Surprise Nr. 448

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Strassenmagazin Nr. 448 12. April bis 2. Mai 2019

CHF 6.–

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Beziehungsprobleme können zu Obdachlosigkeit führen Basler Studie liefert Zahlen, Fakten und Lösungsansätze zu Wohnungs- und Obdachlosigkeit Seite 8 Surprise 000/19

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GESCHICHTEN VOM FALLEN UND AUFSTEHEN Kaufen Sie jetzt das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand» und unterstützen Sie einen Verkäufer oder eine Verkäuferin mit 10 CHF. «Standort Strasse» erzählt mit den Lebensgeschichten von zwanzig Menschen, wie unterschiedlich die Gründe für den sozialen Abstieg sind – und wie gross die Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen. Porträts aus früheren Ausgaben des Surprise Strassenmagazins ergänzen die Texte. Der Blick auf Vergangenheit und Gegenwart zeigt selbstbewusste Menschen, die es geschafft haben, trotz sozialer und wirtschaftlicher Not neue Wege zu gehen und ein Leben abseits staatlicher Hilfe aufzubauen. Surprise hat sie mit einer Bandbreite an Angeboten dabei unterstützt: Der Verkauf des Strassenmagazins gehört ebenso dazu wie der Strassenfussball, der Strassenchor, die Sozialen Stadtrundgänge und eine umfassende Beratung und Begleitung. 156 Seiten, 30 farbige Abbildungen, gebunden, CHF 40 inkl. Versand, ISBN 978-3-85616-679-3 Bestellen bei Verkaufenden oder unter: surprise.ngo/shop Weitere Informationen T +41 61 564 90 90 | info@surprise.ngo | surprise.ngo | Facebook: Surprise NGO INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 09.05.17 15:43 Seite 1 INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 09.05.17 15:43 Seite 1

Kultur Kultur

Solidaritätsgeste Solidaritätsgeste

STRASSENSTRASSENCHOR CHOR

CAFÉ CAFÉ SURPRISE SURPRISE

Lebensfreude Lebensfreude Entlastung Entlastung Sozialwerke Sozialwerke

BEGLEITUNG BEGLEITUNG UND UND BERATUNG BERATUNG

Unterstützung Unterstützung

Job Job

STRASSENSTRASSENMAGAZIN MAGAZIN Information Information

SURPRISE WIRKT SURPRISE WIRKT

ZugehörigkeitsZugehörigkeitsgefühl gefühl EntwicklungsEntwicklungsmöglichkeiten möglichkeiten

STRASSENSTRASSENFUSSBALL FUSSBALL

Erlebnis Erlebnis

Expertenrolle Expertenrolle

SOZIALE SOZIALE STADTRUNDSTADTRUNDGÄNGE GÄNGE PerspektivenPerspektivenwechsel wechsel

Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf2die Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, uns ohne staatliche sind aufHinsicht Spenden Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. Gesellschaft. Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschenfinanzieren in der Schweiz. Unser Angebot Gelder wirkt inund doppelter – und auf den armutsbetroffenen Menschen surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC gewinnorientiert, 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1455 3Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht finanzieren uns ohne1255 staatliche surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

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TITELBILD: BODARA

Editorial

Vom Wert der Zahlen Die ersten wissenschaftlich gesicherten Zahlen zu Wohnungs- und Obdachlosigkeit in der Schweiz liefert eine frisch ­erschienene Studie. Sie beschränken sich auf den Kanton Basel-Stadt. Die Zustände im Rest der Schweiz bleiben weiterhin ­Gegenstand von Schätzungen. Man muss keine Hellseherin sein, um ein paar der Gründe zu kennen, die diese Forschungs­ lücke bedingen: Mit dem Vermessen der ­Armut kann man sich nicht schmücken, es lässt sich nur schwer Geld damit ver­ dienen, und zudem ziehen genaue Zahlen immer auch konkrete politische Forde­ rungen nach sich. Solange das Problem also ausgesessen und verdrängt werden konnte, schaute man ­lieber weg. Man wollte auch nicht wissen, was faul ist im Staate. Offenbar ist diese Zeit vorbei. Nicht nur ist in den letzten Jahren mit der stetigen Verknappung von erschwinglichem Wohnraum die Zahl der Betroffenen

4 Aufgelesen 5 Vor Gericht

In der Hitze der Stadt

6 Moumouni …

… und die WAM

8 Obdachlosigkeit

Lösbares Problem

12 Flucht

­ ewachsen, langsam ist es auch mit den g Verdrängungsmöglichkeiten dahin: Wer verhindern möchte, dass es auch in Schweizer Städten einmal so aussieht wie auf Dortmunder, Pariser oder New Yorker Strassen, braucht eine handfeste Analyse mit Handlungsempfehlungen, mit der man in den politischen Ring steigen kann. Das liefert die Studie: Zahlen, Fakten, ­Lösungsansätze. Und sie sagt, was wir bei Surprise schon lange im direkten ­Kontakt mit den Menschen erleben und mit ihren Geschichten thematisieren. ­Etwas stimmt nicht, wenn wir nicht anerkennen, dass auch in einem wohlhabenden Land wie ­unserem nicht allen dieselben Chancen zuteilwerden und wir bei Weitem nicht ­genügend tun, um diese Ungerechtigkeit auszugleichen. SAR A WINTER SAYILIR

Redaktorin

16 Mossul

Mitgehangen, ­mitgefangen

Jugendliche in Serbien

27 Agglo-Blues

Das System

28 SurPlus Positive Firmen

7 Die Sozialzahl

Auf Pump

26 Veranstaltungen

24 Film

Die Freaks aus der Hochhaussiedlung

25 Theater

29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 30 Surprise-Porträt

«Ich bete jeden Tag»

Blinde Flucht

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BILD(1): BERNADETT SZABO, BILD(2): A V·ROS MINDENKIÈ, BILD(3): BAZSA TIBOR ZSOLT

Aufgelesen

News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 34 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Ungarns verbotene Obdachlose Obwohl die ungarische Regierung 2019 weitere 300 Millionen Forint, knapp 930 000 Euro, zum Ausbau des Angebots für Obdachlose bereitgestellt hat, gibt es immer noch nur 11 000 Betten für 30 000 Bedürf­ tige. «In manchen Unterkünften schlafen 20 Personen in einem Raum», sagt Judit Popovics von der ungarischen Strassenzeitung Fedél Nélkül. «Der Zustand der Unterkünfte ist insgesamt mangelhaft.» Im Oktober letzten Jahres erliess die ungarische Regierung einen Zusatz zur Verfassung, der das Leben auf der Strasse verbietet. In den ersten drei Tagen nach Inkrafttreten des Gesetzes forderten die Sicherheitskräfte Obdachlose auf, den öffentlichen Raum zu verlassen. Wer nicht kooperierte, wurde festgenommen.

1 Viele Bedürftige, zu wenig Betten: Blick in eine Notunterkunft für Obdachlose in Budapest im Oktober 2018. 2 Solidarität mit Obdachlosen: Demonstration gegen den neuen Verfassungszusatz. 3 Überfüllte Notschlafstellen: Bis zu 20 Menschen in einem Raum.

STREET ROOTS, PORTLAND

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Wohnungslos in der Sesamstrasse Sie heisst Lily, ist lila-pink, sieben Jahre alt und seit Kurzem wohnungslos. Mit einem neuen Puppencharakter greift die US-amerikanische Version der ­«Sesamstrasse» eine schwerwiegende gesellschaftliche Problematik auf: In den Vereinigten Staaten sind mehr als 2,5 Millionen Kinder wohnungslos, fast die Hälfte davon ist unter sechs Jahre alt. Nach Aussagen des Ministeriums für ­Gesundheit und soziale Dienste sind diese Kinder in erhöhtem Masse körper­ lichem und emotionalem Stress ausgesetzt. Neben der Produktion der Kinder­ sendung lancierte die gemeinnützige Organisation Sesame Workshop auch eine eigene Initiative, um Kindern die Situation wohnungsloser Altersgenossen zu erklären und betroffenen Kindern Unterstützung und Zuspruch zu geben.

ABSEITS, OSNABRÜCK

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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

Unterversorgt in Hamburg

Knapp jeder dritte Obdachlose auf Hamburgs Strassen lebt von Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II (Hartz IV), Rente oder Sozialgeld. Eine Befragung der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (AGFW), zu der auch Caritas und die Diakonie gehören, geht zudem davon aus, dass mehr Menschen ­einen Anspruch auf derlei Gelder hätten, es aber nicht wissen. Viele nicht-deutsche Obdachlose leben vom Flaschensammeln (20,9 Prozent) und Betteln (12 Prozent). 11,7 Prozent leben von einem regulären Lohn, darunter auch Gelegenheitsjobs und Schwarzarbeit, 4,3 Prozent verkaufen die Hamburger Strassenzeitung, 14,3 Prozent haben gar keine Einkünfte – eine «besorgnis­ erregende Unterversorgung», so die AGFW.

HINZ & KUNZT, HAMBURG

Schwer zu durchschauen

Seit Juli 2017 gilt in Deutschland das Entgelttransparenzgesetz. Was zunächst vor allem wegen des amtsdeutschen Namens auffällt, soll im Endeffekt zu mehr Gleichheit führen. Das Ziel: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Die Idee: Nur wer weiss, was die Kollegen verdienen, kann auch dasselbe verlangen. Doch: Das Gesetz wird kaum genutzt. Eine Personalleiterbefragung ergab, dass sich in 91 Prozent der befragten Firmen noch nie eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter nach der Gehaltsstruktur erkundigt habe. Lediglich 13 Prozent der ­befragten Personalleitenden hielten das Gesetz für wirkungsvoll. Die in Zusammenarbeit von Randstad und dem ifo-Institut entwickelte Personalleiterbefragung erforscht die langfristigen Folgen von Flexibilisierung im Personaleinsatz und befragt vierteljährlich mehr als 1000 Personalleitende.

HEMPELS, KIEL

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Vor Gericht

In der Hitze der Stadt Popescu* und Florescu sind für ihren Besuch am Bezirksgericht im Sonntagsstaat gewandet. Schwarzer Polyesteranzug, gebügeltes weisses Hemd und Krawatte, polierte Schuhe, rasiertes Kinn. Eine After­ shave-Wolke wabert hinter ihnen her, als sie vor die Anklagebank schreiten. Kleinlaut erläutern sie dem Richter, wie es dazu kam, dass ihr Nachbar im Spital landete. Es geschah in einer heissen Sommernacht in der Siedlung, wo sie alle wohnen und eigentlich «Frieden herrscht». Dort am Zürcher Stadtrand stehen noch alte Wohnblöcke mit Klingelschildern von Açıkgöz über Nkrumah bis Živković – und eben Florescu und Popescu. Die beiden Schwager verliessen vor dreizehn Jahren ihr kleines Dorf in Rumänien und sind zum Eisenlegen via Deutschland in die Schweiz gekommen. Sie legen noch immer Eisen, sind beide verheiratet und mehrfache Väter. Als sie an jenem Sonntag vor anderthalb Jahren von einem Familienfest zurückkehrten, es war gegen Mitternacht, standen sie noch auf der Strasse der Siedlung und unterhielten sich. In normaler Lautstärke, sagen sie, extrem laut, sagte ein Anwohner. Vom Balkon aus schrie er «Ruhe!», «Verschwindet!», «Geht zurück, wo ihr herkommt». Er sprach halb portugiesisch, halb deutsch. «Selber Scheissausländer!», gaben sie zurück. «Affenarsch!» Es wäre beim Austausch von Schimpfwörtern geblieben, wenn nicht der irakische Koch von einem langen und heissen Arbeitstag heimgekehrt wäre. Er stieg aus

seinem Auto und rief Popescu und Florescu zu, sie sollten die Fresse halten. «Arschlöcher!» Er sprach hochdeutsch. Die beiden verstanden nicht alles, aber sie hörten, dass es Beleidigungen waren. Eins gab das andere, und schliesslich standen Popescu und der Koch sich Auge in Auge gegenüber. Da gab ihm Popescu einen Schwedenkuss, stiess also seinen Kopf mitten auf die Nase des andern, des Nachbarn, der jetzt ein Feind war. Florescu haute mit der Faust eins obendrauf. Der Koch blutete aus einer Rissquetschwunde, erlitt Prellungen und Hämatome. Seine Brillengläser waren zerbrochen. In der Notfallklinik schrieb man ihn für einige Zeit arbeitsunfähig. Wie Buben, die wegen Mistbauens vor den Schuldirektor müssen, stehen sie nun schuldgekrümmt vor dem Richter. Der lässt ihnen das letzte Wort: «Herr Richter, wir werden jedes Urteil respektieren!», sagt Popescu. «Herr Richter, wir werden für alle Schäden aufkommen», ergänzt Florescu. Der Richter entscheidet: Wegen Raufhandels und einfacher Körperverletzung gibt es eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 35 Franken und eine Busse von 800 Franken für Popescu und 120 Tagessätze zu 20 Franken und eine Busse von 300 Franken für Florescu. Sie müssen dem Koch 1000 Franken als Genugtuung und 1000 Franken Schadenersatz zahlen, plus die Gerichtsgebühren von rund 5000 Franken. Was denn ihre Ehefrauen dazu gesagt hätten, als sie von der Sache erfuhren, wollte die Reporterin beim Small Talk in der ­Verhandlungspause von ihnen wissen. «Autsch», stöhnte Popescu auf und schüttelte dabei die Hand, als hätte er sie verbrannt. * persönliche Angaben geändert ISABELL A SEEMANN   ist Gerichts­reporterin

in Zürich. 5


ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING

Beide Männer kamen mir irgendwie ­bekannt vor. Der forsche, fordernde Ton, die Länge des Beitrags, die unausgereif­ ten, schon viel zu oft gehörten und uner­ müdlich widerlegten Argumente, die mit einer Selbstsicherheit vorgetragen werden, die mich neidisch macht. Wenn Leute sich gegen die Verallgemei­ nerung des Typs «weisser alter Mann» (im Folgenden: WAM) wehren, kann ich das sehr gut nachvollziehen: Ich muss mich selbst immer wieder gegen alle ­mög­lichen Klischees wehren. Aber es gibt eben WAM, die sich wie solche ­b­enehmen, oder sagen wir besser: wie das Kli­ schee eines WAM. Und das ist: I­ gnoranz, resultierend aus den Privi­legien, die sich aus der Mischung von weisser Haut, männlichem Geschlecht und Hetero­ sexualität ergeben in einer Gesellschaft, die mal offensichtlich, mal nieder­ schwellig rassistisch, patriarchal und ­homophob ist. Man kann sich seiner Privi­ legien natürlich auch bewusst ­werden, für den WAM wäre das ein Ausbrechen aus dem Klischee, was gar nicht so ­ungewöhnlich ist: Es gehört ja zum Vor­ urteil, dass es zum dominanten Merkmal einer Gruppe wird, deren einzelne ­Mitglieder dieses Merkmal gar nicht alle ­teilen. Davor sind inzwischen nicht ­einmal WAM sicher.

Moumouni …

… und die WAM Ich war letztens bei einer Veranstaltung mit dem Titel «Mehr Kopf als Tuch», ­benannt nach dem Buch der Wiener Päda­ gogin Amani Abuzahra, die mit zwei ­anderen muslimischen Frauen auch auf dem Podium sass. Das Motto des Abends war «Muslimische Frauen sprechen für sich», es ging um Rassismus und den Umgang mit dem Vorurteil der unter­ drückten muslimischen Frau. Ein weisser älterer Mann meldete sich und erklärte in einem recht langen Rede­ beitrag, woher der Rassismus in der Schweiz käme: Die, die anders waren, kamen, und man musste sich erst an sie gewöhnen. So sei das mit den Italienern gewesen, dann mit den Serben, bei den Türken sei dann das erste Mal auch noch eine fremde Religion im Spiel ­gewesen. Dann mutmasste er, dass die Islamfeindlichkeit der Angst vor dem 6

Frauenbild in Ländern wie Saudi-­Arabien geschuldet sein könnte. Beeindruckend! So kann man Rassismus nur rechtfertigen, wenn man das Gefühl hat, ItalienerInnen und SerbInnen erleben heute keine Diskriminierung mehr in der Schweiz, seitdem man sich an ihre ­«mitgebrachte Andersheit» gewöhnt hat. Und wenn man nicht versteht, wie ge­ waltvoll Rassismus ist. Amani Abuzahra war immerhin gerade direkt ins Gesicht gesagt worden, dass die Diskriminie­ rung, die sie erlebt, nichts mit der Mehr­ heitsgesellschaft, sondern mit ihren ­«zurückgebliebenen» Glaubensbrüdern zu tun habe. Plötzlich meldete sich ein zweiter weisser, älterer Mann in aggres­ sivem Tonfall zu Wort: «Aber sagen Sie doch endlich mal was zur Rolle der Frau im Islam!», er möchte weiter über ­Saudi-Arabien reden.

Ich glaube nicht, dass jeder junge weisse Mann gezwungenermassen zu einem WAM wird. Ich glaube nicht einmal, dass jeder alte weisse Mann ein WAM ist. Aber ich glaube zu wissen, warum es so viele Klischee-WAM auf Podiumsver­an­ staltungen gibt. Sie sind zu lange nicht herausgefordert worden in ihrem Denken. Zu lange durften sie durch ihre soziale Rolle ungestraft ihre Meinung in die Welt krakeelen. Aber Schluss damit. Auch die müssen mal auf die Welt ­kommen. Wir sehen uns auf der nächsten Podiums­ diskussion.

FATIMA MOUMOUNI  moderiert am 13. April die Veranstaltung «Toxische Männer, giftige Frauen» im Theater Neumarkt Zürich. WAM sind herzlich eingeladen.

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Auf Pump «Kaufe heute, zahle morgen»: Der Slogan taucht immer wieder in der Werbung von Finanzdienstleistern auf. Sparen wird ­belächelt. Besser scheint es doch, nicht zuzuwarten, sondern sich Geld zu leihen und schon heute das neue Auto, die hippe Wohnungseinrichtung oder die tollen Ferien in der Karibik zu geniessen. Eine repräsentative Umfrage unter Schweizerin­ nen und Schweizern zeigt, dass fast 85 Prozent der Bevölke­ rung schon mindestens einmal einen Privatkredit, ein Darlehen, ein Leasing, eine Hypothek oder eine andere von Dritten an­ gebotene Finanzierungsform aufgenommen haben. Am häu­ figsten haben die Befragten schon mindestens einmal ein ­privates Darlehen von Verwandten oder Familienangehörigen aufgenommen (41 Prozent). Es folgen Hypotheken (38 Pro­ zent), Auto-Leasing (33 Prozent), Teilzahlungen im Rahmen von Kreditkarten (33 Prozent), Privatkredite von einer Bank (33 Prozent) und Ratenzahlungen im Geschäft auf der Basis von Kundenkarten (28 Prozent). Eher selten sind Privatkredite von Kredit-Vermittlern (16 Prozent), Geschäftskredite, also Lohnvorschüsse (9 Prozent) und Online-Privatkredite von ei­ ner Crowdlending-Plattform (6 Prozent). Wofür werden diese Kredite verwendet? Zum einen geht es um eine Vorfinanzierung von «langlebigen» Konsumgütern. So ­gaben 44 Prozent an, dass sie das geliehene Geld für den Kauf eines Autos gebraucht haben, 26 Prozent nutzten den Kredit zum Erwerb von Möbeln und anderen Einrichtungsgegenstän­ den, 11 Prozent für Kleider. Zum anderen wird Geld aufge­ nommen, um vorhandene finanzielle Notlagen zu überbrücken. So gaben 30 Prozent der Befragten an, Kredite schon mindes­ tens einmal wegen allgemeiner finanzieller Schwierigkeiten aufgenommen zu haben. 25 Prozent benötigen das Geld, um schon bestehende Schulden zu begleichen, 19 Prozent, um

ausstehende Steuern zu zahlen. 15 Prozent beglichen mit dem aufgenommenen Geld Gesundheitskosten und Arztrechnun­ gen, also auch ausstehende Krankenkassenprämien. Vor allem bei armutsbetroffenen Haushalten ist der Steuer- und Sozial­ staat der häufigste Gläubiger. Ein Leben auf Pump birgt Risiken. So werden die Kosten der Kredite häufig unterschätzt. Wer sich zum Beispiel einen ­Betrag von 20 000 Franken leiht, bezahlt bei einer Laufzeit von 36 Monaten und einem üblichen Zins von 9 Prozent am Ende rund 22 800 Franken zurück. Auch wenn bei der Aufnahme ­eines Darlehens oder eines Kredits die finanzielle Situation noch so gewesen sein mag, dass man sich eine solche zusätzli­ che Belastung leisten konnte, können während der Laufzeit Dinge passieren, die rasch in eine nicht mehr tragbare Über­ schuldung umkippen können. Weil diese maximalen Rückzah­ lungsfristen immer länger wurden, sind auch die Risiken einer finanziellen Überforderung gestiegen. Wer in dieser Zeit arbeitslos wird, erkrankt oder sich in einer Partnerschaft trennt und scheiden lässt, dem drohen Schwierigkeiten, den eingegangenen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Mahnungen flattern ins Haus, Betreibungen werden aus­ gesprochen und Verlustscheine ausgestellt. Die einen können Privatkonkurs anmelden, Menschen am Existenzminimum steht aber nicht mal mehr dieser Weg offen. Manche wenden sich in diesen Situationen an Budget- und Schuldenberatungs­ stellen. Hier lernen sie vor allem, mit Schulden zu leben.

PROF. DR. CARLO KNÖPFEL  ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Anteil der Befragten, die für diesen Verwendungszweck mindestens einmal einen Kredit oder ähnliches aufgenommen haben, in % 50

44%

40

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15% Gesundheitskosten und Arztrechnungen

16% Abzahlung eines anderen Kredits

19% Steuern

25% Begleichung von Schulden

Allgemeine finanzielle Schwierigkeiten

11% Kleidung

16% Reisen

0

Inneneinrichtung und Möbel

20

10

30%

26%

30

Autokauf

INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: MONEYLAND.CH (2019): KREDITE UND DARLEHEN: SO FINANZIERT SICH DIE SCHWEIZ. MEDIENMITTEILUNG VOM 12.2.2019

Die Sozialzahl

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Studienautor Matthias Drilling, Fachhochschule Nordwestschweiz

«Das Problem liesse sich sofort lösen» Obdachlosigkeit Eine Basler Studie liefert erstmals Zahlen zur Obdachlosigkeit unds stellt Forderungen an die Akteure. INTERVIEW  SIMON JÄGGI FOTO  BASILE BORNAND

Simon Jäggi: Herr Drilling, wenn von Obdachlosigkeit die Rede ist, domi­nieren stereotype Bilder wie jenes eines ­Menschen, der unter freiem Himmel schläft. Wie viel hat das mit der ­Wirklichkeit zu tun? Matthias Drilling: Obdachlosigkeit in der Schweiz hat viele Gesichter. Ich denke, die Stereotypen bestehen, weil wir bisher so wenig über Obdachlosigkeit in der Schweiz wissen. Wie definieren Sie obdachlos? Obdachlosigkeit hängt immer auch mit Wohnungslosigkeit und prekärem Wohnen zusammen. Obdachlos sind nicht nur Men8

schen, die auf der Strasse leben, sondern auch all jene, die kein eigenes Zuhause haben. Wohin müssen wir schauen, wenn wir über Obdachlosigkeit sprechen? Erst wenn wir auch über prekäres Wohnen sprechen, vervollständigt sich das Bild. Es gibt viele Leute, die immer wieder bei Freunden und Bekannten unterkommen, dazwischen Phasen der klassischen Obdachlosigkeit erleben, in denen sie draussen schlafen. Ihre Studie, die von der Christoph Merian Stiftung in Auftrag gegeben wurde, liefert erstmals konkrete Zahlen und Fakten zur

Obdachlosigkeit in der Schweiz. Welches Ziel verfolgten Sie damit? Wir wollen anfangen, die Schweiz anschlussfähig an die europäische Diskussion zu machen. Unsere Hochschule arbeitet an einem europäischen Projekt zu Obdachlosigkeit mit. Auf Europakarten zur Thematik war die Schweiz bisher ein weis­ ser Fleck, es gab schlicht keine wissenschaftlich erhobenen Zahlen. Das Projekt und unsere Forschung sollen die Politik sensibilisieren. Obdachlose Menschen sollen wahrgenommen werden. Weshalb wird das Thema so wenig beforscht? Surprise 448/19


Es gab in der Vergangenheit nur wenige sozialwissenschaftliche Untersuchungen zum Thema. Das Bild über Obdachlosigkeit wird vor allem von der Medizin und der Psychologie geprägt, die stellen die Person ins Zentrum und thematisieren weniger die Strukturen, die Obdachlosigkeit verursachen. Weshalb das so ist, darüber kann ich nur mutmassen. Es liegt vielleicht auch daran, dass die Armutsforschung in der Schweiz insgesamt nicht sehr ausdifferenziert ist. Sie haben sich für die Studie auf Basel-­ Stadt beschränkt. Wie weit lassen sich die Basler Verhältnisse auf die übrige Schweiz übertragen? Daran, was übertragbar ist, arbeiten wir gerade. Ich habe folgende Vermutung: Schweizer Städte sind im europäischen Vergleich keine Metropolen, sie ziehen Obdachlose nicht an wie Berlin, Budapest, Brüssel oder Barcelona. Daher kann der Sozialstaat noch ausreichende Angebote für Strassenobdachlose schaffen, auch wenn es ein politisches Hickhack darum gibt. Dagegen schlägt die Logik des Wohnungsmarktes in der gleichen Weise zu wie in den europäischen Städten: hohe Mieten, viel Neubau und gleichzeitig wenige Wohnungen im städtischen Besitz. Das macht Menschen, die von Armut betroffen sind, verwundbar und sie könnten jederzeit zu

Arbeitsplatzverlust kann zu Obdach­ losigkeit führen

Vorschläge von Betroffenen zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit

142 tiefere Miete 68 mehr Übergangswohnungen/Notschlafstellen 44 mehr Wohnraum 16 mehr alternative Wohnkonzepte 5 alten Wohnraum erhalten

64 Stärkung/Erweiterung der bisherigen Angebote

26 mehr finanzielle Unterstützung 20 mehr Beratungsangebote 11 spezifische Einrichtung schaffen

63 mehr gesellschaftliche Akzeptanz 25 verbesserte Integration in Arbeitsmarkt 9 Herkunftsbenachteiligung verhindern

64 Unterstützung durch Politik und Behörden

46 Problem Betreibung und Schulden lösen

8 Verbesserung Aufenthaltsbewilligung Strassenobdachlosen werden. Doch bevor die Menschen auf der Strasse landen, suchen sie jede Gelegenheit, das zu vermeiden: Sie wohnen mal bei einer Bekannten, dann bei einem Freund. Nicht freiwillig, sondern weil sie nichts anderes haben. Gerade junge Menschen haben uns das in Basel berichtet. Im Moment scheint das noch zu funktionieren. Eine deutliche Zunahme der Strassenobdachlosigkeit wäre in Basel und ich denke auch in anderen Schweizer Städten immer noch ein Grund, dass sich alle Verantwortlichen, von der Sozialhilfe über die Stiftungen bis zu den ehrenamtlich getragenen Organisationen, an einen Tisch setzen, um Lösungen zu suchen. Surprise 448/19

13 mehr Selbstverantwortung der Betroffenen

23 kein Veränderungsbedarf

Wohnraum Wohnhilfen Gesellschaft

Politik Individuum Sonstiges

Es wurden 469 Menschen in 12 Hilfseinrichtungen für Wohnungslose befragt. Mehrfachnennungen möglich

Für die Studie haben Sie mit über 400 Betroffenen gesprochen. Wo haben Sie diese angetroffen? Wir haben eine Zählung in allen sozialen Institutionen der Stadt durchgeführt, deren Angebot sich an Obdachlose richtet. Wir haben über mehrere Monate in verschiedenen Institutionen mitgearbeitet. In einer Nacht haben wir zudem mit rund 40 Studierenden mit Taschenlampen und Notizblock draussen nach Obdachlosen gesucht. Rund um den Flughafen, beim Bahnhof SBB und in ausgewählten Parks. Wie viele haben Sie gefunden? Weniger als 30. Angesichts der Temperaturen waren das aber viele, es war um die null Grad. Man hört oft, in der Schweiz müsse niemand auf der Strasse schlafen, wenn er nicht wolle. Das Gerücht, die Menschen würden das freiwillig machen, ist falsch. Von den 40 Betroffenen, mit denen wir über eine längere Zeit gesprochen haben, hat sich niemand freiwillig für die Obdachlosigkeit entschieden. Wie geraten Menschen in diese Lage? Das Thema Verschuldung spielt eine sehr grosse Rolle, das ist der Dreh- und Angelpunkt. Den Menschen fehlt es an den finan­ ziellen Mitteln, möglicherweise aufgrund eines Jobverlusts. Sie können ihre Miete nicht mehr bezahlen und verlieren ihre Wohnung. Wir konnten in der Studie aufzeigen, dass Obdachlosigkeit immer mehrere Ursachen hat. Auch die Gesundheit spielt oft eine Rolle. Sie haben die Mieten erwähnt. Welchen Einfluss hat der Wohnungsmarkt? Es ist allen klar, dass es in der Stadt zu wenig günstigen Wohnraum gibt. Die Notwohnungen sind belegt, Basel-Stadt hat zu wenige Liegenschaften, um ausreichend günstigen Wohnraum anzubieten. Der Stadtkanton ist nicht selten Liegenschaftsbesitzenden ausgeliefert, die ihre heruntergekommenen Wohnungen oder Zimmer zu exakt dem Betrag vermieten, den die Sozialhilfe zum Wohnen bereitstellt. Das erhöht natürlich den Druck und erschwert es ungemein, eine Wohnung zu finden. Sie kommen zum Schluss, dass in Basel rund 100 Menschen im engeren Sinn obdachlos sind. Hat Sie diese Zahl überrascht? Im europäischen Vergleich ist diese Zahl 9


Sie formulieren in Ihrer Studie auch Forderungen an die Politik. Die Obdachlosigkeit sei zu beenden, heisst es da etwa. Ist das nicht utopisch? Überhaupt nicht. Wir sagen: Strassenobdachlosigkeit in Basel kann man beenden. Wir haben genügend freie Betten im Bereich der Notunterkünfte. Betten in Basel stehen leer, weil Menschen, die nicht in Basel angemeldet sind, sich diese nicht leisten können. Für sie gilt ein höherer Tarif. Nur bei extremer Kälte werden ihnen diese Betten zugänglich gemacht. Betten stehen auch leer, weil Menschen ohne Aufenthalts-

Erfahrungen mit Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekärem Wohnen

Übernachten im öffentlichen Raum

In Notunterkünften (insbes. Notschlafstelle)

Übergangswohnungen (Notwohnung der Sozialhilfe)

Einrichtungen Wohnungsnot/Wohnhilfen

In Spitälern, Gefängnissen oder Psychiatrien und ohne Wohnung

Gesundheits­ probleme können zu Obdachlosigkeit führen

Asylunterkunft

Herbergen (Pension, Hotel, Gästehaus)

Temporär bei Partner/in, Verwandten, Bekannten

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Mehrfachnennungen möglich

2480 6-Zimmer

2-Zimmer

3-Zimmer

877 966 (+89)

2018

4-Zimmer

1083 1192 (+109)

2008

1485 1602 (+117)

Entwicklung der Netto-Mietpreise zwischen 2008 und 2018

2089 2203 (+114)

68 Frauen

5-Zimmer

293 Männer

2705 (+225)

Wohnungslos, weiss nicht, wo ich übernachte

580 663 (+83)

Diese Forderung ist nicht neu, politisch jedoch sehr umstritten. Viele befürchten, eine solche Notschlafstelle hätte eine Sogwirkung für Obdachlose aus der gesamten Schweiz und darüber hinaus. Deshalb schlagen wir ein Pilotprojekt von zwei Jahren vor, dann sieht man ja, was passiert. Falls der Kanton nicht die Federführung für ein solches Projekt übernehmen kann, dann könnten die Institutionen der Obdachlosenhilfe in Basel gemeinsam ein neues Angebot entwickeln. Dann sollte auch noch ein anderes Ziel erprobt werden: am besten einen Ort, wo Betroffene auch längerfristig bleiben können, wo sie alle Angebote aus einer Hand bekommen und wo sie auch ihre Tiere mitbringen dürfen und ihr Gepäck deponieren können.

Wohnprovisorien (Zelt, Campingwagen)

1-Zimmer

berechtigung dann automatisch personell erfasst werden und ein Rückführungsprozess ausgelöst wird. Wenn wir die Sicht der Obdachlosen einnehmen, dann fordern wir eine bedingungslose Notschlafstelle für alle. Wenn die staatlichen und privaten Organisationen ihre Bettenkontingente zusammenlegen und die Praxis ändern, dann liesse sich das Problem sofort lösen.

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INFOGRAFIK:BODARA,QUELLE: (K)EIN DAHEIM? STUDIE ZUR OBDACHLOSIGKEIT IN BASEL-STADT UND ENGAGEMENT DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG, WWW.CMS-BASEL.CH/DE/MEDIEN/PUBLIKATIONEN

für kleinere Städte wie Basel typisch. Es ist eine Zahl, die zum sofortigen Handeln auffordert. Bereits heute gäbe es genügend Schlafplätze für alle Strassenobdachlosen.


Finanzielle Not kann zu ­Obdach­losigkeit führen Als Teil der Lösung schlagen Sie eine Housing-First-Strategie vor, wie sie zurzeit in vielen Ländern Europas diskutiert wird. Was hat es damit auf sich? Klassischerweise verfolgt der Ansatz das Ziel, dass obdachlose Menschen bedingungslos eine eigene Wohnung erhalten und nicht erst eine sogenannte Wohnkompetenz aufbauen müssen. In Basel würde sich eine Variante anbieten: Housing First mit dem begleiteten Wohnen zusammenzudenken. Im begleiteten Wohnen hat ­Basel eine lange Geschichte, gute Netzwerke und viel Kompetenz. Die Bereitschaft von Immobilienbesitzern dürfte für solche Projekte grösser sein, weil sie bewährte Ansprechpersonen hätten. Auch Tiny Houses werden als Lösung genannt. Sollen Obdachlose in Con­ tainern wohnen? Basel-Stadt und Bern entwickeln bereits Areale für Tiny Housing. Allerdings für Menschen, die einen neuen Lebensstil kreieren.

Zu Autor und Studie Matthias Drilling hat Geografie, Wirtschaft und Raum­planung studiert. Er leitet das Institut für Sozialplanung, Organisationalen Wandel und Stadtentwicklung an der Hochschule für Soziale Arbeit, die zur Fachhochschule Nordwestschweiz gehört. Die Studie «Obdachlosigkeit, Wohnungs­ losigkeit und prekäres Wohnen. Ausmass, Profil und Bedarf in der Region Basel» der FHNW finden Sie unter: www.cms-­ basel.ch im Bereich «Medien» unter «Publikationen». Dort ist auch die Publikation «(K)ein Daheim?» der Christoph Merian Stiftung abrufbar.

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Im Moment ist es hip, in kleinen mobilen Wohneinheiten leben zu wollen. Interessant ist, dass die städtischen Verwaltungen das positiv aufgenommen haben und bereit sein könnten, Bebauungsvorschriften entsprechend zu ändern, sodass das möglich wird. Warum, so fragen wir uns, soll das dann nicht auch für Menschen möglich sein, die dringend Wohnraum brauchen? Ist das nicht nur eine weitere Form von prekärem Wohnen? Das ist eine berechtigte Frage. Man müsste das ausprobieren. Für eine Person, die im Winter draussen schlafen müsste, wäre ein Tiny House mit Sicherheit eine deutliche Verbesserung der Situation. Zudem brauchen wir Übergangslösungen. Bis der B ­ asler Wohnungsmarkt ausreichend günstigen Wohnraum anbieten kann, wird es einige Zeit dauern. Sie kritisieren in Ihrer Studie das ­bestehende Angebot für Obdachlose in Basel. Dabei gibt es doch viele Insti­tu­tionen, deren Angebot sich an Armuts­ betroffene richtet. Wir kritisieren das nicht, wir stellen fest, dass in Basel vieles gewachsen ist; man könnte das Pflästerlipolitik nennen. Aber das ist typisch, wenn viele Akteure in einem Thema unterwegs sind und jeweils andere Ziele verfolgen. Unsere Studie könnte ein Wendepunkt sein: Wir schlagen Dinge vor, die nicht alleine realisiert werden können. Mit dem, was wir sagen, zwingen wir die Akteure sozusagen dazu, sich zu entscheiden, ob sie eine gemeinsame Strategie formulieren wollen. Das ist eine wichtige Aufgabe der Forschung – denken, was sonst keinen Platz hat. Auch wenn man die Betroffenen zu Wort kommen lässt, hört man, dass grosses Optimierungspotenzial besteht.

Woran fehlt es? Dringend nötig ist aus Sicht der Betroffenen eine Abstimmung der Angebote der verschiedenen Tageseinrichtungen. Es gibt keinen Ort, der den ganzen Tag geöffnet ist. Die unterschiedlichen Öffnungszeiten zwingen die Obdach- und Wohnungslosen zu wandern und prägen ihre Tagesstruktur. Sie frühstücken an einem Ort, wärmen sich danach an einem anderen Ort auf, müssen zum Mittagessen und Abendessen weiterziehen. Und überall diese Atmosphäre des Skilagers: Viele Menschen in einem Raum, Gepäck daneben, im Winter nur wenige Plätze an der wärmenden Heizung. Dabei artikulieren die Betroffenen sehr klar: Sie haben ein Bedürfnis nach Ruhe, und viele wollen ihre Situation verändern. Dazu brauchen sie aber einen Ort, wo sie sich erholen können und wo sie beraten werden. Dass es von diesen Orten nicht genug gibt, ist ein Fehler im System. Was müsste sich ändern? Es braucht eine Gesamtstrategie und eine Stelle, welche die Angebote koordiniert. Die Christoph Merian Stiftung will nun gemeinsam mit dem Kanton eine Strategie zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit erarbeiten.

Kündigung des Mietvertrages kann zu Obdachlosigkeit führen

Ihre Studie ist nun publiziert. Ist das Thema für Sie damit abgeschlossen? Es braucht in der Schweiz in Zukunft ein regelmässiges Monitoring, damit wir mehr über die Zahl der Betroffenen und ihre Hintergründe erfahren. Wir planen deshalb in den nächsten Jahren eine Studie zu Obdachlosigkeit in den acht grössten Agglomerationen der Schweiz. Diese Studie würde das Bild über die Obdachlosigkeit in der Schweiz vervollständigen und das Phänomen quantifizieren. Erst dann wird die Schweiz das Problem als strukturelle Herausforderung erfassen. Das wäre auch ganz im Interesse der Betroffenen. Denn ohne Zahlen gibt es keine politischen Veränderungen. 11


Lieber hier als in einem staatlichen Lager: In dieser Baracke im serbischen Subotica hausen zahlreiche jugendliche GeflĂźchtete.

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Alleingelassen Flucht In Serbien leben Hunderte unbegleitete minderjährige Migranten.

Die Kinder und Jugendlichen sind auf sich allein gestellt – obwohl die Zustände international bekannt sind. TEXT UND FOTOS  SAMANTHA ZAUGG

Subotica

Belgrad SERBIEN

Im Haus sind alle Fenster eingeschlagen. Und trotzdem fällt das Atmen schwer. Um sich warmzuhalten, haben die Jungen im ganzen Haus kleine Feuer angezündet. Direkt auf dem gekachelten Boden brennen Holzstücke und Plastikabfälle, der Rauch beisst in den Lungen. Überall liegt Müll, in den Ecken Exkremente. Das Haus diente einst als Bürogebäude für Bahnarbeiter. Es steht in Subotica, einem verschlafenen serbischen Nest direkt an der ungarischen Grenze. Rund um das Haus ist es laut, es liegt am Rand eines Gleisfeldes, auf dem Güterzüge rangiert werden. Seit drei Monaten ist Amin hier zuhause. Er ist 15 Jahre alt und kommt aus Afghanistan. Zumindest sagt er das, einen Pass oder ein offizielles Dokument hat er nicht. Seit drei Monaten lebt er in den Baracken von Subotica. Die letzten eineinhalb Jahre war Amin unterwegs. Schlepper brachten ihn bis nach Serbien. Bevor er nach Subotica kam, hat er in staatlichen Flüchtlingszentren gelebt. Während sechs Monaten war er in mehreren Camps im ganzen Land, sagt, er sei immer wieder an einen anderen Ort gebracht worden. Er weiss nicht, warum das geschah, er weiss nicht, ob für ihn ein Asylantrag gestellt worden ist oder ob er einen Beistand hatte. Die Begriffe scheint er gar nicht zu kennen. Geritzt, verbrannt, gestochen Amin ist kein Einzelfall. In Serbien leben laut dem dortigen Büro des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR 500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die lokale NGO Asylum Protection Center schätzt die Zahl gar auf 600. Das Sozialsystem versage in vielen Bereichen, kritisieren Organisationen wie das UNHCR, Ärzte ohne Grenzen, Save the Children und lokale Nichtregierungsorganisationen. Das Belgrade Center for Human Rights hält in einem Bericht fest, dass es in vielen Bereichen Fehlverhalten gegen unbegleitete Minderjährige gebe. So würden Jugendliche beispielsweise unrechtmässig wegen illegaler Grenzüberquerung zu ­­HaftSurprise 448/19

oder Geldstrafen verurteilt, sie bekämen keinen Dolmetscher für Gerichtsprozesse oder Urteilsverlesungen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass es in Serbien kein offizielles Vorgehen gebe, um das Alter der Jugendlichen zu bestimmen. Ob eine Person als minderjährig eingestuft wird oder nicht, beruhe oft auf Willkür. So kommt es, dass viele der Kinder und Jugendlichen zum Schluss kommen, dass es ihnen ausserhalb des staatlichen Systems bessergeht. Wie Amin verlassen sie die offiziellen Camps, leben lieber auf sich allein gestellt. Wie viele es sind, lässt sich schwer sagen. Das UNHCR schätzt ihre Zahl auf rund 150, die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Trostloser Alltag Die Jugendlichen leben unter prekären Bedingungen. Wegen der schlechten Hygiene leiden sie unter Krätze, Ekzemen oder Hautkrankheiten, Rauch und Kälte verursachen Lungenprobleme. Viele der Jungen in Subotica zeigen massive Spuren von autoaggressivem Verhalten. Unter- und Oberarme sind übersät mit Schnittverletzungen in verschiedenen Stadien des Heilungsprozesses. Manche vernarbt als weisse, wulstige Linien, andere verheilt mit Schorf, andere noch ganz frisch. Da gibt es punktförmige Narben von Stichverletzungen und Brandwunden von Zigaretten – auch hier frische, verheilte und vernarbte. Ein Junge hat an verschiedenen Stellen auf dem Kopf kreisrunden Haarausfall. Ob er sich verletzt habe? Nein, die Haare würden einfach ausfallen. Zudem fällt auf, dass viele der Knaben tätowiert sind. Auf Händen und Armen haben sie kleine Buchstaben, Herzen oder krakelige Muster. Die würden sie selber stechen, erklärt einer der Jungs, mit Nadel und Faden. Ein anderer hat etwas wie ein H auf der Hand zwischen Daumen und Zeigefinger. Das stehe für seine Schwester, die er vermisse. Besonders die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen ist alarmierend. Das ist selbst bei kurzen Begegnungen spürbar, wie im Fall von Janat und Reza. 13


Die beiden sind 16 Jahre alt. Janat kommt aus Afghanistan. Er hat noch das Gesicht eines Knaben, aber schon dichte schwarze Augenbrauen, die sich in der Mitte fast berühren. Reza hat kantigere Züge, erster Bartwuchs zeichnet sich ab. Er kommt aus Pakistan. Seit einigen Wochen leben sie in einem offiziellen Zentrum in Belgrad. Am Vormittag besuchen sie die Schule, am Nachmittag schlagen sie die Zeit bis zum Abendessen tot. Wenn das Wetter gut ist in einem Park, andernfalls in einem Aufenthaltsraum für Flüchtlinge. Heute ist das Wetter schlecht. Es ist ein garstiger Wintertag, alles ist grau, der Himmel, der Schneematsch auf den Strassen, die Asche der Zigaretten. Bevor Janat und Reza hineingehen, rauchen sie auf dem Trottoir vor dem Aufenthaltsraum. Drinnen gibt es ein paar Plastikstühle, Kinderzeichnungen und Steckerleisten. Letztere sind das Wichtigste: Die meisten kommen vor allem, um ihre Telefone aufzuladen. Sonst gibt es auch nichts zu tun. In einigen der Zentren gibt es ein paar Computer, darauf schauen die Männer und Knaben Cricketspiele. Es hat nicht genug Stühle. Janat und Reza trinken Mokka im Stehen und erzählen aus ihrem Leben. Beide haben das, was man hier als übliche Migrantenbiografie bezeichnen würde: Krieg, Konflikt und Gewalt im Heimatland, Flucht mit Schleppern über Iran und die Türkei auf den Balkan, Endstation Serbien. Beide haben in wilden Camps gelebt, haben versucht, die Grenzen zu überqueren, wurden geschnappt, geschlagen, zurückgeschickt. Unzählige Male wurden sie in staatlichen Zentren untergebracht, sind abgehauen, zurückgekehrt, wieder abgehauen. Ob sie im Zentrum in Belgrad länger bleiben wollen? Schulterzucken. Die UN-Konvention greift nicht Aktuell würden sie vormittags eine Schule besuchen, sagt Janat. Viel würden sie dabei nicht lernen, der Unterricht sei in einer Regelklasse auf Serbisch. Weder Janat noch Reza sprechen mehr als ein paar Brocken Serbisch. Die beiden sagen, sie könnten zwar lesen und schreiben, allerdings vor allem ihre Muttersprachen, die mit anderen Schriftzeichen geschrieben werden. Reza hat zu zeichnen begonnen. Porträts von Menschen, die er nicht kennt. Er sucht einfache Vorlagen im Internet: Gesichter frontal von vorne. Mit Bleistift zeichnet er sie auf lose Blätter. Dicke Konturlinien, die Details mit Schraffur betont. Die Porträts wirken noch etwas unbeholfen, die Gesichter nicht richtig plastisch. Aber sie sind nicht schlecht. Doch eigentlich zeichne er gar nicht so gerne, sagt Reza. Er mache das, weil ihn Betreuer im Aufenthaltszentrum dazu ermutigt hätten. Ausserdem habe er sonst nichts zu tun. Was er denn gerne machen würde? Schulterzucken. Auf die meisten Fragen haben Janat und Reza keine Antwort. Sie sind kaum spürbar, wirken gleichgültig, scheinen sich ihrer Perspektivlosigkeit hinzugeben, sich zu fügen. Rauchpause, Janat und Reza gehen wieder nach draussen. Beim Rauchen verrutscht Janats Ärmel, die Haut rund um das Handgelenk wird sichtbar. Sie ist übersät von Narben. Darauf angesprochen lächelt er beschämt, zeigt aber seine Arme. Bis zur Schulter übersät mit vernarbten Schnittverletzungen. Ein paar Brandwunden sind noch etwas frischer. Ob er die selber gemacht hat? Ja. Wieso er das macht? Schulterzucken. Dass es schlecht steht um die psychische Gesundheit von Geflüchteten, besonders von unbegleiteten Minderjährigen, ist bekannt. So hält Ärzte ohne Grenzen fest, dass die meisten der Kinder, die ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, Symptome 14

psychischer Erkrankungen aufweisen: Angstzustände, Panikattacken, Depressionen, Belastungsstörungen. Die serbische Sektion des UNHCR kritisiert Belgrad: Es fehle ein ausreichendes Fürsorgesystem für Asylsuchende. Für unbegleitete Minderjährige gebe es zu wenig angemessene Unterkünfte, zu wenig psychologische Behandlung, keine Freizeitbeschäftigungen. Zu den gleichen Schlüssen kommt Save the Children. Beim zuständigen serbischen Kommissariat für Flüchtlinge und Migration hingegen sieht man keinen Handlungsbedarf. Auf Anfrage teilt die Behörde schriftlich mit, es gebe genügend Plätze in staatlichen Asylzentren. Sie würden allesamt den Standards des UNHCR entsprechen, auch nehme man Rücksicht auf die besonderen Bedürfnisse von unbegleiteten Minderjährigen. Das Kommissariat bestätigt zwar, dass es einige Kinder und Jugendliche gebe, die nicht registriert werden möchten und sich selber durchschlagen würden. Die Zahl schätzt das Amt im ganzen Land auf einige Dutzend. Man habe die Situation vollständig unter Kontrolle. Naive Logik der Abschreckung Dem widerspricht Radoš Ðurović, Geschäftsleiter der lokalen NGO Asylum Protection Center, kurz APC. Es ist schon spät abends an einem Werktag, Ðurović kommt direkt von der Arbeit. Er sitzt in einem Café im Stadtteil Novi Beograd, draussen fallen grosse Schneeflocken. Vor sich auf dem Tisch hat er einen Laptop und eine Tasse Kaffee. APC hat sich auf die juristische und psychologische Unterstützung Asylsuchender spezialisiert. Seit zwölf Jahren überwacht und dokumentiert die NGO Asylprozesse in Serbien. Ðurović ist ein scharfer Kritiker. «Das Asylwesen in Serbien funktioniert praktisch nicht», sagt er. Und es scheine im Interesse der Regierung zu sein, es dabei zu belassen. Die Logik dahinter, so Ðurović: «Wenn wir ein System haben, das nicht funktioniert, dann verschwinden die Leute von selber.» Das serbische Asylgesetz sieht vor, dass unbegleitete Minderjährige einem Beistand zugeteilt werden, der dann für Sicherheit, Gesundheit und Ausbildung sorgt. Das entspreche nicht der Realität, sagt Ðurović. Das serbische Sozialsystem sei im Migrationsbereich völlig überlastet, es gebe nicht genügend Sozialarbeiter, viele von ihnen seien unerfahren und ungenügend ausgebildet. Zudem bestehe das System vor allem aus Projekten von internationalen Geldgebern. «Der Druck ist enorm. Das ist langfristig nicht nachhaltig. Aber es scheint, als würde sich niemand für die Zukunft interessieren.» So kommt es, dass für viele der Minderjährigen gar nie ein Asylantrag gestellt wird. Wenn sie in ein nationales Asylzentrum kommen, werden sie zwar formal registriert, es werden Fingerabdrücke und Personalien erfasst, aber die Daten werden nie in ein nationales oder gar internationales System übertragen. Die Kinder sind faktisch unsichtbar, werden zur Manövriermasse. Andere Staaten stört das kaum. Serbien ist weder Mitglied der Europäischen Union noch des Schengenraumes. Die UN-Kinderrechtskonvention ist zwar völkerrechtlich bindend, doch umgesetzt werden muss sie vom Nationalstaat, also von Belgrad. Und dort sieht man diesbezüglich keinen Handlungsbedarf. Im verlassenen Haus in Subotica sagt Amin, er wolle weiter versuchen, in die EU zu gelangen. Wohin genau, das weiss er nicht: Schweden, Deutschland oder Italien. Es scheint, als würde er einfach Länder aufzählen. Auch wenn er es nicht schaffen sollte, so hat er zumindest demnächst den harten Winter überstanden. Surprise 448/19


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«Das Asylwesen in Serbien funktioniert praktisch nicht.» R ADOŠ ĐUROVIĆ, ASYLUM PROTECTION CENTER

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4 1 Hier im Niemandsland lässt man sie wenigstens in Ruhe: Zwei Jugendliche vor der Baracke. 2 Selbstgestochenes Erinnerungstattoo. 3 Janats Arm ist von Selbstverletzungen gezeichnet. 4 Rauchen an der frischen Luft: Reza und Janat. 5 Amin lebt seit drei Monaten in der Baracke. 5 Surprise 448/19

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In Sippenhaft Mossul Der Vater und vier Brüder des Irakers Khaled al-Hamdani schlossen sich

2014 der Terrormiliz Islamischer Staat an. Er selber nicht. Nun fürchtet er, dass er für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen wird. TEXT  MERET MICHEL FOTOS  SEBASTIAN BACKHAUS

Mossul

IRAK

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2 1 Anstehen für Essen: Auch so kann der Kampf ums Überleben aussehen. 2 Eine Familie flieht aus den Kämpfen in den bereits befreiten Ostteil von Mossul.

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Khaled al-Hamdani wollte nur kurz zum Markt an jenem Frühlingstag 2018. Dann merkte er, wie der Taxifahrer immer wieder verstohlen zu ihm hinüberschaute. «Khaled, bist du das?» Al-Hamdani stutzte. Die Wahrheit könnte ihn in Gefahr bringen. Seit die Armee die nordirakische Grossstadt Mossul im Sommer zuvor von Daesch befreit hat, wie der Islamische Staat (IS) im Arabischen genannt wird, ist jeder verdächtig, der auch nur entfernt in Verbindung mit der Terrormiliz steht. Und alHamdani, mit seinen vier Brüdern, die sich ihr angeschlossen hatten, ist besonders verdächtig. «Woher kennst du meinen Namen?», fragte er zurück. «Ich bin ein Freund deines Vaters», antwortete der Fahrer. «Und ich weiss, wo deine Eltern sind. Wenn du willst, bringe ich dich zu ihnen.» Ein paar Monate später, Juli 2018, ein Einkaufszentrum im Universitätsviertel der Stadt. Al-Hamdani sitzt auf den Fliesen und kramt einen Wasserkocher hervor. Der winzige Raum war wohl eher als AbstellSurprise 448/19

kammer gedacht, als dass jemand hier dauerhaft lebt. Eine zusammengefaltete Decke nimmt die Hälfte des Platzes ein. Khaled al-Hamdani hat hier einen Job als Hausmeister gefunden. Er ist ganz zufrieden damit, immerhin lassen ihn die Laden­ besitzer mit Fragen in Ruhe, solange der Boden gefegt ist. Nur manchmal wundern sie sich, warum der ledige Mann nicht bei seinen Eltern lebt, wie es sonst in der Region üblich ist. Al-Hamdani sagt dann, dass er sich mit ihnen nicht so gut verstehe. Der Aussenseiter Er erzählt nicht, wie er die Leiche seines jüngeren Bruders Qusay begrub, als sie vom Schlachtfeld zurückgebracht wurde. Dass Younis sich mit einem Lastwagen in die Luft gesprengt hat, zumindest wenn das Video echt ist, das al-Hamdani im Netz fand. Dass Hassan jetzt in der Türkei lebt, reuig und unbehelligt, dass Abdulaziz und die Eltern verschollen sind. Er verschweigt, dass die Armee ihr Haus konfiszierte und

jetzt ein Mitglied einer lokalen Miliz darin wohnt. «Ich lebe zwar mitten in der Gesellschaft», sagt al-Hamdani, «aber ich fühle mich wie in Einzelhaft.» Es ist eines von mehreren Treffen zwischen Frühling und Herbst 2018 in Mossul, an denen Khaled al-Hamdani mir seine Geschichte erzählt. Davon, wie sein Vater ihn als Kind geschlagen hatte, weil er sich nicht dessen dogmatisch religiösen Vorstellungen unterordnen wollte. Wie Khaled al-Hamdani versuchte, seine Brüder davon abzuhalten, sich Daesch anzuschliessen. Wie er aus Mossul floh und später nach dem Sieg über Daesch zurückkehrte, um seine Eltern zu suchen. Und wie ihn plötzlich ehemalige Freunde mieden, weil sie seine Nähe fürchteten: Schliesslich kam er aus einer Daesch-Familie. Auf den ersten Blick lässt sich das kaum vermuten. Al-Hamdani, 41 Jahre alt, ist kräftig gebaut, meistens trägt er ein Hemd, das sich über seinem Brustkorb spannt, und Jeans. Sein Rücken ist stets 17


1 Der 10-jährige Muhammad überlebte den Kampf um die Altstadt, seine Eltern nicht. 2 Ein irakischer Soldat findet im Schutt eine alte Daesch-Flagge. 3 Jungenfüsse nach Tagen auf der Flucht ohne Schuhe. 1

kerzengerade, eine gute Haltung ist ihm ebenso wichtig wie eine gesunde Ernährung, seit er angefangen hat, Yoga zu machen. Sein Gesicht ist glattrasiert. Er glaubt nicht nur an Gott, sondern auch an die heilende Kraft von Energien im Universum – was Daesch schon reichen würde, um ihn als Ungläubigen zu verfolgen. Am ehesten könnte man ihn als Esoteriker bezeichnen. Seine Geschichte erzählt viel darüber, auf welche Weise der Irak die vergangenen Jahre aufarbeitet: Leute melden ihre Nachbarn den Behörden. Gerichte verurteilen mutmassliche Daesch-Mitglieder im Schnellverfahren zu lebenslanger Haft oder zum Tod, ohne ihre Schuld wirklich zu prüfen. Witwen und Kinder toter oder zumindest tot geglaubter Daesch-Kämpfer werden von der Gesellschaft ausgegrenzt, viele sitzen in Lagern fest und werden nicht in ihre Dörfer zurückgelassen. Wer wiederum Geld oder die richtigen Beziehungen hat, kann sich vor einer Strafverfolgung retten. Die Gesellschaft schwankt 18

Gerichte verurteilen mutmassliche Daesch-Mitglieder im Schnellverfahren zu lebenslanger Haft oder zum Tod, ohne ihre Schuld zu prüfen. zwischen Hass auf die Verbrecher von Daesch und der Angst, selber mit den Tätern in Verbindung gebracht zu werden. In dieser Gemengelage muss auch Khaled al-Hamdani fürchten, für die Verbrechen seiner Brüder zur Rechenschaft gezogen zu werden. Khaled al-Hamdani und alle anderen Personen in diesem Artikel heissen in Wirklichkeit anders. Ihre richtigen Namen zu erwähnen, könnte sie in Gefahr bringen. Die Extremisten könnten Khaled al-­Hamdani

als Verräter sehen, der sie entlarvt. Für andere wiederum – für den Staat ebenso wie für jene Bewohner Mossuls, die Daesch ablehnen – wäre seine familiäre Nähe zu Daesch-Mitgliedern entweder Rechtfertigung genug, um ihn dafür bezahlen zu lassen. Oder um ihm gar nicht erst zu glauben. Dies, obwohl sich al-Hamdani die meiste Zeit seines Lebens gegen den Radikalismus in seiner Familie zur Wehr gesetzt hat. Sein Vater war schon zu Saddam Husseins Zeiten ein Anhänger des saudischen Wahhabismus, dieser rigiden Auslegung des Islams, aus welcher Daesch später seine mörderische Ideologie destillierte. Er trug damals streng den Aussprüchen des Propheten Muhammad folgend bereits einen langen Bart und die Hosenbeine endeten über dem Knöchel – genau so, wie es Daesch später auch vorschreiben würde. Sein Sohn Khaled konnte damit nichts anfangen. Khaled al-Hamdani war 13, als sein Vater ihn als Strafe von der Schule nahm, weil er sich nicht seinen strengen Regeln entspreSurprise 448/19


Sebastian Backhaus Der Berliner Fotojournalist ist seit 2014 im Irak unterwegs. Seine vom Text unabhängig entstandene Fotoserie zeigt Eindrücke aus Mossul während des Kampfes mit und nach der Befreiung von Daesch. Insgesamt 15 Mal war Backhaus dafür vor Ort, auch als «embedded journalist» an der Seite irakischer Kampfeinheiten. Mit seiner Arbeit zielt Backhaus darauf ab, den Kontrast von menschlicher Brutalität zu Anteilnahme und Mitgefühl abzubilden. www.photo-backhaus.com

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chend verhielt. Von da an arbeitete Khaled in der Autowerkstatt des Vaters. Wenn er nicht gehorchte, wurde er geschlagen. Die einzige Freiheit, die der Junge sich nahm, waren die amerikanischen Filme, die er nachts heimlich schaute. Mit 22 brach er mit dem Vater, indem er einmal zurückschlug, statt die Prügel zu erdulden. Von da an liess der Vater ihn in Ruhe. Khaled al-Hamdani lebte zwar weiter bei der Familie. Doch er führte sein eigenes Leben, traf Freunde, arbeitete als Metzger, machte Sport. Der Frust der Sunniten Wenige Jahre bevor Daesch nach Mossul kam, entdeckte er im Internet etwas, das ihm fortan Halt geben sollte: Yoga und Meditation. Per Youtube brachte er sich selbst Techniken bei, denn Yoga-Lehrer gab es keine in Mossul. Gut möglich, dass al-Hamdani der einzige Bewohner der konservativen Stadt ist, der überhaupt Yoga praktiziert. Häufig setzte er sich in den Garten und meditierte, selbst wenn dies seinen Surprise 448/19

Brüdern und seinem Vater missfiel. Für sie verstösst dies gegen die Regeln des ­Islams – es ist «haram», verboten. Khaled al-Hamdani kümmerte dies nicht. Seine vier Brüder hingegen folgten ganz dem Vater. Sie beteten fünf Mal am Tag, kleideten sich wie er, dachten wie er. Doch erst mit dem Sturz von Saddam Hussein durch die US-geführte Koalition 2003 wurde ihre weitere Radikalisierung unausweichlich. Unter dem Diktator war das mehrheitlich sunnitische Mossul ein Sehnsuchtsort für viele Iraker gewesen. Jeder wollte mindestens einmal im Leben die «Stadt der zwei Frühlinge», wie Mossul gemeinhin genannt wird, besucht haben. Saddam Hussein hatte das positive Image bewusst gefördert. Mossul war eine wichtige Machtbasis für ihn, zahlreiche seiner Armee-Generäle stammten von hier. Dies änderte sich abrupt nach seinem Sturz 2003. Die ehemaligen Staatsangestellten des Regimes und Mitglieder der Baath-Partei wurden von den Amerikanern entlassen. Die

Armee ist seither von Schiiten aus dem ­Süden und dem Zentralirak dominiert. Mossul, nun die Heimat von zahlreichen entlassenen Armee-Angehörigen, wurde zu einem Zentrum des Aufstands. Aus dem Aufstand gegen die Amerikaner wurde für viele Milizen in Mossul ein Kampf gegen die neue, schiitisch geprägte Regierung in Bagdad. Die meisten radi­ kalisierten sich über die Jahre, al-Qaida nutzte das Chaos und setzte sich im Irak fest. Die Terrorgruppe profitierte nicht zuletzt vom Frust der sunnitischen Bevölkerung, die sich seit 2003 marginalisiert fühlt: Die irakische Armee trat in Mossul wie eine Besatzungsmacht auf, Schikanen an Checkpoints waren Alltag. Die Mossuler sahen sich zwischen den radikal-sunnitischen Milizen und einer schiitischen Armee gefangen. Es war diese Destabilisierung, die Daesch den Boden bereitete. So erinnert sich Khaled al-Hamdani etwa, wie er eines Nachts im Sommer 2004 aus dem Schlaf hochschreckte. Jemand 19


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1 In einem ausgebrannten Waffenlager von Daesch. 2 Frauen und Kinder auf dem Weg ins Flüchtlingslager.

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polterte an die Tür, amerikanische Soldaten stürmten herein, eine Razzia gegen mutmassliche Aufständische, sie verhafteten den Vater und drei Brüder zusammen mit 13 weiteren Männern aus dem Viertel. Die meisten seien nicht aktiv am Aufstand beteiligt gewesen, so al-Hamdani. «Die Amerikaner haben einfach alle mitgenommen, die einen Bart trugen.» Mehrere Monate sassen die Männer in Camp Bucca ein. Das Gefängnis im Süden des Landes gilt heute als Brutstätte von Daesch. Hier lernten sich mehrere der später­en Rädelsführer kennen – unter ihnen der designierte Anführer Abu Bakr al-Baghdadi. Al-Hamdanis Vater und seine Brüder radikalisierten sich während ihrer Monate im Gefängnis weiter. Vorher, sagt Khaled al-Hamdani rückblickend, hatte sein Vater nur der Familie seine Regeln aufgezwungen. Danach massregelte er alle im Viertel. Wieder steht Khaled al-Hamdani auf der Strasse und winkt ein Taxi herbei. Hier im Mossuler Osten ist nach dem Krieg Surprise 448/19

«Die Amerikaner haben einfach alle mitgenommen, die einen Bart trugen.» KHALED AL-HAMDANI

längst der Verkehr und der Alltag zurückgekehrt. Zahlreiche Geschäfte haben wieder aufgemacht, Shisha-Bars bleiben bis tief in die Nacht geöffnet. In diesem Teil der Stadt, der im Gegensatz zum Westen kaum Luftangriffen ausgesetzt war, erinnern nur einzelne Ruinen zerstörter Häuser daran, dass hier vor weniger als zwei Jahren eine der grössten Schlachten um eine Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg tobte. Seit der Befreiung Mossuls von Daesch ist es in der Stadt so ruhig wie nie seit dem Sturz von Saddam Hussein. Es dauerte über ein Jahr, bis zum ersten Mal

seit der Rückeroberung wieder eine Autobombe explodierte. Die Jahre zuvor waren Selbstmordattentate, Entführungen und Autobomben beinahe an der Tagesordnung ­gewesen. Angst und Misstrauen Khaled al-Hamdani will zu seinem besten Freund Aziz Bashir, der immer noch in dem Viertel lebt, wo auch al-Hamdani aufgewachsen ist. Auf dem Weg dorthin unterhält er sich mit dem Taxifahrer. Der Fahrer fragt, ob al-Hamdani aus der Stadt stamme, al-Hamdani erwidert die Frage. Doch als das Taxi sich dem Ziel nähert, lässt al-Hamdani den Fahrer an der Kreuzung halten, statt bis vors Haus zu fahren. Er traue dem Mann nicht, sagt al-Hamdani hinterher. Er komme nicht aus Mossul, sondern aus dem Umland. Von denen hätten sich viele Daesch angeschlossen. In seinem Misstrauen unterscheidet sich al-Hamdani nicht von vielen anderen in Mossul. Hier, wo die Leute stolz von i­ hrer 21


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früheren Eintracht erzählen, traut heute keiner mehr dem anderen über den Weg. Denn viele ehemalige Daesch-Mitglieder sollen sich noch immer in Mossul befinden, erzählen Bewohner: entweder untergetaucht oder indem sie ihre Vergangenheit leugnen und ganz normal weiterleben. Die Sicherheitskräfte führen regelmässig Razzien gegen mutmassliche Schläferzellen von Daesch durch. Und obwohl Daesch im Irak kein Territorium mehr beherrscht, verübt die Organisation weiter Anschläge in verschiedenen Provinzen des Landes. Gleichzeitig ist der Wunsch nach Vergeltung bei vielen Bewohnern gross. Eine Studie der Universität der Vereinten Nationen vom Mai 2018 kommt zum Schluss, dass rund ein Drittel der Befragten in ­Mossul die Todesstrafe für Witwen toter Daesch-Kämpfer angemessen fände. Al-Hamdani klopft an das Tor, sein Freund Aziz Bashir öffnet. Bashir kennt die al-Hamdanis seit seiner Kindheit. Younis, der sich in die Luft gesprengt haben soll, 22

Auch Monate nach dem Sieg über Daesch ist in der zerbombten Altstadt noch wenig vom Wiederaufbau zu sehen. habe ihm früher Koran-Unterricht gegeben. «Younis war gebildet», sagt Aziz Bashir. «Ich hätte nie gedacht, dass der einmal so etwas tun würde.» Nach der Befreiung von Daesch meldete Bashir zahlreiche ehemalige Daesch-Mitglieder der Armee – auch jene, die ihm zur Zeit von Daesch einen Gefallen getan haben. Sie hätten nichts anderes verdient, sagt er. Aziz Bashir ist einer der wenigen Vertrauten, die Khaled al-Hamdani geblieben

sind. Warum sollte er ihn für etwas bestrafen, das seine Brüder getan haben? Mit dieser Sicht ist Aziz Bashir eine Ausnahme. Die meisten Freunde wollen seit seiner Rückkehr nichts mehr mit al-Hamdani zu tun haben. Einer nach dem anderen habe ihm zu verstehen gegeben, dass er sich nicht mehr melden solle, sagt al-Hamdani. Eine Mischung und Angst und Feigheit, vermutet er. Als Daesch 2014 die Macht übernahm, versuchte Khaled al-Hamdani zu verhindern, dass seine Brüder sich der Terrormiliz anschlossen. Er warnte sie, dass er den neuen Herrschern nicht traue. Dass sie gefährlich wären. Es half nichts. Sein bester Freund Aziz Bashir drängte Khaled al-­ Hamdani damals, er solle die Stadt verlassen. Wer weiss, ob seine Brüder sich nicht irgendwann gegen ihn wenden würden. Schon jetzt würden ihre Gespräche verstummen, wenn Khaled den Raum betrete. Gleichzeitig musste er befürchten, die Armee könnte auch ihn für einen Daesch-­ Surprise 448/19


1 Alltag nach der Befreiung: Ein Kind auf der Suche nach Essen. 2 Zwischen Trauer und Aufbruch: Kinder helfen beim Wiederaufbau. 3 Blick vom Tigris auf die zerstörte Stadt. 4 Ein NGO-Mitarbeiter macht sich ein Bild von der Zerstörung der Altstadt.

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Kämpfer halten und verhaften, sollte sie Mossul zurückerobern. In einer Augustnacht 2015 floh Khaled al-Hamdani in die Türkei. Von Ankara aus verfolgte er, wie im Oktober 2016 der Feldzug zur Rückeroberung Mossuls begann. Als die Armee im Dezember 2016 sein ehemaliges Wohnviertel erreichte, erzählte ihm Aziz Bashir am Telefon, wie er al-Hamdanis Eltern in ein Auto steigen und davonfahren sah. Es war das letzte, was Khaled al-Hamdani von ihnen hörte. Wiedersehen mit den Eltern Wenige Wochen nach der vollständigen Befreiung kehrte er nach Mossul zurück, um seine Eltern zu suchen. Er hoffte, dass zumindest seine Mutter am Leben sei – die einzige Person in der Familie, die ihm noch etwas bedeutete. Und so war er an jenem Frühlingstag 2018, als ihm der Taxifahrer von seinen Eltern erzählte, nicht zum Markt gefahren. Stattdessen überquerten sie die Brücke Surprise 448/19

über den Tigris und das Taxi kämpfte sich über Schlaglöcher vorbei an Schutthaufen, eingestürzten Dächern und Ruinen. Hier in der Altstadt, genannt die Seele der Stadt, zeigt sich das Ausmass der Zerstörung Mossuls. Rund 6000 Häuser wurden zerbombt, ganze Familien wurden bei den Luftangriffen unter den Trümmern begraben. Auch Monate nach dem Sieg über Daesch ist hier vom Wiederaufbau noch immer wenig zu sehen. «Ich hatte die Hoffnung, dass mein Vater inzwischen bereut, was geschehen ist», sagt al-Hamdani rückblickend. «Schliesslich sind er und seinesgleichen dafür verantwortlich, was mit Mossul geschehen ist.» Als das Taxi ankam und seine Mutter die Tür öffnete, erschrak al-Hamdani: Ganz abgemagert war sie, ihr Blick leer und erschöpft. Sie schaute ihn an. Dann brach sie zusammen. Er stützte sie und brachte sie ins Innere. Sein Vater sass auf einer Matratze am Boden, den Kopf auf die Hand gestützt. Als al-Hamdani das Zimmer

­ etrat, blickte er auf. Sie schauten sich an. b Al-Hamdani glaubte, noch immer Hass in den Augen seines Vaters zu sehen. Nachdem er seine Eltern wiedergefunden hatte, gelang es Khaled al-Hamdani mit Hilfe eines Anwaltes, das konfiszierte Haus der Familie zurückzubekommen. Er tue das einzig für seine Mutter, betont er. Wäre sein Vater allein, al-Hamdani würde ihn vielleicht gar selber der Polizei melden. Nachdem die Armee ihr Haus beschlagnahmt hatte, war ein Mitglied einer lokalen Miliz eingezogen. Der Mann, fand al-Hamdani heraus, war früher selber bei Daesch gewesen. Nun versucht er, das Haus zu verkaufen. Er möchte seinen Eltern von dem Erlös ein Haus in einer anderen Gegend kaufen, wo man sie nicht kennt, um ihnen einen ruhigen Lebensabend zu ermöglichen. Doch bisher hatte er keinen Erfolg. Denn die Grundstücke, die ehemaligen Daesch-Familien gehören, sind auf dem Markt kaum mehr etwas wert. 23


FOTO: FILMBRINGER

Ideale, Träume, Hoffnungen – und Luftkissen: Dinge, die eine Freundschaft tragen.

Die Freaks aus der Hochhaussiedlung Film 40 Jahre nachdem sein verstorbener Onkel mit «Dr Tscharniblues» das Befinden der­­damaligen

Jugend filmisch erkundet hat, erzählt sein Neffe Aron Nick die Geschichte weiter. TEXT  MONIKA BETTSCHEN

1979 sorgte «Dr Tscharniblues», dieses ungestüme und idealistische Selbstporträt von sechs Bärner Giele, für grosses Aufsehen. Es war eine Zeit, in welcher der Unmut der Jugend über gesellschaftliche Zwänge mit aller Macht an die Oberfläche drängte und sich in den Achtziger-Unruhen entlud. In seinem Super-8-Film machte der 2014 verstorbene Regisseur Bruno «Brünu» Nick sein Zuhause, die Berner Hochhaussiedlung Tscharnergut, zu seiner Bühne und versammelte zusammen mit seinem Bruder Bäne die gemeinsamen Freunde Stüfi, Ribi, Yves und Eggi aus dem Quartier vor der Kamera. 40 Jahre später gibt es nun unter der Regie von Aron Nick – dem Neffen von Brünu und dem Sohn von Bäne – ein Wiedersehen am Schauplatz von damals. ­Behutsam tastet er sich bei jedem Protagonisten zur Frage vor, was aus seinen Idealen, Träumen und Erwartungen an das Leben geworden ist. Da ist zum Beispiel Christoph «Eggi» Eggimann, der sich selbst als erfolglosen Pessimisten bezeichnet. Aber gerade in seiner Direktheit und Offenheit im Umgang mit Tiefschlägen wie dem Scheitern seiner Ehe besitzt er Grösse. 24

Und da ist Stüfi. Es ist Stefan Kurt, der Schauspieler, der dank Papa Moll auch einem breiten Publikum ein Begriff ist und fast etwas entschuldigend sagt: «Klar, ich hatte schon Glück im Leben.» Zwischen den Freunden entspinnt sich ein Austausch darüber, was denn genau Erfolg definiert und ob das überhaupt eine Rolle spielt. «Der Film zeigt, dass Scheitern eine Frage der Perspektive ist und wir eigentlich nur vor uns selbst wirklich scheitern können», sagt Regisseur Aron Nick. Nach dem Wirtschaftswunder «Tscharniblues II» erzählt von den verwirklichten und verlorenen Träumen der Achtziger-Generation, aber vor allem auch vom Wert einer Freundschaft. An der Aare bauen sich die fünf Freunde, wie einst in ihrer Jugend, eine Schwitzhütte und legen die Kleidung ab, so als wollten sie ausdrücken: Unter uns müssen wir keine Maske tragen, keine Rolle spielen, keine Funktion erfüllen. «Wir bewegen uns heute in Filterblasen, sind umgeben von Menschen, die die eigene Haltung spiegeln. Und wir sind eine Multioptionsgesellschaft geworden, die sich alle Türen offen hält. Dadurch

mindern wir aber die Wahrscheinlichkeit, beständige Freundschaften zu haben, wie sie die Tscharni Giele pflegen», findet Aron Nick. Seine Grosseltern hätten noch an die Versprechungen des Wirtschaftswunders geglaubt: bescheidener Wohlstand für alle. Ein Parkplatz, ein Fernseher. «Schon die Generation meines Vaters konnte nichts mehr mit diesen Versprechungen anfangen. Da drängten sich mir Fragen auf: Wo steht meine Generation, was habe ich mit dem Erbe der Achtziger-Bewegung angefangen? Ich wuchs umgeben von diesen ‹Freaks› auf und musste nie für meine Freiheiten kämpfen. Trotzdem fiel es mir schwer, zu spüren, was ich überhaupt zu sagen habe. Diese Männer hatten sich rebellisch in das Wagnis Film gestürzt, während ich erst einmal eine Produktionsfirma aufgebaut habe und eher auf Sicherheit setzte. Doch auch für mich sind Konsumwahn oder gesellschaftliches Scheitern noch zentrale Themen – der Umgang damit hat sich einfach sehr stark verändert.» Aron Nick: «Tscharniblues II», Dokumentarfilm, CH 2019, 83 Min. Ab 11. April im Kino. Surprise 448/19


Blinde Flucht Theater Im Stück «Escape» macht der Zuschauer mit, durch

welche Gefühle und Entscheidungen ein Mensch auf der Flucht hindurchgeht: Interaktionstheater mit verbunden Augen. TEXT  LORIC LEHMANN

FOTOS: ANGELA BRÜHLMANN

In «Escape» kommt man wildfremden Menschen ziemlich nahe. Und das Geschehen zwingt alle zum Handeln.

Ich sitze auf einem kalten, harten Holzboden. Neben mir meine grosse Schwester. Ich versuche mich an ihren Namen zu erinnern. Diana! schiesst es mir in den Kopf. Ich spüre Dianas Körper nahe bei mir. Auf der anderen Seite sitzt mein Bruder. Er und ich, wir können beide nichts sehen. Nur Diana kann das. Sie erklärt mir, dass wir aus unserer Heimat flüchten müssen. Gerade wurde jemand aus unserem Dorf erschossen, jemand anderes angeschossen. Von bösen Männern, die uns zu ihrem fanatischen Glauben zwingen wollen. Zusammen tragen wir die verletzte Person zum Meer, wo ein Boot auf uns wartet, das uns ins gelobte Land bringen soll: Westland. Was uns in den nächsten knapp zwei Stunden widerfuhr, war ein Theatererlebnis der anderen Art. Es handelt sich dabei um das Theaterprojekt «bOdyssey». Ein Kunstwort aus «Body» und «Odyssey». Und so fühlte es sich auch an. Wie eine ganzkörperliche Reise aus einem fiktiven krisengeschüttelten Land zu einer erdachten Destination in Westeuropa. Der Clou dabei: Den Zuschauern (die hier nun Teilnehmer sind), werden die Augen verbunden und einer Schauspielerin oder einem Schauspieler zugewiesen. Zusammen bilden sie eine Familie. Dabei werden Hindernisse überwunden, Gewässer überquert, Tote betrauert und viele Dinge mehr, die die Schauspieler des Projekts zusammen für das Stück entwickelt haben. Das Ensemble stellt sich, ganz im Geist des interkulturellen Maxim-Theaters, aus professionellen Schauspielern und Laien ganz unterschiedlicher ­Herkunft zusammen. Surprise 448/19

Das Projekt stammt ursprünglich aus Ungarn, wie Réka Kókai, die Leiterin von bOdyssey erklärt. «Das Stück wurde ursprünglich von meinem Schauspiellehrer und Mentor Imre Keserü in Budapest entwickelt.» Das Projekt gibt es immer noch in Budapest, dabei wird aber eine andere Geschichte erzählt: die des Odysseus auf seiner Irrfahrt. In Zürich wollte das Theateren­ semble etwas Neues entwickeln, angestossen von der Flüchtlingskrise 2015. «Imre hat damals in Budapest den Leuten am Ostbahnhof Decken und Essen gebracht. Dabei hörte er viele tragische Geschichten», sagt Kókai. Die Sprache des Projekts macht es zu einer speziellen Sache: Im Zentrum stehen Berührungen und ein Theatererlebnis des «Gefühlten und Gehörten», wie Kókai sagt. Mit ihrem Projekt will die Theatergruppe den Teilnehmern zeigen, wie sich eine Flucht anfühlt. Nach Ende des Stücks steht man noch etwas herum und redet mit den Schauspielern bei Bier und Zigarette über das Erlebte. Zuschauer Alberto fand besonders interessant, wie sich mit der Zeit die Sinne des Hörens und Fühlens schärfen. «Dabei muss man schon Vertrauen haben zu den Schauspielern», sagt er. «Aber gerade das braucht es ja auch auf einer Flucht: Vertrauen und Zusammenhalt in der Gruppe.» «Escape», Theaterprojekt bOdyssey, Do, 2. Mai, Fr, 3. Mai, Fr, 17. Mai, Do, 20. Juni. Achtung: Findet entweder im Maxim Theater oder an der Rämistrasse 30 in Zürich statt. Infos über Facebook ­(bOdyssey Zürich) oder per E-Mail: bodyssey.zh@gmail.com 25


St. Gallen Mark van Yetter – «False Friends... and Six Bottles», Ausstellung bis So, 5. Mai, Di bis Fr, 12 bis 18 Uhr, Sa und So, 11 bis 17 Uhr, Kunst Halle Sankt Gallen, Davidstrasse 40. kunsthallesanktgallen.ch

Intim und politisch zugleich: hier ein melancholisches Paar, da ein Alltagsobjekt, eine verträumte Kulisse und dann plötzlich Gewaltanspielungen, politische Momentaufnahmen. Der amerikanische Maler Mark van Yetter zeigt uns eine surreale, manchmal unheimliche Welt. Die scheint auf seltsame Art immer gleichzeitig weit weg zu sein und doch immer auch genau das, was man selbst kennt. Es sind schmale Breitformate, die ganze Szenen erzählen, oder auch kleine Bilder, die bescheiden wirken. Letztere gewähren aber einen verstohlenen Blick in eine Geschichte, die möglicherweise ein grosses Drama bereithält. DIF

Zürich «Offene Leinwand», Do, 18. April, Vorführung ab 20 Uhr, Aktionshalle, Rote Fabrik, Seestrasse 395. rotefabrik.ch

Kinoabend mal anders: Die Offene Leinwand in der Aktionshalle der Roten Fabrik hat sich zur Plattform für Liebhaberinnen aussergewöhnlicher Kleinproduktionen gemausert. Das Konzept ist einfach: Nicht zwingend professionelle Filmerinnen und Filmer zeigen ihre Arbeiten vor Publikum. Die Offene Leinwand wird so zur Filmpremiere für den cineastischen Unter-Untergrund. Einzige Bedingung: Die Autorinnen und Autoren müssen bei der Projektion anwesend sein. Filme können zwei Stunden vor Beginn, also ab 18 Uhr, vor Ort eingeschrieben werden. Ab 20 Uhr erfolgt die Projektion in der Reihenfolge der Anmeldungen.

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Gefordert sind auch jene, die nichts mitbringen und sich nur zum Zuschauen hinsetzen: Der Film, der am meisten Applaus erhält, wird im Sommer als Vorfilm im Rahmen des Freiluftkinos «Film am See» gezeigt. Zu gewinnen gibt es aus­ serdem einen 200-Franken-Gutschein der Videoschnitt-Werkstatt Fabrikvideo. Eintritt frei. AMI

St. Gallen Veranstaltungsreihe Erfreuliche Universität: «Steuer-AHV-Deal – Kontradiktorisches Podium», Di, 23. April, 20.15 Uhr. palace.sg Befreiungsschlag oder Kuhhandel? Über den Steuer-AHV-Deal, der am 19. Mai zur Abstimmung kommt, gehen die Meinungen auseinander: Die einen argumentieren, dass die Schweiz in der Steuerpolitik nicht länger unter internationalem Druck steht und die AHV erst noch gestärkt wird. Die anderen befürchten steuerliche Ausfälle in den Kantonen, die durch die milde Gabe an die AHV lediglich kaschiert werden. Auch die Linke ist sich in der Frage uneins: Im Palace kommt es deshalb zu einem kontradiktorischen Podium zwischen Peter Hartmann,

Kantonsrat SP, und Willi Eberle, Arbeitsgruppe Marxismus und Bewegung für den Sozialismus. Das Gespräch leitet Kaspar Surber, Redaktor bei der WOZ. Eintritt frei, Kollekte. AMI

Schweiz «Ausgegrenzt & weggesperrt», Ausstellungspavillon, im April in Chur, Bellinzona, Luzern; im Mai in Burgdorf, Biel, Genf, Lausanne, Fribourg. Eintritt jeweils frei. Genauere Angaben online. uek-av.ch/ausstellung Die Unabhängige Expertenkommission (UEK) Administrative Versorgungen hat seit 2014 im Auftrag des Bundesrats die Geschichte der administrativen Versorgungen untersucht und sich mit der Frage befasst, warum und wozu in der Schweiz bis 1981 eine grosse Anzahl Jugendlicher und Erwachsener in Anstalten oder Gefängnisse weggesperrt wurde, ohne eine Straftat begangen zu haben. Nachdem die Forschungsarbeiten nun abgeschlossen sind, vermittelt die UEK Grundwissen über die administrativen Versorgungen. Es soll das Bewusstsein für Grundrechte, Ungleichheit, Armut und Machtverhältnisse in der Gegenwart geschärft werden. DIF

Zürich «Das Maddock Manifest», Soloperformance von Benjamin Burger, Fr und Sa, 3. und 4. Mai, Do bis Sa, 9. bis 11. Mai, jeweils 20 Uhr, Fabriktheater Rote Fabrik, Seestrasse 395, Reservationen: fabriktheater@rotefabrik.ch, Tel.: 044 485 58 28. rotefabrik.ch

1995, Detroit. Als Zeichen gegen einen alles durchdringenden Kapitalismus nimmt sich der Künstler Hermann Maddock in einer Galerie das Leben. Er hinterlässt ein Manifest, das jedoch kaum Beachtung findet. 30 Jahre später findet man bei verschiedenen Suizidfällen ebendieses Manifest wieder. Der Künstler Benjamin Burger inszeniert nun auf der Bühne eine Art Werkschau von Maddock. Je mehr er dessen Fall rekonstruiert, desto mehr verbindet sich Maddocks ­tragische Kapitalismuskritik mit Burgers eigener Person, seinem eigenen Leben. Die Frage stellt sich, inwiefern sich ein Einzelner dem kapitalistischen System überhaupt entziehen kann. DIF

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Surprise 448/19

BILD(1): MARK VAN YETTER / KHSG, GUNNAR MEIER, BILD(2): ZVG, BILD(3): MICHAEL MEILI 2019 BILD(4): STAATSARCHIV DES KANTONS BERN

Veranstaltungen


ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT

Agglo-Blues

Folge 31

Das System Was bisher geschah: Vera Brandstetter ermittelt im Fall eines ermordeten Joggers und erfährt vom Fitnesscoach – und bis vor kurzem Liebhaber der Ehefrau, dass bei Schwanders nicht alles zum Besten stand. Olena Schwander war ungeschminkt, sie trug eine fleckige pinke Trainerhose und ein graues Sweatshirt, von Calvin Klein immerhin, aber es hatte schon bessere Tage gesehen. So wie Olena selbst, deren Augen verweint waren. Ohne Schminke sah sie ganz anders aus. Älter, härter und gleichzeitig verletzlicher. Menschlicher. Sie trat von der Tür zurück und ging, ohne etwas zu sagen, ins Wohnzimmer. Auf dem Salontisch standen ein Glas, eine Flasche Wodka, ein halb voller Aschenbecher und eine Packung Kleenex, zerknüllte Papiertücher lagen auf dem Teppich. Olena Schwander setzte sich mit angezogenen Beinen auf das Sofa, griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Brandstetter erkannte gerade noch Jessica Jones, ehe der Bildschirm schwarz wurde. «Haben Sie den Mörder gefunden?», fragte sie. «Ich habe mit Chris gesprochen», antwortete Brandstetter. «Elender Mistkerl.» Ein zerknülltes Papiertuch flog durchs Zimmer auf den Boden. «Warum hat Ihr Mann Sie nicht mehr angerührt?» «Er hatte Stress bei der Arbeit.» Brandstetter verzichtete darauf, zu fragen, wie es mit den traditionellen Werten zusammenging, sich einfach einen Liebhaber zu nehmen, wenn der Gatte nicht mehr konnte. Es tat nichts zur Sache und wäre eigentlich gar keine schlechte Tradition. Als ob sie Brandstetters Gedanken spürte, richtete Olena sich auf. «Ich arbeite hart dafür, meinen Körper in Form zu halten, aber ich bin nicht mehr zwanzig, meine Zeit läuft ab. Ich bin eine Frau, ich will begehrt werden, darauf habe ich ein Anrecht. Das hat nichts mit Liebe oder Treue zu tun. Ich lebe nur einmal, ich will nichts bereuen, wenn ich alt bin.» Glaubte sie tatsächlich, dass Sex jungen, gut aussehenden Menschen vorbehalten war und sie sich ihrem Ablaufdatum näherte, überlegte Brandstetter. «So etwas sollte doch verboten sein!», zischte Olena und riss sie aus ihren Gedanken. Surprise 448/19

«Was sollte verboten sein?» «Die Methoden, die dieser Jude eingeführt hat.» «Der neue Boss? Leon Bloom? Der ist doch gar kein Jude.» «Einer, der ‹Blum› heisst, kein Jude?» Olena schnaubte verächtlich. «Offiziell vielleicht nicht.» Brandstetter ging nicht darauf ein. «Was waren das für ­Methoden?» «Vor etwa sechs Monaten hat er ein System eingeführt, bei dem die älteren Arbeitnehmer ihren Wert für das Unternehmen beweisen müssen.» «Ihr Mann war doch erst achtundvierzig Jahre alt.» «Eben, damit gehört man heutzutage zu den Alten. Die Geldgeber wollen ein Drittel bis die Hälfte der Stellen streichen. Bloom hat darum ein Punktesystem eingeführt.» «Wie hat es denn funktioniert?» «Das weiss ich nicht. Reto wollte mich damit nicht belasten, aber manchmal musste er Dampf ablassen, weil das Ganze undurchsichtig und unfair war. Er hat mir nur gesagt, dass er Material sammelte und sich überlegte, es an die Presse weiterzuleiten.» «Warum hat er das nicht getan?» Brandstetter dachte an das Forum und die Bücher, die Schwander gelesen hatte, dort waren die Medien der Feind, alles Lügner. «Er musste ein umfangreiches Non-Disclosure-Agreement unterzeichnen. Wenn herausgekommen wäre, woher das Material stammt, wäre er sofort entlassen worden. Er hatte Angst, als Whistle­blower nie mehr einen Job zu finden. Sein Gerechtigkeitsempfinden war verletzt, er war hin und her gerissen und konnte sich nicht mehr entspannen. Ich habe alles versucht, um ihn abzulenken, glauben Sie mir. Er hat kaum mehr geschlafen, hat Nächte in seinem ‹Man Cave› am Computer verbracht. Seine Wut wurde immer grösser. Ich hatte Angst, dass er durchdrehen und seinen Boss erschiessen würde. Was, wenn er es versucht hat, und Bloom ihm zuvorgekommen ist?» «Halten Sie das für möglich?» Olena Schwander schüttelte den Kopf. «Ich weiss es nicht. Ich weiss nichts mehr. Ausser dass ich ihn geliebt habe.» Sie fing hemmungslos an zu schluchzen. Brandstetter war unwohl, sie wollte sie trösten und in den Arm nehmen, erinnerte sich aber daran, wie Olena sich versteift hatte, als sie das schon einmal versucht hatte. Leise verliess sie die Wohnung. STEPHAN PÖRTNER  schreibt und lebt in Zürich. Alle bisher

erschienenen Folgen des Fortsetzungskrimis gibt es zum Nachlesen und -hören unter www.surprise.ngo/krimi 27


IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist. 01

Kaiser Software GmbH, Bern

02

Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

03

Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

04

Physiopraxis M. Spring/S. Zeugin, Basel

05

Maya-Recordings, Oberstammheim

06

Cantienica AG, Zürich

07

Madlen Blösch, Geld & so, Basel

08

Schluep & Degen, Rechtsanwälte, Bern

09

Ozean Brokerage & Shipping AG, Muttenz

10

Beat Vogel, Fundraising-Datenbanken, Zürich

11

InhouseControl AG, Ettingen

12

Infopower GmbH, Zürich

13

Büro Dudler, Raum- und Verkehrsplanung, Biel

14

Hedi Hauswirth Psychiatrie-Spitex, Oetwil a. S.

15

SISA Studio Informatica SA, Aesch

16

Stellenwerk AG, Zürich

17

grafikZUMGLUECK.CH, Steinmaur

18

Waldburger Bauführungen, Brugg

19

Volonté Ofenbau, Schwarzbubenland

20

CISIS GmbH, Oberwil

21

RLC Architekten AG, Winterthur

22

Sternenhof, Leben und Wohnen im Alter, Basel

23

Praxis für die Frau, Spiez

24

Fontarocca Brunnen + Naturstein, Liestal

25

OpenTrack Railway Technology GmbH, Zürich

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Nicole Huwyler Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 50 I marketing@surprise.ngo

SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm

Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

Wussten Sie, dass einige unserer Verkaufenden fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkaufenden zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.

Eine von vielen Geschichten Josiane Graner, Juristin, wurde in ihrem Leben von schweren Schicksalsschlägen getroffen. Sie kämpft und steht immer wieder auf. Ein Geschäftsprojekt, das sich zum Flop entwickelte, führte sie 2010 zu Surprise. Ihr Geschäftspartner hatte sich ins Ausland abgesetzt und sie mit dem Schuldenberg allein gelassen. Um ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten, verkauft Josiane Graner in Basel das Strassenmagazin. Zudem ist sie für den Aboversand zuständig. Dank des SurPlus-Programms erhält sie ein ÖVAbonnement und Ferientaggeld. Diese Zusatzunterstützung verschafft der langjährigen Surprise-Verkäuferin etwas mehr Flexibilität im knappen Budget.

Die ganze Geschichte lesen Sie unter: surprise.ngo/surplus

Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 14 Verkaufende des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlusProgramm teilzunehmen.

Unterstützungsmöglichkeiten: · 1 Jahr: 6000 Franken · ½ Jahr: 3000 Franken · ¼ Jahr: 1500 Franken · 1 Monat: 500 Franken · oder mit einem Beitrag Ihrer Wahl.

Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 | Vermerk: SurPlus Oder Einzahlungsschein bestellen: T +41 61 564 90 90 info@surprise.ngo | surprise.ngo/spenden Herzlichen Dank!


Wir alle sind Surprise Strassenmagazin

«Weniger nah am Alltag der Verkaufenden» Sonst verwehre ich mich immer gegen den Satz: «Früher war es besser.» Aber ich muss gestehen, dass ich zunehmend das Interesse an den Inhalten, an der Präsentation und am Stil des Surprise verliere. Da konnte ich einst lesen, was nirgends anderswo zu lesen war, in einem spezifischen Sachjournalismus, ohne dass die Schreibenden oder Fotografierenden sich selbst in ihrer Optik so wichtig nahmen. Heute sind die prominenten Themen, Bilder und ihre MacherInnen meiner Ansicht nach weniger nahe am Alltag der Surprise-­ Verkäufer und -Verkäuferinnen. Das sind die Menschen, die keinerlei Lobby haben. Ich erhalte im Surprise nun Kultur-Informa­ tionen, Kritik an der Konsum- und Wirtschaftsgesellschaft u.a., die so auch in der Programm Zeitung, bei der Erklärung von Bern, in einem Gesundheitsmagazin oder der WOZ stehen oder stehen könnten. Hingegen befürworte ich auf jeden Fall den Wechsel des Papiermaterials. B. PORTMANN,  Binningen

#444: Nora lebt

«Macht Freude» Die Ausgabe war spannend: Der humor­ volle Bericht zum traurigen Unfall von Nora Zukker oder der Bericht über die Kinder­ menus mit Fotos, die Freude machen, oder auch der Bericht vom Gericht, der die allgemeine Hilflosigkeit eines verpfuschten Lebens beschreibt. Weiter so! B. FAORO,  Zürich

Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion
 Verantwortlich für diese Ausgabe: Sara Winter Sayilir (win) Amir Ali (ami), Diana Frei (dif) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99
 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch

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«Gestolpert» Bei der Lektüre dieses Textes hätte ich fast eine Handständin gemacht, weil ich über ein ähnlich klingendes Wort gestolpert bin. Aber ich mag keine Aufständin machen deswegen, davon hält mich meine Anständin ab. R. THALMANN,  Basel (einer aus der Mittelständin)

Sozialer Stadtrundgang

«Eine Bereicherung» Für die Arbeit an meinem Roman «Beethoven in Sneakers», der zu einem grossen Teil in der Berner Obdachlosenszene spielt, habe ich an zahlreichen Surprise Stadtrundgängen on Zürich, Bern und Basel teilgenommen. Die Führungen waren für mich jedes Mal eine Bereicherung, nicht nur im Hinblick auf meine Schreibarbeit. Ich habe dabei Menschen kennengelernt, die mich beeindruckt haben und denen ich meine Hochachtung für ihren Durchhaltewillen entgegenbringe. Ich finde es gewaltig, was der Verein Surprise leistet und damit auch das Augenmerk auf die andere Seite unserer Gesellschaft lenkt. M. GEISER,  Langenthal

Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel

#445: Wie man Menschen von der Strasse holt

Ständige Mitarbeit
 Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Marie Baumann, Rahel Nicole Eisenring, Georg Gindely, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Semhar Negash, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Sebastian Backhaus, Monika Bettschen, Basile Bornand, Loric Lehmann, Meret Michel, Samantha Zaugg

Ich möchte Surprise abonnieren 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten Strassen­verkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name Strasse

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FOTO: BODARA

Surprise-Porträt

«Ich bete jeden Tag» «Seit einem Jahr beziehe ich keine Sozialhilfe mehr. Meinen Lebensunterhalt verdiene ich allein mit dem Verkauf von Surprise. Damit ich über die Runden ­ komme, muss ich mindestens 700 Hefte im Monat ver­ kaufen. Wenn es einmal schlecht läuft, werde ich gleich nervös: Was, wenn es die nächsten Tage auch nicht gut läuft? Reicht das Geld für mich und meine Kinder? Ich lebe seit zwölf Jahren in der Schweiz und habe im­ mer noch den Ausweis F, bin also nur vorläufig auf­ genommen. Es ist unheimlich schwer, mit diesem Sta­ tus Arbeit zu finden. Dabei möchte ich unbedingt arbeiten, das Herumsitzen macht mich wahnsinnig. Vor allem muss ich für meine vier Kinder sorgen. Aufge­ wachsen bin ich auf dem Land in Eritrea. Ich musste meinen Eltern bei der Arbeit helfen, eine Schule habe ich nie besucht. Als ich 17 Jahre alt war, riskierte ich, bald in die Armee eingezogen zu werden. Ich wollte aber nicht kämpfen. Also flüchtete ich in den Sudan. Ich stamme aus einer sehr gläubigen Familie. Ich liess mir schon als Jugendliche das Kreuz der orthodoxen Christen auf die Stirne tätowieren, wie meine Mutter und meine Schwester. Meine Familie war sehr unglück­ lich, als ich mich im Sudan in einen muslimischen Mann verliebte. Er stammte aus Äthiopien, und ich lern­te ihn kennen, als ich eine Freundin besuchte. Er gefiel mir, und kurze Zeit später heirateten wir – trotz des Protests unserer Familien. Nach fünf Jahren beschlossen wir, nach Libyen zu ­ziehen, weil wir uns dort eine bessere Zukunft erhofften. Mein Mann ist Schneider und gründete in Benghazi ein Geschäft, das sehr gut lief. Schon bald hatte er 20 Nähmaschinen und Angestellte. Ich aber hatte Heim­ weh. Doch eine Rückkehr nach Eritrea war unmöglich. Die Behörden hätten meinen Mann nicht einreisen ­lassen, weil er Äthiopier war. Nach Äthiopien konnten wir auch nicht: Da wollten sie mich nicht reinlassen. Nach etwa zehn Jahren in Libyen beschloss mein Mann, seine Familie in Äthiopien zu besuchen. Dort wurde er verhaftet. Ich sass mit den Kindern in Benghazi fest. Das Geschäft meines Mannes musste ich verkaufen. Nach einem Jahr waren die Ersparnisse beinahe auf­ gebraucht. Es war die Zeit, als viele Menschen von ­Libyen aus versuchten, übers Meer nach Europa zu ge­ langen. Ich beschloss, es mit den Kindern ebenfalls zu wagen. Die Überfahrt dauerte zehn Tage. Zwei Jahre später wurde mein Mann aus dem Gefängnis entlassen und reiste sofort nach Libyen. Erst dort er­ fuhr er, dass wir geflohen waren und nun in der Schweiz 30

Roma Weldu, 55, verkauft Surprise in Schwamendingen, Wallisellen und Hüntwangen. Aufgewachsen ist sie in Eritrea.

lebten. Er beschloss, das Risiko der Überfahrt ebenfalls einzugehen. Wir waren alle überglücklich, als wir uns hier wiedersahen. Doch lange dauerte das Glück nicht. Mein Mann war ständig traurig. In Benghazi war er Unter­ nehmer gewesen, hier bezog er Sozialhilfe. Das Zusam­ menleben mit ihm wurde immer schwieriger. Nach ­einer Weile trennten wir uns. Aber wir haben immer noch guten Kontakt. Er arbeitet in einer Wäscherei und sieht seine Kinder regelmässig. Surprise verkaufe ich seit acht Jahren, und zwar an drei verschiedenen Orten: in Schwamendingen, Wallisellen und seit Kurzem auch in Hüntwangen. Die Arbeit ­gefällt mir, und die Menschen sind sehr freundlich. Am Abend, wenn ich heimkomme, bete ich. Zuerst bitte ich Gott um Gesundheit für alle Menschen. Dann bete ich, dass niemand mehr Hunger leidet, und am Schluss, dass niemand traurig sein muss. Denn ich bin manchmal traurig. Meine Eltern habe ich seit meiner Flucht vor bald 40 Jahren nicht mehr gesehen. Mein ­Vater ist inzwischen leider gestorben, ich konnte nicht an seiner ­Beerdigung dabei sein. Meine Mutter ist 87 Jahre alt und schwer krank. Sie noch einmal zu se­ hen, wäre mein grösster Wunsch. Auch dafür bete ich jeden Tag.» Aufgezeichnet von GEORG GINDELY Surprise 448/19


GESUCHT: DER FAN-SCHAL FÜR DIE NATI 2019! Die Strassenfussball-Nationalmannschaft nimmt im Sommer 2019 am Homeless World Cup in Cardiff (Wales) teil – mit Ihrem Schal im Gepäck? Wie in den Jahren zuvor überreichen unsere Spieler auch in diesem Jahr ihren Gegnern zum Handshake handgemachte Fanschals. Machen Sie mit!

ACHTUNG, FERTIG, STRICKEN!

Der Schal sollte zirka 16 cm breit und 140 cm lang sein, Fransen haben und – Sie hätten es erraten - in Rot und Weiss gehalten sein. Gestrickt, gehäkelt, genäht: alles geht! Die Spieler unserer Nati werden den schönsten Schal küren – der Gewinnerin oder dem Gewinner winkt ein attraktiver Überraschungspreis!

Bitte schicken Sie den Schal bis spätestens 28. Juni 2019 an: Surprise | Strassenfussball | Münzgasse 16 | CH-4051 Basel Surprise 000/19

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Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren. BETEILIGTE CAFÉS IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstrasse 18 | Bäckerei KULT «Elsi», Elsässerstrasse 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Café Bohemia, Dornacherstr. 255 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 | Kiosk Amann, Claragraben 101 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 | Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Badischer Bahnhof | Rest. Manger & Boire, Gerbergasse 81 | Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Radius 39, Wielandplatz 8 | Café Spalentor, Missionstrasse 1 | HausBAR Markthalle, Steinentorberg 20 | Treffpunkt Breite, Zürcherstrasse 149 IN LENZBURG feines Kleines, Rathausgasse 18 IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4-Markt Baselstrasse, Baselstr. 66 | Restaurant Quai4, Alpenquai 4 | Quai4-Markt Alpenquai, Alpenquai 4 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Sommerbad Volière, Inseli Park | Restaurant Brünig, Industriestrasse 3 | Arlecchino, Habsburgerstrasse 23 IN RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN BERN Café Kairo, Dammweg 43 | Café MARTA, Kramgasse 8 | Café Tscharni, Waldmannstr. 17a | Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa Lorraineladen, Lorrainestr. 23 | Luna Llena Gelateria Rest. Bar, Scheibenstr. 39 | Rest. Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Rest. Löscher, Viktoriastr. 70 | Rest. Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 | Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestrasse 20 | Becanto GmbH, Bethlehemstrasse 183 | Phil’s Coffee to go, Standstrasse 34 IN BIEL Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d IN ZÜRICH Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | Quartiertreff Enge, Gablerstrasse 20 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 | Kafi Freud, Schaffhauserstrasse 118 | Kumo6, Bucheggplatz 4a | Sport Bar Cafeteria, Kanzleistrasse 76 IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestrasse 47 IN ST. GALLEN S’Kafi, Langgasse 11 IN MÜNCHENBUCHSEE tuorina boutique & café, Bernstrasse 2 IN DIETIKON Mis Kaffi, Bremgartnerstrasse 3a

Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise 8

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