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Verkäufer*innenkolumne

Das letzte Puzzleteilchen

Zuerst die geistige Erfahrung. Dann das Realwerden. Zuerst werden Möglichkeiten im Geist aufgezeigt, dann werden sie, vielleicht, umgesetzt. Der Geist ist Realität.

Ich stand meiner Mutter als Kind sehr nahe. Sie hatte schon früh gesundheitliche Probleme. In mir tauchte die Frage auf: Willst du sie später auf ihrem Schmerzensweg begleiten? Dreissig Jahre später durfte ich dies während vieler Jahre im Pflegeheim. Der Lohn war riesig: das Kennenlernen von vielen, vielen alten Lehrmeister*innen.

Als 12-Jähriger tauchte die geistige Forderung einer in mir konkret erscheinenden Person auf, im Gegenzug zu sehr bedeutenden ideellen Werten, ihr finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Gesagt, getan. 25 Jahre später. Dass es sich dabei um die genannte Person handelte, war offenbar. Als junger Mensch war ich psychisch krank. Hilfe brachten mir sogenannte geistig Behinderte (sogenannt, weil sie nicht mehr behindert sind als wir). Ich hörte Stimmen: vom anthroposophischen Buechehof, in dem ich geschnuppert hatte, die Behinderten riefen mich. Das bewog mich, die für mich heilsame Praktikantenstelle anzunehmen.

Dass Antonio starb, kommt nicht von ungefähr. Auf einer Schülerreise bestieg ich einen Felsen, Antonio mir nach. Ich verdrängte die geistige Forderung, ihn zu warnen. Ich hatte die Freude am Bergsteigen in ihm geweckt. Später stürzte er auf einer Tour tödlich ab. Die Umstände dieses Unfalls wurden mir viel später von einem SurpriseKunden, dessen Intuition ihn selbst vor der Beteiligung an jener Tour erfolgreich gewarnt hatte, erläutert. Kein Zufall: Ich musste dies erfahren. Als ich Sonntagszeitungen vertrieb, erschien mir im Geist die Prophezeiung: In dieser Gegend wirst Du das grosse Glück erleben. Vor längerer Zeit eine Kundin. Gutes Gespräch. Verabschiedung, eine Stimme in mir: Ihr werdet euch finden, im geistigen Sinne. Echt glauben konnte ich es noch nicht. Diese Kundin hat auf meine letzte Surprise-Kolumne geantwortet und ist jetzt der Mensch, der mich am meisten berührt. Kein Zufall – das letzte Puzzleteilchen fehlte noch.

Taucht in uns die Möglichkeit auf, Freudebringendes zu verwirklichen, Berufung zu leben: Wir dürfen darauf vertrauen, dass das Geistige wahr wird.

NICOLAS GABRIEL, 57, verkauft Surprise an der Uraniastrasse in Zürich. Und herzt Malerei und deutsche und französische Literatur.

Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.

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