Schweizerdeutsch!» aber gut
Rassismus und Diskriminierung gehört zum Alltag von Pflegenden. Ein Leitfaden für Betroffene, Kolleg*innen und Vorgesetzte.
Seite 8
SURPRISE STRASSENFUSSBALLLIGA 2023
So 21. Mai, 11– 17 Uhr Schützi, Olten
So 11. Juni, 11– 17 Uhr Helvetiaplatz, Zürich
Sa 9. September, 11– 17 Uhr Kaserne, Basel
So 15. Oktober, 11– 17 Uhr Reitschule, Bern
Alle Infos auf surprise.ngo/strassenfussballl
Ausschlussmechanismen
Es gibt diesen Witz, der inzwischen auch den Sozialwissenschaften als Anschauungsbeispiel dient: «Wie nennt man eine Schwarze Frau, die einen Flugkörper steuert?» Die Antwort lautet freilich: «Eine Pilotin.» Nur scheinen nicht wenige Personen zu zögern, und die Zeit, die sie für die Antwort brauchen, hat viel zu tun mit: Rassismus.
«Wieso können Sie so gut Schweizerdeutsch?», «Woher kommen Sie ursprünglich?» – Fragen dieser Art hören sich vielleicht unproblematisch an, doch sie sind es meist nicht. Sie unterstellen, dass das Gegenüber fremd ist und damit anders. Oft genug schlägt diese Haltung in Ausgrenzung um oder gar in offene Feindseligkeit und Diskriminierung.
So geschehen im Pflegebereich. Patient*innen oder Bewohner*innen von Altersheimen beschimpfen Pflegende, feinden sie an oder wollen sich nicht von ihnen pflegen lassen – nur wegen
ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihrer Sprache. Wie oft das passiert, ist bisher nicht untersucht worden. Was eine Herausforderung nicht bloss für die Betroffenen darstellt, sondern auch für die Mitarbeitenden sowie die Vorgesetzten. Unsere Recherche lesen Sie auf Seite 8.
Auch in diesem Heft: Teil 2 unserer Serie zur Digitalisierung und Ausgrenzung. Viele von uns sehnen nach «digital balance», nach weniger Soziale Medien, weniger Apps und YouTube, dafür nach mehr Zeit für uns, die Familie und Freund*innen. Fein und gut für uns. Für andere aber bietet die digitale Welt neue Chancen für Teilhabe sowie auch weitere Gefahr. Wir haben einen SansPapiers getroffen und wollten wissen, wie das für ihn ist: leben in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft, ab Seite 18.
Auf g elesen
News aus den über 90 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Über alle Berge
2015 erschütterte ein schweres Erdbeben das Pamir-Gebirge im Osten Tadschikistans. Das Gebiet ist dünn besiedelt, viele der etwa 100 000 Bewohner*innen, sie nennen sich Pamiris, wohnen in den flachen Regionen, sie leben vom Gemüseanbau und der Viehzucht. Infolge des Erdbebens und der dadurch ausgelösten Hangrutsche wurde ihre Lebensgrundlage zusätzlich bedroht – die Region ist ohnehin schon eher unwirtlich. Trotzdem wollen die meisten Pamiris ihrer Heimat nicht verlassen. Der Nürnberger Fotograf Kilian Reil dokumentiert seit sieben Jahren deren Leben.
Recherchefonds Surprise investiert in Journalismus
Unabhängig, kritisch und mit unverkennbarer Stimme – so berichtet Surprise seit Jahrzehnten über Armut, Ausgrenzung, Ob dachlosigkeit und Migration. Die Themen sind von hoher gesellschaftlicher Relevanz in Zeiten sozialer Umbrüche, Krisen und Kriege, sie werden zunehmend komplexer, vieles liegt im Dunkeln, manches wird vertuscht oder totgeschwiegen.
Mit dem von uns im letzten Herbst lancierten Recherchefonds möchten wir die grossen Geschichten zu diesen relevanten Themen fördern –vorzugsweise mit Bezug zur Schweiz, in jedem Fall aber nahe an und mit den Betroffenen.
Bisher konnten wir zwei Projekte finanziell unterstützen: eine Recherche zur Geburtshilfe bei Asylsuchenden von Naomi Gregoris (noch unveröffentlicht) sowie eine 5-teilige Serie über Digitalisierung und Armut von Florian Wüstholz (Text) und Timo Lenzen (Illustration), die in Surprise #548 gestartet wurde.
Neue Anträge können bis zum 15. Juni 2023 eingereicht werden.
Weitere Informationen zum Surprise Recherchefonds finden sich unter surprise.ngo/recherchefonds
Reisen mit Autismus
Meine jüngste Tochter, die autistisch ist, war noch nie in Somalia. Letzten September hat sie mich begleitet, weil ich hinfliegen musste, um mich um meine Mutter zu kümmern.
Meine Tochter mag es nicht, wenn man ihr zur Begrüssung die Hand gibt. Zudem habe ich vergessen, ihren Teller, ihre Tasse und ihr Besteck, das sie immer benutzt, einzupacken. In Somalia essen alle zusammen. Zuerst werden die Hände in einer Schüssel Wasser gewaschen. Meine Tochter ist das nicht gewohnt und mochte darum gar nichts essen. Ich habe ihr Cornflakes in einer Schüssel gemacht, aber sie hat die Schüssel weggeschmissen, weil sie gesehen hatte, dass es die Schüssel gewesen ist, in der am Vortag die Leute ihre Hände gewaschen hatten. Sie war natürlich inzwischen abgewaschen worden.
Zudem kennt sie es von der Schweiz, dass die Leute sich anmelden, bevor sie zu Besuch kommen. In Somalia hingegen ist
ein ständiges Kommen und Gehen. Wenn sich herumspricht, dass jemand da ist, kommen alle vorbei, auch entferntere Verwandte und Bekannte. Das hat sie sehr verwirrt. Sie fragte ständig, wer all diese Leute seien und warum sie zu uns kämen. Jeder wollte sie begrüssen und anfassen, was sie gar nicht erträgt. Sie hat danach jedes Mal die Hände gewaschen.
In Somalia gibt es viele Fliegen. Meine Tochter fürchtet sich davor, dass sie auf ihr landen und herumkrabbeln. Darum musste ich den ganzen Tag mit einem Tuch die Fliegen vertreiben. «Du hast mich hierher gebracht», sagte sie, «du musst dafür sorgen, dass sie mich nicht berühren». Für sie ist alles, was sie nicht kennt, bedrohlich. Und sie kennt nur die Verhältnisse in der Schweiz. Sie hat mich immer gefragt, «Warum tun die Leute das?» In Somalia putzt man sich die Zähne mit einem Holz. «Warum benutzen sie keine Zahnbürste?», wollte sie wissen.
Meine Tochter spricht zudem kein Somali. Die anderen Kinder machten Witze über sie, fragten, ob sie blöd sei, weil sie nicht antworten konnte. Für sie war diese Reise sehr schwierig. Zum Glück kam eine Familie aus Deutschland zu Besuch, die in Somalia Ferien machte. Mit diesen Kindern konnte sie sich endlich unterhalten. Trotzdem will sie nie wieder nach Somalia, für sie mit ihrem Autismus war es eine totale Überforderung. Sie fühlt sich am wohlsten in ihrer gewohnten Umgebung, mit Menschen, die sie kennt. Zuhause kennt sie zwei ältere Frauen, die sie sehr gern hat. Sie findet, diese seien ihre Grossmütter, nicht jene in Somalia.
SEYNAB ALI ISSE, 51, verkauft Surprise am Bahnhof Winterthur. Sie stammt aus Somalia und ist zerrissen zwischen weit auseinanderliegenden Pflegeaufgaben –sowohl geografisch wie in der Art der Herausforderung.
Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.
Arbeitsmangel
Schaut man auf die tiefen Arbeitslosenzahlen und hört das Klagen der Unternehmen über den Fachkräftemangel, ist man geneigt zu glauben, dass sich die Schweiz aus Sicht der Erwerbstätigen in der besten aller Welten bewegt. Die Löhne müssten steigen, der volle Teuerungsausgleich gewährt werden. Doch der Schein trügt. Das Bundesamt für Statistik weist einen sogenannten Arbeitsmangel von 8,7 Prozent für das vierte Quartal 2022 aus. 434 000 Personen leiden darunter. Mit dem Begriff «Arbeitsmangel» bezeichnet das Bundesamt alle Erwerbspersonen, die entweder erwerbslos sind oder sich über Unterbeschäftigung beklagen.
Erwerbslos sind all jene, die ohne Arbeit sind, eine solche aktiv suchen und rasch eine neue Stelle antreten können. Damit werden auch alle Personen erfasst, die nicht bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) gemeldet sind, weil sie kein Anrecht auf Arbeitslosentaggelder haben oder als Langzeitarbeitslose ausgesteuert wurden. Zu den Unterbeschäftigen gehören jene, die Teilzeit arbeiten, aber gerne ihre Stellenprozente aufstocken würden, um mehr zu verdienen. Die Arbeitsmangelquote ergibt sich aus der Summe der Erwerbslosenquote von 4,1 Prozent und der Unterbeschäftigungsquote von 4,6 Prozent.
Bemerkenswerterweise lässt sich ein deutlicher Geschlechtsunterschied beobachten. Die Arbeitsmangelquote der Frauen ist mit 11,2 Prozent fast doppelt so hoch wie jene der Männer mit 6,5 Prozent. Der Unterschied lässt sich vor allem auf die Differenz der Unterbeschäftigungsquoten zurückführen:
Die der Frauen beträgt 6,8 Prozent, jene der Männer nur 2,6 Prozent.
Die Gründe für Arbeitsmangel sind vielschichtig. Erwerbslose würden gerne arbeiten, finden aber trotz des Wehklagens der Wirtschaft keine adäquaten Stellen, die ihrem Profil an Ausbildung, Fähigkeiten und Erfahrung entsprechen und bei der sich das grössere berufliche Engagement auch rentieren würde. Diese fehlende Passung zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage wird in Fachkreisen als «mismatching» bezeichnet. Diese Lücke lässt sich nur mit erhöhten Anstrengungen bei der Arbeitsmarktintegration schliessen, wie zum Beispiel mit Coaching, Umschulung oder Weiterbildung.
Die Gründe für die Unterbeschäftigung haben viel mit der spezifischen Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu tun: Sie arbeiten überdurchschnittlich häufig auf Teilzeitstellen und in Branchen, in denen Vollzeitstellen rar sind. Begründet wird dies häufig mit der körperlichen Belastung, etwa in der Gastronomie oder Reinigungsbranche. Es gibt aber auch Hinweise, dass Unternehmen gezielt Teilzeitstellen anbieten, damit sie keine Einzahlungen in die Pensionskasse tätigen müssen. Umgekehrt verzichten Frauen auf eine Erhöhung ihres Beschäftigungsgrads, weil die Mehrkosten für die familienergänzende Kinderbetreuung und die höheren Steuern den zusätzlichen Verdienst weitgehend absorbieren. Man darf sich fragen, wie lange wir uns diese systemimmanenten Fehlanreize angesichts des beklagten Arbeitskräftemangels noch leisten wollen.
DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Unterbeschäftigung, Anzahl Betro ene 206 000 Erwerbslosigkeit, Anzahl Betro ene 228 000 4,1 % 4,6 % 6,8 % 2,6 % 4,4 % 3,9 %
kommst du « Woher kommst eigentlich?»
Blutdruck messen in feindlicher Umgebung
Rassismus Es gehöre zu ihrem Alltag, von Patient*innen diskriminiert zu werden, sagen zwei Schwarze Pflegende. Wie geht man damit um? Eine Anleitung für Betroffene, Kolleg*innen und Vorgesetzte.
TEXT LEA STUBERPatient*innen fragten sie, wo sie Schweizerdeutsch gelernt habe, erzählt Charlotte N. Oder beschimpften sie mit dem N-Wort. Naomi M. sagt, bei allen neuen Patient*innen mache sie sich vorab darauf gefasst, dass sie sich rassistisch äussern könnten.
Charlotte N. und Naomi M. sind zwei Schwarze Frauen und arbeiten hierzulande in der Pflege. Beide sagen: Solcher Art Diskriminierungen gehören zu ihrem Arbeitsalltag. Charlotte N. fühlte sich von ihrem Arbeitgeber nicht genügend geschützt, sie wehrte sich und verlor schliesslich ihren Job. Wegen der Kündigung hat sie beim Friedensrichteramt nun eine Klage eingereicht.
Um das Schlichtungsverfahren nicht zu beeinflussen, berichtet Surprise noch nicht im Detail über Charlotte N.s Fall. Stattdessen schauen wir uns an, was Sie als Pflegende*r tun können, wenn Sie selbst rassistisch diskriminiert werden. Und wie Sie als Teamkolleg*in oder Vorgesetzte*r reagieren können. Einschätzungen kommen von Gina Vega vom Beratungsnetz für Rassismusopfer bei humanrights.ch, von Giulia Reimann von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), von Pierre-André Wagner vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK) und von Samuel Burri von der Gewerkschaft Unia.
DAS WISSEN
Dass in der Pflege, wo zu knapp 90 Prozent Frauen und darüber hinaus viele Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten, sexuelle Belästigung verbreitet ist, ist erkannt. Doch grundlegende Forschung zu rassistischen Übergriffen in der Pflege gibt es in der Schweiz kaum.
Man weiss also nicht, wie oft Patient*innen oder Bewohner*innen von Alters- und Pflegeheimen Pflegende wie Sie aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, religiöser Zugehörigkeit, von Sprache oder Name – also persönlicher Merkmale, die nichts mit Ihren Leistungen zu tun haben –beschimpfen, anfeinden, herabwürdigend behandeln oder sich nicht von Ihnen pflegen lassen wollen. Ebenso wenig, wie oft derlei Diskriminierungen von Arbeitskolleg*innen oder Vorgesetzten kommen, etwa wenn sie Ihnen aus den
gleichen Gründen weniger zutrauen oder Ihnen misstrauen. Einen Hinweis gibt der Rassismusbericht vom Beratungsnetz für Rassismusopfer von humanrights.ch und der EKR, der aber lediglich die den Beratungsstellen gemeldeten Fälle zählt. Der Arbeitsplatz ist dabei der Bereich mit den meisten Fällen, mehr als etwa Bildung, Verwaltung oder Nachbarschaft. Wie gross das Problem in der Pflege verglichen mit anderen Branchen ist, lässt sich daraus aber nicht ableiten.
Eine der wenigen Schweizer Studien zum Thema ist die Masterarbeit der Physiotherapeutin Zuleika Schwarz von 2019. Darin berichten zehn Schwarze Pflegende von ausgrenzenden Bemerkungen («Woher kommen Sie ursprünglich?», «Warum sprechen Sie so gut Schweizerdeutsch?»), dem Absprechen von Professionalität bis hin zu offener Ablehnung («Die N****** muss morgen nicht wieder kommen!»). Auch durch die Abwertung oder Unterschätzung durch andere Pflegende oder medizinische Fachkräfte bekämen sie das Gefühl, keine Fehler machen zu dürfen und für die gleiche Anerkennung mehr leisten zu müssen. Vielerorts bleibe der alltägliche und strukturelle Rassismus unerkannt, werde heruntergespielt und ungern angesprochen.
In Grossbritannien, Kanada oder den USA sei rassistische Diskriminierung für Pflegende eine alltägliche Erfahrung, hält zudem eine deutsche Studie von 2022 fest. Auf struktureller Ebene werde Schwarzen Menschen die berufliche Weiterentwicklung schwerer gemacht, zudem erlebten sie häufiger Disziplinarverfahren. All dies führe zu geringerer Zufriedenheit mit dem Job, schlechterer Gesundheit, höherem Stress sowie mehr Krankheitstagen.
DIE RECHTLICHE SITUATION
Ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz, wie etwa Deutschland oder Österreich eines haben, gibt es in der Schweiz nicht. Dennoch muss Ihr Arbeitgeber Sie als Betroffene*n am Arbeitsplatz vor jeglicher Diskriminierung schützen. Er muss Massnahmen ergreifen, um Ihre Persönlichkeit sowie Ihre persönliche Integrität zu schützen. Dies besagt die Fürsorgepflicht (Art. 328 Obligationen-
recht OR und Art. 6 Abs. 1 Arbeitsgesetz ArG). Spezifisch vor schweren rassistischen Handlungen und Äusserungen sollte Sie die Rassismusstrafnorm schützen (Art. 261bis Strafgesetzbuch StGB). Weitere spezifische Rechtsmittel –wie sie etwa das Gleichstellungsgesetz bei sexueller Belästigung vorsieht – gibt es aber nicht.
Sich gegen Diskriminierung zu wehren, ist schwierig genug. Noch schwieriger macht es die Kündigungsfreiheit der Arbeitgeber. Trotzdem: Wenn Ihnen aus diskriminierenden Gründen gekündigt wird oder weil Sie sich gewehrt haben, ist die Kündigung missbräuchlich (Art. 336 Abs. 1 Bst. a-b OR). Denn dies verletzt den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 Zivilgesetzbuch ZGB, Art. 5 Bundesverfassung BV).
FÜR BETROFFENE
Wie reagieren
Patient*innen können gestresst sein, vielleicht haben sie Angst, manche Heimbewohner*innen sind dement. Als Pflegende*r wollen Sie dafür Verständnis haben und Rücksicht nehmen.
Würden Sie nicht rassistisch diskriminiert, sondern sexuell belästigt, würden Sie vielleicht «Verstehen Sie keinen Spass, Schwester?» zur Hand nehmen. Den gut 50-seitigen Leitfaden zum Schutz vor sexueller Belästigung entwickelte der SBK, nachdem 2008 eine Studie des Eidgenössischen Gleichstellungsbüros und des Seco das Ausmass sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – und auch an jenen im Gesundheitswesen – sichtbar machte.
Ein Leitfaden zum Schutz vor rassistischer Diskriminierung ist beim SBK aus Kapazitätsgründen nicht geplant. Die Ratschläge aus «Verstehen Sie keinen Spass, Schwester?» eignen sich aber auch für rassistische Übergriffe. So empfiehlt der Leitfaden, Grenzen zu setzen –«Stopp!», «Nein!», «Schluss jetzt!» – und zu sagen, was Sie wollen – «Hören Sie mit diesen Sprüchen auf!», «Das will ich nie wieder hören!». Fühlen Sie sich nicht in der Lage, sofort zu reagieren, sollten Sie das Zimmer verlassen, um sich zu sammeln und bei einem Kollegen oder einer Kollegin oder der Leitung Unterstützung zu holen. Wie bei sexueller Belästigung hilft es, wenn Sie Protokoll führen: Was passierte, wann und im Beisein von wem?
Wie thematisieren
Beratungsstellen raten normalerweise: Suchen Sie das Gespräch mit den Vorgesetzten. Wenn dies die Situation nicht verbessert, können Sie auf die Personalabteilung zugehen. Nützt auch dies nichts, könnte die Beratungsstelle von Ihrem Arbeitgeber zum Beispiel eine Stellungnahme einfordern oder eine Mediation durchführen.
Ein Pflegender eines Heims etwa schrieb 2020 zusammen mit einer Beratungsstelle einen Brief an seinen Arbeitgeber. Ein Bewohner hatte sich nicht von ihm betreuen lassen wollen. Die Verantwortlichen rechtfertigten sich und entschuldigten sich nur halbwegs. Der Pflegende kündigte schliesslich. In einem anderen Fall habe es von einem Spital geheissen: Der Vorfall sei auf organisatorische
Fehler und ein sprachliches Missverständnis zurückzuführen. Unternehmen beteuerten oft, Rassismus nicht zu tolerieren. Konkrete Fälle aber nähmen sie zu wenig ernst und machten sie zu einer «Ausnahme», sagt Reimann von der EKR. So würden institutionelle und strukturelle Aspekte von Rassismus ausgeblendet.
Wie rechtlich dagegen vorgehen
Im Sommer 2022 gab das Bundesgericht einem Mitarbeiter einer Uhrenfirma Recht. Er war von einem Kollegen rassistisch gemobbt worden, die Arbeitgeberin unternahm nichts dagegen. Wegen des psychischen Drucks konnte der Mann mehrere Monate lang nicht arbeiten, schliesslich erhielt er die Kündigung. Diese sei missbräuchlich gewesen, urteilte das Bundesgericht und bestätigte den Entscheid des Waadtländer Kantonsgerichts. Das Unternehmen habe seine Fürsorgepflicht verletzt. Statt Massnahmen zu treffen, um das Mobbing zu verhindern, habe es die Abwesenheit als Grund zur Kündigung genommen. Die Uhrenfirma musste ihm fünf Monatslöhne zahlen. Dies ist laut Reimann eine der wenigen Rechtsprechungen zu Rassismus am Arbeitsplatz. Ein Grund dafür ist, dass die Rassismusstrafnorm nur öffentliche Äusserungen unter Strafe stellt. Der Arbeitsplatz fällt oft nicht darunter, etwa wenn, wie in der Pflege, nur zwei Menschen im Raum sind. Öffentlich wäre eine Aussage erst dann, wenn in einem Zimmer Personen die rassistische Äusserung mithören können, die nicht in einem Vertrauensverhältnis zur äussernden Person stehen, wie das Schweizerische Rote Kreuz 2007 in einer Broschüre erklärte.
Unter diesen Bedingungen bleibt Ihnen das Zivilrecht. Diese Verfahren sind kompliziert und aufwendig, Sie brauchen eine Anwältin und Geld. Im Zivilrecht muss nicht Ihr Arbeitgeber beweisen, dass er seinen Pflichten nachkommt. Sondern Sie als diskriminierte Person müssen beweisen, dass er seine Pflichten verletzt, also dass er Ihnen gekündigt hat, weil Sie sich gegen rassistische Diskriminierung gewehrt haben. In Deutschland etwa ist die Beweislast umgekehrt. Dass der zivilrechtliche Diskriminierungsschutz in der Schweiz unvollständig, kompliziert und zu wenig explizit ist und anderen europäischen Län-
Unterstützung bei Diskriminierung
Wurden Sie rassistisch diskriminiert? Unterstützung finden Sie hier: Beratungsnetz für Rassismusopfer: network-racism.ch, Eidgenössische Kommission gegen Rassismus: ekr.admin.ch/dienstleistungen/d508.html, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus: gra.ch/ vorfall-melden, Schweizerischer Israelitischer
Gemeindebund: swissjews.ch/de/services/praevention/ melden, Föderation islamischer Dachorganisationen
Schweiz: fids.ch/index.php/anlaufstelle.
Arbeiten Sie in der Pflege und erleben rassistische Diskriminierung? Für einen Folgeartikel suchen wir weitere Stimmen. Melden Sie sich unter lea.stuber@strassenmagazin.ch, wir freuen uns auf Ihre Nachricht. LEA
dern hinterherhinkt, zeigte 2015 auch eine Studie des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte. Gerade das Arbeitsrecht gilt offenbar als Bereich, der nur sehr wenige Regelungen zum Diskriminierungsschutz enthält. In der Theorie, sagt Reimann, sei der Diskriminierungsschutz immerhin teilweise gegeben. Ihn einzuklagen und durchzusetzen, sei aber fast unmöglich. Zudem schaue meist weniger heraus, als Sie in ein Zivilverfahren reinstecken müssen. Wenn Sie jetzt sagen: Ich lasse es sein, dann entscheiden Sie so, wie das viele tun.
FÜR KOLLEG*INNEN UND VORGESETZE
Wie reagieren
Nun kann es sein, dass Sie selbst nicht rassistisch diskriminiert werden, aber Ihnen zu Ohren gekommen ist, dass jemand im Team dies immer wieder erlebt. Was tun Sie? Die Verantwortung tragen die Vorgesetzten, doch auch als Kolleg*in können Sie ein offenes Ohr sowie Ihre Unterstützung anbieten und sich solidarisch zeigen.
Eine Pflegende wurde in einem Heim von Bewohner*innen aufgrund von Hautfarbe, Herkunft und Akzent beleidigt. Von ihren Vorgesetzten bekam sie keinen Rückhalt. Rassismus, sagt Vega vom Beratungsnetz für Rassismusopfer, wirkt sich auf die Menschen unterschiedlich aus. In ihrem Fall liessen die Leistungen der Pflegenden nach. Sie würden jetzt vielleicht sehen, woran das liegen könnte. In diesem Fall aber wurde der Vertrag der Pflegenden nicht verlängert.
Nun soll es Vorgesetzte geben, die den Vorfall verharmlosen und kaum Verständnis zeigen. Die sagen: «Das ist normal, da musst du durch», «Das war bestimmt nicht so gemeint» oder «Sei nicht so empfindlich». Die versuchen, wenn die Person sich weiterhin wehrt, sie zu disziplinieren und in ihr eine «mühsame» oder «nicht kooperative» Mitarbeiterin sehen. Ein bekanntes Beispiel für diesen – nicht nur bei Rassismus wirkenden – Mechanismus ist der Fall der vom Berner Inselspital entlassenen Oberärztin Natalie Urwyler. Sie hatte sich für mehr Mutterschutz und Gleichstellung eingesetzt.
Und was tun Sie als Vorgesetzte*r? Hören Sie genau zu, was die betroffene Person erlebt, und suchen Sie mit ihr nach Lösungen. Sie können etwa organisieren, dass sie die problematische(n) Person(en) nicht mehr pflegen muss. Thematisieren Sie den Vorfall zudem mit den betroffenen Patient*innen und weisen Sie sie auf die Hausordnung hin, gemäss denen Rassismus nicht toleriert wird, weder von Mitarbeitenden und Vorgesetzten noch von Patient*innen (oder aktualisieren Sie erst mal die Hausordnung).
FÜR VORGESETZTE
Wie vorbereitet sein Als Vorgesetzte*r möchten Sie vielleicht nicht erst reagieren, wenn eine rassistische Diskriminierung bereits passiert ist. Vielleicht möchten Sie schon im Voraus dafür
sorgen, dass es gar nicht dazu kommt – selbst wenn Sie im stressigen Arbeitsalltag in einer Branche, die in der Krise ist, kaum Zeit dafür finden. Denn es ist wichtig, bei rassistischen Vorfällen einem institutionalisierten Vorgehen zu folgen. Stellen Sie sich folgende Fragen:
– Leben wir unser Leitbild – Sätze etwa wie «Wir achten die Persönlichkeit der Mitarbeitenden und Patient*innen» – wirklich?
– Haben der Betrieb und die Teams ein Bewusstsein dafür, dass und wie Rassismus bei uns ein Thema sein kann und wie seine Auswirkungen aussehen können?
– Werden die Urheber*innen rassistischer Übergriffe sanktioniert?
– Haben die Pflegenden die Möglichkeit, Patient*innen abzulehnen?
– Dürfen Pflegende übergriffige Patient*innen zu zweit pflegen?
– Haben wir Strukturen, die es den Mitarbeitenden ermöglichen, ihr Unwohlsein zu melden?
– Wie können wir Mitarbeitende, die Rassismus erleben, unterstützen?
Falls Sie nach Inspiration suchen: Gemäss der SBK-Zeitschrift «Krankenpflege» (2022) gibt es beim Universitätsspital Genf eine Hotline für Fälle von Belästigung oder beim CHUV in Lausanne eine Anlaufstelle für Mitarbeitende. Die Solothurner Spitäler haben eine Ansprechperson bei rassistischer Diskriminierung definiert und organisieren Sensibilisierungstage zu Rassismus.
Bisher, so schliessen die Autor*innen der neuen Grundlagenstudie zur strukturellem Rassismus in der Schweiz, werde mit Informationen und Sensibilisierungen vor allem versucht, die Haltung von Personen zu verändern oder Betroffene zu unterstützen. Das sei nicht falsch, aber reiche nicht aus. «Soll der Schutz vor rassistischer Diskriminierung nachhaltig verankert und umgesetzt werden, braucht es einen kritischen Blick auf unsere Strukturen und Institutionen.» Es brauche Stellen und Personen mit Wissen und Ressourcen, die institutionelle Massnahmen anstossen und umsetzen können.
Literaturhinweis: Grundlagenstudie zu strukturellem Rassismus in der Schweiz, Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien, von Leonie
Mugglin, Denise Efionayi, Didier Ruedin und Gianni D’Amato, Dezember 2022.
Hintergründe im Podcast: Radiojournalist
Simon Berginz spricht mit Surprise-Reporterin
Lea Stuber über ihre Recherche.
surprise.ngo/talk
Eine Brücke als Friedensbringerin
Armenien In der Ortschaft Margara wird die Grenze zur Türkei nach dreissig Jahren erstmals wieder geöffnet. Nicht allen Anwohner*innen
gefällt das, nicht zuletzt wegen des schwelenden Konflikts mit Aserbaidschan.
ARMENIEN Margara
Der Rentner Suren Sargsyan sitzt auf einem Sofa im Innenhof seines Hauses und lehnt sich über einen wackeligen Holztisch. Vor ihm liegen die Kugeln seines Luftgewehrs ausgebreitet, mit dem der 84-Jährige die Spatzen in seinen Obstbäumen verjagt. Mit faltigen Händen schiebt Sargsyan die Munition auf der Wachstuchtischdecke zu einem Haufen zusammen. «So gross war Armenien einmal», sagt er. Ein Reich, ausgedehnt bis zum Mittelmeer. «Und jetzt?» Sargsyan stupst eine einzelne Kugel zur Seite. So klein sei die Republik heute.
Es ist unklar, auf welche Epoche er sich genau bezieht, feststeht, dass sie sehr lang zurückliegt. Vielleicht ist es aber auch ein indirekter Weg, auf die verlorene Heimat seiner Familie in Westarmenien hinzuweisen – den Teil des Osmanischen Reiches, aus dem zahlreiche Armenier*innen fliehen mussten, weil die Jungtürkische Regierung dort 1915/16 bis zu 1,5 Millionen Menschen systematisch ermorden liess oder in den Tod schickte. Bis heute weigert sich der türkische Staat, diese Ereignisse als Genozid anzuerkennen. Sargsyans Eltern hatten Glück und kamen rechtzeitig über den Fluss, den die Türk*innen «Aras» und die Armenier*innen «Araks» nennen, ins zerfallende Russische Reich. Heute markiert das Gewässer die Grenze der Nachfolgestaaten Türkei und Armenien. Und das Ortsende von Margara, einem
Dorf mit staubigen Schotterstrassen, etwa 1500 Menschen und Dutzenden Störchen, die auf Dächern und Strommasten nisten. Sargsyan ist hier geboren, von seinem Haus sind es kaum 500 Meter bis zum Ufer. «Es schmerzt mich, dass ich nicht im Fluss baden kann», sagt der Greis, der früher als Elektroingenieur gearbeitet hat.
Schmerzhafte Geschichte
Links und rechts des Schilfs markieren Pfeiler das Sperrgebiet. Auf der anderen Seite ist der verschneite Gipfel des Berges Ararat zu sehen, bezeichnenderweise das Nationalsymbol Armeniens –auf türkischem Staatsgebiet. Ein verrostetes Tor mit Stacheldraht versperrt den Weg zur einzigen Brücke. «Mit den Türken kann es keinen Frieden geben», sagt Sargsyan. Dass man ihnen nicht trauen könne, habe der Genozid bewiesen. Aber auch die jüngere Geschichte: Mit erstickter Stimme erzählt Sargsyan vom September 2022, als Grenzorte im Südwesten Armeniens zwei Tage lang unter Beschuss aserbaidschanischer Truppen standen. Trotz des Waffenstillstands mit den «Türken», wie der alte Mann sagt. Wie viele unterscheidet Sargsyan nicht zwischen den Bewohner*innen der Türkei und der türkischen Regierung. Und auch nicht zwischen Türk*innen und Aserbaidschaner*innen, deren Spra-
chen verwandt sind. Sowohl mit der Türkei als auch mit Aserbaidschan verbindet Armenien eine schmerzhafte Geschichte. Neben dem Genozid prägen der erste und der zweite Karabachkrieg 1992–94 und 2020 das Land, die Politik und die Menschen. Die massive Bedrohung, die Traumata und Verletzungen sind nur schwer sauber zu trennen. Und damit ist Sargsyan nicht allein. Nationalistische Kräfte aller drei Staaten, internationale Medien und andere Player spielen auf dieser Klaviatur.
Doch derzeit sind sich zumindest die Regierungen in Ankara und Jerewan so nah wie lange nicht: Als im Februar schwere Erdbeben in der Türkei und in Syrien ganze Landstriche zerstörten, schickte auch Armenien Suchtrupps und Hilfsgüter. Beladene Lastwagen passierten die schmale Brücke in Margara in Richtung Katastrophengebiet – die erste Grenzöffnung seit dreissig Jahren. Ab dem Sommer soll, so der Plan, die gemeinsame Grenze für den Tourismus geöffnet werden, wenngleich zunächst nur für Angehörige von Drittstaaten und Diplomat*innen. Und als sei es nicht schon komplex genug, bewachen hier russische Soldaten die armenische Aussengrenze: ein Hinweis darauf, dass in der gesamten Region auch immer noch die Regeln eines grösseren geopolitischen Spiels gelten. Dabei geht es um Öl und Gas, um Transportrouten und Einflusssphären. Armenien ist in dieser Konstellation das ressourcenärmste Land und in vielerlei Hinsicht stark von Russland abhängig.
Ehemalige Brüder
Im kleinen Grenzort Margara blicken die meisten Bewohner*innen vor allem mit Sorge auf die Verhandlungen mit der Türkei. Sie misstrauen den Menschen am gegenüberliegenden Ufer, ebenso Medienschaffenden. So mancher Bericht habe die Menschen im Ort und darüber hinaus nur noch mehr gegeneinander aufgebracht, ruft ein grauhaariger Mann über den Gartenzaun, während er mit beiden Beinen in seinen Beeten kniet. Er könne vor lauter Wut auf die Politiker*innen in Jerewan ohnehin keine Worte finden. Diese würden über ihre Köpfe hinweg entscheiden. Dabei seien die Menschen in Margara die Ersten, die es träfe, sollte die Türkei doch wieder feindlich agieren.
Hamlet Martirosyan und seine Mutter bitten hingegen in ihr Wohnzimmer. Zwei Freunde, Hayk Avetisyan und Arthur Movsesyan, sind an diesem Nachmittag zu Besuch. Sie rauchen Zi-
garetten und trinken Kaffee aus Porzellantassen. Einst, so erzählen die heute 52-jährigen Männer, seien sie zusammen in die Schule gegangen. Dann zogen sie von Margara in die Welt hinaus. Der Weg von Avetisyan und Movsesyan führte zunächst in die DDR, als Teil sowjetischer Truppen im damaligen «Bruderstaat». Schlotheim, Halle, Karl-Marx-Stadt, jede Station eine Anekdote. Als die Mauer 1989 fiel, liessen sie sich von der Aufbruchstimmung anstecken. Zeitgleich gingen in Armenien zahlreiche Menschen auf die Strasse. Die Frage, ob die autonome, mehrheitlich von Armenier*innen besiedelte Region Bergkarabach weiterhin zu Aserbaidschan oder zu Armenien gehören solle, wurde zum Katalysator der armenischen Unabhängigkeitsbewegung und der aserbaidschanischen Gegenreaktion. Einer seiner sowjetischen Kameraden in Ostdeutschland sei ein «Türke» gewesen, sagt Movsesyan – heisst ein Aserbaidschaner. Eines Nachts habe dieser ihn geweckt: «Arthur, es gibt Krieg. Was haben wir einander je angetan? In der Armee waren wir wie Brüder.» Der Kontakt der beiden ist bald abgerissen. Aber ein Schwarzweissfoto mit seinem ehemaligen Kameraden, das bewahrt Movsesyan bis heute auf.
Zweimal Krieg um Bergkarabach
Aus Solidarität mit Aserbaidschan schloss die Türkei 1993 ihre Grenze zu Armenien und damit auch den Übergang in Margara. Als der Krieg 1994 endete, waren 20 000 Menschen tot, etwa eine Million wurden zu (teils im eigenen Land) Vertriebenen, die grosse Mehrheit davon Aserbaidschaner*innen. Das damals militärisch überlegene Armenien nahm neben der umstrittenen Region Berg–karabach sieben weitere Gebiete Aserbaidschans ein. Es folgten dreissig Jahre erfolglose Friedensverhandlungen (siehe auch Surprise 483). Im zweiten Krieg 2020 eroberte das mittlerweile durch den Verkauf von Öl und Gas reich gewordene Aserbaidschan mit militärischer Unterstützung unter anderem durch die Türkei grosse Teile seines Staatsgebietes zurück. Armenien und vor allem die selbsternannte Republik Artsakh – wie Bergkarabach auf Armenisch heisst – erlitten schwere Verluste. Der brüchige Waffenstillstand von November 2020 wurde einzig durch Russland vermittelt. Dass auch die Mehrheit der Waffen beider Kriegsparteien aus russischen Verkäufen stammte, sagt viel über das Verhältnis beider Länder zur ehemaligen Sowjetmacht aus.
7 Die Schulfreunde Hamlet Martirosyan (links), Hayk Avetisyan und Arthur Movsesyan erinnern sich an ihre Zeit im sowjetischen Militär.
8 Einer seiner Kameraden in Ostdeutschland 1991 war ein «Türke», sagt Movsesyan und meint: Aserbaidschaner.
9 Ausgeweideter Lada am Strassenrand.
4 «Die Türken sollen den ersten Schritt machen», sagt einer der Jungen in der Schule.
5 Es ist nicht viel los auf den Strassen des 1500-Seelen-Orts ausser das gelegentliche Fussballspiel.
6 Jenseits der Grenze liegt der Berg Ararat, das Nationalsymbol Armeniens – auf türkischem Boden.
Nun wurde angesichts des Erdbebens die Grenze zur Türkei wieder geöffnet. Dies ist für die drei Männer am Kaffeetisch in Margara kein Problem. Die Menschen auf der anderen Seite seien schliesslich Nachbarn, man müsse humanitäre Hilfe leisten. Die Empathie kommt nicht von irgendwo: 1988 zerstörte ein schweres Erdbeben weite Teile im Norden Armeniens – damals waren es Hilfsgüter aus der Türkei, welche die kleine Brücke in Margara passierten. Die Annäherung erleben viele im Dorf jedoch auch als Bedrohung. «Wir haben die Geschichte nicht vergessen», sagt Martirosyan. Auch seine Vorfahren flohen einst vor dem Genozid. Mit Blick auf die Wirtschaft sei er ebenfalls skeptisch. In den vergangenen Jahren hätten viele Bewohner*innen Kredite aufgenommen und versucht, sich mit Landwirtschaft eine kleine Existenz aufzubauen. Doch inzwischen wachse die Konkurrenz. Bereits jetzt gebe es günstiges türkisches Obst und Gemüse in armenischen Läden zu kaufen. Die Lebensmittel werden bislang indirekt über den nördlichen Nachbarstaat Georgien importiert. Seit Januar sind auch Transportflüge zwischen Armenien und der Türkei erlaubt. Viele Bauern und Bäuerinnen in Margara haben Angst, dass sie bald auf ihren Aprikosen, Auberginen und Tomaten sitzen bleiben könnten. Erst recht, falls die Landgrenze geöffnet würde und sich dadurch die Transportkosten verringerten.
Ein heikles Verhältnis
Schon einmal sah es so aus, als könnte es dazu kommen: 2008 reiste der damalige türkische Präsident Abdullah Gül in die armenische Hauptstadt Jerewan, um sich mit seinem Amtskollegen Sersch Sargsyan ein Fussballspiel anzuschauen. Es war der erste Besuch eines türkischen Staatsoberhauptes seit Armeniens Unabhängigkeit. Im Zuge dieser «Fussball-Diplomatie» unterschrieben Ankara und Jerewan ein Jahr später die sogenannten Zürcher Protokolle. Die Schweiz, aber auch die USA, Russland und die EU hatten die Vereinbarungen vermittelt. Die Vereinbarungen sahen neben der Grenzöffnung die Aufnahme diplomatischer Beziehungen sowie «einen Dialog über die historische Dimension» des armenisch-türkischen Verhältnisses vor. Die Anerkennung des Genozids sowie die Lage in Bergkarabach klammerte man damals bewusst aus. Zwar reiste Sargsyan Tage später auch noch zu einem Fussballspiel in die Türkei, zu einer Umsetzung der Protokolle aber kam es nie.
Nun hat ausgerechnet Armeniens Niederlage im Krieg von 2020 für neue Bewegung gesorgt: Man habe erkannt, dass Beziehungen zum Verbündeten des grössten Feindes unerlässlich für das Überleben Armeniens seien, heisst es aus Politikkreisen in Jerewan. Ende 2021 ernannten beide Länder Sondergesandte, um die Annäherung voranzubringen. Vorbedingungen gibt es weder von türkischer noch von armenischer Seite. Seitdem ist wenig Konkretes passiert. Auf Annäherungsversuche beim Qualifikationsspiel für die Fussball-Europameisterschaft 2024 zwischen der Türkei und Armenien diesen März in Jerewan verzichteten beide Seiten. Das hätte schon einmal kein Glück gebracht, heisst es aus Jerewan.
Kommt es tatsächlich zur Öffnung der armenisch-türkischen Grenze, dürfte auch Russland ein Mitspracherecht haben. Zuletzt kühlte das diplomatische Verhältnis zwischen Jerewan und Moskau noch einmal merklich ab, unter anderem wegen der Entsendung ziviler EU-Grenzpatrouillen nach Armenien. Und wegen dem, was man in Jerewan den «Elefanten im Raum» nennt: den
schwelenden Konflikt um Bergkarabach. Seit vier Monaten blockiert die Regierung in Aserbaidschan den einzig verbliebenen Zufahrtsweg, der Armenien mit «Artsakh» verbindet. Jerewan kritisiert, dass die russischen Soldaten, die dort als Teil des Waffenstillstands von 2020 stationiert sind und für Sicherheit sorgen sollen, Baku gewähren lassen. Damit sind die rund 120 000 Menschen, die laut offiziellen Zahlen noch in Bergkarabach leben, weitestgehend von der Aussenwelt abgeschnitten. Dass der Krieg wieder aufflammt, davon gehen in Armenien nicht nur die Menschen auf der Strasse aus. Auch ranghohe Politiker wie Premierminister Nikol Pashinyan warnen davor. Die offizielle Rhetorik Aserbaidschans hat sich in den vergangenen Monaten verschärft, Präsident Ilham Aliyev bezeichnete Armenien mehrfach als «West-Aserbaidschan» und forderte die Karabach-Armenier*innen auf, die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit anzunehmen oder die Region zu verlassen. Wie Ankara sich im Ernstfall positionieren wird, hängt vom Ergebnis der türkischen Wahlen von Mitte Mai ab.
Europa als Vorbild
In der Schule von Margara ist der Krieg allgegenwärtig. Im ersten Stock wurde eines der Klassenzimmer zum Andachtsraum für die Gefallenen aus dem Dorf umfunktioniert. Auf einem provisorischen Altar mit armenischer Flagge stehen drei Porträts in Goldrahmen. Der junge Mann links sei noch im Militärdienst gewesen, der rechte habe mitten im Studium gesteckt. Und der ältere in der Mitte sei freiwillig zum Kämpfen nach Artsakh gegangen, erinnert sich die Schuldirektorin und Russischlehrerin Arusyak Muradyan. Die Annäherung zwischen Armenien und der Türkei begrüsst sie. «Die Welt entwickelt sich. Eines Tages sollten alle blockierten Strassen öffnen, alle Grenzen zu offenen Toren werden und schliesslich alle Kriege in Frieden enden», sagt die Lehrerin. Europa sei ein Vorbild dafür, wie das gelingen könne. Immerhin gebe es dort nun weitgehend offene Grenzen.
Auch die Schüler*innen der elften Klasse würden die Brücke von Margara gerne einmal überqueren. Sie seien neugierig, wie es auf der anderen Seite aussehe, erzählen sie im Geografiezimmer, wo eine Weltkarte und Abbildungen mit den früheren Umrissen armenischer Staatsgebilde an der Tafel hängen. Aber mit den türkischen Nachbar*innen sprechen will niemand. «Sie lernen von klein auf, uns zu hassen», sagt eines der Mädchen. Die Lehrerin will das nicht stehen lassen: «Wie soll es Frieden geben, wenn wir nicht aufeinander zugehen?», fragt sie in die Runde. Einer der Jungen antwortet: «Die Türken sollen den ersten Schritt machen.»
Mitarbeit: Gayane Mirzoyan
Serie: Digitalisierung In einer fünfteiligen Serie machen wir uns auf die Spur der Gräben, welche die Dig italisierung schafft. Und schauen dorthin, wo sie Teilhabe an der Gesellschaft ermö glicht.
Zum Surfen in die Migros
Die Digitalisierung ist eine Welt der Grauzonen – auch für Sans-Papiers wie Ackson. Während er in der analogen Öffentlichkeit ausgegrenzt ist, kann er die digitale Welt auch zur Erweiterung seiner Handlungsspielräume nutzen.
An Acksons Handgelenk blinkt eine Fitnessuhr. Schwarz und schlank sieht sie aus und zeichnet seinen Puls auf, zählt die Anzahl seiner Schritte, registriert Schlafqualität und Sauerstoffsättigung im Blut. Aus jeder Hosentasche zieht der 33-Jährige ein Smartphone und legt es auf den Tisch. «Das hier ist für den Alltag», erklärt er und zeigt auf ein abgewetztes Samsung. «Das andere benutze ich nur für die wichtigsten Sachen.»
Menschen wie Ackson müssen in der analogen Welt unsichtbar bleiben. Als Sans-Papiers leben sie illegalisiert unter uns, verrichten Arbeit, kaufen wie wir ein, fahren Tram und bleiben doch ausgegrenzt. Denn ohne Aufenthaltspapiere haben sie im Normalfall keine Wohnadresse und schon gar keine Arbeitsbewilligung. Bereits eine SIMKarte fürs Smartphone müssen sie sich über Umwege oder Bekannte organisieren. Für sie ist Teilhabe an unserer Gesellschaft von Gesetzes wegen nicht vorgesehen. Hier sind sie trotzdem, sie leben und arbeiten.
Ich frage mich: Wie verändert sich das Leben im Unsichtbaren, wenn immer mehr Teile der Öffentlichkeit in den digitalen Raum abwandern?
In der Annahme, Sans-Papiers hätten es auch schwer, digital in Erscheinung zu treten, hatte ich mir ein kleines Experiment vorgenommen. Ich wollte versuchen zu erleben, wie der Alltag aussieht, wenn man keinen Zugang zur digitalen Öffentlichkeit hat – immer im Wissen, dass im Notfall in der Hosentasche mein Smartphone steckt, das mir aus fast jeder Patsche hilft.
Unser Treffen in Basel hatten wir natürlich über einen digitalen Messenger ausgemacht – aber lassen wir das mal beiseite. Schon nach dem Aufstehen am Morgen stellte sich mir die Frage, wie ich eigentlich nach Basel komme. Normalerweise würde ich die SBB-App öffnen und die schnellste Verbindung ausfindig machen. Zum Glück
weiss ich ungefähr, wann in Bern die Züge fahren. Am Bahnhof angekommen, gab es zur genaueren Information nebst den gelben Abfahrtsplänen auch praktische digitale Anzeigetafeln.
Nun galt es, ein Ticket zu lösen – eben nicht in der SBB-App und nicht am Ticketautomaten, die ohnehin bald abgeschafft werden (siehe Surprise Nr. 548), und nur mit Bargeld. Denn für Sans-Papiers ist bereits der Besitz einer Bankkarte fast immer ein Ding der Unmöglichkeit. Ohne Aufenthaltspapiere oder legale Wohnadresse gibt es auch kein Bankkonto. Also musste ich an den Schalter. Das bedeutet anstehen und warten. Zum Glück war ich früh genug am Bahnhof und hatte eine Zeitung im Rucksack.
Transaktionsanteil je Zahlungsmittel
Anteile in % der Basis; gemäss Zahlungstagebuch (Basis: 2020: 21 853 Transaktionen; 2017: 22 517 Transaktionen)
Bargeld
Debitkarte
Kreditkarte
2017 Anteil 2020 Anteil davon kontaktlos
Nach dem Ticketkauf am Schalter musste ich noch schnell aufs WC und war glücklich, nicht in Luzern oder Uster zu sein. Dort experimentiert die SBB aktuell nämlich mit bargeldlosen Zugängen zu den Bahnhofstoiletten. Im Sinne der Einfachheit und Hygiene funktioniert in einigen Städten der Zutritt zum Bahnhofs-WC nur noch mit Karte oder einer Bezahl-App. Wer das nicht besitzt, hat Pech.
In Basel angekommen, stellte sich mir die nächste Frage: Wie finde ich zu unserem Treffpunkt? Ich bin selten am Rheinknie und finde ohne Karten-App höchstens den Barfüsserplatz und einen mir bekannten veganen Kebabladen. Aber wo ist die Rebgasse? Um das herauszufinden, genügt normalerweise ein Griff zum Smartphone. Ich würde die Adresse der Anlaufstelle für Sans-Papiers eingeben. Die App würde dank GPS automatisch meinen aktuellen Standort erkennen und mir in Nullkommanichts den besten Weg aufzeigen – falls gewünscht auch gleich noch über die Kopfhörer mit freundlich gesprochener Navigationsstimme.
Stattdessen hatte ich mich – mit digitalen Kartendiensten – vorbereitet und mir den Weg eingeprägt: Erst mit dem 8er-Tram zum Claraplatz und dann noch ein paar Meter zu Fuss. Ich lief zur Haltestelle. Mist, ein Ticket fürs Tram brauchte ich auch noch. So zückte ich in der Not doch meine Bankkarte für den Ticketautomaten. Ich war spät dran – und ein Verstoss gegen die Regeln meines Experiments immer noch besser als eine Busse.
Als ich schliesslich vor Ackson mit seiner Fitnessuhr und seinen zwei Smartphones sitze, komme ich mir mit meinem Experiment ziemlich albern vor. Denn der gelernte Elektriker aus Brasilien ist, was man einen Digital Native nennt. «Das Internet ist für mich extrem wichtig», erzählt er lächelnd, als ich ihn frage, wie sein Leben in der digitalen Welt aussieht – und er meine voreiligen Vorstellungen demontiert. «In meiner Kindheit habe ich Internetforen besucht, mich mit anderen online ausgetauscht und mir viele Skills autodidaktisch beigebracht.» In der Schweiz konnte er sich auch dank seiner digitalen Fähigkeiten durchschlagen. Das ganze Brimborium meiner analogen Zugreise hätte er sich kaum angetan.
Und doch: Der schleichende Übergang zu einer bargeldlosen Gesellschaft macht Sans-Papiers wie Ackson zu schaffen. Rechnungen von der Krankenkasse oder vom Arztbesuch kann er nicht bequem per E-Banking bezahlen. «Anfangs ging ich damit zur nächsten Postfiliale», sagt Ackson. «Je nachdem konnte ich dort aber nicht bar bezahlen.» Also nahm er einen weiteren Weg zur grösseren Hauptfiliale auf sich. «Dort hat es oft lange Schlangen. Und die älteren Menschen wollten gerne am Schalter noch etwas plaudern», sagt er. So dauern einfache Dinge, die sich digital mit ein paar Klicks erledigen lassen, schnell mal eine Stunde.
Gerade die Pandemie hat den Wechsel von Bargeldtransaktionen zum digitalen Bezahlen beschleunigt; so konnte man zum Beispiel am Berner Weihnachtsmarkt nur noch mit Karte oder App bezahlen. «Vielerorts wurde das mit Hygiene begründet», sagt Ackson. Er erzählt vom Delica-Fabrikladen in Birsfelden, wo seit einiger Zeit kein
Bargeld mehr akzeptiert wird. «Dort gibt es Lebensmittel und Haushaltswaren mit kleineren Defekten zu vergünstigten Preisen.» Für prekarisierte Menschen ein willkommenes Angebot. Blöd nur, wenn diese es nicht mehr nutzen können, weil sie keine digitale Bezahlmöglichkeit haben.
«Für mich und viele andere Menschen ist Bargeld sehr wichtig», sagt Ackson. «Die, die den digitalen Wandel vorantreiben, gehen davon aus, dass doch eh alle ein Konto und eine Karte haben, mit der sie überall bezahlen können. Aber das ist nicht der Fall.»
«Am Fenster konnte ich ins Netz»
Ackson nimmt einen Schluck von seinem Kaffee, lehnt sich ein wenig zurück und erzählt, wie schwierig es bei seiner Ankunft war, mit der Familie in Brasilien in Kontakt zu bleiben. «Ich hatte ja kein Internetanschluss», sagt er. «Also versuchte ich, wenn möglich, öffentliche Wifis zu nutzen.» Gerade als Sans-Papiers ist das eine verzwickte Sache. Denn die Öffentlichkeit ist ein gefährliches Pflaster. Jederzeit drohen Polizeikontrollen, weil rassifizierte junge Männer wie Ackson viel häufiger von der Polizei kontrolliert werden als andere. «Und letztlich wollte ich auch nicht im Migros-Restaurant über private Dinge sprechen.»
Also sucht Ackson nachts nach öffentlichen Wifis, um mehr oder weniger ungestört das Internet nutzen zu können. «Einmal hatte ich das Glück, in der Nähe einer Migros zu wohnen, wo es ein öffentliches Netzwerk gab. Wenn ich ganz nah am Küchenfenster war, konnte ich mich mit dem Internet verbinden.»
Und dann spricht Ackson nochmals seine zwei Smartphones an. Denn weil er was von digitaler Sicherheit, Programmieren und Datenschutz versteht, ist er sich auch der vielen Spuren bewusst, die wir alle im Internet hinterlassen. «Ich hatte immer Angst, zu viel über mich zu veröffentlichen und aufzufliegen», sagt Ackson und erwähnt die gesetzlich vorgeschriebene Vorratsdatenspeicherung. Sie verpflichtet Sunrise, Salt, Swisscom und andere Mobilfunkanbieter, die Verbindungsdaten der Nutzer*innen während sechs Monaten zu speichern. Da-
17%
der in der Schweiz lebenden Personen arbeiteten im letzten Jahr in der Gig-Economy. Für
135 000 Menschen
ist es die Haupteinnahmequelle.
raus ist ersichtlich, wo sich eine Person wann aufhielt und mit wem sie Kontakt hatte. Auch die sozialen Medien nutzt Ackson mit Vorsicht. «In Brasilien war ich recht freizügig und habe viel von mir im Internet geteilt», sagt er. «Jetzt muss ich besser aufpassen oder ganz darauf verzichten.»
Auf Instagram nutzt er Stories, die nach 24 Stunden wieder verschwinden, oder teilt Beiträge und Bilder lediglich mit ihm nahestehenden Menschen. Als Illegalisierter ist die digitale Gesellschaft für ihn immer auch eine Kartei, die über sein Leben Buch führt – und die gegen ihn verwendet werden kann.
Digitale Selbstverteidigung
Ackson kann digitale Mittel allerdings auch für seine eigene Ermächtigung nutzen. Apps, soziale Netzwerke und digitale Angebote bieten ihm Möglichkeiten, sein Leben als Sans-Papier zu meistern. Dank Apps kann er sich paradoxerweise freier bewegen, obwohl er in der analogen Öffentlichkeit unter dem Radar bleiben muss. Um das zu demonstrieren, zückt Ackson sein Smartphone und öffnet eine App: Waze. Die frei zugängliche Strassenkarten-App unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von den bekannten Alternativen. Bis man auf die überall auf der Karte verteilten Symbole klickt: Strassensperren und -schäden, Bauarbeiten, Umleitungen. Und Polizei. Bei Waze können Nutzer*innen Beobachtungen melden, die für andere während einer gewissen Zeit sichtbar sind.
Jedes Mal, wenn in der Nähe ein kleiner blauer Punkt aufploppt, wissen Ackson oder andere Sans-Papiers, die die App nutzen: Ich suche mir besser einen anderen Weg. «Mit der Zeit lernte ich so auch, welche Orte für mich aufgrund möglicher Polizeikontrollen besonders gefährlich sind», erzählt er. «So konnte ich sie meiden und mich freier bewegen.» Auch in einer Telegramgruppe werden Polizeikontrollen ausgetauscht – angelehnt an Copwatch.
Seit über dreissig Jahren überwacht diese autonome, aktivistische Organisation in Nordamerika und Europa Polizeiaktivitäten, um Menschen vor Machtmissbrauch und Racial Profiling zu schützen.
«Das Internet gibt mir Zugang zu einer grossen Gruppe von Menschen, mit denen ich mich austauschen kann und von denen ich hilfreiche Informationen erhalte», sagt Ackson. Zum Beispiel darüber, wo man sich sicher aufhalten kann, wo es Arbeitsmöglichkeiten gibt, wie man sich auch politisch organisieren kann. «Das macht mein Leben als Sans-Papiers in der Schweiz leichter.» So helfen ihm in einer ihm anfänglich fremden Welt auch Übersetzungstools oder Sprachlern-Apps durch den Alltag. Und die Digitalisierung gibt Ackson Instrumente in die Hand, wie er als Illegalisierter dennoch zu Arbeit und Geld kommt. «Vor allem die Gig-Economy ist für mich eine digitale Spielwiese, wo ich mich austoben kann», sagt Ackson und beginnt, all die Dienste und Websites aufzuzählen, mit denen er im digitalen Raum Geld verdienen kann, ohne in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden. «Ich könnte als Webdesigner arbeiten, von zuhause aus Games testen oder für Google Marktforschung betreiben.» Es gibt Websites wie Digitalnomads, Remote OK oder Clickworker, dank denen er unkompliziert kleinere Aufträge online erledigen kann. Dass es sich bei der Gig-Economy um einen kaum regulierten Markt handelt – mit Löhnen, mit denen man nur knapp über die Runden kommt –, weiss auch Ackson. Doch paradoxerweise erlaubt ihm gerade diese Grauzone, überhaupt in der Schweiz Geld zu verdienen.
«Manchmal ging ich auch in Geschäfte, die keinen Eintrag auf Google Maps hatten, und bot an, gegen einen kleinen Lohn diese Lücke zu schliessen», sagt Ackson, und sein Erzähldrang ist kaum zu stoppen – so viele Möglichkeiten zählt er auf, dank der digitalen Welt über die Runden zu kommen. «Da siehst du mal, wie viel man im Internet so machen kann», lacht er.
Die Digitalisierung ist für Ackson also Fluch und Segen zugleich. Als Optimist sieht er darin vor allem ein Werkzeug, um sich dort durchzuschlagen, wo Menschen wie er nicht vorgesehen sind. Ein Werkzeug, um mit Gleichgesinnten und Schicksalsgenoss*innen in Kontakt zu bleiben und Informationen auszutauschen. Und ein Werkzeug, um über die Runden zu kommen und sich vielleicht irgendwann einen Traum zu erfüllen: mit einem VW-Bus die Freiheit – die analoge Welt – zu erkunden.
Digitalisierung: eine Serie in fünf Teilen
Teil 1: Der digitale Graben, Surprise Nr. 548
Teil 2: Zum Surfen in die Migros, Surprise Nr. 550
Teil 3: Ungleiche Datensammlung, Surprise Nr. 552
Teil 4: Migration und Digitalisierung, Surprise Nr. 553
Teil 5: Blick in die Zukunft, Surprise Nr. 554
Recherchefonds: Dieser Beitrag wurde über den Surprise Recherchefonds finanziert.
Mehr Informationen: surprise.ngo/recherchefonds
Ein Zuhause auf Zeit
Notschlafstelle In Bern bietet das Pluto Jugendlichen möglichst niederschwellig Schutz – und wird gerade deswegen kritisiert.
Schon immer sei ihr Vater aufbrausend gewesen, jähzornig auch und unberechenbar, sagt Bianca W.* und kippt, wie zur Erklärung, ihre Hand zum Mund. «Doch der Alkohol hat alles schlimmer gemacht. Erst ging er auf meine Mutter los, dann schlug er auch mich.» Damals war Bianca, in Burgdorf aufgewachsen, gerade 14 geworden und blieb öfter mal von zuhause weg, sie schlief bei Freundinnen oder bei der Schwester ihrer Mutter. Heute wohnt sie fest bei der Tante in Bern. Ihre Mutter sieht sie regelmässig, den Vater gar nicht mehr. Sie habe alles versucht, ihm zwischendurch sogar verziehen – bis er ihr zu nahekam, sie bedrängte. Mehr möchte Bianca dazu nicht sagen. Das letzte dreiviertel Jahr sei das schlimmste ihres Lebens gewesen, sagt die heute 16-Jährige. «Ich war mal hier, mal dort, tingelte von Sofa zu Sofa, ich schlief sogar draussen, im Park oder in der Badi. Irgendwann erfuhr ich von Pluto, einer neuen Notschlafstelle in Bern. Ich ging hin, stellte mich vor, sagte, ich wisse nicht wohin. Sie gaben mir ein Zimmer, ich blieb eine Weile und hatte endlich ein bisschen Ruhe in meinem Kopf.»
«Häusliche Gewalt – sie ist in vielen Biografien unserer Nutzer*innen ein Thema», sagt Sozialarbeiter Robert Sans. «Dazu kommen akute Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit sowie Ausschlüsse aus stationären Wohnsettings oder Kollektivunterkünften.» Der 39-Jährige gehört zum Team der Notschlafstelle Pluto, einem Haus am Stadtrand von Bern mit insgesamt sieben Betten. Hinter der Notschlafstelle steht der Verein «Rêves sûrs – Sichere Träume», eine Kooperation von Fachpersonen aus dem Jugend- und Obdachlosenbereich. Das 2022 lancierte Projekt ist zunächst auf drei Jahre befristet, es wird von Stiftungen, Privaten sowie Kirchen finanziert und bietet Jugendlichen wie Bianca möglichst niederschwellig Schutz und Beratung an. Ein vergleichbares Angebot gibt es in der deutschsprachigen Schweiz nur noch in Zürich, das Nemo.
Weil die Notschlafstelle Personen bis 23 Jahre aufnimmt, geriet sie unlängst in Kritik. Der Vorwurf: Pluto würde auch Leuten Unterschlupf bieten, die schon in einer sozialen Struktur einbettet seien oder für die es bereits Angebote gebe – Notschlafstellen für Erwachsene, Heime, betreutes Wohnen, das Arbeitslosenvermittlungszentrum, Asylunterkünfte oder ähnliches. Deshalb sei
Pluto weitgehend überflüssig, gravierender noch: die Notschlafstelle schaffe eine Art Parallelstruktur zu bestehenden Institutionen.
Robert Sans weist diese Kritik von sich. «Dass es Leute gibt, die sich nicht in die Strukturen bestehender Angebote pressen lassen oder die aus diesen Strukturen fallen, weiss man nicht erst, seit es Pluto gibt. Dann stellt sich die Frage: Haben diese Menschen kein Anrecht auf einen sicheren Schlafplatz und die Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse? Fakt ist: Gäbe es Pluto nicht, wären manche dieser Menschen ganz ohne Hilfe.»
Tatsächlich geht es bei dieser Kritik nicht so sehr um die Frage, ob eine Notschlafstelle wie Pluto ein Angebot für Leute bereitstellt, die auch anderweitig Hilfe bekommen. Um was es eigentlich geht, ist die Art, wie Pluto arbeitet, nämlich: möglichst niederschwellig. Für Robert Sans ist klar: Diese Niederschwelligkeit ist im Bereich von Notschlafstellen für Jugendliche zumindest in der Region ohne Alternative. «Deshalb schaffen wir keine Parallelstruktur, sondern füllen eine Lücke.»
Im Falle von Pluto heisst Niederschwelligkeit, dass die Jugendlichen keinen Ausweis zeigen müssen, sie brauchen nicht aus Bern zu sein, müssen keine Kostengutsprache haben, sie können während der Öffnungszeiten – jede Nacht zwischen 18 Uhr und 9 Uhr – kommen und gehen, wann sie wollen, auch dürfen sie ihre tierlichen Begleiter *innen bei sich haben. Dass es ganz ohne Schwellen geht, hält Robert Sans jedoch für utopisch. «Auch wir haben unsere Hausordnung, an die man sich halten muss –kein Drogenkonsum im Haus, zum Beispiel –, im Normalfall darf man nicht länger als drei Monate bleiben, und es sollte die Altersgrenze eingehalten werden. Ausserdem kostet es für viele Überwindung, sich an einen fremden Ort zu begeben und ihre Vulnerabilität offenzulegen.»
Unlängst haben die Sozialarbeitenden im Pluto begonnen, die Jugendlichen nach einem Dokument zu fragen, welches ihr Alter bestätigt. Davor sei es vorgekommen, dass sich manche jünger ausgegeben haben, als sie sind. Weil die Notschlafstelle häufig ausgebucht ist (voriges Jahr waren es bis November 1130 Übernachtungen), möchte man gewährleisten, dass in erster Linie Jugendliche im von Pluto vorgesehenen Alter zwischen 14 und 23 vom Angebot profitieren können.
«Sichere Träume»
Die Notschlafstelle Pluto vom Verein «Rêvers sûrs –Sichere Träume» in Bern ist jede Nacht von 18:00 bis 9:00 Uhr geöffnet und bietet Jugendlichen und jungen Erwachsenen aller Geschlechter im Alter zwischen 14 und 23 Jahren in Notsituationen kostenlos Obdach, Schutz und Sicherheit an. Bei Bedarf erhalten die Jugendlichen eine Sozialberatung durch Fachpersonen Soziale Arbeit.
Telefon: 078 247 24 44. Mehr Infos unter: pluto-bern.ch
Zur Ruhe kommen, sich erstmal nur um sich selbst kümmern : Blick in ein Zimmer im Pluto.
Nicht alle Jugendlichen sind sich diese Niederschwelligkeit gewohnt. «Als ich ins Pluto kam, habe ich mich darüber gewundert, dass niemand meinen Ausweis sehen wollte», erzählt Bianca W. «Hier war alles ganz unkompliziert. Meine Erfahrungen und Erlebnisse wurden nicht in Zweifel gestellt. Ich wurde gefragt, was ich brauche und wie ich mich sicher fühlen würde. Dann haben die Mitarbeitenden mit meiner Beiständin geschaut, dass ich bis auf weiteres hier bleiben durfte.»
Dass Niederschwelligkeit eine gewisse Eigeninitiative verlangt und für manche Jugendliche eine Herausforderung bedeuten kann, bestätigt Robert Sans. Doch sie stelle auch Ansprüche an die Soziale Arbeit. «Wir arbeiten nach dem Prinzip der akzeptierenden Grundhaltung, was uns sehr wichtig ist. Wer zu uns kommt, wird nicht verurteilt, auch wollen wir diese Person nicht ‹erziehen› oder sie davon überzeugen, was angeblich für sie das Beste ist, sondern wir heissen sie willkommen so, wie sie ist. Andernfalls könnten wir unser vordergründiges Ziel, einen Schutzraum zu bieten, wo man sich wohlfühlt und sicher, gar nicht erreichen.»
Natürlich gebe es auch hier Grenzen, fügt Robert Sans an. In Fällen von akuter Suizidalität, Gewalt gegen Mitbewohner*innen oder Mitarbeitende etwa ziehe auch Pluto eine rote Linie.
Auch bei Minderjährigen seien Dinge zu beachten. So müssten je nachdem die obhutberechtigten Personen oder die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB über den Aufenthaltsort oder die Gefährdungen der Nutzer*innen informiert werden. «Aber selbst dann vertreten wir einen klar anwaltschaftlichen Ansatz, sind vollkommen transparent und handeln im Interesse der jungen Personen, die das Pluto aufsuchen – auch das unterscheidet uns von anderen Institutionen und auch hier vermögen wir eine Lücke zu füllen.»
Doch dafür müssen die Jugendlichen zuerst einmal wissen, dass es Pluto gibt. Tatsächlich sei Informationsarbeit das A und O, sagt Robert Sans. «Deshalb versuchen wir die Leute in ihrer Lebenswelt zu erreichen: über die Sozialen Medien, über Fachpersonen im Jugend- und Obdachlosenbereich, aber auch über Freund*innen und Angehörige.»
Auch Bianca W. erfuhr über eine Bekannte von der Notschlafstelle. Davor schlief sie öfter mal auf dem Sofa von Freundinnen – aber nie allzu lange an einem Ort. Sie habe sich geschämt und wollte niemanden zur Last fallen oder sich zusätzlich von jemandem abhängig machen, sagt Bianca. «Hätte ich von Pluto gewusst, wäre ich früher dort aufgekreuzt.»
* Name geändert
Mit Musik und Tanz neuronale Netzwerke darstellen – auch diese ukrainisch-schweizerische Performance ist Teil des Programms.
Die Neugier aufeinander wecken
Stadtleben Vom 8. bis am 25. Juni feiert das Festival «About Us!» die kulturelle Vielfalt in den Zürcher Aussenbezirken Oerlikon, Affoltern und Albisrieden.
TEXT MONIKA BETTSCHEN
Jahrzehntelang standen sie in den Rasenflächen vieler Wohnsiedlungen. Doch nun müssen immer mehr von ihnen neuen Bauprojekten weichen: Teppichstangen.
«Die Spazierkünstlerin Marie-Anne Lerjen hat diese Metallbogen als starke Symbole für den Umbruch, der sich gerade in vielen Stadtquartieren vollzieht, erkannt und hat für uns einen Spaziergang zu diesem Thema in Albisrieden konzipiert», sagt Manda Beck, Co-Leiterin des dritten transkulturellen Festivals «About Us!» in Zürich. Dahinter steht ein gleichnamiger Verein, der seit 2019 im Auftrag der Stadt Zürich alle zwei Jahre in wechselnden Zürcher Aussenbezirken Veranstaltungen organisiert, und zwar gemeinsam mit der Bevölkerung und mit
Kunstschaffenden. «Wir möchten mit diesem niederschwelligen Angebot das Zusammenleben in den Bezirken fördern. Und darüber hinaus die kulturelle Vielfalt in diesen Quartieren sichtbar machen. Vielen Leuten im Stadtzentrum ist oft gar nicht bewusst, welchen kulturellen Reichtum es an den Stadträndern zu entdecken gibt. Das möchten wir ändern», sagt Beck.
2023 findet «About Us!» in den Bezirken Oerlikon, Affoltern und Albisrieden statt. «Von Musik, Tanz, Theater, Poetry-Slam über Spaziergänge und Lesungen bis hin zu Talks mit Kulturschaffenden und Menschen aus dem Quartier ist für jeden Geschmack etwas dabei», so Beck. Bei der Planung nehme man schon sehr früh auch mit
Vereinen Kontakt auf. «Dadurch ebnen wir den Weg, damit jene, die oft schon seit Jahrzehnten in einem Bezirk wohnen, Veränderungen als Bereicherung erfahren und allfällige Berührungsängste abbauen können.» Für die Lebensqualität der Einwohner*innen einer Stadt sei es wichtig, dass sich alle zugehörig fühlen. «Doch oft verhindert gerade in den Aussenbezirken die Sprache oder der Preis, dass jemand am bestehenden kulturellen Leben teilnehmen kann. Deshalb bildet bei uns immer eine zentral im Quartier gelegene Piazza mit Bühne das Herzstück des Festivals. Dort können sich Vereine und Anwohner*innen begegnen, sich austauschen und Ideen einbringen», sagt Manda Beck, die sich die Co-Leitung mit Gunda Zeeb teilt. «Alle unsere Veranstaltungen sind gratis und wir bieten unser Infomaterial in diversen Sprachen an, damit wir möglichst viele Leute erreichen können.»
Hinter andere Türen schauen
Doch auch über die Dauer des Festivals hinaus sollen die Veranstaltungen und Projekte wirken. «‹About Us!› gibt es noch nicht so lange, trotzdem kennen wir bereits einige Beispiele, wo sich Menschen weiterhin treffen. Genau darum geht es: Wir möchten den Anstoss geben, um lebendige Quartiergemeinschaften zu ermöglichen. Sodass man im Idealfall nicht aneinander vorbeilebt, sondern sich gegenseitig unterstützt, Anteil nimmt am Leben jener, die im gleichen Haus oder an der gleichen Strasse leben. Wenn ein Quartier all seinen Einwohner*innen ein Gefühl von Gemeinschaft und Zusammenhalt bietet, kann es auch besser mit Veränderungen umgehen und neue Menschen willkommen heissen» bringt Beck den Grundgedanken hinter «About Us!» auf den Punkt.
Dieser Grundgedanke findet sich auch im Kunstprojekt «Balkon Disco» von Christina Gabriela Galli wieder, welches die Neugier aufeinander wecken soll: In einer Genossenschaftssiedlung in Oerlikon haben sich die Bewohner*innen eines Wohnblocks bereit erklärt, im Rahmen einer Performance ihre Wohnungstüren zu öffnen. «Wenn jemand zu einer festen Uhrzeit jeweils eine Tasse Tee trinkt oder Sportübungen macht, geht er oder sie dieser Routine auch während der Performance nach. Indem die verschiedensten Menschen hinter den Türen sichtbar gemacht werden, soll verdeutlicht werden: Trotz unterschiedlicher Rituale und Gewohnheiten sind wir alle Menschen. Und diese Erkenntnis ist die Basis für ein gelungenes Miteinander», sagt Beck.
Divers auf allen Ebenen
Theater Am Wildwuchs-Festival in Basel stehen die Perspektiven und Lebensrealitäten von unterrepräsentierten Menschen im Zentrum.
«Unser Anliegen ist es, ein Festival zu machen, an dem wir miteinander über unterschiedliche Diskriminierungsformen ins Gespräch kommen», sagt Co-Leiterin Kapi Kapinga Grab. «Ein wesentlicher Unterschied zu vielen anderen Festivals ist, dass wir Diversität und Intersektionalität auch in den Strukturen verankern: in der Leitung, im Vorstand und auf der Ebene des Programms.» Dieses deckt die ganze Bandbreite von professionellem Bühnenschaffen bis zu kleineren Initiativen ab, die alle gleichwertig behandelt werden – und damit die inklusiven Anliegen des Festivals zum Ausdruck bringen.
In der Comedy Show «We Stand up!» etwa, die im Rahmen der interkulturellen Online-Plattform «lucify.ch» konzipiert wurde, sprechen Migrant*innen und Geflüchtete auf humorvolle Weise über schmerzhafte und tabuisierte Aspekte des Migrationsprozesses. Im Zentrum des Doku-Theaters «Süss und Sauer» wiederum stehen die Arbeitsbedingungen der lebensgrosse Puppe Maria, einer pensionierten Altenpflegerin aus Lateinamerika und der Sexarbeiterin Helena del Monte. Das Stück lässt dafür Fachpersonen und einen Freier zu Wort kommen.
In einer Produktion vom Théâtre National Wallonie-Bruxelles, «Une tentative presque comme une autre» (deutsch: «ein Versuch fast wie jeder andere») begegnen sich zwei Zwillingsbrüder – der eine mit einer motorischen Behinderung, der andere ohne: Es entsteht eine Performance, jedes Mal wieder neu, in der die beiden ihre Beziehung erforschen. Und in «Morgen – über das Aufwachen und Aufbrechen» sp üren die Teilnehmer*innen dem Rhythmus und den Routinen nach, wie sie der Alltag in Wohnheimen oder Wohngruppen mit sich bringt.
«About Us!» – Zürich transkulturell, Quartierfestival in drei Stadtbezirken, 8. bis 11. Juni in Oerlikon, 15. bis 18. Juni in Affoltern und 22. bis 25. Juni in Albisrieden. www.about-us.ch
Surprise liest
Auf der Quartierbühne lesen wir Kolumnentexte.
Freitag, 9. Juni, 19 Uhr: Oerlikon (Dorflinde),
Samstag, 17. Juni, 19 Uhr: Affoltern (Zehntenhaus-Platz),
Freitag, 23. Juni, 19 Uhr: Albisrieden (Wydlerweg Wiese).
Die Produktionen werden von einem umfassenden Rahmenprogramm begleitet. Der Verein Movo gibt einen Bewegungsworkshop, in dem sinnliche Kommunikationsformen erforscht werden, der Verein AfroBasel lädt zu Begegnungen in eine Living Library ein. «Wir haben viele Formate, in denen der Vermittlungsgedanke schon mitgedacht ist», so Kapinga. «Es ist uns wichtig aufzuzeigen, was Teilhabe und Partizipation an einem Festival bedeuten können.» Das Festivalzelt, gestaltet vom Basler Kollektiv cornetto, dient dabei rund um die Uhr als Ort der Begegnung. Denn Wildwuchs will Barrieren abbauen und dazu einladen, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken.
JULIA RÜEGGERVeranstaltungen
Winterthur
«Belinda Kazeem-Kamiński: You are awaited but never as equals», Ausstellung, bis So, 9. Juli, Mo und Di, 10 bis 17 Uhr, Mi bis Fr, 10 bis 20 Uhr, Sa und So, 10 bis 16 Uhr. Coalmine, Turnerstrasse 1. coalmine.ch
Bern
«Postcards from Europe», Ausstellung, bis So, 30. Juli, Di bis Fr, 10 bis 19 Uhr, Sa 10 bis 17 Uhr, Kornhausforum, Kornhausplatz 18. kornhausforum.ch
lich ist. Im CH Focus begegnen uns die reduzierten, geschlechtslosen Figuren und Räume des Medienund Installationskünstlers Yves Netzhammer, und Hochschuldozent und Experimentalfilmer Johannes Binotto lehrt uns mit seinen Videoessays, neu zu sehen.
Die in Wien lebende Autorin, bildende Künstlerin und Forschende Belinda Kazeem-Kamiński setzt sich in ihren Fotografien, Videos, Text- und Textilarbeiten mit den Bedingungen Schwarzen Lebens in der afrikanischen Diaspora auseinander. Dabei analysiert sie, wie ein rassistischer Blick und koloniale Denk- und Handlungsweisen bis in die Gegenwart hineinwirken. Die erste Einzelausstellung der Künstlerin kreist um das ambivalente Begehren westlicher Akteur*innen und die daraus resultierende Abwertung und Objektifizierung der sogenannten «Anderen» – etwa im Aufeinandertreffen von Wiener Bürger*innen und westafrikanischen Performer*innen im Jahr 1896 oder in der Untersuchung der autoritativen Gesten westeuropäischer Ethnograf*innen. Mittels visueller und performativer Strategie verbindet Belinda Kazeem-Kamiński Erzählungen und Menschen über Räume und Zeiten hinweg und bindet diese so ins Gespräch ein – die Personen aus der Vergangenheit ebenso wie das Ausstellungspublikum selbst. DIF
Zu g
«fürsorgen, vorsorgen, versorgen», Kabinettausstellung und Veranstaltungsreihe zur sozialen Fürsorge im Kanton Zug, bis Fr, 20. Okt., Mo bis Fr, 8.15 bis 12 Uhr und 13.30 bis 17 Uhr, Staatsarchiv des Kantons Zug, Aabachstrasse 5.
sie thematisiert die düsteren Seiten der Sozialgeschichte: Fremdplatzierungen und andere Zwangsmassnahmen, physische und psychische Gewalt im Alltag von Einrichtungen. Eine Gesprächsreihe beleuchtet die soziale Fürsorge auch aus heutiger Perspektive. Eine der Veranstaltungen zeigt auf, wie sich Repressionen und Demütigung von Betroffenen auf deren Söhne und Töchter auswirken. Zwei weitere widmen sich dem Kindes- und Erwachsenenschutz und der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB).
Die Fotografin Eva Leitolf rückt jene Orte in Europa und an den europäischen Aussengrenzen ins Bild, die von Flucht und Migration geprägt sind. Davon ist aber nicht viel zu sehen. Sondern: Grüne Wälder, trockene Wiesen und Küsten in goldenem Licht. Oder Strassen und Plätze. Die Frage stellt sich: Was kann man mit Bildern zeigen? Was ist visuell vermittelbar – und was nicht? Neben jeder Fotografie liegt ein Stapel Postkarten, der Kontext liefert: Die Szenen der Bilder nehmen erst Gestalt an, wenn der Text, das Wissen um spezifische Ereignisse, dazukommt. Und so bringt Leitolf die Betrachter*innen unweigerlich dazu, ihren ersten Eindruck der Fotografien zu revidieren: «Postcards from Europe» ist ein Projekt, dass die Möglichkeiten und Grenzen visueller Repräsentation intelligent auslotet. DIF
Zürich
«Videoex – Internationales Experimentalfilm & Video Festival», Do, 25. Mai, bis So, 4. Juni, Kunstraum Walcheturm, Kanonengasse 20, Zürich. videoex.ch
DIF
Basel
«Bildrausch Filmfest Basel», Filmfestival, Mi, 31. Mai bis So, 4. Juni, Theaterstrasse 22, Spielstätten Stadtkino Basel, kult.kino atelier, Theater Basel und HEK. bildrausch-basel.ch
Mit dem Forschungsbericht «fürsorgen, vorsorgen, versorgen» hat der Kanton Zug sein Fürsorgewesen aufgearbeitet. Die Studie liefert ein differenziertes Bild über die bereitgestellten Angebote, zugesicherten Leistungen und verordneten Massnahmen für Menschen in Notlagen oder in Situationen, die als prekär eingestuft wurden. Und
(«Was bis heute nachwirkt», Do, 25. Mai, 19 Uhr, und «Kinderschutz heute», Do, 22. Juni, 19 Uhr, Kantonsratssaal Zug; «Erwachsenenschutz», Di, 22. August, 19 Uhr, Siehbachsaal; Anmeldung unter sozialamt@zg.ch). Das Zuger Staatsarchiv zeigt Zeitzeugnisse zur sozialen Fürsorge. Der Bericht «fürsorgen, vorsorgen, versorgen» ist 2022 beim Chronos-Verlag erschienen und kann dort als E-Book kostenlos bezogen werden (chronos-verlag.ch).
DIF
Die Videoex widmet sich dem experimentellen Film- und Videoschaffen und positioniert sich damit als Schnittstelle von Kunst und Kino. Dieses Jahr gilt es die Filme der brasilianischen Künstlerin Ana Vaz zu entdecken, die mit komplexen Überlagerungen von Found Footage und ihrem eigenen Material die Wechselwirkungen zwischen Kolonialismus, Moderne und Anthropozän erforscht. Sie beleuchtet kritisch den menschlichen Konsum und die Zerstörung von Umwelt und indigenen Gemeinschaften sowie historische, geografische und politische Verstrickungen in ihrer Heimat und darüber hinaus. Vaz stellt aber auch den hierarchischen Blick des ethnografischen Filmens selbst infrage und rückt Narrative in den Blick, die in der Geschichtsschreibung abwesend sind oder bewusst ausgelöscht wurden. Sie macht damit klar, dass ohne Aufarbeitung keine gemeinsame Zukunft mög-
Am Bildrausch in Basel geht es um die unterschiedlichen Wege, auf denen Filme zu einer Wahrheit gelangen. Oder um die Einsicht, wie vielfältig ihre investigativen Methoden sein können. Hier ist die akribische Datenanalyse des Autorenkollektivs Forensic Architecture für den Film «Fire in Moria Refugee Camp» oder das Dokumentar-Kunstwerk «Iron Butterflies» aus gefundenem Filmmaterial von Roman Liubyi, das den Absturz der MH17 über dem ukrainischen Donbass nachvollzieht. In «5 Seasons of Revolution» sind wir mit über Jahre geheim aufgenommenem Filmmaterial der syrischen Videojournalistin Lina konfrontiert und erleben mit der Dokumentarfilm-Pionierin Li Hong eine gesellschaftliche Nahaufnahme der chinesischen Gesellschaft im Jahr 1997 («Out of Phoenix Bridge»). Verschiedene Versionen von Wahrheit kommen ins Spiel, wenn Fragen der Wahrnehmung eine tragende Rolle spielen – der gesellschaftlichen, sinnlichen, persönlichen, berauschten. So macht Regisseur Lois Patiño seinen Film «Samsara» zu einem multisensorischen und psychedelischen Erlebnis, während der spanische Queer-Theoretiker und Autor Paul B. Preciadomit seinem Regiedebüt «Orlando, My Political Biography» Gender- und andere Grenzen überschreitet.
Pörtner in Seebach, Zürich
Surprise-Standort: Migros
Einwohner*innen: 26 056
Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 39,1
Sozialhilfequote in Prozent: 8,0
Beliebteste Strasse: Friesstrasse, wegen der Shisha-Bars auch «Little Istanbul» genannt.
Seebach ist das Quartier in Zürich, das noch nicht oder zumindest noch nicht vollständig gentrifiziert wurde. Hier führt der Bio-Bohemian-Lifestyle buchstäblich ein Nischendasein. Der kleine Laden für Bio- und Fairtrade-Produkte liegt neben der weitaus grösseren Wirtschaft Familiengrill, und gegenüber, noch einmal deutlich grösser, der FleischDiscount. Ennet der Gleise stehen sich die Metzgerei Seebach und der FreshShop gegenüber, letzterer wirbt mit Kilopreisen für fotografisch dargestellte Lammkoteletts und Schultern. Wassermelonen gibt es auch, ebenso Benzin, denn zum Laden gehört eine Tankstelle. Autohäuser und Garagen sowie Fahrschulen sind ebenfalls zahlreich vertreten, defekt ist hingegen das mit Münz betriebene Auto für die Kleinsten im Grossverteiler, der ebenfalls mit Fleisch-
aktionen wirbt. Der Discounter hisst die Flaggen des schwächsten aller Biolabel, jenes, das sich nicht einmal Bio nennen darf.
Die Kirche bleibt im ehemaligen Dorf, sie dominiert den Seebacherplatz, eine Kinderkleiderbörse soll am Nachmittag stattfinden, noch trotzen die leeren Pavillonzelte den Sturmböen. Seebach wurde 1933 eingemeindet, dem letzten Gemeindepräsidenten, Emil Oberhänsli, ist ein kleiner Park gewidmet, der an diesem windigen Tag verlassen daliegt.
Architektonisch interessant der Pavillon mit den geschwungenen Holzbänken, wahrscheinlich ein ehemaliges Wartehäuschen, in dem die Stadtpolizei für Nachwuchs wirbt und vor Internetbe-
trügern warnt. Der Quartierverein ruft auf zum Clean-up-Day und macht auf eine Postkartenausstellung aufmerksam. Kulinarisch dominieren Hamburger, Pizza und Kebab. Pflanzliche und grüne Produkte gibt es in den nebeneinander gelegenen Headshops, an derselben Strasse finden sich auch Shisha-Bars, Coiffeur und Barber-Salons, dazwischen ein Tattoo-Studio und, etwas aus der Zeit gefallen, das Tea-Room Arni.
Vor dem Internationalhof steht der Banco dei Amici, eine Holzbank zum Verweilen. Es gibt auch einen internationalen Kiosk und eine Patisserie Galaxy. In Seebach trifft sich die Welt. Flaniert wird mit Rollatoren, Rollkoffern und Einkaufswagen. Frauen treffen sich zum Kaffee vor einer kleinen Bude, rauchende Mütter schieben Kinderwagen. Richtig idyllisch wird es am Katzenbach, der an der TramEndstation Seebach vorbeifliesst. Am linken Ufer steht eine moderne, grün geklinkerte Siedlung, die nach gehobenerem Wohnraum aussieht, während das Restaurant Zur alten Post nicht mehr in Betrieb ist. Auch hinter der Tramstation ist eine Neubausiedlung zu sehen, es wird gebaut, neben den klassischen Blockund Genossenschaftssiedlungen gibt es auch hübsche Reihenhäuschen, zwei bis dreistöckig, die wohl über kurz oder lang höheren Neubauten weichen müssen.
Die Stellung hält das Hotel und Restaurant Landhaus, das auch über eine Bowlingbahn verfügt, die früher vielleicht eine Kegelbahn war. Hinten am Horizont, an einem Hochhaus, steht ebenfalls «Bowling», offenbar ein beliebter Zeitvertreib hier in Seebach, wo alles noch ein bisschen anders ist als in den anderen Quartieren, etwa im nahen Oerlikon, wohin ein Wanderwegschild weist.
Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.
Die 25 positiven Firmen
Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung.
Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit.
Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist.
Benita Cantieni CANTIENICA®
Arbeitssicherheit Zehnder, Zürich
Gemeinnützige Frauen Aarau
Madlen Blösch, Geld & so, Basel
Breite-Apotheke, Basel
Spezialitätenrösterei derka ee, derka ee.ch
Boitel Weine, Fällanden
Farner’s Agrarhandel, Oberstammheim
Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden
Kaiser Software GmbH, Bern
InoSmart Consulting, Reinach BL
Maya-Recordings, Oberstammheim
Scherrer & Partner GmbH, Basel
BODYALARM - time for a massage
EVA näht: www.naehgut.ch
TopPharm Apotheke Paradeplatz
AnyWeb AG, Zürich
Cobra Software AG www.cobrasw.ch
Praxis Dietke Becker
Beat Vogel - Fundraising-Datenbanken, Zürich
InhouseControl AG, Ettingen
Beat Hübscher, Schreiner, Zürich
Yogaloft GmbH, Rapperswil SG
unterwegs GmbH, Aarau
Fäh & Stalder GmbH, Muttenz
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Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei.
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Surprise, 4051 Basel
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Sie erhalten von uns eine Bestätigung.
Kontakt: Caroline Walpen
Team Marketing, Fundraising & Kommunikation
SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA
Das Programm
Wie wichtig ist Ihnen Ihre Unabhängigkeit?
Einige unserer Verkäufer*innen leben fast ausschliesslich vom Heftverkauf und verzichten auf Sozialhilfe. Surprise bestärkt sie in ihrer Unabhängigkeit. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkäufer*innen zusätzliche Unterstützung. Sie erhalten ein Abonnement für den Nahverkehr, Ferienzuschlag und eine Grundausstattung an Verkaufskleidung. Zudem können bei finanziellen Notlagen aber auch für Gesundheits- oder Weiterbildungskosten weitere Unterstützungsbeiträge ausgerichtet werden. Die Programmteilnehmer*innen werden von den Sozialarbeiter*innen bei Surprise eng begleitet.
Eine von vielen Geschichten
Merima Menur kam 2016 zu Surprise –durch ihren Mann Negussie Weldai, der bereits in der Regionalstelle Bern arbeitete. Zuvor lebten sie fünf Jahre getrennt –er in der Schweiz, sie in Äthiopien. Einige Zeit nach ihrer Ankunft in der Schweiz begann Merima auch mit dem Verkauf des Surprise Strassenmagazins und besuchte einen Deutsch-Kurs, mit dem Ziel selbständiger zu werden und eine Anstellung zu finden. Dank Surplus besitzt Merima ein Libero-Abo für die Stadt Bern und kann somit leichter an ihren Verkaufsort reisen. Surplus gibt der 41-Jährigen ausserdem die Möglichkeit, sich einige bezahlte Ferientage zu gönnen.
Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende
Derzeit unterstützt Surprise 27 Verkäufer*innen des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlus-Programm teilzunehmen.
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#547: Auf der Flucht
«Tolle Begegnungen»
In unserem Alltag begegnen wir vielen Menschen, doch die meisten davon nehmen wir gar nicht richtig war. Auf meinem ehemaligen Arbeitsweg durfte ich Hans Rhyner kennenlernen, und jede weitere Begegnung freute mich sehr. Vielen herzlichen Dank für die stets angenehmen Unterhaltungen. Ich wünsche Euch allen zahlreiche tolle Begegnungen!
BEAT BROGER, ohne Ort
Imp ressum
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Redaktion
Verantwortlich für diese Ausgabe:
Klaus Petrus (kp)
Diana Frei (dif), Sara Winter Sayilir (win)
Reporterin: Lea Stuber (lea)
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F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch
«Ganz naiv»
Warum sind Menschen auf der Flucht? Weil es ihnen am Nötigsten fehlt und weil sie verfolgt werden. Was brauchen wir Menschen also überall auf der Welt? Frieden und ein Einkommen, von dem wir leben können. Ich wünsche mir darum – ganz naiv – eine weltweite Bewegung für bedingungslosen Frieden, totale Abrüstung und bescheidenen materiellen Wohlstand überall auf der Welt. Für alle. Dann wird es keine Flüchtlingsdramen mehr geben, sondern nur noch Menschen, die neugierig darauf sind, wie andere Menschen leben, und die gerne wieder in ihre Heimat zurückkehren. Es sei denn, sie haben sich unterwegs verliebt.
WILLIAM MÖRITZ, Zürich
«Journalistische Perle»
Ich gehöre erst seit wenigen Monaten zur treuen Kundschaft Ihres Strassenmagazins. Seit Jahren habe ich mir vorgenommen, diese Zeitschrift regelmässig zu kaufen, wenn ich endlich Zeit finden würde, die Beiträge zu lesen. Zu oft schaffe ich es immer noch nicht, im Alltag genug Lesezeit freizuschaufeln für diese journalistische Perle. Die Beiträge sind nämlich ohne Ausnahme äusserst ansprechend und interessant geschrieben – ich gebe ziemlich beschämt zu, dass die Qualität des Strassenmagazins meine Erwartungen deutlich übertrifft. Vielen Dank für die informativen und aufklärenden Texte!
MONIKA BLUNSCHI, BERN
Ständige Mitarbeit
Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Christina Baeriswyl, Dina Hungerbühler, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Priska Wenger, Christopher Zimmer
Mitarbeitende dieser Ausgabe
Seynab Ali Isse, Anna-Theresa Bachmann, Pablo Bösch, Eliška Krátká, Timo Lenzen, Gayane Mirzoyan, Patrick Slesiona, Florian Wüstholz, Monika
Vesela
Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.
Gestaltung und Bildredaktion
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Druck
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«Ich warte, bis die Sonne scheint»
«Ich verkaufe die tschechische Strassenzeitung Nový Prostor in der Nähe des Masaryk-Bahnhofs in Prag. Das war mein erster Verkaufsstandort, und ich möchte dort auch nicht mehr weg. Ist das Wetter gut, verkaufe ich bis zu dreissig Zeitschriften am Tag, ist es schlecht, sind es etwa zehn. Meiner Meinung nach ist unser grösster Feind das Wetter. Ich mag es nicht, wenn es kalt ist, aber was kann man dagegen tun? Ich ziehe mir einfach mehr Kleider an, trinke einen heissen Kaffee und warte, bis die Sonne scheint.
Wenn ich am Verkaufen bin, bin ich aktiv. Damit meine ich nicht, dass ich herumrenne; das könnte ich schon wegen meiner angeschlagenen Gesundheit nicht. Aber ich rede mit den Leuten, tausche mich mit ihnen aus, und das belebt mich. Viele Leute kommen von selbst auf mich zu, sie kennen mich inzwischen recht gut. Dann halten wir einen Schwatz, das tut uns allen gut. Wer mit nicht den Leuten kommuniziert, verkauft auch keine Zeitung, so einfach ist das.
Ich verkaufe Nový Prostor, weil meine Rente sehr niedrig ist. Mit dem zusätzlichen Geld, das ich mit dem Zeitungsverkauf verdiene, kann ich Essen für mich und meinen Hund Kyra kaufen und manchmal sogar etwas auf die Seite legen. Das hat mir jüngst geholfen, ich musste nämlich meine Schuhe zum Flicken bringen; es sind Motorradstiefel, ich habe sie schon zwanzig Jahre, denn früher war ich ein Biker.
Geboren wurde ich in Peru. Meine Mutter war Peruanerin, mein Vater Tscheche. Wie sie sich kennenlernten, weiss ich nicht. Wir sind aus Peru weggezogen, als ich zehn war. Wir haben einfach unsere Sachen gepackt und sind nach Prag gereist. Wahrscheinlich haben sich meine Eltern vorgestellt, das Leben sei hier besser als in Peru. Sie wollten gemeinsam Musik machen. Ich habe noch ein paar Erinnerungen an Peru und immer noch einige Verwandte dort. Meine Mutter starb vor zehn Jahren, mein Vater schon vor zwanzig Jahren.
In Prag habe ich als Jugendlicher die Schule für Kunst und Bildhauerei besucht. Das Talent dafür habe ich von meinen Grossvätern geerbt, sie waren Künstler. Nach dem Abschluss bin ich viel gereist und habe als Bildhauer gearbeitet. Dabei verdiente ich wirklich gutes Geld. Allerdings gab ich es sofort wieder aus – ich war jung und dumm. Aber ich habe immerhin die Welt gesehen. Jeder Ort ist schön, und überall gibt es gute Dinge und schlechte Dinge.
Kurz vor meiner Pensionierung ging es dann bergab. Ich hatte immer weniger Jobs, konnte meine Miete nicht mehr bezahlen und verlor meine Wohnung. Als ich dann vor etwas mehr als zwei Jahren meine Rente bekam, war die, wie gesagt, viel zu knapp. Ich konnte mir nicht einmal ein Zimmer leisten. Dar-
aufhin habe ich mich bei der Stadtverwaltung um eine Wohnung beworben. Aber die Liste ist wahrscheinlich voll, jedenfalls hat sich bisher niemand bei mir gemeldet. Also warte ich einfach. Und lebe weiterhin auf der Strasse.
Wann immer ich kann, versuche ich, anderen zu helfen, die ebenfalls Pech haben. Jirka zum Beispiel, der auch Nový Prostor verkauft, hat gesundheitliche Probleme. Seit kurzem sitzt er sogar im Rollstuhl. Um die Strassenzeitung zu verkaufen, bräuchte er am besten einen elektrischen Rollstuhl. Bis es so weit ist, schiebe ich ihn an den Verkaufsstandort. Er betrachtet mich als seinen Bruder, weil ich für ihn da bin und ihm helfe. Er ist ein richtig guter Typ, wir kennen uns schon seit langem.
Ich lebe jetzt schon seit sieben Jahren auf der Strasse. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Ich trinke keinen Alkohol und bin fest davon überzeugt, dass ich es eines Tages schaffen werde, von der Strasse wegzukommen und wieder eine eigene Wohnung zu haben. Ich glaube an das
Aufgezreichnet von MONIKA VESELA
Mit freundlicher Genehmigung von NOVÝ PROSTOR / INSP.NGO
INTERNATIONALES NETZWERK DER STRASSENZEITUNGEN
Kultur
STRASSENCHOR
STRASSENCHOR
Solidaritätsgeste
Solidaritätsgeste
CAFÉ SURPRISE
CAFÉ SURPRISE
Lebensfreude Zugehörigkeitsgefühl
Lebensfreude Zugehörigkeitsgefühl
Entlastung
Sozialwerke
BEGLEITUNG UND BERATUNG
BEGLEITUNG UND BERATUNG
Unterstützung
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Entwicklungsmöglichkeiten
Entwicklungsmöglichkeiten
Expertenrolle Job
Expertenrolle Job
STRASSENMAGAZIN
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Information
SURPRISE WIRKT
STRASSENFUSSBALL
STRASSENFUSSBALL
Erlebnis
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SOZIALE STADTRUNDGÄNGE
SOZIALE STADTRUNDGÄNGE
Perspektivenwechsel
Perspektivenwechsel
Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3
SURPRISE WIRKT
998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen
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Helfen tut gut.
Zeit, zuzuhören. Zeit, abzuwarten. Zeit für Rückschläge. Zeit, zu helfen. All das gibt es in der Sozialberatung und -begleitung, die Surprise an seinen drei Standorten in Basel, Bern und Zürich anbietet. Die Verkäufer*innen des Strassenmagazins sowie die Stadtführer*innen, die Spieler*innen des Strassenfussballs und die Chormitglieder erhalten hier nicht nur ihre Hefte, gratis Kaffee oder Internetzugang, sondern wenden sich mit ihren Sorgen und Fragen an die Surprise-Mitarbeiter*innen.
Ob bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, bei Schulden, beim Umgang mit Behörden und administrativer Korrespondenz, bei familiären Krisen oder Suchtproblemen – für rund 450 armutsbetroffene Menschen ist diese umfassende und niederschwellige Begleitung eine unentbehrliche Stütze im Alltag.
Surprise hilft individuell und niederschwellig.
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Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren.
BETEILIGTE CAFÉS
IN AARAU Rest. Schützenhaus, Aarenaustr. 1 | Rest. Sevilla, Kirchgasse 4 | the green corner, Rain 27 IN ALSTÄTTEN SG Zwischennutzung Gärtnerei, Schöntalstr. 5a IN ARLESHEIM Café Einzigartig, Ermittagestr. 2 IN BAAR Elefant, Dorfstr. 1 IN BACHENBÜLACH Kafi Linde, Bachstr. 10 IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstr. 18 & Elsässerstr. 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Barista Bar Basel, Schneidergasse 16 | Bioladen Feigenbaum, Wielandplatz 8 | Bohemia, Dornacherstr. 255 | Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | KLARA, Clarastr. 13 | Flore, Klybeckstr. 5 | frühling, Klybeckstr. 69 Haltestelle, Gempenstr. 5 | FAZ Gundeli, Dornacherstr. 192 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreff Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 Quartiertreff Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Bad. Bahnhof | L’Ultimo Bacio Gundeli, Güterstr. 199 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 Café Spalentor, Missionsstr. 1 | HausBAR Markthalle, Steinentorberg 20 | Shöp, Gärtnerstr. 46 | Tellplatz 3, Tellplatz 3 | Treffpunkt Breite, Zürcherstr. 149 Wirth’s Huus, Colmarerstr. 10 IN BERN Äss-Bar, Marktgasse 19 | Burgunderbar, Speichergasse 15 | Generationenhaus, Bahnhofplatz 2 | Hallers brasserie, Hallerstr. 33 | Café Kairo, Dammweg 43 | MARTA, Kramgasse 8 | MondiaL, Eymattstr. 2b | Tscharni, Waldmannstr. 17a | Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 LoLa, Lorrainestr. 23 | Luna Lena, Scheibenstr. 39 | Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Dreigänger, Waldeggstr. 27 | Löscher, Viktoriastr. 70 | Sous le Pont, Neubrückstr. 8 | Rösterei, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | DOCK8, Holligerhof 8 | Café Paulus, Freiestr. 20 | Becanto, Bethlehemstr. 183
Phil’s Coffee to go, Standstr. 34 IN BIEL Äss-Bar, Rue du Marché 27 | Inizio, Freiestrasse 2 | Treffpunkt Perron bleu, Florastrasse 32 IN BURGDORF Bohnenrad, Bahnhofplatz & Kronenplatz | Specht, Hofstatt 5 IN CHUR Café Arcas, Ob. Gasse 17 | Calanda, Grabenstr. 19 | Café Caluori, Postgasse 2 | Gansplatz, Goldgasse 22 | Giacometti, Giacomettistr. 32 | Kaffee Klatsch, Gäuggelistr. 1 | Loë, Loestr. 161 | Merz, Bahnhofstr. 22 | Punctum Apérobar, Rabengasse 6 Rätushof, Bahnhofstr. 14 | Sushi Restaurant Nayan, Rabengasse 7 | Café Zschaler, Ob. Gasse 31 IN DIETIKON Mis Kaffi, Bremgartnerstr. 3a IN FRAUENFELD Be You Café, Lindenstr. 8 IN LENZBURG Chlistadt Kafi, Aavorstadt 40 | feines Kleines, Rathausgasse 18 IN LIESTAL Bistro im Jurtensommer, Rheinstr. 20b IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz & Mairübe, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Markt Wärchbrogg, Alpenquai 4 & Baselstr. 66 | Rest. Wärchbrogg, Alpenquai 4 | Bistro Vogelgärtli, Sempacherstr. 10 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Sommerbad Volière, Inseliquai | Arlecchino, Habsburgerstr. 23 IN MÜNCHENSTEIN Bücher- und Musikbörse, Emil-Frey-Str. 159 IN NIEDERDORF Märtkaffi am Fritigmärt IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestr. 47 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN ST. GALLEN S’Kafi, Langgasse 11 IN UEKEN Marco’s Dorfladen, Hauptstr. 26 IN USTER al gusto, Oberlandstr. 82 IN WIL Caritas Markt, Ob. Bahnhofstr. 27 IN WINTERTHUR Bistro Sein, Industriestr. 1 IN ZUG Bauhütte, Kirchenstr. 9 | Podium 41, Chamerstr. 41 IN ZÜRICH Café Noir, Neugasse 33 | Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | das GLEIS, Zollstr. 121 | GZ Bachwiesen, Bachwiesenstr. 40 | Kleinwäscherei, Neue Hard 12 | Kiosk Sihlhölzlipark, Manessestr. 51 | Quartiertr. Enge, Gablerstr. 20 | Quartierzentr. Schütze, Heinrichstr. 238 | Täglichbrot, Friesenbergplatz 5 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 | GZ Witikon, Witikonerstr. 405 | GZ Wipkingen, Breitensteinstr. 19a jenseits im Viadukt, Viaduktstr. 65 | Freud, Schaffhauserstr. 118 | Kumo6, Bucheggplatz 4a | Sport Bar Cafeteria, Kanzleistr. 76 | Zum guten Heinrich Bistro, Birmensdorferstr. 431
Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise