Zum Wohle aller Socken TEXT CHRISTOPHER ZIMMER
Wenn Sie Ihre Wäsche bügeln, dann tun Sie dies am besten ohne Ansehen von Rang und Stand. Machen Sie keinen Unterschied zwischen einem altgedienten Geschirrtuch und einem Hemd mit Button-down-Kragen. Überlassen Sie die Reihenfolge, in der Sie Ihre Wäsche bügeln, einfach Ihrer Waschmaschine. Denn eine Waschmaschine ist eine absolut unbefangene, demokratische Einrichtung. Sie wirbelt alles, was Sie ihr einverleiben, wie das blinde Schicksal in Person zu einem ineinander verschlungenen Haufen. Ob alte Socke oder neue Bluse, vor der Waschmaschine sind alle Textilien gleich. Wenn Waschmaschinen überhaupt etwas vorzuwerfen wäre, so doch nur, dass sie die Textilien in Fein-, Bunt- und Kochwäsche einteilen, was sicher mit gattungsgeschichtlichen und evolutionstheoretischen Bedingungen der Spezies der körperbedeckenden Arten zu erklären wäre. Doch würde dies hier zu weit führen. Bleiben wir also dabei. Nehmen Sie sich Ihrer Wäsche so an, wie der Wäschekorb sie Ihnen darbietet. Akzeptieren Sie es. Lassen Sie sich von der Qual der Wahl befreien. Setzen Sie keinerlei Prioritäten. Huldigen Sie keinerlei Präferenzen. Ich kann zwar auch nicht behaupten, dass ich ohne solche wäre. So bügle ich seit Jahren keine Unterhosen mehr. Und sollte Sie das jetzt im Schritt unangenehm berühren, so bitte ich um Verzeihung. Wobei, wenn wir schon bei Präferenzen sind, so ist es spätestens an dieser Stelle angebracht, ein Geständnis zu machen. Mich zu outen. Denn seit wir, und zwar schon seit etlichen Jahren, keinen Wäschetrockner, keinen Tumbler mehr haben, was erfreuli20
cherweise unseren Fussabdruck, wenn auch nur marginal, verringert (mehr zu behaupten, wäre pures Whitewashing), seit wir also unsere Wäsche nicht mehr heisselektrisch trocknen lassen, sondern sie Luft, Licht und Geduld anvertrauen, was nebenbei auch das Bügeln weitgehend obsolet macht, da eine gut aufgehängte und gefaltete Wäsche schon die halbe Bügelmiete ist, seit diesem Schritt in Richtung Nachhaltigkeit habe ich etwas entwickelt, was ich selber System und Strategie nenne, meine Familie dagegen unverblümt Marotte und Manie, ja, sie versteigt sich sogar dazu, von Zwängen zu sprechen. Whatever! Kommen wir, ohne noch länger um die heisse Wäsche zu reden, zum Kernthema, der korrekten Hängung der Wäsche auf dem Wäscheständer, dem … und kleiner geht es meines Erachtens nicht … dem heiligen Gral der Wäschepflege! Zu heiss gewaschen? Nein, wahrhaftig nicht! Denn hier haben sich mir, dem doch einst so unbedarften Hausmannsfrischling und textiltechnischen Greenhorn, Dimensionen erschlossen, von denen ich nicht die leiseste Ahnung hatte. Nicht nur praktische, nicht nur pragmatische, also solche rein physischer Natur, nein, viel weiter noch, viel gravierender und in meinen Augen auch bereichernder, nämlich ästhetische und, ja, auch psychologische. Nun, ästhetische, das mag vielleicht noch naheliegen, selbst für die grössten Skeptiker und Ignorantinnen. Denn auch für diese erschliesst sich noch am ehesten die Schönheit eines Systems von Gleichmass, Ordnung und Repetition. Wenn T-Shirt neben T-Shirt, Hand-, Bade- und Geschirrtuch neben Hand-, Surprise 503/21