Surprise Nr. 468

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ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING

Ich musste ein wenig sehr fest schmunzeln, als ich mal hörte, wie einer WC-­ Besucherin das allzeit bereite Handdesin­ fektionsmittel in der WC-Kabine auf den Boden fiel. Ein markerschütternder Schrei. Die Abhilfe gegen Bakterien liegt auf dem kontaminierten Boden! Was tun? Die Frau entschied sich nach ­längerem Zögern dazu, das Mittel auf dem Boden zurückzulassen, zu risikoreich. Und ich muss zugeben, dass es auch mich ab und an packt, es ist fast zu einem Spiel geworden: Wie vielen unsichtbaren Monstern kann ich ausweichen? Auch ich öffne die WC-Tür manchmal nur mit dem kleinen Finger. Mag übertrieben sein.

Moumouni …

… auf dem gefährlichen Örtchen Wenn es einen Tick gibt, der gesellschaftlich akzeptiert ist, und wenn die deutsche Grammatik eine Steigerungsform von akzeptiert zulässt, so ist der gesellschaftlich akzeptierteste, am offensten ausgelebte Tick wohl der Ekel vor ­Bakterien in öffentlichen WCs. Er äussert sich in fast abergläubischen Ritualen, um ja nicht in Berührung mit Bakterien zu kommen, die nahezu die Rolle von bösen Geistern übernommen haben. Unsichtbar, heimtückisch und gefährlich! Seit nun Fernsehsendungen wie «Galileo» und Co. verbreitet haben, dass die Gefahr nicht nur von der WC-Schüssel ausgeht, sondern auch vom Türgriff und dem Knauf vom Wasserhahn, finden auf dem WC witzige Szenarien statt im Kampf darum, 6

die Tür mit den frisch gewaschenen Händen nicht anlangen zu müssen. Da timen Besucherinnen des Damen-WCs ihr Händewaschen und Spiegelgucken so, dass sie genau dann fertig sind, wenn ­jemand von aussen die Tür öffnet, oder sich eine andere Person mutig opfert, manchmal mit der Hand im Ärmel. In der Kabine jedoch sind alle auf sich selbst gestellt. Die Spülung könnte so dreckig wie der Türgriff sein, also am besten nur mit WC-Papier betätigen. Und dann spritzen WCs ja angeblich bei der Spülung die Bakterien nur so umher, wer will das schon im Schal haben? Was, wenn der Schal aber genau während des Spülens plötzlich leger vom Hals rutscht, auf den Boden?

Im Gegenzug wirklich VOLLKOMMEN übertrieben ist: im Zugklo den WC-Deckel zu schliessen. Das macht keinen Sinn! In der Häufigkeit sehe ich das auch nur in Schweizer Zügen, in anderen Län­dern hält man sich an die Gesetze der Menschheit: Niemand will einen Zug-WC-Klo­ deckel anfassen! So läuft die Welt, so ist das nun einmal. Nur in der Schweiz nicht. Niemand besteht so sehr auf dem Touri-Klischee von Sauberkeit. Ich habe manchmal das Gefühl, die Übeltäter sind Leute, die einen Punkt daraus ­machen wollen, wie sauber die Schweiz ist. Die BESTE Schokolade, der BESTE Käse, die BESTEN Qualitätsuhren, die PRAKTISCHSTEN Messer, die SCHÖNSTEN Berge, das PRAKTISCHSTE Ab­ fallsystem unter der Spüle und die SAUBERSTEN Zug-WCs. Wer sonst könnte den Zugdeckel freiwillig anlangen wollen, als eine verrückt gewordene Patriotin, die darauf hinweisen möchte, wie sauber er ist? Zugegeben, er ist auch mega-sauber, aber trotzdem nochmals: Niemand will einen Zug-WC-Klodeckel anfassen! Auch nicht in mit Kuhglockengebimmel und Bergkulissen tapezierten Zug-WCs! Wollte ich im neuen Jahr nur mal noch gesagt haben.

FATIMA MOUMOUNI  liebt öffentliche WCs in der Schweiz, weil sie so sauber sind. Doch die Bitte im neuen Jahr: Finger weg vom WC-Deckel im Zug, ausser es gibt triftige Gründe!

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