Strassenmagazin Nr. 457 23. Aug. bis 5. Sep. 2019
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Wohnen
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Räume und Träume Seite 8
Kultur Kultur
Solidaritätsgeste Solidaritätsgeste
STRASSENSTRASSENCHOR CHOR
CAFÉ CAFÉ SURPRISE SURPRISE
Lebensfreude Lebensfreude Entlastung Entlastung Sozialwerke Sozialwerke
BEGLEITUNG BEGLEITUNG UND UND BERATUNG BERATUNG
Unterstützung Unterstützung
Job Job
STRASSENSTRASSENMAGAZIN MAGAZIN Information Information
SURPRISE SURPRISE WIRKT WIRKT
ZugehörigkeitsZugehörigkeitsgefühl gefühl EntwicklungsEntwicklungsmöglichkeiten möglichkeiten
STRASSENSTRASSENFUSSBALL FUSSBALL
Erlebnis Erlebnis
Expertenrolle Expertenrolle
SOZIALE SOZIALE STADTRUNDSTADTRUNDGÄNGE GÄNGE PerspektivenPerspektivenwechsel wechsel
Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, uns ohne staatliche sind aufHinsicht Spenden Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschenfinanzieren in der Schweiz. Unser Angebot Gelder wirkt inund doppelter – und auf den armutsbetroffenen Menschen surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC gewinnorientiert, 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1455 3Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht finanzieren uns ohne1255 staatliche surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3
GESCHICHTEN GESCHICHTENVOM VOMFALLEN FALLEN UND UNDAUFSTEHEN AUFSTEHEN Kaufen KaufenSie Siejetzt jetztdas dasBuch Buch«Standort «StandortStrasse Strasse––Menschen MenschenininNot Notnehmen nehmen das dasHeft Heftinindie dieHand» Hand»und undunterstützen unterstützenSie Sieeinen einenVerkäufer Verkäuferoder odereine eine Verkäuferin Verkäuferinmit mit1010CHF. CHF. «Standort «Standort Strasse» Strasse» erzählt erzählt mitmit den den Lebensgeschichten Lebensgeschichten von von zwanzig zwanzig Menschen, Menschen, wie wie ununterschiedlich terschiedlich diedie Gründe Gründe fürfür den den sozialen sozialen Abstieg Abstieg sind sind – und – und wie wie gross gross diedie SchwierigSchwierigkeiten, keiten, wieder wieder aufauf diedie Beine Beine zuzu kommen. kommen. Porträts Porträts aus aus früheren früheren Ausgaben Ausgaben des des Surprise Surprise Strassenmagazins Strassenmagazins ergänzen ergänzen diedie Texte. Texte. Der Der Blick Blick aufauf Vergangenheit Vergangenheit und und Gegenwart Gegenwart zeigt zeigt selbstbewusste selbstbewusste Menschen, Menschen, diedie es es geschafft geschafft haben, haben, trotz trotz sozialer sozialer und und wirtschaftliwirtschaftlicher cher Not Not neue neue Wege Wege zuzu gehen gehen und und einein Leben Leben abseits abseits staatlicher staatlicher Hilfe Hilfe aufzubauen. aufzubauen. Surprise Surprise hathat siesie mitmit einer einer Bandbreite Bandbreite anan Angeboten Angeboten dabei dabei unterstützt: unterstützt: Der Der Verkauf Verkauf des des Strassenmagazins Strassenmagazins gehört gehört ebenso ebenso dazu dazu wie wie derder Strassenfussball, Strassenfussball, derder Strassenchor, Strassenchor, diedie Sozialen Sozialen Stadtrundgänge Stadtrundgänge und und eine eine umfassende umfassende Beratung Beratung und und Begleitung. Begleitung. 156156 Seiten, Seiten, 3030 farbige farbige Abbildungen, Abbildungen, gebunden, gebunden, CHF CHF 4040 inkl. inkl. Versand, Versand, ISBN ISBN 978-3-85616-679-3 978-3-85616-679-3 Bestellen Bestellen beibei Verkaufenden Verkaufenden oder oder unter: unter: surprise.ngo/shop surprise.ngo/shop 2
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TITELBILDER: CHRISTINE BENZ
Editorial
Wohnst du noch … ... oder lebst du schon? Längst hat sich der IKEA-Werbeclaim in unserem Selbstverständnis eingenistet: Wohnen ist Lifestyle. Urban oder ländlich, asketisch oder hedonistisch, bequem oder idealistisch: Zeig mir, wie du wohnst, und ich sage dir, wer du bist. Davon handeln auch die Geschichten der Menschen, die unsere Autorin Manuela Donati und die Fotografin Christine Benz porträtieren. Die Hausgemeinschaft zweier Alleinerziehender und ihrer Kinder, die Kleinfamilie im energieautarken Mobilbau, die Seniorin in der Cluster-WG, der Gärtner in der Waldkommune, der ehemalige Obdachlose im Wohncontainer – bei allen ist der Wille spürbar, das Dasein nach den eigenen Bedürfnissen und Überzeugungen zu gestalten (ab Seite 8). Wohnst du noch oder lebst du schon? Bei aller Wahrheit, die in dem Spruch liegt, spielt er auch eine Notwendigkeit (das Wohnen) gegen einen Luxus aus (den Lifestyle). Wohnen ist ein Menschenrecht. Der offene und diskriminierungsfreie Zu-
4 Aufgelesen 6 Vor Gericht
Eins, zwei, Statistik 7 Neu: Auf Reisen
Ljubljana, Slowenien
8 Wohnen
Mehr als ein Dach über dem Kopf 18 Asylverfahren
Warten auf den Arzt 24 Kultur
Treibgut der Jahrzehnte
gang zu bezahlbarem, angemessenem Wohnraum, eine menschenwürdige Wohnqualität – das steht jedem von uns zu. Die Realität sieht anders aus. Im heissen Schweizer Wohnungsmarkt stellt sich für viele nicht die Frage, welche Wohnung sie mit ihrem Lebensstil füllen wollen. Sondern wo sie überhaupt einen Raum zum Leben bekommen. Wer sich da noch selbst verwirklichen und Ideale ausleben will, muss sich etwas einfallen lassen. Zum Schluss noch eine Mitteilung in eigener Sache: Dies ist die letzte Ausgabe, die ich als Co-Leiter der Surprise-Redaktion verantworte. Bevor ich nun einer von Ihnen werde, liebe Surprise-Leserinnen und -Leser, möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen für die letzten fünf Jahre bedanken. Sie machen uns zu dem, was wir sind. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
AMIR ALI
Redaktor
25 Buch
Fremd von A bis Z 26 Veranstaltungen 27 Tour de Suisse
Pörtner in Langenthal
28 SurPlus Positive Firmen 29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 30 Surprise-Porträt
«Heute weine ich vor Glück»
25 Die Schweiz schreibt
Vom Armsein in der reichen Schweiz
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Aufgelesen
FOTOS: GILES CLASEN
News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Shecka Williams «Wenn du obdachlos bist, wenden die Menschen sich von dir ab. Du bist ihnen egal. Auch die Stadt Denver kümmert sich nicht um uns. Lieber gibt sie ein Vermögen dafür aus, das Campingverbot in der Stadt vor Gericht durchzusetzen, als den Menschen auf der Strasse zu helfen. Ich habe seit drei Monaten die Grippe und versuche, von der Strasse wegzukommen und ein Zuhause zu finden, doch es fühlt sich so hoffnungslos an.»
Recht auf Überleben Die Initiative «Recht auf Überleben» kämpft in Denver gegen das Campingverbot. Das Gesetz trat 2014 in Kraft, seither wurden viele Menschen verhaftet, die draussen schlafen müssen. Der Fotograf Giles Glasen vom Strassenmagazin Denver Voice hat mit Betroffenen gesprochen.
DENVER VOICE, DENVER
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Greg Downs «Jede Nacht macht die Polizei Rundgänge und scheucht uns weg. So können wir nirgendwo bleiben. Dieses Gesetz zwingt Leute wie mich, in Gebäude einzubrechen, wo es warm ist und wir uns vor der Polizei sicher fühlen können. Ich habe schon über hundert Bussen wegen Hausfriedensbruch erhalten. Weil ich sie nicht bezahlen kann, muss ich ins Gefängnis. Es wäre wahrscheinlich günstiger, wenn sie uns eine Unterkunft geben würden.» Surprise 457/19
Tracy Seller und Allena Hunn «Wenn du einen Rucksack trägst, fällst du auf, dann wissen die Leute, dass du obdachlos bist. So wirst du zu einem Zielobjekt. Die Polizei setzt das Verbot des urbanen Campings wie eine Waffe ein, sie wollen, dass wir uns verstecken und uns von allem fernhalten. Wir versuchen damit klarzukommen, aber wir sind nun mal arm und obdachlos. Das ist doch kein Verbrechen!»
Mia Montoya «Ich kann keine einzige Nacht durchschlafen, bis zu zehn Mal werde ich von der Polizei geweckt. Wenn ich dann um halb fünf Uhr morgens bei der Arbeit sein muss, bin ich total erschöpft. Ich musste dreimal ins Gefängnis, weil ich meine Bussen nicht bezahlen konnte. Zu dem Zeitpunkt hatte die Polizei mir alles weggenommen, sogar die Urne mit der Asche meiner Grossmutter. Als Frau musste ich viele wirklich schlimme Dinge über mich ergehen lassen, darüber möchte ich nicht reden. Jetzt versuche ich, etwas Geld zu sparen, um aus dieser Situation rauszukommen. Doch einfach ist es nicht.»
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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER
Ohne Plastik
Immer mehr Menschen wollen immer weniger Plastik kaufen. Nur, wo? In Köln haben drei Freunde «Tante Olga»-Läden eröffnet, in denen Verbraucher Produkte kaufen können, die frei von Verpackungen sowie saisonal und lokal angebaut sind. Für Dinah Stark, eine Mitbegründerin des Projekts, steht der Wunsch im Vordergrund, gemeinsam mit anderen unsere Welt positiv zu verändern. «Mir gingen die Bilder von dem Müllteppich auf dem verschmutzten Meer nicht mehr aus dem Kopf. Da war mir schlagartig klar, dass ich so nicht mehr weitermachen möchte.»
Vor Gericht
Eins, zwei, Statistik
DRAUSSENSEITER, KÖLN
Mehr bezahlbarer Wohnraum
«Housing for all»: Unter diesem Titel sammelt eine Bürgerinitiative europaweit Unterschriften für mehr bezahlbaren Wohnraum in den 28 Staaten der EU. Die Forderung: Jede zweite neu gebaute Wohnung soll preiswert sein. Werden bis März 2020 mehr als eine Million Unterschriften gesammelt, müssen sich EU-Kommission und EU-Parlament mit dem Anliegen befassen.
HINZ & KUNZT, HAMBURG
Kampf gegen steigende Mieten
Hohe Mieten sind eine der Haupt ursachen von Wohnungslosigkeit. Nun hat der Berliner Senat Eckpunkte für ein Gesetz beschlossen, das die Mieten in der Hauptstadt während fünf Jahren einfrieren will. Der Deckel soll für 1,5 Millionen Haushalte gelten, nur Neubau- und Sozialwohnungen sollen ausgenommen werden. Damit wäre Berlin das erste deutsche Bundesland, das eine Regelung zur Begrenzung von Mieten einführt.
HINZ & KUNZT, HAMBURG
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Langjährige Lesende erinnern sich vielleicht: Wir werfen an dieser Stelle zwischendurch einen Blick in die Kriminalstatistiken des Landes. Die Zahlenbeigerei liefert zwar keinen so süffigen Lesespass wie ein knackiger Fall, aber spannend ist sie allemal. Denn darin werden die potenziellen Protagonisten dieser Kolumne in ihrer Gesamtheit gezählt, sortiert und ausgewertet. Nicht der einzelne Fall tritt hervor, sondern Missetäter in corpore. Und das sagt etwas über die Gesellschaft aus. Manche wünschen sich wohl, es wäre anders, aber Kriminalität ist normal. Notwendig gar für die gesellschaftliche Entwicklung, so die These des französischen Soziologen Emile Durkheim. Durch Kriminalität würden Grenzen überhaupt offenbart – und die Gesellschaft einige sich auf Verhaltensregeln, ohne die sie zerfallen würde. Insofern muss man sich schon fast Sorgen machen um den Kanton Appenzell Innerrhoden, wo gemäss Polizeilicher Kriminalstatistik 2018 (PKS) nur gerade 339 Straftaten registriert wurden. Es ist eindrücklich zu sehen, wie klar sich gesamtgesellschaftliche Entwicklungen in den Statistiken niederschlagen. Etwa bei den Vermögensdelikten. Sie bilden stets den weitaus grössten Anteil aller Straftaten. Aus der PKS lässt sich der Wandel der Zeit herauslesen. Klassische Einbruchs- und Einschleichdiebstähle gehen seit Jahren stark zurück, um fast die Hälfte seit 2012. Letztes Jahr wurden 2151 Delikte weniger gemeldet, minus 6,6 Prozent. Geradezu im freien Fall sind die Zahlen bei den Fahr-
zeugeinbrüchen: minus knapp ein Drittel innert Jahresfrist. Stabil bleiben Fahrraddiebstähle, dabei werden aber viel mehr E-Bikes gestohlen, bei den Standardvelos geht die Zahl zurück. Hingegen verzeichnen zwei andere Kategorien von Vermögensdelikten einen steilen Anstieg: Betrug plus 23 Prozent und Erpressung gar fast 50 Prozent. Bei genauem Hinsehen zeigt sich hier die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft. Denn sie sind im Verbund mit anderen Delikten zu betrachten, die ebenfalls markant zugelegt haben: Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage und unbefugtes Eindringen in Datensysteme (plus 12 und plus 46 Prozent). Kriminalstatistiken geben aber auch Anlass, gesellschaftliche Normen zu hinterfragen. Hier fallen Betäubungsmitteldelikte 2018 besonders auf. Etwas weniger als die Hälfte der gesamthaft 76 308 Straftaten betraf den Konsum und dort mehrheitlich, nämlich 55 Prozent, den Hanf. Das heisst: Rund 42 000 Menschen wurden strafrechtlich verfolgt, weil sie gekifft hatten – und da sind die Bussen noch gar nicht mitgerechnet. Ob das etwas bringt? Fast ebenso viele Menschen wurden verzeigt, weil sie sich illegal in der Schweiz aufhielten. Ob sie deswegen wohl gehen? Zu denken geben auch die 383 Fälle von sexuellen Handlungen mit Kindern, bei denen die Täterschaft Eltern und Verwandte sind. Ob der Anstieg um gut 30 Prozent Good News sind? Weil die Taten vermehrt bekannt werden? Oder ob hier wirklich etwas Abscheuliches vor sich geht? Das verraten die Zahlen nicht, dazu müssten die einzelnen Fälle betrachtet werden. So wie es diese Kolumne ab der nächsten Ausgabe wieder tut.
Y VONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin in
Zürich. Surprise 457/19
ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT
Handwerker, Maler und andere Künstler. Mit Sicherheit ein Platz, den man besu chen sollte.
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Mein Lieblingspark Das ist definitiv das Tivoli. Ljubljana hat viele Grünflächen, und das Tivoli ist einer der grössten Parks der Stadt. Er ist ideal für Spaziergänge und zum Entspannen. Und er ist sehr ordent lich und nie überfüllt. Umgeben von Natur können Sie in aller Ruhe über Ihre nächsten Lebensschritte nachdenken.
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Wie die Menschen hier sind Die meisten meiner Kunden sind sehr freundlich. Meine Stamm kunden kennen mich gut und bleiben oft stehen, um ein wenig zu plaudern. So wird mir nie langweilig. Aber man begegnet auch Menschen, die sich arrogant verhalten oder verbittert sind. Sie versuchen, dein Selbstwertgefühl herabzu setzen. Es ist wichtig, dass du dich nicht von ihnen runterziehen lässt. Seit ich wegen meiner Invalidität in Rente bin, betrachte ich den Verkauf der Strassenzeitung als Job. Sei positiv.
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Auf Reisen
Ljubljana, Slowenien Unsere Reiseleitung: Špela, 35, verkauft seit neun Jahren die slowenische Stras senzeitung Kralji Ulice in der Unter führung des Park hauses Trdinova im Zentrum von Lju bljana. Sie hilft auch, neue Verkäufer auszubilden.
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Warum ich gerne in Ljubljana lebe Ljubljana ist unsere Hauptstadt und das Zentrum des kulturellen Lebens. Hier ist es sehr ordentlich und sauber. Slowenien war 2018 das fünftsauberste Land der Welt und Ljubljana 2016 die grünste Hauptstadt Europas. 2018 wurde Slowenien zudem zum nachhaltigsten Land der Welt erklärt. Es liegt inmitten smaragdgrüner Felder zwischen dem Surprise 457/19
Adriatischen Meer und schneebedeckten Gipfeln. Fast 60 Prozent des Landes sind von üppigen Wäldern überzogen mit über vierzig Parks und Reservaten, in denen um die 20 000 verschiedene Pflanzen und Tiere leben. Ich muss auch unsere Küche erwähnen, sie ist nämlich exquisit.
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Was ich an Ljubljanas Geschichte mag Ljubljana hat viel Geschichte und ein altes Stadtzentrum. Ich schätze es sehr, dass die Stadt so viel daransetzt, historische Sehenswürdigkeiten zu er halten, vor allem die alten römischen Ruinen. Damals hiess die Stadt «Emona» und lag an einer wichtigen Handelsroute. Neben all den Museen gibt es innerhalb der Stadt noch eine Stadt namens «Metelkova». Sie ist autonom und ein eher alternativer Ort. Es gibt dort viele Clubs und Bars, auch Hostels. Hier wohnen
Die beste Zeit des Jahres für einen Besuch Die beste Zeit, um unsere Stadt zu besuchen, sind der Frühling und Som mer. Neben allem, was Sie in Ljubljana sehen können, müssen Sie auch einen Ausflug ans Meer oder in die Alpen machen. Beides ist nur eine Autostunde von Ljubljana entfernt.
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Was Sie nicht in Reiseführern finden Unsere Strassenzeitung bietet einen Rundgang zu den versteckten Orten der Stadt an, die meist mit Obdachlosigkeit zu tun haben. Ich bin eine der Führe rinnen, unter anderem zeige ich Ihnen, wo ich früher gelebt habe. Sie sind herzlich eingeladen daran teilzunehmen, sollten Sie einmal in Ljubljana sein. Interview von Jean Nikolič. Kontakt Kralji Ulice: kraljiulice.org Pražakova ulica 6, 1000 Ljubljana. Mit freundlicher Genehmigung von INSP.ngo / The Big Issue UK bigissue.com @BigIssue
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Ich wohne, also bin ich Wohnen Wohnraum ist teuer in der Schweiz. Wer nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch nach seinen Überzeugungen leben will, muss sich etwas einfallen lassen. Fünf Hausbesuche. TEXT MANUELA DONATI FOTOS CHRISTINE BENZ
Platz zum Leben, zum Atmen, zum Sein für die beiden alleinerzie henden Mütter Nanette Wälti und Katharina Fechner mit ihren insgesamt fünf Kindern zwischen fünfzehn und vier.
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Wohnen ist ein Menschenrecht – die eigenen vier Wände bieten die Möglichkeit zum Rückzug und bilden das Fundament für Lebensqualität. Doch Wohnen ist auch ein Kostenfaktor. Und weil der finanzielle Druck für viele immer grösser wird, haben sich neue Wohnformen entwickelt, die das Zusammenleben und das gemeinschaftliche Nutzen von Ressourcen stärker gewichten. Die eigenen vier Wände sind auch ein Spiegelbild ihrer Bewohner. Wie sich jemand einrichtet, ob er oder sie viel oder wenig Platz braucht und mit wem man den Wohnraum teilt – das alles sagt viel aus über eine Person. In der Schweiz lebt jede sechste Person allein, am höchsten ist die Zahl der Einzelhaushalte in Städten wie Genf und Zürich, wie eine Studie des Bundesamts für Statistik Ende 2017 ergeben hat. Und die Schweizerinnen und Schweizer leben nicht nur gerne allein, sie brauchen auch immer mehr Platz: Während in den Achtzigerjahren jede Person durchschnittlich 34 Quadratmeter beanspruchte, sind es heute 46 Quadratmeter. Doch allein in einem grossen Loft mitten in der Stadt zu wohnen, entspricht nicht für alle dem Ideal. Andere, neue Formen des Zusammenlebens gewinnen an Bedeutung: Generationenhäuser, Gross-Wohngemeinschaften oder Tiny Houses mit wenig Wohnraum. Unter Millennials leben und arbeiten einige sogar ganz ohne festen Wohnsitz. Diese Konstellationen sind bewusst gewählt, etwa um weniger Wohnraum zu verbrauchen und dafür etwas zurückzubekommen: Gemeinschaft, Nähe, Unterstützung. Oft spielen bei solchen Modellen auch ökonomische FaktoK ATHARINA FECHNER (LINKS) ren mit: Wer den Wohnraum teilt, kann auch die Kosten teilen. Wer auf wenig Raum oder immer unterwegs lebt, reduziert seinen Besitz zwangsläufig. Andere handeln mehr aus der Not heraus: Denn gerade in den Städten wird das Wohnen immer teurer – für junge Familien, Geringverdiener, Alleinerziehende, Unterstützungsbedürftige ist ein bezahlbares Zuhause existenziell. Abgesehen von dem finanziellen Druck sind bei diesen Konstellationen auch Selbstbestimmung und Gemeinschaftssinn, Nähe und Unterstützung wichtiger als materielle Statussymbole wie eine grosse Wohnung oder eine luxuriöse Küchenausstattung. Die Bewohnerinnen und Bewohner von fünf sehr unterschiedlichen Wohnformen haben uns ihre Türen geöffnet und erzählt, was ihre Lebensform ihnen bedeutet.
«Es ist eine bewusst gewählte Lebensform, kein fauler Kompromiss.»
Das Wohn-Experiment Wie das Zusammenleben von zwei Müttern, fünf Kindern, zwei Katzen und einer riesigen Stoffgiraffe unter einem Dach funktioniert. Viele Schuhe, bunte Gummistiefel und Turnschuhe, daneben Spiel- und Sportsachen, an Kleiderhaken Jacken in verschiedenen Grössen. Der Eingangsbereich zu dem grossen Haus in einem ruhigen Berner Aussenquartier ist der erste Hinweis: Hier wird gelebt. Das sieht man auch am grossen Esstisch, der das Herzstück des gesamten dritten und obersten Stockes ist, am Whiteboard mit Abmachungen, farbigen Kindernamen und den dazuSurprise 457/19
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gehörigen Ämtli und an der grossen Stoffgiraffe, die herumsteht. Die grossen Fenster in den hohen Räumen zeigen: Hier hat jeder Platz. Zum Leben, zum Atmen, zum Sein. Unter diesem Dach leben seit gut einem Jahr zwei einst fremde Familien und wachsen langsam zusammen. Ob sie sich «WG» oder «Familie» nennen wollen, darüber sind sie sich noch nicht ganz einig. Wichtiger als die Begrifflichkeiten ist der gut eingespielte und funktionierende Alltag. Hauptmieterin ist Nanette Wälti, mit Sohn Milan und den achtjährigen Töchtern Angelina und Yolanda bildet sie die eine Hälfte der Familien-Wohngemeinschaft. Die zweite Familie besteht aus Katharina Fechner mit ihren vierjährigen Zwillingen Koko und Elinya. Beide Mütter haben trotz fünfzehn Jahren Altersunterschied eine ähnliche Vorstellung von Gemeinschaft und Zusammenleben. Lange schon hatten sie unabhängig voneinander die Idee im Hinterkopf, den Kontext von Familie zu öffnen. Was das Wohnen angeht, aber auch die Aufgabenteilung. Das Ziel: ein Gemeinschaftsleben zu gestalten, das alle Mitglieder entlastet und doch verbindet. Eine grosse Rolle spielt dabei die Solidarität, die gegenseitige Unterstützung. «Uns verband der Wunsch, dem Leben als Single-Mutter einen neue Perspektive zu geben. Zu teilen, um individuell Entlastung zu erfahren», erklärt die 36-jährige Katharina Fechner. Eine weitere Gemeinsamkeit: Beide sind Mütter von Zwillingsmädchen. Darüber lernten sie sich auch kennen. Katharina Fechner freute sich, dass Nanette Wälti nicht wie viele andere in Entzückungsrufe ausbrach, als sie mit ihren Zwillingen an der Aare spazieren ging, sondern sie auf einer «ehrlicheren Ebene» ansprach. «Na, MADELEINE HIRSCH JEMMA ist hart, oder?», war der Kommentar von Nanette Wälti, die weiss, wie anstrengend die ersten Jahre mit Zwillingen sind. Nach vielen Gesprächen wurde die Idee einer Familien-Wohngemeinschaft plötzlich konkret. Zwar hätten auch finanzielle Gründe eine Rolle gespielt, doch wichtiger sei die Lust am Modell gewesen, sagt Nanette Wälti. Natürlich: Die Vorstellung, sich drei neue Bewohnerinnen ins Haus zu holen, löste bei der 51-Jährigen erst auch die Befürchtung aus, sich einschränken zu müssen. Doch: «Das Gegenteil ist passiert. Trotz drei zusätzlichen Menschen habe ich jetzt mehr emotionalen Raum, also mehr Ruhe, mehr Platz für mich und meine Bedürfnisse. Damit habe ich nicht gerechnet.» Der Unterschied liege vor allem in der Art der Kommunikation, am gegenseitigen Anteilnehmen am Leben der anderen. «Es ist eine bewusst gewählte Lebensform, kein fauler Kompromiss», ergänzt Katharina Fechner. Die gemeinsamen Erfahrungen und Vorstellungen bilden das Fundament für das Gemeinschaftsleben. So ist die jeweils andere wohl eine Partnerin, aber kein Gegenpol, und sie führen auch keine Liebesbeziehung. Das schaffe Raum, sagt Nanette Wälti. «Es gibt Sachen, die wir teilen und abmachen, und dann gibt es Ebenen, die die andere nichts angehen.» Daneben hätten beide ihre unabhängigen Leben. «Das ist unser Erfolgsgeheimnis.» Zentral in der Alltagsgestaltung war die Frage, wie sie sich das
«Ich bin sehr gesellig, brauche aber eine Rückzugsmöglichkeit.»
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Leben so schön wie möglich machen könnten, erzählt Katharina Fechner. So verbringen alle drei Abende gemeinsam zuhause, zwei Abende in der Woche sind die Kinder bei ihren Vätern, die je auch fünfzig Prozent der Betreuungszeit leisten. «Wir haben das Kochen aufgeteilt, jede Mutter kocht an zwei Abenden für sieben Nasen», sagt sie. Der fünfzehnjährige Milan übernimmt ebenfalls an einem Abend den Kochdienst, ist fast mehr dritter WG-Partner als Kind. Dadurch hat die Familien-Wohngemeinschaft viele Facetten: Von Full House mit fünf Kindern bis zur ruhigen Erwachsenen-WG. «Dann begegnen wir uns einfach als Frauen, nicht als Mütter.» Die Vorzüge der WG wirken sich auch auf die fünf Kinder aus: Die älteren Zwillinge fühlen sich als Lehrerinnen der Kleineren. Und dazwischen Milan, als Bindeglied zwischen Kindern und Erwachsenen, der von allen vier Mädchen angehimmelt wird, wie beide Mütter lachend erzählen. Grosse Streite habe es bisher keine gegeben. Es sei denn, es geht um den Anspruch auf die grosse Stoffgiraffe. Als Wohnungs-Maskottchen erstanden, wird sie regelmässig zum Kuscheln und Spielen ausgeliehen. Deshalb steht sie jetzt, für alle gut sichtbar, in der Wohnküche.
Das Dorf in der Stadt gefunden Madeleine Hirsch Jemma lebt in einer Cluster-Wohnung. In der Gross-WG kann die 67-Jährige gemein schaftliches und individuelles Wohnen verbinden.
Acht Ecken, 44,5 Quadratmeter, 260 Mitbewohner: Madeleine Hirsch Jemma in ihrem Cluster in der Zürcher Genossenschafts siedlung Kalkbreite.
«Auweia.» Das denkt Madeleine Hirsch Jemma, als sie sich beim Einzug in ihrer neuen, noch leeren Wohnung umsieht. Klein ist sie, die Wände aus unverputztem Beton, grosse Fenster öffnen den Blick über die Badenerstrasse hinweg bis zum Züriberg hinauf. «Meine Champs-Élysées», wird sie später liebevoll über ihre Aussicht sagen und erzählen, wie gerne sie die Wetterwechsel beobachtet und das Ankommen und Wegfahren der Trams unter ihr. Sie wird die 44,5 Quadratmeter mit ihren Lieblingsmöbeln und einem wandgrossen Kleiderschrank aus zweiter Hand füllen, mit Stücken wie der von einem lieben Menschen selbstgemachten Holzkugel, mit farbigen Wolldecken, getrockneten Blumen und Federn Gemütlichkeit schaffen. Aber in diesem Moment vor fünf Jahren ist das alles noch nicht da. Da ist nur diese Leere in achteckiger Form, die Fragen aufwirft: Habe ich etwa einen Seich gemacht? Doch für diese Gedanken ist keine Zeit mehr, ihre alte Zweieinhalbzimmer-Wohnung mit Balkon, Estrich und Keller hat einen neuen Mieter gefunden, viele Möbel und Kleider hat sie weitergegeben oder entsorgt. Ein bisschen sperrig und unpassend zum Rest des Quartiers, so steht der Genossenschaftsbau an der Tramhaltestelle Kalkbreite mitten im Zürcher Kreis 4. In den unterschiedlichsten Wohnformen – Wohngemeinschaften, Familien- und Clusterwohnungen – leben 260 Menschen, im Erdgeschoss haben sich Restaurants, Läden und ein Kino eingemietet. Madeleine Hirsch Jemma, eine stille Frau mit warmem Blick, scheint nicht so recht zu diesem Klotz zu passen. Vor über dreissig Jahren zog sie nach Zürich, der weiche Berner Dialekt ist immer noch zu hören. Sie war Lehrerin, führte ein Umweltberatungsbüro und war danach in der Entwicklungszusammenarbeit. Finanziell sei sie nie auf 11
Rosen gebettet gewesen. Während es in ihrem Umfeld immer mehr zum guten Ton gehörte, sich ein Eigenheim zu kaufen, wohnte sie weiterhin «eher studentisch», zuletzt in einer unsanierten Altbauwohnung. «Und jetzt gilt es als hip, wie ich lebe», sagt sie halb sinnierend, halb belustigt. Sie sei angekommen, sagt sie fünf Jahre nach den ersten Zweifeln. Ein Grund für den Umzug war die Suche nach Verbundenheit. Als ihre Eltern älter und unmobiler wurden, habe sie gemerkt, wie wichtig die Gemeinschaft sei, wie wertvoll die Möglichkeit, gemeinsam zu essen. Mit ihrem Cluster hat sie eine Form gewählt, die es ihr ermöglicht, gemeinschaftliches und individuelles Wohnen zu verbinden. Denn die Cluster-Wohnungen der Kalkbreite sind für Menschen konzipiert, die nicht alleine wohnen möchten und dennoch Privatsphäre wünschen. So bieten die Cluster-Studios einen eigenen privaten Raum, beim Wunsch nach Geselligkeit kann das gemeinsame Wohnzimmer oder die Grossküche genutzt werden. Konkret bedeutet das: mehr Privatsphäre als in einer WG, mehr Gemeinsamkeit als im herkömmlichen nachbarschaftlichen Umgang. Die ideale Wohnform für Madeleine Hirsch Jemma: «Ich bin sehr gesellig, brauche aber eine Rückzugsmöglichkeit.» Diese Rückzugsmöglichkeiten gilt es auszuloten, die Frage nach dem Anfang des privaten und dem Ende des gemeinschaftlichen Raums muss immer wieder neu verhandelt werden. Das hat bei 260 Bewohnern verteilt auf 95 Wohneinheiten eine andere Dimension als bei einem Mehrfamilienhaus oder Wohnblock. Hinzu kommt die Abgrenzung zur Öffentlichkeit – gerade in einer leicht zugänglichen Grossüberbauung mit öffentlichem Park und mitten in einem lebhaften Quartier sind solche Grenzen nicht einfach zu ziehen. Madeleine Hirsch Jemma sieht dies als «Möglichkeit, sich neuen Situationen auszusetzen und den Dialog zu suchen». Denn sie hat in der Genossenschaft Kalkbreite «ein Dorf in der Stadt» gefunden, schätzt den nachbarschaftlichen Kontakt und die neue Inspiration, die sie durch die Grossgemeinschaft erhält. So hat sie, die in jungen Jahren nie nähen wollte, um nicht in die typische Frauenrolle gedrängt zu werden, im gemeinschaftlich genutzten Textilatelier ihre Leidenschaft für das Textilhandwerk entdeckt; durch den Hinweis eines Nachbarn beim Senioren-Theater angeklopft; und Delina gefunden, ihre «Kalki-Grosstochter». «Hier habe ich das Gefühl, ich gebe in einen grossen Topf rein», sagt Madeleine Hirsch Jemma. «Und bekomme von anderen, was ich brauche, mit vielen schönen Überraschungen.»
Noch immer schläft er nie länger als zwei Stunden am Stück, eine Angewohnheit von der Gasse: Roger Meier in seiner ersten Wohnung nach 22 Jahren Obdach losigkeit.
Nie mehr der Störende Roger Meier lebte 22 Jahre auf der Strasse. Für den Surprise-Stadtführer ist es nicht nur einfach, wieder seine eigenen vier Wände zu haben. Dass er auf seinem Herd ein Spiegelei braten kann, wenn ihm danach ist. Dass es im Winter nicht kalt ist, wenn er in der Nacht aufs WC muss. Dass er Gäste empfangen und ihnen dann um 22 Uhr sagen kann, er sei jetzt müde, er bitte sie zu gehen. Es fällt Roger Meier nicht schwer, aufzuzählen, was er an seiner Wohnung schätzt. Und, für ihn am wichtigsten: «Ich muss jetzt nirgends mehr ein fremder Fötzel sein. Wenn ich zu jemandem gehe, bin ich der Gast, nicht der Störende, der auf der Couch übernachten oder die Dusche benutzen darf.» 12
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Roger Meier wohnt in einem ehemaligen Schiffscontainer in der Nähe des Berner Europaplatzes, die Wohnung gehört zum Angebot von WohnenBern, der grössten Wohninstitution in der Hauptstadt. 33 Quadratmeter, Balkon, Kochnische und Nasszelle inklusive, das ist seit letztem November Meiers Zuhause. Für Miete und Nebenkosten zahlt er 780 Franken im Monat, finanzielle Unterstützung erhält er von der Sozialhilfe. «Röschu», wie der 58-Jährige von allen genannt wird, war lange ein versteckter Obdachloser. Einer, der einem geregelten Alltag nachging und trotzdem kein Dach über dem Kopf hatte. Obdachlose seien dreckig und würden am Boden sitzen, so laute das gesellschaftliche Vorurteil. «Aber steht jemand in sauberen Kleidern und einer Zehnernote im Hosensack vor dir, dann denkt niemand, dass dieser Mensch obdachlos sein kann», weiss Meier. Mit Unterbrüchen lebte er fast 22 Jahre lang auf der Strasse. Und verdiente doch immer genug Geld, um es seinen drei Kindern an nichts fehlen zu lassen. Auch wenn er sich alles vom Mund absparte, gegen aussen habe er stets einen gewissen Lebensstandard aufrechterhalten. «Es war kein einfaches Leben. Aber für mich war es so einfacher, weil ich niemandem etwas schuldig sein musste. Ich konnte machen, was ich wollte.» Dabei half ihm beruflicher Ehrgeiz: Er arbeitete in verschiedenen Funktionen auf dem Bau, kümmerte sich als Streetworker um Süchtige in der Berner Drogenszene. Seit anderthalb Jahren führt er als Surprise- Stadtführer die Besucher des Sozialen Stadtrundgangs durch Bern. Roger Meier kennt die Schattenseiten des Lebens. Er hatte eine schwierige Kindheit und floh noch während seiner Müller-Lehre vor seinem gewalttätigen Pflegevater auf die Strasse. «Ich bin schon oft in meinem Leben umgefallen», sagt er rückblickend. «Aber ich bin immer wieder aufgestanden.» Pragmatismus half ihm dabei. «Das Gute sind Erinnerungen, das Schlechte sind Erfahrungen»: Darunter verbucht er die Fremdplatzierung seiner Kinder und einen Arbeitsunfall, durch den er nicht mehr Vollzeit arbeiten kann. Wie ist es für einen wie ihn, wieder eigene vier Wände zu haben? Für einen, der jahrelang sein ganzes Hab und Gut in einer blauen Tonne als mobilen Kleiderschrank verstaute, der schon so oft draussen übernachtet hat, dass er anhand der Tiergeräusche erkennt, wie nahe sich ein Mensch befindet? Noch immer schläft er nie länger als zwei Stunden am Stück, «eine Angewohnheit von der Gasse, eine Hirnhälfte ist immer wach, das bringe ich auch in einer Wohnung nicht weg». Materielles anzuhäufen ist nicht seines, «das Nötigste habe ich», sagt er und sieht sich um. Geschirr und Möbel kommen aus dem Brockenhaus, das Bett spendete die Winterhilfe. «Man könnte noch viel haben, aber brauche ich das überhaupt?», sinniert er. Seine Wohnung gebe ihm eine Sicherheit, die er als Obdachloser nicht hatte, bejaht Roger Meier. «Doch wenn man so lange auf der Gasse gelebt hat, entsteht dadurch auch ein Zwang. Ohne die Sozialhilfe könnte ich mir die Wohnung nicht leisten, ich habe keine Ersparnisse. Wenn ich mir vorstelle, dass ich wieder obdachlos werde, wird mir angst und bange.» Er kenne zwar das Leben auf der Strasse, doch er werde älter und sein Körper schwächer.
«Ich bin schon oft in meinem Leben umgefallen, aber immer wieder aufgestanden.» ROGER MEIER
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Meistens aber überwiegt die Freude an seiner neuen Wohnsituation, hat er doch durch seinen Schiffcontainer wieder mehr Kontakt zu seinen drei Kindern, die seine Wohnung gerne als Treffpunkt nutzen. Und: Wegen seinem neuen Daheim hat er sich getraut, sich auf eine neue Beziehung einzulassen. «So haben meine Freundin und ich einen Rückzugsort, eben, ich bin nicht mehr der fremde Fötzel», sagt Roger Meier.
Das Zusammenleben wie einen Garten gestalten Mitten im Wald liegt die Klingenmühle. Manuel Ecknauer ist dort zuständig für den grossen Garten der Gemeinschaft – und findet immer mehr zu sich selbst. Die Klingenmühle ist ein besonderes Zuhause. Ausserhalb der Thurgauer Gemeinde Märstetten, vom Wald beschützt und durch die Lage auf einer Lichtung in der Talsenke noch zusätzlich versteckt, stehen eine ehemalige Mühle und eine ehemalige Sägerei. Sie gehörten zum nahen Schloss Altenklingen und wurden 1661 erbaut, bis 1927 waren sie in Betrieb, danach zogen Bauernbetriebe auf das Gelände. Hier funktioniert, was wohl nur an wenigen anderen Orten möglich ist: zusammen wohnen und zusammen arbeiten wie in einem in sich geschlossenen Kreis. Drei Frauen und drei Männer, alle zwischen dreissig und vierzig Jahre alt, leben seit 2015 in der Klingenmühle. Alle haben einen Aufgabenbereich, den sie in EiMANUEL ECKNAUER genverantwortung verwalten und weiterentwickeln; sie unterhalten die Gebäude, organisieren Seminare zu Permakultur, Yoga und Erlebnispädagogik, bewirtschaften den Garten und bezahlen sich dafür in Kost und Logis. Wer mehr Ausgaben hat, in die Ferien möchte oder sonstige Anschaffungen benötigt, arbeitet zusätzlich aus serhalb der Klingenmühle. Ein wenig erinnert das Modell an Kommunen aus der Hippie-Zeit. Doch daran wollen die Bewohnerinnen und Bewohner nicht anknüpfen, auch Religion spielt keine Rolle. Zentral ist ein starker gemeinsamer Nenner, wie Manuel Ecknauer sagt. «Dass alle dieselbe Vision teilen, ist das Wichtigste.» Zu dieser Vision, zu diesem Weltbild, gehört nicht nur das naturnahe Leben, sondern auch der Wille zur Auseinandersetzung mit sich selbst und den anderen. Die Bewohner wollen «einen sinnvollen und achtsamen Lebensraum gestalten, durch den alle ihr volles Potenzial entfalten können». Dabei helfen monatliche Gruppengespräche, die bis zu fünf Stunden dauern können. «Das Gemeinschaftsleben ist auch herausfordernd», sagt Manuel Ecknauer. In seinen zwei Jahren in der Klingenmühle hat er gelernt, Konflikte anzusprechen, statt ihnen aus dem Weg zu gehen. Der 33-Jährige schätzt an dieser Lebensform besonders, dass er mitgestalten kann: Nicht nur den Gemüsegarten, sondern alle Strukturen des Gemeinschaftslebens. «Wir alle lernen immer wieder aufs Neue, wie man zusammen leben und arbeiten kann.» Der grosse Gemüsegarten ist Ecknauers Lieblingsort in seinem Zuhause. Und so wie er im Frühling Samen sät, sie wässert
«Dass alle dieselbe Vision teilen, ist das Wichtigste.»
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Viel Weite, Ruhe und Nähe zur Natur, wenig persönlicher Besitz: In der Klingenmühle lebt Manuel Ecknauer mit drei Frauen und zwei Männern wie in einem in sich geschlossenen Kreis.
und von Unkraut befreit, um dann im Sommer das Gemüse zu ernten, so wie er mit dem Boden arbeitet, so arbeitet es auch in ihm selber. Der gelernte Landschaftsgärtner will sich weiterentwickeln, Muster und Verhaftungen auflösen. «Ich fühle mich oft getrennt von allem, suche nach Verbindung», sagt er. Dieses Gefühl beschäftige ihn schon lange. Vielleicht sind es die klaren Strukturen, der Rhythmus von Aussaat, Blüte und Ernte – jedenfalls kommt er hier zur Ruhe. Wer in der Klingenmühle lebt, hat viel: Weite, Ruhe, Nähe zur Natur. Gleichzeitig besitzt Manuel Ecknauer wenig für sich allein. Zehn Kisten hat er aus seinem letzten Zuhause mitgenommen, er wohnte in einem alten Bauernhaus. Bis auf Kleider und Erinnerungsstücke hat er alles weggegeben. Alle Bewohnerinnen und Bewohner der Klingenmühle haben ihren eigenen Rückzugsort, bei Manuel Ecknauer ist dies ein karger Raum mit Kachelofen, der Plüsch-Löwe auf dem Bett ist die einzige Verbindung zu seinem früheren Leben. Bücher, ein paar Steine und Federn geben etwas Persönliches. Im Gemeinschaftsraum mit Küche wird alles geteilt, Essen, Geschirr, Kochutensilien, die persönlichen Kisten mit Lieblings-Nahrungsmitteln mal ausgenommen. Wie der Garten dem Wandel der Jahreszeiten unterliegt, so kann auch Manuel Ecknauer nicht sagen, er werde immer so leben wie jetzt. Doch dass er alleine in eine Stadtwohnung zieht, ist für ihn zurzeit unvorstellbar. Während andere, ähnliche Gemeinschaften vom Auswandern nach Spanien und Portugal träumten, wo es einfacher sei, selbstversorgend zu leben und Baubewilligungen zu bekommen, hat Ecknauer noch eine andere Idee im Hinterkopf. «Mit mehreren Generationen unter einem Dach zu wohnen, stelle ich mir sehr schön vor.»
Ein Experiment für die Zukunft Komplett energieautark leben René Reist und seine Familie auf 33 Quadratmetern. Ihr Projekt soll zur nachhaltigen Nutzung von Ressourcen anregen. In dem typischen Wohnquartier im zürcherischen Au – Blöcke neben Einfamilienhäusern und alten Riegelhäusern, dazwischen eine Kirche – ist die «Tilla» ist ein baulicher Farbtupfer. Sie ist das Zuhause von René Reist und Amelie Böing. Zusammen mit ihrem eineinhalbjährigen Sohn Nuori, der frischgeborenen Tochter Karou und Wolfshund Elu wohnen sie seit Anfang Oktober 2018 in einer 33 Quadratmeter kleinen Tiny Villa, kurz Tilla. Die Tilla ist mehr als ein Wohnraum – sie ist ein Ausrufezeichen: Schaut her, die Klimaziele von 2050 können wir schon heute umsetzen, ohne auf Lebensqualität zu verzichten. Das ist für Reist und Böing die Motivation zu ihrem Projekt. Dafür haben sie 150 000 Franken aus der eigenen Tasche in ihr mobiles Kleinhaus investiert. Und sich zwei Jahre Zeit gegeben, das Projekt in Zusammenarbeit mit Forschungspartnern umzusetzen und zu evaluieren. «Wir möchten herausfinden, ob wir mit den Ressourcen auskommen, die wir direkt vor Ort erzeugen, konsumieren und wiederaufbereiten», sagt Reist. Deshalb arbeiten sie in den Bereichen Abwasser, Urinaufbereitung und Networking mit Forschungspartnern wie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zusammen und wollen bis 2020 ihre Surprise 457/19
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Erfahrungen evaluieren. Dafür produziert eine Solaranlage auf dem Dach den Strom für Licht, Kochherd, Kühlschrank, Heizung und Internet, Überschüsse werden gespeichert. Sogar an dunkeln Wintertagen habe der Solarstrom gereicht und für genug Wärme gesorgt, wenn zusätzlich mit Holz eingefeuert worden sei. Die Tilla ist auch ein Fragezeichen: Machst du mit? René Reist und Amelie Böing suchen den Kontakt, nicht nur zu Passantinnen und Schulkindern, die gerne am Gartenzaun stehen bleiben und das Mini-Haus bestaunen. An Besuchstagen präsentieren sie ihre Visionen und wollen damit Austausch und Diskussion anregen. Der offene Umgang mit dem eigenen, privaten Raum und Besitz ist vielen wohl ungewohnt, für René Reist und Amelie Böing aber ein logischer Schritt auf dem Weg zu ihrem Ziel. «Wir wollen weg vom individuellen Besitz», sagt der 33-Jährige, es gehe ihnen darum, die gemeinschaftliche Nutzung von Ressourcen anzuregen. Deswegen haben sie sich bewusst für diese reduzierte Wohnform entschieden – die kleine Wohnfläche bietet gerade dem NöRENÉ REIST tigsten Platz: Bett, Tisch, Sitzecke, Küche und Bad. Und dennoch wirkt ihr Zuhause gemütlich, nicht eng. «Ich erschaffe mir meinen physischen Platz selbst, unabhängig vom Ort», sagt Reist. Für den Fall, dass ihnen doch einmal die Decke auf den Kopf fällt, haben sie ihr Zimmer in der nahen Gross-WG als Ausweichmöglichkeit behalten. Die Tilla ist auch ein Wegweiser: In diese Richtung könnte es gehen. Das Projekt soll sich vervielfachen, sodass ein ganzes Dorf aus Tillas entstehen kann. Das Kleinsthaus ist mobil und steht zurzeit als Zwischennutzung auf 300 Quadratmetern Bauland. Mit der Mobilität ihres Zuhauses wollen sich René Reist und Amelie Böing auch für die ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Nutzung von Land-Ressourcen einsetzen. Gerade in Städten mit knappem Wohnraum könne Brachland für einen gewissen Zeitraum mit mobilen Häusern besiedelt werden. Noch ist diese mobile Clustersiedlung ein Zukunftsmodell, doch eine Arbeitsgruppe aus an neuen Wohnformen interessierten Privatpersonen um die junge Familie arbeitet bereits an der Umsetzung. «Wir wollen ein Versuchslabor bieten für das gemeinschaftliche Leben», erklärt Reist die Vision der Arbeitsgruppe. So sollen im Tilla-Dorf der Zukunft einst auch neue Formen der Alters- und Gesundheitsversorgung möglich sein. 2020 ist die Tilla dann auch ein Punkt: Für René Reist und Amelie Böing ist das Projekt in Au dann erst einmal abgeschlossen. Gleichzeitig soll mit dem Abschluss dieser Pilotphase das Projekt Cluster-Villa starten. Erste Schritte dazu werden im Herbst 2019 in die Wege geleitet.
«Wir wollen weg vom individuellen Besitz.»
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Leben und forschen auf 33 Quadratmetern: Die Tilla von René Reist und Amelie Böing ist auch ein Versuchslabor für eine Zukunft, in der Wohnraum ein knappes Gut ist.
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«Weil Salome keine Physiotherapie erhält, verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand.» TENGIZ PANJAKIDZE, VATER VON SALOME
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Kein Arzt für Salome Asylverfahren Wer in der Schweiz Asyl beantragt, hat nur beschränkt Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Auch Kinder warten monatelang auf einen Arztbesuch – zum Teil vergeblich. TEXT SIMON JÄGGI FOTOS ROLAND SCHMID
Gehen kann Salome höchstens ein paar Schritte. Die 15-Jährige ist seit ihrer Geburt körperlich beeinträchtigt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie kann nur mit grosser Mühe ihre Beine kontrollieren und die Fersen beim Gehen nicht auf den Boden setzen. Sie trägt oft einen dunklen Hut, wie ihn R’n’B-Stars haben, dazu ein farbiges T-Shirt. Salome hat einen Wunsch: «Ich will eines Tages wieder alleine gehen können.» Geboren ist Salome in Georgien, wo der Zugang zu medizinischer Versorgung eingeschränkt und teuer ist. Zu teuer für die Familie Panjakidze. Sie lebte die vergangenen Jahre vom Einkommen des Vaters, der seinen Lohn mit Gelegenheitsjobs verdiente und eine kleine Veteranenrente erhielt. Er hatte in den bewaffneten Konflikten im Kaukasus gekämpft, wo er verletzt wurde. Die Mutter war Journalistin und kümmert sich seit ihrer Geburt um die Tochter. Die Familie lebte in einem kleinen Ort in der Nähe der türkischen Grenze. Zur Schule gehen konnte Salome nur unregelmässig. «Das ist Diskriminierung» Weil Salome in Georgien medizinisch nicht ausreichend versorgt wurde, wollte die Familie nach Westeuropa. Ihre Reise führte nach Deutschland, wo sie ein Jahr verbrachte. Aufgrund des Dublin-Abkommens schafften die deutschen Surprise 457/19
Behörden die Familie im vergangenen März in die Schweiz aus, wo sie zuerst registriert worden war. Hier warten sie nun schon seit vier Monaten auf eine ärztliche Untersuchung. «Seit wir in der Schweiz sind, hat meine Tochter keinen Arzt gesehen», sagt Vater Tengiz Panjakidze. Er sitzt in einer Basler Parkanlage, unweit des Bundesasylzentrums Allschwil, in dem die Familie zurzeit wohnt. «Weil Salome seit ihrer Ankunft keine Physiotherapie erhält, verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand immer mehr.» Tengiz Panjakidze geht zur Tochter, die gegenüber von ihm im Rollstuhl sitzt, und zieht ihre Schuhe und Socken aus. Salomes Zehen sind an beiden Füssen stark verkrampft, eine Folge der fehlenden Therapie, sagt er. Die Familie kritisiert auch die Bedingungen in der Asylunterkunft in Allschwil. «Es gibt keine behindertengerechten Duschen und Toiletten.» Ihr Zimmer sei so eng, dass sich Salome mit dem Rollstuhl darin gar nicht bewegen könne. Auch die Aussenbereiche seien mit dem Rollstuhl nur schwer zugänglich, weshalb Salome nicht mit den anderen Kindern spielen könne. «Das ist Diskriminierung», sagt Vater Panjakidze. Zunächst entwickelten sich die Dinge für die Familie wie erhofft. Im August vergangenen Jahres reisten Mutter und Tochter nach Deutschland ein. Dort trafen sie den Vater, der vorausgereist war, und stellten wenig später ein 19
Gesuch um Asyl. Die Familie lebte zuerst in Düsseldorf, dann in einer Unterkunft im Erzgebirge. Wie Dokumente belegen, wurde Salome während des Aufenthalts in Deutschland medizinisch umfassend betreut. Sie hatte einen Termin bei einem Orthopäden, ein Arzt untersuchte die Fehlstellung ihrer Augen und veranlasste weitere Abklärungen für eine Laserbehandlung. Auch erhielt Salome viermal in der Woche Physiotherapie und ging regelmässig zu einem Psychologen. Eine Kinderärztin holte Impfungen nach, die Salome in Georgien nicht erhalten hatte. In einer Schule war bereits ein Platz für sie reserviert, nach den Frühlingsferien hätte sie mit dem Unterricht beginnen können. Infolge der Therapien verbesserte sich Salomes gesundheitlicher Zustand merklich, zum ersten Mal überhaupt. Ihre Füsse entkrampften sich, sie konnte ein paar Meter gehen, ihre Inkontinenz verschwand. Die Familie wohnte in einer rollstuhlgängigen Unterkunft für Familien mit Kindern. Erzählt sie von dieser Zeit, kommen Salome die Tränen. «Deutschland war wie ein Paradies.» Bis eines Morgens – es war am 18. März 2019 – die Polizei kam, Salome und ihre Eltern in einen Kleinbus brachte und nach einer achtstündigen Autofahrt den Schweizer Behörden übergab. Endstation: Bundesasylzentrum Basel, zwanzig Meter vom deutschen Grenzübergang entfernt. Seither ist die Familie dort untergebracht. Zuerst am Standort Freiburgerstrasse, seit einigen Wochen in Allschwil. Ohne Arzt, ohne Therapie. Die deutsche Kinderärztin hatte im Juni für Salome weitere Impfungen vorgesehen. Doch nichts deutet darauf hin, dass sie diese erhalten wird. Seit März wartet Salome auf Schulunterricht, weitere Untersuchungen und eine Physiotherapie – vergebens. Ein Recht auf Gesundheit Jede und jeder Asylsuchende in den Bundesasylzentren hat ein Recht auf medizinische Grundversorgung, so steht es in der «Verordnung über den Betrieb von Unterkünften des Bundes im Asylbereich». Physiotherapie, Impfungen und ärztliche Betreuung gehören zwingend dazu. Doch die Realität sieht anders aus. Die medizinische Versorgung im Asylverfahren steht seit diesem Jahr unter veränderten Vorzeichen. Am 1. März wurde das sogenannte beschleunigte Verfahren in Kraft gesetzt. Damit sollen die Asylverfahren «schneller, fairer und günstiger» werden, wie SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga angekündigt hatte. Deshalb bleiben Asylsuchende länger in den Bundesasylzentren als bisher und werden erst dann an die Kantone überwiesen, wenn das Staatssekretariat für Migration (SEM) ihr Gesuch gutgeheissen hat, eine Wegweisung nicht möglich scheint oder weitere Abklärungen notwendig sind. In den Bundesasylzentren übernimmt eine Pflegefachperson die medizinische Erstversorgung. In den ersten Tagen nach dem Eintritt sieht sie sich jeden Asylsuchenden kurz an und gibt ihm einen Gesundheitsfragebogen ab. Danach entscheidet sie, welche Personen einen Arzt sehen dürfen und welche nicht. Im Fall von Salome hielt die Pflegefachfrau das nicht für nötig. 20
Wie weit ein solches Prozedere mit der Gesetzeslage in Einklang steht, ist fraglich. Denn nicht nur die Verordnung des Bundes schreibt den Zugang zur medizinischen Grundversorgung vor. Auch die für die Schweiz verbindliche UNO-Kinderrechtskonvention verpflichtet die Staaten, das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen. Jedes Kind habe das Recht auf das «erreichbare Höchstmass an Gesundheit» sowie auf «Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit». Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen reagieren alarmiert. Noémi Weber von der Schweizerischen Beobachtungsstelle Asyl- und Ausländerrecht hält Salomes Fall für «sehr besorgniserregend». Es sei nicht akzeptierbar, wenn behinderte Kinder in den Bundesasylzentren nur beschränkten Zugang zur medizinischen Grundversorgung erhielten. Entschieden äussert sich auch Caroline Hess-Klein von Inclusion Handicap, dem Dachverband der Schweizer Behindertenorganisationen. «Die UNO-Behindertenrechtskonvention besagt klipp und klar: Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Zugang zu medizinischer Versorgung.» Kinder wie Salome seien besonders darauf angewiesen. Erhalten sie keine Therapie, habe das unter Umständen noch schwerwiegendere Folgen als bei Menschen ohne Behinderung. «Es sieht so aus, als sei im Fall von Salome das Recht der Betroffenen eindeutig verletzt worden.» Operation in letzter Minute Salome Panjakidze ist kein Einzelfall. Wie restriktiv der ärztliche Zugang in den Bundesasylzentren geregelt ist und welche Risiken das SEM dabei in Kauf nimmt, zeigt das Beispiel des 13-jährigen Mirsadiq Tahmazov. Die Geschichten der beiden Kinder gleichen sich bis ins Detail. Mirsadiq stammt aus Aserbaidschan. Als Kleinkind war er an einer Hirnhautentzündung erkrankt und hatte mehrere Monate im Koma gelegen, seither ist er schwer beein-
«Es sieht so aus, als sei das Recht der Betroffenen eindeutig verletzt worden.» CAROLINE HESS-KLEIN, INCLUSION HANDICAP
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Keine Physiotherapie, keine behindertengerechten Toiletten und Duschen, keine Impfungen, kein Schulunterricht: Salome, 15, mit ihren Eltern.
Als Mirsadiq, 13, nach Monaten in der Schweiz endlich einen Arzt sehen durfte, schickte ihn dieser direkt in die Notaufnahme. Am nächsten Tag wurde der Junge operiert. 22
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trächtigt. Er leidet unter epileptischen Anfällen, kann nicht greifen, gehen und sprechen. Geht es ihm schlecht, schreit er, weint oder schlägt sich mit der Faust gegen den Kopf. Die medizinische Versorgung in Aserbaidschan gilt als prekär, umfassenden Zugang zu Medikamenten und Krankenhäusern können sich nur Wohlhabende leisten. Um Mirsadiq behandeln zu lassen, hatten seine Eltern ihr gesamtes Vermögen aufgebraucht und fast all ihren Besitz verkauft. Trotzdem erhielt ihr Kind keine ausreichende Hilfe. Wie bei Salome entschied sich die Familie zur Flucht nach Westeuropa und gelangte so im vergangenen März in die Schweiz. Davor hatten auch sie fast ein Jahr in Deutschland gelebt, wo Mirsadiq medizinisch betreut worden war. Er ging zur Physiotherapie, man überprüfte seine Medikamente, neurologische Untersuchungen wurden eingeleitet und ein für seine Körpergrösse passender Rollstuhl wurde bestellt. Bis eines Nachts die Polizei an die Tür klopfte und die Familie mit zwei Kleinbussen in die Schweiz brachte. Wegen eines früheren Visumantrags stellte sich auch in ihrem Fall heraus, dass die Schweiz für das Gesuch zuständig ist. Seit Anfang März lebt die Familie nun hinter dem von Mauern und Stacheldraht umzäunten Bundesasylzentrum Basel. Nach ihrer Ankunft verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Mirsadiq. «Er schlief kaum noch, war unruhig und schlug sich immer wieder mit den Fäusten gegen den Kopf», sagt die Mutter. Sie vermutete, Mirsadiq habe Schmerzen, und bat die Krankenpflegerin immer wieder um einen Arzttermin. Die letzte Untersuchung in Deutschland lag bereits Monate zurück, damals wurden unter anderem Mirsadiqs Medikamente versuchsweise umgestellt. Nach langen Diskussionen mit der Pflegefachfrau konnte Mirsadiq Anfang Juli endlich zu einem Kinderarzt. Dann ging plötzlich alles sehr schnell. Der Arzt schickte die Familie direkt auf den Notfall des Kinderspitals. In Aserbaidschan war Mirsadiq ein Gerät eingesetzt worden, das überschüssige Gehirnflüssigkeit in den Bauchraum ableitet. Wie die Untersuchungen im Spital zeigten, hatte sich dieses Gerät abgelöst. Deshalb war sein Hirndruck gefährlich angestiegen. Die Ärzte behielten den Jungen über Nacht im Spital und operierten ihn am nächsten Morgen. Wäre Mirsadiq nicht behandelt worden, hätte der zu hohe Hirndruck im schlimmsten Fall zu Blindheit, Koma oder gar zum Tod führen können. Kämpfen bis zuletzt Dass Salome und Mirsadiq der notwendige Zugang zur medizinischen Grundversorgung verwehrt werde, bestreitet das SEM. «Allen Asylsuchenden wird die Möglichkeit für eine medizinische Erstkonsultation angeboten», sagt Pressesprecherin Emmanuelle Jaquet von Sury auf Anfrage. Falls notwendig, erfolge eine Überweisung zu einem Grundversorger für eine ärztliche Untersuchung oder Behandlung. Die Pflegefachfrau sortiere dann nach Dringlichkeit und Schweregrad, so Jaquet von Sury. «Alle Kinder erhalten einen Termin bei einem Kinderarzt. Wir können versichern, dass die betroffenen Personen angemessen betreut werden.» Einzelheiten darf das SEM Surprise 457/19
«Dass eine konkrete Gefahr für Leib und Leben bestünde, geht aus den vorliegenden Medizinalakten nicht hervor.» AUS DEM ASYLENTSCHEID VON MIRSADIQ
aus Datenschutzgründen nicht bekannt geben, und auch ein Gespräch mit der zuständigen Pflegefachfrau war nicht möglich. Nach ihrer Ankunft im Bundesasylzentrum hatten beide Familien ein Ziel vor Augen: eine Aufenthaltsbewilligung und Zugang zur medizinischen Versorgung für ihre Kinder. Doch Asyl aufgrund von Krankheit erteilen die Behörden in der Schweiz nur in sehr seltenen Fällen. Das SEM hat die Asylgesuche beider Familien abgelehnt. Auch für eine vorläufige Aufnahme sah die Behörde in beiden Fällen keinen Grund. Die medizinische Versorgung sei in Aserbaidschan wie auch in Georgien ausreichend. «Dass eine konkrete Gefahr für Leib und Leben bestünde, geht aus den vorliegenden Medizinalakten nicht hervor», schreibt das SEM im Asylentscheid von Mirsadiq. Ähnlich klingt es bei Salome. Beide Familien wurden aufgefordert, das Land zu verlassen. Unter Androhung von Gefängnis und Ausschaffung unter Zwang. Zumindest im Fall von Mirsadiq ist das letzte Urteil aber noch nicht gefällt. Die Familie hatte Beschwerde gegen den Asylentscheid eingereicht. Das zuständige Bundesverwaltungsgericht hiess die Beschwerde gut, zugleich übt es deutliche Kritik am Vorgehen des SEM. Die Migrationsbehörde habe sich nicht ausreichend mit dem Gesundheitszustand von Mirsadiq auseinandergesetzt und damit die «Begründungspflicht» und «Bundesrecht verletzt». Jetzt muss das SEM das Asylgesuch der Familie erneut prüfen. Auch die Eltern von Salome hatten gegen die Wegweisung eine Beschwerde eingereicht, allerdings ohne Erfolg. In ihrem Fall hat das Gericht den Entscheid des SEM bestätigt. Wie es für die Familien weitergeht, ist ungewiss. In ihre Heimat zurückzukehren kommt für sie nicht infrage. Sie möchten, dass ihre Kinder jene medizinische Hilfe bekommen, die sie brauchen. Und dafür wollen sie kämpfen bis zuletzt. 23
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1 – 2 Abfall, der die Situation
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auf den Punkt bringt: Die Ausstellung in Flims. 3 Ursula Stalder in Südengland. 4 Der Strand von Piräus, Griechenland, wo Stalder auf Sammeltour war.
Schöner Müll Kunst Die Luzerner Künstlerin Ursula Stalder sammelt seit Jahrzehnten Abfall an Stränden rund um die Welt. Die Kunstwerke, die sie daraus schafft, sind aktuell in zwei Ausstellungen zu sehen. TEXT MARTINA KAMMERMANN
Kaputtes Spielzeug, weggeworfenes Plastikgeschirr, verwitterte Sandalen: Die Dinge in Ursula Stalders Werken machen neugierig. Wer hat sie benutzt? Wie gingen sie verloren, wer hat sie achtlos weggeworfen? Die Künstlerin begann vor 27 Jahren, an Stränden rund um die Welt angeschwemmte und liegengebliebene Objekte zu sammeln. Zuhause in Luzern ordnet und putzt die 66-Jährige ihre Fundstücke, arrangiert sie und verleiht ihnen einen neuen Wert, eine neue Bedeutung. Kurz: Sie schafft daraus Kunst. Zu Beginn ihrer steilen künstlerischen Karriere legte Stalder ihre Fundstücke jeweils wie eine Archäologin am Boden aus. Dazu kamen bald viele Wandkompositionen und Rauminstallationen. Von Ursula Stalder sorgsam ausgewählt und angeordnet, entfalten die Dinge eine geheimnisvolle Wirkung. Ob der Poesie ihrer Arbeiten vergisst man fast, dass es sich hier um Abfall handelt. Plastik, der die Meere und Ufer verschmutzt. «Die Müllteppiche in den Meeren und an den Stränden schockieren mich zutiefst», sagt sie. Als Umweltaktivistin bezeichnet sie sich aber nicht: «Ich bin Künstlerin. Ich habe nie einen Strand gesäubert, es war die Schönheit der Objekte, die mich bewegt hat.» Immer wieder wird ihr vorgeworfen, sie zeige den Müll zu sympathisch. «Wichtig ist, dass das Thema präsent ist», sagt Stalder darauf. «Ich leiste auf meine Weise einen Beitrag.» Stalders Sammlung umfasst inzwischen tausende Objekte. Sie arbeitet praktisch jeden Tag mit ihnen und hat sie in ihrem Wohnatelier stets um sich. «Sie sind für mich zu einer Sprache geworden», sagt sie. Um sich in ihrem gigantischen Archiv nicht zu verlieren, pflegt sie eine akribische Ordnung. «Ich erweitere meine Sammlung nicht einfach, sondern ich verdichte sie auch stetig», sagt sie. Die Auswahl trifft sie immer direkt am Strand, 24
zuhause sortiert sie nichts mehr aus: «Ich sammle jeweils sehr konzentriert während zwei, drei Tagen – danach bin ich von den vielen Eindrücken total ausgelaugt.» In der Ausstellung «Gesammelt. Geordnet. Archiviert» in Luzern blickt Ursula Stalder auf die 27 Jahre ihres Lebensprojekts zurück und präsentiert ihre Sammlung in ihrer ganzen Breite. Werkgruppen von europäischen, afrikanischen und südamerikanischen Meeresufern nehmen die Besucher mit auf eine Reise durch unser Konsumverhalten und durch die Zeit: «Die Meere waren schon in den Neunzigern vermüllt, aber man konnte das Problem noch irgendwie verdrängen. Nun hat es sich dermassen zugespitzt, dass man nicht mehr wegschauen kann», sagt Stalder. Da weggeworfener oder verlorener Müll auch in den Bergen ein Problem ist, hat sich die Künstlerin ausserdem an einer Ausstellung in Flims beteiligt. Am «Clean Up Day» 2018 sammelten rund 500 Schülerinnen und Schüler in der Natur rund um Laax drei Container Abfall ein. Diesen hat die Künstlerin zu einer raumfüllenden Installation zusammengefügt, die unsere Freizeitaktivitäten in den Bergen spiegelt – und nachdenklich stimmt.
«Gesammelt. Geordnet. Archiviert», Do, 15. August bis So, 8. September, Kornschütte Luzern, Kornmarkt 3. Luzern. Führungen mit Ursula Stalder: So, 25. August und So, 8. September, jeweils 11 Uhr «Nachlese», bis So, 20. Oktober, Das Gelbe Haus, Via Nova 60, Flims Dorf. Finissage mit Konzert von Fredy Studer: So, 20. Oktober, 18 Uhr www.ursulastalder.ch Surprise 457/19
BILD(1, 2, 3): EMANUEL AMMON BILD(4): URSULA STALDER
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ILLUSTRATION : TILL LAUER
Fremd von A bis Z Buch In «Ein Alphabet vom Schreiben und Unter
wegssein» begegnen sich zwei denkbar unter schiedliche Lebenswege im literarischen Dialog.
Vom Armsein in der reichen Schweiz
Was für ein verführerischer Titel voller Klang und Poesie: Ein Alphabet vom Schreiben und Unterwegssein. Zu verdanken sind der Titel und das schmale Bändchen, das er ankündigt, der Zusammenarbeit eines Autors und einer Autorin mit den denkbar unterschiedlichsten Biografien. Dem 2000 in Mogadischu geborenen Axmed Cabdullahi, der 2016 auf der Flucht vor dem somalischen Bürgerkrieg als unbegleiteter Minderjähriger in die Schweiz kam, und der deutsch-schweizerischen Autorin Ulrike Ulrich. Kennengelernt haben sich die beiden im Jungen Literaturlabor JULL in Zürich. Unterstützt durch ein Mini-Stipendium hat Axmed Cabdullahi bereits 2017, nur ein Jahr nach seiner Ankunft in der Schweiz, ein erstes Büchlein mit Geschichten in deutscher Sprache verfasst. Schon da war Ulrike Ulrich sein Schreib-Coach. Nun ist sie, in der zweiten Veröffentlichung Cabdullahis, nicht nur seine Mentorin, sondern auch Co-Autorin. Beide haben dazu je eigene Texte zu einem Reigen zusammengetragen. Texte, die einen Bogen von A bis Z durch das ganze Alphabet spannen, mit Themen, die um das Schreiben und das Unterwegssein kreisen. So unterschiedlich wie die Biografien des Autoren-Duos, so unterschiedlich sind die Inhalte dieser Kurztexte. Denn wo Cabdullahi vom Ankommen und Fremdsein in einem ihm unbekannten Land erzählt, ist es bei Ulrich das Fremdsein im eigenen Land, in Deutschland, das sie verlassen hat, um nicht mehr dorthin zurückzukehren, und im Befremdenden, das ihr überall begegnet, auch in der Schweiz. Dem Dasein als Fremder steht das Gefühl der Entfremdung gegenüber. Flucht, Illegalität, Alleinsein, Gefahr, kulturelle Unterschiede und der Aufbau einer neuen Existenz bei Cabdullahi treffen auf den permanenten Prozess, mit dem Ulrich gegen ihr Unbehagen in und an der Welt, ja, selbst im eigenen Körper anschreibt. Und dieses Nebeneinander funktioniert. Nicht zuletzt, weil beide Autoren die jeweils andere Erfahrung nicht kommentieren oder interpretieren. Es ist ein offener Dialog, der es dem Leser überlässt, Erkenntnis daraus zu gewinnen – möglicherweise auch über sich selbst. Die verschiedenen Sprachstile tragen dazu bei. Cabdullahis schlichte, klare Prosa, die nichts verurteilt und auch kein Mitleid fordert, sondern durch lebendige Alltagsszenen Verständnis schafft. Und Ulrichs lyrischer, zuweilen aphoristischer Stil, der einen ganz eigenen Sog entfaltet. Gemeinsam ist beiden Autoren das Bedürfnis, sich mitzuteilen. Die Buchstaben des Alphabets sind der Schlüssel dazu. CHRISTOPHER ZIMMER
Die Schweiz schreibt Die Caritas Schreib
werkstatt ermöglicht es Menschen mit kleinem Budget, ihre Geschichten zu erzählen.
Die Textsammlungen der Caritas Schreibwerkstatt sind kostenlos als Broschüren bestellbar unter: www.caritas-zuerich.ch/schreibwerkstatt
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FOTO: ZVG
Menschen mit wenig Geld kommen im Alltag selten zu Wort. Teils wegen ihrer eigenen Scham, teils aber auch, weil sie von der Gesellschaft kaum wahrgenommen werden. Nicht so in diesem Schreibprojekt: Seit 2010 lädt die Caritas Zürich einmal im Jahr Menschen mit schmalem Budget und Interesse am schriftlichen Ausdruck zu professionellen Kursen ein, wo sie sich schreibend mit der eigenen Situation auseinandersetzen können. «Die Schreibwerkstatt ist nicht als therapeutisches Angebot konzipiert, sondern richtet sich in erster Linie an Menschen, die Freude am Schreiben haben, sich einen solchen Kurs aber nicht leisten könnten», betont die Kulturpublizistin Andrea Keller, die gemeinsam mit der Autorin Tanja Kummer die Kurse leitet. «In den Schreibgruppen stellt sich schnell das Gefühl ein, im selben Boot zu sitzen. Ich bin jedes Mal von der Offenheit und der gegenseitigen Toleranz beeindruckt, denn es sind ganz unterschiedliche Menschen, die bei uns zusammenkommen, um Texte über das Leben mit wenig Geld in der reichen Schweiz zu schreiben.» So gebe es zum Beispiel Teilnehmende, die handwerklich bereits viel Vorwissen mitbringen, während andere noch keine Schreibroutine hätten, jedoch lernen möchten, wie man einen packenden Text schreibt. «Wir vermitteln die Grundlagen der Schreibtheorie, zeigen auf, was eine Episode ist oder wie man einen passenden Titel findet. Da die Kurse freiwillig besucht werden, haben wir es mit sehr motivierten Männern und Frauen zu tun, was eine Freude ist.» Besonders wertvoll für die Teilnehmenden sei die Feedbackrunde. «Im Kurs werden die Texte gegenseitig vorgelesen. Wer durch Armut beruflich und sozial isoliert ist, hat oft den Eindruck, er oder sie sei kein Teil der Gesellschaft mehr. Im Kurs erlebt man Zugehörigkeit, und das Vorlesen der eigenen Gedanken baut das Selbstvertrauen auf», sagt Keller. MONIK A BET TSCHEN
Axmed Cabdullahi / Ulrike Ulrich: «Ein Alphabet vom Schreiben und Unterwegssein» Essais agités 2018. CHF 9.00 Erhältlich bei: www.essaisagites.ch
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Bern «Bern auf dem Mond», Ausstellung, bis So, 6. Oktober, Di bis So, 10 bis 17 Uhr, Bernisches Historisches Museum, Helvetiaplatz 5. bhm.ch
Am 21. Juli 1969 landeten die Amerikaner auf dem Mond und hatten dabei ein Stück Schweiz im Gepäck: Das Physikalische Institut der Universität Bern entwickelte für die Apollo-11-Mission ein Sonnenwindsegel, das Astronaut Buzz Aldrin noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes steckte. Das Segel sollte Teilchen der Sonne einfangen, die kontinuierlich in den Weltraum ausgesandt werden und Informationen über die chemische Zusammensetzung der Sonne liefern. Zum 50-Jahr-Jubiläum der Mondlandung zeigt das Bernische Historische Museum nun eine Ausstellung, die aber nicht nur ebenjenes Sonnenwindsegel abfeiert, sondern auch den Wettstreit zwischen den USA und der UdSSR um die Vormachtstellung im Weltall während des Kalten Krieges abbildet. DIF
Zürich «20 Jahre Literaturhaus Zürich», Sa, 7. und So, 8. September, Literaturhaus Zürich, Limmatquai 62. literaturhaus.ch
Dass die Literatur ein Haus hat, ist ja an sich schon gar nicht selbstverständlich und eine prima Sache. Es ist ein Ort, an dem das geschriebene Wort dank lieben Menschen, die sich seiner annehmen, hörund erlebbar wird. Zum Beispiel am Jubiläumswochenende im September: Die Mexikanerin Aura Xilonen, aktuelle Writer in Resi-
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dence am Haus, liest aus ihrem Roman «Gringo Champ». Jürg Halter macht eine Performance-Führung durchs Haus und lässt sich dabei von verqueren Querverbindungen leiten. Martin Frank und Meral Kureyshi unterhalten sich über Dramaturgie, Stil und Sprache, die Illustratorinnen Kati Rickenbach und Anete Melece zeichnen live, und an der Jukebox kann man sich Poesie wünschen und von den Schauspielern Miriam Japp und Daniel Hajdu persönlich vorlesen lassen. Und spätnachts, das wussten Sie vielleicht noch nicht, wird Max Küng manchmal zum DJ. Dann macht er Party statt Texte. DIF
grammwochen statt, und das verspricht recht abgefahren zu werden. Auf jeden Fall mit dem Yugo-Taxi, dem «Stojadin», wie er auf Serbokroatisch heisst. Der Zastava 101 confort war in den 80er-Jahren so etwas wie der BMW auf dem Balkan, jetzt ist er in Zürich unterwegs: Umfunktioniert zum Theater-Taxi mit Chauffeur, Autor und Comedian Danko Rabrenović nimmt er seine Gäste auf eine Tour durch Zürich mit. «The Sound of Zurich» wiederum ist ein Community-Art-Projekt: eine Klang- und Fotoinstallation, die aus zwölf Tonspuren besteht, die in den zwölf Stadtkreisen im Mittun der Bewohner entstanden sind. Die Stimmen der Menschen, die dort leben, die Geräusche der Stadt und die Bilder der beteiligten Gemeinschaften machen die menschliche Vielfalt von Zürich sichtbar. Den Anfang macht das «Standbild Zürich»: 60 Minuten, 60 Menschen, 60 Sekunden ungeteilte Aufmerksamkeit für jede und jeden Einzelnen. Voraussetzungslos. Bedingungslos. Gnadenlos. DIF
Weil am Rhein «Balkrishna Doshi. Architektur für den Menschen», Ausstellung, bis So, 8. September, täglich 10 bis 18 Uhr, Vitra Design Museum, Charles-Eames-Strasse 2, Weil am Rhein. design-museum.de Der Architekt und Stadtplaner Balkrishna Doshi, 1927 im indischen Pune geboren, gilt als der wichtigste Pionier moderner Architektur auf dem Subkontinent. Die Ausstellung richtet das Augenmerk auf die Themen Heimat und Identität, wobei sie Architektur auch als
Motor des gesellschaftlichen Wandels zeigt. Inspiriert von Mahatma Gandhis Lehren entwickelte Doshi neue Herangehensweisen an den sozialen und experimentellen Wohnbau, die auf der Teilhabe der Bewohner basierten und Möglichkeiten boten, die Architektur wechselnden Bedürfnissen anzupassen. Doshi hat 1989 die Wohnsiedlung «Aranya» für Menschen mit geringem Einkommen realisiert. Inspiriert von Vorbildern wie Le Corbusier und Louis Kahn übernahm er Elemente der modernen Architektur, brachte sie jedoch mit den lokalen Traditionen und dem kulturellen Kontext Indiens in Einklang. Das als Musterprojekt gebaute Aranya hat heute über 80 000 Einwohner. Der Architekt findet auch Antworten auf klimatische Fragen: Auf dem Campus seiner «School of Architecture» befindet sich ein Kunstraum, der eine Antwort auf das heisse örtliche Klima ist, indem er teilweise in die Erde gebaut wurde. DIF
BILD(1): NASA IMAGE AND VIDEO LIBRARY, BILD(2): ZVG, BILD(3): VASTUSHILPA FOUNDATION AHMEDABAD
Veranstaltungen
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Zürich «About Us! Zürich Interkulturell», 6. bis 21. September, Eröffnung 6. September, 20 Uhr, Helvetiaplatz, weitere Veranstaltungsorte online, Eintritt frei. about-us.ch Im September finden mit About Us! die ersten interkulturellen Pro-
Unbenannt-1 1
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die kaum die Kurve kriegen, wendige Lieferwagen und als Firmenautos gekenn zeichnete PKWs, die von der Wider standsfähigkeit des lokalen Gewerbes zeugen, das sich im Strom der Zeit bewegt, ausgebremst von Kinderwagen, von Jugendlichen, die zu McDonalds gehen, von unbehelmten alten Frauen auf Damenfahrrädern.
Tour de Suisse
Pörtner in Langenthal Surprise-Standort: St. Urbanstrasse 3 Einwohnerinnen und Einwohner: 15 639 Sozialhilfequote in Prozent: 6,84 Anteil ausländische Wohnbevölkerung in Prozent: 24 Anzahl Nutztiere: 7240
Die Einzigen, die an diesem Vormittag lächeln, sind die übergrossen Kinderfigu ren aus Metall, die auf dem Verkehrs kreisel stehen und verkünden: «Üsi Schuel isch super». Die Menschen lächeln nicht, es ist einer dieser Sommertage – die be klagte Hitze ist seit ein paar Tagen vor über –, mittelländisch, mittelständisch, mittelprächtiges Wolkenwetter, ein bisschen Regen, ein bisschen Wärme, aber nichts Richtiges. Die einen ignorieren die Abkühlung und beharren weiterhin auf Shorts, T-Shirt und Flipflops, wäh rend andere die fürs Wandern eingekaufte Funktionskleidung, Fleece-Weste und Regenjacke, nun halt zum Einkaufen tra gen. Stolz künden die Flaggen über der St. Urbanstrasse vom Wakkerpreis, den der Heimatschutz der Stadt heuer zuge sprochen hat: «Gewürdigt werden einer seits der sorgfältige Umgang mit der Surprise 457/19
Bautradition und andererseits das Pla nungsverfahren, das bei der Realisierung von Bauprojekten zum Tragen kommt.» Tatsächlich hat man hier, an diesem Ver kehrsknotenpunkt, alles harmonisiert, die altehrwürdigen Gebäude aus vorver gangenen Jahrhunderten, die auf das Primat des Automobils ausgelegte Ver kehrsführung aus dem vergangenen Jahrhundert, die Integration des Shop ping-Centers ins Kleinstädtische. Was bringt dieses Jahrhundert? Das ist auch hier die Frage, das leerstehende Laden lokal des bankrotten Modehauses OVS, die Depotfiliale, die der Grossverteiler Migros lieber heute als morgen loswerden will, zeugen vom Umbruch im Detail handel, von der Verlegung des Einkaufs erlebnisses von der Stadt ins Wohnzim mer. Um den Kreisel fahren Lastwagen,
Die Menschen kommen von überall her, sie tragen neben Funktionskleidung und Badelatschen auch Schleier und Kopf tuch und lila T-Shirts, auf denen in Glitzerschrift «Oh Sunday» steht. Kinder laufen, hüpfen, schlurfen hinter ihren Müttern her, gehen an ihrer Hand. Das Einkaufen ist ganz klar Frauensache, der kleine Bub trägt sein Schwesterchen über den Fussgängerstreifen, liebevoll. Die St. Urbanstrasse ist kein Laufsteg, nie mand will auffallen, niemand fällt auf, das ist auffällig. Niemand grüsst, niemand bleibt stehen, niemand kennt sich. Die Grossfamilie stammt aus Asien und geht auch zu McDonalds, Touristen, das gibt es hier, angelockt von Sehenswürdigkeiten mit internationaler Ausstrahlung. Vor dem McDonalds darf geraucht werden, als Aschenbecher dienen Untersetzer, auf denen umgekehrt die dazugehörigen Blumentöpfe stehen, damit die Kippen nicht vom Winde verweht werden. Zwei schwarzhaarige Brüder teilen sich brüderlich die Earbuds, sie grooven zum selben Beat über den Fussgänger streifen, überholen die Frau mit dem Rollator. Die Wolken verziehen sich. Die Sonne kommt durch, und jetzt lächelt sogar der Mann mit dem Wadentattoo.
STEPHAN PÖRTNER Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.
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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D
Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist. 01
Echtzeit Verlag, Basel
02
Waldburger Bauführungen, Brugg
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Rhi Bühne Eglisau
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Scherrer & Partner GmbH, Basel
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Philanthropische Gesellschaft Union Basel
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Mitarbeitende Forbo Siegling CH, Wallbach
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TopPharm Apotheke Paradeplatz
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Hausarztpraxis Tannenhof, Tann-Rüti
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RLC Architekten AG, Winterthur
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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau
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LIVEG Immobilien GmbH, Adliswil
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VXL, gestaltung und werbung, Binningen
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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Zürich
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Brother (Schweiz) AG, Dättwil
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Kaiser Software GmbH, Bern
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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen
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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar
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Physiopraxis M. Spring/S. Zeugin, Basel
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Maya-Recordings, Oberstammheim
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Cantienica AG, Zürich
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Madlen Blösch, Geld & so, Basel
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Schluep & Degen, Rechtsanwälte, Bern
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Ozean Brokerage & Shipping AG, Muttenz
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Beat Vogel, Fundraising-Datenbanken, Zürich
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InhouseControl AG, Ettingen
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Nicole Huwyler Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 50 I marketing@surprise.ngo
SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm
Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?
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Eine von vielen Geschichten Josiane Graner, Juristin, wurde in ihrem Leben von schweren Schicksalsschlägen getroffen. Sie kämpft und steht immer wieder auf. Ein Geschäftsprojekt, das sich zum Flop entwickelte, führte sie 2010 zu Surprise. Ihr Geschäftspartner hatte sich ins Ausland abgesetzt und sie mit dem Schuldenberg allein gelassen. Um ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten, verkauft Josiane Graner in Basel das Strassenmagazin. Zudem ist sie für den Aboversand zuständig. Dank des SurPlus-Programms erhält sie ein ÖVAbonnement und Ferientaggeld. Diese Zusatzunterstützung verschafft der langjährigen Surprise-Verkäuferin etwas mehr Flexibilität im knappen Budget.
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Wir alle sind Surprise
#453: Im Abseits
#452: Surprise-Porträt Radomir
«Es braucht Mut und Fantasie» Es ist eine beklemmende Geschichte von Herrn Krähenbühl. Das Leben mit Sozialhilfe ist nicht einfach. Traurig finde ich auch, wie er im System gefangen zu sein scheint, ohne Ausweg, ohne Perspektive. Ich lebte auch 4 Jahre ohne Arbeit, 2 davon auf der Sozialhilfe. Ich war damals 50 Jahre alt, Vater einer kleinen Tochter, alleinerziehend. Es war ein sehr ungemütlicher Zustand. Er forderte mich jeden Tag sehr. Und doch bin ich überzeugt, dass jeder Mensch die Fähigkeit besitzt, weiterzukommen. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich nützlich zu machen, ein kleines Inserat genügt: Gärten jäten, Rasen mähen, Hunde ausführen, in den Ferien Katzen füttern. Mir gab all dies viele Kontakte, eine Aufgabe und einen sehr abwechslungsreichen Tag. Ich habe das Glück, viersprachig zu sein, das gab die Möglichkeit für Übersetzungen. Es gibt nicht viel Geld, aber die Kontakte, die daraus entstehen, sind sehr wichtig. Sie können jahrelang halten. Ich bin mir sicher, dass auch Herr Krähenbühl seine Fähigkeiten hat, die er in diesem Sinne einsetzen kann für einige Stunden, für einige Franken, einige Tassen Kaffee. Es braucht etwas Mut und Fantasie, zugegeben, Neues zu probieren. Und vor allem braucht es Zeit. Doch es kann erstaunlich viel daraus entstehen. Ich wünsche Herrn Krähenbühl viel Mut und viel Erfolg. Es lohnt sich, aufzustehen.
M. K AMBER, Evilard
Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Amir Ali (ami) Diana Frei (dif), Klaus Petrus (kp), Sara Winter Sayilir (win) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch
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Radomir ist der Sonnenschein vom Bahnhof Basel. A . K ANAGASUNDR AM, über Facebook
Er zaubert mir regelmässig ein Lächeln ins Gesicht, und mein Tag ist gerettet. F. PARDEY-ISLIKER, über Facebook
Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel
«Tag gerettet» Was für ein Sonnenschein. Hab ihn letztens angesprochen, wie cool und gekonnt er die Hefte hochwirft und wieder auffängt. Dann hat er es mir gleich nochmal vorgeführt. Potenzielli Legende.
Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Georg Gindely, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Semhar Negash, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Christine Benz, Manuela Donati, Martina Kammermann, Jean Nikolič, Roland Schmid Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Geneh migung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach Papier Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach Auflage 26 000 Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3
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FOTO: JON WILLIAMS
Internationales Verkäuferporträt
«Heute weine ich vor Glück» Heute kommt es mir vor, als hätte ich im Lotto gewonnen. Ich heisse Joseph, bin aus Seattle und möchte euch eine wunderbare Geschichte erzählen. Meine Kindheit war nicht einfach. Wir waren arm und ich hatte keine liebevollen Eltern. Immer wenn ich versuche, mich in die Gesellschaft einzugliedern, um ein Gefühl von Normalität zu bekommen, werde ich daran erinnert, auf welche Seite des Zauns ich gehöre. Mein ganzes Leben lang habe ich Vernachlässigung und Missbrauch erlebt. Die Lasten meiner Vergangenheit begleiten mich wie ein stürmischer Wind. An guten Tagen verfolgt mich das nur vor dem Einschlafen, an schlechten Tagen fühle ich mich wie gelähmt. Aber ich weiss auch, dass sich die Dinge ändern können. Vor einiger Zeit fühlte ich mich zu schwach, um zu reden. Mein Leben war ernsthaft in Gefahr, mir ging es immer schlechter. Ich glaubte, ich würde für i mmer meine Stimme verlieren. Dabei ist sie doch mein Kapital. Ich verkaufe das Strassenmagazin Real Change, und ohne meine Stimme kann ich das Heft ja nicht mehr anpreisen. Ich dachte, ich müsse meine Arbeit aufgeben. Ich ging in das Notfallzentrum für Obdachlose von Seattle. Zu dem Zeitpunkt hatte ich seit fünf Jahren auf der Strasse gelebt und den letzten Rest meiner Würde verloren. Ich war froh, endlich ein Bett zu haben, und hatte mich schon darauf eingestellt, dort zu sterben. Doch schon nach zwei Tagen kamen Mitarbeiter des Notfallzentrums und sagten mir, es gebe jetzt ein neues Zentrum im Parterre eines Gefängnisses, und ich könne dort fragen, ob sie mich aufnehmen würden. Zuerst dachte ich, das sei nur eine neue Methode, um uns Obdachlose besser zu «überwachen». Dann meldete ich mich trotzdem an, denn ich sagte mir: «Okay, vielleicht nehmen sie mich ja, auch wenn es ein Gefängnis ist.» Und tatsächlich, ich wurde aufgenommen und zog schon am nächsten Tag dort ein. Eine sehr freundliche Person begrüsste mich und sagte mir, ich solle mich wie zuhause fühlen. Zu meinem Erstaunen wurde das Zentrum ein Zufluchtsort für meine müde Seele. Es ähnelte auch gar nicht dem Gefängnis im Obergeschoss. Ich weiss das, denn ich war schon mal dort. Mir war sofort klar: Ich hatte Glück gehabt. Wir können in diesem Zentrum ein- und ausgehen, wie es uns gefällt. Der Geruch von frischer Farbe ist wunderschön. Wir haben einen Gemeinschaftsraum, und es gibt 30
Joseph Capozzi aus Seattle verlor seine Stimme und konnte das Strassenmagazin Real Change nicht mehr verkaufen. In einer Notunterkunft wurde dann alles gut.
inzelduschen und Badekabinen. Die Betten in den E Zimmern sind neu und komfortabel angeordnet. Der Essbereich ist rund um die Uhr geöffnet und verfügt über eine Mikrowelle. Wir haben sogar einen Innenhof für Raucher. Alle Annehmlichkeiten, die man von einem Gruppenhaus erwartet, sind vorhanden. Für mich ist es genau das: ein Gruppenheim für Leute wie mich, die hier nicht aufgeben müssen. Während meiner Zeit als Obdachloser habe ich die Orientierung verloren, doch jetzt werde ich einen Berater aufsuchen und alle Hilfe bekommen, die ich benötige. Heute weine ich vor Freude, und ich kann immer noch nicht glauben, dass dies alles wirklich so passiert ist. Ich habe meine Stimme wieder und kann meinen Job bei Real Change behalten. Und ich versuche, ein bes seres Leben zu führen und ein Teil der Gesellschaft zu werden. Wenn du gegen Obdachlosigkeit kämpfst oder jemanden kennst, der auf der Strasse lebt, dann wende dich an Leute wie mich. Und denkt daran: Verurteilt nicht und seid freundlich zueinander.
Mit freundlicher Genehmigung von REAL CHANGE / INSP.NGO
Text von JOSEPH CAPOZZI Surprise 457/19
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Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren. BETEILIGTE CAFÉS IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstrasse 18 | Bäckerei KULT «Elsi», Elsässerstrasse 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Café Bohemia, Dornacherstr. 255 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 | Kiosk Amann, Claragraben 101 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 | Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Badischer Bahnhof | Rest. Manger & Boire, Gerbergasse 81 | Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Radius 39, Wielandplatz 8 | Café Spalentor, Missionstrasse 1 | HausBAR Markthalle, Steinentorberg 20 | Treffpunkt Breite, Zürcherstrasse 149 IN LENZBURG feines Kleines, Rathausgasse 18 IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4-Markt Baselstrasse, Baselstr. 66 | Restaurant Quai4, Alpenquai 4 | Quai4-Markt Alpenquai, Alpenquai 4 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Sommerbad Volière, Inseli Park | Restaurant Brünig, Industriestrasse 3 | Arlecchino, Habsburgerstrasse 23 IN RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN BERN Café Kairo, Dammweg 43 | Café MARTA, Kramgasse 8 | Café Tscharni, Waldmannstr. 17a | Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa Lorraineladen, Lorrainestr. 23 | Luna Llena Gelateria Rest. Bar, Scheibenstr. 39 | Rest. Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Rest. Löscher, Viktoriastr. 70 | Rest. Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 | Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestrasse 20 | Becanto GmbH, Bethlehemstrasse 183 | Phil’s Coffee to go, Standstrasse 34 IN BIEL Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d IN ZÜRICH Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | Quartiertreff Enge, Gablerstrasse 20 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 | Kafi Freud, Schaffhauserstrasse 118 | Kumo6, Bucheggplatz 4a | Sport Bar Cafeteria, Kanzleistrasse 76 IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestrasse 47 IN ST. GALLEN S’Kafi, Langgasse 11 IN MÜNCHENBUCHSEE tuorina boutique & café, Bernstrasse 2 IN DIETIKON Mis Kaffi, Bremgartnerstrasse 3a
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