Surprise Strassenmagazin 298/13

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Froh im Zoo Warum wir immer noch Tiere einsperren Heldin für einen Tag – Cosplayerinnen spielen Manga-Figuren

Stress lass nach: Historiker Patrick Kury über das Jahrhundertphänomen

Nr. 298 | 19. April bis 2. Mai 2013 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Titelbild: Reuters/Ilya Naymushin

Im Zoo gibt es Tiere. Und Baustellen. Wie die Tiere gehalten werden und was an neuen Anlagen gebaut wird, erzählt viel über das Verhältnis des Menschen zur Natur. Der Zoo sei ein Spiegelbild der Gesellschaft, sagt der Basler Zoodirektor Olivier Pagan. Waren Tiergärten früher noch Privatsammlungen von Aristokraten, so hatte ihre Öffnung für die Allgemeinheit damit zu tun, dass sich die Gesellschaft veränderte: Die industrielle Entwicklung konzentrierte die Massen in den Städten, was sie der Natur entfremdete. Die ersten zoologischen Gesellschaften und Tiergärten entstanden in England, als Symptom der Entwicklung zur Industrienation. Heute stehen wir an einem ganz anderen Punkt in der Geschichte des Zoos: Trostlose Käfige werden seltener, dafür geht der Trend hin zur Inszenierung von Lebensräumen und Ökosystemen. Der Fokus liegt mehr denn je auf Naturschutz und globalen Zusammenhängen. Wenn man sich anschaut, welche Baustellen ein Zoo hat, kann man daraus ableiten, in was für Zeiten wir leben. Lesen Sie ab Seite 10, warum.

BILD: ZVG

Editorial Raus aus dem Käfig

DIANA FREI REDAKTORIN

Auch die Geschichte des Stresses bildet den Zustand der Gesellschaft ab. Auch hier stand die Industrialisierung am Anfang. Die Leute litten aufgrund des technischen Fortschritts plötzlich an «Nervosität». «Jede Epoche hat im Zusammenhang mit dem Stand der technischen und ökonomischen Entwicklung und der sozialen Situation ihre eigenen Belastungserkrankungen hervorgebracht», sagt der Historiker Patrick Kury, der ein Buch über das Phänomen geschrieben hat. Nervosität, Stress, Burnout: Kury sieht die Belastungserkrankungen nicht als individuelles Problem. Sondern historisch als Zeichen dafür, dass im sozialen Leben in der jeweiligen Epoche etwas nicht mehr im Lot ist. Eingesperrt wie Zootiere sind wir zwar nicht, aber viele empfinden das Leben als Hamsterrad. Auch wir müssen mit den Rahmenbedingungen unseres Alltags umgehen können. Und vielleicht versuchen, aus dem Käfig des Leistungsdrucks auszubrechen. Es gilt im Zoo wie im Berufsleben: Richten wir die Lebensbedingungen doch so ein, dass genügend Anregung vorhanden ist. Entscheidungsfreiheit, sinnvolle Beschäftigung. Zu Verhaltensstörungen führt der Stress beim Menschen zwar selten. Aber eben: zum Burnout durchaus. Vielleicht haben Alessandra Marthaler und Nadja Schiess ein patentes Rezept gefunden, um ab und zu aus dem Alltag auszubrechen: Die sogenannten Cosplayerinnen verkleiden sich als Figuren aus Filmen und Games und imitieren die fiktiven Welten bis zur Perfektion. Weltflucht? Entspannung? Jedenfalls wächst die Cosplay-Szene, ursprünglich ein japanisches Phänomen, auch in der Schweiz. Herzlich, Diana Frei

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@vereinsurprise.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 298/13

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10 Zoo Masoala-Halle statt Völkerschau BILD: LUCIAN HUNZIKER

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Inhalt Editorial Tiergärten und Hamsterräder Die Sozialzahl Aïcha spielt mit Schweizer Holzkuh Aufgelesen Am Spielfeldrand Zugerichtet Zügelstress mit Kieferbruch Mit scharf! Am Rande des Nervenzusammenbruchs Starverkäuferin Cristina Choudhary Porträt Kunstexpertin mit Banklehre Wohnungsnot Ali muss gehen Fremd für Deutschsprachige Abstimmen in Mazedonien Theater Gamen im Theater Kultur Der Uslender singt wieder Ausgehtipps Lydia Welti-Escher kehrt zurück Verkäuferporträt Vaterliebe auf Distanz Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP

Früher waren Zoos Sammlungen von Tieren. Möglichst viele, möglichst exotische wollte man präsentieren. Lange bevor es Tierfilme und Kenya-Safaris für jedermann gab, versuchte man die Welt zu sich nach Hause zu holen, um mit eigenen Augen zu sehen, wie ein wildes Tier in Natura aussieht. Das will man immer noch. Trotzdem findet man heute im Zoo Basel Termiten statt Eisbären. Im modernen Zoo werden dem Zuschauer Ökosysteme erklärt statt exotische Tiere vorgeführt.

14 Burnout Voll im Stress BILD: KARIN SCHEIDEGGER

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Noch nie waren wir so gestresst wie heute – obwohl wir so viel Freizeit haben wie noch nie in der Geschichte. Was läuft schief? Der Basler Historiker Patrick Kury ging dieser Frage nach und schrieb eine «Wissensgeschichte vom Stress zum Burnout». Im Interview erklärt er, wie diese mit der «Nervositätsepidemie» ihren Anfang nahm, was er von der Diagnose Burnout und der Kritik daran hält und er erläutert, warum wir unsere Einstellung zum Stress ändern müssen.

17 Cosplay Die Welt als Manga

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BILD: ROLAND SOLDI

Alessandra Marthaler und Nadja Schiess plündern die Welt von Games und Mangas, um sich in Spielcharaktere zu verwandeln. Cosplay ist ein Phänomen, das aus Japan stammt. Seit einigen Jahren hält es auch in der Schweiz Einzug. Auffällig daran ist, mit welcher Sorgfalt und mit welchem Aufwand sich Menschen zwischen 14 und 24 Jahren in fiktive Figuren verwandeln und als solche auf die Bühne stellen. Anfang Mai versammelt sich die Szene an der JapanAniManga Night in Winterthur.

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0 2001 2002 2003 20 04 2005 2006 2007 2008 2009 2010 201 1 Generationenerhalt Durchschnittliche Kin derzahl je Frau

hl Die Sozialza weiz aus? h c S ie d t rb Sti

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Kinderzahl lässt diese Kluft wieder schmäler werden. Offenbleibt, ob dies mit einem verbesserten Angebot an familienergänzenden Betreuungsangeboten zusammenhängt oder aber mit einem Backlash zurück zu einem konservativen Rollenverständnis der Frauen als Mutter und Hausfrau einhergeht. Allerdings gibt es noch ein ganz anderes Erklärungsmuster für die aktuelle Entwicklung der Geburtenziffer in der Schweiz. Die Rede ist von einem «Tempo-Effekt». Gemeint ist damit die Beobachtung, dass Schweizer Frauen immer älter werden, bis sie ihr erstes Kind auf die Welt bringen. Lag dieses Alter in den Neunzigerjahren noch unter 30 Jahren, so ist es inzwischen auf 32 Jahre angestiegen. Nun kann vermutet werden, dass Frauen, die später ihr erstes Kind bekommen, in rascherer Abfolge als früher auch ein zweites und drittes Kind zur Welt bringen. Diese Dynamik spiegelt sich dann in einem vorübergehenden Anstieg der Geburtenrate wider. Die Diskussion über die erwünschte Höhe der Bevölkerungszahl und den wachsenden Anteil von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz wird die politische Arena in den nächsten Jahren prägen. Niemand weiss allerdings, wo die richtige Bevölkerungsgrösse liegt. Aus ökologischer Sicht liegt sie tiefer als aus wirtschaftlicher Perspektive, für die demografische Entwicklung und den Sozialstaat ist vor allem ein ausbalanciertes Verhältnis der verschiedenen Altersgruppen wichtig. Wie gross der Ausländeranteil sein darf, ist ebenfalls höchst umstritten. Eines ist allerdings klar: Ohne Migration und Einbürgerung würde die Schweiz mit der aktuellen Geburtenrate langsam aber sicher aussterben. CARLO KNÖPFEL (C.KNOEPFEL@VEREINSURPRISE.CH) BILD: WOMM

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Die kleinen Dicken am Rand Nürnberg. Den deutschen Vereinen fehlen zunehmend die ehrenamtlichen Mitarbeiter: In den Sportvereinen konnten in den letzten Jahren 650 000 Menschen in verantwortlicher Position nicht ersetzt werden. Thomas Röbke, Geschäftsführer eines bayerischen Freiwilligennetzwerks, beklagt dazu eine zunehmende Professionalisierung und den aus der Wirtschaft übernommenen, «verhängnisvollen Trend», ständig wachsen zu wollen: «Da werden Spitzensportler gefördert, aber die kleinen Dicken bleiben am Spielfeldrand stehen.»

Bürgerliche helfen Neonazis München. Ein deutscher Journalist recherchierte unter dem Decknamen Thomas Kuban jahrelang undercover in der Neonaziszene und brachte jetzt einen Film darüber heraus. Kuban sagt, Rechtsradikalität sei mittlerweile «in der Mitte der Gesellschaft angekommen» verbreitet, unter anderem an Rechtsrock-Konzerten, wie sie auch in der Schweiz stattfänden. Der Fremdenhass der Neonazis könne zudem auf Ressentiments aufbauen, die rechtsbürgerliche Politiker an Parteiveranstaltungen schürten.

Witze über Behinderte Dortmund. «Besser Arm ab als arm dran» heisst das Buch von Martin Fromme, der seit 26 Jahren als Comedian auf deutschen Bühnen steht und dabei auch Witze über Behinderte macht. Fromme kam mit einem linken Arm auf die Welt, der unterhalb des Ellbogens als Stumpf endet. Von politischer Korrektheit hält er nicht viel, es seien ohnehin meist Nichtbehinderte, die sich so sehr darum bemühten. Richtig wütend macht ihn jedoch der Gedanke, dass dank Pränataldiagnostik vielleicht bald gar keine Behinderten mehr geboren werden.

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Zugerichtet Der Feind im Haus Die Beschwerde über Ruhestörung mündete in ein zertrümmertes Jochbein und vier «in Mitleidenschaft gezogene Zähne». François H.* wohnte seit zehn Monaten in einem schönen Altbau mit Parkett. Schick, aber wer sich bewegt, erzeugt Geräusche. Wenn der französische Bankangestellte spät nach Hause kam, schlich er auf Socken rein, denn der Mieter unter seinen Füssen, der freiberufliche Architekt Martin S., hatte sich schon beschwert. Nachts um drei habe es gepoltert, wie wenn ein Bautrupp mit Stahlkappenschuhen Gummitwist hüpfe. Auch der Vormieter des Monsieur François war Herrn Martin zu laut. An besagtem Abend, der mit dem Jochbeinbruch und dem Beinahe-Verlust von vier Zähnen endete, war François am Packen. Er wollte ausziehen und hatte seinen Freund Gérard gebeten, zu helfen. Die Hilfsbereitschaft brachte Gérard eine Anklage wegen Körperverletzung. Der Architekt lag mit seiner Verlobten im Bett, sie wollten schlafen, weil sie früh aufstehen müssen, doch es sei über ihnen so ein Krach gewesen, dass der Kronleuchter wackelte. Herr Martin stand auf und klingelte, Monsieur Gérard öffnete. Von hier an unterscheiden sich die Erzählungen. Herr Martin im Zeugenstand meint, er habe höflich gebeten, den Krach abzustellen. Der andere hätte gelacht, sie würden jetzt die Schränke auseinandernehmen. «Er hob die Hände, in der einen Faust hielt er einen Schraubenschlüssel.» Martin sei in ähnlicher Situation schon einmal zusammengeschlagen worden, «also bin ich rein und habe ihn zurückgedrängt». Ob es denn nicht klüger gewesen wäre, wenn er selber den Rückzug angetreten hätte, fragt der Richter nebenher.

Doch, im Nachhinein schon, antwortet Herr Martin. «Sie haben ihn gestossen?» – «Nicht gestossen, zurückgedrängt. Ich kann Ihnen zeigen, wie.» Der Richter wehrt ab: «Aber nicht an mir.» Es folgt die theatralische Darstellung der Szene in der Mitte des Gerichtssaals. «In dem Moment kommt Monsieur François, sagt was Französisches, da schlägt Gérard zu, ich flieg durch den Gang.» Die Verlobte rief Polizei und Sanität, Herr Martin kam ins Krankenhaus, «OP, der Kiefer verschoben, eine Behinderung von 25 Prozent». «Sie sind ein Pechvogel», sagt der Richter mit wenig Mitleid in der Stimme. Gérard findet es «eine Surprise», dass der Angreifer als Zeuge geladen und der Angegriffene der Angeklagte sei. Er bezeichnet Herrn Martin als cholerisch: «Hab ich Türe geöffnet und gedacht, mais non, nicht am letzten Tag der noch.» Da sei Herr Martin reingestürmt. Genau in dem Moment kam Monsieur François aus dem Bad. Vor Schreck habe er, Gérard, die Hand dazwischen gehalten, um Herrn Martin abzuwehren. Der warf sich zur Seite, verlor das Gleichgewicht, fiel auf die herumstehenden Kisten. Päng. Kiefer kaputt. Zwei Versionen, keine Beweise. Wem soll man glauben? Der Richter resümiert: «Herr Martin hat sich schon vorher massiv aufgeregt wegen Lärmbelästigung. Ob er wirklich gegen die zur Abwehr erhobenen Fäuste des Angeklagten gelaufen ist? Das kommt vor, das kann so gewesen sein.» Wie soll der Richter entscheiden? Gérard verurteilen? «Das kann ich nicht mit gutem Gewissen tun, aber ein gutes Gewissen muss ein Richter haben.» Freispruch für Gérard. * persönliche Angaben geändert ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 298/13


Fortschritt Wissen statt glauben Wir leben im Zeitalter der Ratio, der Glaube als leitende Kraft hat abgedankt? Unsere Einstellung zum technologischen Fortschritt zeigt: mitnichten.

Die Topmanager sind die Aristokraten von heute. Denn auch sie begründen ihren Anspruch auf Macht und Reichtum nicht etwa mit Leistung (siehe die Lohndiskussion um die 1:12-Initiative), sondern quasireligiös: mit der «naturgegebenen» Ordnung des Marktes. Zu diesem Schluss kamen der Journalist Constantin Seibt und der Philosoph Daniel Strassberg kürzlich im Tages-Anzeiger. Immer häufiger sind Stimmen zu vernehmen, die religiöses Vokabular im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Meinungsführern verwenden, «Marktgläubige» ist schon fast ein stehender Begriff geworden. Es scheint, als hätten wir Erben der Aufklärung in der westlich-urbanen Gesellschaft den Glauben nicht etwa durch Rationalität ersetzt, sondern einfach durch einen neuen, ebenso irrationalen Glauben. Die Huldigung des Marktes als Messias, der Glück und Wohlstand für alle bringt (wider alle empirische Evidenz), ist dabei das eine. Eine Arbeit des Basler Historikers Patrick Kury deutet nun darauf hin, dass auch unsere Haltung gegenüber dem technologischen Fortschritt mehr mit Glaube als mit Vernunft zu tun haben könnte. Kury ging der Geschichte von Stress und Burnout auf die Spur (siehe Interview ab S. 14). Den ersten Vorläufer dieser Zeiterscheinung machte er Ende des 19. Jahrhunderts aus, als die moderne Gesellschaft mittels technischen Errungenschaften wie Auto, Eisenbahn oder Telefon so richtig Fahrt aufnahm: «Nervositätsepidemie» nannte man damals das Phänomen, dass viele mit der Beschleunigung nicht mehr klarkamen. In den Wirtschaftsaufschwungsjahren der Nachkriegszeit grassierte dann die «Managerkrankheit». Mitte der Siebzigerjahre schliesslich nahm der Druck auf den Einzelnen dermassen zu, dass das Nachrichtenmagazin Der Spiegel prognostizierte, die Menschheit gehe womöglich an Stress zugrunde. Nun, es gibt uns noch, das ist die gute Nachricht – obwohl der Druck durch die Entwicklungen in der Informationstechnologie und in der Mo-

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@vereinsurprise.ch

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bilität unterdessen noch einmal stark zugenommen hat, wie Kury feststellt. Die schlechte Nachricht ist: Nach Erkenntnis des Historikers ist dies hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass wir seither von einer ganzen Industrie darin gecoacht werden, wie wir mit dem Stress fertig werden. In den 70er-Jahren wurde noch heftig darüber diskutiert, wie viel Stress der Mensch verträgt und ob man die Welt nicht vielleicht entschleunigen sollte. Heute lautet der Kanon, dass der Mensch sich anpassen muss – die Wirtschaft muss schliesslich wachsen, der Konsum muss steigen. Wachstumswirtschaft und technologischer Fortschritt als deren Motor sind heute quasi Staatsreligion. Dabei gäbe es auch heute diejenigen, die auf wissen statt glauben setzen – und den Gläubigen mit rationalen Argumenten widersprechen. Naturwissenschaftler zum Beispiel stellen fest, dass es nicht mehr lange gut gehen kann, wenn wir weiter mehr Rohstoffe verbrauchen, als der Planet hergibt. Psychiater und Psychologen warnen davor, dass der Mensch nicht unendlich belastbar ist. Empirische Glücksforscher geben zu bedenken, dass uns zusätzlicher Reichtum nicht zufriedener macht. Und sogar aus der Wirtschaftswissenschaft sind immer mehr Stimmen zu hören, die anzweifeln, ob deregulierte Märkte tatsächlich Glück und Wohlstand für alle bringen. Vielleicht sollten wir uns wieder vermehrt an die Aufklärer zurückerinnern. Und mehr auf diejenigen hören, die Wissenschaft betreiben, anstatt Predigern aufzusitzen, die uns eine bessere Welt versprechen – mit den Methoden, die Mensch und Umwelt an den Rand des Kollapses gebracht haben. ■

BILD: ZVG

VON FLORIAN BLUMER

Starverkäuferin Cristina Choudhary Rolf Suter aus Zürich nominiert Cristina Choudhary als Starverkäuferin: «Cristina hat durch ihre freundliche Art schon viele Freunde gewonnen. Dazu zählen auch ich und mein Hund. Da ich wegen einer Operation eine Zeitlang nicht mit ihm spazieren gehen konnte, habe ich Cristina um Hilfe gebeten. Sie ist nicht nur mit dem Hund spazieren gegangen, sondern hat auch für mich gekocht, eingekauft und Kuchen gebacken. Als ich sie dafür bezahlen wollte, lehnte sie das ab und sagte, sie sei froh, auch mal was zurückgeben zu können. Danke, Cristina.»

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Porträt Die Vernetzerin Sabine Trieloff ist in unterschiedlichen Welten zuhause: In der Finanzbranche, in der Leistung Erfolg bedeutet und Erfolg Geld. Und in der Kunst, in der man auch mit Können oft kaum Kohle macht. VON DIANA FREI (TEXT) UND ANDREA GANZ (BILD)

dabei nicht gefragt. Es geht um reine Information. Oder darum, den Hörern ihre eigene Fantasie zu lassen. Eine Sprechausbildung hat sie absolviert, als sie Schweiz-Korrespondentin für den deutschen Privatsender Radio Regenbogen war: nochmals ein solcher Job im mehrgleisigen Leben der Berlinerin, das sich aus einem universalen Interesse an der Welt zusammengefügt zu haben scheint. Sie hätte nämlich auch auf einem einzigen, erfolgversprechenden Gleis bleiben können, mitten in der Finanzwelt, in einer guten Position. 1991 war sie für den Schweizerischen Bankverein in London. «Den angelsächsischen Druck auf das Schweizer Finanzsystem hat man da aber schon gespürt. Man fing an, das Schweizer Gebaren als langweilig, überreguliert, zu sicher zu sehen, ganz nach der Devise: Man könnte noch mehr Geld verdienen, wenn man ein bisschen risikoreichere Geschäfte machen würde. Das hat mich abgeschreckt.» Die Bonus-Exzes-

Gleich nach dem Abitur hat Sabine Trieloff in Berlin eine Banklehre gemacht und später dann ein Studium in Kommunikation. Sie war beim Schweizerischen Bankverein in Basel Kommunikationsleiterin für Investmentfonds; später baute sie für die Schweizer Börse in Basel, Genf und Zürich die Visitor’s Center auf, wo Besuchern die Finanzwelt erklärt wird. Es waren gute Jobs, Managementpositionen, sie hat viel Geld verdient. Heute ist sie selbständig in der Finanzkommunikation tätig. Spricht man aber mit Bekannten von ihr, kann es passieren, dass sie sagen: «Ich habe gar nicht gewusst, dass sie etwas mit dem Finanzsektor zu tun hat.» Es sind Leute aus der Kunstwelt. Sie kennen Sabine Trieloff vom Museum für Gestaltung her, wo sie ebenfalls drei Jahre lang Kommunikationsleiterin war. Sie selber hat viele Menschen durch Ausstellungen geführt, und ihr Anliegen «Was mir in Wirtschaftsunternehmen extrem gefällt ist, dabei war, die Besuchenden dort abzuholen, dass sie leistungsorientiert sind. Ich mag Wettbewerb.» wo ihr Interesse lag: «Manchmal habe ich den Eindruck, dass Kunsthistoriker eher auf Abgrenzung bedacht sind und sich gerne gegenseitig auf die Schulter klopse gehörten auch in dieses Kapitel. 1992 hat sie bei der Bank aufgehört. fen», sagt sie. «Ich versuche, die Sache verständlich und nachvollziehAls Abteilungsleiterin und Product Managerin an der Schweizer Börbar zu machen.» se ist sie drei Jahre später wieder in die Finanzwelt zurückgekehrt: «Die Nebenher hat sie für vernissage.tv – eine Webplattform für bildende Börse ist von der Form her ein Verein und bietet sehr viel mehr FreiräuKunst – bekannte Künstler interviewt: Ellsworth Kelly zum Beispiel, neme als eine Bank. Statt dass man den Leuten sagt: ‹Kauft diese Aktie!›, ben Jasper Johns und Robert Rauschenberg eine der US-Koryphäen aus war meine Aufgabe, ihnen zu erklären, was eine Aktie überhaupt ist den Sechziger- und Siebzigerjahren. Oder den deutschen Maler, Bildund ihnen die Funktionsweise einer Börse näherzubringen.» Zum hauer und Performancekünstler Jonathan Meese. Sie führt die InterSchluss hat sie aber vor allem noch in Sitzungen gesessen und delegiert. views, wenn sie Zeit hat, ohne Lohn: «Die Abmachung ist einfach, dass Da hat sie sich selbständig gemacht. die bezahlte Arbeit vorgeht, wenn ich ausgelastet bin.» Es ist sympto«Was mir in Wirtschaftsunternehmen extrem gefällt ist, dass sie leismatisch: Sobald es um Kunst geht, wird oft gratis gearbeitet. Was untungsorientiert sind. Ich mag Wettbewerb», meint Sabine Trieloff und denkbar ist in der Wirtschaftswelt. Die 51-Jährige unterstützt für wenig sagt dann aus heiterem Himmel: «Wir haben ja noch gar nicht über oder kein Geld immer wieder Künstler und kleine Galerien mit KnowSport gesprochen!» Sie ist nämlich seit zwölf Jahren Triathletin und läuft how in der Kommunikation. Trieloff hat ein Leben lang immer am Ranseit zwei Jahren Halbmarathon: «Ich mache mich da zwar nicht kaputt. de im Kunst- und Kulturkuchen mitgerührt. Sie war LaienschauspieleAber ich will ins Ziel kommen.» In der Sport- und Wirtschaftswelt führt rin, Statistin und Ankleiderin am Theater Basel und danach auch StatisLeistung einigermassen verlässlich zum Erfolg. «In der Kunstwelt ist altin am Opernhaus Zürich. les auch vom Zufall und Glück abhängig. Der Kunstmarkt ist nicht Dreh- und Angelpunkt zwischen Finanzen und Kunst ist ihr Studium, durchschaubar und funktioniert manchmal seltsam.» Marketing-Kommunikation in Berlin. «Eine Mischung zwischen BeSabine Trieloff ist nicht nur beruflich in mehreren Welten unterwegs. triebswirtschaft, Publizistik und Werbung. Da lernt man ganz viele kreSondern auch als Halb-Türkin, Berlinerin, eingebürgerte Schweizerin. ative Dinge. Und zwar nicht, weil man Filmemacherin oder Fotografin Mit ihrem türkischen Vater hat sie Französisch und Deutsch geredet, werden will. Es geht vielmehr um die Frage: Was kann man mit welcher mit der Grossfamilie in der Türkei spricht sie Englisch. «Seit einigen Disziplin erreichen?» Sabine Trieloff kann vermitteln und erklären. Egal, Jahren lerne ich nun Türkisch», sagt sie. «Ich habe das Bedürfnis, mich ob es um Geld oder Kunst geht. Als Kommunikationsleiterin war sie das mehr mit meiner Herkunft auseinanderzusetzen.» Kulturaufarbeitung. Gesicht von Institutionen. Vielleicht hängt damit auch zusammen, dass sie diesen Monat ein Manchmal ist sie allerdings auch nur Stimme. Dann, wenn sie für die Nachdiplomstudium begonnen hat: Applied History an der Uni Zürich. «Tagesschau», für «10vor10» und «Einstein» am Schweizer Fernsehen Es geht dabei darum, aus der Geschichte heraus das Jetzt zu verstehen. Off-Texte spricht und für die Schweizerische Bibliothek für Blinde und Das Jetzt der Welt. Und vielleicht auch das der eigenen Person, ein bissSehbehinderte Hörbücher und Gebrauchstexte liest. Interpretation ist chen. ■ SURPRISE 298/13

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Zoo Der Affe als Lehrmeister Früher sammelte ein Zoo Tiere und setzte sie dem Besucher möglichst nahe vor die Nase. Heute sieht man vor lauter Bäumen, Teichen und Felsenlandschaften oft das Tier nicht mehr: Die Natur wird ganz gross inszeniert. Damit der Besucher etwas lernt. VON DIANA FREI (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILDER)

wort darauf zu erfinden.» Tierschutzprofessor Hanno Würbel lacht über den Vergleich mit der Wohnung, weil ein Mensch darin nicht eingeschlossen wird, gibt Pagan aber recht: «Das ist schon richtig. Platz an sich ist für die wenigsten Tiere wirklich relevant. Es geht eher um Ressourcen und Einrichtungsgegenstände.» Genauso wichtig sind Fragen nach der Gruppenstruktur und nach der sogenannten Vergesellschaftung: Kommt ein Tier mit seinen Artgenossen klar? Wie werden sie beschäftigt? Trotzdem stehe die Wahrscheinlichkeit, dass Raubtiere Verhaltensstörungen entwickeln, in Zusammenhang mit der Grösse ihres natürlichen Lebensraums: «Eisbären durchstreifen riesige Habitate. Man kann sie praktisch nicht halten, ohne dass sie Stereotypien entwickeln», sagt Würbel. Viele Zoos haben die Konsequenzen gezogen und verzichten auf Tierarten, die schnell Verhaltensstörungen entwickeln. Karge Käfige

Für viele ist der Zoo eine zwiespältige Sache. Natürlich ist es lustig, wie die Erdmännchen ihre Bäuchlein an der Wärmelampe sonnen und dabei aussehen, als würden sie für die Hobbyfotografen posieren. Oder wie die Pinguine auf ihrem Spaziergang daherstolzieren und Gorillababys ihren Müttern im Fell hängen. Gleichzeitig hat mancher erst im Zoo die Bedeutung des Wortes «herumtigern» richtig begriffen und erahnt, dass das Raubtier dabei nicht mehr ganz richtig tickt. Stereotypien wie Kopfwackeln und Hin- und Herrennen sind keine gesunden Anzeichen und rufen immer mal wieder Tierschützer auf den Plan, die Zoos abschaffen wollen. Der Berner Tierschutzprofessor Hanno Würbel ist kein Zoogegner: «Es geht sicher vielen Tieren relativ gut», meint er, «aber es geht sicher nicht allen Tieren in allen Zoos gut. Grundsätzlich ist es für Tierparks, die einheimische «Eisbären durchstreifen riesige Habitate. Man Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zeikann sie praktisch nicht halten, ohne dass sie gen, einfacher. Bei Zoos, die Exoten in einer künstlichen Umwelt halten, stellt sich die FraStereotypien entwickeln.» ge nach der artgerechten Haltung dringender.» Hanno Würbel, Tierschutzprofessor Die artgerechte Haltung liegt aber auch im Interesse des Zoos: «Wenn Sie dem Publikum verschwinden zunehmend, stattdessen werden scheinbar natürliche Tiere zeigen wollen, müssen Sie anstreben, dass sie das VerhaltensreLebensräume konstruiert: Felsenlandschaften mit viel Grün, Teichen pertoire ausleben können, das sie auch in der Natur aufweisen», sagt und Rückzugsmöglichkeiten. Der Trend geht durchaus dahin, dass die der Basler Zoodirektor Olivier Pagan. Besucher vor lauter Lebensraum das Tier nicht mehr sehen. Das sei oft Der Schweizer Tierschutz STS gibt einen jährlichen Zoobericht hereine «Naturillusion, die man dem Zuschauer verkauft», meint Würbel: aus, der die einheimischen Zoos unter die Lupe nimmt. In der Ausgabe Normalerweise verstecke sich hinter den Kulissen eine hoch techni2012 ist zu lesen: «Auffällig ist, dass in den letzten Jahren in praktisch sierte Anlage, die Tiere müssten zusätzlich beschäftigt werden. Im Ideallen Zoos und Tierparks rege gebaut und erneuert wurde. Dabei kann alfall lässt sich in den landschaftsähnlichen Gehegen das Tierwohl erfreulicherweise eine Tendenz zu grosszügigeren und tiergerechteren zwar mit der Zuschauerzufriedenheit vereinbaren. Aber solche AnlaAnlagen festgestellt werden.» Der Bericht legt den Finger aber auch auf gen werden nicht nur für die Tiere gebaut, sondern auch für das Auge wunde Punkte: Die Basler Elefantenanlage biete «den anspruchsvollen des Betrachters. Tieren nicht die nötige Beschäftigung und die nötigen Bewegungsmöglichkeiten», und die Haltung von Königspinguinen, die man auch in ZüDer Zoo wird zur Lehranstalt rich antrifft, wird grundsätzlich kritisiert. Denn im Sommer leben die Umgekehrt kann auch eine vordergründig hässliche Anlage die nötiTiere in Innenräumen, in künstlich hergestellten Klimaverhältnissen. ge Anregung bieten: je nach Möblierung, je nach Artgenossen eben. Das Trotzdem attestiert der STS dem Zoo Zürich mit seinen rund 340 Tieraber will niemand sehen. Der Trend geht in Richtung Inszenierung, in arten «Vorbildcharakter»: «Der Zoo nimmt seine Aufgabe im Bereich NaRichtung Authentizität statt Gitterstäbe: Im Zoo Zürich wurde in den turschutz und Öffentlichkeitsarbeit sehr ernst und engagiert sich hier im letzten Jahren mit dem Pantanal ein Stück Südamerika nachgebaut und In- und Ausland.» mit der Masoala-Halle der Regenwald auf den Zürichberg gebracht. Die Flyers im Pantanal sind auf Portugiesisch verfasst, die deutsche ÜbersetScheinbar natürliche Lebensräume zung hat gerade mal Fussnotengrösse. Ein brasilianisches Polizeiauto Die Anregungen für die Tiere werden vielerorts ausgebaut. Platz ist macht als Ausstellungsobjekt auf den Kampf gegen die Wilderei aufdabei nicht alles, sagt Olivier Pagan: «Wenn man Leute fragt, was hätmerksam. In Basel, wo vor 60 Jahren noch Elefanten durch die Innentet ihr lieber: eine Wohnung, die so gross ist wie ein Fussballfeld, aber stadtstrassen geführt wurden, lässt sich heute beobachten, wie Heuohne Möbel, oder eine Dreizimmerwohnung, die alles hat, was man schrecken aus ihren Eiern schlüpfen, und man trifft auf Termitenhügel braucht, dann sagen die meisten: ‹Eine Dreizimmerwohnung, in der ich statt Eisbären. Statt grossem Spektakel wird dem Besucher der NahRückzugs- und Gestaltungsmöglichkeiten habe.› Das ist unsere Aufgarungskreislauf vor Augen geführt. be: Die Bedürfnisse des Tieres zu kennen und in der Haltung eine AntSURPRISE 298/13

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«Die Leute kommen, um Tiere zu sehen. Also geben wir ihnen etwas an Wissen mit, ohne dass sie danach gesucht haben», sagt Olivier Pagan, Zoodirektor in Basel.

Wenn Sie heute nach Indien oder Afrika reisen, was bietet Ihnen der ReiFrüher waren Zoos Tiersammlungen, die Wert auf grösstmögliche severanstalter am zweiten Tag an? Eine Tanzperformance der Leute, die Vollständigkeit legten und die Tiere dem Besucher vor die Nase setzten. dort leben.» Früher zeigte man den Zoobesuchern die Welt, indem man Ende des 19. Jahrhunderts begann man zudem, ganze Dörfer zu errichdie Exotik vor Ort holte. In der heutigen globalisierten Welt macht man ten, in denen Nubier, Marokkaner oder Singhalesen für einige Wochen ihnen stattdessen ökologische Zusammenhänge bewusst. Denn erstens wohnten und ihre Kriegs- und Maskentänze oder Schlangenbeschwörungen vorführten. Zur Unterhaltung sicher, aber nach dem damaligen Verständnis auch zu Bil«Mit dem Masoala-Regenwald setze ich bei dungszwecken. Noch heute heissen die vier den Emotionen an. Ich will den Leuten sagen: Pfeiler eines wissenschaftlich geführten Zoos: Erholung, Bildung, Naturschutz, Forschung. Schaut mal, wie schön, wie kulturell reich dieWobei heute neben dem Freizeitvergnügen die ses Land ist.» Roger Graf, Leiter Zooinformation und Edukation Bildung im Vordergrund steht: Der Zoo wird immer mehr zur Lehranstalt, die man ausgerüstet ist es heute einfacher, die Exotik an ihrem Ursprungsort zu erleben. Und mit Flyern und aufgeklärt über die Verheerungen von Crevetten- und zweitens hat die Globalisierung dazu geführt, dass auch wir dafür verPalmölkonsum verlässt. Und im Aquarium führt einem das Tierpflegerantwortlich sind, dass weltweit Lebensräume vernichtet werden. Das team so eindrücklich vor Augen, wie Pangasius gezüchtet wird, dass man gibt dem Bildungsanspruch eine neue Berechtigung und Richtung: Die nicht so schnell wieder auf eine Aktion bei Migros und Coop hereinfallen Themen heissen inzwischen Naturschutz, Ökosystem und Fair Trade. wird. Kurz: Wenn früher ein Schüler nach dem Zoobesuch Biologie stuRoger Graf ist Leiter Zooinformation und Edukation im Zoo Zürich. dieren und Tierarzt werden wollte, werden es heute eher UmweltwissenAls er seine Stelle vor 15 Jahren antrat, war das Ziel, mit seiner Arbeit schaften mit Berufswunsch Ökoaktivist sein. den Natur- und Umweltschutz ins Zentrum zu rücken. Graf ist in der Naturschutzszene grossgeworden, er war der Sekretär von Bruno Manser, Früher Völkerschau, heute Ökosystem bevor dieser verschollen ist. Er hat für Pro Natura gearbeitet und für den Es werden Lebensräume inszeniert, Zusammenhänge aufgezeigt und WWF, Graf ist Naturschutz-Experte: «Mein Auftrag ist, den Leuten zu erganze Ökosysteme rekonstruiert – am anschaulichsten mit dem Zürcher klären, was mit den Tieren in der Natur passiert, was mit den LebensMasoala-Regenwald. Die Tiere werden zum Teil nicht mehr einzeln präräumen passiert und was wir von hier aus bewirken können.» Der disentiert, sondern in einem gemeinsamen Lebensraum gehalten. Und daktische Anspruch der Zoos wurde anlässlich des Umweltgipfels in Rio zwar möglichst authentisch. «Ein Zoo ist das Spiegelbild der Gesell1992 neu belebt. «Die Naturschutzorganisationen stellten die Frage in schaft» sagt Pagan. «Völkerschauen waren in ihrer Zeit völlig normal.

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sumverhalten beeinflussen, das ist Grafs Anliegen. Der Zoo Zürich unterstützt 21 Naturschutzprojekte mit finanziellen Mitteln. «Wir erhalten Subventionen von Stadt und Kanton Zürich», sagt Graf, «die dürfen wir natürlich nicht für Naturschutzprojekte verwenden. Darum ist unsere Strategie, unseren Bildungsauftrag so gut zu erfüllen, dass wir zu Spenden kommen, die wir zu 100 Prozent für Naturschutzprojekte einsetzen können.» Der Naturschutz ist ein wichtiger Pfeiler moderner Zoos. Im Basler Forschungsprojekt «Somali-Wildesel in Eritrea» zum Beispiel geht es nicht nur um den Schutz der stark bedrohten Wildesel vor Ort, sondern auch um die Zootierhaltung als Zeitbrücke: Sollte sich der Lebensraum im krisengeschüttelten Herkunftsgebiet wieder erholen, könnten später allfällige Wiederansiedlungen mit Zootierpopulationen vor Ort angestrebt werden.

Der Trend geht hin zu grosszügigeren Anlagen. Aber auch hin zur Naturillusion.

den Raum: Wie könnten wir den Zoo als Institution besser einsetzen?», sagt Olivier Pagan. Das war der Anstoss für die Zoos, den pädagogischen Auftrag in den letzten 20 Jahren stärker ins Zentrum zu rücken. Harte Fakten im Affenhaus «Es kommt aber keiner ausdrücklich in den Zoo, um gebildet zu werden», meint Pagan. «Die Leute kommen, weil sie Tiere sehen wollen. Also geben wir ihnen – ich sage immer: subkutan, das heisst unter die Haut – etwas an Wissen mit, ohne dass sie danach gesucht hätten.» Der ausgebildete Tierarzt Pagan macht es wohldosiert, leiser, unauffälliger als der Zoo Zürich. Sein Etoscha-Haus veranschaulicht den Nahrungskreislauf in der afrikanischen Savanne. Hier sind die Tiere klein und die Themen unspektakulär, aber grundlegend: Wachsen, Fressen, Zerfallen oder Fressen und Gefressen-Werden. Genauso das Haus Gamgoas: Es gewährt Einblicke in einen Termitenhügel, erzählt von Lebensräumen, thematisiert Naturschutz-Themen. Statt grosser Tiersammlungen zeigt man exemplarisch Tiere, die am Nahrungskreislauf beteiligt sind. Auch im Zürcher Masoala-Regenwald geht es nicht darum, auf einzelne Tierarten zu fokussieren, sondern auf ein ganzes Ökosystem. «Dort war meine Absicht vor allem, den Leuten zu sagen: Schaut mal, wie schön, wie kulturell reich dieses Land ist», sagt Roger Graf. «Hier setze ich bei den Emotionen an.» Der Masoala-Regenwald ist das wichtigste Naturschutzprojekt des Zoos, und es braucht Spenden, damit die Halbinsel in Madagaskar weiterhin so schön bleiben kann. Die harten Fakten legt Graf in der Ausstellung im Affenhaus auf den Tisch: die Produktionsbedingungen von Palmöl, Crevetten, Papier, Tropenholz. «Hier will ich den Leuten zeigen, was wie produziert wird und was die Folgen davon sind.» Ein Zoobesuch soll die Menschen verändern und ihr KonSURPRISE 298/13

Verliebt im Zoo Der Zoobesuch soll aber auch einfach Spass machen, ein Freizeitvergnügen sein, meint Roger Graf vom Zoo Zürich: «Ein Freund von mir sagte mal: Weisst du, als wir Kinder waren, war der Zoo immer der kleinste gemeinsame Nenner am Sonntagmorgen. Die Mutter wollte spazieren gehen, der Vater ein Fussballspiel sehen, und am Schluss hiess es immer: Also gut, dann gehen wir halt in den Zoo. So war niemand richtig frustriert.» Als Graf seine Stelle vor 15 Jahren antrat, waren im Zoo kaum junge Leute anzutreffen, höchstens Schulklassen oder Verliebte, die dank der Naturromantik mit einem Schuss Wildnis hierher gefunden hatten. Seit man in den inszenierten Lebensräumen aber Tiger in der Felsenlandschaft und rote Varis im Dschungel fotografieren kann, sind viele junge Leute anzutreffen. «Auch solche, die nicht verliebt sind», betont Graf. Die World Association of Zoos and Aquariums WAZA zählt weltweit 700 Millionen Zoobesucher pro Jahr. In Deutschland gehen mehr Menschen in den Zoo als in Museen, Theater oder Sportstadien. Die Tierparks gehören zu den populärsten Freizeitbeschäftigungen und ziehen ein gemischtes Publikum an. Nichts eignet sich also besser, um die Leute zu erreichen. Ihnen ins Gewissen zu reden, ihnen etwas beizubringen. Subkutan. «Ich finde, ein Zoo oder ein Tierpark könnte eine sehr gute Einrichtung sein», sagt der Tierschutzprofessor Hanno Würbel. «Aber heute hat ein Zoo nur noch seine Berechtigung, wenn er tiergerechte Haltungsbedingungen gewährleisten kann. Wenn man schon Tiere hält, um sie auszustellen, dann muss man diesen Tieren auch gerecht werden können. Alles andere ist nicht tolerierbar.» Klar ist: Die Zoos werden sich weiterentwickeln; Baustellen zwischen den Tieranlagen gehören unterdessen zum gewohnten Bild. Eben wurde in der Masoala-Halle der Baumkronenweg eingeweiht, und in Basel soll mit dem Ozeanium ein Grossaquarium gebaut werden. Es werden Publikumsmagnete sein, die nicht nur Lehrer und Verliebte anziehen. ■

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Burnout Mehr Freizeit, mehr Stress Der Basler Historiker Patrick Kury hat eine Geschichte von Stress und Burnout geschrieben. Er erklärt, wie der Stress zum Menschen fand und warum wir heute so viel Freizeit haben wie noch nie – und dennoch mehr denn je unter Stress leiden.

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VON FLORIAN BLUMER (INTERVIEW) UND KARIN SCHEIDEGGER (BILDER)

Herr Kury, wie kommt ein Historiker dazu, sich mit Stress zu beschäftigen? Nicht, dass ich mich besonders gestresst gefühlt hätte – es handelte sich also nicht um einen Versuch von Selbsttherapie … Mir ist das Thema Nervosität aufgefallen, als ich an der Uni Zürich mit einem Kollegen eine Veranstaltung zum Thema Lebensreform durchführte, einer Reformbewegung um 1900 gegen die Auswüchse der Industrialisierung und der damit verbundenen Beschleunigung. In den Texten zum Thema wurde deutlich, dass plötzlich viele Menschen unter Nervosität litten. Mir ist aufgefallen, dass die damaligen Debatten ähnlich, jedoch nicht gleich klangen wie die Diskussionen über Stress heute. Zu meiner Verblüffung habe ich dann festgestellt, dass es zur Geschichte des Stresses kaum Literatur gab, also habe ich mich entschlossen, mich daranzusetzen. Stress ist nicht gerade ein klassisches Thema für die Geschichtswissenschaft. Wie waren die Reaktionen auf Ihr Vorhaben? Es gab diejenigen, die fanden, aha, interessant, mal etwas Neues. Viele wollten sich auch gleich als Stressopfer für ein Gespräch zur Verfügung stellen. Auf der anderen Seite gab es zahlreiche Personen, die fanden, Stress habe es ja schon immer gegeben, das sei nichts Neues. Sie stellten infrage, ob der Stress überhaupt eine Geschichte hat.

In Ihrem Buch beschreiben Sie, dass man ab den 1880er-Jahren von einer Nervositätsepidemie gesprochen hat, in den Fünfzigerjahren von der Managerkrankheit, ab den Siebzigerjahren von Stress, ab den Neunzigern schliesslich von Burnout – sind diese Phänomene nicht einfach Modeerscheinungen? Das würde ich so nicht sagen. Es stimmt, dass diese Krankheitskonzepte durch ihr Auftauchen und Verschwinden über einen gewissen Modecharakter verfügen – man kann sie aber dennoch nicht einfach als Modeerscheinungen abtun. Ich würde eher von Konjunkturen sprechen. Aus historischer Perspektive ist interessant, dass jede Epoche im Zusammenhang mit dem Stand der technischen und ökonomischen Entwicklung und der sozialen Situation ihre eigenen Belastungserkrankungen hervorgebracht hat. Das wiederholt sich. Aber dies bedeutet nicht die Wiederkehr des immer Gleichen, sondern es handelt sich um Unbehagen und Krankheitserfahrungen, die sich im Verlauf der Jahre unterschiedlich manifestieren. Es sind Zeichen dafür, dass im sozialen Leben in der jeweiligen Epoche etwas nicht mehr im Lot ist. Immer wieder ist in den letzten Jahren die Aussage «Burnout gibt es nicht» in den Medien aufgetaucht. In der Tat wird Burnout gar nicht als Krankheit anerkannt … Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Burnout bisher nicht als Krankheit definiert, sondern nur als Zustand, der dazu führt, dass man das Gesundheitssystem in Anspruch nimmt. Das ist eine Definitionsfrage. Ich denke nicht, dass man deshalb Burnout nur als blosses Konstrukt betrachten sollte. Zweifellos ist es problematisch, die Burnout-Diagnose zu stellen, weil sie mit einem Fragebogen ermittelt wird, der Patient also an der Diagnose selbst beteiligt ist. Aber das ist bei den meisten psychischen Krankheiten und Beschwerden der Fall. Ein Unterschied zu an-

Und: Hat der Stress eine Geschichte? Ja, selbstverständlich hat der Stress eine Geschichte! Die zentrale Frage ist jedoch: Was verstehen wir genau unter Stress? Als Historiker sehe ich drei verschiedene Ebenen: Erstens Stress als naturwissenschaftlichen Begriff, wie «Die Faktoren, die Stress auslösen, haben in den letzten 30, er in den Dreissigerjahren zum ersten Mal be40 Jahren in unserer Arbeitswelt stark zugenommen.» schrieben wurde: als die hormonelle Reaktion des Körpers auf jede physische und psychische deren Krankheiten, sowohl in der Vergangenheit wie in der Gegenwart, Herausforderung. Zweitens Stress als Belastungsdiskurs: als Sammelbeist aber, dass Burnout eher positiv besetzt ist. Burnout klingt eben besgriff für alles, was unser körperliches und psychisches Wohlbefinden ser als Erschöpfungsdepression. stört. Und drittens ist Stress heute zu einem kulturellen Code geworden: Wenn ich sage, ich bin gestresst, dann kann sich der andere etwas darWas führte zu diesem neuen Krankheitsbild? unter vorstellen, ohne dass ich das näher definieren muss. Die psychische Erschöpfung wurde seit Mitte der Siebzigerjahre in den USA vor allem in den psychosozialen und erzieherischen Berufen Der Stressforscher Hans Selye hat den Stress einmal als «Würze diagnostiziert und ist seit den Neunzigerjahren mit der Deregulierung, des Lebens» bezeichnet. Hat Stress also auch eine positive der Informationstechnologie und neuen Arbeitswelten in vielen anderen Seite? Berufen feststellbar: Sicherheiten verschwanden, man war nicht mehr Ja, Stress ist auch Stimulation und Kitzel. In der Fachsprache wird ein Leben lang Angestellter derselben Firma, sondern arbeitete von Proder positive Eustress vom negativen Distress unterschieden. Der Eujekt zu Projekt. Dazu kam die Beschleunigung und die fehlende Trenstress hat aber innerhalb des Redens über Stress an Bedeutung verloren. nung von Arbeit und Freizeit. Dies hängt natürlich damit zusammen, dass bei jedem Menschen der Stresspegel woanders liegt. Was für den einen noch Kitzel oder stimuIst also der Neoliberalismus schuld an Stress und Burnout? lierende Herausforderung, ist für den anderen bereits eine negative ErNein, das wäre viel zu einfach. Jede Epoche produziert im Zufahrung. Was man hingegen generell sagen kann ist, dass die Faktoren, sammenspiel von politischen, sozialen, technischen und ökonomischen die Stress auslösen, in den letzten 30, 40 Jahren in unserer Arbeitswelt Bedingungen ihre eigene Belastungserkrankung. Man kann das jetzt stark zugenommen haben. SURPRISE 298/13

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nicht einfach auf einen einzelnen Faktor wie die Globalisierung oder die Deregulierung zurückführen – aber es sind sicher Aspekte, die mit eine Rolle spielen. Im Buch beschreiben Sie, wie der technologische Fortschritt mit seiner Beschleunigung schon Ende des 19. Jahrhunderts für die Nervositätsepidemie mitverantwortlich war. Nun hat die Erfindung von Maschinen, die uns namentlich im Haushalt die Arbeit abnehmen, aber auch dazu geführt, dass wir heute so viel Freiheit haben wie noch nie. Wir sollten also weniger gestresst sein als die Menschen früher. Es ist aber genau umgekehrt – warum? Das ist das Paradoxon der Beschleunigung. Wie der Sozialwissenschaftler Hartmut Rosa beschrieben hat, gab es neben der technologischen Beschleunigung auch eine soziale Beschleunigung: Das, was uns die technische Beschleunigung an Zeitgewinn beschert, wird durch die soziale Beschleunigung wieder «aufgefressen»: Am Ende bleibt weniger Zeit für uns übrig. Im Jahr 1976 thematisierte Der Spiegel erstmals das Thema Stress gross in den Medien. Die Autoren kamen zu einem drastischen Schluss: «Die Menschheit wird womöglich an einem Übermass an selbstfabriziertem Stress zugrunde gehen.» Haben sich die Autoren geirrt? Oder werden sie noch recht bekommen? Das Mass an Stressbelastung hat seither deutlich zugenommen. Was aber auch zugenommen hat, sind die Techniken, mit dem Stress umzugehen, den Stress zu managen. Hier ist eine ganze Industrie entstanden, die es vor 40 Jahren so noch nicht gab. Heute gehört es zu einer Kardinalfähigkeit jedes Einzelnen, den eigenen Stress zu managen. Das ist neu. Wird uns das vor dem angedrohten Untergang bewahren? Das ist eine ganz andere Frage. Ich denke, was wir vermehrt bräuchten, wäre eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage: Wieviel Stress vertragen wir? Die unzähligen Therapieangebote im Bereich Stressmanage«Das Fitmachen des Einzelnen gegen Stress führt dazu, dass ment sind alle auf das Individuum ausgerichder Konkurrenzkampf noch härter wird.» tet, die Verantwortung im Umgang mit Stress wird ganz auf den Einzelnen abgeschoben – werden kann. Und ich denke weiter, dass sich die Psychologen wieder wer mit dem Stress nicht zurande kommt, ist selber Schuld. Da sehe ich vermehrt Gedanken über die gesellschaftlichen Folgen ihres Tuns maheute ein grosses Problem. Sicherlich muss jeder Einzelne lernen, mit chen sollten. Das Fitmachen des Einzelnen gegen Stress führt ja gerade Stress umzugehen. Aber wir müssen auch eine gesellschaftliche Disauch dazu, dass der Konkurrenzkampf unter den Menschen verstärkt kussion darüber führen, dass sich die Rahmenbedingungen in den wird, um dies ein bisschen überspitzt zu formulieren. Der Einzelne wird letzten 40 Jahren verändert und die äusseren Stressfaktoren für den so zwar kurzfristig entlastet, längerfristig nimmt der Stress beim IndiviEinzelnen in unseren westlichen Gesellschaften sehr stark zugenomduum aber zu. Wir müssen uns jetzt nicht alle umarmen und in einer men haben. Wohlfühlgemeinschaft aufgehen. Aber wir sollten uns nicht nur vermehrt Gedanken zur Work-Life-Balance des Einzelnen machen, sondern wir Was müsste konkret geschehen? müssen diese Frage auf eine gesellschaftliche Ebene bringen. Die StressIch denke, die Gewerkschaften sollten sich Gedanken dazu machen, forscher der Siebzigerjahre hatten dies noch getan. Dieses Bewusstsein wie sie den flexiblen Arbeitswelten begegnen wollen und was zum ist uns in den letzten 40 Jahren völlig abhandengekommen. Schutz des Arbeitnehmers in der postindustriellen Gesellschaft getan ■

Zur Person Der 50-jährige Historiker Patrick Kury lehrt Geschichte an den Universitäten von Bern und Luzern und beschäftigt sich gerne mit historischen Themen, die einen ausgeprägten Aktualitätsbezug aufweisen. Seine Spezialgebiete sind unter anderem Migrationsgeschichte, jüdische Geschichte und die Wissenschaftsgeschichte von Gesundheit, Medizin und Bevölkerung. Seine nun in Buchform vorliegende «Wissensgeschichte vom Stress zum Burnout» wurde 2010 von der Universität Bern als Habilitationsschrift angenommen. Patrick Kury lebt mit seiner Frau und einem Sohn in Basel. (fer)

Zum Buch Jeder kennt Stress und redet darüber, doch kaum jemand kennt seine Geschichte. Sie wird hier von Patrick Kury erstmals erzählt: von der Erforschung organischer Vorgänge in den Dreissigerjahren über die psychosoziale Stressforschung in den USA und Skandinavien bis zur breiten Popularisierung des Stresskonzepts seit den Siebzigerjahren. Patrick Kury: Der überforderte Mensch – Eine Wissensgeschichte vom Stress zum Burnout, Campus 2012.

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Cosplay Ich spiele, also bin ich Beim japanischen Rollenspiel «Cosplay» verkleiden sich Menschen als Comic-Figuren. «Lelouch vi Britannia» ist Alessandra Marthalers 55. Charakter: Als brutaler Herrscher tritt sie auf die Bühne und findet zu sich selbst.

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Sie verkleiden sich als Anime-Charaktere: Nadja Schiess, Röntgenfachfrau und Alessandra Marthaler, Coiffeurin.

VON ADRIAN SOLLER (TEXT) UND ROLAND SOLDI (BILDER)

rungen, bei denen die Cosplayer ihre Figuren in einem rund dreiminütigen Stück präsentieren. Die einen singen, andere sprechen Film-Szenen nach, wieder andere manche Ausdruckstheater. So wie Marthaler und ihre Freundin Nadja Schiess. Bereiten sich die beiden auf so eine Vorführung vor, dauert das Monate. Immer wieder schauen sie sich Filmszenen an und spielen vor dem Fernseher die Bewegungen ihrer Figuren nach. «Code Geass» hat Marthaler fünfmal komplett gesehen. 100 Stunden verbrachte sie vor dem Fernseher – und noch mehr an der Nähmaschine. Nähen, basteln, Stoffe zuschneiden: 200 Stunden.

Alessandra Marthaler lacht viel, liebt Pasta – und tötet Menschen. Bringt die 20-Jährige Leute um, macht sie dies allerdings nicht in der realen, sondern in einer fiktiven Welt. Denn Marthaler ist keine Mörderin, sie ist Cosplayerin. Menschen, die sich so anziehen, fühlen und bewegen wie eine Comicfigur, heissen Cosplayer. Der Begriff «Cosplay» setzt sich zusammen aus den Wörtern «Costume» und «Play», Verkleidung und Spiel also. Und das ist es letztlich auch, was Cosplay im Kern bedeutet: ein Spiel mit Verkleidung. Die Blicke frieren ein Hobby-Schauspieler eifern ihren fiktiven Vorbildern aus Comics, Steht Marthaler dann aber an einer Convention mit hohen Absätzen Mangas oder Video-Games nach. Sie imitieren Monster, Kämpfer – oder am Bühnenrand, geht alles ganz schnell. Mit einem Schritt betritt sie Herrscher, denen Menschenleben nicht viel bedeuten. So wie Lelouch vi eine andere Welt. Ihr Kinn schnellt in die Höhe, ihre Gesichtszüge verBritannia, den Antihelden der japanischen Fernsehserie «Code Geass», härten sich und ihre Blicke frieren ein. Sie, die sonst mit ihren Blicken den Alessandra Marthaler derzeit nachspielt. Lelouch ist schon ihr 55. Charakter. Vor sechs Jahren hat die Coiffeurin begonnen, sich wie Spielfiguren zu kleiden Nur in dieser fiktiven Welt könne sie aus der Realität ausbreund zu bewegen. Damals interessierte das chen, sagt Nadja Schiess: «Ein Gefühl kompletter Freiheit.» Hobby in der Schweiz noch kaum jemanden. Doch seit drei Jahren erlebt Cosplay hierzulande einen Riesenboom. In der Schweiz beginnen sich immer mehr Juan allem Halt sucht, starrt plötzlich in die Ferne. Marthaler ist nicht gendliche im Alter zwischen 14 und 24 Jahren für den Zeitvertreib zu mehr. Sie hat sich in Lelouch vi Britannia verwandelt. «Auf der Bühne interessieren, der sich in Japan längst durchgesetzt hat. Ein japanischer spiele ich Lelouch nicht – ich bin Lelouch», sagt sie. Der 13-jährige Prinz Comic-Verlag hat Cosplay schon vor 30 Jahren erfunden. In den Neunmit der Blutgruppe Null empfindet keine Sympathie für niemanden. Er zigerjahren kam das zeitintensive Hobby mit dem Manga- und Animebehandelt Menschen wie Schachfiguren. Der Auftritt fühle sich an wie Boom in die USA und nach Europa – und etabliert sich nun auch in der das Entladen von Energie, sagt Marthaler. Als «ein Gefühl kompletter Schweiz. Freiheit» beschreibt es Schiess. Denn, erklärt sie, nur in dieser fiktiven Die Schweizer Cosplay-Szene findet an sogenannten «Conventions» Welt könne sie aus der Realität ausbrechen. Sie denke weder an den Job zusammen. Diese Zusammenkünfte gleichen früheren Variété-Auffühnoch an Familie oder Freunde. Das wirkliche Leben ist weg – wenn auch

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Bewegungen perfekt imitiert: Die japanische Fernsehserie «Code Geass» hat Alessandra Marthaler fünfmal komplett gesehen.

nur für drei Minuten. «Ich bin gerne mal jemand anderes», sagt Schiess. ge Frau kann nun besser Nein sagen. Auch bei ihrer Kollegin sieht MarMarthaler findet es interessant, neue Charakterzüge an sich zu entthaler eine grosse Entwicklung: «Sie hat jetzt viel mehr Selbstvertrauen decken. als früher.» Für die beiden jungen Frauen ist Cosplay auch eine BestätiFlorian Lippuner vom Institut für Publizistikwissenschaft und Megung. «Ich freue mich immer sehr über positive Rückmeldungen nach dienforschung der Universität Zürich bestätigt: «Cosplayer schlüpfen einem Auftritt», sagt Marthaler, die während einer Convention bis zu meist in eine fremde Haut, um sich in anderen Rollen kennenzulernen.» 300-mal fotografiert wird. Doch in ihrem Hobby findet Marthaler nicht Cosplaying kann laut Lippuner ein spielerischer Weg sein, an der eigenen Identität zu arAlessandra Marthaler verkörpert arrogante und dominante beiten. Dabei gingen die Cosplayer, führt der Figuren: «Die Animes, die ich spiele, sind alle das pure Forscher weiter aus, unterschiedlich vor. Die Gegenteil von mir.» einen kontrastierten ihre Persönlichkeit mit möglichst wesensfremden Charaktereigenschaften, andere wählten Figuren aus, die ihnen ähneln. So schauen nur Bestätigung, sondern auch neue Freunde. Marthaler, die gerne Einauch Alessandra Marthaler und Nadja Schiess bei der Auswahl ihrer Fizelgänger spielt, sieht in Cosplay keine Weltflucht – sondern einen guren auf unterschiedliche Kriterien. Schiess spielt Rollen, die ihren «Spass unter Freunden». Und diesen Freundeskreis pflegt Marthaler Charakter verstärken. Die Röntgenfachfrau wählt daher meist Beschütauch virtuell. Denn: Soziale Netzwerke spielen in der Szene eine wichzer- und Helfer-Typen. Marthaler hingegen sucht just nach jenen Chartige Rolle. Sie bilden eine Art digitale Brücke zwischen realer und fiktiakteren, die ihr im wirklichen Leben so gar nicht entsprechen. Arrover Welt. Die Cosplayer nutzen die Plattformen nicht nur für die Prägante und dominante Figuren. «Die Animes, die ich spiele, sind alle das sentation ihrer Spielfiguren, unter Kunstnamen beraten sie sich auch bei pure Gegenteil von mir», sagt sie. der Auswahl neuer Spielcharaktere. Sie sprechen über Nähtipps, Waffen, Rüstungen – oder den Tod. Nicht über den Tod in der realen, sonArbeit am eigenen Ich dern jenen in der fiktiven Welt allerdings. ■ Auf der Suche nach Gegensätzen wählt Marthaler auch Männerrollen. Sie findet männliche Charaktere oft interessanter. Dieser Geschlechtsrollentausch, das sogenannte Cross-Playing, ist in der Szene Die JapAniManga Night in Winterthur gehört zu den wichtigsten Cosplay-Convenweit verbreitet und letztlich nichts anderes als eine kreative Form des tions der Schweiz. Der Verein Rising Sun Productions führt die Veranstaltung am Identitätsspiels, erklärt Medienexperte Lippuner. Sa, 4. und So, 5. Mai zum 13. Mal in Winterthur durch. Neben Cosplay-Auftritten gibt Dank dem Spiel mit der Identität hat sich Marthaler nicht nur besser es Karaoke, Gamezonen und Workshops. kennengelernt – sondern auch weiterentwickelt. Die harmoniebedürftiwww.japanimanga-night.ch SURPRISE 298/13

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Ali Gülbol in seiner alten Wohnung. Seit 1999 hat er hier mit seiner Familie gewohnt, seit 1977 lebte er im Haus.

Wohnungsnot Ali gegen Goliath Am Ende eines langen Streits kamen Hunderte von Polizisten und ein Polizeihelikopter, um Ali Gülbol aus seiner Wohnung zu werfen. Die Räumung ist zum Symbol für die Vertreibung von Mietern aus Berlins Innenstadt geworden. VON BENJAMIN LAUFER (TEXT) UND MAURICIO BUSTAMANTE (BILDER)

«Ich werde hier nicht ausziehen», sagt Ali Gülbol am Abend vor der drohenden Zwangsräumung. Die Gerichtsvollzieherin hat sich angekündigt, bereits zum dritten Mal. Der 41-jährige Malermeister wird bei dem Termin um neun Uhr morgens nicht alleine sein, denn Unterstützer haben angekündigt, der Beamtin mit einer Sitzblockade den Weg zu versperren. Seit 35 Jahren lebt der Familienvater jetzt in diesem Haus in Kreuzberg, seit 14 Jahren in dieser Wohnung. Weil Gülbol seine Mietschulden zu spät bezahlt hat, droht ihm die Räumung. Sein Vermieter hat ihm die Kündigung geschickt. Er bezahlte zwar seine Schulden, aber der Vermieter nutzte seine Chance. Denn der Kündigung ging ein jahre-

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langer Streit vor Gerichten voraus. Eigentlich, sagt Gülbol, habe er nämlich mit dem früheren Vermieter eine Abmachung gehabt: Er renoviert die Wohnung auf eigene Kosten, dafür steigt die Miete nicht. Irgendwann wollte er die 122 Quadratmeter grosse Wohnung dann kaufen. 2006 kommt ihm ein Investor zuvor und kauft das ganze Haus, erhöht die Miete um knapp 100 Euro. Der neue Eigentümer fühlt sich nicht an die Abmachung mit Gülbols altem Vermieter gebunden, obwohl auch mündliche Absprachen als Vertrag zählen. «Der alte Vermieter hätte sein Wort gehalten», sagt Gülbol. «Ich war naiv.» Auch weil er die heruntergekommene Wohnung 1999 für 20 000 Euro renoviert hat, zahlt Gülbol weiter die alte Miete von 470 Euro – bis die Gerichte urteilen, dass die Vereinbarung mit dem einstigen Vermieter nicht mehr gilt. Auf mehr als 5000 SURPRISE 298/13


Euro belaufen sich die Schulden bis dahin. Gülbol sieht sich als Justizopfer: «Ich kann nicht glauben, dass ein Gericht so ungerecht sein kann!» Inzwischen ist Gülbol zum Symbol geworden. Sein Name steht für die von Räumungsgegnern geschätzten 23 Zwangsräumungen pro Tag in Berlin – genaue Zahlen werden nicht erfasst. Seit in der Hauptstadt die Mieten steigen, müssen viele umziehen, weil sie zu wenig Geld für die neuen Preise haben: «Gentrifizierung» heisst der Fachbegriff dafür. «Angefangen hat die Entwicklung mit der Finanzkrise», sagt der Berliner Stadtsoziologe Andrej Holm. Lange waren die Mieten in Berlin relativ niedrig, doch dann wurden Mietshäuser als Spekulationsobjekte entdeckt. «Wenn du ökonomisch rangehst, willst du natürlich unrentable Mieter loswerden», sagt Holm, «unrentabel in Gänsefüsschen.» Lebensstandard senken statt ausziehen Inzwischen gibt es in Bezirken wie Kreuzberg oder Neukölln kaum noch günstige Wohnungen: «Verdrängung ist in Berlin nicht mehr nur auf die klassischen Verlierer beschränkt», sagt Holm. «Auch die Mittelschicht ist betroffen.» Viele müssen in die weit entfernten Grosssiedlungen am Stadtrand ziehen. Das wollen viele Mieter aber nicht. Soziologe Holm hat für Kreuzberg eine besondere Form der Verdrängung ausgemacht: die aus dem Lebensstandard. Weil viele so sehr an ihrem Lebensumfeld hingen, würden sie ihre Ansprüche lieber senken anstatt wegzuziehen. So wie die, die plötzlich einen zweiten Job annehmen, um die Miete bezahlen zu können. Oder so wie Ali Gülbol: Seit Wochen lebt er mit seiner Frau und den drei Kindern in der Wohnung seiner ElDie ersten Polizeifahrzeuge fahren um 6 Uhr morgens vor der Lautern. Zu siebt auf 114 Quadratmetern. «Überbelegung ist in Kreuzberg sitzer Strasse 8 vor, die ersten Blockierer sind schon da. Bevor die Poliwieder ein Thema», sagt Andrej Holm. zei die Strasse absperren kann, sitzen wieder mehr als 100 Menschen Seine eigene Wohnung hat Gülbol leer geräumt, um nicht teuer davor der Tür zu dem Hinterhof, über den es in Ali Gülbols Wohnung geht. für bezahlen zu müssen, sollte es die Gerichtsvollzieherin doch bis ins Alte, Junge, Aktivisten, Nachbarn. Hunderte sammeln sich hinter den Treppenhaus schaffen. Einmal stand sie schon vor der Lausitzer Strasse 8 in Kreuzberg, im Oktober 2012. «Das war ein komisches Gefühl, als ob du auf den ScharfVerdrängung ist in Berlin nicht mehr nur auf die klassischen richter wartest», erinnert er sich. Mehr als 100 Verlierer beschränkt. Auch die Mittelschicht ist betroffen. Nachbarn und Mietrechtsaktivisten zwangen sie damals mit einer spontanen Sitzblockade, Absperrgittern. «Für eine Stadt für alle Menschen«, rufen sie. An den den Räumungsversuch abzubrechen. «Ich konnte es kaum glauben», Nachbarhäusern hängen Transparente, aus einem Fenster klingt «Ihr sagt Gülbol. «Da habe ich gemerkt, dass ich nicht alleine bin.» Ein zweikriegt uns hier nicht raus! Das ist unser Haus» – die Hausbesetzer-Hymter Räumungstermin im Dezember wurde abgesagt, laut Gericht wegen ne der Berliner Politrock-Band Ton Steine Scherben. eines Formfehlers. Von seinem Balkon im vierten Stock lässt Norbert Hirschauer an eiWer von einer Zwangsräumung bedroht ist, findet auch bei Beraner Schnur Süssigkeiten für die Blockierer herab. «Wir finden es toll, wie tungsstellen Hilfe. Eine gibt es direkt in dem Haus, in dem Ali mit seiner die Leute das machen«, sagt der 51-jährige Professor. Seit 23 Jahren Familie wohnt. Petra Wojciechowski berät im Stadtteilzentrum Kreuzwohnt er in Kreuzberg, die Entwicklung der Mieten hier findet er fatal: berg seit der Jahrtausendwende Menschen, die Probleme mit Schulden «Es können doch nicht alle Leute an den Stadtrand gedrängt werden!» haben. Wer von einer Räumung bedroht ist, traut sich aber oft gar nicht Eine alte Frau mit Kopftuch ist mit ihrem Rollstuhl zum Protestieren gein die Beratung. «Viele empfinden es als persönliches Versagen, ihre kommen. «Ich habe selber meine Wohnung verloren wegen Profit», sagt Wohnung zu verlieren», sagt Wojciechowski. Gerade ändert sich das sie in eine Kamera. Stundenlang geht das so, bis ein junger Mann durch aber: Seit Ali Gülbols Fall öffentlich wurde, haben sich im Zentrum rund ein Megafon verkündet: «Die Wohnung wurde geräumt!» Doch das ging 20 Kreuzberger gemeldet, die auch Angst vor einer Räumung haben. So nicht ohne Tricks. Die Gerichtsvollzieherin wurde mit einer Polizeiunikonnte die Beraterin auch schon drohende Räumungen abwenden. form verkleidet durch einen anderen Hinterhof an den Demonstranten vorbeigeschleust. Gerichtsvollzieherin in Verkleidung Gleich nach der Räumung kommt Ali Gülbol auf die Strasse. Den Manchmal kämen die Betroffenen allerdings erst einen Tag vorher in Morgen hat er bei seinen Eltern verbracht, den Wohnungsschlüssel im das Stadtteilzentrum, also wenn es meist schon zu spät für Hilfe ist. Treppenhaus übergeben. Die Polizisten hätten gerade die Tür zur WohDann wird es existenziell, sagt Wojciechowski: «Plötzlich gerät man in nung aufbrechen wollen. Zu der Wohnung, die jetzt nicht mehr seine die Gefahr, obdachlos zu werden.» Bis zuletzt würden viele Schuldner ist. Trotzdem denkt er gerade nicht an seine Wohnungslosigkeit, sondaran glauben, ihre Wohnung behalten zu können, und sich deswegen dern an andere Menschen in Not: «Wir müssen jetzt dafür kämpfen», keine neue Bleibe suchen. Eine neue Anlaufstelle für Räumungsbedrohsagt er, «dass niemand mehr aus seiner Wohnung geschmissen wird.» te ist das Bündnis «Zwangsräumungen verhindern!»: «Unser Ziel ist es, Die Solidarität vor seiner Haustür beeindruckt ihn: «Dass so viele Menzu verhindern, dass die Leute auf der Strasse landen», sagt Sprecher Floschen hier sind, gibt mir Kraft.» rian Groll. Leute wie Gülbol kommen auf das Bündnis zu und werden ■ unterstützt. Mieterverdrängung soll sichtbar gemacht werden – zum Beispiel mit Sitzblockaden. www.street-papers.org / Hinz und Kunzt, Hamburg SURPRISE 298/13

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BILD: ZVG

Fremd für Deutschsprachige Mitbestimmt Obwohl ich mir vorgenommen hatte, mindestens ein Jahr lang nicht mehr zu fliegen, sass ich am Samstag, dem 23. März in einer der drei Chartermaschinen von Basel nach Ohrid, voll von Migranten und Migrantinnen aus der Region Kërçova. Tags darauf, praktisch in derselben Besetzung, flogen wir wieder zurück. Weitere vier Flieger brachten ihre je rund 230 Kërçovaren ab Zürich nach Ohrid oder Skopje. Auch gingen zahlreiche kërçovarisch besetzte Flüge ab Deutschland und Italien, und nicht wenige reisten gar aus den USA an. Einzig für dieses Wochenende, den Sonntag der Kommunalwahlen in Mazedonien. In der Kommune Kërçova, wo Mazedonier und Albaner die beiden grössten Bevölkerungsgruppen bilden, traten zwei Kandidaten zur Wahl für das Amt des Regierungsvorsitzenden an: Blagoja Despotoski und Fatmir De-

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hari. Beides Kandidaten eher gemässigt-linker, im Übrigen aber nicht weniger korrumpierter Parteien. Wie, trotz Wahlbegeisterung, nicht nur hinter vorgehaltenen Händen laut wurde. Ausschlaggebend war bei dieser Wahl allerdings nur ein Faktor: Despotoski ist Mazedonier, Dehari Albaner. Und entlang der ethnischen Demarkationslinie würden die Wahlen verlaufen. Doch dies war das erste Mal in der Geschichte der kleinen multiethnischen Region, dass ein albanischer Kandidat eine reale Chance auf den Sitz an der Spitze der Kommunalregierung hatte. Die Albaner, nun nicht nur selbstbewusster als zuvor, sondern auch besser gebildet und organisiert, haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um diese Chance zu nutzen. Dabei war der vielleicht wichtigste Hebel bei der grossen Diaspora in den westlichen Ländern anzusetzen, bei uns «Ausländern», wie wir nicht nur hier in der Schweiz heissen. Mit dem Unterschied, dass diejenigen, die wie ich keinen Schweizer Pass haben, in Mazedonien stimmberechtigte Ausländer sind. Und doch selbstverständlich dazugehören, auch wenn wir beim Smalltalk nach dem dritten Wort ins Schweizerdeutsche verfallen. Dieses selbstverständliche Dazugehören ist in der Schweiz unter Freunden, weniger aber beim Warten auf den Bus oder der Lehrstellensuche zu spüren. Wo schon mal schwarze Schafe von den Plakaten der Bushaltestellen blöken oder eine Rexhije Mustafa über 80 Mal nicht ans Vor-

stellungsgespräch für die Lehrstelle als zahnmedizinische Praxisassistentin geladen wird. Nun waren wir Migrationsmarginalisierten also unterwegs, den ethnisch marginalisierten Verwandten im Herkunftsland unsere Solidarität zu zeigen und uns einzubringen in die Geschichte eines Anerkennungskampfes. Nicht nur als Wähler waren wir vertreten, sondern auch als indirekte und direkte Sponsoren. Nebst den Besitzern von Festsälen, in denen die «Ausländer» im Sommer rauschende Hochzeitsfeiern ausrichten lassen, soll etwa ein Steakhauskettenmillionär aus den USA ordentlich hingeblättert haben, um unsere Stimmen, in der Schweiz noch weitgehend ungehört, fliegerweise nach Kërçova in die Wahllokale zu verfrachten. Zum halben Preis oder kostenlos. Nur kommen mussten wir, einsteigen. In den bereitstehenden Flieger, den wartenden Car. Und nun stiegen wir aus, wie ein Fussballteam, empfangen von Fans und Politikern. Händeschütteln, Willkommensgrüsse, Dankesworte. Ich bin mir weder sicher, was jetzt kommt, noch, was genau mich letztlich dazu bewogen hat, Teil des Hebels zu sein. Aber sagen kann ich, dass es ein gutes Gefühl war, das erste Mal zu wählen. Und zu gewinnen. SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH) SURPRISE 298/13


Theater Poltergeist darf spielen 2011 BY PAULA REISSIG

Computerspiele sind Teil unseres Alltags geworden. In Basel und Bern tragen zwei Theaterprojekte diesem Umstand auf verspielte, aber auch nachdenkliche Art Rechnung.

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Sie haben 40 Minuten, um die Welt zu retten. Wie das geht? Das Theaterkollektiv machina Ex macht es mit dem atemlosen Bühnenstück «15.000 Gray» möglich, nicht nur Zuschauer, sondern Mitspieler zu sein. Gemeinsam mit den Protagonisten muss Professor Hans Hövel, der am Morgen nach einer bahnbrechenden Entdeckung mit einer Bombe um den Bauch aufwacht, aus dieser explosiven Lage befreit werden. Womit nicht nur er, sondern auch die ganze Welt vor dem Untergang bewahrt werden kann. Ganz in der Tradition von so legendären Point’n’ClickSpielen wie «Manic Mansion» oder «Monkey Island» geht es um das Lösen von Rätseln, womit der Spieler den Verlauf der Geschichte beeinflusst. «Theater und Computergames haben gemeinsam, dass beide unmittelbare Live-Erlebnisse produzieren», sagt Philip Steimel vom Theaterkollektiv machina Ex. «Der Reiz bei unserem Stück liegt darin, IN der Szene zu sein und reale Dinge benutzen zu dürfen.» Obwohl die Zuschauer von den Darstellern ignoriert werden, läuft nichts ohne das kollektive Miträtseln des Publikums. So kann man zum Beispiel Stühle verrücken oder ein Telefon benutzen. «Wie Poltergeister sind die Zuschauer in einem Zwischendasein gefangen, da sie nur auf die Gegenstände Einfluss haben, nicht aber direkten Zugriff auf die Figuren», erzählt Steimel. «15.000 Gray» kann pro Vorstellung von zehn Personen gespielt werden, woraus sich Gruppendynamiken oder Diskussionen über die Rätsel ergeben, ohne dass man unangenehm direkt angesprochen wird. Das Stück liesse sich auch in einem klassischen Theaterraum spielen. «Da aber das Publikum im gleichen Raum mit den Performern steht, eignen sich Orte wie hier das Haus für elektronische Künste in Basel viel besser für unsere Vorstellungen.» Wie Professor Hövel gerettet werden kann, sei nicht verraten, «nur soviel: die Bombe kann hochgehen, wenn die Zeit abläuft», verspricht Philip Steimel. Bei einem anderen Theaterprojekt mit Namen «Der Polder» werden zwar keine Professoren, dafür aber räumliche Grenzen gesprengt. Und das gleich im grossen Stil: Die Künstlergruppe 400asa erklärt Mitte Juni die ganze Stadt Bern zur Game-Zone, indem sie im Rahmen des Festivals «Wem gehört die Stadt?» ein Urban Game lanciert. Die User laden sich eine App auf ihr Smartphone und werden auf unterschiedlichen Pfaden durch den Stadtdschungel geleitet. An einigen Orten erwarten sie performative Installationen. Obwohl die Handlung Raum lässt für Verspieltheit und Humor, ist der Hintergrund ernst und brandaktuell: Im Verlauf dieses gross angelegten Spiels müssen die User ein geplantes Massaker verhindern. Im Mittelpunkt steht die Figur des jungen, hochintelligenten Fritz, der davon überzeugt ist, dass ein Computergame in die Gehirne der Menschen eindringt. Er wird paranoid und driftet ab in eine Welt voller kruder Verschwörungstheorien. Als Spieler taucht man in sein Unterbewusstsein ein und hat die Möglichkeit, die Tat entweder zu verhindern oder zum Mittäter zu werden. Diese Gratwanderung zwischen Realität und Fiktion in einem echten Umfeld zu erleben, macht «Der Polder» faszinierend und beängstigend zugleich. Der Begriff Polder steht für einen Sehnsuchtsort, der sich anachronistisch gegen äussere Einflüsse schützt, wie zum Beispiel das Auenland in «Herr der Ringe». «Es geht um die Sehnsucht, zurück zur Natur zu fin-

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VON MONIKA BETTSCHEN

Das Theaterkollektiv machina Ex versetzt Hans Hövel in eine ungemütliche Lage.

den, und die Leitfrage während des Spiels lautet: How can we get real again?», erklärt Lena Trummer von der Gruppe 400asa. «Der Polder steht hier für eine Parallelwelt, die sowohl Lernerfahrung als auch spannungsabbauendes Ventil ist. An der Schnittstelle zwischen Gamekultur und Theater wird schon lange geforscht, und ein zunehmender Einfluss ist unübersehbar. Wir thematisieren in diesem Spannungsfeld unter anderem Weltenflucht und Eskapismus. Als Inspiration dienen uns aber eher Serien wie ‹Games of Thrones› oder Filme wie ‹The Game› von David Fincher», so Trummer. Am Festival in Bern werden unter anderem auch die Rapperin Steffe La Cheffe und die Berliner Gamespezialisten Invisible Playground mit dabei sein. ■ «15.000 Gray» von machina Ex, Do, 25. bis So, 28. April, Haus der elektronischen Künste, Oslostrasse 10, Basel / Münchenstein. www.haus-ek.org

Urban Game «Der Polder» von 400asa, Festival «Wem gehört die Stadt?», Do, 13. bis So, 16. Juni, Bern Für einen Filmdreh Anfang Mai und für die Veranstaltungstage in Bern werden Statisten gesucht. Interessierte melden sich unter stadttheater.tv@gmail.com. www.stadttheater.tv

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Kultur

Hochstapeln auf der Insel.

Auch ein Uslender macht mal Ferien: Ensy, Baba und EffE.

Buch Irrungen und Wirrungen

Musik Mit Charme und Çifteli

In «Willkommen auf Skios» entlarvt ein charmanter Hochstapler die Scheinwelt der Reichen und Schönen.

Baba Uslender wurde mit seinem «Baustellsong» zum ersten Schweizer Youtube-Star. Dann mauserte er sich mit dem Album «Schwarzi Schoof» zur Vorzeigestimme in der Integrationsdebatte.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON IVANA LEISEDER

Michael Frayn, britischer Roman- und Bühnenautor Jahrgang 1933, gilt als zugleich komischer und philosophischer Schriftsteller. Er hat Stücke geschrieben wie «Kopenhagen» über die Rolle Heisenbergs im Nuklearprogramm des Dritten Reichs oder «Demokratie» über die Willy-BrandtGuillaume-Affäre, aber etwa mit «Der nackte Wahnsinn» auch eine schräge Komödie über Sein und Schein des Theaters. Seine Lust an der Farce lebt er nun erneut in seinem Roman «Willkommen auf Skios» aus. Ein charmanter Hochstapler mit gewinnendem Lächeln unter dem wirren Haarschopf ist Oliver Fox, der Held des Romans. Eigentlich will er auf Skios, dieser griechischen Bilderbuchinsel, einer willigen Geliebten beim Seitensprung assistieren. Doch dann ist da diese kühle Blonde mit dem Schild, auf das er blindlings zugeht und zu allem Ja und Amen sagt. Und plötzlich ist er der berühmte Wissenschaftler Dr. Norman Wilfred, der beim Galadinner der Fred-Toppler-Stiftung vor Superreichen aus aller Welt den alljährlichen Gastvortrag halten soll – zur Pflege des abendländischen Geisteserbes und über Szientometrie, wovon er keinen blassen Schimmer hat. Doch weil alle glauben wollen, dass er ist, wer er zu sein vorgibt, und selbst Skeptiker dem Gruppenzwang erliegen, wird er herumgereicht wie ein Wundertier, in dieser schillernden Seifenblase, die jederzeit zu platzen droht. Derweil irrt der echte Dr. Norman Wilfred, nebst etlichen fehlgegangenen Koffern, über die heisse Insel, von wachsenden Zweifeln an seiner eigenen Identität geplagt, wozu eine leichtbekleidete Dame und die Taxi-Brüder Spiros und Stavros munter beitragen. Michael Frayn hat ein aberwitziges Spiel der Irrungen und Wirrungen mit einer schrillen Besetzungsliste geschrieben. Da tummeln sich ein russischer Oligarch, ein griechischer Bischof sowie jede Menge Reiche, Durchgeknallte und Schöne, von denen so manche sich auf dem Weg zur unausweichlichen Katastrophe als zwielichtig bis kriminell entpuppen. Das alles macht den Roman, bis hin zum filmreifen Showdown, in dem das Kartenhaus der gegenseitigen Täuschungen zusammenbricht, zur vergnüglichen Ferienlektüre – nicht nur in Griechenland.

Uslender Production sticht aus der Masse an Nachwuchs-Gangstas heraus. Baba Uslender, EffE und Ensy, die Aushängeschilder des Kollektivs von Rappern, Sängern und Produzenten mit Migrationshintergrund, bereichern den Schweizer Underground-Rap seit Jahren mit Charme und Çifteli, dem albanischen Nationalinstrument. Der Star von Uslender Production ist Baba Uslender. Mit seinem «Baustellsong» wurde er zum ersten Schweizer YouTube-Phänomen. Inzwischen hat er auf dem Jugendsender Joiz seine eigene Show, in der er Gassenhauer vom Balkan präsentiert – natürlich stilecht im LacosteTrainer und mit albanischem Goldadler um den Hals. Den Job als Lagerist in der Migros hat Baba Uslender längst aufgegeben: «Ich verzichte darauf, täglich von 6 Uhr bis 19 Uhr für 3000 Stutz arbeiten zu gehen – da ist man ja am Arsch am Abend! Nein, du, dann lieber richtig! Musik ist das, was ich machen will.» Der Mut zahlt sich aus: So stieg das 2012 erschienene Debütalbum von Uslender Production auf Platz 17 der Schweizer Charts ein. War «Schwarzi Schoof» – nomen est omen – ein politisches Statement, begibt man sich auf dem Zweitling «Zrug in Summer» in leichtere Gefilde. «Wir haben uns musikalisch von allem Möglichen inspirieren lassen – von Country, Rock bis hin zu 80ies-Sound. Das gibt gute Laune!», erklärt Baba Uslender, selber ein grosser Fan von Mani Matter. Geschichten von Albanern und Eidgenossen, die Uslender Production zu Ruhm verholfen haben, werden auf dem neuen Album grosso modo ausgeklammert. «Wir wollen zeigen, dass wir auch etwas anderes können. ‹Zrugg in Summer› soll ein Ferienalbum sein, eines, zu dem man chillen kann», meint Baba Uslender lachend. Tatsächlich geht das Album runter wie eine feine Spinat-Pite vom albanischen Grossmami – die Beats sind knackig, die Melodien süffig und die Lyrics würzig, immer mit einem Schuss Selbstironie versehen: «Ech wott ned agäh, doch scheisse, ech mues, sit em Januar chläbt de Fame a mim Fuess.» Möge der Fame noch lange kleben bleiben.

Michael Frayn: Willkommen auf Skios. Hanser 2012. 25.90 CHF.

Baba Uslender: «Zrug in Summer» erscheint am 26. April 2013 im Eigenvertrieb. www.uslenderproduction.ch

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BILD: ISTOCKPHOTO

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Mehr als Kompott: Rhabarber passt auch zu Fleisch und Tiramisù. 01

Coop Genossenschaft, Basel

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Cilag AG, Schaffhausen

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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Ottenbach

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Novartis International AG, Basel

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Solvias AG, Basel

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Ernst Schweizer AG, Metallbau, Hedingen

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confidas Treuhand AG, Zürich

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ratatat – freies Kreativteam, Zürich

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G.A.T.E.S., Hôteliers & Restaurateurs SA, Basel

VON TOM WIEDERKEHR

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Claude Schluep & Patrick Degen, Rechts-

Der Rhabarber gelangte schon vor Christi Geburt in unsere Gefilde, doch heute fristet er ein bestenfalls klägliches Dasein als Begleiter von Erdbeeren oder als ein seiner fruchtigen Säure beraubtes Kompott. Die Ersten, die den Rhabarber zu schätzen wussten, waren offenbar die Chinesen. Die alten Römer brachten ihn über die Mongolei und Russland nach Europa. Das erklärt auch seinen Namen: Die Römer nannten die Wurzel nach den Barbaren, von denen sie ihn bekommen hatten, «rheum barbarum». Um den Rhabarber ranken sich seither allerhand medizinische Mythen, die ihm Eigenschaften von giftig bis heilbringend nachsagen. Fakt ist, dass im Rhabarber Oxalsäure vorkommt, welche im Körper zu einem verstärkten Abbau von Calcium führt. Akuter Calciummangel ist in der Tat bedrohlich, doch enthält dieses Gemüse weniger Oxalsäure als zum Beispiel Spinat, Mangold oder sein Bruder, der Sauerampfer. Allgemein wirkt der Rhabarber appetitanregend und verdauungsfördernd und ist somit nicht nur erfrischend, sondern auch gesund. Den säuerlichen Geschmack verdankt er seinen Zitronen- und Apfelsäuren. Das macht ihn zu einer idealen Grundlage für viele Desserts, die mit etwas Säure besser zur Geltung kommen: Für sechs Portionen ein Kilo Rhabarber rüsten und die Stängel in circa sechs Zentimeter lange Stücke schneiden. Abrieb und Saft von zwei Blutorangen mit einem daumengrossen Stück fein geraffeltem Ingwer ergänzen und zusammen mit maximal vier Esslöffeln Zucker über den Rhabarber giessen. Alles in einer ofenfesten Form bei 200 Grad im Ofen 15 Minuten garen lassen. So behält der Rhabarber seine Form und zerfällt nicht komplett. Zusammen mit einer selbstgemachten Vanillesauce serviert, wird dieses leicht scharf-säuerliche Kompott zu einem klassischen, aber überraschenden Dessert. Als fruchtige Schicht gibt es einem Tiramisù oder einer Crema catalana eine erfrischende Note. Rhabarber schmeckt auch als aussergewöhnlicher Begleiter zu Fleischgerichten. Als Eintopf zusammen mit Honig und Safran im Ofen gegart passt er zum Beispiel hervorragend zum hellen Fleisch von Huhn oder Schwein.

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homegate AG, Adliswil

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Sprenger & Partner Bauingenieure SIA USIC,

Piattoforte Barbarische Wurzel Rhabarber gehört zu den Stiefkindern der hiesigen Küche. Dabei machen die roten Stangen nicht nur als Nebendarsteller eine gute Falle, sondern auch als Protagonisten.

anwälte, Bern

Arlesheim 13

Oechslin Architektur GmbH, Zollikerberg

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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

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IBP – Institut für Integrative Körperpsychotherapie, Winterthur

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Knackeboul Entertainment

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

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Girod Gründisch & Partner, Visuelle Kommu-

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Paul & Peter Fritz AG, Literary Agency, Zürich

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TYDAC AG, Web-Mapping-Software, Bern

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Balcart AG, Carton, Ideen, Lösungen, Therwil

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Lions Club Zürich-Seefeld

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Klimaneutrale Druckerei Hürzeler AG,

nikation, Baden

Regensdorf 25

Scherrer & Partner GmbH, Basel

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

Bezugsquellen und Rezepte: http://piattoforte.ch/surprise

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BILD: DONATA ETTLIN BILD: ZVG

Ausgehtipps

Enfants terribles: Immer schön kindisch bleiben.

Redaktoren-Trio der Titanic-Taskforce Titanic: MarkStefan Tietze, Leo Fischer und Michael Ziegelwagner.

Zürich / Basel Die verlorene Kindheit

Gesund für Kinder: Im Literaturhaus gibt’s Geschichten rund um unser Nationalgetränk.

Basel Milchgeschichten Heidi ergriff ihr Schüsselchen und trank und trank ohne Pause, denn der ganze Durst der langen Reise meldete sich jetzt. Jetzt atmete Heidi tief – denn vor lauter Trinken hatte sie ja nicht atmen können – und stellte ihr Schüsselchen hin. «Schmeckt dir die Milch?», fragte der Grossvater. «Ich habe noch nie so gute Milch getrunken», antwortete Heidi. Am Kindernachmittag im Literaturhaus Basel erzählt Urs Schaub vom Erziehungsdepartement BaselStadt Geschichten von Kühen, vom Melken, von Heidi und anderen grossen Milchtrinkern. Der Kindernachmittag gehört zum Projekt Leseförderung, mit dem das Erziehungsdepartement das Vorlesen und Lesen in die Familie zurückbringen will. Die Veranstaltung und das Zvieri sind kostenlos, eine Anmeldung ist erforderlich. Am 26. Mai heisst es dann übrigens: «Erdbeeren». (mek)

Vom grossen Kinder- und Erwachsenenautor Erich Kästner ist das Zitat überliefert: «Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist Mensch.» Im Theaterstück des jungen Regisseurs Marcel Schwald, derzeit Hausautor am Stadttheater Bern, begeben sich vier Freunde auf Spurensuche in ihrer Kindheit, damals, als das Leben noch ein Abenteuer war. Was ist davon übrig geblieben? Wie kam’s, dass wir zu dem wurden, was wir heute sind? Gehen Sie ins Theater, lassen Sie sich inspirieren, machen Sie einen Sprung zurück in die eigene Kindheit! Frei nach Kästner besteht gar die Chance, dass Sie dadurch ein besserer Mensch werden. (fer)

Basel Nichts für schwache Nerven

Rote Fabrik Zürich; Fr bis Di, 10. bis 14. Mai,

Ihre Mission ist der Frieden, ihr Vorgehen immer unverhältnismässig: Leo Fischer, MarkStefan Tietze und Michael Ziegelwagner sind die schnelle Eingreiftruppe des deutschen Satiremagazins Titanic. Im Hirscheneck findet die erste Lesung des Redaktoren-Trios in der Schweiz statt: Mit tödlicher Präzision massakrieren sie Pointen, verhunzen Witze und verbreiten gnadenlos schlechte Laune. Zu den aktuellen Brennpunktthemen Papst, Politik und Pomassage lesen sie verstörende Texte und zeigen traurige Bilder. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schreibt: «Hochkomische Satire – gute Nerven und einen Sinn für politisch unkorrekten bis geschmacklosen Humor einmal vorausgesetzt.» Seien Sie also gewarnt. (mek)

jeweils 20 Uhr, am So, 12. Mai, 19 Uhr, Kaserne Basel.

Titanic-Taskforce, Mo, 22. April, geöffnet ab 18 Uhr,

«Enfants Terribles», Di, 23. April (Premiere), Do bis Sa, 25. bis 27. April, jeweils 20 Uhr,

Lesung ab 20 Uhr, Hirscheneck Basel. www.hirscheneck.ch

Anzeigen:

Kindernachmittag Milch: So, 21. April, 15.30 bis 17 Uhr Türöffnung 15.15 Uhr, Literaturhaus Basel. Für Kinder ab fünf Jahren und Familien. Anmeldung erforderlich unter www.ed-bs.ch www.literaturhaus-basel.ch

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BILD: WILDNISPARK ZÜRICH

2010 VINZENZ WYSER

© BILD:

Der Natur abgeschaut: Flugkonstruktion.

Zürich Beflügelnde Natur

Steinreich und todunglücklich: Satu Blanc als Lydia Welti-Escher.

Basel Tod im goldenen Käfig Eine reiche Tochter aus gutem Hause, aus dem Hause Alfred Eschers, um genau zu sein, bringt sich um, weil sie im goldenen Käfig, in den sie die Ehe mit dem Bundesratssohn Friedrich Emil Welti eingeschlossen hat, vereinsamt und auch das kurze Aufflackern der Liebe zu einem Künstler, der ihre Sehnsucht «nach edlen und grossen Dingen» zu stillen vermochte, jäh erstickt wird – indem sie als Folge einer Intrige in die Irrenanstalt und er ins Gefängnis gesteckt wird. Welch ein Drama! Dachte sich auch die Historikerin und Schauspielerin Satu Blanc und bringt nun die letzten Stunden dieser «Grande Dame der Belle Epoque» als «bürgerliches Theater» auf die Bühne des Kellertheaters im Lohnhof. Grosses Kino, basierend auf einer wahren Geschichte. (fer)

Die Natur hat’s erfunden. Das Flugzeug, den Salzstreuer, den Klettverschluss. Im Prinzip, natürlich. Alle drei technischen Erfindungen entstanden in Nachahmung der Natur. «abgeschaut und nachgebaut» heisst die aktuelle Ausstellung im Besucherzentrum im Sihlwald, die einen spielerischen Einstieg ins Thema Bionik bietet. Mit den Bionicles von Lego hat das aber nichts zu tun. Sondern eben damit, wie man vom Vogelflug auf das Flugzeug kommt, wir kennen das von Leonardo da Vinci. Und der Klettverschluss übrigens, der ist wirklich von den Kletten inspiriert. Die Bionik geht davon aus, dass die Natur mehr Erfahrung hat als der Mensch, weil sie schliesslich ein paar Millionen Jahre länger an ihren «Produkten» forschen konnte als der Mensch. Im Sihlwald lässt sich die Theorie auch gleich in die Praxis umsetzen und in Experimenten testen. Und das alles in idyllischer Umgebung: Der Sihlwald ist ein Buchenwald, wie er ursprünglich auf rund 80 Prozent der Fläche Mitteleuropas vorkam. Er verkörpert somit das Beispiel eines mitteleuropäischen Urwaldes, wie er vor der Einflussnahme des Menschen bestand – vom Bund als nationaler Erlebnispark anerkannt. (dif) «abgeschaut & nachgebaut. Natur beflügelt Technik», noch bis am 3. November, Di bis Sa 12 bis 17.30 Uhr, So und allg. Feiertage von 9 bis17.30 Uhr. www.wildnispark.ch

«Die letzten Stunden der Lydia Welti-Escher. Ein bürgerliches Trauerspiel», So, 28. April, 11 Uhr, Di, 30. April und Mi, 1. Mai jeweils 19.30 Uhr, Kellertheater im Lohnhof, Basel. www.satublanc.ch

Anzeige:

— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 — SURPRISE 298/13

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Verkäuferporträt «Wenn du aufgibst, hast du verloren» Werner Hellinger (60) verkauft Surprise in Basel. Obwohl seine Tochter im Ausland lebt, versucht er, ihr ein guter Vater zu sein. Und hofft, dass sie irgendwann wieder in die Schweiz zieht.

«Nachdem ich am Morgen aufgestanden bin, geduscht und gegessen habe, lese ich meistens. Ratgeberbücher oder Romane, zum Beispiel von Jules Verne. Ich habe eine Tochter, sie ist heute 13 Jahre alt. Nach der Scheidung von meiner Frau habe ich zu meinem grössten Bedauern kein Sorgerecht beantragt. Einige Jahre später ist meine Ex-Frau samt Tochter und neuem Mann ausgewandert. Ich habe mein Kind seither nur einmal gesehen, weil mir die Reise zu ihr von jemandem offeriert wurde. Ich telefoniere und chatte noch oft mit ihr, aber das ist halt nicht dasselbe. Seither empfehle ich jedem, unbedingt Sorgerecht zu beantragen. Mit Surprise habe ich angefangen, weil ich wieder eine Struktur haben wollte. Viele andere Dinge sind gescheitert, erst war ich psychisch nicht mehr in der Lage zu arbeiten, dann physisch. Ich habe vieles versucht, zum Beispiel habe ich bei der Sozialfirma Dock gearbeitet. Doch mir hat es nicht geholfen, ich war zu geschädigt von den Arbeitsstellen vorher, vom Mobbing und von der Anstrengung. Ausserdem habe ich schon sehr lange einen chronischen Tinnitus und deshalb Mühe, an lauten Orten zu arbeiten. Ich habe mein Leben lang für alle anderen geschaut und ihnen geholfen, für mich blieb dabei nichts übrig. Ich bekomme bis heute keine IV, weil meine Probleme nicht ‹gravierend› genug sind. Eine Zeit lang lebte ich am Existenzminimum, zu viel zum Sterben, zu wenig zum Leben. Heute beziehe ich Sozialhilfe. Damit ich nicht zu viel Geld fürs Essen ausgeben muss, hole ich einmal in der Woche einen Sack voller Lebensmittel bei einer Organisation in Riehen und beziehe ausserdem Lebensmittel von Tischlein deck dich. Der Surprise-Verkauf funktioniert bei mir etwas anders als bei den anderen. Ich biete das Magazin nicht auf der Strasse an, wo viele Leute sind, sondern gehe zu meinen Freunden und Bekannten nach Hause, trinke mit ihnen einen Kaffee und verkaufe ihnen mein Heft. Das hilft mir dabei, nicht zu vereinsamen. Ich brauche den regelmässigen Kontakt zu meinen Freunden und Bekannten. Einmal bin ich mit dem Tram gefahren und hatte wie immer einige Surprise-Hefte in meiner Tasche. Irgendwie kam ich mit Fremden in ein Gespräch. Wir redeten über ein Thema, welches gerade in einem Artikel in Surprise behandelt wurde. Wir kamen auf die Arbeit zu sprechen und ich sagte, dass ich ihnen etwas zum Thema geben könne – und sie mir dafür etwas helfen könnten. So bin ich auf einen Schlag zwei Surprise-Hefte losgeworden. Ganz toll war auch, wie ich einmal im Büro von Surprise die Hefte an die anderen Verkäufer abgeben durfte, ich stand also für einmal auf der anderen Seite. Bezahlt wurde ich für meinen Einsatz mit Surprise-Heften, die ich dann weiterverkaufen konnte. Dank Surprise und anderen Dingen in meinem Alltag, einer Literaturgruppe und einer 50-plus-Gruppe, habe ich endlich wieder Struktur. Meine Familie unterstützt mich, wo sie kann, und hat Verständnis für meine Lage. Das ist sowieso das Wichtigste für mich. Die Menschen in

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BILD: YST

AUFGEZEICHNET VON YVONNE STOCKER

meiner Familie haben mir sehr dabei geholfen, dass ich mich selbst nicht aufgebe, denn wenn du ganz aufgibst, hast du verloren. Meine grösste Hoffnung im Moment ist, dass meine Ex-Frau und vor allem meine Tochter bald wieder in die Schweiz zurückkehren wollen, dann habe ich wieder einen Sinn in meinem Leben, weil ich meinem Kind ein guter Vater sein kann. Und ich kann ihr bei den Schulaufgaben helfen und habe so wieder eine neue Aufgabe. Ich habe mich mittlerweile auch schon bei zwei Alterssiedlungen beworben. Das kann ich ja jetzt, wo ich zum ‹alten Eisen› gehöre, und da habe ich dann mehr Platz für weniger Kosten. Dann könnte meine Tochter auch ohne Problem manchmal bei mir übernachten. Trotzdem wünsche ich mir, dass ich noch eine Stelle zwischen 20 und 40 Prozent finde, an einem Arbeitsplatz, der offen für das Individuelle ist und an dem ich arbeiten kann, bis ich pensioniert werde.» ■ SURPRISE 298/13


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, U-Abonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

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Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

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Herausgeber Verein Surprise, Postfach, 4003 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Reto Aschwanden, Florian Blumer, Diana Frei (Nummernverantwortliche), Mena Kost redaktion@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Amir Ali, Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Mauricio Bustamante, Andrea Ganz, Lucian Hunziker, Benjamin Laufer, Ivana Leiseder, Karin Scheidegger, Roland Soldi, Adrian Soller, Yvonne Stocker Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 15000, Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Christian von Allmen

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller o.joliat@vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 298/13


BILD: CHRISTIAN AEBERHARD

Surprise Da läuft was Benefizkonzert Jubiläumsmusik für Surprise Surprise jubiliert, das Sinfonieorchester Basel spielt die Musik dazu. Unser Name ist dabei Programm – ein solches gibt es nämlich nicht: die Blechbläser des Sinfonieorchesters werden dem Publikum an einem Frühlingsabend im Tinguely-Museum ein Überraschungskonzert auftischen. Die Musiker spielen unentgeltlich, auch das Museum stellt seinen Konzertsaal kostenlos zur Verfügung. Wir bedanken uns ganz herzlich! Und freuen uns auf ein zahlreich erscheinendes Publikum. Der Eintritt ist frei – grosszügige Spenden jedoch sehr willkommen. Benefizkonzert «Surprise!» des Sinfonieorchesters Basel, 3. Mai, 19 Uhr, Museum Tinguely, Basel.

Surprise! Die Blechmusiker des Sinfonieorchesters Basel spielen für uns – und für Sie.

Schön und gut. Die Surprise-Mütze mit eleganter Kopfwerbung ist ab sofort wieder erhältlich: In Einheitsgrösse, in den Farben Rot und Schwarz. Heizt das Hirn, gibt warme Ohren. Grosses Badetuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und von A bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschiedenfarbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.

Surprise-Mütze CHF 30.– rot

Strandtuch (100 x 180 cm) CHF 65.–

schwarz

50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.

Alle Preise exkl. Versandkosten.

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Macht stark.

www.vereinsurprise.ch â?˜ www.strassensport.ch â?˜ Spendenkonto PC 12-551455-3 Verein Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, Tel. 061 564 90 90, Fax 061 564 90 99


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