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schaft sehr gut ankommt. Die Frage, ob Moha am Ende den Job bekommt (und diesen trotz des widrigen Arbeitsklimas auch annehmen möchte), hält die Spannung bis zum Schluss hoch.

Der dritte Spielfilm der 42-jährigen katalanischen Regisseurin Neus Ballús lebt nicht nur vom erfrischendem Humor, sondern auch von den feinen Beobachtungen des Arbeitsalltags und würdigt so einen Berufsstand, der sonst im Verborgenen arbeitet. Kein Zufall, denn die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Der Vater der Regisseurin arbeitet als Klempner und hat als solcher Einblick in verschiedene Milieus. Ballús liess sich von ihm inspirieren – wie auch von vielen Recherchegesprächen. Zudem verpflichtete sie Laien, von denen einige auch selber als Installateure tätig sind. «Wir haben drei Jahre lang mit allen möglichen Arbeitern und Kunden zusammengearbeitet, die sich selbst spielen», wird sie im Presseheft zitiert. Die Fiktion orientiert sich damit stark an der Realität einer Branche, in der unterschiedliche soziale Schichten aufeinandertreffen. Ballús’ Ansatz zahlt sich aus: Valero Escolar mimt den gleichnamigen Vollblutcholeriker mit grossartiger Inbrunst, während Mohamed Mellalis Figur Moha mit Grossmütigkeit dagegenhält. Beide wurden für ihre Leistung am Locarno Filmfestival 2021 mit dem Silbernen Leoparden als beste Darsteller ausgezeichnet. «6 días en Barcelona» ist ein authentischer Arbeiterfilm, der Spass macht. Eine charmante Komödie darüber, dass manchmal kein Weg daran vorbeiführt, sich zusammenzuraufen, um einen kleinen Schritt weiterzukommen. Oder um eine Küchenwand zu bauen.

«6 días en Barcelona», Regie: Neus Ballús, mit Mohamed Mellali, Valero Escolar u.a., Spanien 2021, 87 Minuten. Der Film läuft zurzeit im Kino.

Buch Jennifer Lucy Allans «Das Lied des Nebelhorns» feiert eine technische Spezies.

Am Anfang steht ein Konzert: das «Foghorn Requiem» mit drei Blechbläser-Ensembles, einer Flotte von mehr als fünfzig Schiffen – und dem Nebelhorn des Leuchtturms von Souter Point im Nordosten Englands. Als die Musikjournalistin Jennifer Lucy Allan den Klang des Nebelhorns zum ersten Mal hört, ist es um sie geschehen. Dieses Brüllen, «das die Ohren sandstrahlt, den Magen auf links dreht und die Augäpfel erzittern lässt», erweckt in ihr eine Obsession, die sie nicht mehr loslässt.

Und so begibt sie sich auf die Jagd nach diesem «akustischen Urviech», dessen infernalischer Lärm eine ungeheure emotionale Wucht entfaltet und Allan mitten ins Herz trifft. «Ich will Dinge hören, die ich noch nie gehört habe, Erfahrungen machen, die mich verändern», schreibt sie. Das Nebelhorn, das furzen und seufzen, brüllen und heulen kann, ist für sie eine Offenbarung. Ihre Spurensuche führt sie in verstaubte Archive und an die abgelegensten Orte an den Küstenrändern der Welt. Sie tritt sogar der Vereinigung der Leuchtturmwärter bei und verbringt einen stürmischen Monat im Klangschatten eines Nebelhorns.

Die ersten Nebelhörner wurden Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet, gigantische Schalltrichter, angetrieben von mächtigen Dampfmaschinen und Motoren. Aber wie viele Schiffe dank diesen Signalen tatsächlich gerettet wurden, ist fraglich. Denn von Luftströmungen und der Meeresoberfläche abgelenkt, zurückgeworfen und nicht selten verschluckt, war ihr Klang so «zuverlässig wie ein Betrunkener». So ist es kein Wunder, dass nicht nur GPS und Radar die Nebelhörner überflüssig gemacht haben. Heutzutage sind die wenigen Relikte nur noch Attraktionen für Tourist*innen oder Sammlerstücke für Enthusiast*innen.

Entsprechend schwierig gestaltete sich die Suche der Autorin, denn die meisten Nebelhörner sind verstummt oder wurden verschrottet. Dadurch wird ihre Klang- und Kulturgeschichte auch zu einem Abgesang auf dieses «mons tröse und zugleich melancholische Ding», dessen Klang die Mythen der Meere mit dem Aufstieg und Niedergang einer ganzen Industrie verbindet.

Mit den Nebelhörnern verschwindet auch ein Stück akustisches Welterbe, das fast nur noch als Exot in Musikwerken auftritt oder in Filmen für Suspense sorgt. Jennifer Lucy Allan hat diesem Erbe mit ihrer wissenschaftlich- literarischen Odyssee ein so faktenreiches wie unterhaltsames Denkmal gesetzt, das diese aussterbende technische Spezies noch einmal zum Leben erweckt. Und der Frage, wie wir Klänge wahrnehmen und empfinden, eine ganz eigene Dimension eröffnet. CHRISTOPHER ZIMMER

ZVG

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Jennifer Lucy Allan:

Das Lied des Nebelhorns. Eine Klang- und Kulturgeschichte Mare 2022. CHF 34.90

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