Arbeit los! Wie sozial sind Sozialfirmen? Giftmüll für Ghana – Endstation Elektroschrott-Friedhof
Lebensabend hinter Gittern: der erste Rentnerknast der Schweiz
Nr. 292 | 18. bis 31. Januar 2013 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.
Macht stark.
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Titelbild: Fotolia
Editorial Toleranz auf dem Prüfstand BILD: ZVG
Ist es die Angst vor der Krise? Vor dem Verlust der Identität in einer globalisierten Welt? Vor der Kriminalität, die uns täglich in einer Überdosis medial verabreicht wird? Tatsache ist: Die Toleranz gegenüber sozial Schwächeren im Land nimmt ab. Asylsuchende und Migranten werden von einer Mehrheit nur noch als Last und Gefahr gesehen. Wen unser immer effizienteres und rationaleres Wirtschaftssystem hinausgespült hat, der oder die gilt schnell als Sozialschmarotzer. Und Straftäter dürfen heute immer weniger auf eine zweite Chance hoffen – die Gesellschaft ist kaum mehr bereit, das Risiko einer Haftentlassung von Schwerverbrechern zu tragen. Über die (un-) menschlichen Folgen der Verschärfungsschraube im Asylwesen haben wir bereits berichtet. In dieser Ausgabe nehmen wir die Folgen des Zeitgeists auf FLORIAN BLUMER den Arbeitsmarkt und den Strafvollzug unter die Lupe. Unser Redaktor Reto REDAKTOR Aschwanden hat sich durch das komplexe Geflecht der Regelungen und der Praxis im Bereich der Sozialfirmen gekämpft. Diese gewinnen als Alternative zu staatlichen Beschäftigungsprogrammen immer mehr an Bedeutung. Dies wirft Fragen auf: Stiehlt sich der Staat hier billig aus der Verantwortung? Werden in diesen Firmen Menschen «parkiert», die keine Aussicht auf eine Anstellung mehr haben – weil heute nicht mehr sein darf, dass jemand etwas ohne Gegenleistung erhält? Wir bringen Licht ins Dunkel: Lesen Sie den Bericht ab Seite 14 und den Kommentar auf Seite 7. Nur noch eine reduzierte Arbeitspflicht kennen die Protagonisten unserer Reportage über die Altersabteilung im Zentralgefängnis Lenzburg. Dass immer mehr lebenslange Verwahrungen ausgesprochen werden, hat aber natürlich zur Folge, dass auch immer mehr Häftlinge ihren Lebensabend hinter Gittern verbringen. Die meisten Gefängnisse sind auf diese Entwicklung schlecht vorbereitet, Lenzburg übernimmt hier eine Pionierrolle. Unsere Autorin hat sich in der Abteilung «60plus» umgesehen und mit Mördern und Brandstiftern im Rentenalter gesprochen. Wie viel Toleranz wollen wir aufbringen? Wieviel können wir aufbringen? Wieviel müssen wir aufbringen? Fragen, auf die es keine abschliessende Antwort gibt. Umso wichtiger ist es, sie immer wieder neu zu stellen und zu diskutieren – gerade in einer direkten Demokratie, in der wir Stimmbürger an der Urne darüber bestimmen, wie in unserem Land mit Minderheiten umgegangen wird. Wir wünschen eine erhellende Lektüre, Florian Blumer
Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@vereinsurprise.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 292/13
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10 Strafvollzug Altersheim ohne Aussicht BILD: PETER WÜRMLI
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Inhalt Editorial Für Toleranz stimmen Die Sozialzahl Alt und arbeitslos Aufgelesen Die asoziale Mehrheit Zugerichtet Ein hoffnungsloser Fall Mit scharf! Die Kehrseite der Effizienz Starverkäufer Daniel Stutz Porträt Sesshafter Weltenbummler Elektroschrott Im Giftnebel Fremd für Deutschsprachige Die Klo-Revolution Urbanes Leben Think Tank statt Demo Kultur Turbulente Alpensaga Ausgehtipps Freaks und laszive Schönheiten Verkäuferinnenporträt Schikaniert und traumatisiert Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP
Auch in den Schweizer Gefängnissen werden die Menschen immer älter – Ursache dafür ist jedoch nicht der demografische Wandel, sondern die juristische Praxis: Heute werden immer mehr Häftlinge lebenslang verwahrt. Dies stellt die Gefängnisse vor neue Herausforderungen. Die Haftanstalt Lenzburg hat sich als eine der ersten darauf eingestellt und die Altersabteilung «60plus» eingerichtet.
14 Sozialfirmen Vom Sozialamt in die Fabrik BILD: FOTOLIA
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Ein neues Modell gibt zu reden: Immer mehr Sozialhilfeempfänger arbeiten in Sozialfirmen. Die einen sehen darin eine sinnvolle und günstige Beschäftigungsmöglichkeit. Andere kritisieren, der Staat stehle sich billig aus der Verantwortung und überlasse Armutsbetroffene Geschäftemachern. Ein Arbeiter, ein Sozialdienst-Leiter, ein kritischer Wissenschaftler und die Chefin einer Sozialfirma schildern ihre Sicht auf eine neue Form des Umgangs mit Armut.
BILD: ROLAND SOLDI
17 Crossdressing Einfach mal Frau sein Wenn Sie an Transvestiten denken, kommen Ihnen dann Filme wie «Tootsie» oder die «Rocky Horror Picture Show» in den Sinn? Denken Sie an Bühnenshows mit Drag Queens und viel Glamour? In Japan boomt momentan eine ganz andere Form des Geschlechtertauschs: das Crossdressing. Männer treiben dabei die Imitation von Frauen zur Perfektion. Otokonokos nennt man diese Männer, die auch mal Frau sein wollen – nicht zuletzt, um mehr Freiheit zu erleben.
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Die Sozialzahl Ausgesteuert in Pension? Bundesrat Alain Berset hat ein umfassend es Programm zur finanziellen Sicherung der Altersvors orge angekündigt. Er will die AHV und die zweite Säule der beruflichen Vorsorge in einer grossen Revision so neu ausri chten, dass die Renten auch für die Generation der Babyboom er gesichert sind. Ein wichtiges Element in diesem Programm ist das Ziel, dass möglichst alle Erwerbstätigen bis zum orde ntlichen Rentenalter einer bezahlten Arbeit nachgehen. Im Moment ist dies nicht der Fall. Zwei von fünf Personen sind nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis, wenn sie in den Ruhe stand übertreten. Sie lassen sich vorzeitig pensionieren, bezie hen Invalidenrente, Arbeitslosentaggeld oder Sozialhilfe. Es wird darum gehen, neue sozialstaatliche Anreize für eine länge re Erwerbstätigkeit zu setzen. Auch die Wirtschaft ist gefor dert, Massnahmen zu ergreifen, damit alle, die können und wollen, bis zum Rentenalter erwerbstätig bleiben. Dazu gehö rt auch, dass Arbeitslose unabhängig von ihrem Alter die gleichen Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz haben. Ein Blick in die aktuelle Statistik zur Arbeitslosigkeit in der Schw eiz zeigt, dass dies nicht so ist. Im November 2012 waren über 132 000 Mens chen bei einer Regionalen Arbeitsvermittlungsstelle als arbeitslos gemeldet. Dies entspricht einer Arbeitslosenquote von 3,1 Prozent. Junge Erwachsene tragen mit einer Quote von 3,5 Prozent ein deutlich höheres Risiko, eine Stelle zu verli eren, als ältere Erwerbstätige. Die Gruppe der über 50-jä hrigen Arbeitskräfte weist sogar eine unterdurchschnittlich hohe Arbeitslosen-
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Quelle: Staats
für Wirtschaft
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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Die asoziale Mehrheit Hamburg. Der Hamburger Kult-Regisseur Fatih Akin («Gegen die Wand») drehte einen Dokumentarfilm über den vergeblichen Kampf eines türkischen Dorfes gegen eine Mülldeponie. Eine Mehrheit der Menschen in der Gegend war dafür, nach dem Motto: Hauptsache nicht bei uns. Dies brachte Akin ins Grübeln über die Mehrheit und deren Meinung. Und Erinnerungen an früher zurück, als er und seine Freunde sich fragten, wer denn diese Modern-Talking-CDs kaufe – und erkannten: die Mehrheit, eben.
Politische Fäuste London. Die Welt hielt den Atem an, als die afroamerikanischen 200-Meter-Sprinter Tommie Smith und John Carlos beim Erklingen der US-Hymne auf dem Olympiapodest in Mexiko 1968 ihre Fäuste reckten – zum Zeichen der Unterstützung für die Black-PowerBewegung. 44 Jahre später betont Smith die Rolle, die der Dritte im Bunde spielte, der australische Silbermedaillengewinner Peter Norman. Dieser unterstützte Geste und Anliegen seiner Konkurrenten – und wurde von seinem Landesverband prompt nicht mehr für die nächsten Spiele nominiert.
Grossartige Essensreste Mailand. In den Ländern der «Ersten Welt» werden jährlich 222 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeschmissen – fast so viel, wie den Menschen im Afrika südlich der Sahara zur Verfügung steht. Der Engländer Tristram Stuart kämpft gegen diese Ressourcenverschwendung: mit «Feeding the 5k» genannten Events, bei welchen Tausende von Menschen mit vor der Vernichtung geretteten Lebensmitteln versorgt werden. Sein Engagement startete Stuart mit 15, als er von den Resten probierte, die er seiner Kuh fütterte – und merkte, dass sie «grossartig» schmecken.
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Zugerichtet Nächtliche Raubzüge Simon, nennen wir ihn Simon, sieht nicht aus wie ein Räuber. Der bald 32-Jährige trägt ein schwarzes Jackett, ein weisses Hemd und eine vom Modedesigner für teures Geld zerschnittene Jeans. Höflich wirkt er und handzahm. Zwei Ausbildungen hat er abgeschlossen, Koch und Servicefachangestellter, mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis. Wann und weshalb das Leben Simon aus der Bahn warf, wird vor Gericht nicht geklärt. Von Drogen ist die Rede und von einer Frau Schmid, seiner Ex-Freundin, die ihn dazu verführt habe. «Ständig kam sie mit dem Zeug an», sagt er. Kokain, Heroin und Pillen. Als Simon eines späten Abends im Januar letzten Jahres vor Pfarrer Siebers Sunestube auf seinen Freund Roger traf, lief sein Leben schon eine ganze Weile neben der Norm. Sein Vorstrafenregister ist zwei Seiten lang. Raub, Diebstahl, Körperverletzung, Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. pp. Die letzte Verurteilung mit Bewährungsstrafe war noch nicht mal drei Wochen her. Diesmal begann der Abend für Simon und seinen Kumpel mit fünfzehn Dosen Bier, pro Person. Er endete in zwei Raubüberfällen und einem zusammengeschlagenen Mann, der sich am Boden vor Schmerzen krümmte. Simon ist einer der Menschen hinter den kürzlich veröffentlichten Zahlen der Kriminalstatistik der Stadt Zürich: Im ersten Halbjahr 2012 waren die Raubüberfälle erneut gestiegen, und zwar um deutliche 45 Prozent. Politiker, Sozialarbeiter, Kriminologen debattierten in Talkshows darüber, wie mit den Tätern umzugehen sei. Reflexhaft wurden schärfere Gesetze gefordert, höhere Strafen, null Toleranz. Und ebenso absehbar folgte
die Gegenreaktion, die These, dass die Schläger vor allem Opfer der Gesellschaft, ihrer Biografie, ihrer Aussichtslosigkeit seien. Simon strolchte mit seinem Freund Roger im Kreis 4 herum, vom Bier benebelte Jungs, erhitzt und unruhig. Unterwegs kamen sie überein, jemanden «auszunehmen». Das Pech traf Herrn Müller, der eine Parkgarage betreten wollte. Sie bedrohten ihn, wenn er nicht sein Geld rausrücke, würden sie ihn zusammenschlagen. 150 Franken war die Ausbeute. Ein Folgeschaden der Gewalt ist die Angst vor der Gewalt. Sie ist ein steter Begleiter für viele, die nachts allein in einen Bus steigen oder eine Unterführung passieren müssen. Viele Menschen haben Angst, das nächste Opfer zu sein. Ein Opfer wie jener Mann, der um ein Uhr derselben Nacht die Zürcher Bahnhofstrasse hinunterlief. Als Simon und Roger ihn erblickten, rannten sie auf ihn zu. Der Mann wollte fliehen und stürzte. Simon kickte mit seinen Winterstiefeln auf das am Boden liegende Opfer ein. Die zweite Beute brachte ihnen 80 Franken ein. Sie entkamen – kurzzeitig. Roger wurde in der Notschlafstelle aufgegriffen und verpfiff seinen Kompagnon Simon. Er sei sich ja einiges gewohnt, sagt der Richter zum Angeklagten, «aber dass einer drei Wochen nach der letzten Verurteilung wieder Leute überfällt, das habe ich selten erlebt». Simon erhalte von der öffentlichen Hand Methadon und Sozialhilfe, er habe die Leute nicht aus Not überfallen, sondern skrupellos aus reiner Selbstsucht. 24 Monate lautet das Urteil – unbedingt. Der Richter hat die Zuversicht in Simons Zukunft verloren. * alle Namen geändert ISABELLA SEEMANN(ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 292/13
Sozialfirmen Verkaufte Sozialhilfebezüger Sozialfirmen verdienen Geld mit der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen. Der wahre Skandal beginnt aber dort, wo die Politik Armut als Geschäft bewirtschaftet.
Die Schweiz ist seit einigen Jahren mit einer stabilen Sockelarbeitslosigkeit konfrontiert: Etwa drei Prozent der Bevölkerung finden unabhängig von der Konjunktur keinen Job mehr. Diese Leute leben von der Sozialhilfe und wurden in den letzten Jahren zum Spielball der Politik: Missbrauchsdebatten, Schmarotzervorwürfe, und dann kam auch noch eine Studie des Bundes zum Schluss, Beschäftigungsprogramme würden nichts bringen. Kein Wunder, setzen die Behörden vermehrt auf sogenannte Aktivierungsprogramme wie Sozialfirmen (siehe Artikel Seite 14). Sozialfirmen wie die Dock AG bieten Arbeitsplätze für Sozialhilfeempfänger, aber weder Betreuung noch Schulung. Durch die Produktivität ihrer Arbeiter erwirtschaften sie einen Teil ihres Finanzbedarfs auf dem Markt. Der Staat bezahlt lediglich die Startkosten und refinanziert die Löhne der arbeitenden Sozialhilfebezüger. Bei der grössten Sozialfirma der Schweiz, der Dock AG, leisten Langzeitarbeitslose anspruchslose Industriearbeit. Auch andere Firmen sind auf diesem Gebiet aktiv. Die ABS Betreuungsservice AG etwa, die auch in der Asylbetreuung tätig ist, beschäftigt in Baselbieter Gemeinden Sozialhilfebezüger als Müllsammler. Ein Geschäft mit Zukunft: Ab 2014 verpflichtet das neue Soziahilfegesetz alle Gemeinden im Kanton Baselland, «Integrationsmassnahmen mit Arbeitseinsätzen» anzubieten. Ähnliche Auslagerungen sind auch in anderen Kantonen geplant oder am Laufen. Es geht auch anders, zum Beispiel mit Teillohn-Modellen. Ein entsprechendes Pilotprojekt startet die Stadt Bern gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft diesen Monat – und zwar weil sie keine Sozialfirmen will. Diese böten bloss viele gleichartige und wenig qualifizierte Arbeitsplätze, finden die Berner Behörden: «Ein Arbeitsplatzangebot, das differenziert ist und auf die individuellen Bedürfnisse der Stellensuchenden Rücksicht nimmt, kann so nicht geschaffen werden.» Im Ber-
Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@vereinsurprise.ch
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ner Modell werden Langzeitarbeitslose auf dem freien Markt angestellt und erhalten einen reduzierten Lohn, der ihrer eingeschränkten Leistungsfähigkeit entspricht. Ob Teillohn, Sozialfirma oder Beschäftigungsprogramm: Alle suchen Lösungen für Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt wenig Chancen haben. Bis in die Neunzigerjahre übernahmen viele Unternehmer soziale Verantwortung und hielten Nischen offen für Angestellte mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit. Dann kam die neoliberale Wende, alles wurde Effizienz und Quartalszahlen untergeordnet und wer nicht rentierte, landete beim RAV, beim Sozialamt oder der IV. Doch der Staat will diese Leute auch nicht. Stattdessen bezahlt er Privatfirmen Geld, damit sie Hilfsbezüger beschäftigen. «Workfare statt Welfare» lautet der Slogan, was ungefähr so viel bedeutet wie: Es gibt nichts gratis, wer Wohlfahrt will, muss arbeiten, auch wenn ihn kein Arbeitgeber will. Sozialfirmen sind weder das Problem noch die Lösung, sondern ein Symptom. Ein Symptom dafür, wie Spardruck und Verwertbarkeitsdenken mittlerweile alle Ebenen der Gesellschaft durchdringen. Die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft dürfen möglichst nichts kosten. Und um das zu erreichen, «verkauft» der Staat Sozialhilfebezüger an private Firmen. Eine Gesellschaft, die sich das leistet, betreibt keinen Sozialstaat und noch nicht einmal eine soziale Marktwirtschaft, sondern sie macht aus der Armut ein Geschäft. ■
BILD: ZVG
VON RETO ASCHWANDEN
Starverkäufer Daniel Stutz Ursula und Roger Gillard aus Egg nominieren Daniel Stutz als Starverkäufer: «Ich möchte den stets freundlichen und charmanten Verkäufer Daniel Stutz als Starverkäufer vorschlagen, welcher immer vor der CS Marktgasse/Limmatquai in Zürich steht und dem ich immer eine Zeitung abkaufe, nur schon deshalb, weil er so ein herziger Kerl ist. Auch meine Frau mag diesen herzigen Verkäufer!»
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Porträt Vom Traveller zum Hostellier Früher gehörte Lukas Hofstetter zu den unzähligen Rucksack-Touristen, die auf der ganzen Welt das Abenteuer suchen. Nun hat er seinen Traum vom eigenen Hostel umgesetzt: An der Zürcher Langstrasse bietet er Backpackern ein temporäres Zuhause. VON MANUELA DONATI (TEXT) UND LUC-FRANÇOIS GEORGI (BILD)
Die Bar des Hostels sei auch ein Ort, an den man alleine kommen könne und trotzdem nicht alleine sei, stellt Hofstetter zufrieden fest. Wenn Hofstetter erzählt, dass er seit zwei Jahren «300 Prozent arbeitet», sich keine Zeit für sich selbst erlaubt und deshalb sogar im Hostel wohnt – immerhin in einem Einzelzimmer –, dann tut er das ganz pragmatisch. Damit müsse rechnen, wer ein eigenes Geschäft aufbaue, meint er. Dennoch gibt er zu: Es braucht Nerven, dass trotz Mitarbeitern am Ende alles an ihm hängt. Von der kaputten Stereoanlage bis zu Lärmklagen und einem verschollenen Koffer. «Es ist schon nicht so toll, wenn jeden Morgen ein neues Problem auftaucht.» Doch wenn Lukas Hofstetter manchmal am Abend in der Bar des Hostels sein Feierabend-Bier trinkt und sieht, wie sich Touristen und Zürcher mischen, dann weiss er, weshalb er das alles auf sich nimmt. «Das Schöne an meinem Job ist
«Seit zwei Jahren habe ich keine Freizeit und kein Privatleben», sagt Lukas Hofstetter. Und er sagt es nicht etwa bitter oder erschöpft, sondern einfach so, wie es eben ist. Der 37-Jährige arbeitet dort, wo andere Ferien machen. Und das Ganze hat er sich auch noch selbst eingebrockt. Lukas Hofstetter träumte schon lange von einem eigenen Hostel. Seine ursprüngliche Idee war es, zwei Wohnungen in Bed and Breakfast zu verwandeln und sich so sein Sozialpädagogik-Studium zu finanzieren. Doch als sich dann die Gelegenheit bot und er von einer verfügbaren Liegenschaft an der Zürcher Langstrasse hörte, musste er nicht lange überlegen. Er wusste: «So eine Chance bekommt man nur einmal.» In nur zwei Wochen plante er Finanzierung und Umbau, seine Familie unterstützte ihn finanziell und Kollegen halfen bei der Renovation. Während der PlanungsHofstetter erlaubt sich keine Zeit für sich selbst und wohnt deshalb phase kam Hofstetter sein erster Job als Prosogar in seinem Hostel – immerhin in einem Einzelzimmer. grammierer zugute. «Beim Programmieren muss man immer jede erdenkliche Möglichkeit einplanen, damit man dann gewappnet ist, wenn der Fall tatsächlich der Austausch mit den Backpackern aus der ganzen Welt.» Noch vor weeintrifft», erklärt Hofstetter. Und so sei er auch in diesen zwei Wochen nigen Jahren war Lukas Hofstetter selbst einer von ihnen. War die Somvorgegangen: Er habe alle Szenarien im Kopf durchgespielt – und am mersaison in der Jugendherberge Interlaken vorbei, packte er jeweils Schluss «ist es etwa so rausgekommen, wie ich es mir gedacht habe». seinen Rucksack und machte sich auf und davon. Einmal planlos gegen Und so bietet das Langstars seit Sommer 2011 an der Zürcher LangSüden, daraus wurde dann eine Reise den afrikanischen Kontinent hinstrasse – am selben Ort, wo vor ein paar Jahren noch ein Bordell war – unter. Ein anderes Mal fuhr er mit Zug und Bus quer durch Asien. Auch vier Sechs-Bettzimmer und zwei Zwölf-Bettzimmer für Rucksack-Touriin Südamerika war er schon oft, zweimal blieb er mehrere Monate als sten aus der ganzen Welt. freiwilliger Menschenrechtsbeobachter in Mexiko. Immer war er mehBevor er sein eigenes Hostel aufbaute, arbeitete Lukas Hofstetter in rere Monate lang unterwegs, «in drei Wochen einmal um den Globus, der Jugendherberge Interlaken. Dort gefiel es ihm nach dem Zivildienst das ist nichts für mich». All-inclusive-Ferien und grosse Hotel-Komplegleich so gut, dass er als Betriebsleiter blieb. Der Sprung von der Postxe sind dem Vielgereisten ein Graus. Nach zwei Tagen am Strand wird karten-Schweiz an ihre Sündenmeile ist ein grosser. Genauso wie der ihm langweilig und er muss, fast getrieben, die Umgebung erkunden. Wechsel vom grossen Verband der Schweizer Jugendherbergen zum Während andere auf der faulen Haut liegen, unterhält er sich lieber mit eigenen Haus unter eigener Verantwortung. Und auch die Gäste sind den Einheimischen. «Ich liebe es, mit Bus oder Zug durch das Land zu anders: Kamen in Interlaken Familien, Schulklassen und asiatische Toureisen. So bekommt man viel mit vom Leben der Leute. Ich will die Welt ristengruppen, sind Hofstetters Gäste in Zürich Backpacker, die ein günselbst sehen und erleben.» stiges Bett und das Abenteuer suchen. Hofstetter wählte seine ZielgrupFür einen Weltenbummler wie Lukas Hofstetter muss es hart sein, pe bewusst: «In Zürich gibt es ein Unterangebot an günstigen Betten.» dort zu arbeiten, wo andere Ferien machen. Wieder ganz pragmatisch, Doch das Langstars bietet nicht nur ein temporäres Zuhause für Reisensagt er: «Ich hatte schon genug Ferien für mein ganzes Leben, jetzt muss de. Hofstetter veranstaltet in der Bar regelmässig Live-Konzerte und ich wieder ein bisschen arbeiten.» Ausserdem bleibe zwischen Hostelbietet damit jungen Bands eine Auftrittsplattform. Eine HerzensangeleAlltag und -Problemen wenig Zeit zum Träumen und Planen. Immerhin, genheit für einen wie ihn, der mehrere Instrumente spielt und sich ein Lukas Hofstetter hat sich fest vorgenommen, 2013 einen Tag pro Woche eigenes Tonstudio eingerichtet hat. «Ich will die Live-Musik in Zürich freizunehmen. Faulenzen wird er dann nicht, das ist klar, zu viele Ideen fördern», sagt er. Gleichzeitig würden sich an diesen Konzerten Reisenwarten schon in seinem Kopf darauf, ausgeführt zu werden. So möchte de und Zürcher vermischen. «So lernen die Touristen die Schweiz von er ein Buch schreiben und im eigenen Tonstudio Musik machen. Oder einer anderen Seite kennen, als wenn sie nur Sightseeing machen. Und wieder einmal seinen Rucksack packen. Auch wenn es «nur» für eine die Schweizer bekommen so einen Impuls, selbst auf Reisen zu gehen.» Wanderung in den Schweizer Bergen ist. ■
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Strafvollzug Lebensabend hinter Gittern In den Schweizer Gefängnissen leben immer mehr Menschen im Pensionsalter. In Lenzburg wurde für sie eine Abteilung «60plus» eingerichtet, wo die Häftlinge eine seniorengerechte Betreuung erhalten – Einblicke in das Leben in einem Altersheim mit dicken Betonmauern und Gittern vor den Fenstern.
VON KARIN FREIERMUTH (TEXT) UND PETER WÜRMLI (BILDER)
die Besuche von ehemaligen Freunden und Familienangehörigen auf ein Minimum reduziert oder gar eingestellt.» Um sozialer Isolation und Vereinsamung entgegenzuwirken, wird auf einen strukturierten Tagesablauf geachtet, ferner stehen Aufenthaltsund Freizeiträume zum gemeinsamen Verweilen zur Verfügung – auch draussen: Erich Hotz begleitet Fritz Bieri gerade in den Aussenspazierhof, wo sich ein Teich mit Fischen und ein Beet mit Kräutern befinden. Auch er habe beim Anpflanzen mitgeholfen, erzählt Bieri begeistert und nimmt seine Spazierrunde in Angriff. Zwei Stunden lang darf er sich hier die Füsse vertreten, umgeben von einer sechs Meter hohen Umfassungsmauer. Um 20 Uhr schliesst ihn Erich Hotz wieder in seine Zelle ein. Sie ist 12,6 Quadratmeter gross und ausgestattet mit dem Nötigsten: Bett, Tisch, Stuhl, Lavabo, Toilette und Fernseher, für den eine monatliche Gebühr von 25 Franken erhoben wird. Ob Fritz Bieri am nächsten Tag einer Arbeit nachgeht, ist ihm überlassen. Denn einen Arbeitszwang wie im normalen Vollzug gibt es in
Der Duft von gebratenen Zwiebeln strömt aus der Küche, und das Geschirrklappern ist schon von Weitem zu hören. Vier Männer kümmern sich auch an diesem Samstag um das Abendessen. Sie haben sich weisse Kochschürzen umgebunden, doch eine weisse Weste hat keiner von ihnen: Sie haben gemordet, vergewaltigt, missbraucht. Die vier Männer am Herd sind Inhaftierte im Zentralgefängnis Lenzburg. Sie leben in der Abteilung 60plus, welche zu langjähriger Haft verurteilten oder verwahrten Gefangenen ab 60 Jahren einen altersgerechten Vollzugsplatz bietet. Die Abteilung wurde im Mai 2011 als erste derartige Einrichtung in der Schweiz eröffnet, kurze Zeit später waren die zwölf Plätze bereits besetzt – und die Nachfrage bleibt gross: «Lebenslänglich verurteilte und verwahrte Häftlinge werden heute kaum mehr aus dem Vollzug entlassen. Die Gesellschaft will kein Risiko tragen», erklärt Bruno Graber, Leiter des Zentralgefängnisses im aargauischen Lenzburg. Das zeigte sich insbesondere im Februar 2004, als das Volk die Initiative «Lebenslange Verwahrung Das Personal bildet für einige Häftlinge eine Ersatzfamilie, für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sedenn nach Jahrzehnten im Gefängnis bekommen viele xual- und Gewaltstraftäter» deutlich annahm. kaum noch Besuch. Nach der Abstimmung stellte die Justizvollzugsanstalt Lenzburg ihre Pläne um: Urder Abteilung 60plus nicht, sondern lediglich eine reduzierte Arbeitssprünglich waren Zellen für psychisch auffällige Inhaftierte im neuen pflicht. «Da die Mehrheit der Inhaftierten voraussichtlich lebenslang Zentralgefängnis vorgesehen gewesen, doch dann entstanden zwölf eingesperrt bleibt, steht nicht die Wiedereingliederung in die GesellPlätze, die den altersbedingten Bedürfnissen und gesundheitlichen Beschaft im Vordergrund. In erster Linie kümmern wir uns darum, dass schwerden von älteren Gefangenen gerecht werden. die Gefangenen ihren Alltag ohne Druck bewältigen können», sagt Bruno Graber. Ziel sei auch, die Selbständigkeit der Senioren möglichst Alltagsbewältigung statt Eingliederung lange zu erhalten, vor allem bei lebenspraktischen Tätigkeiten wie WaEiner von ihnen ist Fritz Bieri*, verwahrt wegen Mord und Brandschen, Putzen und Körperhygiene; die Essenszubereitung gehört ebenstiftung. Der 65-Jährige ist geistig beeinträchtigt und lebt seit 36 Jahren falls dazu. Deswegen kochen die Häftlinge einmal pro Woche selber. hinter Gittern. Er war einer der Ersten, der sein neues «Zuhause» in der An den restlichen Tagen wird das Essen von der Strafanstalt Lenzburg Abteilung 60plus bezog. Hier wird er voraussichtlich seinen Lebensabezogen. bend verbringen – und hier möchte er sterben. «Neben der deliktpräventiven Arbeit thematisieren wir hier bewusst den Umgang mit dem Auch der Himmel ist nicht frei Tod. Herr Bieri teilte mir mit, dass er, sollte er nicht mehr entlassen werAuch Erhalt und Förderung von kognitiven und intellektuellen Fäden, nicht in einem Spital, sondern hier sterben wolle», erzählt Erich higkeiten gehört zum Programm, und darum stehen die Kurse von «BilHotz, Dienstchef der Abteilung 60plus. Hotz erstaunt das wenig, weil dung im Strafvollzug» auch älteren Gefangenen offen. Körperlich betädas Personal dieser Abteilung für einige Häftlinge eine «Ersatzfamilie» tigen können sie sich im Kraftraum oder im Gesundheitsturnen, das eisei. «Nach Jahrzehnten im Gefängnis haben sich bei vielen Gefangenen SURPRISE 292/13
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Die Familie will nichts mehr von ihm wissen, die Fotos hängen trotzdem an der Wand: Agim Beqiri in seiner Zelle.
fängnis für ältere Menschen neu überdacht werden. Dass hier Vollzugsne externe Fachperson einmal pro Woche durchführt. Ferner haben sie angestellte den Rücken eines Gefangenen eincremen, ihm in die Stütztagsüber die Möglichkeit, in den Abteilungsspazierhof im Obergeschoss strümpfe helfen oder einen Verband wechseln, gehört zu den alltägzu gehen. Auch hier sind die alten Gefangenen im Vergleich zu jüngelichen Aufgaben. Laut Bruno Graber sei vor allem die sozialpädagogiren Schicksalsgenossen im Vorteil, denn wer im normalen Strafvollzug sche Komponente wichtig für die Arbeit. «Die zwischenmenschlichen steckt, darf nur während einer Stunde pro Tag nach draussen. Beziehungen sollen sich durch Wertschätzung, Empathie und Echtheit «Draussen» bedeutet hier 61 Quadratmeter; eine Aussicht gibt es auszeichnen.» Ein respektvoller Umgang werde ebenso von den Benicht, da auf allen vier Seiten hohe Betonwände emporragen. Nicht einwohnern untereinander erwartet, auch wenn es sich um eine Zwangsmal der Blick in den Himmel ist frei: Massive Stahlgitterstäbe – ähnlich einer Überdachung – sollen verhindern, dass jemand fliehen kann oder dass von aussen Zwei Sekunden hätten sein ganzes Leben zerstört, sagt Gegenstände in den Hof geworfen werden. Beqiri, dabei habe er 35 Jahre ununterbrochen gearbeitet Immerhin, es gibt eine Sitzbank und einen und seine Familie nie im Stich gelassen. Pingpong-Tisch – auch der ist aus Beton. Die integrierte Krankenstation mit zwei gemeinschaft handelt. Zu dieser Gemeinschaft gehören aktuell elf MänZimmern und einer Nasszelle mit Badewanne und IV-Dusche besteht ner, der älteste ist 67 Jahre alt, der jüngste 41. Er leidet an einer Schiebenfalls zu weiten Teilen aus Beton – grau in grau, und anstelle von zophrenie und hat in die Altersabteilung gewechselt, weil er sich dort Fenstern gibt es bloss einige Lichtlöcher in der Decke. Der Rollstuhl besser integrieren kann: «Geistig beeinträchtigte Menschen werden von steht in einer Ecke bereit, gebraucht wurde er aber bisher noch kaum. älteren Inhaftierten besser akzeptiert als im Normalvollzug. Deswegen Bis jetzt gehören noch alle Gefangenen der Pflegestufe 0 an; das heisst, lassen wir diese Durchmischung zu», so Graber. sie können sich ohne fremde Hilfe selbständig anziehen und waschen. Bei Bedarf stehen der Anstaltsarzt, der Gesundheitsdienst und die SpiDer Mörder hört Oesch’s die Dritten tex zur Verfügung, genauso wie Psychiater, Psychologen und Seelsorger Er habe seine Frau nach 45 Ehejahren «kaputtgemacht», erzählt Agim der reformierten und katholischen Kirche. Neben Erich Hotz übernehBeqiri, während er langsam eine Gebetskette durch seine Hände gleiten men fünf weitere Gefängnisangestellte die Aufsicht und Betreuung in lässt. Der achtfache Vater hat seine Gattin mit einem Küchenmesser erder 60plus-Abteilung. Für sie ist insbesondere das Thema «Nähe und stochen, im Affekt, wie er sagt. Zwei Sekunden hätten sein ganzes LeDistanz im Vollzug» eine Herausforderung. Denn die geltende Vorben zerstört, dabei habe er 35 Jahre lang ununterbrochen gearbeitet und schrift, keinen Körperkontakt mit Insassen zu haben, muss in einem Ge-
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Eine Betonwelt in grau: Fritz Bieri (65, vorne) darf den Innenbereich des Gefängnisses nur für zwei Stunden pro Tag verlassen.
seine Familie nie im Stich gelassen. Diese will Den Rücken eines Gefangenen einzucremen oder ihm in heute keinen Kontakt mehr zu ihm, nur die die Stützstrümpfe zu helfen, gehört zu den alltäglichen jüngste Tochter komme manchmal zu Besuch. Aufgaben der Vollzugsangestellten. Fotos hat er aber von allen aufgehängt: von seinen Töchtern und Söhnen, seinen Enkelkindern, sogar von seiner Ehefrau. Für weitere Farbtupfer in seiner Betonnun mal nicht jeder Gefangene ab 60 Jahren bereit, in ein «Altersheim» Zelle sorgen neben den Fernsehbildern einer kosovarischen Tanz-Show einzutreten, wie Bruno Graber immer wieder feststellt: «Älteren Insasauch die fein säuberlich aufgestellten CDs von «Oesch’s die Dritten» – sen macht es in der Regel Mühe, in eine Altersabteilung zu wechseln. seine Lieblingsmusik. Auch im Vollzug kann es schwierig sein, sich einzugestehen, alt zu sein. Seine wenigen Habseligkeiten wird Beqiri demnächst wieder einpaDa gibt es durchaus Ähnlichkeiten zum Umgang mit dem Altwerden in cken. Denn er wird die Altersabteilung 60plus verlassen – nicht weil er Freiheit.» ■ entlassen würde, sondern weil er in die Strafanstalt in Lenzburg zurückkehren möchte. Das ist nach einer Probezeit von drei Monaten problemlos möglich, da der Aufenthalt im Alters-Trakt freiwillig ist. Es sei * Namen der Häftlinge geändert.
Gefängnisse ungenügend eingerichtet Die Zahl älterer Menschen in Schweizer Gefängnissen hat sich laut dem Bundesamt für Statistik zwischen 1984 und 2011 mehr als verdoppelt. 2011 gab es 497 Inhaftierte über 50 Jahre, was 12,8 Prozent aller Gefangenen entspricht. 136 Personen waren älter als 60 Jahre. Dass sich immer mehr ältere Personen im Strafvollzug befinden, ist vor allem auf die Verwahrten zurückzuführen, deren Zahl sich laut Marcel Ruf, Direktor der Justizvollzugsanstalt Lenzburg, in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat. Eine Untersuchung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zeigt, dass die Institutionen des Straf- und Massnahmenvollzuges ungenügend auf die Zunahme älterer Häftlinge vorbereitet SURPRISE 292/13
sind. Die Institutionen sind für Fälle mit zeit- und kostenintensiver Pflegebedürftigkeit oder für die Begleitung sterbenskranker Menschen nicht oder nur mangelhaft eingerichtet. Auch fehlt es den Mitarbeitenden häufig an Kenntnissen zu altersbedingten Krankheiten. Die Studie empfiehlt Massnahmen zu einer altersgerechten Unterbringung: Idealerweise gibt es für ältere Gefangene einen separaten Trakt innerhalb des Gefängnisses. Denn von jüngeren Häftlingen distanzieren sie sich oft, dafür pflegen sie einen vorwiegend konfliktfreien und respektvollen Umgang mit dem Personal. Zudem kommt ein eigener Trakt dem Bedürfnis der Inhaftierten entgegen, Zeit für sich oder in Ruhe mit anderen älteren Mitgefangenen zu verbringen.
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Sozialfirmen Wo Arbeitslose arbeiten Ausgesteuerte, die arbeiten – was widersprüchlich klingt, ist bei Sozialfirmen wie der Dock AG Realität. Das Modell ist simpel: Statt in teure Beschäftigungsprogramme schickt das Sozialamt Ausgesteuerte zum Arbeiten in Sozialfirmen, die einen Teil ihres Finanzbedarfs auf dem freien Markt verdienen. Doch wer profitiert von diesem Umgang mit Armutsbetroffenen? Vier Beteiligte liefern Einblicke in ein heikles Thema.
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Der Sozialdienst-Leiter Es komme «vereinzelt» vor, dass es Dock-Arbeiter zurück in den ersten Arbeitsmarkt schaffen, sagt Raymond Caduff, Leiter der Sozialen Dienste der Stadt Luzern. Zwar bilde die Reintegration der Belegschaft in den ersten Arbeitsmarkt in Luzern das höchste Ziel bei Sozialfirmen: «Gleichzeitig ist es eine Tatsache, dass es nicht allen gelingen wird, eine reguläre Stelle zu finden.» Bis vor ein paar Jahren landeten Langzeitarbeitslose routinemässig in Beschäftigungsprogrammen. Doch Angebote, die eine Wiedereingliederung über Qualifizierungsmassnahmen anstreben, sind gemäss einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) von 2009 ein Schuss in den Ofen: Beschäftigungsprogramme verbessern die Chancen auf einen Wiedereinstieg in die Arbeitswelt nicht. Keine Massnahme zu verfügen, sei oft die wirkungsvollste Massnahme, so das Seco. Das bedeutet nicht, dass nun jeder Sozialhilfebezüger zu einer Sozialfirma geschickt wird. Junge Sozialhilfebezüger wären dort laut Raymond Caduff am falschen Ort: «Bei diesen Leuten schauen wir, über Ausbildungen oder Praktika Schritte in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.» Zudem müsse für einen Einsatz in einer Sozialfirma die Motivation da sein, was im Allgemeinen aber kein Problem sei. «Wenn
Der Beschäftigte Matthias Bachmann* arbeitete ab Ende Februar 2012 vier Monate bei der Sozialfirma Dock in Basel. Auf eigene Initiative: Das Sozialamt hatte ihm gegenüber dieses Angebot nie erwähnt. «Als ich nachfragte, ging es rassig. Ich wurde an Dock überwiesen, dort hat man mir die Dokumente ausgestellt und den Lohn mitgeteilt: brutto 14 Franken pro Stunde.» Bei Dock gibt es ein dreistufiges Lohnmodell: von 14 Franken pro Stunde bis maximal 3200 Franken monatlich, was allerdings die wenigsten erreichen. Dock erhält die Lohnkosten von den Sozialämtern zurückerstattet. «Refinanziert» heisst das in Bürokratendeutsch, und refinanziert wird nur, was vorgängig abgemacht wurde. In diesen Abmachungen ist vermerkt, wie viele Arbeitnehmer pro Stufe refinanziert werden. Die Arbeitnehmer erhalten die ihnen zustehende Sozialhilfe sowie eine Integrationszulage, die je nach persönlicher Lage und Zivilstand zwischen 250 und maximal 400 Franken pro Monat beträgt. Zudem werden Sozialleistungen wie Arbeitslosenversicherung bezahlt. Bloss haben die Arbeitnehmer nichts davon: Weil ihr Lohn vom Sozialamt refinanziert ist, haben sie in der Regel keinen Anspruch auf Taggelder. «Es gab grundsätzlich drei verschiedene Arbeiten», erinnert sich Matthias Bachmann und zählt auf: Recycling elektronischer Geräte, die auseinandergenommen wurden, um die wertvollen Elemente herauszuholen. Die Herstellung von Bodenplatten aus Kork. Sowie das Recycling der Kästchen, die Postfinance-Kunden fürs E-Banking benutzen. «Die dienten als Puffer für andere Aufträge», so Bachmann. Manchmal aber reichte der Puffer nicht. Bachmann erinnert sich an einen weiteren kleinen Auftrag zur Herstellung von Verpackungen für Grappa-Flaschen. Als es bei einem Zulieferer Verzögerungen gab, entstand Termindruck. Bachmann wurde gefragt, ob er auch am Samstag arbeiten würde. «Da kam der Satiriker in mir durch und ich fragte: In einer normalen Bude gäbe es am Samstag Zulagen …? Sie liessen mich dann in Ruhe, andere aber gingen samstags arbeiten.» Die Belegschaft erlebte Bachmann als bunten Haufen. Mehr als die Hälfte waren Frauen, die einen mit Arbeitsbiografien, andere, die nie gearbeitet hatten und nach einer Scheidung die Existenz verloren hatten. Die Männer kamen meist aus handwerklichen Berufen, viele mit gebrochenen Lebensläufen, einige konnten nur unter Medikamenten arbeiten. Schlimm sei die Arbeit bei Dock nicht gewesen, sagt Bachmann, auch mit dem Leiter hatte er keine Probleme. Ein bisschen seltsam fand Bachmann das Morgenritual: «Da wird die ganze Truppe versammelt und die Tagesmotivation ausgegeben.» Zudem begrüssen die Vorgesetzten jeden einzeln mit Handschlag: «Das wirkt freundlich und verbindlich. Gleichzeitig ist es eine Kontrolle, wer da ist.» Die Arbeit forderte Bachmann nicht und finanziell brachte sie auch nicht viel. Nach vier Monaten war die Motivation des 57-Jährigen dahin. Er teilte dies Dock mit, worauf er die Kündigung erhielt. Die Reaktion des Sozialamtes: Leistungskürzungen. «Drei Monate haben sie mir jeweils 150 Franken abgezogen.» Dabei hatte es beim Start von Dock Basel von Behördenseite geheissen, niemand werde gezwungen, dort zu arbeiten. Heute ist Matthias Bachmann gleich weit wie vor seiner Anstellung bei Dock. «Ich habe in den vier Monaten niemanden erlebt, der wieder in den ersten Arbeitsmarkt zurückgekehrt wäre», sagt Bachmann. Anders als an anderen Standorten hat Dock in Basel von den Behörden keinen Integrationsauftrag bekommen. SURPRISE 292/13
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VON RETO ASCHWANDEN
«Es ist politisch noch immer nicht opportun zuzugeben, dass wir eine gewisse Sockelarbeitslosigkeit nicht wegbekommen.» Daniel Schaufelberger
jemand, der an sich arbeitsfähig wäre, gar nicht mitmachen will, dann gibt es Sanktionen. Doch das kommt nicht häufig vor.» Ein heikler Punkt sind die Kosten. Ein Platz in einem Beschäftigungsprogramm kommt den Staat pro Monat auf etwa 1500 Franken zu stehen – zusätzlich zur wirtschaftlichen Sozialhilfe. Wer bei einer Sozialfirma arbeitet, kostet den Staat auf den ersten Blick aber nur den refinanzierten Lohn, also die individuelle Sozialhilfe plus Integrationszulage. «Sozialfirmen sind günstiger», sagt Caduff deshalb, fügt aber gleich an, dafür würden die Kosten länger anfallen. Beschäftigungsprogramme dauern in der Regel nur ein paar Monate, wer dagegen zu einer Sozialfirma geht, arbeitet unter Umständen jahrelang dort. Daher will Caduff keinen Direktvergleich anstellen: «Es geht nicht darum, was am günstigsten ist. Sondern darum, welches Programm sinnvoll ist. Mit einer Sozialfirma investieren wir in eine Tagesstruktur, damit die Leute gesund und arbeitsmarktfähig bleiben.» Zusätzlich zu den Kosten der einzelnen Teilnehmer bezahlt die öffentliche Hand auch die Investitionen, die beim Aufbau einer DockFiliale anfallen. Wie hoch die jeweils sind, ist kaum bekannt. Gemäss Raymond Caduff leistete die Stadt Luzern einen Startbeitrag von 60 000 Franken. Der Gesamtbetrag an Dock Luzern lag aber deutlich höher, denn die Zusammenarbeit wurde 2011 vom Kanton aufgegleist und die einzelnen Gemeinden operieren unter diesem gemeinsamen Dach. Ein solches kantonales Konstrukt gibt es auch bei den Beschäftigungsprogrammen, bei denen die Kosten und das Controlling über Leistungsvereinbarungen geregelt und transparent sind. Einfach gesagt: Beschäftigungsprogramme müssen ihre Kostenstruktur offenlegen, Sozialfirmen hingegen nicht. Raymond Caduff erklärt, wie die Finanzierung einer Sozialfirma im Grundsatz funktioniert: Die Arbeitnehmenden generieren über ihre Arbeit Wertschöpfung. Dadurch wird die Infrastruktur (etwa Betriebs- und Lohnkosten der festen Mitarbeitenden) der Sozialfirma finanziert. Die öffentliche Hand bezahlt die Löhne mit den Arbeitgeber-
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Reintegration der Arbeitnehmer weist Merz weit von sich: «Jeder, der eine Stelle hat, kann bei uns innert 24 Stunden aufhören. Wir beschäftigen so viele Leute – wenn da ein Guter geht, kommt ein anderer nach.» Samstagarbeit, wie sie Matthias Bachmann erlebte, könne vorkommen, erklärt Daniela Merz: «Wenn wir einen Job erledigen müssen, dann fragen wir die Leute, ob sie arbeiten kommen – auf freiwilliger Basis.» Mangelndes Engagement kann man Daniela Merz, die ursprünglich Primarlehrerin war und nach einer Weiterbildung in Betriebswirtschaft eine Software-Firma leitete, bevor sie 2002 die Geschäftsführung von Dock übernahm, nicht vorwerfen. Sie ist überzeugt, im Interesse ihrer Arbeiter zu handeln. «Es geht um Menschen», ist ein wiederkehrender Satz. 2010 publizierte sie gemeinsam mit Lynn Blattmann, die ebenfalls zur Geschäftsleitung von Dock gehört, das Buch «Sozialfirmen. Plädoyer für eine unternehmerische Arbeitsintegration». Darin schreibt sie Sätze wie: «Wir betreuen nicht, wir führen.» Das werde immer wieder wertend interpretiert, sagt Merz. «Selbstverständlich unterstützen wir unsere Leute, aber wir schauen auch, dass sie die vorhandenen Angebote, etwa vom RAV und den Sozialämtern, nutzen. Wir erfinden nichts neu,
Der Kritiker Selbst wenn die Dock-Betreiber tatsächlich nicht reich werden – dass private Unternehmen mit der Beschäftigung von Sozialhilfeempfängern Geschäfte machen, gibt zu reden: Bürgerliche Kritiker befürchten eine staatlich subventionierte Konkurrenz für die Privatwirtschaft. Von links kommt der Vorwurf der Profitmacherei auf dem Buckel von sozial Schwachen, aus Gewerkschaftskreisen war zu vernehmen, die Sozialbehörden würden Hilfsbedürftige in Sozialfirmen «billig versorgen». Daniel Schaufelberger ist Dozent und Projektleiter an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Vor Jahresfrist hinterfragte er das Geschäftsmodell der Sozialfirmen in einem NZZ-Beitrag. «Wollen wir Unternehmertum mittels Sozialhilfegeldern?», fragte er und skizzierte einen Zielkonflikt zwischen Integrationsauftrag und Geschäftsinteressen: Für den wirtschaftlichen Erfolg benötigten die Sozialfirmen gute Arbeitskräfte, doch seien es genau diese Leistungsträger, die am ehesten die Chance auf eine Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt hätten. Im Gespräch differenziert Schaufelberger seine Kritik. «Sozialfirmen erscheinen für die Behörden gegenüber den traditionellen Beschäftigungsprogrammen attraktiv und erfrischend anders.» Fundamental neu sei die Positionierung am Markt allerdings nicht: «Auch herkömmliche Integrationsbetriebe operieren heute oft nah am Markt. Das sind längst nicht mehr bloss Schraubenzähl-Fabriken.» Schaufelbergers Kritik zielt auch auf die Politik: «Es ist politisch noch immer nicht opportun zuzugeben, dass wir eine gewisse Sockelarbeitslosigkeit nicht wegbekommen. Der Vergleich hinkt zwar, aber es kommt mir manchmal vor wie in der Drogenpolitik der Achtzigerjahre: Alles musste abstinenzorientiert sein, Überlebenshilfe allein war nicht legitim. Dieses Phänomen haben wir in der Sozialhilfe heute noch: Man muss so tun, als könne man alle Leute in den ersten Arbeitsmarkt integrieren.» Zudem spielt auch die Missbrauchsdebatte der letzten Jahre eine Rolle. Die Sozialämter stehen unter grossem Druck, ihre Klienten für die staatliche Unterstützung eine Gegenleistung erbringen zu lassen. Dahinter steht für Schaufelberger ein Disziplinierungsgedanke, der allerdings nicht offengelegt werde. «Den Betroffenen wird oft nicht klar gesagt, ob die Arbeit bei einer Sozialfirma ein Angebot ist oder verlangt wird, sondern man verkauft es einfach als Fördermassnahme.» Die Arbeit in einer Sozialfirma dürfe «weder eine Sackgasse noch ein Parkplatz sein», so Schaufelberger. «Man muss mit den Betroffenen Perspektiven suchen. Dafür müssten die Behörden und die Sozialfirmen eng zusammenarbeiten, doch ich habe den Eindruck, dass das zu wenig geschieht.» Die Sozialfirmen-Chefin Daniela Merz ist CEO der Dock Gruppe AG. 1997 in St. Gallen als Stiftung für Arbeit gegründet, ist die Firma seit einer Umstrukturierung 2007 massiv gewachsen und vereinigt heute als grösste Sozialfirma der Schweiz insgesamt zehn «Filialen» in der Deutschschweiz unter ihrem Dach. Mit gut 50 Festangestellten betreibt Dock über 1000 Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose und Ausgesteuerte. In Interviews hatte Merz von Reintegrationsquoten zwischen 20 und 40 Prozent gesprochen, der Luzerner Sozialdienst-Leiter sagt, die Wiedereingliederung klappe «vereinzelt». Was stimmt nun? «Wenn’s der Wirtschaft gut geht, ist die Quote höher, wenn’s der Wirtschaft nicht gut geht, dann niedriger», erklärt Merz. Fürs Jahr 2012 hat sie noch keine definitiven Zahlen: «Aber es werden wohl wieder um die 20 Prozent sein.» Einen Zielkonflikt zwischen ihrem Geschäftsinteresse und der
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beiträgen. Die effektiven Geschäftszahlen könne nur Dock bekannt geben, sagt Caduff: «Eines aber weiss ich: Die werden mit ihrem Geschäftsmodell ganz sicher nicht reich.»
«Jeder, der eine Stelle hat, kann bei Dock innert 24 Stunden aufhören.» Daniela Merz
das es schon gibt.» Bei Dock herrscht gemäss Merz ein Vertrauensklima: «Wie sonst wollen Sie es schaffen, dass die Leute morgens um halb acht dastehen?» Die Aufträge aus der Privatwirtschaft machen im Geschäftsmodell von Dock etwa die Hälfte der Einnahmen aus, die andere Hälfte kommt über die Lohnrefinanzierung und das Startkapital von der öffentlichen Hand. Auf die Bemerkung, diesbezüglich mangle es an Transparenz, nennt Daniela Merz Zahlen: «In Basel-Stadt und Luzern betrug das Startkapital vom Staat je 600 000.» Darin enthalten sind 100 000 Franken als Liquidität, um die erste Lohnrunde auszahlen zu können, weil die Refinanzierung durch die Sozialämter im Nachhinein erfolgt. 200 000 dienen als Defizitgarantie fürs erste Jahr, denn so lange dauert die Aufbauarbeit. Weitere 300 000 Franken gehen in den Umbau und die Einrichtung der Arbeitsplätze. «Wir kommen nur, wenn man uns beauftragt, ein neues Dock aufzubauen.» Als nicht gewinnorientierte Unternehmung – der jährliche Gewinn beträgt laut Merz lediglich um die 50 000 Franken – sei es nicht möglich, die Startinvestitionen selber aufzubringen. Bleibt die Frage, warum Dock diese Zahlen nicht schon früher öffentlich gemacht hat, um den Vorwürfen mangelnder Transparenz den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Dock-CEO erklärt, dass sie sich im Interesse anderer Anbieter bedeckt halte, wer Informationen wolle, bekomme die aber. «Das Modell der Dock-Gruppe ermöglicht einen günstigen Kostenschlüssel. Kleinere Einrichtungen und Institutionen, die Qualifizierungen anbieten, lassen sich mit unserem Modell nicht vergleichen.» Sozialfirmen bieten ein kostengünstiges Angebot zur Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen. Weil das Effizienzdenken auch beim Staat zugenommen hat, besteht die Gefahr, dass billigere Angebote gegenüber teureren Beschäftigungsprogrammen bevorzugt werden. Die Verantwortung für den Umgang mit Hilfsbedürftigen trägt letztlich nicht Dock, sondern die Politik und die Gesamtgesellschaft. ■ * Name geändert
Einen Kommentar zu Sozialfirmen finden Sie auf Seite 7. SURPRISE 292/13
Crossdressing M채nner in M채dchenkleidern In Japan verkleiden sich heterosexuelle Software-Entwickler oder kaufm채nnische Angestellte als Frauen, einfach so. Warum tun sie das? Eine Journalistin und ein Fotograf stiessen auf Antworten, die eine alte Frage neu aufwerfen: Wann ist ein Mann ein Mann? VON ANNA VON SENGER (AUFZEICHNUNGEN) UND ROLAND SOLDI (BILDER)
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Lisa, kaufm채nnischer Angestellter.
Airi, Service-Angestellter einer Travestie-Bar.
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Ann, Software-Entwickler. SURPRISE 292/13
Lisa, 53 Jahre, kaufmännischer Angestellter, verheiratet «Frauen haben ihre kleinen Verwandlungen im Alltag. Highheels oder Sneakers, Rock oder Hose, mit oder ohne Schminke: Je nachdem ist man ein anderer Mensch. Diese Möglichkeit hat ein Mann nicht, da bin ich neidisch drauf. Ich gehe dreimal im Jahr ins Studio Artemis, wo mich die Besitzerin Kaede in eine Frau verwandelt. Dann gehen wir zusammen in der Gegend Kaffee trinken oder shoppen. Ich habe und will keine Beziehungen zu Gleichgesinnten. Zu Hause übe ich, natürlich wenn niemand da ist, weibliche Haltungen oder Bewegungen, heute auch bestimmte Gesichtsausdrücke. Das reicht mir schon, da muss ich nicht mal Frauenkleider tragen oder mich schminken. Als ich meine Frau vor 20 Jahren kennenlernte, wollte ich damit aufhören. Aber ich konnte einfach nicht. Ich habe es ihr bis jetzt verschwiegen. Wenn sie das entdeckte, wäre es das Ende. Das weiss ich aus ihren Reaktionen auf die einschlägigen TVSendungen.»
Airi, 22 Jahre, Service-Angestellter einer auf Travestie spezialisierten Café-Bar in Tokioter Bezirk Akihabara «Ich habe schon immer meine Schwester um ihre Mädchenkleider beneidet. Zum ersten Mal habe ich Frauenkleider in der Highschool ausprobiert, dann aber immer heimlich. Vor einem Jahr gab ich meinen Beruf als Coiffeur auf und wechselte hierher zur Café-Bar. Seitdem bin ich Tag und Nacht – also auch in meinen Pyjamas – als Frau unterwegs. Ich stehe auf Frauen und Männer. Das ist cool, denn wenn ich durch die
Stadt gehe, könnte ich mit allen etwas haben! Bei meinem Coming-out sagte meine Mutter nur: Warum nicht? Mein Vater hatte etwas mehr Mühe. Meine Freunde meinten, sie hätten sich das schon lange gedacht. Mir ist es egal, wenn es jemand merkt. Es ist ja nur eine Art der Selbstbehauptung und ich falle damit niemandem zur Last. Ich bin durch dieses Leben viel toleranter geworden. Ich träume davon, dass die Travestie keine Subkultur mehr ist. Ich wäre froh, wenn ich dazu irgendetwas beitragen könnte.»
Ann, 45 Jahre, Software-Entwickler, verheiratet, zwei Kinder (21, 19 Jahre) «Ich ziehe 120 Tage im Jahr Frauenkleider an und gehe in normale oder spezialisierte Bars, an Wochenenden an Travestie-Events. Manchmal gehe ich einfach shoppen oder wasche meine Kleider in einer Münzwäsche. Ich finde es sehr schwierig zu erklären, warum ich das mache. Ich kann nur sagen, dass es mir grossen Spass macht, weil ich erstens gelobt werde für meine Bemühungen, wie eine Frau zu wirken. Das heisst für meine feminine Stimme, meine Diäterfolge, Kleider und Accessoires. Zweitens bemühen sich die Männer um mich und drittens kann ich mich ihnen anschmiegen. Ich mache es erst seit Januar 2010. Als ich meiner Frau davon erzählte, sagte sie weder verwundert noch angeekelt: ‹Ach so, es gibt ja anscheinend viele in der IT-Branche, die Frauenkleider anziehen!› Die Abmachung ist aber, dass ich es weder vor ihr noch vor den Kindern und auch nicht in der Nachbarschaft tue.»
Crossdressing Sie sind so frei, weiblich zu sein Die Journalistin Anna von Senger ist Halbjapanerin und wuchs bis zu ihrem 14. Lebensjahr in Tokio auf. Hinter der Lust am Verkleiden, auf japanisch «Otokonoko», sieht sie starre Rollenbilder – und eine traditionell liberale Haltung zur Homosexualität. INTERVIEW VON DIANA FREI
Frau von Senger, haben die Otokonokos ein Problem mit ihrer Geschlechteridentität oder geht es eher darum, traditionelle Rollenbilder zu kritisieren? Die einen wollen einfach schön aussehen und finden, Frauen hätten eine viel grössere Auswahl, sich zu präsentieren. Andere sehen die Freiheit, sich so zu kleiden, wie sie wollen, als politisches Statements als eine Art Revolution der Geschlechterrollen. Und dann gibt es auch Transsexuelle, also Männer, die sich irgendwann umbauen lassen. Im Westen ist Gender, die soziale Geschlechterrolle in Abgrenzung zum biologischen Geschlecht, seit Längerem ein grosses Thema. Auch in Japan? Biologisch ist der Unterschied zwischen Mann und Frau in Japan oft weniger markant als in anderen Weltgegenden, die Schattierungen sind feiner: Männer haben nicht viele Brusthaare, meistens wenig Körpergeruch, und auch Frauen mit grossem Busen findet man nicht oft. Der Unterschied zwischen SURPRISE 292/13
Mann und Frau findet eher im Kopf statt und ist zu einem grossen Teil anerzogen: Frauen haben eine weibliche Variante der Sprache, sie sitzen anders auf dem Tatami, halten die Hand anders, kneifen die Knie zusammen, dürfen nicht rennen. Es gibt ein ganz spezifisches frauentypisches Verhalten. Und gleichzeitig ist die Geschlechterhierarchie sehr ausgeprägt. Die Rollen sind zwar sehr traditionell verteilt: Die Frau hört im Normalfall auf zu arbeiten, wenn sie heiratet. Aber ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass japanische Frauen unterdrückt sind. Der Mann geht ein Leben lang arbeiten und gibt daheim seinen Lohn ab, während die Frauen Zeit haben, sich kulturell und intellektuell weiterzubilden, zu reisen. Ich habe den Eindruck, die Männer sind manchmal neidisch auf die Frauen, weil ihre Freiheit zum Sinn des Lebens gehört – im Gegensatz zur Arbeit wie im Ameisenhaufen. Es kann sein, dass sich die Otokonokos mit dem Frausein auch die Freiheit herausnehmen, die sie als traditionelle Männer nicht haben.
Sind Otokonokos in Japan gesellschaftlich akzeptiert? Sie sind in den Massenmedien, am Fernsehen, in Mangas sehr präsent. Sie ernten Bewunderung, wenn sie es schaffen, überzeugend zu wirken. Das Verschmelzen von Geschlechtern hat in Japan Tradition, Männer in Frauenrollen hatten auch im Kabuki-Theater eine wichtige Position. Es ist nichts Schlimmes, zwischen weiblich und männlich hin und her zu wechseln. Auch das Schwulsein wurde jahrhundertelang moralisch akzeptiert. Erst als die europäische und damit die christliche Kultur mit der Idustrialisierung Einzug hielt, änderte es sich. Gibt es in der Schweiz eine vergleichbare Szene? Ich glaube nich in diesem Masse. Dafür ist hierzulande das Metrosexuelle vor einigen Jahren in Mode gekommen. Es ist nicht mehr lächerlich, wenn sich ein Mann eincremt und die Brusthaare rasiert. Vielleicht ist das die westliche Art, sich als Mann eine neue Freiheit herauszunehmen.
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Elektroschrott Tödliches Geschäft Tonnenweise Elektroschrott wird jeden Monat auf der Müllhalde von Agbogbloshie in Ghana angeliefert. Junge Männer wie Karim und Ibrahim verdienen sich mit der Rückgewinnung von Kupfer und anderen Wertstoffen ein paar Cents – und opfern dafür ihre Gesundheit. VON PHILIPP HEDEMANN (TEXT UND BILD)
Mit einer langen Eisenstange drischt Karim auf die gelb und grün züngelnden Flammen ein, gleissende Funken sprühen, beissender Rauch steigt auf. Karims Augen tränen, in seiner Lunge rasselt es. Als das giftige Feuer erloschen ist, bleibt von dem klobigen Uralt-Computer nur ein verkohlter Klumpen Draht übrig. Karim wird dafür von einem Kupferhändler vielleicht zwei Cedi, umgerechnet rund 80 Cent, bekommen. Kurzfristig hilft es ihm zum Überleben, langfristig wird ihn die Arbeit in Agbogbloshie, der grössten Elektroschrott-Müllkippe Afrikas in der ghanaischen Hauptstadt Accra, wahrscheinlich umbringen.
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Während sein Kupferknäuel abkühlt, zündet sich Karim eine verbogene Zigarette an. Der Tabakqualm ist wahrscheinlich nicht das Ungesundeste, was der 18-Jährige heute einatmen wird. Das Hämmern im Kopf, das Brennen in den Augen, das Kratzen im Hals, das Ziehen in der Brust – Karim weiss nicht, was gerade am meisten wehtut. Aber er weiss, wo es herkommt: vom toxischen Qualm, der den ganzen Tag über die Müllkippe wabert. Auf einem knirschenden Teppich aus zerborstenem Glas von alten Monitoren türmen sich hier die Insignien eines Lebens, das Karim wohl nie kennenlernen wird. Ausrangierte Fernseher, Computer, DVD-Player, Küchengeräte und Telefone aller Marken landen hier. Karim weiss nicht, wie man einen Laptop hochfährt oder einen Scanner bedient. SURPRISE 292/13
Aber er weiss, wie man die Dinger mit einem Stein, einer Stange oder einfach mithilfe der Schwerkraft möglichst schnell kaputtkriegen und mit altem Isolierschaum aus Kühlschränken abfackeln kann.
Nierenschäden, Herz- und Atemwegserkrankungen lässt sich bislang nur spekulieren. «Irgendwann waren mal Forscher da und haben uns Blut abgenommen, um es im Labor zu untersuchen, aber wir haben nie gehört, was dabei rausgekommen ist», sagt Abdulai Abdulrahman. In seinem «Büro» zwischen Autobatterien und LKW-Achsen gewährt der wohlgenährte Mann kurze Audienzen. Der Chef der Genossenschaft der Schrottsammler ist der ungekrönte König von Agbogbloshie. Wer nicht auf der Halde arbeitet und sie dennoch betreten möchte, muss einen Wegzoll entrichten. Der ehemalige Schrottsammler lebt davon nicht schlecht und redet die Gesundheitsgefahren in seinem kleinen Reich gerne klein. Doch die Chemikalien aus den ausrangierten Geräten vergiften nicht nur die russverschmierten Jungs auf der Müllkippe. Als dünner Film legt sich der beissende Qualm auch auf das Obst und Gemüse, das auf dem grössten Markt der Stadt direkt neben der Schrotthalde verkauft wird.
Schrott statt Occasionsware In Tema, dem wichtigsten Hafen Ghanas, rund zwei Lastwagenstunden von Agbogbloshie entfernt, kommen fast täglich Container voller Elektrogeräte an. «Manchmal mischen die skrupellosen Händler in Europa oder Amerika ein paar halbwegs funktionstüchtige Geräte darunter, damit sie das Zeug als Occasionswaren deklarieren können, aber das allermeiste ist schlichtweg Schrott. Und selbst das, was bei der Ankunft gerade noch so funktioniert, gibt schnell den Geist auf», weiss Emmanuel Dogbevi. Der ghanaische Journalist war einer der Ersten, der über den unmoralischen Handel zwischen der Ersten und der Dritten Welt berichtete, stoppen konnten seine zahlreichen Artikel das Elektroschrott-Geschäft nicht. Laut Dogbevi landen nur 0,2 Prozent des Schrotts, der in Tema an«Kurz nach Weihnachten bricht jedes Jahr eine Schrottkommt, im formalen Recyclingsektor. «In letzwelle wie ein Tsunami über die Müllhalde herein.» ter Zeit sind endlich ein paar Menschen festgenommen worden, die in die Machenschaften Wenn es regnet, gelangen die Gifte – unter anderem Blei, Kadmium, der Elektroschrott-Mafia verwickelt waren, aber es passiert immer noch Quecksilber, Arsen, Dioxine – auch ins Grundwasser. Ein schmaler viel zu wenig. In Ghana leugnen viele Politiker einfach, dass es das ProFluss, der Odor, wälzt sich träge durch die Müllkippe. Sein Wasser ist blem gibt, und in Europa haben die Politiker offensichtlich keine grosse schwarz und ohne Leben. Dort, wo einst Flamingo-Kolonien zu Hause Lust, gegen dieses millionenschwere Business vorzugehen», sagt der waren, treibt jetzt Müll im Brackwasser. Am «Boola Beach», dem «MüllUmweltjournalist. strand», fliesst die stinkende Brühe ungeklärt in den Atlantischen OzeGelangt ausnahmsweise doch mal ein noch funktionstüchtiger Rechan. Fischer, die in der Nähe ihre Netze auswerfen, haben immer seltener nach Agbogbloshie, so landet er meist bei Linus Aka. Der Nigerianer ner Fische, dafür immer häufiger Elektroschrott in den Maschen. Jetzt, hat mitten auf der Halde einen kleinen Laden, der mit Laptops vollgein den Wochen nach Weihnachten, ist es wieder besonders viel, wie jestopft ist, die sich zumindest noch hochfahren lassen. Für umgerechnet des Jahr bricht eine Schrottwelle wie ein Tsunami über die am Meer ge180 bis 600 Euro verkauft er die Computer meist an Studenten weiter. legene Halde herein. Seit Jahren gibt es immer wieder Forderungen, die Manche von ihnen sollen die darauf befindlichen privaten Daten schon Verschiffung von Elektroschrott nach Afrika zu stoppen. Sie kommen für Scam-Mails und Online-Betrügereien genutzt haben. meist von Umweltschützern in Europa. Karim, der in Agbogbloshie jeAbwrackarbeiter Ibrahim hat noch nie eine Mail verschickt. Der 21den Tag laut hustend Computer verbrennt, will davon nichts wissen. jährige Bauerssohn ist vor einem Jahr aus einem Dorf im Norden des Der Junge mit den gelb unterlaufenen Augen hat nichts anderes gelernt, Landes auf die Müllhalde in der Millionenstadt gekommen. Er wird von als Geräte zu zertrümmern und abzufackeln. Er fragt: «Wovon soll ich einem heftigen Hustenkrampf gebeutelt, als er eine alte Waschmaschine leben, wenn ihr euren Schrott selbst behaltet?» abfackelt. Manchmal kommt Blut mit, wenn er hustet. Die abgemager■ ten, russgeschwärzten Kühe, die zwischen ausgelaufenen Autobatterien, schwelenden Feuern und zerborstenen Fernsehern auf der Müllhalde www.street-papers.org/INSP nach etwas Essbarem suchen, sind das Einzige, was Ibrahim hier noch an zu Hause erinnert. Wie die meisten Jugendlichen und jungen Männer, die auf der Müllkippe arbeiten, wirkt er seltsam abwesend, sucht lange nach Worten. Seine Hände und Füsse sind mit Schnittwunden überzogen, wie bei den meisten hier. Arbeitshandschuhe und feste Elektro-Recycling: Musterknabe Schweiz Schuhe kann sich hier fast niemand leisten, eine Atemschutzmaske erst Nach Schätzungen der Vereinten Nationen fallen weltweit jedes recht nicht. Jahr zwischen 20 und 50 Millionen Tonnen Elektroschrott an. Laut Greenpeace nahm vor vier Jahren Boden- und Ascheproben auf der dem deutschen Bundesumweltministerium werden jährlich über Müllhalde. Die Konzentration von Blei lag teilweise um mehr als das 155 000 Tonnen zum Teil gefährlicher Elektronikabfälle aus DeutschHundertfache über dem Normalwert. Die Umweltorganisation entdeckte land ins aussereuropäische Ausland gebracht. Seit 1989 gibt es zwar auf der Halde noch viele weitere Chemikalien. «Viele von ihnen sind die Basler Konvention, in der sich alle Industrieländer ausser den hochgiftig», sagt Kevin Bridgen, der Leiter der Studie, «einige von ihnen USA dazu verpflichtet haben, diese nur in Länder zu exportieren, in könnten das sich noch entwickelnde Fortpflanzungssystem der Kinder denen sie umweltverträglich recycelt werden können. Doch es besteht schädigen, andere die Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems.» ein blühender Schwarzhandel mit als Occasionsware deklariertem Elektroschrott. In der EU laufen aktuell Bemühungen, dagegen vorzuAuch das Gemüse ist vergiftet gehen, wie Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer der für die Entsorgung Bei modernen Elektrogeräten werden bereits ungefährlichere Chemivon Elektrogeräten zuständigen Swico, sagt. In der Schweiz, so kalien verwendet, doch die meisten Apparate, die in Agbogbloshie anHensch, sei das Problem marginal. Dies liege einerseits am gut funkkommen, sind mehrere Jahre alt. Wie gefährlich die darin verbauten tionierenden Rücknahmesystem, aus dessen Kreislauf Elektroschrott Chemikalien sind, merkt man auf der Müllkippe sofort. Nach wenigen kaum in falsche Hände geraten könne, andererseits daran, dass wir im Minuten kratzt es im Hals, tränen die Augen, schmerzt der Kopf und der Gegensatz zur EU noch Zollkontrollen haben und der illegale Handel Schweiss mischt sich mit schwarzem Russ, der auch mit viel Wasser hauptsächlich über grosse Überseehäfen läuft. Auch Greenpeace und Seife nur schwer wegzuwaschen ist. Doch Wasser und Seife sind Schweiz weiss nichts von grösseren Missständen hierzulande und verauf der Müllkippe ohnehin Mangelware. Über Langzeitfolgen wie Krebs, weist auf die Auskünfte der Swico. (fer) SURPRISE 292/13
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Fremd für Deutschsprachige Die Flut Eine schleichende Invasion spielt sich ab in den albano-helvetischen Toiletten. Die Herrschaft des eiligen, schmutzigen Müssens wird verdrängt vom Lifestyle-Locus. Neulich habe ich bei meinem Cousin in Niederhasli eine ganze Karawane von Duftkerzen auf dem Badewannenrand entdeckt. Als ich einige Wochen davor, zu Besuch bei meiner Luzerner Cousine, nach der Seife suchte, buhlte eine dekorative Muschel unter dem Badezimmerspiegel um meine Aufmerksamkeit. Und das sind keine Einzelfälle. Die häusliche Dekorationswut, die mir früher in Gestalt sandgefüllter Glasbehältnisse, dezent bemalter Lehmtierchen oder nicht zum Gebrauch bestimmter schimmernder Flüssigseifenflakons ausschliesslich in den Badezimmern meiner Schweizer Schulgschpönli entgegentrat, scheint nun auch meine Verwandt-
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schaft befallen zu haben. Freilich, für die meisten Secondos sind die kleinen, schmucklosen Plumpsklos, auf denen unsere Vorväter und -mütter ihr Geschäft noch unbequem kauernd verrichteten, kaum mehr als eine vage Erinnerung an dunklere Tage. Dennoch war auch in unserer Jugend das Klo ein schlicht funktionaler Raum; ein von Mutter zwar klinisch rein gehaltener, aber gänzlich uninspirierter Ort. Und nun, in den eigenen, schicken und nach Neu! riechenden Wohnungen, sitzen auch wir in diesen Tempeln der Entspannung. Die, wenn sie es nicht längst schon sind, bald auch Multimediatempel sein werden. Eine Flut von Zeitungen und Zeitschriften, Romanen, Kochbüchern (!) und kleinen Radios wird aus den Schweizer Toiletten über unsere Türschwellen schwappen und in unsere Klos einziehen. Und bald darauf – was sollte ihn dann noch hindern? – wird auch er kommen, der Gameboy mit allen seinen flachen, kleinen Nachfahren. Die Unterhaltungsindustrie wird uns auf die entblössten Knie springen und hineinkriechen in diese Lücke des migrantischen Medienkonsums; um uns dann ohne Hast durch diese blossen Körper-Momente der Entleerung zu führen und uns von diesem letzten Rest ungenutzter Zeit zu befreien. Jedoch bedenke man, dass all die Ablenkung und Unterhaltung den Toilettengang gut und gerne verdoppelt oder verdreifacht.
Und wir kennen sie doch alle aus der täglichen Klolektüre, diese schockierenden Hochrechnungen: Der Mensch verbringt durchschnittlich soundsoviele Jahre auf der Toilette. Doch nicht nur von diesem neuen Müssiggang sprechen die Migrantenklos, sondern auch von moralischem Verfall. Da starrt mir doch, wie ich bei meiner Tante auf dem WC sitze und mein Blick gelangweilt die Badezimmerregale der Familie abtastet, eine offen dastehende Packung Tampons entgegen! Keck lugen die gepressten weissen Watteköpfchen aus der angebrochenen Schachtel und zeugen vom Sittenzerfall in diesem Hause. Das wohlbekannte Sprichwort «Aus den Augen, aus dem Sinn!» mag Leuten, denen das unbedenklich scheint, verdeutlichen, was hier tatsächlich vor sich geht. Denn tritt diese Art frauenspezifischer Hygieneartikel erst einmal in den Blick, für jeden (auch männlichen) Besucher sichtbar, so ist auch der Gedanke an die biologische Ausstattung der Benützerin nicht fern. Deshalb sei zum Schluss an einen weiteren denkwürdigen Spruch erinnert, der uns in unsicheren Zeiten wie diesen leiten möge: «Wehret den Anfängen!» SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH) SURPRISE 292/13
Urbanes Leben Die Stadt im leeren Bilderrahmen Mit dem Think Tank zURBS wirft eine Gruppe von jungen, international zusammengesetzten Akademikern einen frischen Blick auf die Stadt. Und verführt die Bewohner dazu, eigene Visionen zu haben.
Das allererste Projekt von zURBS – einer Art Think Tank für den urbanen Raum – hiess «Züri West nochmals anders?». Die Leute von zURBS bastelten zusammen mit den Leuten im Kreis 5 eine Vision für ihr Quartier. Und zwar nicht mit Leuten, die sich speziell mit Stadtentwicklung beschäftigt hätten. Sondern mit den Köchen im Restaurant Les Halles. Mit Personal und Gästen des Literaturcafés Sphères. Oder mit einem Kinderhort. zURBS – aus Z wie Zürich und «urbs», lateinisch für Stadt – das sind: eine norwegische Theaterschaffende, eine dänische Architektin, ein belgischer Politikwissenschaftler und die Zürcherin Sabeth Tödtli, ursprünglich ebenfalls Architektin, heute vollberufliche Urbanistin. Zusammen sind sie Initiatoren und Kuratoren von Projekten, die einen neuen Blick auf die Stadt wagen. Sie arbeiten am Basteltisch im Quartier, aber auch mit Hochschulen und Institutionen wie der ETH oder der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK zusammen. So veranstalteten sie auf dem Geroldareal mit 30 ETH-Studenten einen Workshop zum geplanten Kongresszentrum. Und führten dabei durch den Komplex, der hier noch gar nicht steht: Sabeth Tödtlis Kollegin Cecilie Sachs Olsen zeigte der Gruppe das Gelände, stellte die imaginäre Lounge vor und erzählte Anekdoten von vergangenen Kongressen. Es ging um die Visionen, die man für einen Ort haben kann und darum, die Leute zum Nachdenken darüber zu bringen, was mit ihrer Stadt passiert. Dazu gehört auch, dass man sich dagegen wehrt, wenn das kreative Potenzial einer Stadt zu sehr instrumentalisiert wird – zum Beispiel als Aufwertungsstrategie für Problemquartiere. «Wir dachten immer, wir seien gentrifizierungskritisch», sagt Sabeth Tödtli, während sie im Kafi für Dich, einem szenigen Café im Kreis 4 – dem Quartier an der Grenze zwischen hip und prekär – ihren Caffè Latte trinkt. «Aber irgendwann merkten wir: Wir sind ja selber Gentrifiers, die nun plötzlich in den schicken Cafés der billigen Quartiere sitzen. Aber wir wollen nicht, dass wir in die Mechanismen der Aufwertungsversuche zu fest eingebunden werden.» Eine Gratwanderung. Letzten Herbst war zURBS Teil des Kunstfestivals Art and the City, obwohl der Think Tank genau solcher institutionalisierter Kunst kritisch gegenübersteht. Sabeth Tödtli und ihre Arbeitskollegen installierten unter der Hardbrücke die «Asphaltgalerie» mit schmucken, aber leeren Bilderrahmen, die einen eigenen Raum bildeten. Durch die Rahmen sah man die Stadt, und je nach Standpunkt einen anderen Ausschnitt. Man solle im schicken Tenue erscheinen, stand in der Einladung, es wurden Sekt und Canapés serviert. Tödtli: «Es war ein bisschen dekadent und gleichzeitig ging es darum, zu sagen: Man braucht leere Rahmen und eine Stadt drum herum, und das kann auch Kunst sein. Die Stadt ist kein Kunstwerk. Aber sie ist der Raum, in dem alles passieren kann.» zURBS interessiert sich für Freiräume. Örtliche, aber auch gedankliche. SURPRISE 292/13
BILD: NINA LUND WESTERDAHL
VON DIANA FREI
Das Bild ist eine Frage des Standpunkts: Asphaltgalerie unter der Hardbrücke.
Sabeth Tödtli und ihre Mitstreiter sind manchmal recht theoretisch unterwegs: Sie wollen sich öffentlich Gedanken machen und nehmen auch an Kongressen wie dem letztjährigen ReARTtheURBAN teil, an dem auch Slavoj Žižek Gastredner war. zURBS ist ein Think Tank, und interessant ist die Tatsache, dass er nicht der einzige ist, der in den letzten Zeit entstanden ist. Und nicht der einzige, den junge Leute sich erdacht haben. Allein in und um Zürich gibt es mit W.I.R.E., der Denkallmend und foraus drei Gruppen, die den öffentlichen Dialog verfolgen. «Vielleicht ist das heute ein Verlangen von jungen Akademikern», sagt Sabeth Tödtli. «Wir wollen uns einmischen, aber haben keine Lust, uns den vorhandenen Strukturen zu fügen. Vielleicht hat auch der Glaube nachgelassen, dass es nützt, sich einfach mit Demos gegen etwas zu stellen. Wenn man die Dinge intellektuell angeht, kann man mehr Einfluss ausüben.» Und sichtbar sein will man auch. 2013 soll zum «Year of the Maze», dem Jahr des Labyrinths, werden und Zürich zu einem Irrgarten. Mit Kreide, Seilen und anderen Installationen sollen Beschränkungen in die Quartiere hineingebaut werden, die die Leute an bisher unbeachtete Orte hinführen. «Der Ablauf von Verlieren, Suchen und Finden ist das, was uns immer interessiert», sagt Tödtli. Und fügt an: «Das Finden zwar fast am wenigsten. Der Prozess davor ist wichtig.» Die Stadt als Irrgarten. Das passt. ■
www.zurbs.org
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BILD: ZVG
BILD: ZVG
Kultur
Turbulente Alpensaga: Vea Kaisers Debut ist ein Heimatroman der anderen Art.
Xaoli entdeckt die Studentenproteste – und träumt von der Nachbarin.
Buch Bandwürmer und Bergbarbaren
Film Shanghai, vor dem Boom
In Vea Kaisers skurrilem Debutroman erwacht ein Alpendorf auf kurios-unterhaltsame Weise aus seinem hinterberglerischen Dornröschenschlaf.
Xaoli ist 17 und lebt im Shanghai der späten Achtzigerjahre. Nicht nur der Aufruhr seiner Teenagerhormone, sondern auch die Studentenproteste sorgen für Irrungen und Wirrungen.
VON CHRISTOPHER ZIMMER
VON YVONNE KUNZ
Das fiktive St. Peter am Anger ist der Traum jedes Ethnologen: Seit Jahrhunderten geht die Weltgeschichte fast spurlos an diesem Alpendorf vorbei. Generation folgt auf Generation, im Wirtshaus richtet und schlichtet der Ältestenrat, im Café Moni amtet die Mütterrunde, alles getreu dem Mantra der Bergler: «Is halt so!» Kein Wunder, dass so viel Halten am Alten St. Peter zum Alptraum aller Touristiker macht. Denn von der grossen, weiten Welt halten die Älpler – die Fremde gern mal mit der Mistgabel zum Dorfausgang begleiten – herzlich wenig. Und schon gar nichts von den «Hoch’gschissenen», von denen, die Hochdeutsch reden. So ist es und so bleibt es … bis in einem der Bergler, Johannes Gerlitzen, ein Bandwurm zu stolzen 14,8 Metern heranwächst. Die Neugier des Kranken erwacht, und so macht der Bandwurm seinen Wirt zum Bücherwurm – und aus der drögen Dorfgeschichte eine turbulente Alpensaga. Gerlitzen verlässt Weib und Kind, um in der Stadt Doktor zu werden, kehrt promoviert zurück und gibt den Wissensdurst an seinen Enkel Johannes A. Irrwein weiter, den eigentlichen Helden von Vea Kaisers Debutroman. Diesen Johannes A. Irrwein zieht es wie seinen Grossvater in die Zivilisation hinaus. Doch der Ausbruch aus der dörflichen Enge misslingt, völlig unerwartet fällt er durch die Matur und muss geschlagen nach Hause zurückkehren. Dort erscheint ihm sein Idol, der griechische Geschichtsschreiber Herodot, im Traum, und Johannes A. Irrwein beschliesst, fortan die Bergbarbaren zu erforschen, zum Ethnografen seines Heimatdorfes zu werden. Weil aber Blut dicker als Tinte ist, verliert Irrwein schon bald die nötige Distanz und wird zum Spielball der Dorfturbulenzen. Am guten Ende reissen die Geschehnisse rund um ein ungewöhnliches Fussballspiel das Dorf schliesslich unwiederbringlich aus seinem Dornröschenschlaf. Man spürt in Vea Kaisers Erstling ihre Lust am Fabulieren. Ein gekonntes Fabulieren, das die Fülle an Einfällen in eine klare Form fasst. Das macht ihren etwas anderen Heimatroman zu einem Lesevergnügen, auch weil er dank ihrer liebevollen Ironie die Welt der Bergler weder idealisiert noch demaskiert.
Als preisgekrönter Dokumentarfilmer versteht sich Haolun Shu darauf, zu beobachten und einzufangen, was ist. Oder – wenn man sein Spielfilmdebut «Shanghai, Shimen Road» anschaut – festzuhalten, was einmal war. Das Shanghai der späten Achtzigerjahre, in denen die Handlung spielt, war von einer pittoresken Beschaulichkeit, die mit der Megalomanie der heutigen Boomtown rein gar nichts zu tun hat. «Bald wird sich niemand mehr erinnern, wie das Leben unter dem Kommunismus organisiert war», sagt Shu, der selber in einem der aus Backstein gebauten Shikumen-Viertel aufgewachsen ist, die inzwischen durch 50stöckige Hochhäuser ersetzt werden. Im Film sehen wir eine äusserst liebevoll und detailreich gezeichnete, einnehmende Kulisse. Wenn man dem Klatsch und Tratsch der Bewohner in den Gemeinschaftsküchen im Parterre der dicht besiedelten Häuser beiwohnt, wähnt man sich tatsächlich in einem Dokumentarfilm. Hauptfigur ist der 17-jährige Xaoli, der nach der Schule ein Fotostudio eröffnen möchte. Er lebt bei seinem Grossvater; die Mutter ist nach dem Tod des Vaters in die USA ausgewandert. Er ist heillos verschossen in die 20-jährige Nachbarin Lanmi, die in einer Zahnbürstenfabrik arbeitet, aber auf der Suche nach einem besseren Leben auf die schiefe Bahn gerät. Als sie verschwindet, rückt Xaolis Klassenkameradin Lili ins Zentrum. Neu aus Peking zugezogen, öffnet sie Xaolis Blick auf das China jenseits seines Shikumen und die im ganzen Land schwelenden Studentenproteste. Diese Ausgangslage liefert zusammen mit dem reizenden Umfeld eine Steilvorlage für eine Geschichte im Sinne eines klassischen Entwicklungsromans. Zu steil, wie sich dann zeigt. Es mag auch an der Übersetzung liegen, doch die Protagonisten bleiben blass, ihre Aktionen sind nicht immer plausibel, da ihnen Regisseur Shu keinen Platz zur Introspektion einräumt. Die Figuren bleiben trotz wunderbar intimer Stimmung merkwürdig fremd. So erweist sich die grösste Stärke des Films – seine einzigartige Atmosphäre – als seine grösste Schwäche, weil weder die Figuren noch die Handlung es auch nur annähernd schaffen, sie entsprechend zu nutzen.
Vea Kaiser: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam.
mit Ewen Cheng, Xufei Zhai, Lili Wang u. a. Der Film läuft zurzeit in den
Kiepenheuer & Witsch 2012. 28.90 CHF.
Deutschschweizer Kinos.
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Haolun Shu: «Shanghai, Shimen Road», China, 2011, 85 Min.,
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BILD: ISTOCKPHOTO
Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.
Ständig rühren, nur so wird der Risotto sämig.
Piatto forte Rührend zur Sämigkeit Es muss nicht immer Langkornreis sein. Um einiges kürzer, dafür aber anspruchsvoller in der Zubereitung und schmackhafter im Resultat ist der Rundkornreis im Risotto.
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homegate AG, Adliswil
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Sprenger & Partner Bauingenieure SIA USIC, Arlesheim
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Oechslin Architektur GmbH, Zollikerberg
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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen
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IBP – Institut für Integrative Körperpsychotherapie, Winterthur
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Knackeboul Entertainment
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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich
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Girod Gründisch & Partner, Visuelle Kommu-
VON TOM WIEDERKEHR
Hierzulande wird Reis gern als Beilage gereicht. In Italien aber kennt man Risotto als Begleitung höchstens zu Ossobucco alla milanese. Denn wer ein echter Italiener sein will, der wird einen Risotto nicht als Beilage zubereiten, sondern sich voll und ganz darauf konzentrieren, bei diesem Gericht die optimale Balance zwischen Sämigkeit und Biss zu erreichen. Und dafür gibt es ein paar Grundregeln zu beachten. Die erste Herausforderung liegt in der Wahl des Reises. Die besten Sorten sind Arborio, Vialone und Carnaroli, die vorwiegend in der Poebene und im Piemont angebaut werden. Arborio ist der meistverkaufte Risottoreis, der auch am meisten Stärke beinhaltet. Dadurch neigt Arborio mehr zum Verkleben als der Vialone, welcher in der Konsistenz meistens cremiger bleibt. Die teuerste und für gute Risotti optimale Wahl ist der Carnaroli. Nicht zufällig bildet er die Grundlage für den «Gran Riserva» der berühmten Reismühle Riso Gallo. Das Grundrezept ist einfach: Für zwei Personen in wenig Butter oder Olivenöl eine halbe, sehr fein gehackte Zwiebel anziehen lassen und danach zwei knappe Tassen Risotto glasig werden lassen. Dann mit einem Glas gutem, trockenem italienischen Weisswein ablöschen. An diesem Punkt die Hitze reduzieren und die Flüssigkeit einkochen lassen. Die auf der Flamme nebenan vor sich hinköchelnde Fleischbouillon nach und nach zugiessen. Immer nur so viel Brühe hinzugeben, dass der Reis gerade bedeckt ist. Dabei bei schwacher bis mittlerer Hitze und unter ständigem Rühren den Reis langsam weich köcheln. Mit ständig ist nicht oft, sondern immerfort gemeint: nur so lässt sich dem Reiskorn die Stärke entlocken, welche für die Sämigkeit so unabdingbar ist. Das dauert je nach Reissorte bis zu 20 Minuten. Ein italienisches Sprichwort besagt: «Der Risotto wartet nicht auf die Gäste, die Gäste warten auf den Risotto.» Im besten Fall sitzen sie also in nächster Nähe der Kochstelle und trinken schon mal ein Glas Weisswein. Spätestens jetzt wissen Sie, wieso Sie auch zum Ablöschen einen guten Wein verwendet haben.
nikation, Baden 09
Paul & Peter Fritz AG, Literary Agency, Zürich
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TYDAC AG, Web-Mapping-Software, Bern
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Kaiser Software GmbH, Bern
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Balcart AG, Carton, Ideen, Lösungen, Therwil
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Lions Club Zürich-Seefeld
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Klimaneutrale Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf
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Scherrer & Partner GmbH, Basel
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Balcart AG, Carton Ideen Lösungen, Therwil
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Psychiatrische Dienste Aargau AG (PDAG)
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Locher, Schwittay Gebäudetechnik GmbH, BS
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fast4meter, storytelling, Bern
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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen
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Schweiz. Tropen- und Public Health-Institut, BS
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seminarhaus-basel.ch
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Supercomputing Systems AG, Zürich
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AnyWeb AG, Zürich
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VXL gestaltung und werbung ag, Binningen
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.
Bezugsquellen und Rezepte: http://piattoforte.ch/surprise
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BILD: BÜHNENBILD: VALERIE HESS
BILD: ZVG BILD: ROLAND SOLDI
Ausgehtipps
Dirty Martini liebt’s lasziv.
Luzern Bizarre Welt Fakire, Schlangen- und Kraftmenschen, Feuerund Schwertschlucker: Sie gehören zu einer scheinbar längt vergangenen Welt, als sich die Zuschauer auf Jahrmärkten und in einschlägigen Etablissements gerne mit Abnormitäten aller Couleur unterhalten liessen. Freak-Shows und Burlesque-Unterhaltung waren in den Vierziger- bis Sechzigerjahren in den USA beliebt: Die Zurschaustellung des Ungewöhnlichen faszinierte, und einige «Born Freaks» verdienten ein Vermögen. Sie traten zusammen mit «Made Freaks» auf, die ihren Körper als Kunstwerk verstanden, ihn exzessiv tätowierten, allerlei Unverdauliches wie Feuer und Schwerter schluckten oder sich dermassen verbogen, dass es anatomisch unmöglich schien. Und dann war da die Burlesque, die aber nicht mit Nacktheit an sich verführte, sondern mit Witz und lasziver Originalität. Der Fotograf Roland Soldi, der für das vorliegende Heft japanische Crossdresser fotografierte, hat heutige Performer aus dieser skurrilen Welt porträtiert: in den USA, in Mexiko, England, Schottland, Holland, Neuseeland, Deutschland und der Schweiz. Er bildet eine Mischung aus Schmerz, Humor und Liebe ab, die zeigt, wie die Körperlichkeit der Künstler zum Gegenpol zu unserer immer nüchterner werdenden Welt wird. (dif)
Vier von vielen am OOAM-Festival: Strozzini.
Wo ist denn der Rest der Familie?
Baden Hypefreies Festival
Basel Familie global
Auch schon zum dritten Mal geht in Baden das One Of A Million Musikfestival über die Bühnen. Ja, Bühnen, denn während gut einer Woche werden Stanzerei, Merkker und Royal sowie einige Nebenbühnen bespielt. Aus Publikumssicht gibt es zwei Optionen: Indie-Nerds freuen sich schon wie verrückt auf die Möglichkeit, eine lange Reihe von Geheimtipps und Untergrund-Grössen erleben zu dürfen. Durchschnittlich interessierte Feinschmecker gehen in der berechtigten Erwartung hin, echte Entdeckungen machen zu können. Zu den bekannteren Namen gehören Efterklang aus Kopenhagen. Im Kern ein Trio bauen die Dänen ihren Indie-Rock manchmal auch gern orchestral aus. Das begeistert auch Legenden: Efterklangs Alben erscheinen bei 4AD, dem Label für Melancholie im Panoramaformat. Und als Drummer hilft gern mal Budgie von Siouxsie And The Banshees aus. Aus Wien reisen Elektro Guzzi an. Das Trio ist eine futuristische Mensch-Maschine, die schon das Sonar-Festival in Barcelona und den berühmt-berüchtigten Berliner Klub Berghain zum Kochen brachte. Handgemachte Klänge kommen von den ehemaligen Strassenmusikern Strozzini, die für ihre Single «Langstrasse» bestimmt auch im beschaulichen Baden den passenden Rahmen finden werden. Und die Luzerner Dans la Tente werden melancholische Grüsse aus den 80ern überbringen. Wir könnten hier noch lange Namen nennen, aber wie lautet das Festivalmotto so schön: No Hypes. No Stars. Simply loving the Music. (ash)
Der Dokumentarfilmer Shaheen Dill-Riaz lebt in Berlin. Seine Eltern in Bangladesh. Sein Bruder in New York. Die Schwester in Sydney. Der Sohn in Warschau. Shaheen Dill-Riaz ist kein Einzelfall. Immer mehr Familien leben über den gesamten Erdball verteilt. Da stellt sich die Frage, was Familie heutzutage denn bedeutet: Müssen Familienmitglieder die gleiche Sprache sprechen? Ähnliche Werte haben? Nah beieinander wohnen? Oder: Überlebt das Konzept der Familie in unserer globalisierten Welt überhaupt? Gemeinsam mit der Theaterschaffenden Corinne Maier und der Schauspielerin Anne Haug hat sich Shaheen Dill-Riaz dieser Fragen – und seiner Familie – angenommen. Auf der Bühne seziert er sich und seine Blutsverwandten, fragt, wie er zu ihnen steht, ob er für sie da ist, wenn sie ihn brauchen – und falls ja, wo «da» eigentlich wäre. (mek) «Past Is Present», ein dokumentarisches Theater, Sa, 19. Januar, 20 Uhr; So, 20. Januar, 19 Uhr; 21./22./23. Januar jeweils 20 Uhr, Kaserne Basel. www.kaserne-basel.ch
One Of A Million, 1. bis 9. Februar, diverse Spielstätten, Baden. www.ooam.ch
«Himmlische Körper», Kunstraum Vitrine, Luzern, noch bis zum 27. Januar. www.kunstraum-vitrine.ch
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BILD: REUTERS/CHERYL RAVELO
BILD: ZVG
Kurzgeschichten vom Griffbrettmeister: Dobler liest Cooder.
Auf Tour Short Storys eines Grossgitarristen Franz Dobler hat sich als Journalist und Schriftsteller immer wieder mit Musik und im Besonderen mit amerikanischen Ikonen beschäftigt. So umfasst seine Bibliografie unter anderem die Johnny-Cash-Biografie «The Beast in Me». Nun widmet er sich Ry Cooder, dem legendären Gitarristen, der mit den Stones, Van Morrison und dem Buena Vista Social Club spielte und sich nicht nur mit Tabulaturen, sondern auch mit der Tastatur beschäftigt: «Los Angeles Stories» heisst sein Buch mit Kurzgeschichten, die nun von Dobler vorgelesen und mit Aufnahmen des Meisters begleitet werden. (ash)
Eine Miss kommt selten allein – Schönheit als Massenware.
27. Januar, 20 Uhr, Club Cardinal, Schaffhausen; 28. Januar, 20 Uhr, Café Kairo, Bern; 29. Januar, 20 Uhr, Loge, Luzern; 30. Januar, 20 Uhr, Palace, St. Gallen.
Anzeigen:
Bern Spieglein, Spieglein Bei den Stockenten gilt: Der mit dem gelbsten Schnabel kriegt die Weibchen. So einfach ist das in der Tierwelt. Schönheit steigert die Überlebenschancen, und schöner bedeutet ganz einfach: weniger Makel als die anderen. Glaubt man der Werbung, gilt das genauso bei uns Menschen. Zahnverschönerungsinstitute wollen uns weismachen, dass man mit schöneren Zähnen schneller einen Job bekommt. Vielleicht ist da sogar etwas dran, die entscheidende Frage aber bleibt: Was heisst schön? Schneeweisse Zähne und Gummibootlippen? Oder Charaktergesicht mit Schönheitsfleck? Das Naturhistorische Museum und das Museum für Kommunikation verbinden in einer gemeinsamen Ausstellung das Tierische mit dem Menschlichen, um die Besucherin und den Besucher mit der Frage zu konfrontieren: Bin ich schön? Keine Panik, Kurator Kurt Stadelmann verspricht: «Sie werden gestärkt aus der Ausstellung gehen.» (fer) «Bin ich schön?», Ausstellung im Museum für Kommunikation und im Naturhistorischen Museum Bern, noch bis 7. Juli 2013.
— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 — SURPRISE 292/13
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Verkäuferinnenporträt «Ich möchte nie aufhören, Surprise zu verkaufen» BILD: ISM
Wenn Zaklina Busa (43) vor dem Coop Kyburg in Thun Surprise verkauft, kann sie Bekannte und Unbekannte treffen und ihre Sorgen zu Hause vergessen. AUFGEZEICHNET VON ISABEL MOSIMANN
«Ich bin in einer kleinen Stadt in Serbien aufgewachsen, im gleichen Ort wie mein Mann. Wir waren Nachbarn, und unsere beiden Kinder kamen dort auf die Welt. Serbien war eigentlich unsere Heimat. Doch Roma-Familien, wie wir eine sind, wurden nach den Kriegen im Balkan je länger je mehr schikaniert. 2005 hielten wir es nicht mehr aus und flüchteten in die Schweiz. Wir haben so schlimme Dinge erlebt – ich kann noch heute nicht davon erzählen. Die ganze Familie kam traumatisiert hier an. Deswegen lebten wir am Anfang eine Zeit lang in der Nähe von Bern in einem speziellen Asylbewerberzentrum für Menschen mit psychischen Beschwerden. Als ich von anderen Asylbewerbern vom Strassenmagazin Surprise hörte, ging ich ins Vertriebsbüro Bern und fragte, ob ich auch Hefte verkaufen könne. Damals hatte der Vertriebsleiter Fredi Maurer einfach einen Tisch in einem Gemeinschaftsbüro im Lorraine-Quartier und fertig, das war das Vertriebsbüro. Weil es noch nicht viele Verkäufer gab, konnte ich sehr bald anfangen. Zuerst verkaufte ich Surprise in Bern, vor der grossen Migros an der Marktgasse. Nach unserem Umzug nach Heimberg fing ich in Thun an, vor dem Coop Kyburg, wiederum an der Marktgasse. Ich verkaufe sehr gerne Surprise. Es bedeutet für mich, dass ich an der frischen Luft bin und ein paar Stunden für mich habe. Ich treffe in dieser Zeit viele Leute, spreche mit meinen Stammkunden oder mit Menschen, die ich noch nicht kenne, und kann gleichzeitig ein wenig Geld verdienen. Letzten August wurde bei mir Diabetes festgestellt und ich konnte wegen Arzt- und Spitalterminen fast zwei Monate keine Hefte verkaufen. Das war hart – das Geld ist ja das eine, vor allem habe ich aber den Kontakt zu den Leuten vermisst. Jetzt habe ich die Krankheit zum Glück unter Kontrolle und verkaufe wieder fast jeden Tag Hefte. Ich muss einfach am Morgen sehr viel Wasser trinken und meine Tabletten schlucken, dann geht’s. Zudem bete ich jeden Morgen und jeden Abend, das hilft mir auch sehr, mit allem fertig zu werden, was mich beschäftigt. Eine riesengrosse Erleichterung habe ich im April vor einem Jahr gespürt, als unser Aufenthaltsstatus von N in F umgewandelt wurde. Sechs Jahre lang wussten wir nicht, ob wir bleiben können. Die ganze Familie lebte in ständiger Angst, zurück nach Serbien geschickt zu werden. Jedes Mal, wenn ich den Briefkasten öffnete, fürchtete ich, einen Brief vom Bundesamt für Migration zu finden. Mit dem Ausweis F sind wir jetzt ‹vorläufig aufgenommen›. Natürlich hoffe ich, dass wir für immer hier bleiben können. Neben den schrecklichen Sachen, die wir in Serbien erlebt haben, ist es auch so, dass die Kinder neben ihrer Muttersprache Romanes vor allem Deutsch und Schweizerdeutsch sprechen und nur noch schlecht Serbisch.
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Mein mittlerweile 22-jähriger Sohn besucht zurzeit eine Handelsschule in Thun. Ihn zieht es in Richtung Marketing, sagt er. Ich denke, das passt zu ihm. Die Tochter ist 18 Jahre alt. Sie ist noch nicht sicher, was sie lernen möchte, aber am besten gefällt ihr der Coiffeusenberuf. Wir werden sehen, wie sie sich entscheidet. Mein Mann hat lange Zeit für die Gemeinde im Wald gearbeitet, aber wegen gesundheitlichen Probleme musste er leider damit aufhören. Ich möchte nie aufhören, Surprise zu verkaufen, auch nicht, wenn ich eine andere Arbeit finden sollte. Dann würde ich es nebenbei tun, um die vielen lieben Menschen vor dem Coop Kyburg weiterhin zu treffen. Für 2013 wünsche ich mir vor allem, dass es meiner Familie und mir gesundheitlich gut geht. Und wenn ich noch einen Wunsch frei hätte, dann wünschte ich mir eine grössere und besser isolierte Wohnung. Im Winter ist es bei uns sehr kalt, im Sommer heiss. Zudem teilen sich die ‹Kinder› in unserer Dreizimmer-Wohnung ein Zimmer, und das ist, wie wahrscheinlich in jeder Familie, nicht ganz einfach!» ■ SURPRISE 292/13
SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin
verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, U-Abonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!
Andreas Ammann Bern
Jela Veraguth Zürich
René Senn Zürich
Marlis Dietiker Olten
Kurt Brügger Basel
Fatima Keranovic Basel
Josiane Graner Basel
Wolfgang Kreibich Basel
Tatjana Georgievska Basel
Bob Ekoevi Koulekpato, Basel
Marika Jonuzi Basel
Peter Gamma Basel
‹›
Jovanka Rogger Zürich
Ralf Rohr Zürich
Anja Uehlinger Aargau
Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken
1/2 Jahr: 3000 Franken
1/4 Jahr: 1500 Franken
Vorname, Name
Telefon
Strasse
PLZ, Ort
Datum, Unterschrift
1 Monat: 500 Franken
292/13 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 292/13
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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.
Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–
Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.
Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.
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Herausgeber Verein Surprise, Postfach, 4003 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Reto Aschwanden, Florian Blumer (Nummernverantwortlicher), Diana Frei, Mena Kost redaktion@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Manuela Donati, Karin Freiermuth, Luc-François Georgi, Philipp Hedemann, Isabel Mosimann, Anna von Senger, Roland Soldi, Peter Würmli Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 15000, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Oscar Luethi (Leitung)
Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller o.joliat@vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold
Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 292/13
Schön und gut. Die Surprise-Mütze mit eleganter Kopfwerbung ist ab sofort wieder erhältlich: In Einheitsgrösse, in den Farben Rot und Schwarz. Heizt das Hirn, gibt warme Ohren. Grosses Badetuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und von A bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschiedenfarbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.
Surprise-Mütze CHF 30.– rot
Strandtuch (100 x 180 cm) CHF 65.–
schwarz
50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.
Alle Preise exkl. Versandkosten.
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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch
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Ist gut. Kaufen! Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache. Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute. Alle Preise exkl. Versandkosten.
Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50 neon-orange schwarz
Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.– rot schwarz
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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch SURPRISE 292/13
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Von Aarberg bis Zuoz. Surprise gibt es beim Strassenhändler Ihres Vertrauens. Oder im Abo per Post.
24 Ausgaben für 189 Franken oder als Gönner-Abo für 260 Franken. Gutes lesen, Gutes tun und gleich bestellen! www.vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch, Spendenkonto PC 12-551455-3 Verein Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99