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Wollen wir miteinander? Moritz Leuenberger zur Willensnation Strassensport: So lief’s unserer Nati an der WM in Mexiko

Kurzeinsatz in Afrika – Studenten als Entwicklungshelfer

Nr. 287 | 2. bis 15. November 2012 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Möchten Sie uns begleiten? Wir suchen eine musikalische Begleitung für den Surprise Strassenchor! Spielen Sie Gitarre und möchten Sie unseren Chor bei Proben und öffentlichen Auftritten ehrenamtlich mit Ihren musikalischen Erfahrungen unterstützen? Der niederschwellige Chor besteht zur Zeit aus 15 SängerInnen und wird professionell von Ariane Rufino dos Santos geleitet. Die Gruppe trifft sich einmal in der Woche zum Singen und Musizieren in einem Proberaum in Basel.

Mehr Informationen finden Sie auf: www.vereinsurprise.ch/strassenchor Oder wenden Sie sich direkt an Projektleiterin Paloma Selma: strassenchor@vereinsurprise.ch SURPRISE 287/12


Titelbild: Peter Würmli

Demokratie ad absurdum in den USA: Unvergessen die Entscheidung 2000, als aufgrund schief gestempelter Lochkarten letztlich der Oberste Gerichtshof darüber entschied, wer mächtigster Mann der Welt wird (der stimmenmässig unterlegene George W. Bush). Heute ist es «Corporate America», das Amerika der Grosskonzerne, welches die Entscheidungsmacht des einzelnen Bürgers unter einer Schwemme von Dollar-Milliarden zu ertränken droht: Vor drei Jahren stiess der Oberste Gerichtshof überraschend ein Gesetz um, welches Firmen und Lobbyorganisationen verbot, mit ihrem Geld direkt in den Wahlkampf einzugreifen. Die Folge: 2012 flossen drei Milliarden US-Dollar in die Wahlschlacht – zehn Mal so viel wie im Wahlkampf George Bush gegen Bill Clinton 1992 und mehr als doppelt so viel wie vor vier Jahren. Der Einsatz ist hoch, die Erwartungen auch: Milliardäre und Grosskonzerne dürfen vom von ihnen gesponserten Präsidenten erwarten, dass er ein offenes Ohr für ihre Wünsche haben wird.

BILD: ZVG

Editorial Nabelschau und Weltreise

FLORIAN BLUMER REDAKTOR

Zum Glück läuft das bei uns noch anders. Oder? Der ehemalige Bundesrat Moritz Leuenberger warnt im Surprise-Interview, dass die Dominanz des Geldes auch in der Schweizer Politik immer bedenklichere Ausmasse annimmt. Lesen Sie ab Seite 16, was uns der Politbeobachter und eigenständige Denker über die heutigen Gefahren für den Zusammenhalt der Schweiz zu erzählen hat. Und warum er dennoch Grund zum Optimismus sieht. Wir wollen aber nicht nur Nabelschau betreiben, sondern Sie in diesem Heft für einmal in die weite Welt hinausführen – ohne dabei die Schweizer Optik aus den Augen zu verlieren. So befragten wir Churer Studenten über ihren Entwicklungshilfe-Kurzeinsatz in Ghana. Und Experten, ob dies nachhaltig sein kann. Dann verfolgten wir die immensen Geldströme, die von Migranten in der Schweiz in ihre Herkunftsländer fliessen – und stellten fest, dass sich hier milliardenschwere Geldinstitute an den Ärmsten bereichern. Zu guter Letzt haben wir in dieser Ausgabe zum ersten Mal Post von Amir Ali bekommen: Der Journalist, der auch schon für Surprise geschrieben hat, befindet sich auf Weltreise und berichtet in den nächsten Monaten in jeder zweiten Nummer über Erstaunliches und nicht ganz Alltägliches auf Stationen seiner Reise. Lesen Sie zum Start, weshalb der Sultan einst die Hunde Istanbuls verschiffte und was das mit der gesellschaftlichen Entwicklung der Stadt heute zu tun hat. Wir wünschen viel Vergnügen beim Lesen! Florian Blumer

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@vereinsurprise.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 287/12

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10 Entwicklungshilfe Schnellbleiche in Ghana 14 Studenten aus Chur reisten für neun Tage nach Ghana. Dort gaben sie der Bevölkerung eines kleinen Dorfes Tipps zum Umgang mit Geld. Bei der Organisation Global Brigades laufen solche Einsätze unter Entwicklungshilfe. Doch was können Schweizer Studis afrikanischen Dorfbewohnern in einer guten Woche beibringen? Wir haben bei Beteiligten und Fachleuten nachgefragt.

13 Homeless World Cup 2012 Unsere Nati in Mexiko BILD: OLIVIER JOLIAT

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Inhalt Editorial Innensicht und Aussenblick Basteln für eine bessere Welt Helden zum Aufkleben Post aus Istanbul Strassenhunde Zugerichtet Rosenkrieg Mit scharf Querdenker gefragt Starverkäufer Negussi Weldai Porträt Der grosse Sammler Geldtransfers Millionen auf Kosten der Armen Wörter von Pörtner Lustiger Alt-Bundesrat Filmfestival Arabische Nächte Kulturtipps Hartz-IV-Möbel Ausgehtipps Süsser Voodoo Verkäuferporträt Alice Pina Ncata aus Südafrika Projekt Surplus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP

BILD: ZVG

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Mitmachen ist wichtiger als gewinnen. Was im Profisport bloss eine leere Phrase ist, wird im Strassensport gelebt. Am 10. Homeless World Cup in Mexiko mauserten sich die acht Spieler der Strassenfussball-Nationalmannschaft – trotz mehreren unglücklichen Niederlagen – zu Publikumslieblingen: als etwas chaotische Truppe, die wie kaum eine andere für Stimmung sorgte.

BILD: PETER WÜRMLI

16 Moritz Leuenberger «Politik ist immer Kopf und Herz»

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In seiner Amtszeit als Bundesrat galt Moritz Leuenberger vielen als unnahbarer, intellektueller Politiker – ein typischer Vertreter der urbanen Schweiz. Im Surprise-Interview erklärt er jedoch, dass es eine «wunderbare Eröffnung» für ihn gewesen sei, die Schweiz der Schwing- und Hornusserfeste kennenzulernen. Dort habe er erfahren: Der Mythos der Willensnation ist mehr als nur Kitsch. Leuenberger beschreibt, warum er nach wie vor an die Stärke unseres Systems glaubt – und was den Zusammenhalt im Land bedroht.

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ILLUSTRATION: SIMON DREYFUS | WOMM

Surprise Schweiz

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1. Gehen Sie auf www.strassensport.ch, laden Sie sich dort den Aufklebebogen herunter und drucken ihn in Farbe aus.

2. Bildchen ausschneiden, aufkleben – und fertig ist das Surprise-Star-Poster.

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Basteln für eine bessere Welt WM-Zeit ist Fuessballbildli-Zeit! Während sich Hitzfelds Hitzköpfe noch im beinharten Abnützungskampf gegen eiskalte Nordländer befinden, standen unsere Nati-Stars in der Hitze von Mexico-City bereits im Scheinwerferlicht der grossen Strassenfussball-Bühne (siehe Bericht S. 13). Schneiden Sie unsere WM-Helden aus und kleben Sie sie an die Wand! Shaqiri & Co. können Sie dann übernächstes Jahr noch sammeln.

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Post aus Istanbul Verdammte Hunde VON AMIR ALI

An der Leine sieht man Hunde in Istanbul kaum. Die Vierbeiner leben in der Metropole am Bosporus frei auf den Strassen. An jeder Strassenecke stehen Wasserschalen und Futternäpfe. Und immer wieder sieht man Kebabverkäufer, die den Streunern in ihrer Strasse nach Ladenschluss noch einen Leckerbissen offerieren. Um die 150 000 Hunde leben hier. Und sie haben viel zu erzählen über Istanbul, gestern wie heute. Istanbuls Streuner galten jahrhundertelang als das heimliche Wahrzeichen der Stadt – bis 1808 Mahmud II. kam. Der Sultan wollte westliche Zivilisiertheit statt orientalische Rückständigkeit, und dafür sollten die Hunde weg. Die Bewohner der Stadt wehrten sich dagegen, dass der Staat ihre vierbeinigen Freunde massakrierte. Doch als ein ängstlicher Brite auf der Flucht vor einem Rudel in den engen Gassen der Altstadt zu Tode stürzte, stellte London dem Sultan ein Ultimatum. Schliesslich verschiffte man die Hunde zu Zehntausenden ins Exil auf eine kleine Insel vor der Stadt. Dort bellten und jaulten die Verdammten so laut, dass sie bis in die Stadt zu hören war. Die Menschen fürchteten, die Hunde könnten sie mit einem Fluch belegen, und revoltierten gegen den Sultan. Aus Angst um seinen Thron liess er die Hunde zurückbringen. Damals wollte die Weltmacht Grossbritannien der Einzigartigkeit Istanbuls ein Ende bereiten. Heute ist die Stadt die florierende Metropole eines Landes, das am Rande Europas mit seiner Wirtschaftsleistung beeindruckt und dabei manchen Bewohnern das Leben schwer macht.Viele sind zu Geld gekommen und drängen nun in die Metropole. Sie wollen schicke Wohnungen, Starbucks statt Teestuben und Supermärkte statt Kleinkrämern. Ganze Strassenzüge stehen leer. Sie warten darauf, dass Immobilienhändler, unterstützt von der Regierung, hier investieren. Die unteren Schichten, die hier ein traditionelles Leben führen, können sich ihre Stadt nicht mehr leisten. Sie sind Istanbuls Strassenhunde von heute. Vertrieben von der Logik des Geldes und vom Wunsch der modernen Sultane, der Stadt ein westliches Gesicht zu geben. Sie können nicht bellen – doch sie werden den Orient mitnehmen aus der Stadt. Das wird ihr Fluch sein.

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Zugerichtet Kopfkino und Selbstjustiz Manchmal ist an Sartres Spruch schon was dran: «Die Hölle, das sind die anderen.» Der Mann und die Frau aus der Zürcher Agglomeration waren einander auf jeden Fall die Hölle. Es ist ein bitteres Paradox, dass eine Liebesbeziehung immer noch einen der fruchtbarsten Böden für furchtbarste Verbrechen darstellt. Eine Beziehung oder Ehe ist nicht selten ein Spannungsfeld, auf dem erst Unzufriedenheit und Enttäuschung, dann, unter entsprechenden Bedingungen, Niedertracht und gewalttätige Fantasien erblühen. Spielen diese einzig im privaten Kopfkino des Urhebers, ist nichts dagegen einzuwenden. Es soll jedem vorbehalten bleiben, dem Chef einen heftigen Brech-Durchfall zu wünschen oder gar die Nebenbuhlerin mental abzumurksen. Das geht niemanden etwas an, die Gedanken sind frei. Werden sie jedoch ausgesprochen, sind sie definitionsgemäss nicht mehr Privatsache. Und mehr als blosse Gewaltfantasien. Selbst wenn kein Plan zur Umsetzung besteht, sind sie Drohungen und damit strafrechtlich relevant. Diese Linie überschritt auch der Mann aus genannter Ehe, die nunmehr zu einer monatelangen Aneinanderreihung von wüsten Szenen verkommen war. Am Telefon schrie er heraus, was er dachte. Und wäre der Film in seinem Kopfkino öffentlich, wäre er erst ab 18 Jahren freigegeben. «Ich werde dir die Ohren abschneiden und sie dir in den Mund stecken, wenn du mir nicht gehorchst», war dabei noch die mildeste Ansage. Danach rollte der Kopf seiner Frau, mehrfach. Der sei sowieso zu schwer für ihren Körper. Kaputtschlagen und abreissen werde er ihn, ohne Erbarmen. Von Erniedri-

gung, Würgen und schlimmstem Leiden sprach er. Seine Tirade entbehrt stellenweise nicht gewisser grusliger Poesie: «Im Brautkleid hast du die Wohnung betreten. Im Leichensack wirst du sie wieder verlassen.» Er wusste dabei natürlich nicht, dass seine Frau ihr Handy auf Lautsprecher gestellt hatte und das Gespräch mit einem zusätzlichen Handy aufnahm. Das wusste er erst, als er verhaftet und der Staatsanwaltschaft vorgeführt wurde. Die Geschädigte hatte ihn angezeigt, einerseits wegen Drohung, aber auch wegen weiteren Taten, etwa Körperverletzung. Solche Fälle stellen die Gerichte immer wieder vor schwierige Entscheidungen. Ein klassisches 4-Augen-Delikt, Aussage steht gegen Aussage, keine Zeugen, kaum Beweise. Es geht vor allem um die Frage: Wer ist glaubwürdiger? Das Gericht liess diese Frage offen, hielt nur fest, dass die Frau es nicht ist. Weil zudem weitere Beweise fehlten, sei der Mann freizusprechen. Und die Tonaufnahme? «Ein starkes Beweismittel», wie der Gerichtsvorsitzende sagt, «aber nicht verwertbar». Zunächst wegen des Kontextes des Gesprächs: Ein eskalierender Streit, in dem sich beide Seiten nichts schenkten. Dann der zweite, entscheidende Punkt: «Ganz alles ist zur Beweisgewinnung nicht erlaubt», wie der Gerichtspräsident festhält, die Aufnahme sei letztlich «eine Form der Selbstjustiz». Bei der Frage der Verhältnismässigkeit müsse man vorsichtig sein. Die Richter stellten denn auch die Interessen der Geschädigten nicht über die der Allgemeinheit und gaben abschliessend zu bedenken: «Es kann nicht im Interesse der Gesellschaft sein, wenn jeder beginnt, auf Vorrat Beweise zu sammeln.» YVONNE KUNZ (YVONNE.KUNZ@GMAIL.COM) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 287/12


Willensnation Der Rebell als Staatsbürger Die Schweiz stilisiert sich als freiwilliger Zusammenschluss unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen. In der Realität leben wir aber nicht miteinander, sondern bestenfalls nebeneinander. Soll unsere Gesellschaft mehr sein als die Arena für Alle-gegen-alle, so brauchen wir Querdenker, die Möglichkeiten der Zusammengehörigkeit jenseits des herrschenden Mainstreams suchen.

In unserer Titelgeschichte zur Willensnation Schweiz befragen wir Moritz Leuenberger über Zustand und Möglichkeiten dieses Staatsmodells. Leuenberger sieht den Staat als Gebäude: «Der Wille zur Solidarität mit allen Minderheiten ist gewissermassen die soziale Säule.» In Stein gemeisselt sei ein solcher Staat freilich nicht: «Die Willensnation muss immer wieder neu entdeckt, neu verteidigt, neu gewollt werden.» Leuenberger ist bekannt als Politiker mit Hirn und Hang zum Schöngeistigen. Doch seine Überlegungen zum sozialen Zusammenhalt sind schon deshalb nicht abgehoben, weil sie um die Grundlagen unserer Gesellschaft kreisen. Staatsbürgerliche Grundsatzfragen sind in der Tagesaktualität kaum ein Thema. Doch die Betrachtung der Tagesaktualität wirft Grundsatzfragen auf. Denn hinter den Nachrichten über Stellenabbau und Boni-Zahlungen, Sicherheit in den Städten und Sicherung der Sozialwerke, Finanzausgleich und Pendlerströme offenbart sich eine Gesellschaft, deren Angehörige auseinanderdriften. Gerade zeigte der Sozialbericht 2012 auf, dass es kaum Kontakte zwischen der jungen und der alten Generation gibt. Zwischen anderen Gruppen dürfte es ähnlich sein: Wann haben Sie das letzte Mal mit einem Bauern, einem Welschen oder einem Arbeitslosen gesprochen? Wir leben nicht miteinander, sondern nebeneinander. Wir-Gefühle können so kaum aufkommen. Die Mehrheit ist eine wechselnde Mischung aus verschiedenen Minderheiten. Eine Einheit gibt es nur als demagogisches Konstrukt. Diejenigen, die sich bei jeder Gelegenheit auf «das Volk» berufen, schaffen erst durch ihre Rhetorik eine Masse, die ausser gemeinsamen Feindbildern wenig verbindet. Die Zugehörigkeit zu diesem Mainstream defi-

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@vereinsurprise.ch

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niert sich nicht über Gemeinsamkeiten, sondern über die Ausgrenzung der «Anderen». Eine solche Gemeinschaft hat keine Perspektiven und keine Zukunft. Ihre Mitglieder können nichts miteinander anfangen, und deshalb ist die Verteidigung des Eigenen gegen das Fremde sinnlos. Gemeinschaftliche Gesellschaftsgestaltung findet heute kaum statt. Denn der Preis für die Zugehörigkeit zum Mainstream ist ein Kampf alle gegen alle. Jeder will immer alles so, wie er es gern hätte, und die anderen sollen ihm bitte nicht mit ihren Bedürfnissen behelligen. Verzicht und Verständigung haben keinen Platz, wo Konkurrenzdenken und Gier verbreitet sind. Wir brauchen deshalb dringend Querdenker, denn so paradox es klingt: Wer sich heute als Staatsbürger versteht, muss als Rebell auftreten. Nur wer sich gegen die mehrheitsfähige Melange aus Egoismus und Gleichgültigkeit stellt, handelt im Interesse des Gemeinwesens. Erst das Ausscheren aus dem gleichförmigen Mainstream ohne wirkliche Gemeinsamkeiten ermöglicht Einsichten in die Zusammenhänge, die uns tatsächlich verbinden. Und daraus kann ein Wille wachsen, mit Bauern, Welschen und Arbeitslosen eine Nation zu bilden. Jeder für sich und alle zusammen. ■

BILD: PETER FÜGLISTER

VON RETO ASCHWANDEN

Starverkäufer Negussi Weldai Peter Füglister aus Münchenbuchsee nominiert Negussi Weldai als Starverkäufer: «Oft bin ich im Bahnhof Bern oben auf der Welle an ihm vorbeigehastet. Doch diesmal blieb mein Blick an der Schlagzeile ‹Feindbild Flüchtling› hängen und wechselte unwillkürlich zum mir freundlich zunickenden Zeitungsverkäufer. Negussi Weldai hatte mich gewonnen, nicht nur als Käufer des Themenhefts, sondern auch als Sympathisant von Surprise. Ich nominiere ihn zum Starverkäufer – stellvertretend für seine Kolleginnen und Kollegen, die tagtäglich in hartnäckiger Geduld durch ihre Präsenz das Bild benachteiligter Mitmenschen vergegenwärtigen.»

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Porträt Barack Obama im Briefkasten Ob Britney Spears, Audrey Hepburn oder Adolf Hitler: Vinzenz Brändle hat sie alle in seiner Autogrammsammlung – mit rund 150 000 Exemplaren die grösste der Schweiz. Um an Unterschriften zu kommen, hat der Postbote aus Rotkreuz auch schon einen US-Soldaten und einen Alt-Bundesrat mit der Besorgung beauftragt. VON SARAH STÄHLI (TEXT) UND PETER LAUTH (BILD)

ti, den Brändle bei Castros Schweiz-Besuch persönlich damit beauftragte. Ein rares Autogramm von Saddam Hussein konnte er erst nach dem Sturz des Diktators ergattern. Der Lieferant: Ein US-Soldat, der im Irak im Einsatz war. Brändle hat auch einen guten Riecher dafür, wer später einmal durchstartet: «Von Eminem, der heute kaum mehr Unterschriften gibt, habe ich durch das X-tra, wo er vor über zehn Jahren vor einem kleinen Publikum gespielt hat, eines erhalten. Sie legten ihm einfach meine Anfrage und die Autogrammkarte in den Backstagebereich.» Von Britney Spears und Lady Gaga besitzt er eines samt persönlicher Widmung, aus Zeiten, als die beiden noch wenig bekannt waren. «‹Bravo› habe ich immer noch abonniert – ein wichtiges Inspirationsmittel für meine Arbeit.» Auch eine unterschriebene Fotografie von Adolf Hitler ist Teil seiner umfangreichen Sammlung. «Hitlers Unterschrift gehört zu den meistgefälschten überhaupt», weiss Brändle. Allgemein sei grosse Vorsicht vor Fälschungen geboten. Bei Hitler vertraut der Sammler auf eine schriftliche Bestätigung der Haushälterin des Diktators. Ersteigert hat er das Bild für circa 400 Franken. «Die absurdeste Fälschung, der ich begegnet bin, war ein Bild von Heath Ledger als Joker – unterschrieben nach dem Tod

«Am Morgen verteile ich Briefe, am Mittag erhalte ich Briefe und am Abend schreibe ich Briefe» – so sieht ein ganz normaler Tag von Vinzenz Brändle aus. Der Postbote aus Rotkreuz hat nicht nur beruflich mit Briefen zu tun, auch für sein zeitaufwendiges Hobby sind sie essenziell: Brändle ist obsessiver Autogrammsammler. Und er betont: «Ich bin ein Sammler – kein Jäger!» Brändle sucht nicht den persönlichen Kontakt zu den Stars, es geht ihm vielmehr darum, seine Sammlung stets à jour zu halten: Von der Hälfte der Medaillengewinner der Olympischen Spiele in London besitzt er bereits jetzt das Autogramm. «Meine Sammlung ist ein Zeitdokument und mein Lebenswerk.» Die Autogramme bestellt er fast ausschliesslich per Post. An roten Teppichen anstehen, um einen Blick Hollywood zu erhaschen, ist nicht sein Ding. Anlässe mit grosser Stardichte zu besuchen, wie etwa das Zurich Film Festival, habe er nicht nötig: «Von den dort eingeladenen Schauspielern besitze ich ja bereits alle Unterschriften.» Um die 150 000 Autogramme umfasst Brändles Sammlung, die er seit gut 32 Jahren betreibt. Es ist die grösste schweizweit. In der kleinen Wohnung füllen die Ordner und Bilderrahmen mittlerweile ein ganzes Zimmer. «Angefangen Einen Besuch am Zurich Film Festival hat Brändle nicht hat alles mit Bernhard Russi», erzählt Brändle. nötig: «Von den dort anwesenden Stars habe ich ja bereits Von ihm hat er als kleiner Bub das erste Autoalle Unterschriften.» gramm erhalten. Nicht ganz ohne Wehmutstropfen allerdings: «Ich habe vergessen, ein Rückantwortcouvert beizulegen und musste Strafporto bezahlen.» Heudes Schauspielers.» Es sei jedoch völlig normal, dass viele Stars ihre Aste weiss der Sammler, worauf es ankommt, wenn man auch wirklich eisistenten unterschreiben lassen. Einige würden auch eine Art Stempel ne Antwort erhalten will: Einen persönlichen Brief in der Sprache des benutzen, der ihre Unterschrift kopiert. Empfängers schreiben – Brändle hat vorgefasste Briefe auf Chinesisch Irgendwann einmal ein eigenes Museum mit seiner Autogrammund Arabisch griffbereit –, ein frankiertes Antwortcouvert beilegen – Sammlung eröffnen zu können – wie dies ein Cousin mit seiner Flaauch Marken besitzt er amerikanische wie koreanische – und wenn schensammlung bereits getan hat –, ist ein grosser Traum von Vinzenz möglich ein Foto mitschicken, damit der Adressat gleich eine Vorlage Brändle. Im kleinen Rahmen immerhin konnte er sie schon öfters präzum Unterschreiben hat. sentieren, im März 2013 wird erneut eine Auswahl in der SchulbiblioDrei bis vier Briefe schreibt Brändle pro Tag. «Inspiration hole ich mir thek Rotkreuz zu sehen sein. Aus dem Sammeln von Autogrammen hat aus der Zeitung. Mich interessieren nicht nur Politiker, Künstler oder sich nach und nach ein zweites Hobby entwickelt: das Erahnen des ChaSportler, sondern auch Menschen, die wegen einer ungewöhnlichen Gerakters der Person hinter der Unterschrift. Nicolas Sarkozys auffallend schichte bekannt geworden sind. Das macht meine Sammlung so eingeradlinige Schrift etwa deute auf eine zielstrebige Person hin. Wer in zigartig.» So stapeln sich neben Autogrammkarten von Barack Obama, seiner Unterschrift Vor- und Nachnamen schreibe, habe in der Regel eiBrad Pitt oder Roger Federer auch unterschriebene Zeitungsartikel von ne gute Kindheit gehabt, wer seinen Namen mit zuviel Schnörkeln vereinem Schweden, der zwei Monate in seinem eingeschneiten Auto übersehe, versuche sich hinter der Unterschrift zu verstecken. lebte und sich nur von Schnee ernährte, oder einem Tiertrainer aus KaIst das Sammeln mehr Sucht als Hobby? Viel Platz nehme sein Hobnada, der täglich mit seinem Eisbären im Pool schwimmt. by allerdings ein, gesteht Brändle. Einmal drohte gar eine Beziehung desEin Höhepunkt in der riesigen Sammlung ist ein Foto der Schauspiewegen in die Brüche zu gehen, so der Briefträger, der auch schon als DJ lerin Audrey Hepburn und ihres Ehemanns Mel Ferrer mit ihrem neugeoder Fussballtrainer gearbeitet und zweimal – allerdings ohne Erfolg – borenen Sohn im Spital in der Nähe von Luzern. Versehen ist das Bild für den Gemeinderat kandidiert hat. Der Gang zum Briefkasten sei vor almit einer persönlichen Widmung an die Hebamme. Durch Beziehungen lem eines: ein täglicher Lichtblick in seinem Alltag, der nicht immer ganz ist er zu diesem Bild gekommen. Viele geschichtsträchtige Autogramme einfach ist. Brändles Frau ist an MS erkrankt. «Die Spannung und Über– etwa von General Guisan oder Elvis – erstand er online. Andere fanraschung beim Öffnen der Briefe ist unbezahlbar.» Und er holt sich die den den Weg zu ihm auf abenteuerlichere Weise: Eine Unterschrift von ganze Welt in seine Stube: «Allein diese Woche habe ich 26 Briefe aus elf Fidel Castro erhielt er nur dank der Hilfe von Alt-Bundesrat Flavio CotLändern erhalten.» ■ SURPRISE 287/12

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BILD: ZVG

Entwicklungshilfe Studenten für Afrika In einem mehrtägigen Entwicklungshilfe-Einsatz vermitteln Schweizer Studenten ghanaischen Bauern, wie man spart und Buchhaltung führt. Die Kürze des Einsatzes lässt Experten zweifeln und wirft die Frage auf: Wer lernt hier von wem?

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VON STEFAN MICHEL

zu einem Problem, vor allem wenn über diese nicht korrekt aufgeklärt wird.» Dass Mikrokredite mehr und mehr in Verruf geraten, ist den beiden bewusst. «Wir haben gemerkt, dass viele ihre Ziele mit Sparen erreichen können und gar keinen Kredit brauchen. In diesen Fällen unterstützten wir sie daher zum Beispiel mit einem Sparplan oder einer einfachen Buchhaltung», erzählt Katrin Gutzwiller. Das Rätsel um den kurzen Aufenthalt in Ghana ist schnell geklärt: Die Studentengruppe arbeitete im Rahmen eines bestehenden Projekts. Global Brigades hat in Ghana feste Angestellte, welche die verschiedenen Projektaktivitäten betreuen. Alle zwei bis drei Wochen kommt eine Studenten-Brigade und wirkt zwischen acht Tagen und wenigen Wochen mit. Dorfbewohner und Studierende verbesserten im Dorf Ekumfi Ekotsi die Wasserversorgung, entwickelten Geschäftsideen, um das ma-

Die Nachricht lässt aufhorchen: 14 Studierende der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur haben in einem Dorf in Ghana der Bevölkerung Tipps zum Geldsparen und zu Mikrokrediten gegeben, ist in der NZZ Campus zu lesen, der Studentenbeilage der gleichnamigen Zeitung. Neun Tage verbrachten die Studis im vergangenen Juli in Westafrika. Danach waren sie «stolz, dass sie 19 Familien beim Erreichen ihrer Ziele unterstützen konnten», und sie verliessen das Dorf Ekumfi Ekotsi «mit dem guten Gefühl, dass die Familien unsere Unterstützung sehr zu schätzen wussten», wie es in ihrem Blog heisst. Was kann man in so kurzer Zeit erreichen? Und was qualifiziert Schweizer Hochschüler dazu, Menschen im afrikanischen Busch zu beraten? Die Organisation, die sie nach Ghana vermittelt hat, heisst «Global Brigades» und ist «Es würde niemandem einfallen, Studenten in ein Schweieine studentische Entwicklungsorganisation zer Bergdorf zu schicken, um die Bauern dort zu beraten.» mit Projekten in Panama, Honduras und Ghana. Einer ihrer Botschafter ist Orion Haas. In gere Einkommen der Einheimischen zu verbessern, und gründeten eine einer auf Youtube abrufbaren Rede erklärt er den Ansatz der amerikaniGemeindebank, die von Leuten aus dem Dorf geleitet wird. schen NGO. Er habe sich lange gefragt, was er als kalifornischer Student Die 14 jungen Frauen und Männer erhielten für ihre Arbeit kein Geld, tun könne, um das Elend der Armen zu lindern. Auf einer Reise durch im Gegenteil: Während Monaten sammelten sie Spenden für Investitiozwölf afrikanische Länder habe er die Antwort gefunden, besser, haben nen ins Projekt sowie für ihre Unterbringung, Verpflegung, Fahrdienste ihm einfache Leute gesagt: «Komm einfach hierher und du wirst es herund Übersetzer. Ihr Engagement in Ghana ist auch ein gemeinnütziger ausfinden. Denn wenn du nicht kommst, wirst du nicht verstehen. Und Ferieneinsatz, wie ihn mittlerweile Tausende Schweizerinnen und wenn du nicht verstehst, kannst du nicht helfen.» Schweizer jährlich leisten. «Voluntourismus» ist der Fachbegriff dafür, Tourismus und Multimedia, das sind die Studienrichtungen der 14 die Verbindung von Volunteer (engl. Freiwilliger) und Tourismus. Mitglieder der Schweizer Brigade, die in Ghana ihr Wissen weitergaben. Kenntnisse über Mikrofinanz hatten sie sich in den Monaten vor ihrem Zensurierte Gefühle Einsatz angeeignet. «Das ist nicht die Art, wie man normalerweise ein Christine Plüss vom Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung hat Mikrofinanzprojekt aufzieht», urteilt Peter Niggli, Experte für Entwicksich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Sie findet: «Grundlungspolitik bei Alliance Sud, «aber man müsste genauer wissen, wie das sätzlich ist nichts gegen einen gemeinnützigen Einsatz auf Reisen einProjekt organisiert ist.» Martin Schreiber von der Organisation Unité finzuwenden.» Im vorliegenden Fall stellt Plüss vor allem die Qualifikation det: «Das ist extrem kurz. Langfristige Wirkung erreicht man so nicht.» der Studierenden für die Arbeit in einem Mikrofinanzprojekt infrage: «Es Unité ist der Dachverband jener Organisationen, die Schweizer Fachperwürde niemandem einfallen, sie in ein Schweizer Bergdorf zu schicken, sonen als Freiwillige an Entwicklungsprojekte vermitteln. Die übliche um die Bauern dort zu beraten, wie sie ihr Einkommen verbessern Einsatzdauer beträgt drei bis fünf Jahre, Praktika dauern sechs bis zwölf könnten.» Monate. Wie fühlt sich das an, in ein Land zu reisen, in dem man noch nie war, Menschen zu treffen, deren Alltag wenig mit dem unseren gemein Mit wenig glücklich sein hat, und sie in ihren Finanzangelegenheiten zu beraten? «Wir haben die Das neuntägige Engagement in Ghana sorgt unter Experten für KopfFamilien mit lokalen Übersetzern besucht und kennengelernt. Natürlich schütteln. Es ist Zeit, die Studenten zu fragen, warum es dennoch Sinn haben wir nicht gleich über ihre finanzielle Situation gesprochen», hält mache. Katrin Gutzwiller (24) und Alexander Bernhard (27), sie im BaBernhard fest. Katrin Gutzwillers Aussage darüber, wie sie sich in ihrer chelor-, er im Master-Studiengang in Tourismus beziehungsweise BusiRolle gefühlt habe, wird vom Vizepräsidenten von Global Brigades ness Administration, stellen sich zur Verfügung. Auf dem Weg nach International nach dem Gegenlesen zurückgezogen. Chur lese ich nochmals im Blog, den sie während der neun Tage in AfriUnd was haben Gutzwiller, Bernhard und ihre Kommilitonen den ka geführt haben. Zu «Tag 3» schreiben die Studis: «Was uns beeinMenschen in Ekumfi Ekotsi geraten? «Im Mittelpunkt stand finanzielle druckt hat, war vor allem die Tatsache, dass man, obwohl man sehr weGrundbildung», erklärt Bernhard, «wir zeigten Menschen, wie sie mit nig besitzt, trotzdem glücklich sein kein und sich jeden Tag über die einfachen Mitteln ihre Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellen könKleinigkeiten des Lebens freuen kann.» Einen Tag später meldet die Brinen. Weil viele nicht lesen und schreiben können, haben wir mit Kreugade: «Zusammen haben wir dann Sparpläne und Kreditanträge ausgezen oder Kreisen für einen Cedi gearbeitet.» (1 Cedi entspricht circa 50 arbeitet. Des Weiteren beschäftigten wir uns auch mit sonstigen AnlieRappen.) Zusammen mit einer weiteren Studentin beriet Katrin Gutzgen und konnten unsere Familien wieder ein Stück besser kennenlerwiller einen Fotografen, der nicht mehr arbeiten konnte, weil seine Kanen, was auch unser kulturelles Verständnis förderte.» mera kaputt war. Hier war der Kredit die beste Lösung, um eine neue KaSo unbedarft wie ihr Reisetagebuch wirken die beiden Vertreter von mera zu kaufen und sein Geschäft fortzuführen. «Wir halfen ihm, den Global Brigades nicht. Master-Student Alex Bernhard erklärt wortreich, Antrag auszufüllen», beschreibt sie die konkrete Unterstützung. Noch woran es den Familien mangelt und wie er und seine Kommilitonen sei nicht entschieden, ob er ein Darlehen erhält, aber die Studenten empweiterhalfen: «Viele wollen, meiner Erfahrung nach, häufig erst mal eifehlen es in ihrem Bericht an die Verantwortlichen der Gemeindebank. nen Kredit beantragen. Die Zinsen und Verpflichtungen werden dann oft SURPRISE 287/12

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fluss nehmen und Vorschläge zum weiteren Vorgehen machen. «Ich Auch ihr Fachwissen aus der Hochschule konnten die Tourismus-Stunehme an, die Studenten haben selber am meisten gelernt», vermutet dierenden anwenden, indem sie ein Destinationsprofil von der ghanaiPeter Niggli. Aus eigener Erfahrung weiss der Entwicklungsexperte: schen Gemeinde anfertigten – einen kurzen Überblick darüber, was tou«Die Menschen dort reden gerne mit Leuten aus anderen Teilen der ristisch nutzbar wäre. Viele Reisende fahren am Dorf vorbei, das an Welt. Dass man sich versteht und Gemeinsamkeiten hat, das bedeutet einer Hauptstrasse liegt. «Wir überlegten uns, was man tun könnte, damit ihnen etwas.» Auch Martin Schreiber von Unité sieht den Lerneffekt als einige von ihnen anhalten. Und wir fragten die Einheimischen, was sie wichtigste Konsequenz des kurzen Schweizer Gastspiels: «Die Studendavon hielten, wenn sich Besucher ihre Gemeinde anschauen würden.» ten haben die Realität und die Kultur des Südens kennengelernt. Das ist Sie dächten nur an etwas Kleines, betont Gutzwiller, sie wollten ja nicht, dass das Dorf von Touristen überrollt werde. Bernhard fügt an: «Wir haben ihnen Die Studenten sind zugleich Botschafter und Fundraiser keine Wunder versprochen. Im Gegenteil, es für Global Brigades. ist uns wichtig, dass sie ihre bisherigen Berufe behalten und den Tourismus je nach Interesse positiv.» Nicht zuletzt macht sich interkulturelle Erfahrung in jedem Leund Möglichkeit als Nebenbeschäftigung betreiben könnten.» Ob aus benslauf gut. dem Papier Realität wird, hängt von weiteren Studentengruppen ab, die Wie schwer es ist, in einem Entwicklungsprojekt mitarbeiten zu könEkumfi Ekotsi besuchen. «Vielleicht interessiert sich eine andere Grupnen, weiss jeder, der schon nach einer Einsatzmöglichkeit gesucht hat. pe dafür. Uns würde es reizen, das bei unserem nächsten Besuch selber Global Brigades schneidet diese auf die Bedingungen der Hochschüler an die Hand zu nehmen», blickt Bernhard voraus. zu. Und da diese vor ihrer Projektreise Spendenaktionen durchführen, Die nächste Brigade kommt bestimmt. Ob sie weiterführt, was die sind sie zugleich Botschafter und Fundraiser der Organisation in diverChurer angedacht haben, oder ihrerseits neue Konzepte erarbeitet, steht sen Städten in Nordamerika und Europa. Die Menschen in Ekumfi Ekotihr frei. Global Brigades jedenfalls präsentiert ihr Netzwerk von über si unabhängig zu befragen, war für diesen Artikel nicht möglich. Auch 20 000 Studenten, welche ihr Wissen als Freiwillige zur Verfügung stelaufgrund eigener Erfahrungen in Entwicklungsprojekten in Afrika bin len, als ihre grösste Qualität. Auch das Churer «Chapter», wie die einich sicher, dass sie sich auf die nächste Abwechslung in Form einer Brizelnen der über 400 Sektionen heissen, will weitere Brigaden nach Ghagade junger Menschen freuen, wie die Studenten selber. Ob ihre Armut na schicken. Das Interesse ist vorhanden. Zum Informationsanlass für dadurch kleiner wird oder nicht. den nächsten Einsatz erschienen 38 Studierende. Wie Gutzwiller und ■ Bernhard, die beide wieder nach Ghana wollen, finden sie dank Global Brigades die Möglichkeit, sich zu engagieren, und das nicht nur als Mehr Informationen über Global Brigades: www.globalbrigades.org Hilfskräfte wie so viele andere Voluntouristen. Sie können selber EinVerantwortungsvolles Reisen: www.fairunterwegs.org

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Homeless World Cup 2012 Die perfekte Welle Die Mexikaner zeigten sich im Herzen ihrer Hauptstadt als Meister im Organisieren und Zelebrieren eines Fussballfestes. Der 10. Homeless World Cup war eine WM der Superlativen. Unsere Nationalmannschaft widerlegte derweil Schweizer Klischees.

VON OLIVIER JOLIAT (TEXT UND BILDER)

Die mexikanische Helferin mit gelbem Shirt und Funkknopf im Ohr ruft wiederholt: «Team Switzerland, you have to hurry, please catch up!» – aber die Schweizer Nationalmannschaft lässt sich nicht stressen. Durch ihr fröhlich-lautes – und eben auch chaotisches – Auftreten bei der Eröffnungsparade des Homeless World Cup (HWC) bringen die Schweizer nicht nur den straffen Zeitplan der Zeremonie durcheinander, sie erobern bereits die Herzen der Fans, ohne einen Fuss am Ball gehabt zu haben. Familien, Schüler, Polizisten und TV-Starlets – alle wollen Fotos mit den acht Spielern von Surprise Strassensport. Willkommen auf dem Zócalo loco! Der verrückte Zócalo, der Hauptplatz von Mexico City, steht ganz im Zeichen des HWC 2012. Das Publikumsinteresse nimmt im Verlauf des Turniers kaum ab. An Spitzentagen werden auf dem HWC-Gelände über 30 000 Besucher geSURPRISE 287/12

zählt. Sie feuern nicht nur lautstark die Teams an, sie fordern auch ihren Lohn. Die Spieler müssen unablässig Autogramme und Interviews geben und für Fotos posieren. Ganz schön anstrengend, wenn man eigentlich schnell zum Mittagessen eilen oder sich für ein Spiel aufwärmen muss. «Ich möchte niemals ein Star sein», seufzt Spieler Hamsa Umakandan schon nach wenigen Tagen im Zentrum des Interesses. Und auch der Schweizer Torjäger Lukas Kunz konstatiert: «Immerhin in der Players Lounge sind wir sicher.» Das Spielerzelt, die einzige Ruhezone auf dem laut beschallten Gelände, ist dafür grosszügig mit Sofas, Pingpong-Tischen und Töggeli-Kasten ausgestattet. Gemütlich fläzend hat man von hier drin Ausblick auf die Hundertschaft von Augenpaaren, die an Absperrgitter gedrängt jede Regung in der Players Lounge verfolgen. Ein solches Publikumsinteresse gab es noch bei keinem der neun vorangegangenen HWCs.

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Aussen hart, innen zart: Goalie Christian Meier mag mexikanische Snacks.

Hart auf hart gegen Deutschland: Ralf Breidenbach im Zweikampf.

Es ist nicht der einzige Superlativ beim 10. Homeless World Cup. Schon der Austragungsort, Mexico City, ist je nach Schätzung mit bis zu 28 Millionen Einwohnern die grösste Metropole der westlichen Hemisphäre. Mit einer Höhe von 2250 Metern über Meer ist es zudem der höchstgelegene HWC, auf einem der grössten Plätze der Welt, der geschmückt wird von einer der weltweit grössten an einem Mast wehenden Fahnen, die allmorgendlich mit grosser Zeremonie hochgezogen wird. Hauptsponsor der Veranstaltung ist Telmex, der mexikanische Telekom Monopolist von Carlos Slim, dem reichsten Mann der Welt. Bei uns ist der Mann mit einem je nach Börsenstand variierenden Vermögen von 69 bis 74 Milliarden US-Dollar vor allem als Sponsor des Sauber-Rennstalles bekannt. In Mexiko unterstützt er neben vielen anderen Sozial- und Kul«Ich möchte turprojekten auch die Obdachlosen-Liga. Mit Umakandan 18 000 Fussballerinnen und Fussballern ist es Interesses. weltweit die grösste. Nach zwei zweiten Plätzen am HWC 2011 in Paris war die Mission für die beiden mexikanischen Teams klar: Der Weltmeistertitel muss her! Die Schweizer Nati setzte sich ein anderes Ziel. Im Trainingslager auf dem ruhigen Hasliberg schwor sich das Team darauf ein, bis zum letzten Spiel alles zu geben, egal in welchem der sechs Cups (um den Homeless World Cup spielen zum Abschluss des Turniers nur noch die stärksten acht Teams). Die erste Gruppenphase diente den Schweizern denn auch vor allem dazu, sich zu akklimatisieren. Denn nicht nur die Höhe der Stadt lässt die Spieler ins Schnaufen kommen, sondern auch die starken Gruppengegner. Gegen Finnland fehlt zwar nicht viel zu einer Auftaktüberraschung und gegen die Ukraine (Weltmeister 2009) konnten wacker kämpfende Schweizer immerhin die zweite Halbzeit, aber leider nicht

das ganze Spiel für sich entscheiden. Gegen den inoffiziellen Europameister aus Polen muss die Nati dann einiges einstecken. Schmerzhafter als die zwölf Tore war jedoch das knochenharte Spiel. Dass in diesem Spiel mit Torhüter Christian Meier und Hamsa Umakandan gleich zwei Spieler ausscheiden, kann man den Polenprügeln dennoch nicht unterjubeln. Der Goalie kollabierte wegen der Höhe und den allzu hochgeschraubten Emotionen, Umakandan verknackste den Fuss beim Anlauf zum Penalty. Um die Nerven der Spieler zu beruhigen, machte das Team zum Abschluss der ersten Gruppenphase einen Ausflug ins wunderbar ruhige Stadtviertel Coyoacán. Die dort zum Snack verspeisten Grashüpfer hat-

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niemals ein Star sein», seufzt Spieler Hamsa schon nach wenigen Tagen im Zentrum des ten nichts mit Fussball-Voodoo auf den derzeitigen Tabellenführer der Schweizer Super League zu tun. Als Muntermacher für das Team dienten sie alleweil bestens. Geschmeckt haben sie auch. In der zweiten Gruppenphase lief es für die Schweizer denn auch schon viel besser. Gegen Südkorea und Kanada konnten wir gar Siege feiern. Gegen Griechenland, Deutschland und Marokko machte jeweils nur ein Tor den Unterschied – eigentlich nichts im torreichen Street Soccer. Doch das fehlende Spielglück war den Spielern nicht anzumerken. Im Gegenteil: Laune und Mundwinkel waren im Aufwärtstrend. Wenn auch auf dem Platz nicht so erfolgreich wie die Schweizer Natis der Vorjahre, in Sachen Teamgeist kann es keine Vorgängermannschaft mit ihSURPRISE 287/12


«Switzerland, catch up!» Die Surprise-Strassenfussball-Nationalmannschaft Ausgabe 2012 mit Betreuern und Volunteers.

nen aufnehmen, nicht nur auf dem Spielfeld. Aber auch dort spielte sich das Team dank vollem Einsatz in die Herzen der Zuschauer. So musste sich der Schiedsrichter ein gellendes Pfeifkonzert von über tausend Leuten anhören, als er im Community-Achtelfinale gegen Frankreich einen erfolgreich versenkten Penalty wiederholen liess, weil er ihn noch nicht freigegeben hatte. Im zweiten Anlauf hielt der Torwart leider, und auch das Spiel ging verloren. Weil in der dritten Turnierphase, der Trophy Stage, im Cup-System gespielt wird, waren damit auch die Titelchancen der Schweizer dahin. Die grössere Teamenttäuschung war jedoch, dass Marokko nicht zum Platzierungsspiel antrat. Damit war die Chance auf eine Revanche für die ärgerliche Niederlage in der zweiten Gruppenphase dahin. Versöhnlich dann der fussballerische Turnierabschluss: Die Schweiz konnte gegen den langjährigen Lieblingsgegner Deutschland spielen. Nach der knappen Niederlage im der zweiten Gruppenphase hatte sich die Schweiz etwas vorgenommen und ging auch schnell in Führung. Doch um es in leichter Abwandlung eines Zitates von Englands Legende Gary Lineker auszudrücken: Strassenfussball ist, wenn die Schweiz 4:1 führt, nach der Pause einen 4:7-Rückstand zum 10:10 ausgleicht und Deutschland eine Sekunde vor Schluss das Siegestor schiesst. Dramatik und Emotionen pur, die sich im gemeinsamen Feiern eines wunderbaren Homeless World Cups entluden. Zusammen mit dem Publikum wurde die horizontal ansteigende Welle zelebriert. Als die Teams dann zusammen mit 4000 Zuschauern das Finale zwischen Mexico und Chile anschauten, rollte wieder die bei der WM 1986 in Mexico erfundene Stadionwelle La Ola durchs Rund. Zur grossen Überraschung aller gewann Chile und holte den Homeless World Cup. Für die Veranstalter war das wohl nicht ganz so einkalkuliert, für uns Schweizer jedoch das i-Tüpfelchen auf einem wunderbaren Fussball-ErSURPRISE 287/12

lebnis. Erstens aus Solidarität mit dem Underdog, zweitens aus Symphatie für’s «auf den Kopf stellen». Denn wie die anfangs erwähnte mexikanische Helferin später bei einem Mittagessen erklärte: «Ihr wart zwar die grössten Chaoten, aber kein anderes Team hatte es so genossen und so viel Spass mit dem Publikum.» Das Kompliment wiegt alle Niederlagen auf dem Spielfeld auf! ■ Alle Resultate und sämtliche Spiele in voller Länge auf www.homelessworldcup.org

Resultate Group Stage Finnland – Schweiz Ukraine – Schweiz Polen – Schweiz Schweiz – Bosnien-Herzegowina

5:3 10:6 12:0 1:10

Secondary Stage Schweiz – Griechenland Guatemala – Schweiz Südkorea – Schweiz Kanada – Schweiz Schweiz – Marokko Schweiz – Deutschland

1:2 6:3 2:7 2:4 6:7 6:7

Community Cup Frankreich – Schweiz Schweiz – Marokko Schweiz – Deutschland

5:2 3:0 (nach Forfait) 10:11

Schlussrang: 38

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Moritz Leuenberger «Es gibt sie, die solidarische Schweiz» Der Präsidentschaftswahlkampf zeigte die USA als eine tief gespaltene Nation. Dabei sind die Vereinigten Staaten traditionell stolz darauf, ein freiwilliger Zusammenschluss von Minderheiten, also eine Willensnation zu sein – ebenso wie unser Land. Wir wollten wissen, wie es um den Zusammenhalt in der Willensnation Schweiz steht. Moritz Leuenberger, Bundesrat von 1995 bis 2010 und auch nach seinem Rücktritt ein politischer Beobachter und unabhängiger Denker, empfing uns zu diesem Zweck in seiner Zürcher Bürogemeinschaft mit Blick auf das Central und die Limmat. Im Gespräch sagt er, dass er erst als Bundesrat erkannte, was dieses Land im Innersten zusammenhält – und weshalb er trotz vielfältiger Bedrohungen weiter an die Willensnation Schweiz glaubt.

VON MONIKA BETTSCHEN UND FLORIAN BLUMER (INTERVIEW) UND PETER WÜRMLI (BILDER)

Herr Leuenberger, wie nahe sind Sie heute, knapp zwei Jahre nach Ihrem Rücktritt aus dem Bundesrat, noch am politischen Geschehen? Ich war mein Leben lang Politiker, schon als Schüler, also bin ich es auch heute noch. Politiker zu sein hat in der Schweiz nichts mit dem Beruf zu tun, es ist eine Haltung. Die USA wählen gerade ihren nächsten Präsidenten. Wie haben Sie den Wahlkampf und das gigantische Spektakel darum erlebt? Ich zittere für Präsident Obama, für den ich sehr viele Sympathien habe. Er ist ein intellektueller Politiker, er widmet sich grundsätzlichen Fragen und sucht dennoch in der Tagespolitik Kompromisse – die ihm oft verweigert werden. Auf der anderen Seite war das ein Wahlkampf, den ich verabscheue. Die Dominanz von Geld und Meinungsmanipulation ist erschreckend.

habe immer wieder mit Überzeugung repetiert: Der Wille zur Solidarität mit allen Minderheiten ist gewissermassen die soziale Säule. Daneben braucht es auch die Säulen der wirtschaftlichen Infrastrukturen und der Ökologie. So wird die Eidgenossenschaft nachhaltig zusammengehalten. Ist die «Willensnation Schweiz» nicht eher ein Mythos? Schauen Sie, ich bin als Bundesrat in dieser Frage sehr misstrauisch gestartet. Ich empfand es oft als kitschigen Patriotismus, wenn unsere vier Sprachen und Kulturen, der Zusammenhalt von Stadt und Land oder zwischen den Religionen zelebriert wurde. Als ich aber Bundesrat wurde und vermehrt an Anlässen war, die ich vorher als Städter nicht kannte, an Schwing- und Hornusserfesten, da habe ich eine Schweiz entdeckt, die real so existiert. Es ist nicht nur Kitsch. Dieser Patriotismus wird zwar zum Teil von konservativen Kräften für sich reklamiert – darum war ich auch misstrauisch –, aber dahinter gibt es eine Schweiz, die wirklich solidarisch lebt. Das war für mich eine wunderbare Eröffnung.

Heute scheint der soziale Zusammenhalt aber unter dem Druck verschiedener Einflüsse wie Globalisierung oder Migration zu Politologe Wolf Linder spricht von einem Schaukampf, der mit bröckeln. Täuscht dieser Eindruck? Demokratie nicht mehr viel zu tun habe … Zunächst: Eine Willensnation wird nicht einmal geschaffen und Mich schaudert, denn bei uns sind solche Ansätze auch da. Das Geld bleibt dann auf Ewigkeit eine solche. Sie muss immer wieder neu entist das eine, die Steuerung der öffentlichen Meinung das andere. Nach dem ersten TV-Duell galt Obama als schlechter, weil er zu wenig aggressiv, und Romney als «Kultur und Bildung werden vermehrt durch Sponsoren besser, weil er so gut gestikuliert habe. Soll albeeinflusst und immer weniger durch den demokratiso derjenige Präsident werden, der besser mit schen Staat.» dem Finger auf den anderen zeigt? Einige wenige verbreiten solch oberflächliche Einschätzungen, und alle Welt schnattert sie nach. Das ist Manipulation mit Geld deckt, neu verteidigt, neu gewollt werden. Nach dem Fall des Eisernen und PR-Profis und hat mit einer Demokratie selbständig denkender BürVorhangs haben ökonomische Werte weltweit eine Vorherrschaft erger nichts zu tun. rungen. Das hat auch in der Schweiz Folgen: So werden Kultur und Bildung auch bei uns vermehrt durch Sponsoren beeinflusst und immer Kommen wir auf die Schweiz zu sprechen. Wie in den USA ist weniger durch den demokratischen Staat. Wirtschaftsführer oder «Paman auch hierzulande stolz auf den Sonderfall, eine «Willensnatrons», die früher am politischen Leben teilnahmen, haben sich praktion» zu sein. Was bedeutet dieser Begriff für Sie? tisch vollständig auf ihre wirtschaftliche Tätigkeit zurückgezogen – Der Ausdruck bildet den Gegensatz zur Kulturnation, die für einen jüngst auch SVP-Nationalrat Peter Spuhler. Dieser Prozess führte zu eiStaat steht, der durch ein Volk, eine Sprache, eine Kultur gebildet wurner Auflösung der früheren Verbundenheit zwischen Wirtschaft und Pode. Wir sind auf die Willensnation ja ganz stolz. Auch ich als Bundesrat litik; das war auch ein Teil der Willensnation. Dazu kommt: Die Medien SURPRISE 287/12

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sind heute reine Wirtschaftsunternehmen und nur um ihre Auflage besorgt. Das führt zu Zuspitzung und Personalisierung. Wer in der Politik Verantwortung übernimmt, setzt sich einem unbarmherzigen Bashing aus. Kein Mitleid für Bundes- und Nationalrat! Da weiss jeder, auf was er sich einlässt. Aber in der Gemeindepolitik ist das ein Problem: Wenig Leute sind noch bereit, das Amt eines Gemeinderates oder Gemeindepräsidenten zu übernehmen.

gehört, auch eine Minderheitsposition zu vertreten und sich nicht immer nur der Mehrheit anzupassen, weder im Inhalt noch im Stil. Robert Badinter, französischer Justizminister in den 1980er Jahren, zum Beispiel wusste, dass die Mehrheit der Franzosen die Todesstrafe wollte. Er stellte sich gegen diese Meinung. In den Umfragen hat er trotzdem geführt, weil die Leute sich sagten: Der steht zu seiner Meinung!

Neben der Ökonomisierung der Gesellschaft – sehen Sie weitere Gefahren für die Willensnation Schweiz? Hängt das nicht auch mit einem generell geschwundenen InterIn den vergangenen Jahren sind wirtschaftliche Eliten aus dem Ausesse an der Politik zusammen? land in die Schweiz gezogen. Sie leiten hier multinationale GesellschafJa. Aber ich sage das beobachtend und nicht nostalgisch. In meiner ten und kennen unser politisches System kaum, wissen gar nicht, was Generation, den 68ern, stand für sämtliche Probleme der politische Aspekt im Vordergrund. Heute ist es eher die Moral, das individuelle Verhalten. So denken «Man muss nicht meinen, Akademiker wüssten besser, die Leute in sozialen Fragen oder im Umweltworum es in der Politik geht.» schutz nicht mehr als Erstes daran, was der Staat vorschreiben oder organisieren sollte, ein Bundesrat ist. Sie schotten sich ab, reden Englisch untereinander, ihsondern was der Einzelne beitragen könnte. Sie leisten Freiwilligenarre Kinder besuchen Privatschulen – weil sie in vier, fünf Jahren sowiebeit oder gründen ein Hilfswerk. Da hat sich ein Wandel vollzogen. so wieder wegziehen. Das ist für den Zusammenhalt im Land eine Gefahr. Ein weiterer Punkt ist die globalisierte Kommunikation. Indem wir Dennoch leben wir noch immer mit Überzeugung das Modell der immer mehr Medien aus anderen Ländern konsumieren, nehmen wir direkten Demokratie. Aus Ihrer Erfahrung als Bundesrat: Sind die auch deren Politstile auf. Viele liebäugeln mit einem Mehrheits-MinderMenschen politisch genügend gebildet, um tatsächlich mitreden heits-System. Dass der Bundesrat ein kollektiv verantwortliches Grezu können? mium ist, weiss bald niemand mehr. Man spricht vom Post- oder VerIch habe beides erlebt: Der Minarettinitiative stimmten auch linke teidigungsminister und betont immer die Parteizugehörigkeit. Der Frauen zu, um die Unterdrückung der Frauen durch die Taliban zu geisBundesrat ist aber als Gesamtes für alle Geschäfte verantwortlich und seln. Aber bei der NEAT und ihrer Finanzierung mit der Schwerversoll über den Parteien stehen. Das gehört auch zur Willensnation. kehrsabgabe LSVA haben sich die Leute an Diskussionen und im Abstimmungsbüchlein detailliert informiert. So war es möglich, den GotWie gut arbeiten aus Ihrer Sicht die politischen Minderheiten in thard-Basistunnel, den längsten Tunnel der Welt, ohne Kostenüberder Schweiz heute noch zusammen? schreitung zu realisieren. Der Durchstich fand pünktlich statt, im Das Bewusstsein für Minderheiten ist bei uns tief verankert. So werGegensatz zu Stuttgart 21 oder dem Flughafen Berlin. Direkte Demokraden zum Beispiel kantonale Regierungen von den Wählern stets protie führt zu politischem Bewusstsein und zu Verantwortung. portional zusammengestellt, obwohl sie ja im Mehrheitsverfahren gewählt werden. Die Wähler wollen ganz bewusst sowohl Freisinnige als Durch alle Schichten hindurch? auch Sozialdemokraten, auch die Grünen sollen eingebunden werden. Die Unterschiede gehen quer durch alle Schichten. Man muss nicht Das hohe Nein zur Nichtraucherinitiative beweist: Auch Nichtraucher meinen, Akademiker wüssten besser, worum es in der Politik geht. Es haben Nein gesagt – aus Solidarität mit den «armen Raucherlein», die gibt bei uns den wachen Bürger, der sich rund ums Jahr orientiert und nirgends mehr hindürfen. einbringt. Gab es denn als Bundesrat nicht oft frustrierende Situationen – wenn Sie eine Vorlage mit viel Aufwand und in Zusammenarbeit mit Experten ausgearbeitet hatten, nur damit diese die Bürger mit einer Entscheidung aus dem Bauch heraus wieder verwarfen? Die Trennung zwischen Kopf und Bauch sehe ich so nicht: Jeder Berufspolitiker braucht auch den Bauch! Man muss nicht meinen, da herrsche nur klarer Sachverstand. Politik ist immer Kopf und Herz. Und jene, die abstimmen, benutzen auch nicht nur den Bauch. Der Bauch wird vorherrschend, wenn die Wut hochkommt. Und das geschieht, wenn zu den Sachfragen nicht abgestimmt werden kann. So wurde in Frankreich François Hollande vor allem deshalb gewählt, weil man eine Wut auf Sarkozy hatte. In der direkten Demokratie staut sich die Wut nicht an, weil man regelmässig abstimmen kann. Sie haben eingangs den Einfluss von Meinungsumfragen in den USA erwähnt. Auch in Bezug auf die Schweiz haben Sie einmal gesagt, dass Politiker ihr Handeln oft eher nach Meinungsumfragen ausrichten als ihre eigene Meinung vertreten. Ich sehe Meinungsumfragen als Gefahr. Erstens traue ich ihnen nicht: Die Leute äussern sich spontan zu einem politischen Problem, eben aus dem Bauch heraus, weil sie sich nicht vorbereiten konnten. Vor einer Abstimmung wird aber breit diskutiert. Dann gibt es die Beliebigkeit von vielen Politikern, die sich nach Umfragen richten. Zur ehrlichen Politik

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Wie sieht es bei den kulturellen Minderheiten aus? Um das Thema Röstigraben ist es in letzter Zeit ruhiger geworden, es scheint ein Stück weit von der Auseinandersetzung um die Gruppe der Migranten abgelöst worden zu sein. Richtig, wobei dies ja nicht nur schlecht ist. Die Schweiz ist nicht Ballenberg. Es muss nicht alles so bleiben wie früher. Zu den klassischen vier Kulturen, die man in der Schule aufzählt, stossen neue hinzu. Damit sind wir gefordert, und das macht ja auch das Wesen einer Willensnation aus. Wir befinden uns in einem politischen Prozess. Vonseiten der Landesregierung, von NGOs und von vielen Parteien ist der Wille da, diese Integrationsarbeit zu leisten. Die Solidarität mit Ausländern stösst jedoch an Grenzen, wie zum Beispiel in der Diskussion über das Asylgesetz zum Ausdruck kommt. Und diese Gruppe kann politisch auch nicht mitbestimmen. Ausländer haben kein Stimmrecht, das ist verständlich. Heikler ist, wer warum Ausländer bleiben muss. Wir haben eine restriktive Einbürgerungspraxis. Dennoch können wir nicht pauschal sagen, die Schweizerinnen und Schweizer seien nicht solidarisch mit Ausländern. Es gibt Kräfte, wie zum Beispiel Ihr Magazin, die sehr solidarisch sind, und es gibt Kräfte, die das nicht wollen. Das sind Auseinandersetzungen, die jedes Land führt, nicht nur die Schweiz. SURPRISE 287/12


«Jeder Berufspolitiker braucht auch den Bauch!» Ex-Bundesrat Moritz Leuenberger glaubt an den politischen Verstand des Stimmbürgers.

Aber jene Kräfte, die diese Integration nicht wollen, schlagen einen immer schärferen Ton an. Demagogie, Volksverführung, Populismus, dieses Vorgaukeln von einfachen Lösungen, das hat es schon immer gegeben. Und es ist sicher auch früher schon so gewesen, dass wer die nötigen Mittel hatte, auch grösseren Einfluss nehmen konnte. In Frankreich und in den USA zum Beispiel hat das aber heute gewaltige Dimensionen angenommen. Diese Entwicklung dringt auch zu uns vor. Da müssen wir sehr, sehr wachsam sein. Ich habe aber die Hoffnung, dass die Wähler reagieren. Auch innerhalb der SVP steigt das Misstrauen, wenn derart offensichtlich politischer Einfluss gekauft werden kann. In Ihrer Abschiedsrede vor dem Parlament haben Sie die Politik mit einem Theaterstück verglichen … «Wir treten auf, wir spielen, wir treten ab.» Das Leben ist eine Bühne, und die Politik erst recht. Dass Politik und Theater Zwillinge sind, habe ich immer wieder betont. Aber wichtiger als die Ausdrucksmittel ist der Inhalt. Wer schreibt das Stück? Wer führt Regie? Im US-Wahlkampf sind es Geld und Meinungsmanipulatoren. Wachen wir darüber, dass es bei uns die Stimmbürger bleiben – mit ihrer Vernunft und mit ihren Herzen. ■ SURPRISE 287/12

Willensnation Schweiz Zusammen mit den USA und Kanada stellt die Schweiz einen weltweiten Sonderfall dar, indem sie sich als Willensnation versteht: eine freiwillige Gemeinschaft von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Sprache. Der Mythos der Willensnation Schweiz geht auf die Gründung der modernen Schweiz 1848 zurück. Im Sonderbundskrieg hatten sich zuvor die progressiven reformierten Kantone gegen die konservativen katholischen Stände durchgesetzt. Es waren unter anderem wirtschaftliche Gründe, die zur Gründung eines Nationalstaats führten: Die Industrialisierung war in vollem Gange, kantonale Zölle wurden als Handelshemmnisse abgebaut und eine gemeinsame Währung wurde geschaffen. Die Schweiz war ein buntes Mosaik aus verschiedenen Minderheiten mit je eigenem Zugehörigkeitsgefühl: Reformierte und Katholiken; Deutschschweizer, Romands und Tessiner; Bürgertum, Büezer und Bauern. Der neu gegründete Bundesstaat bedurfte der Stiftung einer gemeinsamen Identität – erst das geteilte Selbstverständnis als Schweizer ermöglichte ein eidgenössisches Miteinander. In die Vergangenheit projizierte Geschichten und Legenden von Eidgenossen, die gegen fremde Vögte zusammenstanden – mit Wilhelm Tell als Galionsfigur –, schufen einen gemeinsamen Erinnerungsraum, der bis heute das Staatsverständnis vieler Schweizer bestimmt.

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Geldtransfers Das grosse Geschäft mit Kleinstbeträgen Um Geld nach Hause zu schicken, sind viele Migranten auf Bargeldtransfer-Firmen angewiesen. Diese kassieren fürstlich – vor allem bei denen, die sowieso fast nichts haben.

VON MICHAEL GASSER (TEXT) UND PATRIC SANDRI (ILLUSTRATION)

Drei Prozent der Weltbevölkerung haben ihre Heimat verlassen, um ihr Glück anderswo zu versuchen. So steht es im Bericht «Migration and Remittances – Factbook 2011» der Weltbank. Das entspricht über 215 Millionen Menschen. Und ebenso vielen Geschichten. Geschichten, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Denn zu den Migranten zählen nicht nur Sans-Papiers oder Asylsuchende, sondern beispielsweise auch der deutsche Arzt oder der englische Manager, die vorübergehend oder auf Dauer in die Schweiz umsiedeln.

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Ob gut oder schlecht verdienend: Viele der in Industrienationen lebenden Migranten schicken Geld nach Hause. Um dort Investitionen zu tätigen oder zumindest die daheimgebliebene Familie zu unterstützen. Was man – wenn es sich um legal verdiente Gelder handelt – als «Rimessen» bezeichnet. Gemäss Schätzungen der Weltbank überstieg deren Gesamtsumme im vorletzten Jahr die Marke von 440 Milliarden Dollar, weltweit. Davon wurden 325 Milliarden in Entwicklungsländer überwiesen. Und weil davon auszugehen ist, dass viele Gelder nicht registriert und über informelle Kanäle gesendet wurden, dürfte die wirkliche Summe noch um einiges höher sein. Was auch heisst, dass RimesSURPRISE 287/12


sen vielfach mehr Gelder in ein Land bringen als die Entwicklungshilfe. Das trifft speziell auf die Nationen Afrikas zu. Weshalb Rimessen mittlerweile international als wichtiges Instrument für die Bekämpfung von Armut anerkannt sind.

ferfirmen, deren Service ein überaus fixer und verlässlicher ist. So verspricht MoneyGram auf seiner Website: «Ihr Geld ist in 10 Minuten da, wo es gebraucht wird.» Ausser einem Identitätspapier wird nichts verlangt, weder Bankkonto noch sonstige Belege. «Für viele irreguläre Migrantinnen und Migranten ist es die einzige Möglichkeit, über formelle Kanäle Geld nach Hause zu schicken», schrieb Historikerin Rachel Nellen-Stucky 2008 denn auch in «Rimessen – Das Milliardengeschäft mit internationalen Geldüberweisungen», ihrem Dossier für die entwicklungspolitische NGO Erklärung von Bern. Der Österreicher Hikmet Ersek, ein früherer Basketball-Profi und seit 2010 Präsident und CEO von Western Union, gestand in einem Interview: «Wir leben von der Migration.» Gemäss Angaben von Nellen-Stu-

Zu Hause hat niemand Arbeit Kommen wir zur Schweiz: Während im Jahr 2000 noch vergleichsweise bescheidene 7,6 Milliarden Dollar aus unserem Land zurück in die Herkunftsländer der Migranten flossen, waren es 2009 bereits 19,5 Milliarden Dollar. Der grösste Teil dieser Summe – 14,5 Milliarden, um genau zu sein – stammt allerdings von Kurzzeitaufenthaltern, die ihrer Arbeit hierzulande nicht länger als ein Jahr nachgingen und deren Gesamtverdienst deshalb als Rimessen verbucht wurde. Nicht zu dieser Gruppe gehört Mussie «Wer 100 Franken nach Brasilien oder in die ElfenbeinküB. (Name der Redaktion bekannt). Der Eritreer ste schicken will, muss dafür 21 Franken aufwerfen.» lebt mit seiner Frau und den Kindern seit 2008 in der Schweiz und arbeitet in der Krankenpflege. In der Heimat verblieben sind seine Mutter, seine drei Schwecky sorgen die Gebühren des börsenkotierten Unternehmens gleich für stern und sieben Neffen und Nichten. «Mein Vater ist vor fünf Jahren 80 Prozent des gesamten Umsatzes. Dass Western Union, welche 2007 gestorben», sagt er. Eine seiner Schwestern sei verwitwet, eine andere über 572 Millionen Transaktionen abwickelte, zu den sogenannten Suwisse nicht, wo sich ihr Mann aufhalte und ob er überhaupt noch lebe. per Brands und damit zu den Top-500-Firmen der Welt gehört, ist letztSpricht Mussie über die Situation in Eritrea, spürt man seinen Fatalich also den Überweisungen unzähliger Migrantinnen und Migranten lismus. «Die Dinge sind eben, wie sie sind.» Und man müsse tun, was zu verdanken. Obwohl die Gebühren in den letzten Jahren teils markant man tun könne. «Hoffnung verspüre ich keine.» In den Augen vieler gesunken sind, kommt Nellen-Stucky zum Schluss, dass diese weiterhin internationaler Beobachter gilt das politische System in Eritrea nicht «unverhältnismässig hoch» seien. «Denn die effektiven Kosten für die bloss als repressiv, sondern als Militärdiktatur. Von Äthiopien, dem das Abwicklung einer Geldüberweisung betragen nur einen Bruchteil daLand im Nordosten Afrikas bis 1993 angehörte, wird man weiterhin bevon.» drängt. Weswegen sich die beiden Nationen praktisch im Krieg miteinWer will, kann auf der Website www.westernunion.ch die Tarife für ander befinden. Die Korruption ist in Eritrea mehr als nur weit verbreitet, einen Geldtransfer gleich selbst berechnen: Wer 100 Franken nach Braund Jobs gibt es so gut wie keine. «Niemand aus meiner Verwandtschaft silien, in den Iran, die Elfenbeinküste oder nach Eritrea überweisen hat Arbeit», sagt Mussie. Seine Familie in der alten Heimat lebe einzig möchte, muss dafür 21 Franken Gebühren aufwerfen, bei einem Betrag und allein von dem Geld, das er ihnen zukommen lassen könne. Manchvon 200 Franken beträgt der zu entrichtende Preis 30 Franken. Die Gemal seien es 100 Franken im Monat, manchmal auch 200. Das Einfachbühren sind regressiv gestaltet, sprich: Sie sinken mit der zunehmenden ste und Billigste wäre eine Überweisung per Bank, doch die nächste FiHöhe eines Überweisungsbetrages. Und das überproportional. Kassiert liale, die über internationale Verbindungen verfügt, liegt Dutzende von wird also vor allem bei den Kleinstbeträgen. Sprich bei jenen Menschen, Kilometern von Mussies 300-Seelen-Heimatdorf entfernt. Und somit die sich jeden Franken, den sie in ihre frühere Heimat schicken, ohneausser Reichweite. «Zumal ich damit rechnen müsste, dass sich die Behin schon vom Mund absparen müssen. hörden das Geld letztlich unter den Nagel reissen und meine Verwandten leer ausgehen würden.» Kaum Interesse bei NGOs Aus diesem Grund kommen auch alternative Dienste wie die beiden Trotz der bestehenden Problematik findet das Thema Rimessen moführenden Geldtransferfirmen MoneyGram, die mit der Schweizer Valomentan kaum noch Beachtung. Oliver Classen, Mediensprecher der Erra zusammenarbeitet, und Western Union für Mussie nicht in Betracht. klärung von Bern, meint auf Anfrage: «Meines Wissens arbeitet in EuZudem würden die Unternehmen zu viel Geld für ihre Serviceleistungen ropa derzeit keine namhafte NGO zu diesem Thema.» Was möglicherfordern. Bis zu einem Fünftel des überwiesenen Betrages würde da verweise damit zu tun habe, dass sich in diesem Bereich einiges gebessert langt, erklärt Mussie. «Um überleben zu können, braucht meine Familie hat. So wurde 2009 auf dem G8-Gipfel, dem Treffen der acht grössten Inaber möglichst den ganzen Betrag.» Weshalb er das Geld jeweils einem dustrienationen in L’Aquila, immerhin das Ziel ausgegeben, die BearKollegen anvertraue, der die Heimat bereist. Einige seiner eritreischen beitungsgebühren für Bargeldtransfers weiter zu senken. Freunde in der Schweiz würden das genauso handhaben wie er. Wobei: Glaubt man dem Online-Kampagnennetzwerk Avaaz, hat sich allerIn vielen Fällen wisse er das nicht so genau, gibt Mussie zu. Denn undings weit weniger getan als erhofft. Weshalb man 2011 eine Petition an ter den rund 300 in der Region Basel lebenden Eritreern gebe es auch diWestern Union richtete: «Als Bürger aus der ganzen Welt, verpflichtet verse Anhänger des herrschenden Regimes. «Ein falsches Wort zur falzur weltweiten Armutsbeseitigung, bitten wir Sie, wahre Unternehschen Person, und schon könnte das Geld, das man nach Hause schickt, mensführung zu zeigen und sicherzustellen, dass internationale Überin falsche Hände geraten.» Was der Grund ist, weshalb Mussie B. seinen weisungen in die ärmsten Länder fairen Gebühren unterliegen. Insbewirklichen Namen nicht im Magazin sehen möchte. sondere bitten wir Sie, die Gebühren für Arbeiter, die Geld nach Hause in Entwicklungsländer senden, auf maximal fünf Prozent zu senken.» Keine Papiere, keine Bank Eine Bitte, die bislang nicht erhört wurde. ■ Natürlich sind längst nicht alle Migranten oder Asylsuchenden, die Gelder heimsenden, von derartigen Gefahren bedroht. Grundsätzlich gilt: Wer über eine Bank Geld in die weite Welt verschicken will, muss über ein Konto verfügen und eine Bonitätsprüfung bestehen. Anforderungen, die für das Gros der Flüchtlinge oder Sans-Papiers unerfüllbar sind. Kommt hinzu, dass Banküberweisungen in der Regel bis zu sieben Arbeitstage in Anspruch nehmen. Anders bei den erwähnten GeldtransSURPRISE 287/12

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BILD: GUIDO SÜESS

Wörter von Pörtner Fertig lustig Vor Kurzem lernte ich an einer Veranstaltung einen Alt-Bundesrat kennen. Der Mann erwies sich als äusserst humorvoll und schlagfertig und stahl dem Komiker, der ihn eingeladen hatte, beinahe die Show. Der ehemalige Politiker, ein ruhiger und behäbiger Mensch, hatte einen feinen Witz und setzte seine trockenen Pointen, ohne eine Miene zu verziehen. Was mich schwer verwunderte, war die Tatsache, dass dieser Mann seinen Humor, während er im Amt war, nie hatte aufblitzen lassen. Ich bin überzeugt, man hätte ihm mehr verziehen, wenn er heikle Situationen mit einem träfen Spruch kommentiert, und ihn weit weniger angegriffen, wenn er ab und zu einen Witz gewagt hätte. Denn das Auftreten vor den Medien, das Ausweichen und Drumherumreden, das wortreiche Nichtssagen und was man

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sonst als Politiker noch beherrschen muss, all das lässt sich erlernen. Legionen von Coaches stehen bereit. Was man jedoch nicht lernen kann, ist Humor. Natürlich versuchen viele Politiker, lustig zu sein. Nur verwechseln sie zu oft das Lachen über andere, also Häme und Schadenfreude, mit Humor. Einerseits mit dem Zweihänder auf andere einhacken und finden, man müsse in der Politik eben eine dicke Haut haben und nicht so tun, andererseits Zeter und Mordio schreien, wenn man selbst mit der Nagelfeile gepiekst wird, ist das Gegenteil von lustig. Humor ist eben nicht, wenn man selber lacht, sondern wenn man über sich selber lacht. Diese Fähigkeit geht in der Politik zusehends verloren. Humor ist menschlich, und Menschlichkeit wird als Schwäche interpretiert. Vielleicht hat jener Alt-Bundesrat seinen Humor deshalb nie öffentlich gezeigt. Wohin diese Tendenz führt, sieht man in Amerika, wo Menschlichkeit und Humor vollständig aus der Politik verbannt wurden. Es geht nur noch um knallharte Interessenvertretung, selbst Problemlösung ist nicht mehr gefragt. Da verwundert es nicht, dass neben den traditionellen Fernseh-Duellen der Präsidentschaftskandidaten auch eines der Kommentatoren stattgefunden hat, das fast gleich viel Einfluss auf das Wahlgeschehen haben kann wie die Politikerdebatten. Einander gegenüber standen Bill O’Reilly vom rechtslastigen Fox News Channel und Jon Stewart, dessen Daily

Show auf einem Sender namens Comedy Central ausgestrahlt wird. Letzterer gilt denn auch bei vielen Amerikanern als der vertrauenswürdigste Nachrichtenjournalist. Obwohl er eigentlich eine Satiresendung macht. Humor schafft eben Vertrauen, vor allem, wenn er wie bei Stewart auch die eigene Person und das eigene Lager nicht verschont. Eine US-amerikanische Studie hat unterdessen einen Zusammenhang zwischen Humorlosigkeit und religiösem Fundamentalismus nachgewiesen. Ich vermute stark, dass dies auch auf den politischen Fundamentalismus zutrifft. Vielleicht wäre es an der Zeit, eine neue Zauberformel für die Zusammensetzung des Bundesrates zu finden. Vielleicht wäre es am besten, wenn in Zukunft Anwärter auf einen Sitz in der Landesregierung dem Parlament eine lustige Begebenheit erzählen müssten. Wer am meisten Lacher generiert, ist gewählt. Es könnte unserem Land nur guttun.

STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER (MILENA.SCHAERER@GMX.CH) SURPRISE 287/12


Arabische Filme Fernsehbilder korrigieren Von Tangier bis Bagdad, vom packenden Frauenporträt zur bitteren Bilanz eines US-Irakveteranen: Das erste Arabic Film Festival Zürich eröffnet einen breiten Einblick in das dortige Filmschaffen. BILD: ZVG

INTERVIEW VON YVONNE KUNZ

Seit Jahren ist unsere Wahrnehmung der arabischen Welt von den dortigen politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen geprägt: Tag für Tag flimmert sie als permanenter Ausnahmezustand über westliche Bildschirme, und dabei entsteht der pauschale Eindruck, Araber seien immer wütend und ihre Frauen stets unterdrückt. Filmschaffende dagegen sind nicht an die Regeln der kommerziellen Informationsvermittlung gebunden und tief verbunden mit ihrer Umgebung. Ihre Werke sind im Idealfall nicht nur präzise Beobachtungen, sondern auch emotional differenzierte Aussagen über ihre Kultur. Und so schaffen es Filme, «Bilder zu korrigieren», wie Corinne SiegristOboussier, Co-Leiterin des Filmpodiums Zürich, sagt. Ein Arabic Film Festival in Zürich – wie kommt so etwas zustande? Wir veranstalten das Festival zusammen mit dem International Arabic Film Festival Zurich (IAFFZ), das bisher in viel kleinerem Rahmen stattgefunden hat. Wir arbeiten im Filmpodium stets mit Filmzyklen, deshalb passte das gut. Das grosse Plus an der Zusammenarbeit mit dem IAFFZ war, dass die Gründer des Festivals natürlich einen ganz anderen Kontakt zu Botschaften und Filmschaffenden in der arabischen Welt haben.

Es brodelt unter der Oberfläche: «Cairo 678» führte in Ägypten zu Diskussionen.

glaublich nah und fängt dann ein, wie sich diese durch Traumata verschütteten Buben öffnen. Wie sie für Gefühle wieder zugänglich werden. Das ist erschütternd schön. Und als dem Waisenhausleiter gekündigt wird und er Geld auftreiben muss für ein neues Haus, schlagen alle Kioske in der Gegend einen Zehner drauf bei den Zigaretten. Das sind so kleine Sachen, die Bilder korrigieren können, die man im Kopf hat.

Was macht das Festival aus? Ich nehme nicht an, dass Sie den roten Teppich ausrollen werden … Einerseits haben wir ein sehr intensives Programm mit einem Schwerpunktwochenende. Wir zeigen 25 bis 30 Filme, darunter auch Kurzfilme, Dokfilme, Animationsfilme, kurze und lange Spielfilme. Andererseits holen wir die Filmschaffenden für das Festival nach Zürich. Die Regisseure sind an den ersten drei Tagen anwesend und das Publikum kann sich mit ihnen austauschen. Und wir haben eine Podiumsdiskussion, bei der die Filmschaffenden der Frage nachgehen, wie sich die Zensur im Film nach dem Arabischen Frühling verändert hat.

Alle Filme entstanden vor dem Arabischen Frühling. Sie sagen aber, dass der Wunsch nach Veränderung in allen gezeigten Filmen bereits spürbar ist. Wie? Am stärksten sicher bei der Jugendkultur, die sich einen Weg bahnen will, das sieht man in «Microphone». Dann bei der sexuellen Gewalt, die wird in «Cairo 678» thematisiert. Man spürt: Da knallt’s gleich. Oder auch die kriminelle Energie der Arbeiterinnen, die in «Sur la planche» spürbar ist.

Was ist für Sie das Spezifische am arabischen Filmschaffen? Ein bleibender Eindruck ist, wie oft zwei Welten auf kleinstem Raum parallel laufen. Da sind einerseits die sehr rigiden Traditionen, andererseits aber auch total westliche Einstellungen. Dieser Zwiespalt zeigt sich in vielen Filmen, und oft sind diese gegeneinander laufenden Wertvorstellungen gar in ein und derselben Figur zu sehen. Wie etwa die junge Frau, die sich zu Hause traditionell kleiden muss, in der Öffentlichkeit aber so angezogen ist, dass sie an der Zürcher Bahnhofstrasse nicht auffallen würde. Viele Filme schaffen es, ein sehr komplexes und differenziertes Bild zu zeichnen.

Welche Filme würden Sie jemandem empfehlen, der sich erstmals einen arabischen Film anschauen möchten? Es ist vielleicht banal, aber ich würde jene empfehlen, die nicht nur englische, sondern auch deutsche Untertitel haben. Der erwähnte «Cairo 678» zum Beispiel, ein ägyptischer Spielfilm über sexuelle Belästigung im Alltag, der dort heftige Diskussionen ausgelöst hat. Dann der jordanische Spielfilm «Last Friday», der in herausragender Bildsprache vom Taxifahrer Yousef erzählt, der sich dazu aufrafft, seinem Leben eine neue Wendung zu geben. Und schliesslich «12 Angry Lebanese», ein bewegender Dokumentarfilm über ein Theaterprojekt im grössten libanesischen Gefängnis und seine Auswirkungen auf die mitspielenden Häftlinge. Was da passiert, ist eine Transformation vor der Kamera. ■

Und welcher Film hat Ihnen besonders Freude gemacht? Der irakische Dokumentarfilm «In My Mother’s Arms». Er handelt von einem Inder, der sich in seinem privaten Waisenhaus in Bagdad aufopfernd um seine Jungs kümmert. Der Film kommt diesen Buben unSURPRISE 287/12

Arabic Film Festival, Fr, 16. bis So, 25. November, Filmpodium Zürich. Podium mit den Regisseuren: So, 18. November, 17 Uhr. www.filmpodium.ch

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Kulturtipps

Inspiriert durch die Klassiker der Moderne: der 24-Euro-Sessel.

Wegschnippeln oder wieder zumachen? Entscheidungsträger bei der Arbeit.

Buch Das Karma-Sutra des Designs

Ausstellung Kassenbon als Horoskop

Baupläne gegen Geschichten – das ist die Kernidee der Designmöbel fürs kleine Portemonnaie von Le-Mentzel & The Crowd.

In der Ausstellung «Entscheiden» präsentiert das Stapferhaus Lenzburg das Leben als Supermarkt der Möglichkeiten – ein mentaler Elchtest für den Besucher.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON NATALIE GYÖNGYÖSI

Zehn Euro (für Holz), zehn Minuten, zehn Schrauben – mehr braucht es nicht, um den Berliner Hocker des Designers Van Bo Le-Mentzel zusammenzubauen. Ganz im Sinne der Idee, die Van Bo 2010 hatte: schlichte und funktionelle Möbel, die sich am Bauhaus-Stil orientieren, für wenig Geld und zum Selberbauen. Angefangen hat es mit dem 24-Euro-Chair, den Van Bo entwarf, nachdem er einen Tischlerkurs an der Volkshochschule besucht hatte, um seiner Verlobten zu imponieren. Inzwischen ist die komplette Einrichtung für eine 20-Quadratmeter-Standardwohnung eines typischen ExDDR-Plattenbaus zusammengekommen: von der einfachen Lampe bis zum vielseitig verwendbaren Bettsofa – Basics für Wohnung, Büro und Schule. Von Anfang an war das Internet Medium und Multiplikator dieses Projekts, das sich «Hartz IV Moebel.com» nennt. Das «asozialste Wort Deutschlands» hat Van Bo ganz bewusst gewählt. Zum einen, das gibt er ehrlich zu, um aufzufallen. Zum andern aber auch, weil Wohnen für ihn kein reines Design-, sondern zugleich ein soziales Thema ist. Damit hat er inzwischen viele Fans gefunden, eine Crowd, die die Möbel nicht nur nachbaut und weiterentwickelt, sondern das Projekt auch finanziell unterstützt. Dank diesem Crowdfunding ist auch das Buch zum Projekt entstanden. Die Entwürfe Van Bos finden sich darin nur als Skizzen. Die detaillierten Baupläne muss man per Internet anfordern – im Austausch gegen Geschichten und Fotos, von denen etliche beispielhaft im Buch abgedruckt sind: eine bunte internationale Community, die sich unter dem Motto «Konstruieren statt konsumieren» versammelt hat. Den lockeren Umgang mit dem Begriff Hartz IV kann man kritisieren. Doch stellt Van Bo dem Hype eine durchaus nachvollziehbare Philosophie zur Seite: den Gedanken der Karma-Economy, des Teilens und Tauschens abseits der geldfixierten Marktwirtschaft. Sein «Social Design Manifesto» – zugleich praktische Anleitung zur Gründung einer Crowd wie auch zu einem besseren Leben – fasst er griffig in den sieben Schritten seines Karma-Sutra zusammen. Die erotische Assoziation, die sich dabei einstellt, ist wohl beabsichtigt, denn nicht zuletzt sollen seine Möbel, so Van Bo, auch Lust auf Sex machen.

Noch 1 Minute 15 Sekunden zählt der Countdown auf der Digitalanzeige. Die Schiebetür öffnet sich und wir dürfen in einen liftartigen Raum eintreten. Lange ist es dunkel und still, plötzlich kreischt Urwaldlärm aus den Boxen. Eine Off-Stimme erzählt eine Geschichte über die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, seine Hetzjagd durch die Evolution und sein hechelndes Ankommen in der Zivilisation. Die Zeitmaschine spuckt uns aus, wir landen in der Ausstellungshalle – der Höhle des Löwen. Ich schnappe mir eine Einkaufstasche mit einer Entscheidungs-Card drin. Der erste Posten dreht sich um Partnerschaft und Familie. Ich werde darüber aufgeklärt, dass ich mit meinen 32 Jahren statistisch bereits zwei Jahre hintendrein bin mit dem Babykriegen. Dann muss ich mich auf einem Touchscreen durch einen Fragebogen zum Thema durchtippen und erhalte meinen ersten Kleber. In einem Video höre ich zu, wie Ex-UBS-CEO Oswald Grübel sagt, dass die Person, die Entscheidungen treffe, auch die Verantwortung für diese übernehmen müsse. Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel sagt: «Ich bin eher der Kopfmensch, der oft seinen Intuitionen misstraut, wobei am Schluss das erste Bauchgefühl das richtige war.» Aber die Verantwortung auf sich alleine nehmen möge er nicht. Seine Aufgabe sei, dafür zu sorgen, dass der Entscheidungsfindungsprozess kontrovers geführt werde. Psychoanalytikerin Dr. Maya Storch belehrt mich via Headphone, dass kluge Entscheidungen diejenigen sind, welche sowohl vom Kopf wie von den Gefühlen koordiniert seien. Manager Klaus (46) erzählt mir aus einem Kissenmikrofon die Geschichte seines Burnouts. Über ihn hinauswachsende Entscheidungsberge und wie er unfähig wurde, in der Kantine zwischen Menü 1 und 2 zu entscheiden. Nach zwei Stunden entsteige ich dem Entscheidungsring und bekomme am Ausgang die Quittung, nämlich ein Horoskop meiner Postenlaufantworten. Ich finde meinen Kassenbon sehr erhellend, Mike Shiva hätte es ganz sicher nicht besser hingekriegt. Eine sehr anregende Ausstellung, die einen heftig auf sich selbst zurückwirft.

Le-Mentzel & The Crowd: Hartz IV Moebel.com. Build More Buy Less!

Stapferhaus Lenzburg, noch bis 30. Juni 2013.

Konstruieren statt konsumieren. Hatje Cantz 2012. 15.90 CHF.

www.stapferhaus.ch

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Entscheiden – eine Ausstellung über das Leben im Supermarkt der Möglichkeiten.

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Eher cool als heissblütig: Sam Riley und Garrett Hedlund auf der Strasse. 01

Klimaneutrale Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

Kino Sex, Drugs & Jazz Freiheit! Spontanität! Leidenschaft! Exzess! 65 Jahre nach dem Erscheinen des Kultbuchs «On the Road» kommt die Verfilmung ins Kino – und scheitert auf hohem Niveau. VON THOMAS OEHLER

«On the Road» von Jack Kerouac ist ein Schlüsselwerk der Beat Generation. Nur wenige andere Bücher zelebrierten Ende der Fünfzigerjahre dermassen das jugendliche Drängen, neue Wege zu gehen, und das damit unweigerlich verbundene Gefühl von Orientierungslosigkeit. Der Roman ist – wie seine Protagonisten – eine «Kerze, die an zwei Enden brennt» (so Kerouac): voller wilder Lebendigkeit. Das Thema ist sexy und immer wieder aktuell: Sam Riley («Control») als Kerouacs Alter Ego Sal Paradise und Garrett Hedlund («Tron: Legacy») als der zum Wahnsinn neigende Dean Moriarty rasen kreuz und quer durch Amerika. Begleitet von «Twilight»-Star Kristen Stewart als laszive Marylou, aufgeputscht durch Amphetamine, einen Joint zwischen den Lippen, auf der Suche nach Sex und Jazz – der Musik, die um 1950 am besten nervöse Überspanntheit und Lebensfreude zum Ausdruck brachte. Sie begegnen Gestalten am äusseren Rand der Gesellschaft, erfahren Armut, haben mehr als einen Hangover, führen aber vor allem eine aussergewöhnliche Freundschaft. Und sie lernen ihre Lektion in Sachen Vergänglichkeit. Leider schafft es der Film – im Gegensatz zum Roman – nicht ganz, die Fiebrigkeit des erzählten Trips wiederzugeben. Irgendwann interessiert es nicht mehr so sehr, jungen Leuten beim Autofahren, Kiffen und Vögeln zuzusehen, vor allem wenn sie dabei aussehen wie aus einem Modeheft. Lebenslust wird hier eher beschworen als vermittelt. Das mag an den jungen, relativ unerfahrenen Darstellern liegen. Oder an der langen Vorbereitungszeit zum Film (das Casting begann 2004), die im Gegensatz zur Atemlosigkeit des Inhalts steht. Bestes Schauspiel wird dafür von den Nebendarstellern – darunter berühmte Namen wie Viggo Mortensen, Steve Buschemi oder Kirsten Dunst – geboten. Aber Salles scheitert – wenn schon – auf hohem Niveau, denn der Film gefällt trotz allem. Nicht zuletzt bleiben nämlich: Schöne Autos. Überwältigende Landschaftsbilder. Ein exzellenter Soundtrack. Ein – zum Glück – einigermassen subtiles Filmende. Und danach doch so etwas wie die Sehnsucht nach der ewigen Jugend.

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Balcart AG, Carton Ideen Lösungen, Therwil

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Psychiatrische Dienste Aargau AG (PDAG)

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Locher, Schwittay Gebäudetechnik GmbH, BS

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fast4meter, storytelling, Bern

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Schweiz. Tropen- und Public Health-Institut, BS

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seminarhaus-basel.ch

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Supercomputing Systems AG, Zürich

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AnyWeb AG, Zürich

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VXL gestaltung und werbung ag, Binningen

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Cilag AG, Schaffhausen

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Coop

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Zürcher Kantonalbank

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Kibag Management ‹AG ›

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Knackeboul Entertainment

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Brother (Schweiz) AG

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Musikschule archemusia, Basel

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Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

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Proitera GmbH, Betriebliche Sozialberatung, BS

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responsAbility Social Investments AG

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BEVBE Ingenieurbüro, Bonstetten

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Judith Turcati, Englischunterricht, Wila

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Axpo Holding AG, Zürich

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

Walter Salles: On the Road, Frankreich, Brasilien 2012, 123 Min., mit Sam Riley, Garrett Hedlund, Kristen Stewart, Viggo Mortensen u. a. Der Film läuft derzeit in den Deutschschweizer Kinos. SURPRISE 287/12

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Ausgehtipps

Die etwas Anderen besetzen die Nische. Oder das Sofa.

Basel Scharfe Kontraste Clair-Obscur ist ein dreitägiges Mini-Filmfestival, das vor 15 Jahren als «Cinéma Cochon» im Rahmen einer Galerie seine Anfänge nahm und eine Nische im Off-Independent-Bereich besetzte. Veranstalter Patrick Bühler versuchte von Anfang an, den Geist der Underground-Festivals in New York und Chicago «in die betuliche Festivallandschaft» der Schweiz zu transportieren und schreckte dabei auch vor provokativen Inhalten nicht zurück. Unterdessen hat sich Bühler laut eigenen Aussagen die «Hörner abgestossen» und zu entdecken sind auch Independent- und Künstlerfilme, die andernorts an grossen Festivals laufen, ihren Weg aber nie in die kommerziellen Kinos finden würden. Ein scharfes Kontrastprogramm zum klebrigen Popcornkino. (dif)

Becky Lee braucht keine Band, sie ist die Band.

Flehend und beschwörend: Betinko singt den Blues.

Auf Tour Einladende Garage

Zürich Duo schonungslos

Wo Voodoo Rhythm draufsteht, ist in aller Regel rohe, aber geschmackssichere Musik drin. Das ist auch beim Album «Hello Black Halo» von Becky Lee so. Was aber anders ist: Wo die meisten Voodoo-Rhythm-Männer einen gewissen Grüselfaktor aufweisen, ist die Amerikanerin von aparter Art. Unter dem Namen Becky Lee & Drunkfoot ist sie eine One-WomanBand: Die Füsse spielen Schlagzeug, die Hände Gitarre und dazu singt sie mal heiser krakeelend, dann wieder im sinnlichen SüdstaatenDrawl. Becky Lee ist eine grossartige Sängerin und eine verdammt versierte Songwriterin dazu. Ihre Lieder entwickeln auch in den zwangsweise minimalen Arrangements grosse Wirkung – und zwar ohne unnötigen Krawall. Natürlich kommt ihre Kunst aus der Garage, doch ist diese ausgesprochen einladend ausgestattet. Also: hingehen und eintreten. (ash)

Betinko Social Muzík Orkestar, das klingt nach einer Grossformation. Und das war das Ensemble um Sängerin Betinko alias Bettina Klöti vor einigen Jahren auch. Doch so wie die Musiker zwanglos zusammengefunden haben, so schrumpfte die Formation seither zum Duo. Nun bilden Betinko und Lukas Mantel das Orkestar. Sie singt, spielt Gitarre, Banjo und Yamaha-Örgeli, er bringt mit Drums, Klangstäben und verschiedenen Tools Groove unter die Melodien. Das Repertoire bilden die Lieder von Betinko: In Züritüütsch oder Englisch fleht sie um Erlösung und schwört Rache, singt vom Sterben, der Liebe und dem lieben Gott. Ihre Stimme klingt rau und doch rührend, schöpft aus dem Jazz und ist in ihrer Preisgabe doch durch und durch Blues. Es ist intensive, schonungslose Musik, die im Helsinkiklub den passenden Rahmen findet. Betinko und Mantel werden pro Abend jeweils drei kurze Sets spielen (gelegentlich unterstützt durch Gäste wie die Pianistin Vera Kappeler, mit der Klöti bei Bergerausch zusammenspielte), dazwischen ist Zeit für Getränke und Gespräche. (ash)

Do, 8. November, 20.30, ISC, Bern; Fr, 9. November, 21 Uhr, Stickerei, St. Gallen; Sa, 10. November, 21 Uhr, Bundeshaus zu Wiedikon, Zürich; Sa, 17. November, 22 Uhr, Schüxenhaus, Ins.

Do, 8. November, Mi, 21. November, Mi, 28. November,

Anzeigen:

jeweils 21 Uhr, Helsinki, Zürich.

15. Clair-Obscur Filmfestival, Do, 15. bis Sa, 17. November, Unternehmen Mitte, Basel. Zutritt ab 16 Jahren, Eintritt gratis. www.clair-obscur.ch

Damenschuhe aus Istanbul tolle Formen und Farben, sehr gut verarbeitetes Rindsleder. Moderate Preise dank Direktimport. Online-Shop oder Schau-Raum in Basel. www.stanbul-schuhe.ch

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© ANDREAS SEIBERT 2011

© JÜDISCHES MUSEUM DER SCHWEIZ BILD:

Bar Mizwa: Höhepunkt und Abschluss einer jüdischen Kindheit.

Wenn die Lebensader zur Kloake wird: Kormoranfischer in Fuyang, Provinz Anhui.

Basel Erwachsen werden auf jüdisch

Winterthur Kränkelnde Lebensader

Den Übergang von der Kindheit zur Erwachsenenwelt begeht das Judentum mit einem grossen Fest: der Bar Mizwa oder Bat Mizwa. Übersetzt: «Sohn des Gebots» respektive «Tochter des Gebots». Nach dem jüdischen Religionsgesetz werden Knaben mit 13 und Mädchen mit zwölf Jahren mündig. Sie gelten dann als erwachsen und sind verpflichtet, die vielen Gebote und Verbote, die das Judentum prägen, zu befolgen. Eine Sonderausstellung im Jüdischen Museum der Schweiz stellt dieses Ereignis in den Mittelpunkt. Gezeigt wird nicht nur ein historischer Überblick, sondern auch der Wandel der Rollen von Mann und Frau. Im Zentrum steht das heutige Brauchtum der Juden in der Schweiz. Und natürlich die Jugendlichen selber: In der Ausstellung kommen sie mittels multimedialer Technik zu Wort und erzählen von ihren Gedanken, Wünschen und Zukunftsplänen vor und nach ihrer Bar Mizwa oder Bat Mizwa. (mek)

Giftige Kloake von melancholischer Schönheit: Der Huai He gehört zu den wichtigsten Flüssen Chinas und wird in Andreas Seiberts fotografischer Arbeit zum Sinnbild der Veränderungen und Widersprüche des ungebremsten Wirtschaftswachstums. Der Schweizer Fotograf, der heute in Tokio lebt, ist dem über 1000 Kilometer langen Fluss von der Quelle bis zur Mündung entlanggereist und hat die alltägliche Wirklichkeit der Menschen eingefangen, für die der Fluss die Lebensader bildet. Vor vier Jahren machte Seibert bereits mit seiner Arbeit über chinesische Wanderarbeiter auf sich aufmerksam, jetzt legt er mit «Huai He – Alles im Fluss» wieder ein Projekt mit eigenem ästhetischem Ansatz und dokumentarischer Dringlichkeit vor. Die Lebenswirklichkeit der über eine Million Menschen zählenden Flussbevölkerung unterscheidet sich je nach Provinz stark, aber für alle gilt: Ihr Fluss wird mit der zunehmenden Verschmutzung als lebensspendendes Element immer stärker in Frage gestellt. (dif)

«Am Übergang – Bar und Bat Mizwa», noch bis zum 31. Dezember im Jüdischen Museum Schweiz, Kornhausgasse 8, Basel. www.juedisches-museum.ch

«Andreas Seibert. Huai He – Alles im Fluss», noch bis 17. Februar 2013, Fotostiftung Schweiz, Grüzenstrasse 45, Winterthur.

BILD: ZVG

www.fotostiftung.ch

Basel Schweizer Wurzeln Zum ersten Mal ist hierzulande eine Ausstellung von Carlos Bracher zu sehen. Das wurde auch Zeit. Die Wurzeln des bekannten brasilianischen Künstlers führen nämlich in die Schweiz: Seine Urgrosseltern stammten aus Bern und wanderten 1890 mit ihren beiden ersten Söhnen nach Brasilien aus. Carlos Bracher wuchs dort in der Stadt Juiz de Fora in einer Künstlerfamilie auf – sowohl die Eltern wie seine vier Geschwister widmeten sich alle der Musik oder eben der Malerei. Die Carlos-Bracher-Retrospektive in Basel zeigt nun 48 Exponate aus dem Zeitraum der letzten 50 Jahre, die durch den Künstler selbst zusammengestellt wurden und den Geist seines expressionistischen Stils widerspiegeln. Carlos Bracher ist Träger der höchsten Kunstpreise seines Landes und hat in den wichtigsten Museen Brasiliens ausgestellt. (mek)

«Bú zios, 2004» von Farbkünstler Carlos Bracher. SURPRISE 287/12

«Carlos Bracher-Retrospektive», noch bis zum 22. November im Brasilea, Basel

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Verkäuferporträt international Die Grossmutter von Kapstadt BILD: JORRIT MEULENBEEK

Alice Pina Ncata verkauft in Kapstadt die Strassenzeitung «The Big Issue». In den späten Achtzigerjahren war sie eine Anti-Apartheids-Aktivistin. Aber kurz bevor Südafrika frei wurde, verlor sie ihre eigene Freiheit. VON JORRIT MEULENBEEK

Es ist eine von Kapstadts bekanntesten Touristenattraktionen: die Victoria & Albert Waterfront, ein Hafenbecken, das von pastellfarbenen Restaurants und Läden gesäumt ist. Der weltbekannte Tafelberg im Hintergrund macht die Postenkartenidylle perfekt. An diesem malerischen Ort verbringt Alice Pina Ncata (52) sieben Tage die Woche. Aber an ihrem Verkaufsplatz bekommt sie von der Schönheit dieses Ortes kaum etwas mit. Im Untergeschoss des riesigen Einkaufszentrums, bei einem der Ausgänge zum Parkhaus, sitzt sie auf einem Mauervorsprung neben der grossen Glastür und versucht, Käufer für ihre Strassenzeitung zu finden. Nur wenig Tageslicht findet seinen Weg nach unten, trotzdem hat der Platz seine Vorzüge. Er befindet sich neben den Kassenautomaten des Parkhauses, wo die Autofahrer Schlange stehen und ihre Geldbeutel ohnehin aus den Taschen nehmen müssen. Ein kalter Wind strömt unter den Türen durch und dessen Folgen sind in Alices Stimme zu hören. «Big Issue», formen ihre Lippen lautlos, sobald jemand an ihr vorbeigeht. Sie hat morgens um elf mit ihrer Arbeit begonnen und arbeitet bis weit in den Abend hinein. Sie geht erst nach neun Uhr nach Hause, wenn die meisten Kunden schon weg sind. Im Gegensatz zu vielen Verkäuferinnen und Verkäufern, die aus der verarmten Ostkap-Provinz in der Hoffnung auf Arbeit nach Kapstadt kamen, wurde Alice in Gugulethu, der Township ausserhalb von Kapstadt, geboren und ist dort aufgewachsen. Auch heute lebt sie noch dort. Als sie erzählt, wie sie zu «The Big Issue» gekommen ist, verschwindet das Lächeln auf ihrem Gesicht. «Mein Erinnerungsvermögen ist nicht sehr gut», entschuldigt sie sich nach einer langen Stille. «Ich habe bei einem Unfall eine Gehirnschädigung erlitten.» Es geschah im Jahr 1990, in den letzten Tagen der Apartheid. Alice hatte ihre Arbeit als Koordinatorin von Lernprogrammen für Erwachsene aufgegeben und investierte all ihre Zeit in die Arbeit als Aktivistin beim Afrikanischen Nationalkongress (ANC). Sie war bei einer Kampagne dabei, die Druck auf die letzte ausschliesslich weisse Regierung ausübte, damit diese politische Gefangene wie Nelson Mandela freilassen würde. «Wir kamen gerade vom Parlament und waren auf dem Weg zu unseren Mitstreitern», erinnert sie sich. «Die Verkehrsampeln funktionierten nicht und an einer Kreuzung hat unser Fahrer zu viel riskiert.» Was danach geschah, kennt sie nur von Fotos, die ein Journalist, der ihrem Wagen folgte, geschossen hatte. Sie konnte sie erst zweieinhalb Monate später anschauen, nachdem sie im Groote-Schuur-Krankenhaus in Kapstadt aus dem Koma erwacht war. Als sie wieder bei Bewusstsein war, hörte sie, dass die Gefangenen, für die sie sich eingesetzt hatte, freigelassen worden waren. Sie hatte den historischen Moment, von dem sie so lange geträumt hatte, verpasst. Und sie hatte ihre eigene Freiheit verloren. «Ich konnte nicht gehen, ich konnte nicht sprechen. Ich ver-

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suchte es. Aber die Leute sagten, ich solle nicht sprechen, sobald sie merkten, wie viel Mühe es mir bereitete.» Jetzt kann Alice wieder gehen und sprechen, wenn auch nicht so mühelos wie zuvor, und sie muss es immer noch ruhig angehen lassen. Dies macht die meisten Berufe unerreichbar für sie. An sieben langen Tage pro Woche Magazine zu verkaufen, mag nicht danach klingen, als ob sie sich schonen würde, aber wenigstens kann sie sich hinsetzen, wann immer sie das möchte. Einfach nichts tun, kommt für sie nicht in Frage. Sie muss Miete zahlen, ihr Mann hat sie verlassen und sie hat drei Kinder und drei Enkelkinder, um die sie sich kümmern muss. Sogar jetzt, wo ihre Stimme fast unhörbar ist, bemühen sich viele der Stammkunden, mit ihr zu plaudern. Sie beugen sich zu ihr, auch der Geruch des rohen Knoblauchs, den sie als Mittel gegen ihre Erkältung kaut, kann sie davon nicht abhalten. Kleine Kinder kommen auf sie zugerannt und wollen von ihr in den Arm genommen werden. Die Wärme, die Alice an diesem kalten Tag ausstrahlt, macht sie zu einer Art öffentlicher Grossmutter von Kapstadt. ■ Übersetzung von Karin Bosshard www.street-papers.org/INSP SURPRISE 287/12


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, U-Abonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Andreas Ammann Bern

Jela Veraguth Zürich

René Senn Zürich

Marlis Dietiker Olten

Kurt Brügger Basel

Fatima Keranovic Basel

Josiane Graner Basel

Wolfgang Kreibich Basel

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Bob Ekoevi Koulekpato, Basel

Marika Jonuzi Basel

Peter Gamma Basel

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Jovanka Rogger Zürich

Ralf Rohr Zürich

Anja Uehlinger Aargau

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

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1 Monat: 500 Franken

287/12 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 287/12

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren!

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

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Herausgeber Verein Surprise, Postfach, 4003 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Reto Aschwanden, Florian Blumer (Nummernverantwortlicher), Diana Frei, Mena Kost redaktion@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Amir Ali, Monika Bettschen, Michael Gasser, Natalie Gyöngyösi, Olivier Joliat, Peter Lauth, Jorrit Meulenbeek, Stefan Michel, Thomas Oehler, Patric Sandri, Sarah Stähli, Peter Würmli Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 15000, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Oscar Luethi (Leitung)

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller o.joliat@vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 287/12


Ist gut. Kaufen! Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache. Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute. Alle Preise exkl. Versandkosten.

Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50 neon-orange schwarz

Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.– rot schwarz

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Telefon

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PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

Surprise Rucksack (32 x 40 cm); CHF 89.– rot

287/12

*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

Dazu passend: Leichtes T-Shirt, 100%Baumwolle, für Gross und Klein.

Schön und gut. Grosses Badetuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und von A bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschiedenfarbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.

Herren CHF 25.– S (schmal geschnitten) Kinder CHF 20.– XS S Alle Preise exkl. Versandkosten.

Strandtuch (100 x 180 cm) CHF 65.–

50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.

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Von Aarberg bis Zuoz. Surprise gibt es beim Strassenhändler Ihres Vertrauens. Oder im Abo per Post.

24 Ausgaben für 189 Franken oder als Gönner-Abo für 260 Franken. Gutes lesen, Gutes tun und gleich bestellen! www.vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch, Spendenkonto PC 12-551455-3 Verein Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99


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