, Winterthur.

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This Is Tigerr Fest #1: 24. bis 30. September, verschiedene Orte und Lokale. www.thisistigerr.ch

«How to Make a Monster», noch bis Do, 4. Oktober, High Voltage, Zelle 40, Markthalle Basel. Künstler-Workshops am So, 23. und So, 30. September, 13.30 bis 16.30 Uhr, Artist Talk am Mi, 26. September, 18.30 Uhr. www.howtomakeamonster.ch

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Nein, nicht USA-Ferien. Sondern «Warten auf die Barbaren».

Zürich Theater für 16 Franken Kunst ist für alle da! Diese Erkenntnis hat die neue Leitung der Gessnerallee dazu gebracht, von der neuen Spielzeit an für mindestens ein Jahr einen Einheitspreis von 16 Franken einzuführen. Theater soll so selbstverständlich sein wie ein Kinobesuch und ist zu diesem Preis notabene erst noch billiger. Die neue Saison beginnt mit einem Eröffnungsprogramm über zehn Tage, und zu sehen gibt’s internationale Produktionen: Zeitgenössischen Tanz von Emanuel Gats; dann mit «(M)IMOSA/Twenty Looks or Paris is Burning at the Judson Church (M)» eine trashige Show, die ins wilde New York der Sechzigerjahre führt; die begehbare Installation «Warten auf die Barbaren» von Dominic Huber; machina eX lassen die Zuschauer über Avatare den Dachboden bespielen, Sibylle Polster ermöglicht in «Strangers in a Song» musikalische Telefongespräche mit Zürcher Opernsängern und 400asa laden ins Perla-Moda zur «Entfernung» ein. Und vieles mehr. Für 16 Franken. (dif) Saisoneröffnung an der Gessnerallee Zürich ist am 21. September. www.gessnerallee.ch

Ist Glück lernbar?

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Bern Glück aus weisser Tinte Zwei Ritter auf der Suche nach dem Glück. Das klingt nach Kindertheater, ist es aber nicht, schliesslich hat sich mit dem Glück schon Aristoteles beschäftigt. Und Woody Allen. Letzterer meinte: «Das Glück schreibt nur mit weisser Tinte.» Und weil es eben so unfassbar ist, machen sich die Glücksritter im Tojo Theater nun auf, es zu finden. Sie reisen durch die Wogen von Gefühl und Verstand. Sie lernen ihre Begierden dabei erst so richtig kennen, blicken dem Tod ins Gesicht, hadern mit dem Schicksal und versuchen der Versuchung zu widerstehen. Sie fragen: Ist Glück lernbar? Die beiden Ritter werden es selber herausfinden müssen. (dif) «Eliminate Happiness», Mi, 3. Oktober bis Sa, 6. Oktober, jeweils 20.30 Uhr,

Basel 061 690 48 48 l Liestal 061 921 46 46 l rosenmund.ch

Tojo Theater Bern. www.tojo.ch

— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 — SURPRISE 284/12

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Verkäuferporträt Der Mann der ersten Stunde «Sie verkaufen doch Surprise, oder?» Auch ohne Ausweis oder Hefte in der Hand erkennen ihn die Basler. Kein Wunder: Peter Gamma verkauft seit September 1997 im Bahnhof Basel Surprise. 15 Jahre ohne Unterbruch.

«Die schönsten Erlebnisse in meinen 15 Jahren Surprise waren die Strassenfussball-Weltmeisterschaften 2003 in Graz und 2004 in Göteborg. Das war das Grösste, dass ich dort dabei sein durfte. Wir fuhren mit dem Zug nach Graz, dort wurden wir abgeholt. 18 Mannschaften waren dabei. Wir spielten gegen die USA, gegen die Russen … das war schön. Leider machten wir den letzten Platz. Aber wir gewannen den Fairnesspreis – einen grossen Pokal gab das! Seit dem dritten Heft bin ich bei Surprise dabei. Am Anfang gab es noch nicht so viele Verkäufer und man konnte noch mehr Hefte verkaufen. Ich war sehr motiviert: Es gab einen Tag, da war ich 16 Stunden unterwegs, mit drei Pausen dazwischen. Heute habe ich nicht mehr so viel Ausdauer wie früher, körperlich wie psychisch. Ich habe viel mit der Psyche zu tun. Ich nehme Tabletten, und die machen mich sehr müde. Es sind starke Medikamente: Meine Frau hat mal eine kleine Tablette genommen – ihr wurde gleich schwindlig davon. Heute sind schon zwei, drei Stunden verkaufen viel für mich. Dann bin ich müde und alles tut mir weh: die Gelenke, der Rücken … 1983 bin ich von Steinhausen im Kanton Zug für die Fasnacht nach Basel gekommen – und gleich geblieben. Ich konnte bei einem Kollegen in Muttenz wohnen. Nach drei Monaten musste ich dort weg. Weil ich keine Wohnung hatte, schlief ich im Tramhäuschen am Aeschenplatz. Das war auch schön. Viele Leute brachten mir Essen und Geld. Ich war damals noch Alkoholiker. Aber seit 15 Jahren trinke ich keinen Tropfen mehr, null und nichts. Am Aeschenplatz gefiel mir, dass es andere Alkoholiker hatte, unter ihnen fühlte ich mich wohl. Es gab fast nie Lämpe, es war immer tipptopp. Nach zwei Monaten vertrieb mich die Polizei von dort, dann schlief ich einen Monat lang beim St. Albantor unter einem Baum. In dieser Zeit las ich in der Basler Zeitung, dass in Birsfelden ein Obdachlosenhaus aufmacht. Da bin ich losmarschiert und habe gefragt, ob ich dort wohnen kann. Sie willigten ein. Zwei Jahre und einen Monat blieb ich dort. Dann suchte ich eine Wohnung, und nach drei, vier Mal Vorstellen hatte ich schon eine Zusage. Das war im September 95 – da war fertig mit obdachlos. Fast so lange wie ich Surprise verkaufe, seit sicher 13 Jahren, mache ich auch schon den Zusatzjob der Heftausgabe am Bahnhof. Jeden Montag bis Freitag von vier bis halb sechs können Verkäufer bei mir Hefte kaufen. Das ist gar nicht so einfach, wie es vielleicht klingt: Ich muss die Abrechnung machen und zweimal pro Woche zur Post, um das Geld einzuzahlen. Das ist eine ziemlich grosse Verantwortung. Im alten Bahnhof gefiel es mir besser als jetzt. Da gab es noch den Luminator von Jean Tinguely, vor dem habe ich verkauft. Die Leute waren damals besser verteilt, die einen gingen oben durch, die anderen unten. Und sie waren weniger gestresst als heute. Bis vor zwei, drei Jahren durften wir auch noch ausrufen am Bahnhof. Nach dem Verbot lief der Verkauf schlechter. Die Leute konnten nicht verstehen, dass die SBB das untersagten. Das hat wohl einem höheren Kopf nicht gepasst.

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AUFGEZEICHNET VON FLORIAN BLUMER

Peter Gamma mit einem neueren Heft und dem ersten Magazin, das er verkaufte: Es war die dritte Ausgabe von Surprise.

Sonst fällt mir kein negatives Ereignis ein. Aber 15 Jahre Surprise, das hängt schon an. Ich habe nicht mehr ganz so viel Freude am Verkaufen wie früher. Aber ich bin gerne unter den Leuten. Mit vielen Kunden wechsle ich ein paar Worte: Wie es geht, über den FCB … Meinen Stammkunden bin ich sehr dankbar. Es sind 50, 60, die ihr Heft jeweils bei mir kaufen. Die meisten sind sehr grosszügig, viele geben mir Trinkgeld. Ohne Surprise wäre es sehr schwer für mich. Wenn es gesundheitlich geht, dann mache ich weiter, solange es Surprise gibt – sicher noch zehn Jahre!» ■ Lieber Peter, das hoffen wir – mindestens! Wir danken dir für deine Treue und dein Engagement und gratulieren ganz herzlich, Das Surprise-Team SURPRISE 284/12


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, U-Abonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Andreas Ammann Bern

Jela Veraguth Zürich

René Senn Zürich

Marlis Dietiker Olten

Kurt Brügger Basel

Fatima Keranovic Basel

Josiane Graner Basel

Wolfgang Kreibich Basel

Tatjana Georgievska Basel

Bob Ekoevi Koulekpato, Basel

Marika Jonuzi Basel

Peter Gamma Basel

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Jovanka Rogger Zürich

Ralf Rohr Zürich

Anja Uehlinger Aargau

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

Vorname, Name

Telefon

Strasse

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PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 500 Franken

284/12 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 284/12

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren!

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

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Datum, Unterschrift 284/12 Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Herausgeber Verein Surprise, Postfach, 4003 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Reto Aschwanden, Florian Blumer, Diana Frei (Nummernverantwortliche), Mena Kost redaktion@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Patrick Bühler, Janine Kern, Hanspeter Künzler, Irene Meier, Dorothee Minder, Dominik Plüss, Roland Soldi Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 15000, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Oscar Luethi (Leitung), Melanie Oberli

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller o.joliat@vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 284/12


Surprise Strassenchor Zurück auf der Strasse! Der Sommer ist vorbei, der Chor ist zurück. Wir singen wieder! Und sind offen für neue Mitsängerinnen und Mitsänger – alle, die Freude am Singen und Musizieren haben, sind bei uns herzlich willkommen. Nach einer erholsamen Sommerpause hat der Surprise Strassenchor seinen regelmässigen Probenbetrieb wieder aufgenommen. Die Proben finden jeweils am Dienstag von 17.00 bis 19.00 Uhr in der Musikschule «archemusia» am Aeschenplatz statt. Wir singen Lieder aus aller Welt, freuen uns an unseren Stimmen im Zusammenklang des Chors und haben viel Spass miteinander. Eingeladen zur Teilnahme sind alle, die Freude am Singen haben und bereit sind, einmal pro Woche zwei Stunden zu proben. Auch öffentliche Auftritte sind Teil des Programms, denn der Surprise Strassenchor ist beliebt und wird immer wieder gebucht. In Basel werden bald mehrere Konzerte stattfinden:

Wir freuen uns auf zahlreiche Besucherinnen und Besucher! Anmeldungen für Chorproben und weitere Informationen: Paloma Selma, 061 564 90 40.

– 22. September: Tag der offenen Tür im Hildegard Hospiz, 14.30 Uhr. – 17. Oktober: «Tag gegen Armut und soziale Ausgrenzung», vor der Clarakirche, 18.00 Uhr und 19.00 Uhr. – 1. November: Neueröffnung des Projekts «Soup & Chill» an der Solothurnerstrasse 8. – 8. November: «OffenBar» in der Predigerkirche um 19.30 Uhr, dort gibt es auch ein günstiges Menü.

Oder besuchen Sie unsere Website: www.vereinsurprise.ch/strassenchor

Der Surprise Strassenchor wird nicht über den Verkauf des Strassenmagazins finanziert und ist daher auf Spenden angewiesen. Unterstützen Sie den Surprise Strassenchor mit Ihrer Spende oder treten Sie dem Freundeskreis bei!

Spendenkonto: 12-551455-3 (Vermerk: Surprise Strassenchor)

Impressionen vom Basler Verkäuferfest

Verkäufer Urs Saurer sorgt mit dem Basler Vertriebsmitarbeiter Thomas Ebinger für Cervelat-Nachschub.

Fatima Keranovic gönnt sich eine Pause vom Magazinverkauf.

Der Surprise Strassenchor singt überall – auch am Grillfest im Wald.

Geschäftsleiterin Paola Gallo (links) mit Surprise-Verkäufer Fabian Schläfli und Vertriebsmitarbeiterin Anette Metzner.

Sänger und Sängerinnen des Surprise Strassenchors mit Projektleiterin Paloma Selma (links).

Beste Stimmung beim Surprise-Grillfest.

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Von Aarberg bis Zuoz. Surprise gibt es beim Strassenhändler Ihres Vertrauens. Oder im Abo per Post.

24 Ausgaben für 189 Franken oder als Gönner-Abo für 260 Franken. Gutes lesen, Gutes tun und gleich bestellen! www.vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch, Spendenkonto PC 12-551455-3 Verein Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99


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